Innern, für Bau und Verkehr Verfassungsschutzbericht JAHR Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Impressum Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr Odeonsplatz 3, 80539 München Redaktion: Abteilung Verfassungsschutz, Cybersicherheit in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz Druck: Aumüller Druck GmbH & Co. KG Der Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 ist auch über das Internet abrufbar, unter www.innenministerium.bayern.de www.verfassungsschutz.bayern.de Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Bayerische Staatsregierung tritt seit jeher allen Formen des Extremismus konsequent entgegen, unabhängig davon, ob diese politischen, religiösen oder weltanschaulichen Ursprungs sind. Der Islamismus und derislamistische Terrorismus bedrohen unverändert unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, sowie die Grundwerte aller westlichen Staaten. Der islamistische Terrorismus hat auch 2013 weltweit erneut Todesopfer gefordert, beispielsweise durch die Terroranschläge in Wolgograd im Vorfeld der Olympischen Winterspiele 2014. Auch aus Deutschland reisen vermehrt Islamisten aus, um an Kampfhandlungen teilzunehmen. Insbesondere der bewaffnete Konflikt in Syrien zieht mit seinem hohen Emotionalisierungund Mobilisierungspotenzial weltweit immer mehr gewaltbereite Islamisten an. Wir betrachten mit Sorge, dass auch in Bayern die Ausreisezahlen steigen. Rückkehrer aus den Jihad-Gebieten stellen bei einer Wiedereinreise nach Deutschland ein erhöhtes Sicherheitsrisiko dar, insbesondere wenn sie sich im Kampfeinsatz im Ausland weiter radikalisiert und eine militärische Ausbildung durchlaufen haben. Wir haben jedoch nicht nur die gewaltorientierten Islamisten im Blick, sondern auch diejenigen, die diese logistisch oder finanziell unterstützen oder durch eine Strategie der Einflussnahme auf Politik und Gesellschaft Kernelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen wollen. So haben wir im Oktober 2013 das Kulturund Bildungszentrum Ingolstadt e.V. verboten, weil es die verfassungsfeindlichen Ziele des 2001 verbotenen IngolstädterTeilvereins des Kalifatsstaats weiterverfolgte. Auch die Bekämpfung des Rechtsextremismus bildet nach wie vor einen Schwerpunkt der Bayerischen Staatsregierung. Bayern unterstützt nachdrücklich den Anfang De- 5 zember 2013 vom Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Antrag auf ein Verbot der NPD. Wir müssen den geistigen Wegbereitern menschenverachtender Ideologien und Verbrechen mit den Mitteln des demokratischen Rechtsstaats entgegentreten und ihnen insbesondere auch die finanzielle Grundlage entziehen. 2013 stand vor allen Dingen die Auseinandersetzung mit der Neonazi-Szene im Fokus unserer Arbeit. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen das Neonazi-Netzwerk Freies Netz Süd haben wir im Sommer die größte auf das Vereinsgesetz gestützte Durchsuchungsaktion in Bayern gegen Angehörige der Neonazi-Szene durchgeführt. Anlass war der Verdacht, dass das Freie Netz Süd die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der 2004 verbotenen Fränkischen Aktionsfront fortführt. In der linksextremistischen Szene ist die Gewaltbereitschaft unverändert hoch. Immer wieder werden Polizeibeamte als Repräsentanten des Staates im Rahmen von Demonstrationen Opfer linksextremistischer Übergriffe - und das nicht nur in Hamburg und Berlin, sondern auch in Bayern. So richtig und wichtig ein mutiges Auftreten der Gesellschaft gegenüber rechtsextremistischen Umtrieben auch ist, muss es Konsens aller demokratischen Gruppierungen sein, bei ihrem Eintreten gegen den Rechtsextremismus nicht Linksextremisten die Hand für deren eigene, gegen unseren demokratischen Rechtsstaat gerichteten Ziele zu reichen. Die Diskussion über die Aktivitäten der NSA hat die Sensibilität für die Verwundbarkeit der modernen Telekommunikation erhöht. So unverzichtbar die Telekommunikationstechnologie in einer modernen Gesellschaft ist, muss uns doch bewusst sein, dass diese gleichzeitig ein Iohnendes Ziel für Angriffe und Spionagetätigkeit jeder Art und Herkunft ist. Insbesondere die Leistungsfähigkeit unserer bayerischen Wirtschaft steht im Fokus. Aufklärung und Analyse etwaiger Spionageaktivitäten sowie die Immunisierung möglicher Angriffsziele sind die Hauptaufgaben der Spionageabwehr. Bereits Mitte 2013 - also noch vor Bekanntwerden der NSA-Ausspähungen - haben wir daher beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz ein eigenes Cyber-AllianzZentrum eingerichtet. Diese Servicestelle dient als Ansprechpartner für Unternehmen, Hochschulen und Betreiber kritischer Infrastrukturen, die elektronische Spionage oder Sabotageangriffe befürchten oder bereits erlitten haben. Sie garantiert absolute Vertraulichkeit und meldet Ergebnisse zeitnah zurück. Bayern reagiert seit jeher frühzeitig auf neue Entwicklungen im Bereich des Extremismus. So beobachtet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz seit Frühjahr 2013 eine insbesondere im Raum München und Oberbayern aktive Gruppierung, die pauschal Vorurteile gegen Muslime schürt und diesen die uneingeschränkte Geltung von Grundrechten, insbesondere das Recht auf freie Religionsausübung, abspricht. 6 Der Verfassungsschutz steht jedes Jahr vor großen Herausforderungen, die nur mit Hilfe des engagagierten Einsatzes seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeistert werden können. Für diesen Einsatz danken wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz herzlich. Ihre unentwegte Wachsamkeit im Dienste unserer Demokratie ist ein unverzichtbarer Baustein für die Sicherheit in Bayern. München, im März 2014 hmm ; Joachim Herrmann Gerhard Eck Staatsminister Staatssekretär Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Ausspähungsund Überwachungsmaßnahmen ausländischer Nachrichtendienste haben inund außerhalb Europas weit reichende Verunsicherung ausgelöst. Neben der "klassischen Spionage" durch menschliche Quellen werden in letzter Zeit immer mehr elektronische Angriffe festgestellt. Es ist eine Diskussion darüber in Gang gekommen, wie wir uns noch besser gegen diese Angriffe schützen können. Im Zentrumunserer Arbeit muss die Immunisierung möglicher Angriffsziele stehen. Sie wirkt unabhängig von der Herkunft der Angriffe. Das Bayerische Landesamtfür Verfassungsschutz hat deshalb schon vor mehreren Jahren einen Arbeitsbereich Wirtschaftsschutz aufgebaut, in dem wir in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium die bayerische Wirtschaft für die Gefahren durch Spionage sensibilisieren. Diese Strategie der präventiven Spionageund Sabotageabwehr haben wir mit dem Aufbau des Cyber-Allianz-Zentrums (CAZ) am Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz konsequent weiterentwickelt. Das CAZ wertet bekannt gewordene elektronische Angriffsversuche auf Wirtschaftsunternehmen forensisch-technisch aus und unterzieht sie einer nachrichtendienstlichen Bewertung. Die Ergebnisse werden in anonymisierter Form weiteren potenziell betroffenen Unternehmenzur Verfügung gestellt, damit diese wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen können. Das CAZ wirkt damit als Frühwarnsystem im Bereich der Cybersicherheit. Die Arbeitsbereiche Wirtschaftsschutz und CAZ zeigen, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz eine dynamische Struktur hat: Immer wieder stellt es sich durch organisatorische Anpassungen auf neue Herausforderungen ein. In einer Welt, in der sich Veränderungsprozesse immer rascher vollziehen, ist diese institutionelle Dynamik zwingend. Strukturveränderungen haben wir auch im Zusammenhang mit der Aufdeckung der menschenverachtenden Mordserie des NSU vollzogen: Die personenund fallbezogene Bearbeitung rechtsextremistischer Aktivitäten haben wir deutlich ausgebaut, die für den Inlandsextremismus zuständige Abteilung wurde hierzu umstrukturiert. Um die große Zahl an Asservaten auszuwerten, die im Rahmen des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen das Freie Netz Süd (FNS) sichergestellt wurden, haben wir eine eigene Arbeitseinheit eingerichtet, in der wir auch von Beamten der Bayerischen Polizei unterstützt werden. Zudem haben wir die Präventionsarbeit in der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) weiter verstärkt. Auch im Verfassungsschutzverbund wurden viele neue Strukturen geschaffen, beispielhaft sind hier die Einrichtung des Gemeinsamen Extremismusund Terrorismus-Abwehrzentrums (GETZ) und die Schaffung einer Rechtsextremismus-Datei zu nennen. Wir verlieren dabei aber auch die übrigen Phänomenbereiche nicht aus dem Fokus. Derzeit beschäftigt uns insbesondere die Ausreise von Salafisten in Richtung Syrien. Rückkehrer, die in Syrien Kampferfahrung gesammelt haben, können die Gefährdungslage in Deutschland massiv verändern. Wir behalten aber auch diejenigen im Blick, die die Gefahren des Islamismus dazu instrumentalisieren, um gegen den Islam insgesamt zu hetzen und den Muslimen das Grundrecht auf Religionsfreiheit abzusprechen. Voraussetzung für die stetige Anpassung an neue Bedrohungslagen ist unsere qualifiziierte und motivierte Mitarbeiterschaft. Ein Großteil unseres Personals hat eine Polizeiausbildung durchlaufen und steht damit für die enge Verzahnung mit der Polizei. Daneben beschäftigen wir aber auch Spezialisten wie Politikwissenschaftler, Islamwissenschaftler oder Informatiker, die zusätzliches Know-how und neue Perspektiven mitbringen. Die große Bandbreite der Qualifikationen hilft uns, unsere vielfältigen Aufgaben in einer immer komplexer werdenden Welt zu bewältigen. Um zügig auf neue Herausforderungen reagieren zu können, suchen wir nicht zuletzt auch den stetigen Austausch mit der Öffentlichkeit. Wir stellen uns der Diskussion und sind dankbar für Anregungen, die uns noch besser machen können. München, im März 2014 -- Or2357 Dr. Burkhard Körner Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz 10 Inhalt Informationen zum Verfassungsschutz 16 1. Der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem 17 2. Gesetzlicher Auftrag 17 3. Informationsbeschaffung 21 4. Kontrolle des Verfassungsschutzes 22 5. Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz 23 6. Information und Prävention 23 Islamismus 26 1. Personenpotenzial 28 2. Islamismus in Deutschland 28 3. Internet, Islamseminare und Benefizveranstaltungen 33 3.1 Islamisten im Internet 33 3.2 Überregionale Islamseminare und Benefizveranstaltungen 35 4. Strukturen 36 4.1 Legalistischer Islamismus 36 4.1.1 Milli-Görüs-Bewegung 36 4.1.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) 39 4.1.3 Tablighi Jamaat (TJ) 41 4.1.4 Islamische Vereinigung in Bayern e.V. (IVB) 42 4.1.5 Die Muslimbruderschaft (MB) und ihr Einfluss in Deutschland 44 4.1.5.1 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) 47 4.1.5.2 Muslimische Jugend in Deutschland e.V. (MJD) 48 4.2 Salafismus 50 4.2.1 Politischer Salafismus 52 4.2.2 Jihadistischer Salafismus 54 4.2.2.1 Das al-Qaida-Netzwerk 54 4.2.2.2 Islamistisch-kurdische Netzwerke 58 4.3 Sonstiger islamistischer Terrorismus 60 4.3.1 HAMAS (Islamische Widerstandsbewegung) 60 4.3.2 Hizb Allah (Partei Gottes) 61 4.3.3 Islamistische Bezüge von Tschetschenen und weiteren Nordkaukasiern 62 11 Ausländerextremismus 64 1. Personenpotenzial Bayern 66 2. Gewaltpotenzial 66 3. Strukturen 67 3.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bzw. Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) 67 3.2 Türkische Linke 70 3.2.1 DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) / Devrimei Sol (Revolutionäre Linke) 70 3.2.2 Türkische Kommunistische Partei / MarxistenLeninisten - Partizan Flügel (TKP/ML - Partizan Flügel) 71 3.2.3 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 72 3.3 Türkische Nationalisten 73 3.4 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 74 Rechtsextremismus 76 1. Personenpotenzial Bayern 78 2. Gewaltpotenzial 78 2.1 Rechtsextremistische Gewalt nach Aufdeckung des NSU 79 2.2 Gewaltorientierte rechtsextremistische Szene in Bayern 81 2.3 Rechtsextremistisch motivierte Strafund Gewalttaten 82 3. Rechtsextremistische Themenfelder und Aktionsformen 84 3.1 Rechtsextremistische Themenfelder 84 3.2 Rechtsextremistische Aktionsformen 86 3.2.1 Rechtsextremistische Bürgerinitiativen 86 3.2.2 Rechtsextremistische Aktivitäten bei gesellschaftlichen Veranstaltungen 87 3.2.3 Internationale Kontakte bayerischer Rechtsextremisten 87 4. Frauen und Rechtsextremismus 88 5. Internet, Musik und Vertriebsstrukturen 90 5.1 Rechtsextremisten im Internet 90 5.2 Rechtsextremistische Musik 91 5.3 Rechtsextremistische Vertriebsstrukturen 94 5.4 Rechtsextremistische Internet-Radios und -TV 96 12 6. Immobiliensuche und -erwerb 96 7. Rechtsextremistische Parteien, Vereinigungen und Verlage 98 71 Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) 98 7.2 Partei Die Rechte 108 73 Partei Der Dritte Weg 109 7.4 Bürgerinitiativen 110 7.5 Rechtsextremistische Verlage 113 7.6 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 113 8. Neonazismus und Kameradschaften 116 8.1 Freies Netz Süd (FNS) 119 82 Sonstige neonazistische Gruppierungen 129 9. Rechtsextremistische Jugend-Szenen und Subkulturen 133 Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit 136 (c) A EEE 139 2. Politically Incorrect Gruppe München (PI-München) 140 3. Bürgerbewegung Pax Europa Landesverband Bayern (BPE Bayern) 141 Linksextremismus 142 1. Personenpotenzial Bayern 144 2. Gewaltpotenzial 145 3. Ideologische Wurzeln des Linksextremismus 148 4. Linksextremistische Themenfelder 151 5. Internet und Musik 154 5.1 Linksextremisten im Internet 154 5.2 Linksextremistische Musik 155 6. Linksextremistische Parteien und Vereinigungen 157 6.1 Offen extremistische Strukturen in der Partei DIE LINKE. 157 6.1.1 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF) 157 6.1.2 Antikapitalistische Linke (AKL) 158 6.1.3 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) 159 6.1.4 marx21 159 6.1.5 Linksjugend ['solid] Landesverband Bayern 160 6.1.6 Die Linke. Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (DIE LINKE.SDS) 161 13 6.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und Umfeld 162 6.2.1 DKP 162 6.2.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 163 6.2.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) 164 6.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 167 6.4 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus 168 6.5 Sonstige linksextremistische Organisationen 169 7. Autonome, Anarchisten und Antideutsche 172 741 Beschreibung / Hintergrund 172 7.2 Organisationen 174 Scientology-Organisation (SO) 178 1. Personenpotenzial Bayern 181 2. Aktionen und Aktivitäten 181 2.1 Bayerische Behörden und Politiker werden vermehrt von scientologischen Tarnorganisation kontaktiert 181 2.2 Scientology-Tarnorganisation NARCONON bewirbt ihre Drogenpräventionskampagne auch an bayerischen Kliniken 181 3. Organisationsstruktur 183 4. Aussteiger 186 Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, Cyber-Allianz-Zentrum (CAZ) 188 1. Spionageaktivitäten ausländischer Nachrichtendienste 191 1.1 Russische Föderation 191 1.2 Volksrepublik China 193 2. Proliferation 194 3. Elektronische Angriffe 196 4. Wirtschaftsschutz 197 5 Cyber-Allianz-Zentrum Bayern (CAZ) 198 14 Organisierte Kriminalität (OK) 200 1. Rockerkriminalität 202 2. OK aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 205 3. OK-Gruppierungen aus dem Balkan und der Türkei 206 4. Italienische Mafia 207 5. Schleusungskriminalität 208 Anhang 209 Grafiken: Personenpotenzial und Gewalttaten 209 Stichwortregister 210 Extremistische Organisationen und Gruppierungen 213 Bildnachweis 218 15 Informationen zum Verfassungsschutz < Der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem < Gesetzlicher Auftrag < Informationsbeschaffung < Kontrolle des Verfassungsschutzes < Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz < Bayerische Informationsstelle gegen 1. Der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem Die Bundesrepublik Deutschland ist nach ihrer Verfassung eine wertgebundene, wachsame und wehrhafte Demokratie. Der Staat kann gegen Bestrebungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, die in derVerfassung vorgesehenen Abwehrmiittel einsetzen, z.B. ein Parteioder Vereinsverbot. Das setzt aber voraus, dass er solche Bestrebungen oder Aktivitäten, die als extremistisch oder als verfassungsfeindlich bezeichnet werden, rechtzeitig erkennen kann. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie zum Schutz des Bestandes und der Sicherheit von Bund und Ländern ein. 2. Gesetzlicher Auftrag Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich genau festgelegt. Das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) regelt die von Bund und Ländern im Rahmen des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben und ist zugleich Rechtsgrundlage für die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Daneben gibt es in allen Ländern eigene Verfassungsschutzgesetze. In Bayern regelt das Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) die Aufgaben und Befugnisse des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, das seinen Sitz in München hat und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnet ist. Für das Landesamt wurden im Haushaltsplan 2013 insgesamt 442 Stellen für Beamte und Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst ausgewiesen. Das Haushaltsvolumen 2013 betrug 26,8 Millionen Euro. Der Verfassungsschutz sammelt Informationen über sicherheitsBeobachtungsgefährdende und verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland auftrag und wertet diese aus. Diesem originären Beobachtungsauftrag unterliegen im Wesentlichen " Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 17 Verfassungsschutz in Bayern " sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (Sabotage und Spionage), " Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, " Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, " Bestrebungen undTätigkeiten der Organisierten Kriminalität. Als "Bestrebung"" ist eine politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweise definiert, die darauf gerichtet ist, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes bzw. Verfassungsgrundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Solche Bestrebungen können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen. Arbeitsschwerpunkt des Verfassungsschutzes ist dabei die Beobachtung von extremistischen Organisationen, d.h. in erster Linie die Analyse ihrer Ziele, Aktivitäten, Stärke, Aufbau und finanziellen Verhältnisse. Dazu müssen zwangsläufig auch die Mitglieder und Unterstützer erfasst werden. Aber auch die Beobachtung von extremistischen Einzelpersonen ist zulässig. Als extremistische Bestrebungen werden in Bayern beobachtet: Islamismus Ausländerextremismus vV vV vYV Rechtsextremismus Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Linksextremismus Scientology-Organisation Der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes umfasst auch extremistische Aktivitäten im Internet, z.B. in Blogs und Foren. Dabei ist aber eine "automatische" Zurechnung von anonymen Beiträgen in Blogs oder Foren zulasten der Betreiber rechtlich nicht zulässig, da die Betreiber selbst extremistische Ziele verfolgen müssen. Erst wenn eine politisch motivierte, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete 18 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Verfassungsschutz in Bayern Zielrichtung zurechenbar festzustellen ist, ist der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes eröffnet. Aus Anlass einer Klage der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE. und eines Bundestagsabgeordneten dieser Partei fällte Abgeordneten das Bundesverfassungsgericht am 17. September 2013 eine Grundsatzentscheidung zu den Voraussetzungen und Grenzen der Beobachtung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz. Das Gericht entschied, dass die Beobachtung von Parlamentsabgeordneten durchdie Verfassungsschutzbehörden wegen des darin liegenden Eingriffs in das freie Mandat des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen zulässig ist. An die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist dabei mit Blick auf die Bedeutung, die das Grundgesetz dem freien Mandat zuerkennt, ein strenger Maßstab anzulegen. Ein die Beobachtung rechtfertigendes, überwiegendes Interesse am Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung liegt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere dann vor, wenn ein Abgeordneter sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft. In Bayern ist die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität Organisierte (OK) seit 1994 nicht nur Aufgabe der Polizei, sondern auch des Kriminalität Verfassungsschutzes. Dies umfasst u.a. die Bereiche illegaler Waffenund Drogenhandel, Schutzgelderpressung und Geldwäsche. Der Bayerische Verfassungsschutz klärt da auf, wo Polizei oder Staatsanwaltschaft rechtlich noch nicht tätig werden können und liefert so einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung krimineller Strukturen. Personen, die der OK angehören bzw. sich in deren Umfeld aufhalten, agieren sehr konspirativ. Die Aufklärung dieser Strukturen setzt eine systematische und vor allem langfristig angelegte Beobachtung voraus, die auch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erfordert. Liegen dem Verfassungsschutz konkrete Anhaltspunkte für kriminelle Strukturen und Straftaten vor, werden diese zur weiteren Bearbeitung an Polizei und Staatsanwaltschaft abgegeben. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 19 Verfassungsschutz in Bayern Spionageabwehr Eine weitere Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Spionageabwehr, d.h. die Abwehr der Spionage von Nachrichtendiensten fremder Staaten gegen Deutschland. Wesentliche Angriffsziele sind die Bereiche Politik, Militärtechnologie und Wirtschaft. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste, sammelt Informationen und wertet sie aus, um z.B. deutsche Unternehmen zu schützen. Cyber-AllianzDas seit 1.Juli bestehende Cyber-Allianz-Zentrum im BayeZentrum rischen Landesamt für Verfassungsschutz unterstützt Unternehmen sowie Betreiber kritischer Infrastrukturen bei der Prävention und Abwehr gezielter Cyberangriffe. MitwirkungsDaneben hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz aufgaben eine Reihe von Mitwirkungsaufgaben, bei denen es als Fachberater bei Sachentscheidungen einer anderen Behörde hinzugezogen wird. Dabei fließen die bereits vorhandenen oder aus Anlass des Mitwirkungsersuchens gewonnenen Erkenntnisse in den Entscheidungsprozess einer anderen Behörde mit ein. Zu den Mitwirkungsaufgaben gehören der Geheimund Sabotageschutz. Geheimschutz Der Geheimschutz umfasst die Maßnahmen, die verhindern sollen, dass Unbefugte von im Öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Informationen und Unterlagen - sog. Verschlusssachen - Kenntnis erhalten. Verschlusssachen gibt es in Behörden, aber auch in privatwirtschaftlichen Unternehmen, die im Auftrag des Staates tätig werden. Der materielle Geheimschutz befasst sich mit den organisatorischen und technischen Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen, um Verschlusssachen vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Der personelle Geheimschutz beinhaltet die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Die Sicherheitsüberprüfung nach dem Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BaySÜG) soll gewährleisten, dass nur zuverlässige Personen eingesetzt werden, bei denen keine Umstände vorliegen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen. 20 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Verfassungsschutz in Bayern Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz bringt außerBeteiligungsdem seine Erkenntnisse im Rahmen weiterer Beteiligungsaufgaaufgaben ben ein, insbesondere bei einbürgerungsund aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen. Es ist an der behördenübergreifenden Arbeitsgruppe BIRGIT (Beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus/Extremismus) beteiligt. Zudem hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz die Aufgabe, im Einzelfall amtliche Auskünfte im Rahmen der Verfassungstreueüberprüfung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst zu erteilen. Außerdem übermittelt es relevante Erkenntnisse im Rahmen von Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Luftsicherheitsgesetz und dem Atomgesetz. Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz in München Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der VerfassungsOffene Quellen schutz verpflichtet, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Informationen werden zum weit überwiegenden Teil aus offenen Quellen gewonnen (z.B. aus dem Internet, Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern, Programmen, Broschüren sowie bei öffentlichen Veranstaltungen extremistischer Organisationen). Einen Teil der Informationen erhält der Verfassungsschutz durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel. Dazu gehören im Wesentlichen: " der Einsatz von V-Leuten (Personen, die der VerfassungsNachrichtendienstschutzbehörde selbst nicht angehören, aber aufgrund liche Mittel ihrer Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Beobachtungsobjekt Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 21 Verfassungsschutz in Bayern "SzeneErkenntnisse" gegen Bezahlung liefern), " das Beobachten verdächtiger Personen (Observation) sowie " verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen. Artikel 10-Gesetz Eingriffe in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis (Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs) sind besonders strengen rechtsstaatlichen Anforderungen unterworfen. Sie sind in einem eigenen Gesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses "Artikel 10-Gesetz"" (G 10) genannt wird. Ein Verfahren mit mehreren voneinander unabhängigen Kontrollinstanzen stellt sicher, dass in dieses Grundrecht nur eingegriffen wird, wenn die im Gesetz genannten besonderen Gründe vorliegen. Ähnliches gilt für die seit Beginn des Jahres 2003 eingeführten Auskunftsverpflichtungen von Postund Telekommunikationsdienstleistern sowie für die Verwendung technischer Mittel zur Identifizierung von bisher unbekannten Mobilfunkanschlüssen. Die Zahl der Maßnahmen zur Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs lag im Jahr 2013 wie schon in der Vergangenheit im unteren zweistelligen Bereich. Besonders strenge rechtsstaatliche Sicherungen gelten auch für den Einsatz von Abhörgeräten oder versteckten Kameras inWohnund Geschäftsräumen sowie für den verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme. 4. Kontrolle des Verfassungsschutzes Parlamentarische Die Tätigkeit des bayerischen Verfassungsschutzes unterliegt Kontrolle durch die einer vielfältigen Kontrolle. Dazu gehört die allgemeine par- G 10-Kommission lamentarische Kontrolle, die durch die Berichtspflicht des verantwortlichen Ministers gegenüber dem Landtag im Rahmen von Anfragen von Abgeordneten, Petitionen usw. ausgeübt wird. Eine besondere Kommission des Bayerischen Landtags, das Parlamentarische Kontrollgremium, überwacht die Arbeit des Verfassungsschutzes. Die G 10-Kommission überprüft die Maßnahmen zur Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs sowie die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Auskunftsverpflichtungen von Postund Telekommunikationsdienstleistern. Die Verwaltungskontrolle obliegt dem Innenminister im Rahmen der Dienstund Fachaufsicht, ferner dem 22 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Verfassungsschutz in Bayern Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz und dem Bayerischen Obersten Rechnungshof. Diese Kontrollen werden ergänzt durch die Möglichkeit, gegen belastende Maßnahmen die Verwaltungsgerichte anzurufen. Schließlich findet über die Medienberichterstattung auch eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit statt. 5. Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz Beim Schutz von Staat und Verfassung arbeiten Polizei und Trennungsgebot Verfassungsschutz eng zusammen. Dabei sind die Polizeiund Verfassungsschutzbehörden jedoch voneinander getrennt, Verfassungsschutzbehörden dürfen keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden (organisationsrechtliches Trennungsgebot). Aufgabe der Polizei ist die Abwehr von Gefahren sowie die Aufklärung von Straftaten. Sie verfügt über Eingriffsrechte und Zwangsbefugnisse (z.B. Festnahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen usw.) und muss eingreifen, sobald sie Hinweise auf Straftaten erhält. Der Verfassungsschutz ist dagegen für die Vorfeldaufklärung zuständig und hat keine Zwangsbefugnisse und kein Weisungsrecht gegenüber der Polizei (befugnisrechtliches Trennungsgebot). Hat der Verfassungsschutz ausreichend Erkenntnisse, die ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich machen, unterrichtet er die zuständige Sicherheitsbehörde. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 6. Information und Prävention Der Verfassungsschutz hat den gesetzlichen Auftrag, Regierung und Parlament sowie die Öffentlichkeit über Aktivitäten und Ziele verfassungsfeindlicher Organisationen zu informieren. Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit klärt das Landesamt für Verfassungsschutz etwa durch zielgruppenorientierte Fachvorträge über aktuelle extremistische Entwicklungen auf. Diese Fachvorträge richten sich vor allem an Multiplikatoren (Schulen, Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 23 Verfassungsschutz in Bayern Universitäten, Bildungsakademien, Träger politischer Bildungsund Jugendarbeit, Kommunen, demokratische Bürgerinitiativen, politische Parteien). Der Verfassungsschutz leistet einen wichtigen Beitrag zur geistig-politischen Auseinandersetzung mit dem Extremismus und dient der Sicherung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Im Bereich des Rechtsextremismus arbeitet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz u.a. mit der Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus und mit der Projektstelle gegen Rechtsextremismus "Bayerisches Bündnis für Toleranz, Demokratie und Menschenwürde schützen" zusammen. Es beteiligt sich auch an Ausbildungsund Fortbildungsmaßnahmen anderer Behörden, insbesondere der Bayerischen Polizei. BIGE Die BIGE ist die Informationsund Beratungsstelle der Staatsregierung zur Bekämpfung des politischen Extremismus. Ziel der BIGE ist es, die Bekämpfung aller Arten von Extremismus zu fördern sowie hier die Zusammenarbeit von staatlichen Stellen, Kommunen, Schulen und gesellschaftlichen Einrichtungen zu stärken. Durch gezielte Beratung - insbesondere mit Blick auf gefährdete Kinder und Jugendliche - sollen Rekrutierungsversuche von extremistischen Organisationen erschwert werden. Das Informationsangebot richtet sich an alle Interessierte, insbesondere aber an Schüler, Lehrer, Eltern und Mitarbeiter von Einrichtungen der Jugendund Bildungsarbeit. Auch die Beratung der Kommunen ist ein wichtiges Anliegen der Informationsstelle. Sie berät Kommunen z.B. in Fällen, in denen Rechtsextremisten Immobilien erwerben wollen oder bei geplanten Konzerten rechtsund linksextremistischer Bands. Mit dem Bayerischen Aussteigerprogramm soll das extremistische Personenpotenzial verringert werden. Mit ihrem breiten Angebot unterstützt die BIGE alle demokratischen Akteure. Sie arbeitet eng und vertrauensvoll mit den demokratischen Beratungsstellen zusammen. 24 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Verfassungsschutz in Bayern In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit im Bayerischen Staatsministerium für Bildung undKultus, Wissenschaft und Kunst bietet die BIGE umfassende Informationen auf ihren Internetportalen an. Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz Postfach 450145, 80901 München Telefon: 089 / 31201 O0 (rund um die Uhr) Telefax: 089/ 31201 380 poststelle@Ifv.bayern.de www.verfassungsschutz.bayern.de Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz Knorrstraße 139, 80937 München Telefon: 089 / 2192 2192 Telefax: 089 / 31201 380 gegen-extremismus@stmi.bayern.de www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de www.bayern-gegen-linksextremismus.bayern.de Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 25 Verfassungsschutz in Bayern Ilslamismus c Die Bedrohung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus bleibt unverändert hoch < Vermehrte Ausreisebewegungen von Salafisten aus Deutschland in Richtung Si ot:h) < Potenzielle Gefährdung der Sicherheitslage in Deutschland durch Rückkehrer aus den Jihad-Gebieten < Vereinsrechtliche Exekutivmaßnahmen gegen Islamisten richteten sich auch gegen einen Verein in Bayern Der Islam als Religion und seine Ausübung werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag unterliegen jedoch islamisch-extremistische (Kurzform: islamistische), d.h. religiös politisch motivierte Organisationen und Einzelpersonen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Islamismus ist ein Überbegriff für eine Vielzahl von unterschiedlichen (Teil-) Strömungen, wie beispielsweise Salafismus. Als eine Gemeinsamkeit dieser Strömungen lassen sich folgende Kernelemente des Islamismus herausstellen: " "Der Islam" ist nicht allein Glaube und Ethik, sondern begründet eine alles umfassende Lebensform, die auf Koran und Sunna (Überlieferung der Reden und Taten des Propheten) basiert. > Die Muslime bilden eine religiöse und politische Einheit (Panislamische Zielsetzung). > Die Scharia (islamisches Gesetz) stellt ein politisches und gesellschaftliches Ordnungsprinzip dar. > Koran und Sunna haben "Verfassungsrang" und verbindliche Vorbildfunktion für politisches Handeln und einen zukünftigen "islamischen Staat". Diese extremistischen Zielsetzungen widersprechen den in unserem Grundgesetz garantierten Freiheitsund Menschenrechten. Die Bestrebungen von Islamisten sind verfassungsund integrationsfeindlich. Gewaltbereite islamistische Terroristen sind unverändert eine große Gefahr für die Innere Sicherheit Deutschlands. Sie verfolgen ihr Ziel, weltweit eine totalitäre islamistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Sie berufen sich auf die vermeintliche Pflicht aller Muslime, sich gegen westliche, d.h. "ungläubige" Einflüsse zu "verteidigen", und rufen zur Teilnahme am gewalttätigen Jihad auf. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 27 Islamismus 1. Personenpotenzial Islamistischen Vereinigungen waren in Bayern im Jahr 2013 6.140 Personen zuzurechnen. Zu den mitgliederstärksten Gruppierungen bzw. Strömungen zählen nach wie vor, neben der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) mit 4.700 Anhängern, die Anhänger des Salafismus (550) sowie der Ideologie der Muslimbruderschaft anhängende Personen (230). Die Zahl der Personen in Bayern, die in internationale jihadistische Netzwerke eingebunden sind, liegt im einstelligen Bereich. Den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder liegen im Berichtsjahr Informationen zu insgesamt ca. 230 Personen mit Deutschland-Bezug (deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund bzw. Konvertiten sowie Personen anderer Staatsangehörigkeit, die sich in Deutschland aufgehalten haben) und islamistisch-terroristischem Hintergrund vor, die seit Beginn der 1990er Jahre eine paramilitärische Ausbildung erhalten haben sollen bzw. eine solche beabsichtigten. Konkrete Hinweise existieren zu ca. 110 Personen, die für eine absolvierte paramilitärische Ausbildung bzw. die Beteiligung an Kampfhandlungen in Krisenregionen sprechen. Es ist davon auszugehen, dass sich mehr als die Hälfte dieser Personen wieder in Deutschland aufhält. Hiervon sind etwa 15 Personen inhaftiert. Öffentlich bekannt ist, dass sich Personen mit Deutschland-Bezügen auch weiterhin in Regionen wie dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet aufhalten, in denen sich Ausbildungslager islamistisch-terroristischer Organisationen befinden. 2. Islamismus in Deutschland Bei islamistischen Bestrebungen in Deutschland gilt es grundsätzlich, zwischen den verschiedenen Strömungen und deren Einstellung zur Gewalt zu unterscheiden. Während islamistische Terroristen eindeutig den Einsatz von Gewalt legitimieren, vertreten politische Salafisten sowie legalistische Organisationen eine weitgehend gewaltfreie Herangehensweise zur Erreichung ihrer Ziele. 28 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Auch Strömungen des legalistischen Islamismus wollen die Legalistischer Religion so auslegen und von allen verstanden wissen, dass ein Islamismus konfliktfreies Zusammenleben mit Andersdenkenden unmöglich erscheint. Sie bestehen auf einer strengen Lesart des Korans, der unabhängig von Zeit und Ort für alle Menschen gültig ist und dessen Inhalte und Weisungen, die im islamischen Recht ihren Niederschlag gefunden haben, nicht relativiert werden können. Unter Nutzung der von der deutschen Rechtsordnung garantierten Freiräume verfolgen sie eine Strategie der Einflussnahme auf Politik und Gesellschaft. Sie stehen allerdings in offenem Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, deren Werte Islamisten in zentralen Punkten nicht teilen und die sie teils verbal, selten auch militant, bekämpfen. Islamisten verwahren sich strikt gegen die Abdrängung des Religiösen ins Private. Nach dem Bekenntnis "Der Islam ist Glaube und Staat" müssen die Normen der Scharia in allen Lebensbereichen und auf allen Ebenen durchgesetzt werden. Der Islamismus bedient und wiederbelebt ein in den Ursprüngen des Islams begründetes Überlegenheitsgefühl der Muslime als Inhaber und Wahrer der letzten und erhabensten Religion. Derzeit ist nur ein kleiner Prozentsatz der Salafisten dem jihadisPolitischer tischen Salafismus zuzurechnen, die überwiegende Zahl der AnSalafismus hänger spricht sich gegen Gewalt aus und gehört der Strömung des so genannten politischen Salafismus an. Gleichwohl bietet auch dieser die Grundlage für radikalisierende Einflüsse und für die Hinwendung zu gewaltsamen bis hin zu terroristischen Aktionen. 2012 istes in Nordrhein-Westfalen erstmals zu gewalttätigen Ausschreitungen von Salafisten gekommen. Anlass waren Demonstrationen gegen die öffentliche Präsentation von MuhammadKarikaturen durch die Partei pro NRW. Derartige islamfeindliche Aktionen können gewaltbereiten Einzelpersonen auch noch Monate später als Rechtfertigungsgrund für den terroristischen Jihad dienen. Konkret zeigte sich dies bei dem geplanten Attentat auf den Vorsitzenden der Partei pro NRW im März durch jihadistische Salafisten. Erneute öffentliche Ausschreitungen Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 29 Islamismus gewaltorientierter Salafisten waren 2013 trotz weiterer bewusster Provokationen aus dem islamfeindlichen Spektrum nicht zu verzeichnen. KoranverteilungsIhre Propagandaaktionen führten die Salafisten bundesweit fort. aktionen Insbesondere das bundesweite Koranverteilprojekt "Lies! Im Namen Deines Herrn, der Dich erschaffen hat" gewann auch in LIES! IM NAMEN DEINES HERRN, Bayern Unterstützer. Unter diesem Motto verteilen Salafisten seit Herbst 2011 Koranexemplare an Infotischen in deutschen DER DICH ERSCHAFFEN HAT Fußgängerzonen. Mittlerweile sind auch mobile "Da'wa"-Teams ("Da'wa" = Missionierung) unterwegs, die Koranexemplare mobil aus Umhängetaschen heraus verteilen. Verantwortlich für die "Lies!"-Aktion ist das salafistische Netzwerk Die Wahre Religion (DWR) des Predigers Ibrahim Abou Nagie. Finanziert wird das Koranverteilungsprojekt überwiegend mittels Spenden aus der salafistischen Szene. Islamistischer Grundsätzlich ist die Verteilung des Korans durch Artikel 4 des Terrorismus Grundgesetzes (Glaubensund Gewissensfreiheit) geschützt. Salafisten nutzen die Verteilung kostenloser Korane jedoch als Türöffner, um Kontakte zur Rekrutierung neuer Anhänger zu knüpfen. Vom internationalen islamistischen Terrorismus geht weiterhin eine große Bedrohung für die internationale Staatengemeinschaft aus, er stellt auch für die Innere Sicherheit Deutschlands - trotz zahlreicher Fahndungserfolge - eine der größten Gefahren dar. Wie im Islamismus auch, gibt es innerhalb des islamistischen Terrorismus unterschiedlichste Strömungen verschiedener ideologischer Ausprägungen. Rekrutierung, Die Aktivitäten islamistischer Terrorstrukturen in Deutschland Radikalisierung reichen von der Nutzung Deutschlands als Rückzugsund RuheIndoktrinierung raum über die Rekrutierung, Radikalisierung und Indoktrinierung neuer Anhänger bis hin zur Planung und Durchführung terroristischer Anschläge. Ebenso verschiedenartig gestalten sich daher auch Strukturen in Deutschland. Netzwerke gewaltbereiter Islamisten mit einer engen Beziehung zu terroristischen Organisationen im Ausland existieren in Deutschland ebenso wie autark operierende Kleinstgruppen bis hin zu Einzeltätern, so genannten "Einsamen Wölfen" 30 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Ein Beispiel für so einen "Einsamen Wolf" ist der 2012 vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in drei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte Arid U. Er hatte im März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen und weitere schwer verletzt. Dies war der erste islamistisch motivierte Terroranschlag in Deutschland. Personen, die ein terroristisches Ausbildungslager absolviert Gefahr durch bzw. aktiv an paramilitärischen Kampfhandlungen teilgenomRückkehrer men haben, stellen nach einer Wiedereinreise nach Deutschland ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Rückkehrer aus den JihadGebieten haben in der islamistischen Szene ein hohes Ansehen und können einer weiteren Radikalisierung bislang nicht gewaltorientierter Islamisten Vorschub leisten. Sie üben insbesondere auf junge Menschen eine große Anziehungskraft aus. Derzeit ist Syrien das wichtigste Reiseziel von freiwilligen Kämpfern, aber auch Somalia, Mali, Irak, Jemen und das pakistanischafghanische Grenzgebiet haben eine hohe Anziehungskraft für Jihadisten. Für Deutschland stellen innerhalb des islamistischen TerrorisJihadistischer mus Anhänger der jihad-salafistischen Ideologie die größte GeSalafismus fahr dar. Jihad-Salafisten befürworten eine unmittelbare und sofortige Gewaltanwendung. Sie propagieren den bewaffneten Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 31 Islamismus Kampf auch gegen Machthaber in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit und werfen diesen vor, vom Islam abgefallen und Handlanger des verhassten "Westens" zu sein. "home grown"Innerhalb des jihadistischen Personenspektrums besonders geTerrorismus fährlich sind auch "home grown"-Terroristen. Sie sind in Europa geboren und/oder hier aufgewachsen, lehnen aber aufgrund religiöser, kultureller und sozialpsychologischer Einflüsse das hiesige Wertesystem ab. Unter ihnen befinden sich auch zahlreiche Konvertiten. Sie haben Kenntnisse über die Gegebenheiten in Deutschland und unterliegen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit teilweise weniger Reisebeschränkungen. ExekutivIm Jahr 2013 konnten in Deutschland mehrere Straftäter mit maßnahmen jihad-salafistischem Hintergrund festgenommen, verurteilt und im Einzelfall ausgewiesen werden.Vier Salafisten, die im Verdacht stehen, einen Mordanschlag auf den Vorsitzenden der Partei pro NRW geplant zu haben, wurden im März in Nordrhein-Westfalen festgenommen. Bei anschließenden Hausdurchsuchungen in Essen und Bonn fand die Polizei u.a. eine scharfe Schusswaffe, Zubehör zur Herstellung von Sprengstoff sowie eine Liste mit markierten pro NRW-Politikern. Gegen die Salafisten wird wegen der Bildung einer inländischen terroristischen Vereinigung und desVerdachts der Vorbereitung eines Verbrechens ermittelt. Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte ägyptisch-stämmige Mohamed M,,, Internetpropagandist und Emir der in Deutschland verbotenen, salafistisch-jihadistischen Gruppierung Millatu Ibrahim, wurde im März von türkischen Sicherheitskräften im syrisch-türkischen Grenzgebiet festgenommen und befindet sich seitdem in Abschiebehaft. Die Generalbundesanwaltschaft führt gegen Mohamed M. ein Verfahren wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung. Der deutsche Staatsangehörige Josef D., der sich Ende Juni 2009 dem bewaffneten Jihad in Afghanistan angeschlossen hatte, wurde nach seiner Rückkehr im April festgenommen. Im September wurde gegen ihn Anklage wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung erhoben. 32 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Im Oktober überstellte Österreich den türkischen Staatsangehörigen Özgur A. zum Zwecke der Strafverfolgung nach Deutschland. Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, sich seit August 2002 als Mitglied in einer ausländischen terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben. Am 22. Oktober verbot das Bayerische Staatsministerium des Vereinsverbot Innern, für Bau und Verkehr den Verein Kulturund Bildungszentrum Ingolstadt e.V. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hatte Belege für die islamistische und damit verfassungsfeindliche Ausrichtung des Vereins gesammelt. Der Verein verfolgte die extremistischen Ziele des im Jahr 2001 vom Bundesministerium des Innern verbotenen Kalifatsstaats weiter. 3. Internet, Islamseminare und Benefizveranstaltungen 3.1 Islamisten im Internet Islamisten nutzen das Internet als Propaganda-, Kommunikationsund Steuerungsmedium. Zahlreiche Seiten sorgen für eine weltweite Verbreitung der islamistischen Ideologie. Auch die Zahl deutschsprachiger Webseiten ist in den vergangenen Jahren stark angewachsen. Immer mehr salafistische Vereine, Netzwerke und Einzelpersonen richten beispielsweise Da'waSeiten ein, die sie wiederum stark untereinander vernetzen. Diese Internetauftritte sind oftmals mehrsprachig, multimedial und grafisch aufwändig gestaltet. Die im Internet verbreitete Propaganda und "virtuelle" NetzwerVirtuelle Netzwerke ke tragen dazu bei, dass sich Aktivisten und Sympathisanten des globalen Jihadals Teil einer einzigen Bewegung begreifen, selbst wenn sich ihre Ziele und Handlungsmotive zuweilen stark unterscheiden. Mit Hilfe des Internets hat sich so al-Oaida immer mehr von einer in jihadistischen Krisengebieten operierenden Organisation zu einer weltweiten Bewegung entwickelt. Die Grenze zwischen al-Oaida-Sympathisanten, die mit Propaganda und ideologischer Schulung im Netz auftreten, und den Aktivisten des Terrors verschwimmt zunehmend. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 33 Islamismus Online-Magazine In jedem Land der Welt können sich Sympathisanten mit Lehrmaterial aus dem Internet ausbilden, um am weltweiten Kampf teilzunehmen (so genannter Open Source Jihad). "Home grown"Terroristen können sich somit in ihren Heimatländern jihadistisch betätigen, ohne unmittelbar in eine terroristische Gruppierung eingebunden zu sein. Seit Frühjahr 2012 erscheint in einem arabisch-sprachigen Forum ein neues Online-Magazin mit demTitel "Al-Qaida-Airline? Wie auch bei den Inspire-Magazinen werden hier Anleitungen zum Bau von Sprengvorrichtungen verbreitet. Damit ermöglicht das Internet das Überleben und die Weiterentwicklung islamistisch-terroristischer Gruppierungen unabhängig von regionalen Strukturen. Hauptzielgruppe Hauptzielgruppe islamistischer Internetseiten sind muslimische Jugendliche mit Migrationshintergrund oder Konvertiten. Viele von ihnen verbringen einen Großteil ihres Alltags in sozialen Netzwerken oder Online-Diskussionsforen. Islamistische Internetseiten haben gerade bei emotional und sozial noch nicht gefestigten Jugendlichen ein nicht zu unterschätzendes Radikalisierungspotenzial. Naschid Salafisten lehnen grundsätzlich jegliche Musik mit der Begründung ab, diese sei Ausdruck der Verdorbenheit der von ihnen als gottlos und materialistisch betrachteten Welt. Andererseits haben auch sie eine eigene Musikkultur für sich entdeckt bzw. für ihre Zwecke umgedeutet, um die emotionalisierende Wirkung von Musik zu nutzen: den Naschid. Auf Grund ihres religiösen Inhalts werden Naschids von den meisten strenggläubigen Muslimen als erlaubt (arabisch: Halal) angesehen. Denis Cuspert Der bekannteste Naschid-Interpret Denis Cuspert reiste über Ägypten/Nordafrika Anfang 2013 nach Syrien, wo er sich an Kampfhandlungen gegen das Assad-Regime beteiligte. Anfang September wurde er bei einem Luftangriff schwer verletzt. Dessen ungeachtet setzt Cuspert seine Propaganda fort und versucht weitere Islamisten für eineTeilnahme am Jihad zu werben. 34 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus 3.2 Überregionale Islamseminare und Benefizveranstaltungen Für salafistische Propaganda sind neben Internet und Musik insIslamseminare besondere auch "Islamseminare" und Benefizveranstaltungen wichtig. Dabei treten bundesweit bekannte salafistische Prediger auf, die ihre salafistisch - teilweise jihadistisch - geprägten Vorträge an ein Publikum aus überwiegend Gleichgesinnten richten. Unter den Teilnehmern, die häufig aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen, befinden sich teilweise auch Salafisten aus Bayern, die derartige Veranstaltungen zur Kontaktpflege nutzen und sich von den dort vorgetragenen salafistischen Inhalten ein tieferes religiöses Verständnis versprechen. Insbesondere auf junge Muslime, darunter auch Konvertiten, üben derartige Veranstaltungen eine hohe Anziehungskraft aus. Für eine ganze Reihe von Personen aus dem islamistischjihadistischen Bereich sind sie ein wichtiger Baustein in ihrer Radikalisierungsbiographie. Während die Zahl der Islamseminare eher rückläufig ist, haben Benefizveranstaltungen stark zugenommen. Insbesontungen dere für Syrien finden derzeit nahezu wöchentlich bundesweit Benefizveranstaltungen statt. Um die Spendenbereitschaft zu erhöhen, werden emotionalisierende Bilder aus den syrischen Kampfgebieten gezeigt, beispielsweise Fotos von Opfern eines Giftgasangriffs. Pro Veranstaltung ist von einem fünfstelligen Spendenbetrag auszugehen. Federführend hierbei sind die zwei in Nordrhein-Westfalen ansässigen Organisationen Ansaar International e.V. (ehemals Ansaar Düsseldorf e.V.) und Helfen in Not e.V. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 35 Islamismus 4. Strukturen 4.1 Legalistischer Islamismus 4.1.1 Milli-Görüs-Bewegung Mitglieder Deutschland: 31.000 Bayern: 4.700 Gründer Prof. Dr. Necmettin Erbakan Entstanden ca. 1970 in der Türkei Vorsitzender des Kemal Ergün europäischen Zweigs (IGMG) Sitz der IGMG Köln Sprachrohr der Milli Gazete Milli-Görüs-Bewegung (Nationale Zeitung) Publikation der IGMG Perspektif Cami'a Die islamistische Milli-Görüs-Bewegung ist ein Sammelbecken von Anhängern des am 27. Februar 2011 verstorbenen türkischen Politikers Prof. Dr. Necmettin Erbakan. Ziel der Bewegung ist es, zunächst die laizistische Staatsordnung (Trennung von Kirche und Staat) in derTürkei durch eine islamische Staatsund Gesellschaftsordnung mit dem Koran und der uneingeschränkten Gültigkeit der Scharia als Grundlagen des Staates und des gesellschaftlichen Zusammenlebens abzulösen. Ihr erklärtes Fernziel ist darüber hinaus die weltweite Einführung einer islamischen Staatsund Gesellschaftsordnung nach dem Vorbild des alten osmanischen Reichs unter Führung der Türkei. Die Bestrebungen der Milli-Görüs-Bewegung richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und gegen den Gedankender Völkerverständigung. Die Milli-Görüs-Bewegung wurde Ende der 1960er Jahre von dem türkischen Politiker Necmettin Erbakan gegründet. Zentrale Bedeutung in Erbakans politischem Denken haben die von ihm geprägten Schlüsselbegriffe Milli Görüs (nationale Sicht) und Adil Düzen (gerechte Ordnung). Nach der von Erbakan entwickelten Ideologie ist die Welt zweigeteilt: einerseits in die auf 36 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus dem Wort Gottes fußende religiös-islamische Ordnung (Adil Düzen), andererseits in die westliche Ordnung der Gewalt und Unterdrückung (Batil Düzen = nichtige Ordnung). Es gelte, die westliche Ordnung durch eine "gerechte Ordnung" zu ersetzen, wofür die Ausrichtung an islamischen Grundsätzen statt an von Menschen geschaffenen und damit "willkürlichen Regeln" erforderlich sei. Zu den klassischen Feindbildern gehören neben der westlichen Welt auch der Staat Israel --meist als "Zionisten" umschrieben - sowie Kommunismus, Imperialismus, Kapitalismus und Christentum. Insgesamt ist das Adil-Düzen-Konzept mit den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar: Die Einführung einer islamischen Gesellschaftsordnung würde den Grundsatz der Gewaltenteilung, das Rechtstaatsprinzip, die Unabhängigkeit der Justiz und das Demokratieprinzip beseitigen. Die Ausrichtung der Milli-Görüs-Bewegung auf eine sultans-ähnliche türkische Führerfigur zeigt nationalistisch-diktatorische Züge und widerspricht der republikanischen Struktur Deutschlands sowie dem Demokratieprinzip. Zudem vertritt die Milli-Görüs-Bewegung einen Antisemitismus, der zu einer ausgrenzenden Benachteiligung des jüdischen Volkes und der jüdischen Religion führt und die Menschenrechte sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Die Ziele der Milli-Görüs-Bewegung sollen durch arbeitsteiliges MIILLIGAZETE Zusammenwirken unterschiedlicher Teilbereiche erreicht werden, insbesondere der Saadet Partisi (SPGlückseligkeitspartei) TV5 als politischer Vertreterin der Bewegung in derTürkei sowie der türkischen Tageszeitung Milli Gazete und des türkischen Fernsehsender TV5. Außerhalb der Türkei ist die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) der Milli-Görüs-Bewegung zuzurechnen. Das Zusammenwirken der IGMG, der SP und ihrer Sprachrohre Milli Gazete und TV 5 zeigt, dass es sich um Institutionen handelt, die zwar formal eigenständig sind, die aber nur als Glieder einer einheitlichen politischen Bewegung verstanden werden können. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 31 Islamismus Saadet-Partisi (SP) In der Türkei sind die Anhänger der islamistischen MilliGörüs-Bewegung seit 2001 in der Saadet-Partisi (SP - Glückseligkeitspartei) organisiert, nachdem die Vorgänger-Parteien Ey Tann Refah Partisi (RP - Wohlfahrtspartei) und Fazilet Partisi (FP - Tugendpartei) wegen "antilaizistischer Aktivitäten? also wegen Aktivitäten, die dieTrennung von Staat und Religion rückgängig machen würden, verboten wurden. DenEinzugins Parlament verfehlte die SP bei denWahlen im Juni 2011 erneut. Im September gründete die SP eine DeutschlandVertretung, die von dem früheren IGMG-Gebietsvorsitzenden von Südbayern geleitet wird. Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) Die Zentrale der IGMG hat ihren Sitz in Köln, ihr sind mehr als 30 "Gebiete" nachgeordnet, davon etwa die Hälfte in Deutschland. Weitere "Gebiete" befinden sich in europäischen Ländern, aber auch in Übersee (wie beispielsweise in Kanada und Australien). Unterhalb der "Gebietsebene" sind 500 "Ortsvereine" angesiedelt, davon etwa 325 in Deutschland. In Bayern unterhalten etwa 50 Vereine Verbindungen zur IGMG mit regionalen Schwerpunkten in Nürnberg und München. Bildungsarbeit als Die IGMG-Führung versucht sich durch Aktivitäten in der Deckmantel Kinder-, Jugend-und Erwachsenenbildung und weltweite Hilfskampagnen als verfassungstreue Organisation und Religionsgemeinschaft darzustellen. Die Verbindung zur islamistischen Milli-Görüs-Bewegung wird jedoch durch die Beibehaltung des Begriffs Milli Görüs im Namen der IGMG sowie enge und dauerhafte Kontakte zwischen der IGMG und der SP deutlich. So trat bei der zentralen Großveranstaltung der IGMG, die dieses Jahr in Hasselt/Belgien stattfand, der SP-Vorsitzende Mustafa Kamalak auf. Auf diesem Europatreffen bekannte sich die IGMG wie in der Vergangenheit zum Erbe Erbakans. Anklage gegen Die Staatsanwaltschaft Köln erhob im Mai Anklage gegen den Funktionäre Generalsekretär der IGMG, Oguz Ücüncü, und weitere Funktionäre wegen Untreue. Ucüncü soll zwischen 2005 und 2009 anlässlich des islamischen Opferfests Spenden von Gläubigen zweckentfremdet haben. 38 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Milli Görüs Ahde Vefa Plattform (MGAV)/Erbakan Vakfi IGMG-Anhänger, die den Kurs der IGMG-Führung als zu zurück"AhdeVefa" / haltend kritisieren, gründeten im Jahr 2012 eine eigene OrganiErbakan Vakfi sation unter dem Motto "Ahde Vefa" (Treue zum Schwur). Sie halten sich streng an die Milli-Görüs-Ideologie und orientieren sich dabei am Sohn Necmettin Erbakans, Fatih Erbakan. Inzwischen nennt sich die Gruppierung Erbakan Vakfi (Erbakan Stiftung). Fatih Erbakan besuchte am 4. Mai eine Gedenkveranstaltung für seinen Vater in Nürnberg. Ismael Aga Gemeinschaft (IAC) Unter der Leitung des Predigers Nusret Cayir sammeln sich Anhänger des islamischen Ordens der Nagshibandiyya, dem auch der verstorbene Führer der Milli-Görüs-Bewegung Necmettin Erbakan angehörte. Die Anhängerschaft der IAC weist Überschneidungen mit der IGMG auf. Cayir missbilligt die politischen Verhältnisse in Deutschland und propagiert offen die Allgemeingültigkeit der Scharia. Er lehnt insbesondere die Gleichstellung der Frau ab. Auch bayerische Sympathisanten besuchen die monatlichen Treffen in Frankfurt am Main. Die Herausbildung von MGAV und IAC führt im Berichtsjahr zu einer wachsenden Inhomogenität der Milli-Görüs-Bewegung in Deutschland. 4.1.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) Anhänger Deutschland: 750 Bayern: 30 früherer Vorsitzender Metin Kaplan Gründung 1984 Sitz Köln Publizistisches Sprachrohr Muhacirun (Auswanderer) In Deutschland seit 12. Dezember 2001 verboten. Der Kalifatsstaat (Hilafet Devleti) war eine am Führerprinzip orientierte, streng hierarchisch gegliederte Organisation, deren Endziel die Weltherrschaft des Islam unter dem Kalifat seines Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 39 Islamismus Anführers Metin Kaplan war. Der Kalifatsstaat richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung und gefährdete die Innere Sicherheit in Deutschland. Die Vereinigung ist seit 2001 in Deutschland nach dem Vereinsgesetz verboten. Das Verbotsverfahren und die staatlichen Exekutivmaßnahmen haben die Organisationsstruktur geschwächt. Gleichwohl gibt es in Deutschland noch immer Anhänger, die das Gedankengut des Kalifatsstaats weiterhin verbreiten. Zudem ist die offizielle Internetseite des Kalifatsstaats, die über einen Server in den Niederlanden betrieben wird, abrufbar. Kalifatsstaat Die 1984 in Köln gegründete Organisation Kalifatsstaat (ehemals Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V., Köln - ICCB) verstand sich als Wiederbelebung des durch Kemal Atatürk 1924 in der Türkei abgeschafften Kalifats. Wegen seiner aggressiv-kämpferischen, gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßenden und gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten Haltung wurde der Kalifatsstaat am 8. Dezember 2001 vom Bundesministerium des Innern verboten. Der frühere Vorsitzende des Kalifatsstaats Metin Kaplan, der wegen Mordaufrufs eine vierjährige Gefängnisstrafe in Deutschland verbüßt hatte, wurde 2004 in dieTürkei abgeschoben. Kulturund Am 22. Oktober 2013 verbot das Bayerische Staatsministerium Bildungszentrum des Innern, für Bau und Verkehr den 2009 gegründeten Verein Ingolstadt e.V. Kulturund Bildungszentrum Ingolstadt e.V. als Ersatzorganisation des Kalifatsstaats. Die Polizei durchsuchte insgesamt 21 Objekte, darunter die Moschee des Vereins, Wohnungen führender Vereinsfunktionäre und Arbeitsstätten. Die MerkezMoschee, der Hauptsitz des Vereins, wurde geschlossen, das Vereinsvermögen eingezogen. Im Gebetsraum der Moschee wurden zahlreiche Bücher festgestellt, die die Ideologie des verbotenen Kalifatsstaats propagieren. 40 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus 4.1.3 Tablighi Jamaat (TJ) Anhänger: Deutschland: 700 TABLEEGHI Bayern: 140 JAMAAT n Gründung: 1927 bei Delhi (Indien) Ziel der TJ (Gemeinschaft der Verkündigung und Mission) ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen. Die Bestrebungen der TJ richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Die TJ wurde vom Religionsgelehrten Mawlana Muhammad Ilyas als pietistische Missionierungsbewegung gegründet. Seit ihren Ursprüngen ist sie eng mit der Islamischen Hochschule von Deoband/Indien verbunden. Die Gemeinschaft vertritt eine archaische Form des Islams indischer Prägung. Sie hat den Charakter einer internationalen islamistischen Massenbewegung, deren Anhänger sich nicht einer festen Gruppierung zugehörig fühlen, sondern sich als konsequente Muslime mit missionarischem Auftrag verstehen. Die TJ-Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung des Korans und der Sunna, die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung der Frau und eine Abgrenzungspolitik gegenüber Nicht-Muslimen. Traditionelle Gebetskleidung und bis in Details verbindliche Verhaltensregeln im Alltag sollen die absolute Hinwendung zum Propheten Muhammad ausdrücken. Diese Bestrebungen wirken in nicht-muslimischen Gesellschaften zwangsläufig desintegrierend, so dass eine dauerhafte und ernsthafte Hinwendung zu westlichen Gesellschaftsordnungen, Wertvorstellungen und Integrationsmodellen nicht möglich ist. Charakteristisch für die Anhänger der TJ ist eine missionaMissionarische rische Reisetätigkeit, bei der sie Moscheen weltweit aufsuchen. Reisetätigkeit Die Missionierung dient der Rekrutierung neuer TJ-Mitglieder. Zur Ausbildung der Anhänger gehört eine vier Monate dauernde Schulung, vornehmlich in Koranschulen in Pakistan. Die wenigsten Missionare verfügen über eine theologische Ausbildung. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 41 Islamismus Zur Missionierung nutzen TJ-Anhänger auch Moscheen, die keinen unmittelbaren Bezug zur TJ haben. Dort organisieren sie Veranstaltungen, bei denen die Anhänger über Tage oder Wochen hinweg beten, den Koran studieren und indoktriniert werden. Für Kinder und Jugendliche werden auch Koranschulungen durchgeführt. Durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen besteht die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt werden. Von Einzelpersonen, die die Schulung der TJ durchlaufen haben, ist bekannt, dass sie sich terroristischen Gruppierungen angeschlossen haben. Moscheen in In Bayern sind mindestens zwei Moscheen (München und PapBayern penheim) den TJ-Strukturen zuzurechnen. Zahlreiche weitere bayerische Moscheen sind Ziel von TJ-Aktivitäten. 4.1.4 Islamische Vereinigung in Bayern e.V. (IVB) Anhänger/Besucher: bis zu 100 Gründung: 1994 in München Neugründung: 2009 Als Multiplikator schiitisch-islamistischen Gedankenguts innerhalb der schiitischen Gemeinschaften in Deutschland dient das Islamische Zentrum Hamburg (IZH). In Bayern übernimmt die IVB als Außenstelle des IZH diese Aufgabe. Es soll im Auftrag der iranischen Führung auf schiitische Muslime einwirken und deren politische und religiöse Einstellung beeinflussen. Da der Iran keine Trennung von Staat und Religion kennt, hat die religiöse Arbeit des Vereins auch eine politische Komponente und richtet sich daher gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Export der Die Bewahrung der einst vom iranischen Revolutionsführer "Islamischen Ayatollah Khomeini propagierten Idee der "Islamischen RevoluRevolution" tion" im Iran und deren internationale Verbreitung ist bis heute wesentlicher Bestandteil der iranischen Politik. Der "Export der 42 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Revolution" ist in der iranischen Verfassung vorgeschrieben. Das beinhaltet auch "Todesfatwas; wie das Beispiel eines in Deutschland lebenden iranischen Musikers zeigt, dessen Texte 2012 als Gotteslästerung interpretiert wurden und der daraufhin Morddrohungen erhielt. Der Iran unterstützt eine Vielzahl islamischer und islamistischer Bewegungen und Organisationen, vor allem im Nahen und Mittleren Osten. Auch islamische Zentren und Moscheen in Deutschland dienen im Sinn dieses "Revolutionsexports" als Forenfür Versuche der Einflussnahme durch den Iran. Das größte und einflussreichste Zentrum ist das 1962 gegründete Islamische Zentrum Hamburg (IZH). Neben der iranischen Botschaft ist das IZH die wichtigste offizielle Vertretung des Iran in Deutschland und gleichzeitig eines seiner bedeutendsten Propagandazentren in Europa. Die enge Anbindung des IZH an die Führung des Iran zeigt sich u.a. darin, dass der Leiter des IZH ein ausgewiesener islamischer Rechtsgelehrter sein muss, der vom iranischen Außenministerium bestimmt wird und als Vertreter des iranischen "Revolutionsführers" in Mitteleuropa gilt. Der Iran versucht mit dessen Hilfe, Schiiten aller Nationalitäten an sich zu binden sowie die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Grundwerte der islamischen Revolution in Europa zu verbreiten. Eine weitere Einflussnahme des IZH auf schiitische Vereine in Gründung von ganz Deutschland zeichnete sich durch die Gründung zweier Dachverbänden irakischer Dachverbände ab. So wurde auf Initiative des IZH im März 2009 die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e.V. (IGS) mit Sitz in Berlin gegründet. Dem Dachverband trat eine Vielzahl von schiitischen Vereinen aus ganz Deutschland bei. Im Mai 2011 wurde unter Leitung des IZH ein zweiter "Dachverband für die irakisch/schiitischen Vereine in Deutschland" in Hamburg gegründet. Die Islamische Vereinigung in Bayern e.V. (IVB) ist ebenfalls ein Zentrum des iranischen "Revolutionsexports" Seit der Wiedereröffnung des iranischen Generalkonsulats in München im Februar 2009 sind in Bayern verstärkte Aktivitäten zur Verbreitung der iranischen Staatsdoktrin festzustellen. So hat die dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 43 Islamismus IVB angehörende iranisch-schiitische Moschee in München im Jahr 2009 wieder ihren Betrieb aufgenommen. Die Bedeutung dieser Moschee zeigt sich u.a. darin, dass sowohl der iranische Generalkonsul als auch der Leiter des IZH bereits mehrmals Veranstaltungen der Moschee besuchten. Enge VerflechtunZwischen IZH und IVB bestehen enge Verflechtungen. In der gen IZH und IVB Satzung der IVB ist beispielsweise festgelegt, dass das Vereinsvermögen im Falle einer Auflösung desVereins an das IZH fallen soll. Ebenso gehört dem Vereinsbeirat immer der jeweilige Imam von Hamburg an, der den IVB-Vorstand in allen Vereinsangelegenheiten berät. Seit dem Jahr 2012 ist auch der Vorsitz des Vereins mit einem Mitarbeiter des IZH besetzt. Insgesamt ist festzustellen, dass die Moschee der IVB als Anlaufstelle für schiitische Gläubige aller Nationalitäten dient, die so einer schiitisch-islamistischen Indoktrination ausgesetzt sind. 4.1.5 Die Muslimbruderschaft (MB) und ihr Einfluss in Deutschland Anhänger Deutschland: 1.700 Bayern: 230 Gründung 1928 in Ägypten Publikation Risalat-ul-Ikhwan Die 1928 von Hassan al-Banna in Ägypten gegründete MB ist die einflussreichste und älteste islamistische Bewegung des zeitgenössischen politischen Islam. Das von der MB angestrebte politische System weist deutliche Züge eines totalitären Herrschaftssystems auf, das die Souveränität des Volkes sowie die Prinzipien der Freiheit und Gleichheit der Menschen nicht garantiert. Die Ideologie der MB ist auf die Errichtung islamischer Herrschaftsordnungen auf der Grundlage von Koran und Sunna ausgerichtet. Ein Großteil der ideologischen Grundsätze der MB ist somit unvereinbar mit den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung. 44 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Das Wesentliche der verfassungsfeindlichen Ideologie der MB ist in der - für die Organisation bis heute maßgeblichen - Schrift "Allgemeine Ordnung der Muslimbruderschaft die auf die Gründergeneration um Hassan al-Banna zurückgeht, festgehalten: " Islamisierung der Gesellschaft durch Da'wa-Aktivitäten (Deutsch: Missionierung) und soziale Maßnahmen " Beendigung der "kulturellen Verwestlichung" (arabisch: taghrib) " Umwandlung des Bildungswesens und der Bildungsinstitutionen nach islamischen Kriterien " Errichtung eines islamischen Staates auf der Grundlage islamischer Prinzipien und Werte " Anwendung des islamischen Rechts (arabisch: Scharia) Die MB ist eine internationale Organisation, bei der eine Unterteilung in nationale Sektionen erkennbar ist. Sie verdankt ihren Einfluss u.a. ihrem sozialen Engagement. Von 2004 bis 2010 stand Mahdi Akef an der Spitze des ägyptischen Zweigs der MB. Er hatte Mitte der 1980er Jahre das der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) zugehörige Islamische Zentrum München (IZM) geleitet. In seiner Jugend war er mit dem MB-Gründer Hassan al-Banna befreundet. Später wurde er wegen eines geplanten Anschlags auf den ägyptischen Präsidenten zum Tode verurteilt und schließlich nach 20 Jahren Gefängnis begnadigt. Im Januar 2010 wurde als sein Nachfolger Muhammad Badi gewählt. Offiziell haben sich die meisten Zweige der MB von Gewalt HAMAS abgewandt. Die "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) als palästinensische Sektion der MB nutzt jedoch weiterhin militärische Mittel im Kampf gegen Israel. Den Umbruch in der arabischen Welt versuchte die MB zum MB in Ägypten Ausbau ihrer Machtposition zu nutzen. In Ägypten wurde sie bei den Parlamentswahlen im Dezember 2011 stärkste politische Kraft. Der Muslimbruder Muhammad Mursi setzte sich bei den Präsidentschaftswahlen 2012 durch. Nach Massendemonstrationen am 30. Juni, bei denen 14 Millionen Ägypter auf die Straße Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 45 Islamismus gingen, wurde er im Juli vom Militär abgesetzt und vor Gericht gestellt. Im Zusammenhang mit dem Sturz des Präsidenten kam es zu massiven Protesten der MB, die zum Teil gewaltsam ausgetragen wurden. Die Auseinandersetzungen mündeten in ein Verbot der MB und eine Verdrängung ihrer Anhänger aus dem öffentlichen Leben. Die ägyptische Regierung hat die MB im Dezember 2013 zur Terrororganisation erklärt. MB in Tunesien In Tunesien regiert seit den Wahlen 2012 mit der islamistischen al-Nahda al-Nahda eine Partei mit MB-Hintergrund. Die al-Nahda strebt nach Meinung liberaler Tunesier an, das Land nach religiösen Vorstellungen umzuformen. So wurde im Entwurf für eine neue Verfassung das Grundrecht auf Gleichberechtigung von Mann und Frau gestrichen. Stattdessen heißt es nun, Männer und Frauen würden sich "ergänzen" Im Jahr 2013 wurden zwei säkulare Oppositionspolitiker von Islamisten ermordet, was zu Unruhen führte. Organisation Als Dachverband MB-naher Organisationen in Europa fungiert in Europa die 1989 gegründete Föderation der Islamischen Organisationen in Europa (FIOE) mit Sitz in Brüssel. Eine weitere einflussreiche und eng mit der MB verflochtene Organisation ist der Europäische Fatwa-Rat (ECFR) mit Sitz in Dublin/Irland. Dessen Vorsitzender Yusuf al-Qaradawi ist als geistiger Führer der MB bekannt. MB in Deutschland Die MB tritt zwar in Deutschland nicht offen in Erscheinung, wird jedoch durch die Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) und die FIOE als Teil einer weltweiten "Islamischen Bewegung" vertreten und ist somit auch in Deutschland aktiv. Dies ergibt sich u.a. aus Dokumenten, die im Dezember 2009 im Rahmen eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens sichergestellt werden konnten. Eines der sichergestellten Dokumente ist ein in arabischer Sprache abgefassterVierjahres-Plan der MB. Die darin vorgesehenen Maßnahmen basieren auf einer Doppelstrategie: Nach außen gibt sich die MB offen, tolerant und dialogbereit und strebt eine Zusammenarbeit mit politischen Institutionen und Entscheidungsträgern an, um so Einfluss im Öffentlichen Leben zu gewinnen. Ihr Ziel bleibt aber die Errichtung einer auf der Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen Ordnung, wobei die MB für sich die Führungsrolle für alle Muslime 46 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus beansprucht. Der Plan zeigt eine deutliche Abgrenzung gegenüber den USA, Israel, dem jüdischen Volk und Andersgläubigen. 4.1.5.1 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Mitglieder Deutschland: 1.300 Bayern: 145 Gründung 1960 in Deutschland Präsident Samir Falah Sitz Köln Die IGD versucht durch politisches Engagement in Deutschland ihre von der Ideologie der Muslimbruderschaft (MB) geprägten Ziele zu erreichen. Die Anhänger der IGD sind bemüht, ihre Verbindung zur MB in Öffentlichen Verlautbarungen nicht zum Ausdruck zu bringen. Die Bestrebungen der IGD richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Die IGD ist Gründungsmitglied der Föderation der Islamischen Gründungsmitglied Organisationen in Europa (FIOE), dem europäischen DachverFIOE band MB-naher Verbände, sowie Gründungsmitglied des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) und war über diesen auch an der Gründung des Koordinierungsrates der Muslime (KRM) beteiligt. Von 2002 bis Anfang 2010 war Ibrahim ElI-Zayat Präsident der IGD. Am 11. Januar 2010 wurde Samir Falah als sein Nachfolger gewählt. Der IGD sind mehrere zumTeil formell eigenständige Islamische Zentren in Zentren (IZ) in Deutschland nachgeordnet. In Bayern sind dies München und das Islamische Zentrum München und die Islamische Gemeinde Nürnberg Nürnberg, ehemals Islamisches Zentrum Nürnberg. Darüber hinaus verfügt die IGD über ein weit verzweigtes Netz an Kooperationspartnern in verschiedenen Städten Deutschlands. Eine mit der IGD kooperierende Moschee ist die Islamische Durchsuchung Federation Rosenheim (IFR). Am 3. Dezember durchsuchte die in Rosenheim Polizei im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens die VereinsVerfassungsschutzbericht Bayern 2013 47 Islamismus räumlichkeiten der IFR. Dabei stellten die Beamten zahlreiche extremistische Publikationen fest, die auch zur Verbreitung bestimmt waren, darunter das Buch "Eine kurze Einführung in den Islam" von SheikhAli Tantawi. Darin wird die Todesstrafe gefordert für Muslime, die vom Glauben abgefallen sind. Vereinsstrukturen Die IGD ist um eine Verselbständigung der ihr nachgeordneten Islamischen Zentren bemüht. Damit entstehen Vereinsstrukturen, die nur schwer kontrollierbar sind und die die tatsächliche Anbindung an die IGD verschleiern. Dieses Vorgehen ermöglicht den neu gegründeten selbstständigen Vereinen, für sich die Gemeinnützigkeit (steuerrechtliche Vorteile) zu beantragen. Die IGD selbst verlor 1999 die Gemeinnützigkeit, eine zunächst gegen diese Entscheidung eingereichte Klage hatte sie später wieder zurückgenommen. Europäisches Im Dezember 2012 wurde in Frankfurt das IGD-nahe EuropäiInstitut für Humansche Institut für Humanwissenschaften (EIHW) gegründet. Die wissenschaften Einrichtung soll Studienabschlüsse in der arabischen Sprache und in der Islamwissenschaft vermitteln. Die IGD strebt damit eine Alternative zum staatlich geförderten Vorhaben an, Imame an deutschen Universitäten auszubilden. Der wissenschaftliche Leiter des EIHW war bereits 2009 für strategische Konzepte der IGD zuständig. 4.1.5.2 Muslimische Jugend in Deutschland e.V. (MJD) ( im Amuslimischejugend a || "> . IN DEUTSCHLAND Vorsitzender Hischam Abul Ola (bis November 2012) Gründung 1994 Sitz Berlin Struktur 23 Lokalkreise 48 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Die MJD ist ein rechtlich unabhängiger Jugendverband, der in der Vergangenheit wiederholt Kontakte zur IGD hatte. Der Verein bietet jungen Muslimen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Für Außenstehende ist dabei meist nicht ersichtlich, dass im Schulungsund Freizeitangebot der MJD auch Gedankengut der Muslimbruderschaft (MB) propagiert wird. Es liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Aktivitäten der MJD gegen einzelne Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten. Der Münchner Lokalkreis der MJD nutzt die Räumlichkeiten des Münchner Islamischen Zentrums München (IZM). Er bezeichnet sich als MJD-Gruppe "Islamische Jugendgruppe' die aus der "Muwahidun" (Brüdergruppe) und der "Muwahidat" (Schwesterngruppe) besteht. Die Gruppe gibt vor, eine islamische Bildung zu vermitteln, die alle Dimensionen des Menschen - Körper, Geist und Seele --beachtet. Die Münchner Jugendgruppe behauptet, durch ihre Arbeit die Entwicklung einer ausgewogenen islamischen Persönlichkeit zu fördern. Dazu organisiert sie gemeinsam mit dem Bundesverband der MJD Camps, Meetings, Tagesausflüge und Seminare. Persönliche Aufzeichnungen und elektronische Dokumente des früheren Leiters des Münchner Lokalkreises legen nahe, dass dieser die Ideologie der MB vertritt, in der der Islam nicht als Religion, sondern als allumfassendes Lebensund Gesellschaftskonzept unter Einschluss der Politik verstanden wird. Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht München am 11. Januar 2012 die Klage des früheren Leiters der Münchner Jugendgruppe auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat - in seiner noch nicht rechtskräftigen Entscheidung - festgestellt, dass der Kläger der Ideologie der Muslimbruderschaft und der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) nahesteht. Eine nach außen erkennbare Distanzierung von der verfassungsfeindlichen Ideologie dieser Gruppierungen hat das Gericht beim Kläger nicht erkennen können. Dem Kläger wurden im Verwaltungsstreitverfahren auch Erkenntnisse entgegengehalten, die aus einer Wohnungsdurchsuchung beim Münchner MJD-Lokalkreisvorsitzenden im Jahr 2008 stammen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 49 Islamismus In einem dabei gefundenen Grundlagenpapier wird dargestellt, dass Muslime einen Vertrag mit Allah geschlossen haben, in dem sie sich als Mensch verpflichten, Allah allein zu dienen und ihm allein gehorsam zu sein sowie die ihnen auferlegten Pflichten in persönlicher, gesellschaftlicher und islamischer Hinsicht zu erfüllen. Um dies zu gewährleisten, werden die Aspiranten in so genannten Tarbiyya-Kursen (deutsch: Erziehung) geschult, die mehrere Stufen umfassen und in einem geschlossen Intensivkreis enden. Bei Kursen und Veranstaltungen wird Gedankengut transportiert, das sich auf Vordenker der MB stützt. 4.2 Salafismus Ende des 18. Jh. trat auf der arabischen Halbinsel ein Prediger namens Muhammad Ibn Abd al-Wahhab auf. Er predigte eine Reinigung des Islam von, aus seiner Sicht, unerlaubten Neuerungen sowie von Irrglauben. Vorbildfunktion in Bezug auf den "wahren Islam" böten einzig die frommen Altvorderen (arabisch: al-salaf al-salih), also die Repräsentanten der Frühzeit des Islam. Der Salafismus ist die derzeit am schnellsten wachsende islamistische Strömung in Deutschland. Prinzip des Heutige Salafisten orientieren sich an der Lehre des Wahha"lauhid" bismus. Sie richten ihren Glauben, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Korans und dem vom Propheten Muhammad und den frommen Altvorderen gesetzten Vorbild aus. Jegliches Abweichen von dieser Norm, die als ursprünglicher und reiner Islam gilt, lehnen Salafisten als unerlaubte Verfälschung des Islam bzw. "Neuerung" (arabisch: bid'a) ab. Zentraler salafistischer Glaubensinhalt ist die Ein(s) heit und Einzigartigkeit Gottes (arabisch: tauhid). Für Salafisten beinhaltet dies auch, dass Gott der einzig legitime Souverän und Gesetzgeber ist. Die Scharia ist für sie als Gesetz Gottes letztgültiger Maßstab. Salafisten lehnen das Demokratieprinzip (Volkssouveränität) kategorisch ab. Sie verneinen strikt die Geltungsberechtigung "weltlicher" Gesetzgebung (Parlamentsgesetze). 50 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Als Höherwertigkeitsideologie richtet sich der Salafismus zwar Missionierungsauch gegen nicht-islamische, z. B. jüdische und christliche, Glauarbeit bensvorstellungen; besonders in der Kritik stehen jedoch andere islamische Glaubensauffassungen - insbesondere das schiitische und mystische Islamverständnis. Salafisten diffamieren die Anhänger dieser Glaubensformen als Ungläubige oder werfen ihnen Götzendienste (arabisch: shirk) vor. Am Dialog mit Andersgläubigen sind die Salafisten nur insoweit interessiert, wie er ihrer Missionierungsarbeit (arabisch: da'wa) dienlich ist. Für junge Muslime der dritten Generation und deutsche Konvertiten auf Identitätssuche bietet der Salafismus eine neue Projektionsfläche fernab der Religiosität der Elterngeneration bzw. der Regeln der eigenen Gesellschaft. Muslime ohne tiefgründige Kenntnis der islamischen Religion sollen sich als fester Bestandteil einer salafistischen Solidargemeinschaft fühlen, die einfache, aber strenge Regeln und ein schlichtes dualistisches Weltbild bietet. Die Ideologie des Salafismus lässt sich in eine politische und eine jihadistische Strömung unterteilen, die Übergänge sind dabei fließend. Sie unterscheiden sich vor allem in der Wahl der Mittel, mit denen ihre Ziele realisiert werden sollen. Jihadistische wie auch politische Salafisten stützen sich jedoch auf dieselben ideologischen Autoritäten und Vordenker und verfolgen die gleichen Ziele. Jihadistische Salafisten befürworten eine unmittelbare und sofortige Gewaltanwendung. Sie propagieren den bewaffneten Kampf auch gegen Machthaber in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, denen sie vorwerfen, vom Islam abgefallen und Handlanger des verhassten "Westens" zu sein. Derzeit ist nur ein kleiner Prozentsatz der Salafisten dem jihadistischen Salafismus zuzurechnen, die überwiegende Zahl der Anhänger spricht sich gegen Gewalt aus. Gleichwohl bietet gerade der politische Salafismus durch seine Politischer radikalisierende Wirkung immer wieder den Nährboden für Salafismus terroristische Aktionen. So waren fast alle bisher in Deutschland Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 51 Islamismus identifizierten terroristischen Netzwerkstrukturen und Einzelpersonen salafistisch geprägt bzw. haben sich in salafistischen Milieus entwickelt. 4.2.1 Politischer Salafismus Anhänger/Besucher Deutschland ca. 5.500 Bayern ca. 550 Entstehung Erste Strukturen in Bayern Mitte der 1990er Jahre Salafisten lehnen weltliche Gesetze und die Werte westlicher Gesellschaftsund Herrschaftssysteme als unislamisch und unterlegen kategorisch ab. Sie orientieren sich kompromisslos an der islamischen Frühzeit vor 1.400 Jahren und befürworten frühislamische Herrschaftsund Gesellschaftsformen. Dies führt zur Ablehnung der als wesensfremd empfundenen Mehrheitsgesellschaft und ihrer demokratischen Werte. Vor allem die von salafistischen Akteuren in Deutschland propagierte Einheit von Religion und Staat und der ebenfalls erhobene absolute Geltungsanspruch der islamischen Rechtsordnung (Scharia) machen deutlich, dass salafistische Auffassungen Geltung für sämtliche Lebensbereiche beanspruchen. Die ideologischen Grundsätze des Salafismus sind somit unvereinbar mit den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Prinzipien, insbesondere der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung. Wachsende Bundesweit ist eine wachsende "Infrastruktur" des Salafismus "Infrastruktur" festzustellen. Die salafistische Szene ist allerdings meist nur lose organisiert und weist eine hohe Dynamik auf. Feste, formale Organisationsstrukturen sind in der Regel nicht vorhanden. Eine Ausnahme hiervon bilden örtliche salafistische Vereine, die häufig gleichzeitig als Träger salafistisch geprägter Moscheen fungieren. Daneben gibt es zunehmend lose Personennetzwerke oder autonom agierende Einzelpersonen, die salafistische Aktivitäten entfalten. 52 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Für deutschsprachige Muslime hat sich mittlerweile ein breites salafistisches Bildungsangebot etabliert, das u.a. zahlreiche Publikationen, Internetangebote und Vortragsveranstaltungen charismatischer Prediger umfasst. Prominente Angehörige der salafistischen Gelehrtennetzwerke treten zudem als "OnlineImame" auf. Salafistische Schulungsmaßnahmen vor Ort werden hierbei vermehrt durch virtuelle Fortbildung über das Internet ergänzt oder ersetzt. Gerade charismatische Führungspersönlichkeiten wirken als Multiplikatoren der salafistischen Ideologie und ziehen verstärkt vor allem junge Anhänger an. Auch in Bayern sind zunehmende Aktivitäten einer sich in NetzAktivitäten in werken organisierenden Anhängerschaft der salafistischen IdeoBayern logie in vielen bayerischen Städten zu beobachten. So fanden u.a. in Nürnberg, München, Regensburg, Weiden, Schwandorf und Erlangen regelmäßige Infostände statt, bei denen überwiegend salafistische Publikationen verteilt wurden. Mit dem Projekt "Lies!" kamen auch die kostenlosen Koranexemplare hinzu. Obwohl der salafistische Prediger und Verantwortliche des Projekts Abou Nagie durch persönliches Erscheinen an Infotischen in München und Augsburg größere Aufmerksamkeit zu erzeugen versuchte, blieb die Resonanz bei Passanten in Bayern unverändert gering. Moscheen wie die El-Salamund Darul-Quran-Moschee in München, die Salahuddin-Moschee in Augsburg, sowie die AsSiddiq-Moschee in Regensburg sind Plattformen für salafistische Vortragsveranstaltungen und salafistischen Islamunterricht. Hier treten - teilweise in regelmäßigen Abständen - Prediger auf, die ihr salafistisches Gedankengut verbreiten. Anlaufstelle für Salafisten in der Region Neu-Ulm ist der dort ansässige Moscheeverein Islamisch-Albanisches Zentrum e.V. In Nordbayern ist der Imam der Al-Taqwa-Moschee in Bayreuth am Aufbau weiterer salafistischer Anlaufstellen beteiligt. Nach gewalttätigen Ausschreitungen Anfang Mai 2012 in NordVereinsverbote rhein-Westfalen aus Anlass von Demonstrationen gegen die öffentliche Präsentation von Muhammad-Karikaturen reagierte das Bundesministerium des Innern mit bundesweiten vereinsrechtlichen Exekutivmaßnahmen auf die zunehmend offensiven Propagandaaktivitäten und die wachsende Gewaltbereitschaft Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 53 Islamismus von Anhängern der salafistischen Ideologie. Am 14. Juni 2012 wurde der salafistische Verein Millatu Ibrahim verboten. Weitere Verbotsmaßnahmen richteten sich 2013 gegen die überwiegend in Hessen agierenden salafistischen Vereine DawaFFM und Islamische Audios wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedankender Völkerverständigung. Darüber hinaus wurde der in Nordrhein-Westfalen ansässige Verein An-Nusrah als Teilorganisation des bereits verbotenen Vereins Millatu Ibrahim verboten und aufgelöst. In Bayern standen auch salafistische Einzelpersonen, insbesondere aus dem gewaltorientierten/jihadistischen Spektrum, in Kontakt mit Verantwortlichen der verbotenen Vereine. 4.2.2 Jihadistischer Salafismus 4.2.2.1 Das al-Qaida-Netzwerk Mitglieder und Deutschland: keine gesicherten Zahlen Anhänger Bayern: Einzelpersonen Im Unterschied zu vielen anderen islamistischen Terrornetzwerken oder Organisationen verfolgt al-Oaida länderübergreifend das Ziel, ein weltweites Kalifat zu errichten. Al-Qaida ist für eine Vielzahl von Terroranschlägen weltweit - z.B. die Anschläge am 11. September 2001 in den USA - mit Hunderten Toten und Verletzten verantwortlich. Entstehung und Entwicklung Die Ursprünge des al-Qaida-Netzwerks lassen sich zurückführen auf den Konflikt um das sowjetisch besetzte Afghanistan der Jahre 1979 bis 1989. Für die wachsende Zahl der sich dem Jihad in Afghanistan anschließenden arabischen Mujahidin wurden Rekrutierungsund Unterstützungsbüros gegründet. Eine herausragende Stellung nahm das seit 1984 von dem palästinensischen Jihad-Ideologen Abdullah Azzam und dem Saudi Usama Bin Ladin geführte "Dienstleistungsbüro" ein. 54 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Nach dem Tod Abdullah Azzams und dem Abzug der sowjetischen Truppen entwickelte Bin Ladin das "Dienstleistungsbüro" und dessen internationale Infrastruktur aus Rekrutierungsbüros, Banken, Tarnfirmen und Nichtregierungsorganisationen unter der Zielsetzung weiter, den Jihad auch in anderen Konfliktgebieten wie Kaschmir, Indonesien, Tschetschenien, Bosnien und Somalia zu unterstützen. Mit der Machtübernahmeder Taliban 1996 kehrte Bin Ladin mit seinem Gefolge nach Afghanistan zurück und agierte von dort aus bis zu seiner Flucht im Jahre 2001 unter dem Schutzdes Taliban-Führers Mullah Omar. Seit Mitte der 1990er Jahre ist ein Netzwerk aus AfghanistanAbu Sayyaf veteranen entstanden, die in ihren Heimatländern ihrerseits al-Shabab Organisationen gründeten bzw. unterstützten, wie z.B. Abu AQAH Sayyaf auf den Philippinen, al-OQaida im Irak, die somalischen al-Shabab-Milizen oder al-Qaida auf der arabischen Halbinsel (AQAH). Anschläge werden häufig von autonomen Zellen oder "freien Mitarbeitern" geplant und durchgeführt. Attentäter bekommen oftmals nachträglich den "Segen" für ihre Anschläge (etwa über Audiooder Video-Botschaften, die über das Internet verbreitet werden). Während in Ländern wie Irak, Saudi Arabien und Jemen die Entwicklung des al-Qaida-Netzes dynamisch ist, hat sich - neben dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet - in Nordafrika eine relativ stabile Struktur herausgebildet. Die Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) AQIM/ konnte ihren Einflussbereich von Algerien aus auf die ganze Sa-_ Boko Haram helregion ausdehnen. Die Region Nord-Mali, aus der die AQIM die Regierungstruppen vertrieben hat, kristallisiert sich langsam als neuer Jihad-Schauplatz mit einem Taliban-ähnlichen Herrschaftssystem heraus. Mit der Boko Haram ist in Nigeria eine der AQIM ideologisch nahestehende Organisation aktiv, die jihad-salafistisches Gedankengut vertritt und vermehrt durch Anschläge auf sich aufmerksam macht. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 55 Islamismus Islamische BeweEine weitere al-Qaida nahe stehende Organisation ist die Islamigung Usbekistans sche Bewegung Usbekistans (IBU). Die IBU ist eine islamistische Gruppe, die 1998 von Juma Namangani und Tahir Yuldashev mit dem Ziel gegründet wurde, das Regime des usbekischen Präsidenten Islam Karimov zu stürzen und stattdessen einen islamischen Staat zu errichten. Nachdem die IBU zunächst von Afghanistan und Tadschikistan aus agierte, erweiterte sie zwischenzeitlich ihr Zielspektrum auf europäische Länder und bemüht sich um verstärkte internationale Präsenz. Mitglieder der IBU, insbesondere die aus Bonn stammenden Chouka-Brüder, erregen immer wieder durch Drohungen gegen Deutschland Aufmerksamkeit. Die Ideologie des al-Qaida-Netzwerks Die hauptsächlich von Bin Ladin und Abdullah Azzam etablierte salafistische Ideologie des al-Qaida-Netzwerks ist stark geprägt von den Schriften Sayyed Qutbs und dessen Weltsicht, dem Jihad-Gedanken und dem Takfir ("für ungläubig erklären"). Nach dieser Weltsicht gibt es nur den Islam in seiner durch die Chefideologen Bin Ladin, al-Zawahiri und Azzam geprägten Orientierung an den frommen Vorfahren (al-salaf al-salih), einer konstruierten idyllischen islamischen Frühzeit und Jahiliyya, den Unglauben und die Unwissenheit um den durch den Propheten Muhammad vermittelten "rechten Weg" Folgerichtig war es ein zentrales Anliegen Bin Ladins, den Islam von allen unislamischen "Angriffen" wie Sozialismus und Demokratie freizuhalten. Die Stationierung amerikanischer Truppen in Saudi-Arabien, Afghanistan oder in anderen islamischen Staaten war aus seiner Sicht nicht hinzunehmen. Entwicklungstendenzen Die Tötung Usama Bin Ladins im Mai 2011 und die Verhaftung oder Tötung zahlreicher Mitglieder aus der alten Führungsriege haben zwar den Kern al-Qaidas geschwächt, das flexible Netzwerk jedoch keinesfalls handlungsunfähig gemacht. Zunehmend versucht al-Qaida unter der Führung von Ayman al-Zawahiri den Charakter einer Bewegung anzunehmen. Internetverlautbarungen und jihadistische Online-Magazine wenden sich gezielt an Personen außerhalb der bestehenden al-Oaida-Strukturen und Netzwerke mit dem Ziel, diesen 56 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Personenkreis für Anschläge zu gewinnen. Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel (AOAH) kommt nach wie vor eine führende Rolle zu. Von ihr gehen zahlreiche Anschlagspläne aus. Mit der al-Qaida nahe stehenden Jabhat al-Nusra in Syrien ist Jabhat al-Nusra eine weitere Organisation entstanden, die islamistische Terround ISIS risten rekrutiert und ausbildet. Die Organisation übt eine große Anziehungskraft auf deutsche Jihadisten aus. Gleiches gilt für die ebenfalls al-Qaida zuzurechnende Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS). Eine Rückkehr dieser zu Terroristen ausgebildeten Personen nach Deutschland erhöht das von alOaida ausgehende Gefährdungspotenzial. Vermehrte Ausreisebewegungen Ausreisen aus Deutschland 240 Personen davon aus Bayern ca. 30 Personen Im Jahr 2013 konnten vermehrt Ausreisen junger Salafisten aus Vermehrte Deutschland in Richtung Syrien beobachtet werden. Das dortige Ausreisen nach Bürgerkriegsgeschehen führt zu einer auffallenden Mobilisierung Syrien der salafistischen Szene. Dadurch wurde der im Jahr 2012 noch anhaltende Trend, nach Ägypten auszureisen, abgelöst. Es liegen derzeit Erkenntnisse zu mehr als 200 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vor, die in Richtung Syrien ausgereist sind, um dort beispielsweise an Kampfhandlungen teilzunehmen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen. Es konnte jedoch nicht in allen Fällen bestätigt werden, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien aufhalten bzw. aufgehalten haben. Aufgrund der dynamischen Lageentwicklung vor Ort unterliegt diese Zahl tagesaktuellen Veränderungen mit derzeit eher steigender Tendenz. Von diesen mehr als 200 Personen sind bereits einige Personen wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Zu der Mehrzahl dieser Deutschland Rückkehrer liegen keine Informationen vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen vor Ort beteiligt haben. Die Anzahl der zurückgekehrten Islamisten, die sich in Syrien aktiv am bewaffneten Widerstand beteiligt haben, beläuft sich aktuell auf eine einstellige Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 5/ Islamismus Personenanzahl. Ferner sind den deutschen Sicherheitsbehörden vereinzelt Todesfälle bekannt geworden. Zudem liegen Hinweise auf weitere Personen vor, die eine Ausreise planen. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind bestrebt, möglichst viele dieser Ausreiseplanungen frühzeitig zu unterbinden. In etwa einem Dutzend der Fälle führten diese Ausreiseuntersagungen auch tatsächlich zu einer Verhinderung der Ausreise. Ausreisen aus In Bayern liegen konkrete Hinweise zu fast 30 Personen mit Bayern salafistischer Grundhaltung vor, die im Zusammenhang mit dem Bürgerkriegsgeschehen in Syrien ausgereist sind bzw. dies planen. Bei dem überwiegenden Teil (ca. 80 %) muss davon ausgegangen werden, dass sie sich an Kampfhandlungen beteiligen werden, bei ca. zehn bereits ausgereisten Personen liegen hierzu bereits konkrete Erkenntnisse vor. Rückkehrer aus Die anhaltenden Reisebewegungen in die Krisenregion können Syrien in eine Rückreisewelle münden, die die Sicherheitsbehörden vor besondere Herausforderungen stellt. Es ist zu erwarten, dass ausgebildete und kampferfahrene Jihadisten ins Bundesgebiet zurückkehren, deren Hemmschwelle zur Gewaltanwendung durch die Erfahrungen in Syrien reduziert ist. 4.2.2.2 Islamistisch-kurdische Netzwerke Mitglieder Deutschland: keine gesicherten Zahlen Bayern: etwa 40 Gründung im Irak Ansar al-Islam Einige islamistisch-kurdische Netzwerke sind durch ihr Zu(AAI) sammenwirken mit der al-Qaida im Irak Bestandteil des internationalen Terrornetzwerks. Besonders die Vereinigung Ansar al-Islam (AAl) ist für eine Vielzahl von Terroranschlägen im Irak mit Hunderten von Toten und Verletzten verantwortlich. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stufte die AAl deshalb im Februar 2003 als terroristische Vereinigung ein. 58 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Unter den Mujahidin, die in den 1990er Jahren in afghanischen Situation im Irak Trainingslagern militärisch ausgebildet wurden, befanden sich auch kurdische Islamisten. Diese knüpften Kontakte zu al-Qaida, die auch nach der Rückkehr der kurdischen Kämpfer in den Irak bestehen blieben. In einem kleinen Teil des irakischen Kurdengebiets gelang es der AAl im Jahr 2001, ein Taliban-ähnliches Regime zu errichten. Zu Beginn des Irak-Kriegs 2003 wurde dieses Gebiet von den USA aus der Luft angegriffen und von nicht-islamistischen kurdischen Kräften wieder eingenommen. In der Folgezeit reorganisierte sich die AAl wieder. Im Mai 2010 gelang irakischen Sicherheitskräften ein Schlag gegen die AA, als in Bagdad deren mutmaßlicher Anführer mit sieben weiteren Terrorverdächtigen festgenommen wurde. Nach dem Abzug der US-amerikanischen Streitkräfte Ende 2011 aus dem Irak fällt es islamistisch-kurdischen Netzwerken wie der AAl leichter, sich im Nordirak neu zu positionieren, um dort dem Ziel der Schaffung eines autonomen Gebietes nach dem Primat der Scharia wieder etwas näher zu kommen. Auch in Europa sind mehrere islamistisch-kurdische Netzwerke Mullah Krekar aktiv. Ihre spirituelle Leitfigur, der in Norwegen lebende Mullah Krekar, wurde u.a. wegen Todesdrohungen gegen eine frühere Ministerin Norwegens zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen Mullah Krekar und weitere inund ausländische Beschuldigte ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Im März kam es in diesem Zusammenhang zu Durchsuchungsmaßnahmen auch in Bayern. In Bayern sind derzeit etwa 40 Anhänger der AAl bekannt, die Situation in Bayern die Organisation durch Beschaffung von Geld unterstützen; die Schwerpunkte liegen in München und Augsburg. Insgesamt sind die Aktivitäten der AAl-Anhänger in Bayern stark zurückgegangen, da die Vereinigung durch staatliche Maßnahmen erheblich geschwächt wurde. Neben Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen und der Abschiebung von Uhnterstützern der AAl kam es auch zu freiwilligen Ausreisen durch den konsequenten Verfolgungsdruck staatlicher Sicherheitsbehörden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 59 Islamismus 4.3 Sonstiger islamistischer Terrorismus 4.31 HAMAS (Islamische Widerstandsbewegung) Mitglieder Deutschland: 300 Bayern: Einzelpersonen Gründung 1988 Die HAMAS verneint ein Existenzrecht Israels und will auf dem gesamten Gebiet Palästinas einen "islamischen" Staat errichten. Sie lehnt deshalb auch den israelisch-palästinensischen Friedensprozess ab. Die HAMAS ist für eine Vielzahl terroristischer Aktionen verantwortlich, darunter zahlreiche Selbstmordattentate. Im Juni 2002 wurde deshalb der militärische Arm der HAMAS in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen. 2003 haben die EU-Außenminister auch die Gesamtorganisation als terroristisch eingestuft. Von den in Deutschland lebenden HAMAS-Anhängern gehen Bestrebungen aus, die auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Deutschland wird von der HAMAS zur Sammlung von Spenden undzur Verbreitung ihrer Propaganda genutzt. Nach Beginn der ersten Intifada ("Aufstand der Palästinenser") im Dezember 1987 schlossen sich Anfang 1988 die palästinensischen Anhänger der Muslimbruderschaft (MB) unter Führung von Ahmad Yasin zur HAMAS zusammen und nahmen den bewaffneten Kampf gegen Israel auf. Die HAMAS übt seit der gewaltsamen Machtübernahme 2007 die alleinige Kontrolle über den Gaza-Streifen aus. 60 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus 4.3.2 Hizb Allah (Partei Gottes) Mitglieder Deutschland: 950 Bayern: 30 Gründung 1982 im Libanon Publikation al-Intigad (Die Kritik) Fernsehsender al-Manar (Der Leuchtturm) Betätigungsverbot in Deutschland seit 11. November 2008. Das langfristige Ziel der Hizb Allah (Partei Gottes) ist die Zerstörung des Staates Israel und die "Herrschaft des Islam" über Jerusalem. Seit Jahren ist sie für Terroranschläge in Israel verantwortlich. In Deutschland hat sie bislang keine gewaltsamen Aktionen durchgeführt, nutzt aber das Bundesgebiet als Ruheund Rückzugsraum. Die Bestrebungen der Hizb Allah gefährden damit auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland und richten sich gegen den Gedankender Völkerverständigung. Die Hizb Allah (auch: Hisbollah/Hizbollah) ist eine auf Initiative des Irans gegründete schiitische Partei, die seit 1992 im libanesischen Parlament vertreten ist. Sie wird vom Iran finanziell, materiell und ideologisch unterstützt. Sie ist einerseits eine politische Partei, die vor allem aufgrund ihres sozialen Engagements auf die Unterstützung ärmerer Bevölkerungsschichten zählen kann. Andererseits verfügt sie aber nach wie vor über militärische Einheiten, die insbesondere im Süden des Landes unabhängig von der libanesischen Staatsgewalt agieren. Eine Entwaffnung dieser Miliz gemäß der UN-Resolution 1559 aus dem Jahr 2004 gelang bisher nicht und wird vom politischen Flügel der Hizb Allah vehement abgelehnt. Im Mai 2008 hat das libanesische Kabinett der Hizb Allah offiziell "das Recht zum Widerstand gegen Israel" zugestanden. Die schiitische Miliz kann daher ungehindert den Ausbau der Verteidigungsanlagen nördlich der UN-Pufferzone zur Grenze Israels betreiben. Seit Beendigung des Libanonkriegs im Sommer 2006 wird sowohl von der israelischen Seite als auch von der Hizb Allah selbst über eine enorme Aufrüstung der Hizb Allah berichtet. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Die Hizb Allah verbreitet ihre antiisraelische und antijüdische Propaganda u.a. über den libanesischen TV-Sender al-Manar, der auch in Deutschland zu empfangen ist. Da die Tätigkeit des Senders gegen deutsche Strafgesetze verstößt und sich gegen den Gedankender Völkerverständigung richtet, wurde der Sender im Oktober 2008 vom Bundesministerium des Innern verboten. Aufnahme in Mehrere Indizien deuten darauf hin, dass die Hizb Allah im VerEU-Terrorliste lauf des Jahres 2012 inThailand, Georgien, Bulgarien und Indien an Anschlägen/Anschlagsversuchen auf Ziele mit Israelbezügen beteiligt war. Am 22. Juli beschlossen die EU-Außenminister, den militärischen Arm der libanesischen Hizb Allah in die EUTerrorliste aufzunehmen. 4.3.3 Islamistische Bezüge von Tschetschenen und weiteren Nordkaukasiern Nordkaukasische Separatistenbewegung (NKSB) Nach dem Zerfall der UdSSR führte die 1991 in Tschetschenien gegründete Tschetschenische Republik Itschkeria (CRl) einen Guerillakrieg für die Unabhängigkeit der Teilrepublik von der Russischen Föderation und für die Errichtung eines islamischen Staates auf Grundlage der Scharia. 2007 proklamierte Dokku Umarov, der damalige CRI-Präsident, Kaukasisches das islamistisch ausgerichtete Kaukasische Emirat (KE), das Emirat mit terroristischen Mitteln für einen islamischen Staat auf dem Gebiet des gesamten Nordkaukasus kämpft. Dieser Strategiewechsel führte zur Spaltung. Die Leitung des CRI übernahm Ahmed Zakaev, der sich auf die politische Durchsetzung des Unabhängigkeitsbestrebens für Tschetschenien beschränkt. Beide Gruppierungen sind der Nordkaukasischen Separatistenbewegung zuzurechnen. Deutschland dient primär als Rückzugsraum für die finanzielle und logistische Unterstützung der Separatisten im Nordkaukasus. Strukturen des KE in Bayern sind bisher nicht feststellbar. Aktivitäten gingen allenfalls von Einzelpersonen aus. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Islamismus Um einen von Moskau unabhängigen tschetschenischen Staat Terroristische auf der Grundlage der Scharia zu erreichen, verübten tschetscheAktivitäten nische und andere kaukasische Islamisten wiederholt Anschläge in Russland. Ein Brüderpaar dagestanischer Herkunft verübte im April einen Sprengstoffanschlag auf den Boston-Marathon. Drei Menschen wurden dabei getötet und rund 180 teils schwer verletzt. Einer der Brüder war erst im Sommer 2012 von einer längeren Kaukasus-Reise in die USA zurückgekehrt. In einer im Juli veröffentlichten Videobotschaft erneuerte Umarov seine Drohungen gegen staatliche russische Institutionen und die Olympischen Spiele in Sotschi. Bei einem Selbstmordanschlag im Oktober in der russischen Anschläge in Stadt Wolgograd zündete eine Islamistin in einem Bus einen Russland Sprengsatz. Dabei starben sechs Menschen, mehr als zwanzig wurden verletzt. Die 30-Jährige stammte aus der russischen Teilrepublik Dagestan im Konfliktgebiet Nordkaukasus und war erst kürzlich zum Islam konvertiert. Ende Dezember ereigneten sich in Wolgograd und Pjatigorsk Bombenanschläge. Aufgrund vorangegangener Drohungen rechnen russische Behörden die Anschläge dem Kaukasischen Emirat zu. Das Oberhaupt des Kaukasischen Emirat Doku Umarov rief zu solchen Anschlägen auf mit dem Ziel, die olympischen Winterspiele zu verhindern. Verbindungen zur salafistischen Szene In Deutschland mehren sich die Hinweise auf Verbindungen von Personen aus dem Nordkaukasus in salafistische Kreise. Tschetschenen beteiligen sich an der Verteilung kostenloser Koranausgaben im Rahmen der salafistischen Aktion "Lies!" und besuchen regelmäßig salafistische Islamseminare und Benefizveranstaltungen für Syrien. Auch in Bayern ist ein Zulauf von Personen aus dem Nordkaukasus in die salafistische Szene zu verzeichnen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 63 Islamismus Ausländerextremismus < Ermordung von drei kurdischen VEEL TECH LH TI T ] Bayern Proteste aus < Verurteilung von drei DHKP-C-Aktivisten wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung < Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder türkisch-nationalistischer Vereine Anhänger extremistischer Gruppierungen aus dem Ausland sind auch in Deutschland aktiv, um die politischen Verhältnisse in ihren Heimatländern antidemokratisch zu verändern. Sie wollen z.B. eigene Staaten gründen, kommunistische Systeme errichten oder vertreten beispielsweise eine extreme Variante des Nationalismus. Neben linksund rechtsextremistischen Gruppierungen gehen Gefahren auch von separatistischen Organisationen aus. Ihre ideologischen Ziele und Motive importieren sie nach Deutschland, zum Teil tragen sie auch hier ihre blutigen Konflikte aus. Die Anhängerschaft dieser Gruppierungen setzt sich neben Ausländern auch aus deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund oder auch aus deutschen Extremisten zusammen. Die Bestrebungen ausländerextremistischer Organisationen richten sich somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährden die Innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung sowie die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 65 Ausländerextremismus 1. Personenpotenzial Bayern Im Jahr 2013 waren dem Spektrum der ausländischen Extremisten (ohne Islamisten) 3.325 Personen (2012: 3.345) zuzurechnen: 2011 2012 2013 PKK* 1.800 1.800 1.800 Linksextremistische 220 220 220 Organisationen Rechtsextremistische 1.200 1.200 1.225 Organisationen Separatisten 30 30 30 Sonstige 160 95 50 gesamt 3.410 3.345 3.325 * inkl. Nachfolge-, Teilund Nebenorganisationen Die Zahlenangaben sind geschätzt und gerundet 2. Gewaltpotenzial Die Aktivitäten der extremistischen Ausländerorganisationen in Deutschland werden im Wesentlichen von politischen Ereignissen und Entwicklungen in den jeweiligen Herkunftsländern beeinflusst. So können aktuelle Konflikte im Ausland auch unmittelbar zu gewaltsamen Aktivitäten in Deutschland führen. Zum Teil tragen die extremistischen Ausländerorganisationen ihre Konflikte hier auch gewalttätig untereinander aus. Vorwiegend betrachten sie Deutschland jedoch als Rückzugsraum, um hier ihre Ziele durch Agitation, Rekrutierung neuer Anhänger und ideologische Indoktrination zu verfolgen. Auch die materielle Unterstützung der Mutterorganisationen in den Heimatländern durch die in Deutschland gesammelten Spendenund Mitgliedsbeiträge spielt für sie eine nicht unerhebliche Rolle. 66 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Ausländerextremismus 3. Strukturen 3.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bzw. Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) Anhänger Deutschland: 13.000 Bayern: 1.800 Leitung Remzi Kartal (Vorsitzender) Abdullah Ocalan (kurdischer Volksführer) Gründung 1978 in der Türkei Publikation Serxwebun (Unabhängigkeit) Die PKK ist in Deutschland seit 26. November 1993 verboten. Der marxistisch-leninistisch orientierte KONGRAGEL ist eine Nachfolgeorganisation und somit identisch mit der in Deutschland seit 1993 verbotenen PKK. In Deutschland hatte sich die PKK bereits 2002 in Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) und 2003 inVolkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) umbenannt. Bei keiner dieser Umbenennungen gab es wesentliche Veränderungen in Organisation, Struktur und Ideologie. Der KONGRA GEL richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährdet die Innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Die PKK war 1978 von Abdullah Öcalan in Ostanatolien als marxistisch-leninistisch orientierte Organisation gegründet worden. Sie sollte durch einen Guerillakrieg eine Revolution mit dem Ziel eines unabhängigen kurdischen Staates herbeiführen. Über zwei Jahrzehnte lang führte die PKK innerhalb und außerhalb derTürkei terroristische Anschläge durch. Nach der Festnahme des damaligen PKK-Führers Abdullah Öcalan im Jahr 1999 kam es zu einer taktisch bedingten Mäßigung. Zumindest im Ausland wurde auf die Anwendung von Gewalt verzichtet. Die Organisation sah auch von ihrem ursprünglichen Ziel ab, durch bewaffneten Kampf einen eigenen kurdischen Staat durchzusetzen. Ziel ist es jetzt, einen föderalen Verbund aller Kurden im Nahen Osten herzustellen. Dabei sollen die bestehenden Staatsgrenzen unangetastet bleiben. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Ausländerextremismus Strukturen in Bei der PKK handelt es sich um eine Kaderorganisation mit Deutschland einem weit verzweigten Funktionärswesen und strikten Befehlsstrukturen auch in Deutschland. Auf oberster Gliederungsebene ist die Bundesrepublik in die vier "Serits" Nord, Mitte, Süd 1 und Süd 2 unterteilt, denen weitere 29 "Gebiete" untergeordnet sind. An der Spitze dieser hierarchischen Struktur stehen Funktionäre, die in der Regel durch die europäische Leitungsebene der Organisation eingesetzt werden. Die Zuweisung auf die einzelnen Funktionen erfolgt zumeist nur für einen begrenzten Zeitraum. Die hauptamtlichen Kader der PKK sind ideologisch geschult und leben äußerst konspirativ an häufig wechselnden Orten. Föderation In den meisten größeren deutschen Städten gibt es Zusamkurdischer Vereine menschlüsse von PKK-Anhängern. Ihnen dienen die örtlichen Vereine des Dachverbandes Föderation kurdischer Vereine in (YEK-KOM) Deutschland e.V. (YEK-KOM) als Anlaufstelle. Die an die YEKKOM angegliederten Vereine, die sich nach außen als reine Kulturvereine darstellen, haben die Aufgabe, Ziele und Politik der PKK unter den Anhängern zu verbreiten und zu fördern. Trotz des vereinsrechtlichen Betätigungsverbots gibt es somit weiterhin Aktivitäten der PKK-Anhänger in Deutschland. Ein Nachweis, dass ihre Betätigung der Organisation zuzurechnen ist, lässt sich jedoch oft nur im Einzelfall führen. MedienMit den beiden Sendern STERKTV und NUCE TV verfügte die unternehmen PKK ab 2012 über zwei eigene Fernsehsender, die auch ihre Anhängerschaft in Deutschland erreichten. Durch Beschluss eines dänischen Gerichts mussten die Sender ihren Betrieb im Juli einstellen. Am 25. November nahm der kurdische Satellitensender MEDNUCE als Alternative zu den verbotenen STERKTV und NUCETV seinen Betrieb auf. Als weiteres Propagandainstrument dient die türkischsprachige Tageszeitung Yeni Özgür Politika (Neue Freie Politik), in der führende PKK-Funktionäre regelmäßig Stellungnahmen publizieren. Aktivitäten im Jahr 2013 Doppelstrategie Bei ihren Aktivitäten verfolgt die PKK weiterhin eine Doppelstrategie. Während sie auf dem Gebiet der Türkei nach wie vor in der Lage ist, terroristische Aktivitäten zu entfalten, nutzt sie 68 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Ausländerextremismus das übrige Europa als Rückzugs-, Finanzierungsund Rekrutierungsraum. Allerdings hält sie ihre Darstellung als friedliche Organisation nicht immer durch. Zum Newroz-Fest am 21. März erklärte der inhaftierte Öcalan eine Waffenruhe und den Rückzug der PKK-Einheiten aus der Türkei. Der türkische Ministerpräsident Erdogan sah damit die erste Phase des Friedensprozesses zwischen der Regierung und der PKK eingeleitet. Die PKK erwartet von der türkischen Regierung nun zahlreiche Reformenzur Verbesserung der kurdischen Minderheitsrechte. Die bislang eingeleiteten Reformen hielt die PKK für nicht ausreichend und stoppte deshalb den Abzug von Kämpfern aus derTürkei. In Deutschland sind Aktivitäten von PKK-Anhängern insbesonAktivitäten in dere bei Veranstaltungen der Kulturund Brauchtumspflege Deutschland wie dem alljährlichen kurdischen Neujahrsfest Newroz offen wahrnehmbar. Die Ermordung von drei kurdischen Aktivistinnen in Paris im Januar löste auch in Bayern Proteste aus. In regelmäßigen Abständen fanden Demonstrationen vor dem Französischen Generalkonsulat in München statt, gefordert wurde eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse in Paris. Im Juli setzte die PKK für München und Nürnberg neue Gebietsverantwortliche ein, die eine Spendenkampagne zur Unterstützung der PKK durchführten. In beiden Städten versammelten sich wiederholt PKK-Anhänger, um auf die Situation der Kurden im syrischen Bürgerkrieg aufmerksam zu machen. Am 25. November wurde der mit internationalem Haftbefehl gesuchte PKK-Gebietsverantwortliche für den Sektor Nürnberg Salman Sako festgenommen. Ihm wird in Frankreich u.a. Erpressung und die Finanzierung einer terroristischen Gruppierung vorgeworfen. Am 21. Internationalen Kurdistan-Kulturfestival im September in Dortmund nahmen ca. 350 PKK-Anhänger aus Bayern teil. Das jährlich stattfindende Festival ist ein wichtiger Treffpunkt der PKKKader und dient der Verbreitung ihrer politischen Botschaften. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 69 Ausländerextremismus Am 16. November fand in Berlin eine Großdemonstration mit der Thematik "PKK-Verbot aufheben" statt. Unter den rund 5.500 Teilnehmern waren auch Personen aus Bayern. Am 7. Dezember wurde in Nürnberg der 36. Jahrestag der Parteigründung mit 350 Veranstaltungsteilnehmern abgehalten. 3.2 Türkische Linke 3.2.1 DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) / Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Mitglieder Deutschland: 650 Bayern: 80 Gründung 1994 in Syrien Publikationen Yürüyüs und Halk Gercegi Die DHKP-C ist in Deutschland seit 1998 verboten. Die revolutionär-marxistische DHKP-C zählt zu den militantesten türkischen Extremistengruppen, die mit Hilfe einer bewaffneten Revolution auf die Zerschlagung des türkischen Staates zielen. Ziele ihrer Agitation sind die NATO, die USA sowie die Türkei und ihre Gesellschaftsordnung. Die DHKP-C richtet sich damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährdet die Innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Die DHKP-C wurde 1994 in Syrien gegründet und ging aus dem "Karatas-Flügel" der Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) hervor. Sie versteht sich, wie die Ursprungsorganisation auch, als eine an den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus ausgerichtete Volksbewegung. Die DHKP-C erklärte 1999 für Deutschland einen Gewaltverzicht, wobei jedoch am bewaffneten Kampf in der Türkei festgehalten wurde. Das BMi verfügte 1993 ein Vereinsverbot. Seit 2002 ist die DHKP-C zudem auf der EU-Terrorliste aufgeführt. 70 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Ausländerextremismus Im Februar verübte ein DHKP-C-Aktivist einen SelbstmordanAnschlag auf schlag auf die US-Botschaft in Ankara, bei dem ein SicherheitsUS-Botschaft beamter getötet wurde. Anhänger der DHKP-C sind auch in Deutschland aktiv. So wurden Freiheitsstrafen drei Aktivisten der DHKP-C wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen in Deutschland verurteilt. Am 16. Mai verurteilte das Kammergericht Berlin eine Aktivistin wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Am 18. Juni folgte ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart wegen gleichen Tatbestandes gegen einen weiteren Aktivisten von einem Jahr und sechs Monaten. Daran schloss sich ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Juli an, mit dem ein Aktivist zu drei Jahren und sechs Monaten auf gleicher Rechtsgrundlage verurteilt wurde. 3.2.2 Türkische Kommunistische Partei / Marxisten-Leninisten - Partizan Flügel (TKP/ML - Partizan Flügel) Mitglieder: Deutschland: 800 Bayern: 80 Gründung: 1994 in der Türkei Die TKP/ML - Partizan Flügel vertritt die Ideologie des Marxismus-Leninismus, ergänzt um die Ideen Mao Tse-tungs. Sie befürwortet den bewaffneten Kampf und propagiert den bewaffneten Bürgerkrieg. Ziel ist die Errichtung eines kommunistischen Regimes. DieTKP/ML - Partizan Flügel verstößt somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die TKP/ML - Partizan Flügel spaltete sich 1994 aus der bereits seit den 1970er Jahren bestehenden Mutterorganisation TKP/ML ab. Die Anhänger derTKP/ML - Partizan Flügel sind seit Sommer 1997 in den beiden Basisorganisationen Föderation der Arbeiter aus der Türkei e.V. (ATIF) und der Ende 1986 gebildeten Konföderation der Arbeiter aus derTürkei in Europa (ATIK) organisiert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 71 Ausländerextremismus Beide Vereinigungen präsentieren sich als Massenorganisationen und tarnenihre Verbindungen zurTKP/ML - Partizan Flügel. Die Organisationen beschränken sich in Deutschland auf Propagandaaktivitäten und auf die Beschaffung finanzieller Mittel. DieTKP/ML--Partizan Flügel und ihre deutsche Basisorganisation ATIF veranstalteten am 11. Mai in Ludwigshafen/Rheinland-Pfalz ihre alljährliche Mai-Kundgebung zum Gedenken an ihren im Mai 1973 in türkischer Haft verstorbenen Aktivisten Kaypakkaya. An der Gedenkveranstaltung nahmen auch bayerische Aktivisten derTKP/ML - Partizan Flügel aus dem Raum Augsburg teil. 3.2.3 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Mitglieder Deutschland: 600 Bayern: 40 Gründung 1994 in der Türkei Publikation Atilim (Angriff) Mn? Die MLKP ist marxistisch-leninistisch geprägt und strebt die gewaltsame Zerschlagung der staatlichen Ordnung der Türkei und die Errichtung einer kommunistischen Diktatur an. Die Ziele der MLKP richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die in der Türkei verbotene, terroristische MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Ihre Basisorganisation ist die Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V. (AGIF) mit Sitz in Köln. Die örtlichen AGIF-Vereine in Deutschland sind zuständig für die politische Basisarbeit. Ihr europäischer Dachverband trägt den Namen Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa (AvEG-KON). JugendorgaMit ihrer Jugendorganisation Young Struggle gelingt es der nisation Young MLKP weiterhin, auch junge Menschen in Bayern zu mobiliStruggle sieren. Im April 2012 startete Young Struggle gemeinsam mit deutschen Linksextremisten eine Kampagne zugunsten eines 72 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Ausländerextremismus inhaftierten Aktivisten, der Polizeibeamte auf einer Demonstration im März 2012 in Nürnberg attackiert hatte. Diese Kampagne wurde 2013 fortgesetzt mit einem "Tag für die politischen Gefangenen" für die inhaftierten Mitglieder der MLKP 3.3 Türkische Nationalisten Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF) Mitglieder Deutschland: 10.000 Bayern: 1.200 Vorsitzender Sentürk DOGRUYOL Gründung 1978 Sitz Frankfurt am Main Publikation Türk Federasyon Bülteni Die nationalistische ADÜTDF vertritt eine extreme Variante des türkischen Nationalismus und ist damit Teil der weltweit organisierten Ülkücü-(Idealisten-) Bewegung. Durch ihr teilweise extrem nationalistisches Gedankengut verfolgt die ADÜTDF Bestrebungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker richten. Vereinzelt finden sich auch islamistische Ansätze. Die Ülkücü-Bewegung umfasst ein breites Spektrum ultranationalistischen und rassistischen Gedankenguts. Symbol der Bewegung ist ein mit fünf Fingern stilisierter Wolfskopf, weshalb die Anhänger der Bewegung auch als Graue Wölfe bezeichnet werden. Die Anhängerschaft der Ülkücü-Bewegung in Deutschland ist in so genannten Kulturund Idealisten-Vereinen der ADÜTDF organisiert. Die ADÜTDF wurde 1978 in Frankfurt am Main durch den Zusammenschluss von zahlreichen türkischen Vereinen gegründet. Sie gilt seit ihrer Gründung als Auslandsorganisation der türkischen Partei der Nationalen Bewegung (MHP), dem politischen Arm der Ülkücü-Bewegung inder Türkei. Die ADÜTDF hat es sich zum Ziel gesetzt, die größte türkische Organisation in Westeuropa zu werden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Ausländerextremismus Seit geraumer Zeit bemüht sich die Parteiführung der MHP unter Devlet Bahceli, der Partei ein konservatives und europafreundliches Erscheinungsbild zu geben. Dies findet jedoch nicht die ungeteilte Zustimmung aller Mitglieder, weshalb sich insbesondere jugendliche Aktivisten aus der Partei zurückziehen. Ulkücü-JugendDie rechtsextremistische Ulkücü-Jugendbewegung ist mittlerbewegung weile überwiegend über das Internet organisiert, sie kommuniziert und mobilisiert vorwiegend über soziale Netzwerke. Hierbei lässt sich eine erhöhte Gewaltbereitschaft, insbesondere gegen die kurdische Volksgruppe, erkennen. Einschlägige Symbole der Ideologie werden mit Musik und aggressiven Texten unterlegt. Dabei werden zumeist Kurden als Feinde verbal verunglimpft und das Türkentum besonders hervorgehoben. Obwohl sich die Ulkücü-Jugendbewegung eher organisationsunabhängig gibt, bedienen sich Anhänger dennoch der eindeutigen Symbolik und verwenden beispielsweise ein Wolfskopf-Handzeichen als Gruß, der unverkennbar die Szenezugehörigkeit zeigt. In Bayern ist die ADÜTDF vor allem mit kulturellen, religiösen und sportlichen Veranstaltungen aktiv, vermutlich auch um neue Mitglieder zu werben. Schwerpunkte sind die Ballungsräume München, Nürnberg und Augsburg. Verstoß gegen Seit Anfang 2013 wird in Bayern ein Ermittlungsverfahren gegen das Waffengesetz Mitglieder türkisch-nationalistischer Vereine wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz durchgeführt. Bei Durchsuchungsmaßnahmen in mehreren Bundesländern konnte ein umfangreiches Waffenarsenal sichergestellt werden. 3.4 _ Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) Mitglieder Deutschland: 1.000 Bayern: 30 Gründung 1972 auf Sri Lanka Bei der LTTE handelt es sich um eine paramilitärische Separatistenorganisation auf Sri Lanka mit dem Ziel eines unabhängigen tamilischen Staates. Der Rat der Europäischen Union stufte die Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Ausländerextremismus LTTE 2006 offiziell als Terrororganisation ein. Die in Deutschland lebenden aktiven LTTE-Anhänger verfolgen Bestrebungen, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Ziel der LTTE ist ein autonomer Staat im Norden und Osten der Inselrepublik Sri Lanka, wo der größteTeil der tamilischen Minderheit lebt. Bis zu ihrer militärischen Zerschlagung 2009 versuchte die LTTE gewaltsam dieses Ziel zu erreichen. Seitdem befindet sie sich in einem Restrukturierungsprozess. Im Rahmen der organisatorischen Erneuerung haben sich in Wahlen zu Deutschland verschiedene Flügel gebildet: Während die so geTransnationaler nannten "Hardliner" auf die Wiederaufnahme des bewaffneten Regierung Kampfes in Sri Lanka setzen, streben die "Moderaten" eine politische Lösung an. Seit Beginn des Jahres 2013 sind vermehrt Versuche erkennbar, die verfeindeten Flügel wieder zu vereinen. Die Organisation Transnational Government of Tamil Eelam (TGTE), die dem moderaten Flügel zuzuordnen ist, organisierte im Oktober weltweit Wahlen zu einer "ITransnationalen Regierung" in allen Staaten mit tamilischer Diaspora. Diese international bislang nicht anerkannte "Regierung" hat es sich zum Ziel gesetzt, das Selbstbestimmungsrecht der Tamilen in Sri Lanka auf politischem Weg zu erlangen. In Deutschland tritt die LTTE unter ihrem eigentlichen Namen öÖfLTTE in fentlich nicht auf. Ihre Ziele und Interessen werden hier durch das Deutschland Tamil Coordination Committee (TCC) mit Sitz in Oberhausen/Nordrhein-Westfalen und zahlreiche nahestehende Organisationen vertreten. DerTCC trägt durch regelmäßige Heldengedenktage, Mahnwachen und sonstige Kulturveranstaltungen zur Verbreitung der Ideologie der LTTE bei und möchte die Öffentlichkeit auf die aus ihrer Sicht desolate Situation in Sri Lanka aufmerksam machen. Neben zahlreichen weiteren Veranstaltungen im Bundesgebiet wurde am 30.November z.B. eine Feier zum Heldengedenktag mit einigen hundertTeilnehmern in München durchgeführt. Die Ballungsräume München und Nürnberg sind räumliche Schwerpunkte der Anhängerschaft in Bayern. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 75 Ausländerextremismus Rechtsextremismus < Schlechte Wahlergebnisse für die Bayern-NPD bei Bundestagsund Landtagswahlen >" Neue Rechtsextremistische Partei "Der Dritte Weg" < Bürgerinitiativen als rechtsextremistische Tarnorganisationen < Vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen das Freie Netz Süd Rechtsextremismus hat viele verschiedene Ausprägungen: Parteien kämpfen um Einfluss in Parlamenten. Ideologen versuchen, rassistisches und nationalistisches Gedankengut intellektuell zu verpacken. Antisemiten schreiben der Existenz von Juden die Ursache aller Probleme zu. Neonazis bekennen sich offen zum Nationalsozialismus und treten aggressiv und kämpferisch auf. Daneben versuchen sie durch die Gründung von Tarnorganisationen, ihre wahren Absichten zu verschleiern. Kennzeichnend für alle rechtsextremistischen Strömungen sind jedoch die übersteigerte Betonung der Nation sowie ein autoritäres Denken, das die "Volksgemeinschaft" über das Individuum stellt. Gemeinsames Ziel ist die Abschaffung zentraler Werte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, beispielsweise das Recht auf Wahlen. Darüber hinaus richten sich rechtsextremistische Bestrebungen gegen die universelle Geltung der Menschenrechte und die im Grundgesetz verankerte Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz. Das rechtsextremistische Weltbild geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zu einer "Rasse" den Wert eines Menschen bestimmt. Die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hat die besondere Gefährlichkeit der Szene und die Notwendigkeit eines entschiedenen Vorgehens gegen rechtsextremistische Bestrebungen bestätigt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 71 Rechtsextremismus 1. Personenpotenzial in Bayern Parteien 2011 2012 2013 NPD 900 850 850 DVU' 300 - - Subkulturell geprägte 300 300 300 Rechtsextremisten Neonazis? 700 700 700 Sonst. rechtsextremistische 400 500 500 Organisationen/Personen Summe 2.600 2.350 2.350 Mehrfachmitgliedschaften? 150 150 150 gesamt 2.450 2.200 2.200 davon gewaltorientiert * 1.000 1.000 1.000 Die Zahlenangaben sind geschätzt und gerundet. 1 Die DVU hat sich Ende 2010 mit der NPD zur Partei "NPD - Die Volksunion" vereinigt. Die Fusion ist seit 2012 rechtskräftig. 2 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften innerhalb der Neonazi-Szene. 3 Die Mehrfachmitgliedschaften im Bereich der Parteien und sonstiger rechtsextremistischer Organisationen und Gruppierungen werden vom Gesamtpotenzial abgezogen. 4 Dazu zählen gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend und gewaltbefürwortend. 2. Gewaltpotenzial Innerhalb der rechtsextremistischen Szene sind insbesondere Neonazis und Skinheads gewaltbereit. Die Gewalttaten reichen von Übergriffen auf Minderheiten bis zu terroristischen Gewalttaten. Ursache ist das rassistische Menschenbild der Rechtsextremisten, das den Einzelnen allein nach seiner ethnischen Herkunft beurteilt. Beispiele hierfür waren bereits in den 1990er Jahren die rassistischen Übergriffe in Mölln, Solingen und RostockLichtenhagen. Zu dieser Zeit wurde die rechtsextremistische Szene jünger, aktionistischer und militanter. Innerhalb der Szene kursierten Texte, die zum bewaffneten Kampf aufriefen wie beispielsweise "TheTurner Diaries" des US-amerikanischen Rechtsextremisten und Verlegers William Pierce, in denen er den Rassenkrieg propagierte. 78 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus 2.1 Rechtsextremistische Gewalt nach Aufdeckung des NSU Die rechtsterroristische Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) um die Rechtsextremisten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hat zwischen September 2000 und April 2007 bundesweit insgesamt zehn Personen ermordet. Drei dieser Taten wurden in Nürnberg (2000, 2001 und 2005) und zwei in München (2001 und 2005) begangen. Der Gruppierung werden weitere rechtsextremistisch motivierte Sprengstoffanschläge und eine Vielzahl von Banküberfällen zugerechnet. Mundlos und Böhnhardt wurden am 4. November 2011 erschossen in einem von der Polizei umstellten Wohnmobil aufgefunden. Zschäpe stellte sich nach mehrtägiger Flucht am 8. November 2011 der Polizei und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Am 6. Mai begann vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Beginn des München der Prozess gegen Zschäpe und weitere Beschuldigte NSU-Prozesses unter anderem wegen desVerdachts der Gründung einer terrorisam 6. Mai tischen Vereinigung im Zusammenhang mit dem NSU. Rechtsextremisten nutzen das Öffentliche Interesse an dem Prozess für ihre eigenen Propagandazwecke. Mit Solidaritätsbekundungen für mutmaßliche Unterstützer des NSU und dem Erscheinen am Gerichtsgebäude werden der Rechtsstaat und die Angehörigen der NSU-Opfer verhöhnt. So verteilten am 16. und 17. April Aktivisten der neonazistischen Kameradschaft München im Umfeld des Strafjustizzentrums Flugblätter des Freien Netz Süd (FNS) unter anderem mit der Parole "Freiheit für Ralf 'Wolle' Wohlleben!" Der als NSU-Unterstützer angeklagte Ralf Wohlleben erfährt eine besondere Solidarität innerhalb der Szene, da er bisher jegliche Kooperation mit den Ermittlungsbehörden verweigerte. Wohlleben war lange Zeit in Thüringen in der NPD aktiv. In den Augen der Rechtsextremisten gilt er als "unbeugsam" und Opfer des "NSU-Phantom-Prozesses"" Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 79 Rechtsextremismus Neonazis der Münchner Kameradschafts-Szene gewährten einem Prozessbeteiligten sowie Angehörigen von Angeklagten Unterkunft in einer Immobilie in München-Obermenzing, die im Dezember 2012 von Münchner Neonazis angemietet wurde und seitdem regelmäßig für Kameradschaftstreffen genutzt wird. SachbeschädigunIm Zusammenhang mit dem Auftakt zum NSU-Prozess häuften gen in München sich in München Sachbeschädigungsdelikte, die auf einen rechtsextremistischen Hintergrund schließen ließen. Betroffen waren Wohnund Geschäftsräume von Organisationen und Einzelpersonen, die von Rechtsextremisten dem "linken Spektrum" zugerechnet werden, sowie einer Anwältin, die Angehörige eines NSU-Opfers vertritt. Ein Anwesen im Münchner Stadtteil Westend, an dem Plakate mit Bezug zum NSU-Prozess aufgehängt waren, war mehrfach Ziel von Attacken. Unter anderem wurden Bewohner mit rohen Eiern angegriffen, Fensterscheiben eingeschlagen und Farbbeutel an die Hausfassade geworfen. Am 29. Mai wurden drei Verdächtige im Zusammenhang mit einer solchen Aktion festgenommen. Sie gehören der rechtsextremistischen Szene in München an. Im Zuge der weiteren Ermittlungen ist zu klären, ob diese Personen auch für weitere Taten verantwortlich sind. Ein infolge des NSU-Prozesses dauerhaft gestiegenes Gewaltpotenzial ist in der rechtsextremistischen Szene aktuell nicht feststellbar, sehr wohl aber ein aktionistischeres Auftreten. Rechtsterroristische Taten können - insbesondere wenn sie von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen begangen werden - zu keiner Zeit ausgeschlossen werden. Dies haben in jüngerer Zeit insbesondere die Taten des NSU sowie die Breivik-Attentate in Norwegen im Jahr 2011 verdeutlicht. UntersuchungsDie Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages und ausschüsse des Bayerischen Landtages zur politischen Aufarbeitung der Mordserie des NSU haben 2013 ihren Abschluss gefunden. Die Empfehlungen der Ausschüsse werden in enger Abstimmung von Bundesund Landesbehörden umgesetzt. 80 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus 2.2 Gewaltorientierte rechtsextremistische Szene in Bayern Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, verbunden mit Hass und Ablehnung von Demokratie und pluralistischer Gesellschaft, 5 X MR bilden den Nährboden für rechtsextremistische Gewalttaten. Die Pr d "INVASION STOPPEN! HE HEN ARBEITSMARKT N Abwertung und Entmenschlichung von Feindbildern fördern ein SCHÜTZEN } Sinken der Hemmschwelle zur Gewaltanwendung. Derin Teilen der Szene gepflegte Gewaltkult, der mit der Verherrlichung von "kriegerisch-soldatischer Tugend" einhergeht, wirkt sich ebenfalls auf Gewaltbefürwortung und -anwendung aus. Die Mehrzahl der rechtsextremistischen Gewalttaten wird spontan verübt. Häufig erfolgen solche Taten aus einer Situation heraus, in der Rechtsextremisten - einzeln oder in kleinen Gruppen - auf Personen treffen, die den typischen rechtsextremistischen Feindbildern entsprechen. Beispielsweise beschimpften am 19. Mai zwei junge Männer aus Bamberg eine türkische Familie mit Parolen wie "Scheiß Türken" und schlugen diese zu Boden. Einer schwangeren Frau wurde mehrfach in den Bauch geboxt und getreten. Ein weiteres Opfer erlitt einen Schlüsselbeinbruch. Rechtsextremistisch motivierte Gewalt richtet sich darüber hinaus auch gegen den politischen Gegner, insbesondere gegen Personen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren sowie gegen linksextremistische Antifaschisten: Am 30. Mai skandierten mehrere unbekannte Personen in Aschaffenburg rechtsextremistische Parolen. Ein 35-Jähriger forderte sie auf, dies zu unterlassen. Daraufhin schlugendie Täter ihn und seinen Begleiter zu Boden und traten auf sie ein. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat die Beobachtung von gewaltorientierten Personen und Gruppen in einem eigenen Referat gebündelt. Es wird damit ein fallbezogener Beobachtungsansatz verfolgt, wobei der Informationsaustausch mit den Polizeibehörden eine besondere Rolle spielt. Außerdem wurde die präventive Arbeit nochmals - auch personell - verstärkt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 81 Rechtsextremismus 2.3 Rechtsextremistisch motivierte Strafund Gewalttaten Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" 2011 2012 2013 Tötungsdelikte (auch Versuch) 0 0 1 Körperverletzungen 50 62 62 Brandund Sprengstoffdelikte 2 Landfriedensbruch 1 Erpressung sonstige Gewalttaten 4 2 gesamt 57 65 66 Terrorismus Kriminelle/Terroristische 0 1 1 Vereinigung gesamt 0 1 1 sonstige Straftaten Sachbeschädigungen 93 115 80 Propagandadelikte 1.125 1.214 1.212 sonstige Straftaten 80 127 110 Nötigung/Bedrohung 15 20 16 Volksverhetzung 196 217 192 gesamt 1.509 1.693 1.610 Straftaten insgesamt 1.566 1.759 1.677 Gewalttaten Im Jahr 2013 wurden in Bayern 66 rechtsextremistisch motivierte Gewaltdelikte registriert (2012: 65). Dabei handelt es sich überwiegend um Körperverletzungsdelikte. Bayern gehört beim Vergleich der Häufigkeitszahlen der vergangenen Jahre -- bezogenauf jeweils 100.000 Einwohner - stets zu den drei am wenigsten belasteten Bundesländern. 82 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Von den 66 Gewalttaten waren 24 (2012: 31) allgemein neonazistisch motiviert; 17 dieser Delikte waren gegen den politischen Gegner gerichtet (2012: 15). 38 (2012: 33) Gewalttaten waren fremdenfeindlich motiviert. 4 Gewaltdelikten lag eine antisemitische Motivation zugrunde (2012: 1). Insgesamt konnten 57 Gewalttaten aufgeklärt werden, dabei wurden insgesamt 85 Tatverdächtige ermittelt, darunter 11 Frauen. 61 der Tatverdächtigen sind erstmals straffällig geworden. Wie im Jahr 2012 gehört mit 66 Personen die überwiegende Zahl der Tatverdächtigen der Altersgruppe über 21 an, 16 der Tatverdächtigen gehörenzur Altersgruppe 17 bis 21 Jahre, 3Tatverdächtige waren noch jünger. Sonstige Straftaten In Bayern wurden 2013 insgesamt 1.610 (2012: 1.693) sonstige rechtsextremistische Straftaten (ohne Gewalttaten) gezählt. Davon waren 1.300 neonazistisch (2012: 1.354), 218 fremdenfeindlich (2012: 182) und 92 antisemitisch motiviert (2012: 157). In den meisten Fällen handelte es sich um Propagandadelikte (1.212; 2012: 1.214), aber u.a. auch um Volksverhetzung (192; 2012: 217) und Sachbeschädigungen (80; 2012: 115). Beispielsweise wurden Hakenkreuze auf Wände und Fahrzeuge gesprüht bzw. geritzt, Parolen wie "Heil Hitler" und "Sieg Heil" gerufen und antisemitische Schriften verbreitet. Neonazis verwenden z.B. auf dem Display ihres Mobiltelefons NS-Symbole als Standard-Einstellung und nutzen das Short-Message-System (SMS) sowie den Multimedia Messaging Service (MMS), um neonazistische Grafiken, Filme und Lieder zu Propagandazwecken an andere Handy-Besitzer zu übermitteln. Durch rechtsextremistisch motivierte Ausschreitungen und Schmierereien entstand im Jahr 2013 ein Sachschaden von rund 395.000 Euro (2012: etwa 316.000 Euro). Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 83 Rechtsextremismus 3. Rechtsextremistische Themenfelder und Aktionsformen 3.1 Rechtsextremistische Themenfelder Der Rechtsextremismus tritt in verschiedenen Ausprägungen nationalistischer, rassistischer und antisemitischer Ideologieelemente sowie in unterschiedlichen, sich daraus herleitenden Ziel- F und morgen fremd im eigenen band! setzungen auf. Dabei herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder Rasse entscheide über den Wert eines Menschen. Dieses rechtsextremistische Werteverständnis steht in einem fundamentalen Widerspruch zum Grundgesetz, das dieWürde des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Klassische Rechtsextremisten versuchen, die nationalsozialistische GewaltThemen herrschaft unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen zu rechtfertigen, Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen des Dritten Reichs zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen (Geschichtsrevisionismus). Zusätzlich verunglimpfen sie den demokratischen Verfassungsstaat und seine Repräsentanten, indem sie beispielsweise Deutschland als Marionettenstaat ausländischer, insbesondere US-amerikanischer, Interessen darstellen. Deutsche Politiker diffamieren sie dabei regelmäßig als korrupte Handlanger ausländischer Interessen. Die eigene Organisation und ihre Vertreter sollen als die alleinigen Wahrer der Interessen des deutschen Volkes dargestellt und der politische Gegner als Verräter, der mit krimineller Energie systematisch den Interessen der Bürger schadet, diskreditiert werden. Rechtsextremisten lehnen die Kernbereiche der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab. Hinzu kommt die pauschale Überbewertung der Interessen der 'Nolksgemeinschaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die zu einer Aushöhlung der Grundrechte führt (völkischer Kollektivismus). Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen Rechtsextremisten zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Strategie des Kampfs gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. 84 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus In der Propaganda von Rechtsextremisten treten seit einigen Neue Jahren sozialund wirtschaftspolitischeThemen mehr und mehr Themenfelder in den Vordergrund. Durch Verknüpfung sozialer Problemfelder mit rechtsextremistischen Theorie-Elementen wollen Rechtsextremisten aus den Sorgen der Bevölkerung Kapital schlagen. Teile des rechtsextremistischen Spektrums propagieren einen "Vvolksbezogenen Sozialismus" mit dem Ziel, in sozialistisch orientierte Wählerschichten einzudringen. UL) Vor dem Hintergrund steigender Asylbewerberzahlen agitieren Fü a a u; Lu) Rechtsextremisten vermehrt gegen die Einrichtung neuer Fr r u, SAGEN NEIN! Asylbewerberunterkünfte. Dabei versuchen sie, Ängste in der n4(a TESTRT Bevölkerung vor angeblicher Überfremdung und Steigerung der Kriminalität vor Ort zu schüren und sich selbst als die einzige politische Kraft darzustellen, die diese Sorgen ernst nimmt. Dazu verteilen sie Flugblätter, ergreifen das Wort in öffentlichen Versammlungen und betreiben Kampagnen im Internet. Zudem gewinnt in der rechtsextremistischen Szene die Islamfeindlichkeit an Bedeutung. Rechtsextremisten lehnen den Islam bzw. Muslime als "undeutsch" ab und sprechen ihnen das Recht als gleichwertige Menschen ab. Sie unterstellen ihnen eine pauschale Minderwertigkeit und fordern beispielsweise, Muslimen bestimmte Grundrechte gar nicht oder nur eingeschränkt zuzugestehen. Auf diese Weise versuchen sie - z.B. bei Diskussionen um den Bau von Moscheen - Ängste vor Überfremdung zu weckenoder Vorurteile gegenüber Muslimen und dem Islam zu schaffen bzw. zu verstärken. Muslime werden pauschal als Bedrohung der Inneren Sicherheit dargestellt. Ein weiteres Themenfeld, das Rechtsextremisten in den letzten Jahren verstärkt besetzt haben, ist der Umwelt-, NaturundTierschutz. Umweltschutz wird als "Heimatschutz" interpretiert und in den Kontext der völkischen Bewegung gestellt. Demzufolge Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 85 Rechtsextremismus ist der Schutz des eigenen Volkes untrennbar mit dem Schutz der Umwelt verbunden. IERQUAÄLEREI! NET Dr TIER EIER) Mit einer Tierschutzkampagne im Umfeld von Zirkussen versuchten Aktivisten des Neonazi-Netzwerks Freies Netz Süd (FNS) sich die Tierliebe vieler Bürger zunutze zu machen. Die teils kostümiert auftretenden Aktivisten verteilten Flyer und beklebten Werbetafeln mit Info-Zetteln, auf denen sie sich gegen die Haltung von Wildtieren in Zirkusbetrieben aussprachen. Entsprechende Aktionen fanden unter anderem in Simbach, Freilassing, Augsburg, Altötting, Grafing, Puchheim und Waldkraiburg statt. Das FNS versucht zudem mit dieser Tierschutzkampagne Nachwuchs zu rekrutieren. In einem Flyer heißt es: "Engagiere dich und tritt mit uns in Kontakt" 3.2 _Rechtsextremistische Aktionsformen 3.2.1 Rechtsextremistische Bürgerinitiativen In Bayern nutzen Rechtsextremisten weiter die Möglichkeit, über Bürgerinitiativen auch außerhalb der NPD politisch Einfluss nehmen zu können. Durch die Bezeichnung als "Bürgerinitiative" wollen Rechtsextremisten ihre eigentliche Gesinnung verschleiern und sich als wählbare politische Alternative präsentieren. Insbesondere die Behandlung bürgernaher Themen und lokaler Probleme soll "Volksnähe" zeigen. Die politischen Lösungsvorschläge orientieren sich jedoch deutlich an der rechtsextremistischen Ideologie. Um mehr Rechtssicherheit zu erlangen, streben Rechtsextremisten die Eintragung der Bürgerinitiativen im Vereinsregister an. 86 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus 3.2.2 Rechtsextremistische Aktivitäten bei gesellschaftlichen Veranstaltungen Rechtsextremisten nutzen verstärkt gesellschaftliche Großveranstaltungen, um auf subtile Weise ihre politischen Botschaften zu verbreiten. Sie knüpfen damit an die unter anderem vom ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt propagierte "Wortergreifungsstrategie" an, nach der sich Rechtsextremisten unauffällig an öffentlichen Veranstaltungen beteiligen und diese als Plattform zur Verbreitung ihrer Propaganda nutzen sollen. In Gersthofen, München, Ellingen und Neuötting gelang es kostümierten Neonazis, durch die Verwendung unverfänglicher Gruppenbezeichnungen an Faschingsumzügen teilzunehmen und Propagandamaterial zu verteilen. Auf den Flugblättern befanden sich Verweise auf die neonazistischen Internetseiten des Freien Netz Süd (FNS) und des Infoportals Schwaben. Bei der "Landshuter Hochzeit" mischten sich Rechtsextremisten unter die Besucher und verteilten Flyer. Diese warben unter dem Motto "Der Narr sagt dem König die Wahrheit" für eine Internetseite, auf der ein von den Rechtsextremisten selbst produziertes Video eingestellt ist, das die Demokratie verunglimpft. Rechtsextremisten nutzen dabei aus, dass für diese Aktionsformen in der Regel keine behördliche Anzeige oder Anmeldung notwendig ist. Sie versuchen dadurch, das Risiko eines vorherigen Verbots oder Ausschlusses zu verringern. Zudem lassen sich die Aktionen mit vergleichsweise wenigen Personen durchführen. Dies ermöglicht ein weitgehend unbemerktes Vorgehen und verringert die Gefahr, im Vorfeld aufzufallen. Andererseits garantieren solche Aktionen eine große Öffentliche Aufmerksamkeit. 3.2.3 Internationale Kontakte bayerischer Rechtsextremisten Zwischen bayerischen und ausländischen Rechtsextremisten bestehen zahlreiche persönliche Kontakte. Verbindungsleute in den Gruppierungen garantieren die gegenseitige Mobilisierung Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 87 Rechtsextremismus für internationale Szene-Veranstaltungen wie Konzerte, Feiern und Großdemonstrationen. Dabei kommt es in der Regel zu eiKT ges ner vorübergehenden länderübergreifenden Zusammenarbeit, SUSE a1 Rnch Bleu wow völksdeutsche-OÖti in Einzelfällen auch zu dauerhaften Kooperationen. Bayerische uw freies Net Rechtsextremisten pflegen Kontakte insbesondere nach Tschechien, Ungarn, Griechenland, Österreich und Italien. Kontakte zur So haben beispielsweise Aktivisten des Freien Netz Süd (FNS) griechischen Partei seit Ende 2012 Kontakte zur griechischen rechtsextremistischen Chrysi Avgi Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte). Diese vertritt offen neonazistische Positionen, die territoriale Ansprüche an Nachbarstaaten ebenso umfassen wie die Diskriminierung von Migranten. Im November 2012 fand in Nürnberg einerstes Treffen zwischen Chrysi Avgi-Funktionären und Aktivisten des FNS statt. Dabei wurde eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit vereinbart. FNS-Aktivisten in Am 2. Februar besuchten mehrere FNS-Aktivisten auf Einladung Athen der Chrysi Avgi deren Parteizentrale in Athen und nahmen an einem von der Partei organisierten Gedenkmarsch mit - eigenen Angaben zufolge - insgesamt 50.000 Demonstranten teil. Am 3. Oktober veranstaltete das FNS vor dem griechischen Konsulat in München eine Mahnwache, um gegen die angebliche 'Verhaftungsund Repressionswelle" in Griechenland gegen Chrysi Avgi-Anhänger zu protestieren. Am 28. September hatte die griechische Polizei führende Mitglieder und Abgeordnete der Partei, darunter den Parteivorsitzenden, verhaftet. Chrysi Avgi wird für mehrere Angriffe auf Einwanderer, Politiker und linksgerichtete Aktivisten verantwortlich gemacht, unter anderem für den rechtsextremistisch motivierten Mord an einem "linken" Musiker durch ein mutmaßliches Chrysi Avgi-Mitglied. A. Frauen und Rechtsextremismus Innerhalb der rechtsextremistischen Szene in Bayern liegt der Frauenanteil bei rund 15 bis 20%. Frauen sind inzwischen sowohl in der NPD als auch in der Neonazi-Szene in Führungspositionen tätig. 88 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Frauen galten im rechtsextremistischen Weltbild lange Zeit lediglich als Garanten des Erhalts der "deutschen Volksgemeinschaft" sowie als Verantwortliche für die Erziehung im Sinne rechtsextremistischer Ideologie. Die Themen, mit denen sich Rechtsextremistinnen beschäftigten, beschränkten sich vorwiegend auf Kindererziehung, Mutterschaft, Familie, "Erhalt der Rasse" oder den "Kampf gegen Kinderschänder" Auch der 2006 von der NPD gegründete Ring Nationaler Frauen (RNF) beschränkte sich bislang weitgehend auf die Frauenund Familienpolitik. In Flugblättern wurde die Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter propagiert und die Kindeserziehung durch gleichgeschlechtliche Partner abgelehnt. Im April 2012 wurde Sigrid Schüßler zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt, sie gehört damit kraft Amtes dem neuen NPD-Bundesvorstand an. Indem sie die zentrale Rolle der Frau für die "geistige und körperliche Gesunderhaltung" betonte, führte sie einerseits die bisherige Ausrichtung des RNF fort, kündigte anderseits aber eine stärkere Rolle der Frauen in der NPD an. Im Mai wurde auch in Bayern ein Landesverband des RNF gegründet. Mit Schüßler trat die NPD bei der Landtagswahl in Bayern 2013 erstmals mit einer Frau als Spitzenkandidatin an. Sie ist zudem stellvertretende Landesvorsitzende und Frauenbeauftragte der bayerischen NPD. Von ihrer Nominierung erhoffte sich die NPD ein moderneres Image und mehr Zuspruch bei weiblichen Wählern. In der Münchner Neonazi-Szene hat sich Vanessa Becker in den letzten Jahren eine Führungsrolle erarbeitet. Sie ist Mitglied der Kameradschaft München und bewohnt mit zwei weiteren Neonazis ein Einfamilienhaus in Obermenzing, das sich inzwischen zu einem zentralen Treffpunkt der Neonazi-Szene in Südbayern entwickelt hat. Zudem nimmt sie in der Bürgerinitiative Ausländerstopp München eine führende Rolle ein. Diese NPD-Tarnliste arbeitet eng mit der Neonazi-Szene zusammen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 89 Rechtsextremismus 5. Internet, Musik und Vertriebsstrukturen 5.1 Rechtsextremisten im Internet Nutzung unpolitiRechtsextremisten nutzen intensiv das Internet als Propaganda-, scher Plattformen Rekrutierungsund Koordinierungsmedium. Alle wesentlichen rechtsextremistischen Parteien, Organisationen und Kameradschaften verfügen über eine eigene Homepage. Die Zahl der von deutschen Rechtsextremisten betriebenen Internetseiten bewegt sich seit Jahren auf konstant hohem Niveau; dabei werden aber regelmäßig Seiten vom Netz genommen und andere eingestellt. Der NPD-Bundesvorstand hat im Bundestagswahlkampf 2013 das Medium Internet als besonders effektiv bezeichnet. In einer NPD-Publikation heißt es: "Die Wahlkampfleitung hob viele positive Erscheinungen aus dem Wahlkampf hervor: Mit einer geringen Investitionssumme konnten bei Facebook die "Freunde" der NPD um 10.000 erhöht werden. Das sind faktisch 10.000 neue Interessenten. 10.000 Menschen, die nun täglich mit ungefilterten Nachrichten von der NPD versorgt werden und in Eilfällen auch schnell mobilisiert werden können." Eine der meistfrequentierten deutschsprachigen Internet-Präsenzen der rechtsextremistischen Szene ist das Internetportal "Altermedia" Sowohl die redaktionellen Beiträge als auch die Leserkommentare enthalten regelmäßig strafrechtlich relevante Inhalte. Zwei Verantwortliche von "Altermedia" wurden im Oktober 2011 unter anderem wegen Volksverhetzung und Aufforderung zu Straftaten rechtskräftig zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten bzw. zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Soziale Netzwerke Daneben nutzen Rechtsextremisten auch soziale Netzwerke wie Facebook und Google. Dort gründen sie geschlossene Foren und Chatrooms zur szeneinternen Kommunikation. Der hohe Verbreitungsgrad macht soziale Netzwerke für Rechtsextremisten zudem als Propagandaplattform attraktiv. Zu unverfänglichen, emotionalisierend wirkenden Themen, die auch bei der Bevölkerung auf hohes Interesse stoßen, werden eigene 90 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Aktionsseiten eingerichtet. Der NPD gelang es mit der Seite "Deutschland gegen Kindesmissbrauch" fast 40.000 FacebookNutzer als Unterstützer zu gewinnen. Im Februar wurde die Seite von Facebook gesperrt. In Chat-Foren und auf Webseiten greifen Rechtsextremisten oft ihren "politischen Gegner" an. "Linke" Aktivisten werden namentlich erwähnt oder Personen geoutet und bedroht, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Von diesen OutingAktionen sind sowohl Mitglieder bürgerlicher Bündnisse als auch Journalisten, Gewerkschaftler oder Lokalpolitiker betroffen. Rechtsextremisten nutzen auch den Kurznachrichtendienst Twitter, um z.B. die Szene über aktuelle Demonstrationen und Veranstaltungen zu informieren. Aufgrund der intensiven Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz die Internetaufklärung weiter intensiviert und hierfür einen eigenen Arbeitsbereich eingerichtet. 5.2 Rechtsextremistische Musik Rechtsextremistische Musik ist - zusammen mit sozialen Erfahrungen und gemeinsamen Erlebnissen - ein wesentliches Eintrittstor in die rechtsextremistische Szene. Rechtsextremisten nutzen Musik, um Jugendliche mit rechtsextVerteilaktionen von remistischem Gedankengut in Kontakt zu bringen. Vor allem die Schulhof-CDs NPD bzw. ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten sowie die Neonazi-Szene versuchen immer wieder, durch Verteilaktionen von sog. Schulhof-CDs gezielt Nachwuchs zu gewinnen. Das Angebot an rechtsextremistischer Musik ist hinsichtlich Qualität, Stil und Zielrichtung größer geworden und reicht von Skinhead-Musik und Balladensängern über Black Metal, Hatecore und Neofolk bis hin zu Hip-Hop undTechno. Die Texte enthalten nationalistisches, fremdenfeindliches, antisemitisches und antidemokratisches Gedankengut. Rechtsextremistische Musik wird live auf Veranstaltungen Konzerte im rechtsextremistischer Organisationen und Parteien sowie auf In-und Ausland Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 91 Rechtsextremismus Skinhead-Konzerten im Inund Ausland gespielt. Sie dienen den Teilnehmern als Plattform für soziale Kontakte und ermöglichen es, ein Netzwerk persönlicher Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Besonderen Zuspruch finden die alljährlich durchgeführten Skinhead-Konzerte in Norditalien, die von den "Veneto-Fronte"-Skinheads veranstaltet und von bis zu 2.000 Rechtsextremisten aus ganz Europa besucht werden. Die Skinhead-Gruppierung Veneto Fronte (Raum Verona/Vincenza) gilt als die italienische Vertretung der seit September 2000 in Deutschland verbotenen "Blood & Honour"-Bewegung. Bei den Konzerten treten auch bayerische Skinhead-Bands auf, wie z.B. am 13. Juli die Band Faustrecht. Rechtsextremistische Bands nutzen Konzerte als Möglichkeit, ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen undfür Tonträger und Merchandising-Artikel zu werben. Allein mit der Gage für einen Konzertauftritt können die meisten Bands ihre entstandenen Kosten nur teilweise decken. Wesentlich einträglicher sind der Verkauf und Vertrieb von Tonträgern, die über Versandhandel, Verkaufsstäinde auf rechtsextremistischen Veranstaltungen und über das Internet verbreitet und vermarktet werden. Das Internet bietet darüber hinaus zahlreiche Möglichkeiten, rechtsextremistische Musik einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Beispielsweise können Musikclips schnell und effektiv zum Downloadzur Verfügung gestellt werden. Bayerische Skinhead-Bands 92 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Bandname Herkunft Aktiv seit Letzte Veröffentlichung Burning Hate Ober2005 CD "Your time franken Gründung mit is running out" (2010) ehemaligen Mitgliedern der SkinheadBands Aryan Rebels und Division 28 White rebel Raum Hof 2007 CD "The boys are boys back in town" (2012) Codex Frei Raum 2010 Beteiligung am Sampler Kempten "Tribute to Triebtäter" (2012) Faustrecht Raum 1994 - 2002 CD "Straßensozialisten" MindelNeugegr. (2010) heim 2004 Feldherren München 2004 CD "Feldherren" (2009) MPU Raum 2010 CD "Bootboys der Hof (derzeit inaktiv) alten Schule" (2010) National born Neu-Ulm 2001 CD "gehirngefickt" haters (2010) Southern Großraum 2010 white Augsburg (derzeit inaktiv) punks Sturmtrupp Neuburg 2008 CD "Unter feindlicher a.d. Donau (Wiedergr. Attacke" (2011) nach Auflösg. 2002) UnterWürzburg 2008 Beteiligung am Sampler grundwehr (Wieder"Tribute to Triebtäter" gründung) (2012) Rechtsextremistische Konzerte werden von den Veranstaltern in der Regel konspirativ vorbereitet. Mit Vortrefforten, SMSMobilisierung bzw. Mund-zu-Mund Propaganda und /oder der Deklarierung eines Konzerts als private Geburtstagsfeier soll ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden verhindert werden. Diese geheime Vorbereitung übt auf Jugendliche einen zusätzlichen Reiz aus. Veranstalter -- es handelt sich dabei meistens um langjährige Aktivisten - erlangen bei der erfolgreichen Durchführung eines Konzerts innerhalb der Szene viel Anerkennung. Kommerzielle Interessen spielen dabei eine untergeordnete Rolle, da die Konzertveranstalter mit den erhobenen Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 93 Rechtsextremismus Eintrittsgeldern in der Regel gerade die Kosten für Saalmiete und Bandgagen decken können. Konzert in In einer Diskothek in Scheinfeld, Landkreis Neustadt a.d.AischScheinfeld BadWindsheim, fand am 12. Oktober ein Rockkonzert der rechtsextremistischen Szene statt. Mit knapp 1.000 Teilnehmern aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland war es seit Jahren das größte rechtsextremistische Konzert in Bayern. Veranstalter war der Oberpfälzer NPD-Funktionär Patrick Schröder, der auch das rechtsextremistische Internet-Radio/-TV "FSN" betreibt. Patrick Schröder hielt die genaue Veranstaltungsörtlichkeit so lang wie möglich geheim, um eine störungsfreie Durchführung zu ermöglichen. Selbst in der Szene kursierten zwei Tage zuvor noch mehrere mögliche Konzertorte im gesamten Bundesgebiet. Die Verwaltungsgemeinschaft Scheinfeld sah keine ausreichenden rechtlichen Gründe, um das Konzert verbieten zu können. Dem Veranstalter wurden jedoch Auflagen erteilt. Die Polizei führte auf dem Anfahrtsweg rund um dasVeranstaltungsgelände und währendder Veranstaltung umfangreiche Kontrollen durch. Dabei kam es zu einer Festnahme wegen gefährlicher Körperverletzung. An einer Kontrollstelle konnteein T-Shirt mit Hakenkreuz und Hitlerbild sichergestellt werden. Aufgrund des intensiven Überwachungsdrucks der Sicherheitsbehörden und des damit verbundenen finanziellen Risikos gelingt es den Veranstaltern in Bayern nur noch selten, rechtsextremistische Konzerte durchzuführen. Im Jahr 2013 fanden in Bayern neben dem Konzert in Scheinfeld keine weiteren rechtsextremistischen Konzerte statt. Im Jahr 2012 waren es noch sechs. 5.3 Rechtsextremistische Vertriebsstrukturen Rechtsextremistische Vertriebe und Versandhandel kommerzialisieren die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Das Sortiment ist gezielt auf die Bedürfnisse der Anhänger einzelner Szene-Stilrichtungen wie der Skinhead-, der NS-Hatecoreoder der NS-Black-Metal-Subkultur ausgerichtet. Bei der Produktion 94 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus und Vervielfältigung von Tonträgern spielen insbesondere die größeren Vertriebe eine wichtige Rolle. Neben Musik umfasst die Angebotspalette auch Textilien, Fahnen, Flugblätter, Plakate und szenetypische Devotionalien wie Bücher und Aufkleber sowie zunehmend Accessoires für den Alltag wie Sonnenbrillen oder Gürteltaschen. Szeneläden sind mittlerweile die Ausnahme. Nahezu alle Händler bieten ihre Waren auf zumTeil professionell gestalteten Verkaufsplattformen im Internet an. Die Betreiber rechtsextremistischer Betriebe verfolgen insbesondere wirtschaftliche Interessen, manche unterstützen mit ihren Einnahmen auch die rechtsextremistische Szene. Vertriebe und Versandhandel Name Sitz/Landkreis seit Inhaber Final Regnitzlosau/ Aug. Matthias Fischer, Resistance Hof 2010 Tony Gentsch (bis Nov. Daniel Weigl) Ansgar Mantel/Neustadt 2009 Nemesis ProducAryan a.d. Waldnaab tion GmbH, Mantel; Gf: Patrick Schröder Versand Murnau/Garmisch2003 Matthias Polt der Partenkirchen Bewegung PatriaKirchberg/Erding 1993 Franz Glasauer versand Bloodline Mertingen/Donau2012 Harald Frank Streetwear Ries WikingerGeiselhöring/ 1997 Siegfried Birl versand Straubing-Bogen Tradition Augsburg Okt. Stefan Friedmann u. Moderne 2010 Oldschool Memmingen 2008 Benjamin Einsiedler Records Schwarze Rain am Lech/ 2001 Alexander Feyen Sonne Donau-Ries Versand DIM Coburg 1991 Ulrich Großmann Records Last Resort Bessenbach/ 2005 Dominik Wensauer Store Aschaffenburg 95 5.4 Rechtsextremistische Internet-Radios und -TV Rechtsextremisten nutzen auch Internet-Radios zur Verbreitung "Ihrer" Musik. Gelegentlich werden auch indizierte oder strafbare Titel gespielt. Teilweise können die Hörer das Programm mitgestalten. Als Wortbeiträge werden Interviews mit Rechtsextremisten (z.B. Bandmitgliedern), Kommentare oder Kritiken zu CDs sowie gelegentlich Werbung für Konzerte und Demonstrationen gesendet. Die Sendezeiten variieren von wenigen Stunden wöchentlich bis hin zu einem 24-Stunden-Programm. Die Homepages dieser Internet-Radios bieten häufig auch anmeldepflichtige Chats und Diskussionsforen an. Internet-Radios unterliegen einer hohen Fluktuation, manche sind nur vorübergehend in Betrieb. FSN-TV und Der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Weiden i.d. Opf. und Radio FSN Beisitzer im NPD-Landesvorstand Bayern, Patrick Schröder, betreibt seit 2007 von Weiden i.d. Opf. aus das rechtsextremistische Internetradio "Radio FSN" (Frei-Sozial-National) sowie seit August 2012 auch das Internet-TV "FSN-TV" Neben Interviews mit Protagonisten aus der rechtsextremistischen Szene werden in moderierten Beiträgen, die auch heruntergeladen werden können, Aktionshinweise, Demonstrationstermine und Informationen über aktuelle Ereignisse innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums verbreitet. Patrick Schröder, der mit einem Co-Moderator auftritt, erreicht mit seinen Sendungen ein überregionales Szenepublikum. 6. Immobiliensuche und -erwerb Rechtsextremisten nutzen Immobilien, um regionale Strukturen und Anlaufstellen zu schaffen. Sie sind in Ballungsräumen ebenso wie im ländlichen Raum ständig auf der Suche nach Räumlichkeiten für Feiern, Konzerte, Schulungen, Parteiveranstaltungen oderinterne Treffen. "Strohmänner"" bei Die rechtsextremistische Szene hat regelmäßig erhebliche Immobilienerwerb Schwierigkeiten, geeignete Lokalitäten zu finden, da sie in der breiten Öffentlichkeit keine Akzeptanz hat und mögliche Ver96 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus mieter eine Vermietung an rechtsextremistische Gruppierungen zumeist ablehnen. Wenn Rechtsextremisten eine ernsthafte Kaufabsicht haben, setzen sie daher meist harmlos erscheinende "Strohmänner"" ein, um den rechtsextremistischen Hintergrund des Erwerbs zu verschleiern. Angehörige der Kameradschaft München haben im Dezember Treffpunkt der 2012 ein Anwesen in München-Obermenzing angemietet. Das südbayerischen Objekt hat sich inzwischen zu einem zentralen Treffpunkt der Neonazi-Szene südbayerischen Neonazi-Szene entwickelt. Regelmäßig finden dort interne Kameradschaftstreffen statt, wie z.B. eine Kameradschaftsfeier am 15. Oktober, bei der der rechtsextremistische Liedermacher Michael Regener alias "Lunikoff" aufgetreten ist. Versuche, mit Einladungen zu Festen die Nachbarschaft für sich zu gewinnen, sind gescheitert. In Nürnberg hat die Stadtverwaltung die Nutzung einer im Juli 2012 von Rechtsextremisten angemieteten Immobilie als Veranstaltungsraum untersagt. Damit ist es Aktivisten des Freien Netz Süd (FNS) nicht gelungen, dort wie geplant ein "Nationales Zentrum" zu errichten. Da in strukturschwachen Regionen die Immobilienpreise vergleichsweise niedrig sind, gerät der ländliche Raum bei der Immobiliensuche von Rechtsextremisten zunehmend in den Fokus. Aktivisten des FNS ist es gelungen, in einem abgelegenen OrtsNationales Zentteil der oberfränkischen Gemeinde Regnitzlosau, Landkreis Hof, rum Hochfranken einenzentralen Treffpunkt zu etablieren, der für KameradschaftsVerfassungsschutzbericht Bayern 2013 97 Rechtsextremismus Beratungsangebot Die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) der BIGE berät betroffene Kommunen und Eigentümer. Auf dem Internetportal der BIGE sind zusätzliche Informationen abrufbar. www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de NET E' 7. Rechtsextremistische Parteien, Vereinigungen und Verlage 741 Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) Deutschland Bayern Mitglieder 5400 850 Vorsitzender Udo Pastörs Karl Richter Gründung 1964 1965 Sitz Berlin Bamberg Publikationen Deutsche Stimme Bayern Stimme "VolksgemeinDie NPD will die bestehende Ordnung durch eine 'Volksgemeinschaft" schaft" ersetzen. Aus Sicht der NPD stellt einzig eine ethnisch homogene 'Volksgemeinschaft" eine natürliche, dem wahren Wesen des Menschen entsprechende und damit annehmbare 98 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus staatliche und gesellschaftliche Ordnung dar. Sie strebt einen Gegenentwurf zur parlamentarischen Demokratie in Deutschland an. Die von der NPD vertretenen völkischen Grundideen bringen im Zusammenhang mit den verschiedensten politischen Themen oft ausländerfeindliche, antisemitische, rassistische - und in Bezug auf den historischen Nationalsozialismus verharmlosende und zustimmende - Positionen zum Ausdruck. Ihr angestrebtes Ziel der "Systemüberwindung"" und ihre Grundaussagen stehen damit inhaltlich im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. Das im Juni 2010 verabschiedete Parteiprogramm der NPD ist Ausgeprägter von einem ausgeprägten Nationalismus getragen und schreibt Nationalismus den Gedanken der "Volksgemeinschaft" in einer völkisch-kollektivistischen Auslegung fest. So heißt es im Parteiprogramm: "Volksherrschaft setzt die Volksgemeinschaft voraus. Der Staat nimmt dabei die Gesamtverantwortung für das Volksganze wahr und steht daher über Gruppeninteressen." und "Ein grundlegender politischer Wandel muß die sowohl kostspielige als auch menschenfeindliche Integrationspolitik beenden und auf die Erhaltung der deutschen Volkssubstanz abzielen. Integration ist gleichbedeutend mit Völkermord." Für die NPD resultiert die Würde des Einzelnen nicht aus dem freien Willen des Individuums, sondern ist von biologisch-genetischerTeilhabe an der '"Volksgemeinschaft"" abhängig. Da nur Deutsche völkischer Abstammung Teil der "Volksgemeinschaft" sein können, ist eine rassistisch und nationalistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit elementarer Bestandteil der Partei-Ideologie vom "lebensrichtigen Menschenbild? das sich insbesondere gegen "Fremdbestimmung" und "Überfremdung" wendet. Die NPD verfolgt nicht nur erkennbare rechtsextremistische Ziele. Strategie und Sie versucht auch, über bürgerliche Themen ihre rechtsextremisZusammenarbeit tischen Anschauungen zu verbreiten. So befasst sie sich unter dem Motto "Sozial geht nur national" verstärkt mit sozialpolitischen Themen. Damit will sich die NPD als soziale Protestpartei darstellen und die Ängste der Bevölkerung vor sozialen ReforVerfassungsschutzbericht Bayern 2013 99 Rechtsextremismus men, Arbeitslosigkeit und einer "multikulturellen Gesellschaft" schüren. Um dem Ziel der politischen Machtergreifung näher zu kommen, verfolgt die Partei ein auf vier "strategische Säulen" gestütztes Konzept. Diese Säulen bezeichnet sie schlagwortartig mit den Begriffen: "Kampf um die Köpfe" vvV "Kampf um die Straße" "Kampf um die Parlamente" "Kampf um den organisierten Willen" Der "Kampf um die Köpfe" bezeichnet die politisch-theoretische Arbeit. Die "völkisch-nationale Programmatik" soll weiterentwickelt und dem Bürger vermittelt werden. Im "Kampf um die Straße" soll einerseits durch zahlreiche öffentliche Veranstaltungen wie Aufmärsche und Demonstrationen Präsenz gezeigt und andererseits die Bevölkerung mobilisiert werden. Bei der dritten Säule, dem "Kampf um die Parlamente? geht es der NPD um Erfolge als politische Wahlpartei. Ziel ist die Gewinnung von Macht und Einfluss sowie die Gewährung finanzieller Zuwendungen. Mit dem "Kampf um den organisierten Willen" strebt die NPD eine Bündelung aller rechtsextremistischen Kräfte unter ihrer Führung an, ohne dabei programmatische Inhalte zu definieren. Im Grunde will die NPD im Rahmen einer Aktionseinheit als die zentrale und entscheidende Kraft des Rechtsextremismus wahrgenommen werden. Verbindungen Die NPDundihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten ins europäische unterhalten Verbindungen zu verschiedenen Rechtsextremisten Ausland im europäischen Ausland. Die NPD ist Mitglied der Europäischen Nationalen Front, einem europaweiten rechtsextremistischen Parteienbündnis, dem auch die griechische rechtsextremistische Partei Chrysi Avgi angehört. OrganisationsDie NPD gliedert sich in 16 Landesverbände, die wiederum in struktur Bezirksund Kreisverbände unterteilt sind. Ende 2010 fusionierte die NPD mit der Deutschen Volksunion (DVU) zur neuen Partei "NPD - Die Volksunion" Innerparteiliche Gegner der DVU, die gerichtlich gegen die Vereinigung vorgegangen waren, haben ihre Klage am 26. Mai 2012 zurückgezo100 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus gen. Insbesondere die Ergebnisse der Bundestagswahl und Landtagswahlen im Berichtsjahr zeigen, dass die Fusion nicht zur erhofften Stärkung der Partei beigetragen hat. Bis zu seinem Rücktritt im Dezember war Holger Apfel Bundesvorsitzender der NPD und zugleich Vorsitzender der NPDebene Fraktion im sächsischen Landtag. Als Stellvertreter fungierten Udo Pastörs (Vorsitzender der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern), Frank Schwerdt (Vorsitzender des NPD-Landesverbandes Thüringen) sowie Karl Richter (Vorsitzender des Landesverbands Bayern). Nach Apfels Rücktritt übernahm Udo Pastörs kommissarisch das Amt des Bundesvorsitzenden. Mehrere der 19 Personen des Bundesvorstands haben einen neonazistischen Hintergrund. Dessen ungeachtet versuchte Apfel, sich mit seinem Konzept der "seriösen Radikalität" in der Öffentlichkeit von der Neonazi-Szene zu distanzieren und die Außendarstellung der Partei zu modernisieren. Eine ideologische Kurskorrektur nahm er dabei nicht vor. In Bayern gliedert sich die NPD in sieben Bezirksund 33 KreisNPD in Bayern verbände. Landesvorsitzender ist Karl Richter, Münchner Stadtrat der NPD-Tarnliste Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA-München) und stellvertreBIA-München tender Bundesvorsitzender der NPD. Stellvertreter sind Sigrid Schüßler, Bundesvorsitzende der NPD-Frauenorganisation Ring Nationaler Frauen, und Sascha Roßmüller, ehemaliger Aktivist des 1993 verbotenen neonazistischen Nationalen Blocks. Richter ist seit vielen Jahren in der rechtsextremistischen Szene und seit 2004 in der NPD aktiv. Er war bis Dezember Chefredakteur der NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme" und ist Autor verschiedenerrechtsextremistischer Veröffentlichungen. Bei der Kommunalwahl 2008 zog er als Spitzenkandidat der NPDTarnliste BIA-München in den Münchner Stadtrat ein. Während der Vereidigung der Stadträte zeigte Richter den Hitlergruß und wurde deswegen im Jahr 2009 zu einer Geldstrafe verurteilt. Seit 2011 setzt Richter verstärkt auf die Zusammenarbeit mit neonazistischen Kameradschaften im Großraum München. DieVerfassungsschutzbericht Bayern 2013 101 Rechtsextremismus se unterstützen ihn beispielsweise bei Kundgebungen oder der Verteilung von Flugblättern. Bundestagswahl Bei der Bundestagswahl am 22. September trat die NPD in allen Bundesländern mit Landeslisten an und erzielte bundesweit einen Zweitstimmenanteil von 1,3% (2009: 1,5 %). Sie verlor damit gegenüber der Bundestagswahl 2009 erneut Stimmenanteile, übersprang jedoch die für die Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung bei der Bundestagswahl ausschlaggebende Hürde von 0,5 % der gültigen Stimmen. Der absolute Zweitstimmenanteil sank auf 560.828 Stimmen (2009: 635.525). Sowohl in den westdeutschen als auch in den ostdeutschen Bundesländern blieb die NPD mit durchschnittlich 1,0 % bzw. 2,7% der Stimmen leicht unterhalb der Stimmenanteile von 2009 (1,1 % bzw. 3,1 %). Den größten Wählerzuspruch konnte die Partei in Sachsen (3,3 %) und Thüringen (3,2 %) erzielen. In Bayern erhielt die Partei 0,9 % bzw. 59.721 der Erststimmen (2009: 1,7 % / 111.662) sowie 0,9 % bzw. 56.737 der Zweitstimmen (2009: 1,3 % / 87.591). Zweitstimmen in den bayerischen Regierungsbezirken: 2013 2008 Oberbayern 0,5% 11.383 0,9% 19.436 Niederbayern 1,1% 6.731 1,8% 10.486 Oberpfalz 1,1% 6.480 1,9% 11.227 Oberfranken 1,3 % 7.822 1,8% 10.876 Mittelfranken 1,0% 8.768 1,5% 13.969 Unterfranken 1,0% 7.251 1,2% 8.945 Schwaben 0,9% 8.302 1,4% 12.652 Zur Bundestagswahl war die NPD mit insgesamt 130 Listenund 258 Direktkandidaten angetreten. Elf Wahlkreise in Bayern blieben unbesettzt. WahlDie bundesweite Wahlkampagne der NPD stützte sich themaKundgebungen tisch auf die Ende 2011 initiierte Anti-Euro-Kampagne und die Agitation gegen Asylbewerber. In der Schlussphase des Bundes102 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus tagswahlkampfs führte die Partei unter dem Motto "AsylIflut und Eurowahn stoppen - NPD in den Bundestag" vom 12. August bis 21. September eine "Deutschlandfahrt" mit Kundgebungen in rund 100 Städten durch, darunter 20 in Bayern. Bei den Wahlen zum 17. Bayerischen Landtag am 15. September Landtagswahl halbierte sich der Gesamtstimmenanteil im Vergleich zur letzten Bayern Landtagswahl von 1,2 % auf 0,6 %. Die Partei blieb damit unter der für die staatliche Parteienfinanzierung bei Landtagswahlen wichtigen 1 %-Hürde. Die ohnehin angespannte Finanzlage des Landesverbandes hat sich dadurch weiter verschärft. Gesamtstimmen in den bayerischen Regierungsbezirken: 2013 2009 Oberbayern - - - - Niederbayern 1,3% 14.316 1,7% 16.294 Oberpfalz 1,2% 12.632 1,7% 16.171 Oberfranken 1,3% 14.195 1,7% 16.107 Mittelfranken 1,1% 17.249 1,4% 20.033 Unterfranken - - - - Schwaben 1,0% 16.456 1,1% 15.796 Die NPD konnte in Bayern nur in fünf der sieben Regierungsbezirke antreten. In Oberbayern und Unterfranken hatte sie die notwendigen Uhnterstützungsunterschriften nicht erreicht. Der NPD-Landesvorsitzende Karl Richter verzichtete aufgrund der gescheiterten Wahlteilnahme in Oberbayern auf eine Kandidatur. Als Spitzenkandidatin trat die stellvertretende Landesvorsitzende Sigrid Schüßler an. Im Rahmen einer sogenannten "Bayerntour" vom 15. bis 19. Juli und mehreren Regionaltouren versuchten Sigrid Schüßler und weitere NPD-Aktivisten, Wähler für die NPD zu gewinnen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 103 Rechtsextremismus Niederlage der Für die Bayern-NPD um den Landesvorsitzenden Richter war das Bayern-NPD Wahlergebnis eine herbe Niederlage. Die Partei kämpft schon seit Längerem mit einem anhaltenden Mitgliederschwund und einer desolaten Finanzsituation. Der Wahlkampf war für die Partei ein finanzieller Kraftakt. Die fehlende Wahlkampfkostenerstattung könnte deshalb existenzielle Folgen für die Partei haben. Bei den weiteren Landtagswahlen im Jahr 2013 erhielt die NPD in Niedersachsen 0,8 % und Hessen 1,1 % der Stimmen. Ausblick auf die Nach dem schwachen Abschneiden bei den Bundestagsund Wahlen 2014 Landtagswahlen 2013 richten sich die Wahlkampfplanungen der NPD vor allem auf die 2014 stattfindende Europawahl. Die NPD erhofft sich durch den Wegfall der 5 %-Hürde den Einzug in das Europäische Parlament. Für die Kommunalwahlen in Bayern gab der NPD-Landesvorstand die Verteidigung der Stadtratsmandate in München und Nürnberg als Ziel aus. Die Partei wollte sich hierzu im Freistaat verstärkt als "Kümmererpartei" mit regionaler und kommunaler Präsenz profilieren. Nach dem Amtsantritt Holger Apfels als Bundesvorsitzender im November 2011 gab es in der Partei Differenzen um dessen Kurs der "seriösen Radikalität; der eine Distanzierung von der Neonaziszene in der Öffentlichkeit beinhaltete. Dies führte auch in Bayern zu Parteiaustritten. Innerparteiliche Aufgrund der innerparteilichen Differenzen gründeten sich bunDifferenzen desweit vermehrt auflokaler Ebene so genannte "Freundeskreise Udo Voigt! Diese wollen den ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Voigt "in seiner politischen Arbeit zum Zusammenschluss aller patriotischen Kräfte in Deutschland unterstützen" Unter seiner Führung öffnete sich die Partei gegenüber Neonazis. Mit den Freundeskreisen sollen die Kräfte in und außerhalb der NPD gebündelt werden, die sich gegen den Kurs der "seriösen Radikalität" des damaligen Bundesvorsitzenden Holger Apfel positioniert hatten. 104 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Ende Dezember legte Holger Apfel seine Ämter als Bundesvorsitzender der NPD und Vorsitzender der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag nieder und trat aus der Partei aus. Er führte in seiner offiziellen Rücktrittserklärung aus, er fühle sich "ausgebrannt" und durch innerparteiliche Grabenkämpfe belastet. Udo Pastörs übernahm im Dezember kommissarisch den Parteivorsitz und wurde im Januar 2014 durch den Bundesvorstand Udo Pastörs in diesem Amt bestätigt. Neben Pastörs signalisierten auch Udo Voigt und der bayerische Landesvorsitzende Karl Richter Interesse am Parteivorsitz. Richter selbst sah sich zuletzt aufgrund des schlechten Abschneidens der NPD bei den Landtags-, Bezirkstagsund Bundestagswahlen in Bayern massiver innerparteilicher Kritik ausgesetzt. Dies hatte auch Auswirkungen auf Richters Pläne für eine Spitzenkandidatur bei der Europawahl. Es ist davon auszugehen, dass die neue Parteiführung die erneute Annäherung zur neonazistischen Szene sucht. Pastörs wird in der Neonazi-Szene als Integrationsfigur und Verfechter des Volksfrontgedankens gesehen. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2012 hat der Bundesrat entschieden, gegen die NPD ein Parteiverbotsverfahren zu fahren beantragen. Bayern beteiligte sich mit zwei Vertretern an der länderoffenen Arbeitsgruppe, die die Erarbeitung des Verbotsantrages begleitete. Am 3. Dezember reichte der Bundesrat durch die prozessbevollmächtigten Professoren Dr. Möllers und Dr. Waldhoff den Antrag auf Feststellung derVerfassungswidrigkeit der NPD gemäß Art. 21 Absatz 2 Grundgesetz beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Die Klageschrift arbeitet die rassistische, antisemitische und nationalsozialistische Ideologie der NPD heraus, die eine Wesensverwandtschaft der NPD zur NSDAP erkennen lässt. Das aggressive, aktiv-kämpferische Auftreten der NPD zielt darauf ab, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, das demokratische System zu untergraben und auf revolutionärem Wege durch eine völkische Ordnung zu ersetzen. Diese aggressive Grundhaltung der NPD wird auch durch eine Vielzahl von Strafund Gewalttaten ihrer führenden Vertreter belegt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 105 Rechtsextremismus Junge Nationaldemokraten (JN) Deutschland Bayern Mitglieder 350 30 Vorsitzender Andy Knape derzeit keine Führungsstruktur auf Landesebene Gründung 1969 Sitz Halberstadt/ Sachsen-Anhalt Die Jugendorganisation der NPD war in der Vergangenheit bestrebt, ein gegenüber der Mutterpartei eigenständiges Profil zu entwickeln. Dazu hat sie sich als "sozialrevolutionäre[r] Flügel innerhalb der NPD" dargestellt. Während sich die NPD als parlamentarischer Arm der "nationalen Opposition" versteht, sehen die JN ihren Schwerpunkt im "vorpolitischen Raum" und in der Bindegliedfunktion zur Neonazi-Szene. Die JN haben mit den Stützpunkten Franken/Oberpfalz sowie Oberfranken wieder Strukturen in Bayern geschaffen. Nachdem der Neonazi Matthias Fischer im November 2008 sein Amt als Landesvorsitzender der JN aufgegeben und sich aus der Parteiarbeit zurückgezogen hatte, waren die JN in Bayern vorübergehend nicht mehr aktiv. Der JN-Bundesverband verschickte im September mit Unterstützung der NPD bundesweit Schreiben an Politiker und Vertreter von Migrantenverbänden, denen Kondome beigelegt waren. Den Empfängern sollte dadurch signalisiert werden, sich nicht fortzupflanzen. Die Botschaft weist Parallelen zur Politik der Rassenhygiene im Nationalsozialismus auf. Mitte September erhielten auch einige Aschaffenburger Stadträte entsprechende Schreiben des NPD-Kreisverbandes Aschaffenburg/Miltenberg. . SLANDER FE ETHa nLAAL 1 UND AT Fe sinn DEUTSCHE 106 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Ring Nationaler Frauen (RNF) Deutschland Bayern Mitglieder 150 Frauen für Deutschland Vorsitzender Sigrid Schüßler Julia Lederer Gründung 2006 2013 Sitz Egeln/ Forchheim Sachsen-Anhalt i. Oberfranken Der RNF ist eine Unterorganisation der NPD und versteht sich als Sprachrohr und Ansprechpartner für "nationale" Frauen. Das vom RNF vertretene, konsequent völkisch geprägte Weltbild, kommt im RNF-Propagandamaterial zum Ausdruck. "Frauen spüren heutzutage, daß Deutschland in großer Gefahr ist, daß unsere Kultur durch die multikulturellen Wahnfantasien der etablierten Parteien unterzugehen droht, und daß wir als Deutsche zu einem alternden schwachen Volk werden. (...) Da wir uns heute als Deutsche in einer großen Gefahr befinden, werden Frauen mehr gebraucht denn je, um das Überleben zu retten." (Homepage der RNF, Basisflugblatt "Frauen für Deutschland", 4. 7. 2011) Vertreterinnen des RNF nahmen wiederholt an Demonstrationen der NPD teil oder organisierten Infostände auf Parteiveranstaltungen. Die Bundesvorsitzende Sigrid Schüßler ist zugleich stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Bayern. Am 11. Mai fand die Jahreshauptversammlung des Bundesverbandes in Geiselwind, Landkreis Kitzingen, statt. Im Rahmen der Veranstaltung wurde ein eigener bayerischer Landesverband gegründet. Julia Lederer wurde zur Landesvorsitzenden gewählt. Der bayerische NPD-Landesvorsitzende Karl Richter nahm als Gastredner ander Veranstaltung teil. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 107 Rechtsextremismus 7.2 Partei Die Rechte Deutschland Bayern DIE RECHTE Mitglieder 150 - Vorsitzender Christian Worch Derzeit keine Führungsstruktur Gründung 2012 - Sitz Parchim - {MecklenburgVorpommern) Die Gründung der Partei im Mai 2012 geht auf die Initiative des langjährigen Neonazis Christian Worch sowie ehemaliger Funktionäre der im Jahr 2012 mit der NPD fusionierten Deutschen Volksunion (DVU) zurück. Das Parteiprogramm lehnt sich an das der DVU an und enthält unter anderem die Forderung nach einer Korrektur der "Abtrennung der deutschen Gebiete Östlich von Oder und Neiße" Die Rechte ist neonazistisch ausgerichtet, ein Großteil der Mitglieder - auch in Führungspositionen - stammt aus der Neonazi-Szene. Als Reaktion aufVerbote neonazistischer Kameradschaften in Nordrhein-Westfalen hatte sich die Partei im Sommer 2012 für die Aktivisten dieses Spektrums geöffnet. Strategisches Ziel Als "erstes strategisches Ziel" nannte Christian Worch die TeilEuropawahl nahme an der Europawahl im Jahr 2014. Mittlerweile ist die Partei in acht Bundesländern vertreten. Landesverbände gibt es in Hessen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. In Bayern sind bislang keine Strukturen und Aktivitäten der Partei bekannt geworden. Die rechtsextremistische Partei trat bei der Bundestagswahl mit einer Landesliste in Nordrhein-Westfahlen an und erhielt insgesamt 2.245 Zweitstimmen. 108 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus 7.3 Partei Der Dritte Weg Am 28. September gründeten Rechtsextremisten in Heidelberg die Partei Der Dritte Weg. Ideologisch vertritt die Partei einen strikten Rechtsextremismus, der stark neonazistisch geprägt ist. Das an nationalrevolutionäre Ideologieelemente anknüpfende Programm fordert u.a. die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz desVolkes und die Schaffung eines Deutschen Sozialismus. Es greift dabei auf Elemente des 25-PunkteProgramms der NSDAP zurück. Vorsitzender der Partei ist der rheinland-pfälzische Rechtsextremist und frühere NPD-Funktionär Klaus Armstroff. Die Partei gliedert sich in die Gebietsverbände Süd, West, Nord und Mitte. Der Gebietsverband Süd besteht aus den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg. Mittlerweile sind zahlreiche Aktivisten aus der Führungsriege des Freien Netz Süd (FNS) der Partei beigetreten. Bei der rechtsextremistischen Demonstration zum sogenannten Heldengedenken am 16. November inWunsiedel traten Aktivisten des FNS mit einem Transparent der Partei auf. Am 29. November fand in München eine Informationsveranstaltung statt, die von 30 Rechtsextremisten besucht wurde. Ein Aktivist der Partei stellte dabei die Strukturen und Ziele der Partei Der Dritte Weg vor. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 109 Rechtsextremismus 7.4 Bürgerinitiativen Bürgerinitiative Ausländerstopp Nürnberg (BIA-Nürnberg) Größe etwa 5 Personen u. Gründung bzw. Juli 2001 nm Nürnberg) erstmalige Aktivität Aktionsraum Nünberg Maßgebliche Ralf Ollert, Funktionäre Sebastian Schmaus Tarnorganisation Die BIA-Nürnberg ist eine rechtsextremistische Tarnorganisader NPD tion der NPD. In den Jahren 2002 und 2008 ermöglichte sie Mitgliedern und Sympathisanten der NPD, unter einem unverfänglichen Namen bei den Kommunalwahlen anzutreten. Neben Ralf Ollert, ehemaliger Vorsitzender des NPD-Landesverbands Bayern, wurde für die BIA-Nürnberg im Jahr 2008 auch Sebastian Schmaus in den Stadtrat gewählt. Er war Anhänger der seit 2004 verbotenen Fränkischen Aktionsfront und ist aktuell im neonazistischen Netzwerk Freies Netz Süd (FNS) aktiv. Ausländerund Die BIA ist ausländerund islamfeindlich ausgerichtet, dies Islamfeindlich bringt sie insbesondere in Publikationen und entsprechenden Anträgen und Anfragen im Stadtrat zum Ausdruck. So wurde im Mai auf der Homepage der BIA-Nürnberg ein Flugblatt eingestellt, in dem mit fremdenfeindlichen Stereotypen gegen die Einrichtung eines Asylbewerberheims im Nürnberger Stadtteil Hasenbuck agitiert wird. Bürgerinitiative Ausländerstopp München (BIA-München) Größe etwa 30 Personen Gründung bzw. September 2007 erstmalige Aktivität Aktionsraum München Maßgebliche Karl Richter, Roland Wuttke, Funktionäre Vanessa Becker Die NPD-Tarnliste BIA-München ist seit 2008 durch Karl Richter im Stadtrat vertreten. Er ist Vorsitzender der BIA-München sowie 110 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus seit November 2012 auch Landesvorsitzender der NPD. Stellvertretende Vorsitzende der BIA-München sind Roland Wuttke und Vanessa Becker. Wuttke war bis Anfang 2012 Vorsitzender des NPD-Bezirksverbandes Oberbayern, Vanessa Becker ist Aktivistin der neonazistischen Kameradschaft München. Die BIA-München arbeitet eng mit der Neonazi-Szene in München zusammen. Gemeinsam wurden in der Vergangenheit bereits verschiedene Veranstaltungen und Kundgebungen organisiert und durchgeführt. Die Zusammenarbeit beider Lager im Raum München hat sich in der BIA-Vorstandschaft institutionalisiert, die sich aus NPD-Funktionären und Neonazis zusammensetzt. Ziel dieser Kooperation war es, bei der Kommunalwahl am 16. März 2014 den Stadtratssitz von Karl Richter zu behaupten und darüber hinaus weitere Sitze zu erhalten. Bürgerinitiative Ausländerstopp Augsburg (BIA-Augsburg) Größe Funktionärsgruppe Gründung bzw. 2009 erstmalige Aktivität Aktionsraum Augsburg Maßgebliche Roland Wuttke Augsburg Funktionäre Die BIA-Augsburg wird von dem NPD-Funktionär Roland Wuttke geleitet. Nachdem die Organisation mehrere Jahre nicht mit Ööffentlichkeitswirksamen Aktionen in Erscheinung trat, wurde sie am 17. November im Rahmen einer Versammlung in Augsburg reaktiviert. Dabei wurde die Kandidatenliste für die Wahl des Augsburger Stadtrates am 16. März 2014 aufgestellt. Als Kandidaten wurden sowohl Vertreter der NPD als auch der neonazistischen Szene nominiert. Bürgerinitiative Soziales Fürth (BiSF) e.V. Größe etwa 20 Personen Gründung bzw. 2009 erstmalige Aktivität Aktionsraum Fürth Bürgerinitiative Soziales Fürth Maßgebliche Sebastian Schmaus, Funktionäre Matthias Fischer Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 111 Rechtsextremismus Die BiSF ist dem neonazistischen Netzwerk Freies Netz Süd zuzurechnen. Durch die Bezeichnung als "Bürgerinitiative" wollen sich die Neonazis als bürgernahe und wählbare politische Alternative präsentieren. Die BiSF verfolgte das Ziel, im Jahr 2014 an der Kommunalwahl teilzunehmen. Hierzu betrieb sie eine offensive Öffentlichkeitsarbeit mit einer optisch unverfänglich gestalteten Internetseite, einem Facebook-Auftritt sowie Flugblättern und Aufklebern. Die BiSF agitiert insbesondere gegen Migranten und warnt beispielsweise vor angeblicher Überfremdung und Ausländergewalt. Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz e.V. (BiSAO) Größe etwa 25 Personen Gründung bzw. 2012 Bürgerinitiative erstmalige Aktivität Soziale Alternative PpJalz Aktionsraum Oberpfalz Maßgebliche Daniel Weigl, Robin Siener, Funktionäre Simon Preisinger Angehörige der Oberpfälzer Neonazi-Szene gründeten am 20.Mai 2012 in Schwandorf die BiSAO mit dem Ziel, auf kommunaler Ebene mehr Einfluss zu gewinnen. Die Gründungsmitglieder sind ehemalige Funktionäre des NPD-Bezirksverbandes Oberpfalz, die wegen des Kurses des ehemaligen NPD-Bundesvorstands um Holger Apfel ihre Parteiämter niederlegten und aus der NPD austraten. Die Bürgerinitiative verfolgt die Strategie, mit kommunalpolitischen Themen auf sich aufmerksam zu machen und sich als wählbare Alternative zu präsentieren. Dabei greift sie vor allem Themen wie Zeitarbeit, Wohnungsnot oder Grenzkriminalität auf. Am 2. November referierte auf Einladung der BiSAO der Schweizer Rechtsextremist Philippe Eglin in Regensburg. Ein Aktivist der Europäischen Aktion (EA) stellte am 8. Dezember in Regensburg die Ziele seiner Organisation vor. In der EA sammeln sich europäische Holocaust-Leugner. Sie agitieren gegen Strafrechtsnormen, die die Verbreitung rechtsextremistischer Hasspropaganda sanktionieren. 112 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus 7.5 _ _Rechtsextremistische Verlage Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ) Der 1958 gegründete DSZ-Verlag mit Sitz in München war über einen langen Zeitraum das bedeutendste rechtsextremistische Propagandainstrument in Deutschland. Inhaber des DSZ-Verlags und Herausgeber der in diesem Verlag wöchentlich erscheinenden National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung (NZ) war der am 19. Februar verstorbene Dr. Gerhard Frey. Die NZ war bis zu Freys Rückzug aus der Deutschen Volksunion (DVU) und der Fusion der DVU mit der NPD Sprachrohr der DVU. Die NZ verbreitet fremdenfeindliche, nationalistische und revisionistische Argumentationsmuster. VGB-Verlagsgesellschaft Berg GmbH Die Verlagsgesellschaft mit Sitz in Gilching, Landkreis Starnberg, besteht seit 1991. In ihr sind die ehemaligen eigenständigen Verlage Druffel, Türmer und Vowinckel aufgegangen. Sie ist einer der größten organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Verlage in Deutschland. Das Verlagsprogramm umfasst Schriften mit revisionistischen sowie militärhistorischen Inhalten, beispielsweise die Zeitschrift "Deutsche Geschichte" oder das Jahrbuch "Deutsche Annalen" 7.6 _ Sonstige rechtsextremistische Organisationen Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GfP) Die GfP wurde 1960 von ehemaligen SS-Offizieren und NSDAP-Funktionären gegründet. Sie ist die mitgliederstärkste rechtsextremistische Kulturvereinigung, ihr gehören vor allem Verleger, Redakteure, Schriftsteller und Buchhändler an. Die GfP, die ihren Sitz in München hat, stellt drei Themen in den MittelGrP punkt ihrer Aktivitäten: die Relativierung der Kriegsschuld, die Gesellschaft für "Ausländerfrage" und die Meinungsfreiheit für die "nationale freie Publizistik Publizistik?Sie unterhält Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen sowie zu organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Verlagen und Vertriebsdiensten. Von der GfP veranstaltete Kongresse dienen dazu, Personen aus dem rechtsVerfassungsschutzbericht Bayern 2013 113 Rechtsextremismus extremistischen Spektrum zusammenzuführen und den organisationsübergreifenden Zusammenhalt zu stärken. Aktivitas der Burschenschaft Danubia München Die Burschenschaft Danubia hat ihren Sitz in München. In der etwa zehn Personen umfassenden Aktivitas (= studierende Mitglieder) der Burschenschaft engagieren sich einzelne Personen, die Beziehungen zur rechtsextremistischen Szene unterhalten oder in der Vergangenheit unterhalten haben. Bei Veranstaltungen der Aktivitas treten seit Jahren auch Referenten aus dem rechtsextremistischen Bereich auf. Die Aktivitas der Burschenschaft Danubia agiert revisionistisch und propagiert einen übersteigerten Nationalismus im völkischen Sinne. Diese rechtsextremistische Ausrichtung und Zielsetzung wird von der Aktivitas bestritten. Das von ihr eingeleitete Gerichtsverfahren gegen die Berichterstattung in früheren Verfassungsschutzberichten hat das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 21. August 2012 eingestellt, da die Burschenschaft kein Interesse mehr an der Weiterverfolgung des Verfahrens zeigte. "Bogenhausener Die Aktivitas der Burschenschaft Danubia ist seit Jahren maßGespräche" geblich an der Durchführung der in regelmäßigen Abständen stattfindenden "Bogenhausener Gespräche" beteiligt. Die "30. Bogenhausener Gespräche" waren für den 17.-19. Januar 2014 zum Thema "Demokratieverlust und EU-Diktatur in Deutschland" im Haus der Danubia angekündigt. Europäische Aktion (EA) Die EA ist eine seit 2010 schwerpunktmäßig in Deutschland aktive rechtsextremistische Organisation, die versucht, im europäischen Raum ein antisemitisch-rassistisches Netzwerk aufzubauen. Offizieller Sitz der EA ist das sogenannte Zentralsekretariat in der Schweiz. Vorsitzender ist der Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub, Gründungsvorsitzender des 2008 verbotenen 'Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV). Als Landesleiter für Deutschland tritt der frühere NPD-Mandatsträger und Publizist Rigolf Hennig auf. 2012 wurde ein EA-Stützpunkt München/Oberbayern gegründet. Vorgebliches Ziel der EA ist die Bildung einer gesamteuropä114 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus ischen "Freiheitsbewegung' Tatsächlich haben sich in der EA europäische Holocaust-Leugner gesammelt, deren Ziel es ist, an einem "lag X" alle "Fremdund Gemischtrassigen"" sowie deren Partner ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit und erworbene Rechtspositionen aus dem "Deutschen Reich" zu entfernen. Eine Rednerveranstaltung der EA fand am 26. Oktober im rechtsextremtischen Szeneobjekt in Regnitzlosau statt. Am 8. Dezember referierte ein EA-Aktivist vor Mitgliedern der Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz e.V. (BiSAO) in Regensburg. Darüber hinaus führte die EA München/OÖberbayern öffentliche Flugblattaktionen durch, bei denen die EA-Zeitung "Europa ruft!" verteilt wurde. Midgard e.V. Rechtsextremisten setzen seit geraumer Zeit vermehrt auf gesellschaftspolitischeThemen; dazu zählen auch Umwelt und Naturschutz. In Bayern hat sich im Jahr 2006 innerhalb der Szene der rechtsextremistische Umweltverein Midgard e.V. mit Sitz in Landshut etabliert. Dem Vorstand des Vereins gehören überwiegend Rechtsextremisten an, die zumTeil in der NPD aktiv waren oder sind. Der Vorsitzende führte in der Vergangenheit den NPD Bezirksverband Niederbayern. Die von Midgard e.V. herausgegebene Publikation "Umwelt & Aktiv" verbindet ökologische Themen mit typischen rechtsextremistischen Argumentationsmustern wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Diffamierung des politischen Systems oder der Forderung nacheiner Volksgemeinschaft. Die in den Ausgaben von "Umwelt & Aktiv" behandelten Themen "Umwelt, Naturund Tierschutz" stoßen in der rechtsextremistischen Szene zunehmend auf Interesse. Verschiedene Internetportale der neonazistischen Szene berichten mittlerweile über die Publikation. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 115 Rechtsextremismus 8. Neonazismus und Kameradschaften Offenes BekenntDer Neonazismus ist eine besonders menschenverachtende Ernis zum Nationalscheinungsform des Rechtsextremismus: Er umfasst alle Aktivsozialismus itäten und Bestrebungen, die sich offen zur Ideologie des Nationalsozialismus bekennen. Ziel der Neonazis ist die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären bzw. totalitären Staates. Neonazis betreiben revisionistische Vergangenheitsverfälschung, indem sie die Geschichtsschreibung über die Zeit des Dritten Reichs ändern wollen und die Gewaltherrschaft des nationalsozialistischen Regimes rechtfertigen oder verharmlosen. In Bayern sind wie in den Vorjahren rund 700 Personen der Neonazi-Szene zuzuordnen. "Moderne" Neonazis thematisieren aktuelle sozialoder gesellschaftspolitische Fragen und liefern vermeintlich einfache Antworten. Bei Demonstrationen greifen sie tagespolitische Themen auf und fordern beispielsweise die "Todesstrafe für Kindermörder" oder "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche' Ihre Thesen stützen Neonazis auf rassistische und antisemitische Argumentationsmuster. Überregional tätige Um die Behörden im Hinblick auf Veranstaltungsanmeldungen Netzwerke oder eventuelle Verbotsüberlegungen zu täuschen, schließen sich Neonazis in informellen Gruppen zusammen, die weitgehend ohne feste Strukturen auskommen. Zu beobachten ist eine Zusammenarbeit dieser informellen Gruppen in überregional tätigen Netzwerken. Die Vernetzung erfolgt heute weitgehend über moderne Kommunikationsmittel wie das Internet. Innerhalb der bayerischen Szene spielt das neonazistische Netzwerk Freies Netz Süd (FNS) die bedeutendste Rolle. Vereinsrechtliche Maßnahme gegen das FNS Durchsuchungen Am 10. Juli fand die bislang größte vereinsrechtliche Maßnahme gegen Rechtsextremisten in Bayern statt. Landesweit wurden 73 Objekte von Mitgliedern des FNS durchsucht, darunter Wohnungen, Arbeitsstätten und Postfächer. Bei den Betroffenen handelte es sich um führende Mitglieder des FNS, Führungskader ihm zurechenbarer Kameradschaften und weitere heraus116 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Neonazis in Bayern 2013 (rund 700 Personen) Fränkischer Freie Nationalisten Heimatschutz Coburg Hof Aktionsgruppe . Aktionsbündnis Bayreuth Nordoberpfalz Bamberg (r) Bayreuth Würzburg ; 1 -Neonazikreis um : Widerstand k Kameradschaft Matthias Fischer " Schwandorf Main-Spessart -- Bürgerinitiative Soziales Fürth Bund . Frankenland e.V. Nürnberg ", Widerstand | Regensburg-Cham Divisinfranken Oo ee" Kameradschaft Be Weißenburg @(r) Regensburg Kameradschaft Altmühltal Ingolstadt Aktionsbund " Freising 'Landshut et '@ Passau eeeneeenonanunnunnett"" "ernenanuenet Augsbur Neu-Ulm 9 9 Kameradschaft München Infoportal " Schwaben München : Aktionsbündnis Oberbayern Kempten Neonazis in den Regionen: Oberbayern: 150 Teil des Freien Netz Süd Niederbayern: 80 Neonazistische Netzwerke innerhalb des Freien Netz Süd Oberpfalz: 130 1) Nationales Bündnis Oberpfalz Oberfranken: 70 2) Nationales Bündnis Niederbayern Mittelfranken: 140 3) Aktionsbündnis Oberbayern Unterfranken: 70 Schwaben: 60 Sonstige Neonazistische Gruppierungen Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 117 gehobene rechtsextremistische Aktivisten. Diese stehen über das Netzwerk FNS in Kontakt und nutzen dieses als Plattform für rechtsextremistische Propaganda und zur Koordination rechtsextremistischer Großveranstaltungen. "Fränkische Die Durchsuchungen erfolgten im Rahmen eines vereinsrechtliAktionsfront" chen Ermittlungsverfahrens des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr gegen das FNS. Gegenstand dieses Verfahrens ist es, zu prüfen, ob das FNS die verfassungswidrigen Bestrebungen der Anfang 2004 verbotenen "Fränkischen Aktionsfront" (RA.F) an deren Stelle als Ersatzorganisation fortführt. Die Durchsuchungen fanden in allen bayerischen Regierungsbezirken statt. An der Aktion waren rund 700 Polizeibeamte beteiligt. Bei den Durchsuchungsmaßnahmen konnte umfangreiches Beweismaterial sichergestellt werden, neben Propagandamaterial insbesondere eine große Zahl an elektronischen Datenträgern, darunter 77 PCs, 51 externe Festplatten, 86 USB-Sticks, 45 Speicherkarten, 138 Handys sowie 4.000 CDs und DVDs. Das Bruttodatenvolumen beträgt ca. 130 Terabyte. Vereinzelt wurden auch Waffen beschlagnahmt. Auflösung der Kameradschaft Jagdstaffel D.S.T. Selbstauflösung Die Staatsanwaltschaft München führte gegen 16 Mitglieder der Jagdstaffel D.S.T. bis August ein Ermittlungsverfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im Mai 2012 wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens insgesamt 31 Objekte in München und Oberbayern durchsucht. Im Juli 2012 erklärte die Kameradschaft ihre Selbstauflösung. Ihre ehemaligen Mitglieder traten im Folgenden nicht mehr gemeinsam auf. Allerdings pflegen sie teils nach wie vor Kontakte und haben sich teils anderen Kameradschaften angeschlossen. Die neonazistische Gruppierung "Jagdstaffel D.S.T." war Ende 2009 anlässlich einer 118 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Silvesterfeier im Raum Geretsried entstanden. Sie rekrutierte sich aus der rechtsextremistischen Skinhead-Szene Geretsried/ Wolfratshausen und München. Erneute Haftstrafe für Martin Wiese Das Landgericht Würzburg verurteilte den Neonazi Martin Wiese Neonazi am 25. September im Rahmen des Berufungsverfahrens zu Martin Wiese einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 37-Jährige am 13. August 2011 währendeiner Veranstaltung der rechtsextremistischen Szene in Unterfranken Journalisten bedroht und verfassungsfeindliche Symbole verwendet hatte. Wiese war erstinstanzlich am 9. Mai 2012 vom Amtsgericht Gemünden am Main wegen Volksverhetzung, Bedrohung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Gegen das Urteil hatte Wiese Berufung eingelegt. Das Landgericht Würzburg verringerte im Berufungsurteil das Strafmaß, setzte aber die Haftstrafe erneut nicht zur Bewährung aus. Sowohl die Staatsanwaltschaft Würzburg als auch der Anwalt des Rechtsextremisten haben gegen das Urteil des Landgerichts Revision eingelegt. Wiese war bereits im Jahr 2005 vom Bayerischen Obersten Landesgericht in München u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. 81 Freies Netz Süd (FNS) angeschlossene Gruppen rund 20 Aktivisten 100-150 Personen Mobilisierungspotenzial etwa 300 Personen Gründung bzw. 2008 erstmalige Aktivität Aktionsraum Bayern Maßgebliche Aktivisten Matthias Fischer, Norman Kempken Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 119 Rechtsextremismus Das FNS entstand im Jahr 2008, nachdem zahlreiche Neonazis aus der NPD ausgetreten waren. Es ist das größte kameradschaftsübergreifende Netzwerk von Neonazis in Bayern. Ihm sind auch drei regionale Netzwerke zuzuordnen: " Nationales Bündnis Niederbayern " Nationales Bündnis Oberpfalz " Aktionsbündnis Oberbayern Vernetzung Ziel des FNS ist die Vernetzung der gesamten bayerischen Neobayerischer nazi-Szene. Aktionsschwerpunkte sind Franken, die Oberpfalz Neonazis sowieTeile Niederund Oberbayerns. Das FNS ermöglicht und fördert insbesondere gemeinsame Aktionen der ihm zurechenbaren Personen und Kameradschaften. Diese vermeiden jedoch zum Teil bewusst, nach außen als FNS aufzutreten. Beispielsweise agieren bei Demonstrationen regelmäßig wechselnde Personen oder Gruppierungen als Veranstalter. ARM TROTZ ARBEIT. << Das FNS betreibt eine eigene Homepage, die als Mobilisieall rungsplattform und Informationsportal -- auch für Veranstaltungen außerhalb Bayerns - genutzt wird. Beispielsweise konnten über die Homepage rund 350 Rechtsextremisten für eine Demonstration am 1. Mai in Würzburg mobilisiert werden. Auf der Demonstration unter dem Motto "Arm trotz Arbeit - Kapitalismus zerschlagen" sprachen neben Matthias Fischer und dem NPD-Funktionär Uwe Meenen auch Rechtsextremisten aus Tschechien und der Schweiz. Das FNS versucht in der Außendarstellung Organisationsstrukturen zu verschleiern. Explizit wird auf die Eigenständigkeit der einzelnen Kameradschaften verwiesen. Gemeinsame Kampagnen und Aktionen zeigen aber, dass das Netzwerk mehr als nur eine Informationsund Koordinationsplattform ist. Im FNS existieren Strukturen, die gemeinsame Aktionen nicht nur ermöglichen und fördern, sondern teils unmittelbar organisieren. Auch sind informelle Hierarchieebenen und eine gewisse Aufgabenverteilung unter den führenden Aktivisten festzustellen. Distanzierung zur Im Frühjahr 2012 gaben zahlreiche neonazistisch orientierte NPD NPD-Funktionäre ihren Parteiaustritt bekannt, darunter bekannte FNS-Aktivisten. Auslöser für die Parteiaustritte war die vom 120 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus damals neu gewählten NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel propagierte "seriöse Radikalität! Die daraus resultierende Distanzierung der Partei zur Neonazi-Szene vertiefte die bestehenden Spannungen zwischen der NPD und den neonazistischen Kräften in Bayern. Dem ehemaligen bayerischen NPD-Landesvorsitzenden Ralf Ollert warfen bayerische Neonazi-Kader "ständige Diffamierungsversuche in der Systempresse" und eine Darstellung des FNS als "quasi kriminelle Vereinigung" vor. Mit Karl Richter wurde am 24. November 2012 eine der Integrationsfiguren der gesamten rechtsextremistischen Szene in Bayern zum neuen Landesvorsitzenden der NPD gewählt, der anders als sein Vorgänger Ollert einen pragmatischen Ausgleich zwischen NPD und Neonazis sucht. Es gibt einzelne Kontakte von Anhängern des FNS zu Verbänden und Funktionären von NPD und JN. Eine grundsätzliche Annäherung zwischen NPD und Neonazis blieb bislang allerdings aus, da sich der von den Neonazis erhoffte Richtungswechsel unter Richter nicht einstellte. In der Konsequenz gab es im Wahljahr 2013 aus der NeonaziSzene keine breite Unterstützung für den NPD-Wahlkampf. Im Zusammenhang mit der Einrichtung neuer Asylbewerberunterkünfte versuchen Aktivisten des FNS, in der Bevölkerung Ängste vor einer angeblichen Überfremdung oder Bedrohung durch kriminelle Flüchtlinge zu schüren. Mit vermeintlich einfachen Antworten auf die "Asylproblematik" versuchen sie, sich mit Flugblattaktionen, Infoständen, Internetbeiträgen sowie durch Wortmeldungen in öffentlichen Veranstaltungen als Anwalt der Anwohner zu positionieren und ihre Propaganda zu verbreiten. Im September fand eine Verteilaktion von Aktivisten des FNS in Selb-Erkersreuth, Landkreis Wunsiedel, statt. In Briefkästen wurden FNS-Flyer eingeworfen, die gegen die geplante Asylbewerberunterkunft in Erkersreuth hetzten. Die Bürger wurden zum Widerstand gegen angebliche Überfremdung aufgefordert. Auch im Internet agitieren Aktivisten des FNS gegen Asylbewerberheime. So finden sich auf der Homepage des FNS z.B. regelmäßig Berichte über den aktuellen Sachstand zur geplanten Nutzungsänderung eines Gasthauses im Landkreis Passau in ein Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Asylbewerberheim. Die damit verbundenen Entscheidungen von Politik und Verwaltung werden als "volksfeindlich" diffamiert. Vereinsrechtliche Am 10. Juli fand die bislang größte vereinsrechtliche Maßnahme Maßnahme gegen gegen Rechtsextremisten in Bayern statt. Landesweit wurden 73 das FNS Objekte von Mitgliedern des FNS durchsucht, darunter Wohnungen, Arbeitsstätten und Postfächer. Zum FNS zählen insbesondere die folgenden Gruppierungen: Neonazi-Kreis um Matthias Fischer Weitere Bezeichnungen Kameradschaft Nürnberg, Kameradschaft Fürth, Freundeskreis Fürth Aktivisten und 50-60 Personen Sympathisanten Gründung bzw. 2008 erstmalige Aktivität Aktionsraum Nürnberg/Fürth Maßgebliche Matthias Fischer, Aktivisten Norman Kempken Kern des FNS Die Gruppe um den seit vielen Jahren in der rechtsextremistischen Szene aktiven Neonazi Matthias Fischer bildet den aktionistischen Kern des FNS. Matthias Fischer war bis Ende September 2011 in Haft (Verurteilung wegen Volksverhetzung). Bereits kurz nach seiner Haftentlassung hat er ankündigt, sich wieder "ungebrochen und mit vollem Einsatz im Nationalen Widerstand" engagieren zu wollen. Seitdem haben Veranstaltungen und Aktionen der Gruppierung spürbar zugenommen. Matthias Fischer war unter anderem maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung des sogenannten "Heldengedenkens" am 16. November in Wunsiedel beteiligt; etwa 150 Rechtsextremisten huldigten dabei verstorbenen Nationalsozialisten und Kriegsverbrechern. Gemeinsam mit dem Neonazi Tony Gentsch betreibt Matthias Fischer seit November den Online-Versandhandel Final Resistance. 122 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Freie Nationalisten Hof Weitere Bezeichnungen Nationale Sozialisten Hof, Kameradschaft Hof Aktivisten und 15-20 Personen Sympathisanten Gründung bzw. Ende 2008; erstmalige Aktivität bereits ab Januar 2006 unter dem Namen "Kameradschaftsbund Hochfranken" aktiv Aktionsraum Raum Hof Maßgebliche Tony Gentsch Aktivisten Die Freien Nationalisten Hof haben enge Kontakte zu Rechtsextremisten im sächsischen und thüringischen Vogtland. Mit verschiedenen Flugblattverteilungen im Raum Hof beteiligten sie sich an den Kampagnen des FNS. Der KameradschaftsführerTony Gentsch verbüßte von April 2011 Tony Gentsch bis Mai 2013 eine Haftstrafe wegen Körperverletzung und Beleidigung. Tony Gentsch verfügt seit März 2010 in Regnitzlosau, Landkreis Hof, über eine Immobilie, die regelmäßig für Kameradschaftstreffen, Schulungen und Liederabende genutzt wird. Am 1. Juni fand dort anlässlich der Haftentlassung von Tony Gentsch eine Willkommensfeier der rechtsextremistischen Szene statt. Seitdem verstärken sich die Aktivitäten in dem Objekt, das sich zu einem Ankerpunkt der bayerischen Neonazi-Szene entwickelt hat. Darüber hinausbetreibt Tony Gentsch seit November zusammen mit Matthias Fischer von dort aus den rechtsextremistischen Versandhandel Final Resistance; sie haben das Unternehmen von dem Oberpfälzer Neonazi Daniel Weigl übernommen. Aktionsgruppe Bayreuth Weitere Bezeichnungen AG Bayreuth Aktivisten und 10 Personen Sympathisanten Gründung bzw. Ende 2009 erstmalige Aktivität Aktionsraum Raum Bayreuth Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 123 Rechtsextremismus Die Aktionsgruppe Bayreuth unterhält gute Kontakte zu den "Freien Nationalisten Hof" und beteiligt sich an verschiedenen Aktionen des FNS. Kameradschaft Main-Spessart Aktivisten und etwa 10 Personen Sympathisanten Gründung bzw. Oktober 2006 erstmalige Aktivität Aktionsraum Großraum Würzburg Maßgebliche Aktivisten Matthias Bauerfeind Die Kameradschaft hat aufgrund der räumlichen Nähe gute Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppierungen und Einzelpersonen in Hessen. Sie beteiligt sich an verschiedenen Propagandaveranstaltungen des FNS und führt eigene Aktionen durch. Aktivisten der Kameradschaft veranstalteten im August eine Kundgebung unter dem Motto "MSP bleibt Deutsch - Argumentestatt Verbote". Bund Frankenland e.V. Aktivisten und 10 Personen Sympathisanten Gründung bzw. 1991 erstmalige Aktivität Aktionsraum Franken Maßgebliche Aktivisten Uwe Meenen Der Bund Frankenland e.V. ist eine reine Funktionärsgruppe ohne festen Mitgliederstamm, die seit einiger Zeit als Anmelder von Veranstaltungen des FNS auftritt. Der Verein trat als Unterstützer des "Europa Erwacht Festivals das von dem FNS-Aktivisten Norman Kempken angemeldet worden war und am 10. August in Roden-Ansbach, Landkreis Main-Spessart, stattfinden sollte, öffentlich in Erscheinung. Das Festival istvon der Gemeinde Roden-Ansbach verboten worden. Eine gegen das Verbot erhobene Klage des Veranstalters hat das Verwaltungsgericht Würzburg abgewiesen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Nationales Bündnis Oberpfalz (NBO) Aktivisten und 50 - 60 Personen Sympathisanten Gründung bzw. Mai 2012 erstmalige Aktivität Aktionsraum Oberpfalz, vorwiegend Raum Regensburg/ Schwandorf Maßgeblicher Aktivist Robin Siener Nach ihrem Austritt aus der NPD gründeten im Frühjahr 2012 mehrere Neonazis aus der Oberpfalz das Bündnis NBO, das vor allem dazu dient, verschiedene eigenständige Kameradschaften zu vernetzen. Dem Bündnis gehören insbesondere die Gruppierungen Widerstand Regensburg-Cham,Widerstand Schwandorf und - bis zu seiner Auflösung Ende 2012 - das Aktionsbündnis Nordoberpfalz an. Aktionsbündnis Nordoberpfalz Weitere Widerstand Tirschenreuth Bezeichnungen {bis Ende 2010) Aktivisten und 20 - 30 Personen Sympathisanten Gründung bzw. 2008 erstmalige Aktivität Aktionsraum Raum Tirschenreuth Maßgeblicher Aktivist Simon Preisinger Das Aktionsbündnis Nordoberpfalz hat sich Ende 2012 aufgelöst und entfaltete 2013 keine eigenständigen Aktivitäten mehr. Der bisherige Kameradschaftsführer Simon Preisinger verfügt auch nach der Auflösung seiner Kameradschaft weiterhin über gute Kontakte zu Rechtsextremisten im benachbarten Tschechien. Er sprach am 18. Mai in der tschechischen Stadt Litvinov anlässlich des "RehoGedenkmarsches? der an den Tod des Rechtsextremisten Milos Reho erinnern soll. Unter den rund 80 Teilnehmern waren auch mehrere bayerische Rechtsextremisten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 125 Rechtsextremismus Widerstand Regensburg-Cham Cham Weitere Urd & Skult, Aktionsbündnis N Bezeichnungen Cham, Freie Nationalisten Cham, AG Cham Aktivisten und 10 Personen Sympathisanten Gründung bzw. Jahreswechsel 2007/2008 erstmalige Aktivität Aktionsraum Raum Regensburg/Cham Maßgeblicher Aktivist Robin Siener Die Kameradschaft verfügt aufgrund der räumlichen Nähe über gute Kontakte zu Rechtsextremisten in Tschechien. So finden in unregelmäßigen Abständen gegenseitige Besuche statt. Angehörige der Kameradschaft beteiligten sich am 16. Februar an einer Demonstration in Ostrava, der Partnerstadt Dresdens. Unter dem Motto "Ein Licht für Dresden" sollte in geschichtsrevisionistischer Absicht an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg erinnert werden. Widerstand Schwandorf Aktivisten und etwa 10 Personen Sympathisanten Gründung bzw. 2009 erstmalige Aktivität Aktionsraum Raum Schwandorf Maßgeblicher Aktivist Daniel Weigl Informeller Anführer der Kameradschaft ist Daniel Weigl, der bis November Inhaber des rechtsextremistischen Online-Versandhandels Final Resistance war. Infolge der vereinsrechtlichen Maßnahme gegen das FNS am 10. Juli hat Daniel Weigl seine Aktivitäten stark reduziert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Aktionsbündnis Oberbayern Aktivisten und etwa 30 Personen Sympathisanten Gründung bzw. April 2012 erstmalige Aktivität Aktionsraum Oberbayern Dem Kameradschaftsbündnis gehören verschiedene neonazistische Gruppierungen aus der Region Altötting, Berchtesgadener Land und Mühldorf/Waldkraiburg an. Es ist neben dem Nationalen Bündnis Niederbayern und dem Nationalen Bündnis Oberpfalz das dritte regionale Kameradschaftsbündnis innerhalb des FNS und hat enge Verbindungen zur Kameradschaft München. Aktivisten des Aktionsbündnisses treten mit verschiedenen Kundgebungen oder der Verteilung von Flugblättern öffentlich in Erscheinung. Kameradschaft München Aktivisten und etwa 30 Personen Sympathisanten Gründung bzw. Herbst 2008 erstmalige Aktivität Aktionsraum München Maßgeblicher Aktivist Karl-Heinz Statzberger Die Kameradschaft hat ihren Einfluss innerhalb der Szene seit Anfang 2011 gestärkt und ist derzeit die aktivste neonazistische Gruppierung in München. Mehrere Mitglieder der Kameradschaft arbeiten mit der NPD-Tarnliste Bürgerinitiative Ausländerstopp München zusammen. Für Kameradschaftstreffen nutzt die Gruppierung eine Immobilie in München-Obermenzing, die von drei Mitgliedern der Kameradschaft bewohnt wird. Der Anführer Karl-Heinz Statzberger war Mitglied der Gruppe um Martin Wiese, die im Jahr 2003 einen Sprengstoffanschlag auf das Jüdische Zentrum in München geplant hatte. Er war Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus deswegen im Mai 2005 unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Nationales Bündnis Niederbayern (NBN) Aktivisten und 50-80 Personen Sympathisanten Gründung bzw. Mitte 2009 erstmalige Aktivität Aktionsraum Raum Niederbayern Maßgeblicher Aktivist Walter Strohmeier Das NBN diente zunächst als Vernetzungsplattform für neonazistische Kameradschaften in Niederbayern. Im Laufe des Jahres 2013 haben eigenständige Aktionen der am NBN beteiligten Kameradschaften Geisenhausen, Freie Nationalisten Bayerischer Wald und Freie Kräfte Straubing immer mehr abgenommen. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Kameradschaften auflösen und die Aktivisten künftig ausschließlich für das NBN in Erscheinung treten werden. Über das Internetportal Infoportal Niederbayern verbreitet das NBN Nachrichten aus der Szene und mobilisiert für einschlägige Veranstaltungen. Am 10. Mai veranstaltete das NBN eine Spontandemonstration zumThema "Kein Blut mehr auf deutschen Straßen" in Regensburg. Dem NBN gelang es, dafür kurzfristig etwa 70 Rechtsextremisten zu mobilisieren. 128 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus 8.2 Sonstige neonazistische Gruppierungen Kameradschaft Altmühltal Weitere Bezeichnungen KS Altmühltal (KSA) Aktivisten und 20-30 Personen Sympathisanten Gründung bzw. 2004 erstmalige Aktivität Aktionsraum Neumarkt i.d.OPf., Dietfurt a.d. Altmühl Die Gruppierung war in ihrer Anfangszeit der rechtsextremistischen Skinheadszene zuzurechnen, Partys und Skinhead-Musik standen für sie im Vordergrund. In den letzten Jahren haben sich die Kameradschaftsmitglieder zunehmend politisiert und treffen sich zu internen Kameradschaftsabenden und Stammtischen. Am 22. Juni veranstaltete die Kameradschaft eine Soemmersonnwendfeier im Gemeindegebiet Berching, Landkreis Neumarkt i.d.OPf. An der Feier nahmen rund 50 Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum - vorwiegend aus dem Umfeld der Kameradschaft Altmühltal - teil. Am 24. August feierte die Kameradschaft in Töging, Landkreis Neumarkt i.d.OPf., ihr 10-jähriges Bestehen. An der Feier nahmen etwa 50 Rechtsextremisten teil, darunter auch der verurteilte Rechtsterrorist Martin Wiese. Division Franken Aktivisten und etwa 20 Personen ea Sympathisanten > Gründung bzw. Ende 2010 erstmalige Aktivität Aktionsraum Mittelund Oberfranken Maßgeblicher Aktivist Sven Diem Die Gruppierung ist im Internet mit einer Homepage vertreten, tritt aber nicht mehr mit eigenen Aktionen an die Öffentlichkeit. Die Mitglieder der neonazistischen Kameradschaft haben sich mehrheitlich dem JN-Stützpunkt Franken/Oberpfalz zugewandt, an dessen Gründung die "Division Franken" maßgeblich beteiVerfassungsschutzbericht Bayern 2013 129 Rechtsextremismus ligt war. Ziel war es, die JN in Bayern wiederzubeleben und parteipolitisch Einfluss zu gewinnen. Aktionen des JN-Stützpunktes werden auf der Homepage der Division Franken beworben. Fränkischer Heimatschutz (FHS$S) Aktivisten und etwa 5 Personen, Sympathisanten rund 30 Unterstützer Gründung bzw. September 2010 erstmalige Aktivität Aktionsraum Großraum Coburg Von September 2010 bis Frühjahr 2013 betrieb eine Gruppe von Rechtsextremisten aus dem Raum Coburg unter dem Namen "Fränkischer Heimatschutz" ein Internetportal, auf dem Presseartikel rassistisch und geschichtsrevisionistisch kommentiert und szeneinterne Veranstaltungen beworben wurden. Die Gruppe pflegt Kontakte zum Freien Netz Süd (FNS) und nach Thüringen zum rechtsextremistischen Bündnis Zukunft Hildburghausen. Im Frühjahr stellte der FHS den Betrieb seiner Webseite ein. Im März führte die Gruppierung eine Flugblattverteilung zum Thema "Multikulti tötet Menschen" durch. Bereits in den 1990er Jahren war im Raum Coburg vorübergehend eine personell anders zusammengesetzte rechtsextremistische Gruppierung aktiv, die sich ebenfalls als Fränkischer Heimatschutz bezeichnet hatte. Freie Nationalisten Weißenburg/Gunzenhausen {FN WUG) Weitere Bezeichnungen Kameradschaft Weißenburg Aktivisten und etwa 10 Personen Sympathisanten Gründung bzw. 2009 erstmalige Aktivität Aktionsraum Raum Weißenburg 130 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Die Kameradschaft distanziert sich seit Mitte des Jahres 2012 von der NPD-nahen Division Franken und orientiert sich seitdem zum FNS, das der NPD kritisch gegenübersteht. Aktionsberichte veröffentlicht die Kameradschaft nunmehr auf der Webseite des FNS. Im Zugangsbereich einer Ausstellung gegen Rechtsextremisten brachten Aktivisten der FNWUG am 10. Januar rechtsextremistische Parolen an. Am 27. Januar wurden in Weißenburg rechtsextremistische Flugblätter in Briefkästen verteilt. Aktionsbund Freising Aktivisten und etwa 10 Personen Sympathisanten Gründung bzw. 2010 erstmalige Aktivität Aktionsraum Raum Freising Maßgebliche Aktivisten Dirk Reifenstein, Dominik Hering Das als Aktionsbund Erfurt-Freising gegründete Bündnis verfolgte ursprünglich das Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Neonazis aus Bayern und Thüringen zu fördern. Eine tatsächliche Kooperation fand jedoch aufgrund der räumlichen Entfernung nie statt. Als Konsequenz trennten sich die Freisinger Aktivisten 2011 von ihrem Bündnispartner aus Erfurt. Die Gruppierung unterhält intensive Kontakte nach München, insbesondere zur Kameradschaft München. Am 30. April fand in Freising im Rahmen einer Sternfahrt des FNS eine Kundgebung mit 30 Teilnehmern statt. Dabei trat auch der Kameradschaftsführer Dominik Hering als Redner auf. Im Juli verteilten Aktivisten in Freising Flugblätter der FNS-Kampagne "Zeitarbeit ist Sklaverei" Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus Infoportal Schwaben Aktivisten und 5- 10 Personen Sympathisanten Gründung bzw. 2012 erstmalige Aktivität Aktionsraum Schwaben Maßgeblicher Aktivist Stefan Friedmann Die Internetplattform "Infoportal Schwaben" berichtet über Aktionen der rechtsextremistischen Szene in der Region Schwaben und darüber hinaus. Die der Neonaziszene zuzurechnenden Betreiber beteiligen sich zudem selbst an entsprechenden Aktvitäten. Bekannt wurde das Portal im Zusammenhang mit der Auflösung der Kameradschaft "Nationales Augsburg" im Jahr 2012. Der Kameradschaft, die seit 2004 aktiv war, gehörten etwa zehn Aktivisten um den Neonazi Stefan Friedmann an. Die Gruppierung löste sich 2012 mit dem Hinweis auf, dass neue Wege beschritten würden und die Kameraden aktiv blieben. Dabei wurde auf das Infoportal Schwaben verwiesen. In der Berichterstattung des Internetportals werden häufig Aktionen und Themen des Freien Netz Süd (FNS) aufgegriffen bzw. Artikel des FNS übernommen, sodass hier voneiner Verbindung auszugehen ist. So mobilisierte das Infoportal Schwaben beispielsweise für die von Aktivisten des FNS durchgeführte Demonstration zum sogenannten Heldengedenken in Wunsiedel. Unter der Überschrift "Heldengedenken in Schwaben" veröffentlichte das Infoportal zudem Lichtbilder von Kriegerdenkmälern, auf denen zu erkennen ist, dass Kränze abgelegt und Kerzen entzündet wurden. Einer dieser Kränze trug die Aufschrift "Infoportal Schwaben" Kennzeichen des Infoportals Schwaben ist eine weiße Feder auf schwarzem Grund. Dieses Symbol ist immer wieder auch auf Transparenten zu sehen, die auf rechtsextremistischen Demonstrationen mitgeführt werden. 132 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus 9, Rechtsextremistische Jugend-Szenen und Subkulturen In rechtsextremistischen Jugend-Szenen verbindet sich eine diffuse Weltanschauung mit Elementen, die an zentrale Merkmale des Nationalsozialismus angelehnt sind. Um junge Aktivisten zu gewinnen, hat sich die rechtsextremistische Szene modisch und ideologisch geöffnet. Die früher typischen Glatzen und Springerstiefel der Skinheads sind weitestgehend verschwunden. Lange Haare, Piercings oder Basecaps und sogar Merkmale aus dem "linken" und linksextremistischen Spektrum wurden übernommen. Eine rechtsextremistische Gesinnung ist somit äußerlich nur noch schwer zu erkennen. Dadurch sollen Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner, Polizeikontrollen oder Probleme mitEltern, Freunden, in der Schule oder im Beruf vermieden werden. In rechtsextremistischen Jugend-Szenen gibt es in der Regel weder feste Organisationsstrukturen noch formelle Mitgliedschaften. Die Anzahl rechtsextremistischer Skinheads ist in Bayern in den Rückgang der letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Das Personenpotenzial Skinheads der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene hat sich jedoch insgesamt bei rund 300 Personen stabilisiert. Der Abwärtstrend bei den Skinheads wurde durch die Unterwanderung anderer Subkulturen relativiert. Insbesondere neue rechtsextremistische subkulturelle Strukturen wie die NS-Hatecore-Szene oder die NS-Black-Metal-Szene erhalten verstärkt Zulauf. Knapp 100 subkulturell orientierte Rechtsextremisten sind diesen jüngeren Strömungen wie auch dem Neofolk, NS-Hip-Hop und NS-Techno zuzurechnen. Mit der Unterwanderung versuchen Rechtsextremisten, ihre Feindbilder und Ideologie einfließen zu lassen, um Anhänger für die NS-Ideologie zu gewinnen bzw. um rechtsextremistische Tendenzen in diese Subkulturen zu tragen. Dabei werden Black Metal, Hatecore und Neofolk sowie Hip-Hop und Techno mit rechtsextremistischen Texten unterlegt. Einzelpersonen sind auch in der rechtsorientierten Hooligan-Szene aktiv. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 133 Rechtsextremismus Hammerskins (HS) "Elite" der rechtsDie 1988 in den USA gegründeten Hammerskins (HS) propagieextremistischen ren ein rassistisches und zumTeil nationalsozialistisches Weltbild Skinheads und sehen sich als Elite der rechtsextremistischen Skinheads. Weltweit in die Schlagzeilen gerieten die HS, als der 40-jährige Wade Michael Page am 5. August 2012 in Oak Creek (Wisconsin) in einem Sikh-Tempel sechs Menschen niederschoss und anschließend selbst von einem Polizisten getötet wurde. Wade Michael Page war Anhänger der US-amerikanischen "Hammerskin-Bewegung" Divisionen und Struktur und Aufnahmeverfahren der Hammerskins ähneln dem Chapter Rockerclub Hells Angels MC. So sind die HS in vielen Ländern mit "Divisionen" vertreten. Europaweit bestehen als regionale Untergliederungen rund 25 Chapter, deren Aktivitäten sich größtenteils auf die Organisation von rechtsextremistischen Konzerten und Veranstaltungen sowie die Selbstorganisation der Hammerskin-Bewegung beschränken. Am 15. Juni fand im sog. Skinhouse in Mailand/Italien ein Konzert der HS statt, zu dem etwa 1.000 Rechtsextremisten aus ganz Europa anreisten. Der Hammerskin-Division Deutschland gehören rund zehn deutsche Chapter mit insgesamt bis zu 100 Skinheads an, darunter das Chapter Bayern und das Chapter Franken. Voice of Anger Die 2002 gegründete Skinhead-Gruppierung Voice of Anger im Großraum Memmingen/Kempten ist eine überregional aktive Skinhead-Gruppierung in Bayern. Die etwa 80 Mitglieder gehören vier Sektionen an. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stehen die gemeinsame Freizeitgestaltung, interne Veranstaltungen und Feiern sowie die Veranstaltung bzw. der Besuch von Skinhead Konzerten. Mitglieder von Voice of Anger Nomads gründeten 2010 die Skinhead-Band Codex Frei. Am 2. November veranstaltete die Gruppierung in Krumbach, Landkreis Günzburg, ein so genanntes "Braunes Oktoberfest" An der als geschlossene Gesellschaft durchgeführten Veranstaltung beteiligten sich rund 40 - 50 Personen aus der subkulturell ge134 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Rechtsextremismus prägten rechtsextremistischen Szene, darunter auch aus BadenWürttemberg. Legion Werwolf Bayern Die fünf bis zehn Personen zählende Gruppierung Legion Werwolf Bayern präsentiert sich im Habitus eines Motorradclubs, ohne Motorradfahrer zu sein. Ihre Mitglieder tragen sog. Kutten, Motorradjacken mit einem Wolfskopf auf dem Rücken. Gründer und "Präsident" der Gruppierung ist der Betreiber des rechtsextremistischen Szene-Versandhandels "Bloodline Streetware'; Harald Frank. Der Onlineversand, der mit der Internetseite der Legion Werwolf Bayern verlinkt ist, bietet Devotionalien und Bekleidung für die rechtsextremistische Szene an. Am 13. November wurde Harald Frank im Rahmen einer DurchVerdacht der suchungsaktion wegen des Verdachts der Volksverhetzung verVolksverhetzung haftet. Frank hatte über seinen Versand unter anderem T-Shirts mit volksverhetzenden Aufdrucken wie z.B. "Nichtjude" angeboten. Die Legion Werwolf Bayern hat überregionale Kontakte zur rechtsextremistischen Kameradschaftsszene in Bayern. Für den 30. März plante sie ein rechtsextremistisches Skinheadkonzert in Tussenhausen, Landkreis Unterallgäu. An rund 80 Personen wurden hierzu personalisierte Einladungskarten verschickt. Die Gemeinde verbot für den Veranstaltungstag, den Karsamstag, alle nichtkirchlichen Veranstaltungen mit Musik. Daraufhin sagte die Gruppierung das Konzert ab. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 135 Rechtsextremismus Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit < Auch außerhalb des Rechtsextremismus Ele Ta StEA ERT GERT TEETTA Tr relevante Islamfeindlichkeit als neue, eigenständige Extremismusform < Internetforen und Weblogs werden als Medien für die Verbreitung islamfeindlicher Agitation zunehmend genutzt Islamfeindliche Agitation ist nicht auf den Bereich des Rechtsextremismus beschränkt. Auch jenseits der rechtsextremistischen, vornehmlich auf Rassismus begründeten Islamfeindlichkeit gibt es Gruppierungen und Einzelpersonen, die Muslime zwar nicht als minderwertige Menschen betrachten, ihnen jedoch die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit nicht zugestehen wollen. Sie setzen den Islam als Weltreligion pauschal gleich mit Islamismus und islamistischem Terrorismus und stellen die Religion des Islam als faschistische Ideologie dar, von der eine erhebliche Gefahr für unsere Gesellschaft ausgehe. Bei der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit fehlen die für Rechtsextremismus typischen Ideologieelemente wie autoritäres Staatsverständnis, Antisemitismus, Rassismus oder die Ideologie der Volksgemeinschaft. Extremistische Bestrebungen im Zusammenhang mit islamfeindlichen Äußerungen richten sich gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (Art. 1 GG), das Diskriminierungsverbot (Art. 3 GG) und die Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Als extremistisch sind bestimmte zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen zu beurteilen, die die Geltung der genannten Prinzipien für Muslime und den Islam und seine Glaubensgemeinschaften außer Kraft setzen bzw. beseitigen wollen. Kritik, die im Rahmen einer geistig-politischen Auseinandersetzung auf Gefahren eines politischen Islam für unsere Grundwerte hinweist, unterliegt demgegenüber nicht dem Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes. Das Internet wird von verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Gruppierungen intensiv genutzt, um islamfeindliche Inhalte zu verbreiten. Publiziert wird auf Homepages und zunehmend auf Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 137 Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Weblogs, auf denen sich auch anonyme Nutzer äußern können, deren Beiträge nicht automatisch den Betreibern zurechenbar sind. Ausschlaggebend für die Bewertung solcher Internetpräsenzen ist dabei, ob und inwieweit die Betreiber selbst extremistische Ziele verfolgen. Auf nicht zurechenbare Einzeläußerungen (z.B. Kommentare in Blogs und Foren) allein lässt sich eine Bewertung als extremistisch nicht stützen. 138 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 139 D Politically Incorrect Gruppe München (PI-München) PI-München wurde 2008 in München gegründet. Die Bezeichnung bezieht sich auf den gleichnamigen Weblog "Politically Incorrect? der mit Pl-München nicht institutionell verbunden ist. PI-München formierte sich aus der im Jahr 2006 ins Leben gerufenen WSNK-Gruppe ("Wir sind nicht korrekt"). Bei Pl-München handelt es sich um eine verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebung außerhalb des Rechtsextremismus, die den Islam als "totalitäre" und "gewaltverherrlichende Ideologie" ansieht. Die Aktivitäten und Äußerungen von PI-München zielen u araut ab. pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare "Ideolo140 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit gieanhänger" zu schüren und alle Muslime aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Feinde des Rechtstaates zu verunglimpfen. So empfiehlt PI-München Muslimen, die sich in Deutschland diskriminiert fühlen, sich in islamischen Ländern niederzulassen. Bereits 2010 vereinbarten PI-München und BPE Bayern eine "strategische Allianz" die in gemeinsam durchgeführten Veranstaltungen öffentlich wahrnehmbar war. Pl-München entfaltet seit Ende 2011 kaum noch eigene öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Logo PI-München 3. Bürgerbewegung Pax Europa Landesverband Bayern (BPE Bayern) Bei der BPE Bayern handelt es sich um eine verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebung außerhalb des Rechtsextremismus, die den Islam insgesamt als "vorsteinzeitliche, nazistische und frauenverachtende Ideologie" ansieht. Prägend für die Ausrichtung der BPE Bayern ist insbesondere Michael Stürzenberger, der :'s Leiter von Pi-München und als Vorsitzender von BPE Bayern die ideologische Ausrichtung bestimmt und öffentlichkeitswirksam agiert. BPE Bayern zielt darauf ab, wegen angeblicher Gefahren durch den Islam die Religionsfreiheit und die im Grundgesetz verankerte staatliche Neutralität und Toleranz gegenüber Muslimen und islamischen Religionsgemeinschaften abzuschaffen. Anlässlich desTags der offenen Moschee beteiligte sich die BPE Bayern an einer Demonstration am 3.Oktober in München mit rund 60 Teilnehmern. Hauptredner der Veranstaltung war der Landesvorsitzende der BPE Bayern, Michael Stürzenberger. Die BPE Bayern, die ihren Sitz in München hat, kooperiert seit 2010 mit PI-Mürcher Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 141 Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Das Gewaltpotenzial der linksextremistischen Szene ist unverändert hoch Polizeibeamter erleidet bei einer Demonstration Kopfverletzungen durch den Wurf einer Gehwegplatte Bei Brandanschlägen in München auf Fahrzeuge von Logistikunternehmen entsteht ein Gesamtschaden von 30.000 Euro Linksextremisten wollen die durch das Grundgesetz vorgegebene Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland beseitigen. Je nach ideologisch-politischer Orientierung zielen Linksextremisten auf eine sozialistische bzw. kommunistische oder eine "herrschaftsfreie" Gesellschaft ab. Die linksextremistischen Vorstellungen richten sich insbesondere gegen durch das Grundgesetz garantierte Grundrechte, die parlamentarische Demokratie, die Gewaltenteilung, das Rechtsstaatsprinzip und den Pluralismus. Linksextremisten wollen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abschaffen, die sie als "kapitalistisches System" diffamieren und in der sie die Wurzel des Faschismus sehen. In der linksextremistischen Szene bilden Autonome den weitaus größten Teil des gewaltbereiten Personenpotenzials. Autonome haben zwar keine gemeinsame Ideologie. Ziel aller Autonomen ist es aber, den Staat und seine Einrichtungen zu zerschlagen. Neben Sachbeschädigungen wenden Autonome auch Gewalt gegen Personen - vor allem Rechtsextremisten und Polizisten - an, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Linksextremisten besetzen auch Themen, die an sich nicht extremistisch sind. Ihr Ziel ist es dabei aber in erster Linie, ihre linksextremistischen politischen Vorstellungen zu verbreiten. Dazu arbeiten sie auch mit bürgerlich-demokratischen Organisationen zusammen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 143 Linksextremismus 1. Personenpotenzial in Bayern 2011 2012 2013 Partei DIE LINKE. 2.400 2.500 #**7,000 offen extremistische Strukturen DKP 340 340 340 SDAJ 110 110 110 VVN-BdA 700 700 700 MLPD (mit REBELL) 120 120 120 GSP (MG) 500 500 500 Sonstige Gruppierungen, 220 220 220 linksextremistisch beeinflusste Organisationen Autonome 650 650 650 Summe 5.040 5.140 3.640 Mehrfachmitgliedschaften* 80 80 80 gesamt 4.960 5.060 3.560 Davon gewaltorientiert** 650 690 690 Die Zahlenangaben sind geschätzt und gerundet. * Die Mehrfachmitgliedschaften im Bereich der Parteien und sonstigen Zusammenschlüsse werden vom Gesamtpotenzial abgezogen ** Dazu zählen gewalttätige, gewaltbereite, gewaltunterstützende und gewaltbefürwortende Personen. Seit dem Jahr 2012 wird auch das gewaltunterstützende und gewaltbefürwortende Personenpotenzial mitberücksichtigt. Für das Jahr 2011 sind nur die gewalttätigen und gewaltbereiten Linksextremisten erfasst. *%** Für das Jahr 2013 werden erstmals nur die offen extremistischen Strukturen der Partei ausgewiesen. 144 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus 2. Gewaltpotenzial in Bayern In der linksextremistischen Szene bilden Autonome den weitaus Autonome größtenTeil des gewaltbereiten Personenpotenzials. Sie sind für die meisten der linksextremistisch motivierten Gewalttaten verantwortlich. Ziel dieser überwiegend jungen Linksextremisten ist es, den Staat und seine Einrichtungen - auch mit Gewalt - zu zerschlagen und eine "herrschaftsfreie" Gesellschaft zu errichten. Das Aggressionspotenzial der autonomen Szene ist seit Jahren Konfrontative hoch. Autonome suchen vor allem bei Demonstrationen gewaltGewalt same Auseinandersetzungen (konfrontative Gewalt). Gegner sind hauptsächlich Rechtsextremisten und Polizeibeamte. Linksextremisten sehen die Polizeikräfte als Repräsentanten eines vermeintlichen staatlichen "Repressionsorgans" Sie akzeptieren nicht, dass die Polizeibeamten z.B. auch bei Demonstrationen von Rechtsextremisten zur Gewährleistung des grundgesetzlich geschützten Versammlungsrechts eingesetzt werden müssen ("Deutsche Polizisten schützen Nazis und Faschisten"). Den Ablauf ihrer Aktionen machen Linksextremisten vor allem von ihrem Kräfteverhältnis gegenüber der Polizei abhängig. Dabei schließen sich vermummte Aktivisten in einheitlich schwarzer "Kampfausrüstung"" häufig zu Schwarzen Blöcken zusammen, um aus diesen heraus unerkannt Gewalt ausüben zu können. Autonome nutzen aber auch Demonstrationen anderer -- auch Initialisierende nichtextremistischer - Veranstalter, um der Veranstaltung einen Gewalt militanten und aggressiven Charakter aufzuzwingen und hinter der Deckung friedlicher Demonstranten Gewalttaten zu begehen sowie andere dazu aufzustacheln (initialisierende Gewalt). Neben dieser situationsabhängigen Massenmilitanz verüben Autonome auch konspirativ geplante Straftaten wie Brandanschläge, zu denen häufig auf einschlägigen Internetportalen anonyme Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht werden. Bauanleitungen für Sprengund Brandsätze stellt die autonome Szene im Internet und in Szene-Zeitschriften wie "radikal" und "INTERIM" zur Verfügung. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 145 Linksextremismus Anzahl der linksextremistischen Gewalttaten 2013 2012 2013 Politisch motivierte Gewaltkriminalität 99 87 davon Körperverletzung 51 49 Widerstandsdelikte 31 21 Landfriedensbruch 7 9 Brandund Sprengstoffdelikte 3 6 Versuchte Tötungsdelikte 3 0 Raub 3 2 Gef. Eingriff in Bahn -, Schiffs- 1 0 und Luftverkehr Gegenüber dem Vorjahr ist ein allgemeiner Rückgang in der linksextremistisch motivierten Gewaltkriminalität festzustellen. Nur bei Brandund Sprengstoffdelikten verdoppelte sich die Anzahl im Jahr 2013. Demonstration Bei einer Demonstration gegen Rechtsextremisten am 2. Noin Fürth vember in Fürth warf ein Unbekannter aus einer Gruppe von 150 Linksextremisten eine abgebrochene Gehwegplatte auf einen Polizeibeamten, der eine Kopfverletzung erlitt. Im weiteren Demonstrationsverlauf mussten die eingesetzten Beamten Polizeiketten bilden, um die beiden Gruppen auseinander zu halten und Blockadeaktionen der teilweise aggressiv auftretenden Gegendemonstranten zu verhindern. Im Rahmen des Einsatzes wurden zwei weitere Polizeibeamte verletzt. An den Gegenprotesten beteiligten sich die Gruppierungen Antifaschistische Linke Fürth (ALF) und Jugendantifa Fürth (JAF). Beide autonomen Gruppierungen gehörten auch zu den Unterstützern der Demonstration "Nazistrukturen bekämpfen! Verfassungsschutz abschaffen! Antifa in die Offensive" am 31. März 2012 in Nürnberg, bei der es zu gewalttätigen Ausschreitungen kam. Ein Demonstrant, der einen Polizeibeamten mit einer angespitzten Fahnenstange attackierte, wurde am 25.Oktober durch das Landgericht Nürnberg-Fürth rechtskräftig zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf eine dreijährige Bewährungszeit, verurteilt. 146 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus In der Zeit von April bis September wurden in München mehrere Angriffe auf Fahrzeuge in Brand gesetzt, darunter solche der FirmenTelekom, LogistikSiemens und Schenker Logistik. Es entstand ein Gesamtschaden unternehmen von über 30.000 Euro. DIE DEUTSCHE TELEKOM AG ... überwacht Angestellte, schüchtert Gewerkschafter_ innen ein, ist in der Rüstungsindustrie tätig, bereichert sich an Strafgefangenen, leistet der Polizei Amtshilfe bei der Bespitzelung und Ausforschung sozialer Bewegungen, profitiert von der Krise in Griechenland, ü " ISTANGREIFBAR! ic) N az Fu =. Be - Ri .-i-l-1- ' -a-n-Z connecting people Aufgrund der Tatausführung und der teilweise in Tatortnähe aufgefundenen Plakate ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem linksextremistischen Hintergrund auszugehen. Die Plakate beziehen sich auf eine Kampagne gegen die Telekom, die im Frühjahr durch die linksextremistische Publikation "Interim" angestoßen wurde. Der Telekom wird von Linksextremisten vorgeworfen "der Polizei Amtshilfe bei der Bespitzelung und Ausforschung sozialer Bewegungen" zu leisten. Zu einer Serie von Sachbeschädigungen kam es im ZusammenSachbeschädigunhang mit dem Neubau eines Strafjustizzentrums in München. gen am StrafjustizSeit Oktober 2012 wurden wiederholt Schmierschriften wie zentrum München "Revolte heißt leben, Justizzentrum verhindern" gesprüht und weitere politisch motivierte Sachbeschädigungen begangen. Der Gesamtschaden beläuft sich inzwischen auf rund 200.000 Euro. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 147 Linksextremismus 3, Ideologische Wurzeln des Linksextremismus Marxismus Die Lehren von Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) sind die ideologische Grundlage für das Denken und Handeln der meisten Linksextremisten. Das gesamte politische, geistige und kulturelle Leben einer Gesellschaft wird demnach durch die ökonomischen Strukturen und Verhältnisse bestimmt. Die marxistische Lehre ist sowohl wissenschaftliche Theorie als auch praktisch-politische Handlungsanleitung für die Revolution. Die Menschheitsgeschichte vollzieht sich demnach in gesetzmäßigen Entwicklungsstufen. Dem Endziel der geschichtlichen Entwicklung, der kommunistischen klassenlosen Gesellschaft, geht die revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems voraus. Im Kapitalismus stehen sich die ausbeutende Klasse der bürgerlichen Kapitalisten - der Eigentümer an den Produktionsmitteln - und die ausgebeutete Klasse der Arbeiterschaft - die so genannten Proletarier - gegenüber. Der durch die Arbeiterschaft geschaffene Mehrwert eines erstellten Produktes geht nach der marxistischen Lehre in den Besitz der Kapitalisten über und führt so zu Lohndruck, einer Verarmung und schließlich Verelendung des Proletariats. Die Folgen sind Klassenkämpfe, die in eine Revolution und schließlich in die Diktatur des Proletariats münden mit dem EndZziel einer kommunistischen Gesellschaft. Das Menschenbild des Marxismus ist ein grundsätzlich anderes als das freiheitlicher Demokratien. Im Mittelpunkt steht nicht das Individuum mit seinen garantierten Rechten, sondern die Arbeiterklasse. Nach dieser Sichtweise ist es zulässig, Grundund Menschenrechte zugunsten des sozialistischen Kollektivs und einer kommunistischen Zielsetzung zu relativieren oder gar außer Kraft zu setzen. Marxismus-Leninismus Der Marxismus-Leninismus war dieoffizielle Weltanschauung der früheren Sowjetunion. Er basiert auf den Lehren von Marx und Engels (Marxismus), die von Wladimir I. Lenin (1870-1924) zur Staatsdoktrin der Sowjetunion und für den von ihm propagierten internationalen Klassenkampf weiterentwickelt wurden. Auch 148 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus nach marxistisch-leninistischer Auffassung muss der Kapitalismus bekämpft werden. Das höchste Stadium des Kapitalismus sah Lenin im so genannten Imperialismus. Demnach trachte der Kapitalismus in ausbeuterischer Weise danach, seinen Machtund Einflussbereich auf andere Staaten auszudehnen, was zwangsläufig zu Kriegen führt. Dem Kapitalismus müsse also eine neue Gesellschaft folgen: der Sozialismus. Den Sozialismus sah Lenin wiederum als Vorstufe des Kommunismus. Der Marxismus-Leninismus führt zwangsläufig zu einer revolutionären Umwälzung. Allerdings verfügt die Arbeiterklasse nach Lenin nicht über das notwendige politisch-revolutionäre Bewusstsein. Dieses müsse durch eine Kaderpartei aus Berufsrevolutionären (Avantgardeanspruch der kommunistischen Partei) vermittelt werden. In dieser Partei sind gemäß dem Grundsatz des "demokratischen Zentralismus" keine abweichenden Meinungen zu Parteibeschlüssen durch Fraktionen oder innerparteiliche Strömungen erlaubt. Für marxistisch-leninistische Kaderparteien wie die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) spielt der Marxismus-Leninismus eine große, für offen extremistische Strukturen innerhalb der Partei DIE LINKE. zumindest eine prägende Rolle. Stalinismus Stalinismus ist Josef W. Stalins (1878-1953) theoretische Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus zum diktatorischbürokratischen Herrschaftssystem der Sowjetunion. Entgegen der marxistischen Annahme, dass zum Sieg des Proletariats über das Bürgertum (Bourgeoisie) eine gemeinsame Revolution der Proletarier aller Länder notwendig sei, ging Stalin davon aus, dass der Sozialismus unter der Führung der Sowjetunion vorbildhaft zuerst dort realisiert werden müsse. Mit dem von Stalin betriebenen Aufund Umbau der Sowjetunion zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung wurden u.a. die "stalinistische Säuberungen"" legitimiert, denen Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. In Deutschland berufen sich die MarxistischLeninistische Partei Deutschlands (MLPD) und der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) auch auf die Ideen Stalins. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 149 Linksextremismus Trotzkismus Das auf Leo Trotzki (1879-1940) zurückgehende Modell des Sozialismus ist keine in sich geschlossene eigenständige Lehre, sondern eine Abwandlung des Marxismus-Leninismus. Sie entstand vor allem aus der Opposition von Trotzki zu Stalin. Wesentliche Elemente sind die Theorie der "permanenten Revolution; der Glaube an die Weltrevolution (im Unterschied zu Stalins "Sozialismus in einem Land"), das Ziel der Errichtung einer "Diktatur des Proletariats" in Form einer Rätedemokratie und das Festhalten am "proletarischen Internationalismus" Die charakteristische Strategie trotzkistischer Vereinigungen ist der Entrismus, d. h. sie versuchen, gezielt in andere Organisationen einzudringen und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. So findet ihre eigene Ideologie Verbreitung über die unterwanderte Organisation. In Deutschland ist neben der Sozialistischen Alternative (SAV) das Netzwerk marx21, eine offen extremistische Struktur innerhalb der Partei DIE LINKE., trotzkistisch ausgerichtet. Maoismus Unter der Führung von Mao Tse-tung (1893-1976) wurde in China nach dem kommunistischen Sieg 1949 der MarxismusLeninismus in einer von Sowjetrussland abweichenden Weise interpretiert und als kommunistische Ideologie weiterentwickelt. Der Maoismus sieht in China die ländliche Bevölkerung und nicht die städtische Arbeiterschaft alsTräger des politischen Umsturzes. Die Weltrevolution sollte in einem Land der Dritten Welt durch einen Guerillakrieg bäuerlicher Partisanen ausgelöst werden. In einer Serie politischer Kampagnen ("Kulturrevolution") versuchte Mao Tse-tung, die chinesische Gesellschaft zu den revolutionären Zielen der Partei zu erziehen. Der ideologischeTerror und die damit verbundenen "Säuberungsaktionen" forderten Millionen Tote. Die Ideen Maos waren Vorbild für große Teile der 1968erBewegung, vor allem der in Westeuropa entstandenen "Neuen Linken" (so genannte K-Gruppen). Heute bekennt sich lediglich die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) öffentlich zu Mao Tse-tung. 150 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus 4. Linksextremistische Themenfelder Um ihre politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen durchzusetzen, engagieren sich Linksextremisten in verschiedenen politischen undgesellschaftlichen Themenfeldern. Typische Aktionsfelder für Linksextremisten sind Antifaschismus, Antimilitarismus, Antirepression, Antiimperialismus, Antiglobalisierung, Antiatomkraft, Asylpolitik und der Kampf gegen "Sozialabbau" Die wichtigsten waren im Jahr 2013 Antifaschismus, Antimilitarismus und Antirepression. Für jeden Linksextremisten stehen antifaschistische Aktivitäten im Vordergrund. Wie die Bekämpfung des Rechtsextremismus nutzen sie auch andere gesellschaftliche Reizthemen, um innerhalb bürgerlich-demokratischer Protestbewegungen neue Anhänger zu finden. Antifaschismus Linksextremisten nutzen den breiten gesellschaftlichen Konsens Ablehnung der gegen den Rechtsextremismus für ihre politischen Ziele, die allerdings weit über die Bekämpfung des Rechtsextremismus Demokratie hinaus reichen. Antifaschismus im linksextremistischen Sinn beinhaltet auch die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. Ursprünglich bezog sich der Begriff Antifaschismus auf die inneritalienische Opposition gegen die Herrschaft Mussolinis. Die Wurzeln des deutschen Antifaschismus liegen im Widerstand Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 151 Linksextremismus gegen die Diktatur des "Dritten Reichs" Neben dem bürgerlichliberal geprägten Antifaschismus, der für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintrat, entwickelte sich ein kommunistisch orientierter, als linksextremistisch einzustufender Antifaschismus. Der linksextremistische Antifaschismus wertet alle nichtmarxistischen Systeme als potenziell faschistisch oder als eine Vorstufe zum Faschismus. Linksextremisten sehen also die eigentliche Ursache von Faschismus und Rechtsextremismus in einer bürgerlichen Gesellschaftsordnung, die auf Kapitalismus, Parlamentarismus und Rechtsstaatsprinzipien aufbaut. Gewaltorientierte linksextremistische Autonome nutzen den Antifaschismus seit Jahren zur Mobilisierung ihrer Anhänger und zur Legitimierung ihrer militanten Aktionen gegen Staat und Polizei mit dem Argument, diese schützten Rechtsextremisten. Dabei suchen Autonome auch den Schulterschluss mit demokratischen Bündnissen und Initiativen. Linksextremistische Parteien und Organisationen streben über eine gezielte Einflussnahme die Übernahme von Leitungsund Steuerungsfunktionen in antifaschistischen Initiativen an. Der Kampf gegen Hitler und die Verfolgung von Kommunisten zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus dienen aus der kommunistischen Bewegung entstandenen Organisationen als Legitimation für ihren Führungsanspruch im antifaschistischen Spektrum. Antifaschismus ist nicht generell linksextremistisch. Es kommt vielmehr darauf an, was die jeweiligen Antifaschisten konkret unter "Faschismus" verstehen und welche Forderungen sich aus ihrem Selbstverständnis als "Antifaschisten" ergeben. Die zentrale Frage dabei lautet: Richtet sich die Ablehnung nur gegen Rechtsextremismus oder richtet sich die Ablehnung gegen die Normen und Regeln eines demokratischen Verfassungsstaats? Antimilitarismus Antimilitarismus hat in der linksextremistischen Szene insbesondere durch vermehrte Auslandseinsätze der Bundeswehr in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewonnen. Nach der Militarismustheorie von Karl Liebknecht dient das Militär dazu, 152 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus Dieses Gedankengut lebt in der linksextremistischen Szene Beseitigung der weiter. Linksextremisten sind daher immer wieder auch in Parlamentarischen pazifistischen Initiativen und Bündnissen aktiv, um dort ihre Demokratie Ideologie zu verbreiten. Im Gegensatz zum Pazifismus geht es Linksextremisten nicht nur um die Abschaffung des Militärs, sondern darüber hinaus um die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie. Höhepunkt der linksextremistischen Aktivitäten zum Thema SicherheitsAntimilitarismus waren auch im Jahr 2013 die Proteste gegen konferenz 2013 die Münchner Sicherheitskonferenz am 2. Februar. Auch Brandstiftungen an Fahrzeugen verschiedener Logistikunternehmen waren mutmaßlich antimilitaristisch motiviert. Den Unternehmen wird Unterstützung der Bundeswehr vorgeworfen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 153 Linksextremismus Antirepression SolidaritätsUnter "Repression" verstehen Autonome die staatliche Überkampagnen wachung und Strafverfolgung linksextremistischer Aktionen. Autonome lehnen insbesondere polizeiliche Maßnahmen gegen linksextremistische Gewalttäter ab. Mit Solidaritätskampagnen versuchen sie, eine breite Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu beeinflussen und rechtsstaatliche Maßnahmen zu diskreditieren. Gleichzeitig mobilisieren sie damit die linksextremistische Szene und rechtfertigen ihr militantes Vorgehen. Brandstiftungen Diese Militanz kann sich auch gegen Unternehmen richten, die mit staatlichen Behörden zusammenarbeiten. Dies zeigte sich 2013 an mehreren Brandstiftungen an Fahrzeugen der Telekom AG. 5. Internet und Musik 5.1 Linksextremisten im Internet MobilisierungsLinksextremisten betreiben viele interaktiv gestaltete WebseiVideos ten, die auch soziale Netzwerke einbinden, um Informationen in der Szene zu steuern und für Veranstaltungen zu mobilisieren. Mit aktionsbezogenen Internetseiten bewerben sie szeneinterne Großereignisse. In "Mobivideos" (Mobilisierungs-Videos), vor allem aufYouTube, zeigen sie erfolgreiche Aktionen und fordern mit szenetypischer Musik zum Mitmachen auf. Es existiert eine Vielzahl von teilweise verschlüsselten Kommunikationsbeziehungen über Mail-Server, Foren, Blogs und Chats sowie über Nachrichtendienste wie Twitter oder soziale Netzwerke wie Facebook. Klassische Webseiten werden dadurch mehr und mehr ersetzt. Um sich während Großveranstaltungen flexibel und schnell auszutauschen, nutzen Linksextremisten u.a. Kurzmitteilungsdienste wie Twitter. Eigens eingesetzte "Moderatoren" steuern dabei die Demonstranten z.B. in Richtung von Rechtsextremisten oder Polizeibeamten. Über animierte Landkartendienste halten sie die eigene Demonstrationsroute sowie gegebenenfalls auch die des politischen Gegners abrufbar. 154 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus In ihren Internetauftritten sorgen linksextremistische GruppierunOutingaktionen gen auch für so genannte Outings tatsächlicher oder vermeintlicher Rechtsextremisten. Sie machen dazu teilweise umfangreiche Recherchen mit Bildmaterial und persönlichen Daten zugänglich. Vereinzelt ergänzen sie die Outings mit Aktionen im Arbeitsoder Wohnumfeld des Betroffenen, um diesen gesellschaftlich zu isolieren. Außerdem ist von einer Zunahme von Hacker-Angriffen auf Internetseiten des politischen Gegners auszugehen. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat die Internetaufklärung weiter intensiviert und hierfür einen eigenen Arbeitsbereich eingerichtet. 5.2 Linksextremistische Musik Linksextremisten setzen Musik mit linksextremistischen Texten ein, um neue, vor allem junge Unterstützer zu gewinnen und ihre Anhänger weiter zu radikalisieren. Die Musik wird vor allem über das Internet verbreitet, auf Videoplattformen werden Konzertmitschnitte und Liedtexte eingestellt. Häufig wird Musik im Rahmen der Vorbereitungen bzw. im Verlauf größerer Demonstrationen eingesetzt. Musikunterlegte "Mobilisierungs-Videos" im Internet transportieren ideologische Positionen und sprechen damit vor allem jüngere Men"Kurzer Prozess" schen an. Bei Demonstrationen werden Lautsprecheranlagen auf Fahrzeugen mitgeführt, um die Teilnehmer zwischen den Redebeiträgen und während des Marsches mit Einspielungen von Musik zu unterhalten und aufzustacheln. Auch als Einnahmequelle ist die Musik für Linksextremisten von erheblicher Bedeutung. Die erwirtschafteten Gelder dienen dazu, die eigenen Aktivitäten oder die Verteidigung von Szeneangehörigen in Strafprozessen zu finanzieren. Ein Beispiel für eine bayerische linksextremistische Band, die auch außerhalb Bayerns auftritt, ist "Kurzer Prozess" aus Nürnberg. Sie propagiert Gewalt als ein legitimes Mittel im Kampf gegen Rechtsextremisten. Beispielsweise heißt es in einem ihrer Lieder: "...undesistvollokein paar Nazis zusammenzuschlagen..." Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 155 Linksextremismus Auch der bayerische Rapper Crument ruft in seinem Lied "Lieber wütend als traurig" zu Militanz auf: Rapper Crument "..ich schmeiß Mollis und Steine, setz Autos in Brand, schlag die Faust an die Wand, und schrei: Fick den Staat, fick das System, denn wir wollen lieber aufrecht sterben als gebückt geh'n...". Verharmlosung der Nach eigenen Aussagen will der Musiker über eine Revolution RAF eine klassenlose Gesellschaft erreichen. In seinem Lied "Ulrike" verharmlost Crument die von der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof begangenen Gewalttaten und rechtfertigt den RAF-Terrorismus. IN GEDENKENNAN DIE IM KAMPF GEGEN DEN IMPERIALISMUSÄGEFALLENEN Agitation gegen Auch die nicht gewaltorientierte linksextremistische Szene nutzt Bundeswehr Musik, um Jugendliche für ihre Ideologie zu gewinnen. Die der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) nahestehende Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) hat im Januar eine CD neu aufgelegt, die zur Verteilung auf Schulhöfen bestimmt ist. Die CD bezieht sich auf die Kampagne "Bundeswehr raus aus den Schulen' in der v. a. das Auftreten von Angehörigen der Bundewehr im Rahmen von Informationsveranstaltungen zur Berufswahl an Schulen kritisiert wird. 156 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus 6. Linksextremistische Parteien und Vereinigungen 6.1 Offen extremistische Strukturen in der Partei DIE LINKE. Innerhalb der Partei DIE LINKE. gibt es mehrere offen extremisKontakte zu tische Strukturen, die auf eine Überwindung der freiheitlichen gewaltorientierten Staatsund Gesellschaftsordnung abzielen. Sie stellen teilweise Autonomen die parlamentarische Demokratie infrage, sprechen der rechtsstaatlichen Ordnung die Legitimation ab oder unterhalten Kontakte zu gewaltorientierten Autonomen. Diese offen extremistischen Untergliederungen versuchen auf die Partei DIE LINKE. Einfluss zu nehmen. So spricht das trotzkistische Netzwerk marx21 etwa davon, "DIE LINKE zu einem Instrument für den Klassenkampf zu entwickeln" Von diesen offen extremistischen Strukturen sind in Bayern insbesondere die Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF), die Antikapitalistische Linke (AKL), die Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) sowie das trotzkistische Netzwerk marx21 aktiv. 6.1.1 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF) Die KPF ist nach wie vor der größte offen extremistische Zusammenschluss innerhalb der Partei DIE LINKE. Sie definiert sich in ihrer Satzung als ein "bundesweiter Zusammenschluss von Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei DIE LINKE." und hält weiterhin an marxistisch-leninistischen Positionen fest. Angestrebt wird die Überwindung des Kapitalismus als Gesellschaftssystem mit dem Ziel einer sozialistischen Gesellschaft. Auf ihrer Bundeskonferenz am 27. April bekräftigte die KPF Strukturelle ihre strukturelle Verankerung in der Partei DIE LINKE. und ihre Verankerung Bedeutung für die Wählermobilisierung unter anderem auch für die Wahl in Bayern zugunsten der Partei DIE LINKE.: Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 157 Linksextremismus "Die Zusammenschlüsse sind von Bedeutung für die inhaltliche Substanz der Partei und ihre Verankerung in der Bewegung. Die KPF nimmt in diesem Sinne ihre Verantwortung für die Wahlkampfmobilisierung zu den Bundestagswahlen, aber auch zu den Landtagswahlen in Bayern und Hessen, aktiv war. (...) Kommunistinnen und Kommunisten sind aktive Wahlkämpfer im Rahmen ihrer Basisorganisationen und gewinnen darüber hinaus Sympathisantinnen und Sympathisanten als Wähler und Wahlkämpfer der Partei." Bekenntnis zum In ihrer Satzung bekennt sich die KPF zum Internationalismus Internationalismus und wirbt für ein "breites Bündnis mit kommunistischen Parteien, Gruppen und Zusammenschlüssen sowie anderen linken Kräften" Besonderen Stellenwert nimmt für die KPF die "Solidarität mit dem sozialistischen Kuba" ein. Die KPF arbeitet weiterhin mit inländischen Linksextremisten und anderen offen extremistischen Zusammenschlüssen in der Partei DIE LINKE. zusammen. 6.1.2 Antikapitalistische Linke (AKL) Die AKL wurde im März 2006 durch den Aufruf "Für eine antikaEi pitalistische Linke" als loses Netzwerk innerhalb der damaligen "Linkspartei.PDS" gegründet. Unter den Unterzeichnern des Aufrufs sind auch Mitglieder anderer offen extremistischer Zusammenschlüsse in der Partei DIE LINKE. wie marx21, der DKP sowie verschiedener trotzkistischer Gruppierungen. AntikapitalisAm 9. November gab sich die AKL nach ihrer offiziellen Anerkentisches nung durch die Partei DIE LINKE. einen neuen "Grundlagentext Programm zum politischen Selbstverständnis" Darin wendet sich die AKL gegen einen "regierungsund parlamentsfixierten 'Pragmatismus' in der LINKEN" und setzt dem "ein antikapitalistisches Programm mit sozialistischem Ziel" entgegen. Die AKL glaubt, dass neben anderen auch "mit autonomen und selbstorganisierten Strukturen (...) eine politische Oppositionskraft erwachsen kann und 158 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus muss, für die Programm und Partei der LINKEN dann eine Heimat sein könnten". Der Zusammenschluss sieht somit die Möglichkeit der Einbindung auch von autonomen bzw. gewaltorientierten Personen in der Partei. Zur 1. Mai-Demonstration 2012 in Nürnberg trat die AKL Bayern neben zahlreichen autonomen Gruppen als Unterstützer des Aufrufs: "Die Welt in Aufruhr - für eine revolutionäre Perspektive! Antikapitalistisch, klassenkämpferisch, antipatriarchal. Für die soziale Revolution" auf. Die AKL befürwortet einen "neuen sozialistischen InternatiSolidarität mit onalismus" sowie die Solidarität mit dem kubanischen Regime. dem kubanischen Mit anderen offen extremistischen Zusammenschlüssen in der Regime Partei DIE LINKE. arbeitet die AKL zusammen. Die AKL verfügt in Bayern über einen Koordinierungsrat. 6.1.3 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) Die 1991 gegründete, bundesweit tätige Arbeitsgemeinschaft Cuba Si gliedert sich in Landesarbeitsgemeinschaften (LAG). Politische und materielle Solidarität mit dem sozialistischen Kuba sind Grundanliegen und wesentlicher Inhalt der Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft (AG). Die AG pflegt in besonderer Weise den kommunistischen Internationalismus und unterhält Kontakte zu zahlreichen kubanischen Internationalismus Organisationen und Einrichtungen, u.a. zur Kommunistischen Partei Kubas (PCC) sowie zum Kommunistischen Jugendverband Kubas (UJC). Die LAG Bayern befand sich 2013 im Aufbau. Regionalgruppen existieren in Coburg, Forchheim und Kitzingen. 6.1.4 marx21 Das trotzkistische Netzwerk marx21 ist die deutsche Sektion des Dachverbandes "International SocialistTendency" (IST) mit Sitz marxX21 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 159 Linksextremismus in London. Es handelt sich hierbei um die Nachfolgestruktur der trotzkistischen Gruppe "Linksruck? die aus der 1963 gegründeten "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG) hervorgegangen ist. marx21 fordert die Überwindung des nach seiner Ansicht nicht zähmbaren Kapitalismus. Klassenkampf Die unterdrückten Klassen sollen sich den gesellschaftlichen Reichtum kollektiv aneignen und die Produktionsmittel ihrer Kontrolle unterstellen. Der Koordinierungskreis von marx21 veröffentlichte auf der Homepage des Netzwerks eine "Strategie für eine klassenkämpferische und antikapitalistische LINKE" Dort heißt es unter anderem: "Die Arbeiterklasse kann dem Kapitalismus ein Ende bereiten, wenn sie durch Solidarität ihre kollektive Stärke zur Geltung bringt. Vor diesem Hintergrund wirkt das marx 21 Netzwerk darauf hin, DIE LINKE zu einem Instrument für den Klassenkampf zu entwickeln." Als publizistische Plattform dient dem Netzwerk das gleichnamige Magazin "marx217 das seit Februar deutschlandweit auch an Kiosken angeboten wird. In Bayern verfügt marx21 über eine Unterstützergruppe. 6.1.5 Linksjugend ['solid] Landesverband Bayern Die Mitglieder der 1999 gegründeten Linksjugend ['solid] linksjugend bezeichnen sich in ihrem Programm selbst als "SozialistInnen, [solid] (r)& KommunistInnen, AnarchistInnen" Sie beziehen sich unter anderem "positiv auf die emanzipatorischen Traditionen darin des Kommunismus" Das Programm sieht die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln vor. Die Linksjugend [solid] solidarisiert sich mit dem kommunistischen System in Kuba und fordert die Aufhebung aller Blockaden und Sanktionen. Antimilitarismus Im Januar gab die Linksjugend ['solid], gemeinsam mit der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), eine CD zum Thema Antimilitarismus heraus. Die Linksjugend ['solid] Bam160 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus berg veranstaltete unter dem Motto "Bundeswehr raus aus der Schulel" eine Kundgebung mit dem Zusatz "Kein Werben für's Morden und Sterben!" Die Linksjugend ['solid] München organisierte, unter anderen mit der autonomen Gruppierung Antifa-NT, ein bayernweites antifaschistisches Jugendcamp, das im September in der Nähe von Landshut stattfand. Der Landesverband verfügt in Bayern über Ortsgruppen in Augsburg, Bamberg, Bayreuth-Kulmbach, Coburg-Kronach-Lichtenfels, Hof, Ingolstadt, München, Nürnberg, Weiden, Weißenburg und Würzburg. 6.1.6 Die Linke. Sozialistisch-DemokratischerStudierendenverband (DIE LINKE.SDS) Landesverband Bayern Der 2007 gegründete Studierendenverband DIE LINKE.SDS ist laut Statut eine "Arbeitsgemeinschaft mit Sonderstatus der 4 Linksjugend ['solid] mit eigener Mitgliedschaft und Organisation" DIE LINKE.SDS orientiert sich ideologisch an der Lehre von Marx Außerparlamenund plädiert in ihrem Selbstverständnis für Außerparlamentarismus und Systarismus, Systemüberwindung und die Zusammenarbeit mit temüberwindung anderen Linksextremisten. Der Landesverband Bayern von DIE LINKE.SDS wurde am 30. Januar 2010 in Regensburg gegründet und verfügt über Ortsgruppen in Augsburg, Bamberg, Eichstätt, Erlangen, Ingolstadt, München, Nürnberg, Passau, Regensburg, Würzburg und Coburg. Am 30. Mai veranstalteten Aktivisten von DIE LINKE.SDS in Würzburg eine Spontandemonstration im Zusammenhang mit lokaler Hochschulpolitik. Dabei formierte sich in unmittelbarer Nähe ein "schwarzer Block" von ca. 50 Personen. Die schwarz gekleideten Aktivisten schwenkten Fahnen der autonomen Antifa. DIE LINKE.SDS distanzierte sich nicht von den Demonstranten und tolerierte die gewaltorientierten Linksextremisten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 161 Linksextremismus 6.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und Umfeld 6.2.1 DKP Deutschland Bayern I Mitglieder 3.500 340 Vorsitzender Patrik Köbele DKP Gründung Sitz 26.09.1968 Essen Nürnberg und München Publikationen Unsere Zeit (UZ) Rundbrief; Marxistische Auf Draht; Blätter DKP info; Rotes Echo Die DKP ist eine kommunistische Partei, die sich in einer Linie mit der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) sieht. Sie bekennt sich zum Marxismus-Leninismus und hat laut Parteiprogramm die Einführung des "Sozialismus/Kommunismus" zum Ziel. Die bundesweit organisierte Partei war bis 1989/90 von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) abhängig. Dem Bundesverband sind Bezirksorganisationen nachgeordnet, die weiter in Kreisund Grundorganisationen oder auch Betriebsgruppen untergliedert sind. In Bayern gibt es zwei Bezirksorganisationen (Nordund Südbayern) mit 15 Kreisverbänden. Rückkehr zu Seit 2009 gibt es in der DKP einen Richtungsstreit darüber, wie Marxismusdie Partei mehr politischen Einfluss gewinnen kann. Ein Flügel Leninismus der Partei spricht sich für eine Öffnung hin zu anderen gesellschaftlichen Gruppierungen aus. Der andere Flügel votiert für die Rückkehr zur unverfälschten Lehre des Marxismus-Leninismus mit der DKP als alleiniger Avantgarde der Arbeiterklasse. In Bayern ist keine geschlossene Positionierung erkennbar. Die Neuwahl des Parteivorstands am 2. und 3. März hat zu einer Verschiebung in der personellen Zusammensetzung der Leitungsgremien geführt. Durchgesetzt haben sich die Kräfte, 162 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus die für eine Rückkehr zur unverfälschten Lehre des MarxismusLeninismus mit der DKP als alleiniger Avantgarde der Arbeiterklasse plädieren. Leo Mayer aus München wurde als Mitglied des Bundesvorstandes bestätigt. Kerem Schamberger, neben Mayer weiterer Sprecher der DKP München, trat auf dem Parteitag als Redner auf. Durch aktive Mitarbeit übt die DKP auch auf Organisationen wie die VVN-BdA und das Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus Einfluss aus. Bei den Wahlen zum Bundestag sowie zum Bayerischen Landtag rief die DKP ihre Mitglieder dazu auf, die Partei DIE LINKE. zu unterstützen. 6.2.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Deutschland Bayern Mitglieder 500 110 Vorsitzender Kollektiver Bundesvorstand Gründung 04./05.05.1968 Sitz Essen Publikationen POSITION KONTRA! Die SDAJ ist nach ihrer Selbstdarstellung eine "bundesweite ReKR Er MN uameiua Ä IM ZUM TE Kom Organisation von Jugendlichen, die sich mit den Zuständen in ARTS y PL: Schulen, Betrieben, in dieser Republik und der 'Neuen Weltordnung' nicht abfinden" will. Sie ist marxistisch-leninistisch ausgerichtet: "Alle unsere Forderungen richten sich gegen die Herrschenden in dieser Gesellschaft, gegen die Kapitalisten. Verwirklichen können wir sie nur in einer Gesellschaft ohne Kapitalisten - im Sozialismus." Die SDAJ als ehemalige DKP-Jugendorganisation ist eine eigenständige Organisation. Sie ist aber weiterhin eng mit der DKP verbunden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 163 Linksextremismus Akzeptanz von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung schließt die SDAJ Gewalt nicht aus. Das wird in ihrer "Grundlagenschule" deutlich, die die SDAJ im Internet verbreitet und zu der sie mehrfach Veranstaltungen in München angeboten hat: "Als Faustregel kann gelten, dass die legalen Kampfformen voll ausgenutzt werden sollten, gleichzeitig aber auch die Vorbereitung auf die Anwendung illegaler Kampfformen stattfinden sollte." Solidaritätsprojekt 2013 organisierte die SDAJ ein bundesweites Solidaritätsprojekt für Kuba für Kuba unter der Bezeichnung 'Viva Cuba Socialista 2013" In sogenannten "Solidaritätsbrigaden" reisten SDAJ-Aktivisten nach Kuba. Die SDAJ sieht Kuba als Musterbeispiel eines sozialistischen Landes, in dem die Revolution triumphiert hat. Am 12. und 13. Oktober fand in Eschborn bei Frankfurt am Main der 21. Bundeskongress der SDAJ statt. Neben anderen Themen wurde der "Zusammenhang von Theorie und Praxis bei der Herausbildung von Klassenbewusstsein und der Rolle einer revolutionären Jugendorganisation in Reformkämpfen" diskutiert. Angehörige der SDAJ engagieren sich im Münchner Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz. 6.2.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Deutschland Bayern Mitglieder 5.800 700 Vorsitzende Prof. Dr. Heinrich Fink Cornelia Kerth Gründung 15.-17.03.1947 Sitz Berlin (Bundesgeschäftsstelle) Publikationen antifa Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus Die VVN-BdA ist die bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus. Sie arbeitet mit offen linksextremistischen Kräften zusammen. In der VVN-BdA wird nach wie vor ein kommunistisch orientierter Antifaschismus verfolgt. Diese Form des Antifaschismus dient nicht nur dem Kampf gegen den Rechtsextremismus. Vielmehr werden alle nicht-marxistischen Systeme - also auch die parlamentarische Demokratie - als potenziell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus betrachtet, die es zu bekämpfen gilt. Anhaltspunkte für die linksextremistische Ausrichtung der VVN-BdA zeigen sich immer wieder in Äußerungen des Bundesvorsitzenden der VVN-BdA, Prof. Dr. Heinrich Fink. Dieser war zu DDR-Zeiten "informeller Mitarbeiter" des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Magazin (r) derVVN-BdAfür antifaschistische bu Politik und Kultur Jan./Feb. 2013 www.vvn-bda.de EUR 2,5012137 ISSN 0863-2936 en WAREN: Es wird weiter abgeschoben 5.5 MI Akten bleiben zu 8.8 I Zeittafel 1932-34 8.13 I Knock out in Kiew? 8.21 ME Winter der Welt 8.26. Das Geheimgefängnis 5.278 HübscheKriege 8.31 Ein Strafverfahren gegen die militante Gruppe "Revolutionäre "Revolutionäre Aktionszellen" (RAZ), die beschuldigt wird, in den Jahren 2010 Aktionszellen" und 2011 Anschläge in Berlin, unter anderem einen Brandanschlag auf das Haus der Wirtschaft, begangen zu haben, beVerfassungsschutzbericht Bayern 2013 165 Linksextremismus zeichnete Fink als "durchschaubare Repressionsstrategie gegen die linke Bewegung" Außerdem forderte er die Generalstaatsanwaltschaft auf, das laufende Verfahren "umgehend einzustellen und die sofortige Entlassung eines Inhaftierten. Fink war zudem einer der Initiatoren einer Petition, die die Aufhebung des KPD-Verbotsurteils fordert. Die kommunistische KPD ist 1956 vom Bundesverfassungsgericht verboten worden. Die Landesvereinigung Bayern wird von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP beeinflusst. Beispielsweise trat ein Funktionär der VVN-BdA bei einer Veranstaltung der DKPSüdbayern am 24. April in München als Referent auf. "AntifaNeben autonomen Gruppierungen wie Antifa-NT war die Jugendcamps" VVN-BdA einer der Organisatoren eines sogenannten "AntifaJugendcamps das im September in der Nähe von Landshut stattfand. Auf dem Programm des Jugendcamps standen neben der Vermittlung marxistischer Theorien auch Rechtshilfeberatungen durch die Rote Hilfe und ein "Blockadetraining" Die bayerische Landesvereinigung der VVN-BdA hat gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht 2010 den Rechtsweg beschritten, der Bundesvorsitzende Fink gegen seine Nennung in den Verfassungsschutzberichten 2010 und 2011. Die gerichtlichen Entscheidungen stehen noch aus. 166 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus 6.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Deutschland Bayern Mitglieder 2.050 120 U d (mit REBELL) ie ee Vorsitzender Stefan Engel Gründung 1932 Sitz Gelsenkirchen München, Nürnberg Publikationen Rote Fahne (Zentralorgan); REVOLUTIONÄRER WEG (Theorieorgan); REBELL (Jugendmagazin); Galileo - streitbare Wissenschaft (Zeitung der MLPD-Hochschulgruppen) Die zentralistisch geführte MLPD ist eine kommunistische Kaderpartei, die Sozialismus im Sinn des Stalinismus und des Maoismus anstrebt. Ihr grundlegendes Ziel ist "der revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft" Im linksextremistischen Spektrum ist die MLPD aufgrund ihres dogmatischen Kommunismusverständnisses isoliert. Mit dem Frauenverband Courage e.V. sowie mit FreizeitangeboFrauenverband ten ihrer Jugendorganisation REBELL und ihrer KinderorganisaCourage e.V. tion ROTFÜCHSE versucht die MLPD Frauen, Jugendliche und Kinder an sich zu binden. Die Jugendorganisation REBELL und die Kinderorganisation ROTFÜCHSE veranstalteten vom 27. Juli bis 10. August in Thüringen, wie in den letzten Jahren, ein sog. Sommercamp mit 220 Teilnehmern. Im Sommercamp sollen junge Menschen an ein antidemokratisches, revolutionär-kommunistisches Politikverständnis herangeführt werden. Dabei wird Freizeiterlebnis mit politisch-ideologischer Unterweisung verknüpft. Dies steht in direktem Gegensatz zum demokratischen Erziehungsideal, der Erziehung zu freier Willensbildung und selbstbestimmtem Leben. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 167 Linksextremismus Mit 0,1% Zweitstimmenanteil bei der Bundestagswahl 2013 blieb die Partei bei Wahlen erneut bedeutungslos. Zur Landtagswahl in Bayern trat die Partei nicht an. 6.4_ Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus Das linksextremistisch beeinflusste Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus ist ein loser Zusammenschluss von Personen und Organisationen ohne feste Mitgliederstruktur. In ihm sind vor allem linksextremistische Parteien und Gruppierungen wie die DKP die SDAJ, die MLPD sowie die Antikapitalistische Linke München (AL-M) aktiv. Das Bündnis ist Organisator oder Unterstützer zahlreicher Demonstrationen, Mahnwachen und Informationsveranstaltungen. Außerdem dominiert es andere Protestbewegungen wie das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz, das die Proteste gegen die Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik koordiniert. Über das Thema Antimilitarismus versuchen die beteiligten Linksextremisten, demokratische Organisationen und Personen einzubinden. Maßgebliche Aktivisten des Münchner Bündnisses gegen Krieg und Rassismus sind Claus Schreer und Walter Listl, die auch in der Münchner DKP aktiv sind. Der DKP gelingt es dadurch, ihre Bündhnisstrategie zu verwirklichen. Proteste gegen Die Proteste gegen die Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik Münchner Sichersind in Bayern seit Jahren für die linksextremistische und linksextheitskonferenz remistisch beeinflusste Szene die größte Aktion mit dem höchsten Mobilisierungsund Teilnehmerpotenzial. Wie in den Vorjahren prägten auch 2013 linksextremistische Parteien und Vereinigungen, wie die AL-M, die DKP die SDAJ, die MLPD und der REBELL Nürnberg die Kundgebungen in der Münchner Innenstadt. An der Großdemonstration am 2. Februar nahmen bis zu 2.000 Personen (2012: etwa 2.100) teil, darunter rund 300 Autonome (2012: etwa 150). Schwarzer Block Die Autonomen marschierten vorwiegend in einem sogenannten Schwarzen Block, der sich als "Sammelpunkt revolutionärer, 168 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus antikapitalistischer Aktivisten" verstand. Organisiert wurde der Schwarze Block von der Gruppierung AL-M. Die Ex-RAF-Terroristin Inge Viett trat mit Duldung der Versammlungsleitung auf einer Zwischenkundgebung als Rednerin auf und sprach sich für den Aufbau einer "revolutionären Bewegung" aus. Vietts Auftritt verursachte einen Richtungsstreit innerhalb des Bündnisses, der zur Abspaltung mehrerer Personen und Organisationen führte. 6.5 Sonstige linksextremistische Organisationen GegenStandpunkt (GSP) Deutschland Bayern Mitglieder 4.000 500 Sitz München Publikationen GEGENSTANDPUNKT (Sozialistische HochschulZeitung) Der GSP setzt die Aktivitäten der Marxistische Gruppe (MG) fort, die im Mai 1991 ihre Selbstauflösung erklärt hat. Er ist eine straff geführte elitäre Gruppierung mit revolutionär-kommunistischen Zielvorstellungen, die sich selbst anderen linksextremistischen Gruppierungen überlegen sieht. Bundesweit gibt es lokale Gruppen, die in eine organisatorische Gesamtstruktur um die in München ansässige GegenStandpunkt Verlagsgesellschaft mbH eingebunden sind. Neben internen Mitgliederschulungen war der GSP in Bayern, Aktivitäten an wie zuvor die MG, öffentlich mit marxismustheoretischen Hochschulen Veranstaltungen u.a. an den Hochschulen München, Nürnberg und Regensburg aktiv, um neue Mitglieder zu rekrutieren. Die an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen aktive "sozialistische Gruppe Hochschulgruppe Erlangen/Nürnberg" ist ebenfalls dem GSP zuzurechnen. Sie ist Herausgeber der monatlich erscheinenden "Sozialistischen HochschulZeitung" Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 169 Linksextremismus Sozialistische Alternative (SAV) Deutschland Bayern Mitglieder 350 20 Gründung 1994 Sitz Berlin Publikationen Solidarität (mit Jugendbeilage megafon) Die orthodox-kommunistische SAV bekennt sich zu den Lehren Leo Trotzkis. Sie versteht sich gemäß Statut als "revolutionäre, sozialistische Organisation, (...) in den Traditionen der Ideen von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Luxemburg und Liebknecht" Ihr politisches Ziel ist der Aufbau einer sozialistischen Staatsordnung auf der Grundlage der Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum. Die SAV gliedert sich in Bundesleitung, Regionalund Stadtverbände sowie Ortsgruppen. In München und Nürnberg/Erlangen gibt es einen Stadtverband. Die SAV ist international im trotzkistischen Dachverband Committee for a Workers' International (CWI) organisiert. Der trotzkistischen Entrismusstrategie folgend engagieren sich Funktionäre und Aktivisten der SAV in anderen politischen und gesellschaftlichen Organisationen wie in der Partei DIE LINKE., um dort ihre ideologischen Vorstellungen zu verbreiten. Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Deutschland Bayern Mitglieder 100 90 Gründung 1973 Sitz München Der aus "Arbeiter-Basisgruppen" in München hervorgegangene AB ist eine revolutionär-marxistische Organisation, die die GrünVerfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus dung einer "revolutionären Partei in derTradition der verbotenen KPD" anstrebt. Sie beruft sich auf den Marxismus-Leninismus und die Ideen von Stalin und Mao Tse-tung. Ziel des AB ist die Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse" und die Errichtung einer "Diktatur des Proletariats" Über Informationsveranstaltungen und Kundgebungen in unmittelbarer Nähe zu Industriebetrieben versucht die Organisation eine Verbindung zur Arbeiterschaft herzustellen. So demonstrierten Aktivisten des AB in München, Ingolstadt und Regensburg vor den Fertigungsstätten mehrerer Kfz-Hersteller. Anlass war der vom AB gemeinsam mit sympathisierenden Gruppen aus dem Ausland organisierte sogenannte "Anachronistische Zug der zwischen 29. September und 8. Oktober von München nach Prag führte. Außerhalb Bayerns gibt es AB-Gruppen in Bremen, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Rote Hilfe e.V. (RH) Deutschland Bayern Mitglieder 6.000 Sitz Göttingen verschiedene (BundesgeschäftsOrtsgruppen stelle) u.a. Nürnberg und München Publikationen "DIE ROTE HILFE", info-Blatt der vierteljährlich OG München, unregelmäßig Der Arbeitsschwerpunkt des Vereins Rote Hilfe e.V. (RH) ist die finanzielle und politische Unterstützung von linksextremistischen Strafund Gewalttätern, mit deren ideologischer Zielsetzung sich die RH identifiziert. Dabei geht es ihr nicht um eine Resozialisierung von Straftätern, Unterstützung sondern um die Unterstützung gewaltbereiter Linksextremisten gewaltbereiter in ihrem Kampf gegen das politische System. Die Unterstützung Linksextremisten schließt auch ehemalige Angehörige terroristischer Vereinigungen ein. Die RH gewährt Beihilfen zu Anwaltsund ProzesskosVerfassungsschutzbericht Bayern 2013 171 Linksextremismus ten sowie zu Geldstrafen und Geldbußen. Mitglieder desVereins diskreditieren das deutsche Rechtssystem regelmäßig als "Instrument der politischen Unterdrückung" und der "Gesinnungsjustiz" Der Bundesvorstand der RH sprach im Zusammenhang mit der Strafverfolgung einer linksextremistisch motivierten Gewalttat vom 'Versuch systematischer Abschreckung junger, politisch engagierter Menschen" CD "Rote Hilfe Der Verein versucht, über Musik neue Anhänger und UnterstütSoli Sampler" zer zu finden. Im Internet bietet die RH eine CD mit dem Titel "Rote Hilfe Soli Sampler" an. Die Doppel-CD enthält 40 Lieder verschiedener Interpreten wie der linksextremistischen Nürnberger Band "Kurzer Prozess" In deren Lied "Ruhe im Gericht" heißt es: "Scheiß auf Gesetze und will Klassenkampf... Wir sind Massen wie ein Fels in der Brandung. Komm wir scheißen auf den Richter und sprengen die Verhandlung!" 7. Autonome, Anarchisten und Antideutsche 7.41 Beschreibung / Hintergrund Autonome 650 Autonome Autonome sind - überwiegend junge - qgewaltorientierte in Bayern Linksextremisten. Sie bilden den weitaus größten Teil des gewaltorientierten linksextremistischen Personenpotenzials. Zur autonomen Szene zählen bundesweit rund 6.200 Personen, in Bayern etwa 650. Autonome haben kein einheitliches ideologisches Konzept, sie folgen vielmehr anarchistischen und anarchokommunistischen Vorstellungen. Einig sind sich alle Autonomen in dem Ziel, den Staat und seine Einrichtungen - auch mit Gewalt - zu zerschlagen und eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" zu errichten. Sie rechtfertigen Gewalt als erforderliches Mittel gegen die "strukturelle Gewalt" eines "Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung" Gewalttätige Handlungen verstehen sie als Akt individueller Selbstbefreiung von den Herrschaftsstrukturen. Dazu gehören Brandstiftungen, Sabotage, Hausbesetzungen und militante Aktionen bei Demonstrationen. 172 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus Autonome versuchen, auch demokratische Protestbewegungen für ihren Kampf gegen den Staat zu mobilisieren. Anarchisten Anarchismus ist eine Sammelbezeichnung für politische Auffassungen und Bestrebungen, die auf die Abschaffung jeglicher Staates Herrschaft von Menschen über Menschen abzielen. Allen anarchistischen Strömungen ist die Forderung gemein, den Staat als Herrschaftsinstitution abschaffen zu wollen - und zwar unabhängig von einer demokratischen oder diktatorischen Ausrichtung. Häufig schließt eine solche Auffassung einen grundsätzlichen Antiinstitutionalismus ein. Anarchisten sehen Bürokratien, Kirchen, Parteien, Parlamente und Vereine als Einrichtungen, die einem freiwilligen Zusammenschluss von emanzipierten und mündigen Menschen entgegenstehen. Diese Ablehnung von Hierarchie und Unterordnung hat zur Folge, dass Anarchisten sich selbst in der Regel nur schlecht organisieren können, lediglich lose strukturierte Gruppierungen bilden und die Gründung einer anarchistischen Partei ablehnen. Antideutsche Bei den so genannten Antideutschen handelt es sich um eine Strömung innerhalb des linksextremistischen Spektrums, die einem deutschen Staat jede Existenzberechtigung abspricht, da sie von einem spezifisch deutschen Faschismus ausgeht. Antideutsche erachten den "deutschen Faschismus" als besonders aggressiv. Den Grund dafür sehen sie in der deutschen Vergangenheit, insbesondere in dem damals auf Vernichtung ausgerichteten Antisemitismus. Der Holocaust des Dritten Reiches hat nach Ansicht der Antideutschen zur Folge, dass bis zur weltweiten Überwindung des Antisemitismus Israel als einziger Staat eine "Existenzberechtigung"" habe. Damit vertreten Antideutsche im Gegensatz zu traditionellen Linksextremisten eine klare pro-israelische und pro-amerikanische Haltung. Das antideutsche Politikverständnis zieht zum einen Linksextremisten aus dem revolutionär-marxistischen Spektrum an, die sich an der Lehre von Karl Marx orientieren und Wert auf ideologische Ausbildung, z.B. in Form von Seminaren und Vortragsveranstaltungen, legen; zum anderen fühlen sich auchTeile Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 173 Linksextremismus der autonomen Szene vom extremen Antifaschismusverständnis der antideutschen Strömung und der Israel-solidarischen Haltung angesprochen. 7.2 Organisationen Organisierte Autonomie (OA) ar Gründung ca. 1993 Sitz Nürnberg Publikationen barricada - zeitung für autonome ORGANISIERTE Maar A U TONONME politik und kultur Die OA ist ein Zusammenschluss eigenständiger autonomer Gruppen, der sich als offenes Projekt versteht. Dabei spiegelt der Name den Widerspruch zwischen jeglicher Ablehnung von Strukturen einerseits und dem erforderlichen Mindestmaß an Organisation zur Zielerreichung andererseits wider. In ihrer Selbstdarstellung tritt die OA für eine kommunistische Gesellschaftsordnung ein, die im kontinuierlichen Kampf gegen die herrschende Ordnung erreicht werden soll. Das von der OA verfolgte linksextremistische Antifaschismusverständnis wird in einer von ihr herausgegeben Broschüre deutlich: "Faschismus ist kein geschichtlicher Betriebsunfall, sondern ein gern genutztes Mittel der herrschenden, kapitalistischen Klasse zur Aufrechterhaltung ihres menschenverachtenden Systems". KOMM e.V. Die OAnutzt Treffund Veranstaltungsörtlichkeiten im Nürnberger Stadtteil Gostenhof. Zu diesen gehört das Selbstverwaltete Kommunikationszentrum Nürnberg e.V. (KOMM e.V.), das Anlaufstelle für viele linksextremistische Gruppierungen ist. In Gostenhof veranstaltet die OA auch ihre jährliche "revolutionäre 1. Mai-Demonstration" und das im Anschluss daran stattfindende "Internationalistische Straßenfest!" An der Demonstration im Jahr 2013 nahmen bis zu 2.500 Personen teil, darunter etwa 400 der linksextremistischen bzw. autonomen Szene. Neben der 174 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus OA beteiligten sich u.a. auch Unterstützer der SDAJ, der DKP der Antifaschistischen Linken Fürth (ALF) und der Jugendantifa Fürth (JAF). GC dem imperialistischen CC Antifaschistische Linke Fürth (ALF) und Jugendantifa Fürth (JAF) Gründung 2005 ALF; 2009 JAF Sitz Fürth Das Antifaschismusverständnis der ALF zielt auf die Überwindung des bestehenden Systems als angebliche Ursache faschistischer Erscheinungsformen ab. N N vo" IBERTY 7 Fund ET *%%* JUGENDANTIFA FÜRTH Anlassbezogen wirkt die ALF auch in regionalen nicht-extremistÜberwindung schen Bündnissen mit. Auf eine Initiative der ALF geht die Gründer staatlichen dung der JAF zurück. Durch die JAF werden junge Menschen an Ordnung die autonome Szene in Fürth herangeführt. Auch die JAF versteht unter Antifaschismus weit mehr als nur einen Kampf gegen Rechtsextremismus. Nach ihrem Verständnis muss Antifaschismus immer auch das Ziel haben, die kapitalistischen Verhältnisse und die bestehende staatliche Ordnung zu überwinden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 175 Linksextremismus Beide Gruppierungen riefen zurTeilnahme an der "Antikapitalistischen Vorabenddemonstration zum 1. Mai" in Fürth auf, an der sich ca. 150 Personen vorwiegend aus dem linksextremistischen Spektrum beteiligten. Antifa-NT Gründung bekannt seit 2006 Sitz München Die Gruppe Antifa-NT vertritt einen autonomen Antifaschismus, der darauf abzielt, die bestehende Gesellschaftsordnung durch eine klassenlose Gesellschaft zu ersetzen. Antifa-NT nutzt die Räumlichkeiten des Kafe Marat, das Teil eines selbstverwalteten Kulturzentrums ist. Das Kafe Marat dient Linksextremisten, insbesondere Autonomen, als Treffpunkt, logistisches Zentrum und Informationsbörse. Daneben nutzen auch andere nicht-extremistische kulturelle und gesellschaftliche Gruppen das Kafe Marat fürTreffen und Veranstaltungen. er ta Antikapitalistische Linke München (AL-M) : \chntikapitalistischekinke, Mine fen Gründung 2011 Ki zur Sitz München Die AL-M ist revolutionär-kommunistisch ausgerichtet und folgt dabei marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Ideologieelementen. Errichtung eines Nach ihrer Selbstdarstellung ist ihr Ziel die Beseitigung des Kommunistischen demokratischen Verfassungsstaates und die Errichtung eines Systems kommunistischen Systems: 176 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Linksextremismus "...Notwendig ist: die Revolution. ... Die revolutionäre Theorie, um die Welt zu begreifen und sie zu verändern, ist der Marxismus. Die einzige Alternative zum heutigen Kapitalismus ist eine andere Gesellschaft: Der Kommunismus - dafür kämpfen wir." Die AL-M ist ein Bindeglied zwischen dem traditionell kommuMobilisierungsnistisch ausgerichteten Spektrum des Linksextremismus und plattform Internet der autonomen Szene. Die Internetseite der ALM dient als Mobilisierungsplattform für das gesamte linksextremistische Spektrum in München. Dort wird nicht nur zu autonomen Gruppen wie Antifa-NT verlinkt, sondern auch zu linksextremistischen Parteien und Organisationen wie der Roten Hilfe und der SDAJ München. Die Gruppierung ist bei mehreren Themen, die von Linksextremisten besetzt werden, aktiv, z.B. bei Aktionen zum Antimilitarismus. Sie war federführend bei der Organisation des Schwarzen Blocks im Rahmen der Proteste gegen die Sicherheitskonferenz im Februar in München. Gegen Widerstände im Aktionsbündnis setzte die AL-M die Rede der Ex-RAF-Terroristin Inge Viett durch. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 177 Linksextremismus Bayern hält an der Beobachtung der Scientology-Organisation fest Versuche von Scientology, Kontakt mit bayerischen Politikern und Behörden aufzunehmen, auch 2013 erfolglos Scientology bewirbt seine Drogenpräventionskampagne in bayerischen Kliniken Die Scientology-Organisation (SO) ist eine internationale Organisation, die zum einen auf finanzielles Gewinnstreben ausgerichtet ist und zum anderen ein weltweites, unumschränktes Herrschaftssystem nach eigenen Vorstellungen errichten möchte. An die Stelle des Demokratieprinzips und der Grundrechte soll ein auf Psycho-Technologien und der bedingungslosen Unterordnung des Einzelnen beruhendes totalitäres Herrschaftssystem unter scientologischer Führung treten. Die SO ist somit nicht nur eine Gefahr für Einzelne, die in die Fänge und den Einflussbereich der Organisation zu geraten drohen, sondern stellt auch das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland und die staatliche Garantie der Grundrechte in Frage. Schon in seinem Grundlagenwerk "Dianetik" aus dem Jahr 1950 wies der Gründer der SO, Lafayette Ron Hubbard, auf die politische Relevanz seiner Lehre hin. Nach seinen bis heute unveränderten und für alle Scientologen verbindlichen Vorstellungen soll eine ausschließlich nach scientologischen Richtlinien funktionierende Welt geschaffen werden. Mit harten psychound sozialtechnischen Instrumenten will die Organisation nicht nur den einzelnen Menschen steuern, sondern durch Einflussnahme auf Staat, Politik und Wirtschaft in die Gesellschaft eindringen, um sie den scientologischen Zielen zu unterwerfen. Programmatik und Aktivitäten der SO sind mit den Grundprinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. Die SO > will ein scientologisches Rechtssystem etablieren, in dem es keine Menschenund Grundrechte gibt, > missachtet die Menschenwürde (Artikel 1 des Grundgesetzes) und den Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 des Grundgesetzes), da sie nur Scientologen Rechte zugesteht, Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 179 Scientology-Organisation > missachtet das Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Artikel 5 des Grundgesetzes), da sie Kritik mit allen - auch illegalen - Mitteln unterdrücken will, > baut auf ein totalitäres Herrschaftssystem, das Gewalt und Willkürherrschaft einschließt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Urteil vom 12. Februar 2008 festgestellt, dass > tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die SO Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, > zahlreiche Hinweise ergeben, dass die SO eine Gesellschaftsordnung anstrebt, in der zentrale Verfassungswerte außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden, > der Verfassungsschutz die Organisation daher - auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln -- beobachten darf. 180 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Scientology-Organisation 1. Personenpotenzial Deutschland Bayern Mitglieder 4.000 etwa 1.200 Vorsitzender Helmut Blöbaum Nina Malessa Gründung München 1972 Nürnberg 1972 ("Scientology ("Scientology Kirche Deutschland Kirche Bayern e.V.") e.V.") Sitz München München (in Deutschland unselbständige Teilorganisationen) Publikationen Freiheit; Impact; Ursprung; Source u.a. Die Mitgliederzahl der SO in Bayern ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Seit 2009 hat die Organisation rund 30 Prozent ihrer Mitglieder verloren, aktuell verfügt sie noch über etwa 1.200. Staatliche Aufklärungsarbeit und kritische Darstellungen in den Medien haben die SO und deren Ziele für die Öffentlichkeit transparent gemacht und erschweren es ihr, neue Mitglieder zu gewinnen. Die Organisation versucht jedoch weiterhin -- insbesondere durch Infostände und Kampagnen ihrer Tarnorganisationen - die Bevölkerung von ihren Zielen zu überzeugen. Bayern hält daher an der Beobachtung der SO fest. 2. Aktionen und Aktivitäten 2.1 Bayerische Behörden und Politiker werden vermehrt von scientologischen Tarnorganisation kontaktiert Die SO hält an ihrer Strategie der gesellschaftspolitischen Einflussnahme fest und verfolgt sie auch in Bayern weiter. Mit Hilfe ihrer Tarnorganisationen versuchte die SO wiederholt, mit bayerischen Behörden und Politikern in Kontakt zu treten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 181 Scientology-Organisation KVPM Der Präsident der SO-Tarnorganisation Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte in Deutschland (KVPM) wandte sich schriftlich an bayerische Polizeibehörden, um auf Gewalttaten hinzuweisen, die angeblich durch die Einnahme von Psychopharmaka induziert werden. In seinem Schreiben forderte er sowohl die Einrichtung eines Registers zur Erfassung dieser Gewalttaten als auch die routinemäßige Prüfung entsprechender Zusammenhänge bei polizeilichen Ermittlungen. Mit der KVPM richtet sich die SO mit aggressiver Kritik sowohl gegen die Psychiatrie im Allgemeinen als auch gegen einzelne psychiatrische Kliniken und deren ärztliche Leiter. Die angeschriebenen Polizeibehörden reagierten nicht auf das Schreiben der KVPM. Stiftung Mit dem Ziel, die Stiftung "Der Weg zum Glücklichsein" vorzu"Der Weg zum stellen, wandte sich eine Scientologin an den Vorsitzenden eines Glücklichsein" Bezirksausschusses (BA) in München. Die Stiftung ist eindeutig der SO zuzurechnen. Der BA-Vorsitzende lehnte sowohl die Zusendung von Informationsmaterial, als auch die persönliche Vorstellung der Stiftungstätigkeit ab und sensibilisierte die übrigen BA-Vorsitzenden. Aufgrund der Aufklärungsarbeit staatlicher Behörden über die Vorgehensweise der SO laufen die Kontaktaufnahmeversuche der SO in der Regel ins Leere. 2.2 _Scientology-Tarnorganisation NARCONON bewirbt ihre Drogenpräventionskampagne auch an bayerischen Kliniken Flyer der SO-Tarnorganisation NARCONON, die für die Kamnarerion pagne "Sag nein zu Drogen" werben, wurden an bayerischen Kliniken aufgefunden. Offensichtlich hatten NARCONONAktivisten diese dort abgelegt. Ziel von NARCONON ist es nicht, Drogenabhängigen zu helfen, sondern deren leichtere Beeinflussbarkeit auszunutzen und sie so langfristig an die SO zu binden. Gerade Jugendliche, die durch Internetrecherchen, z.B. für Referate zur Modedroge Crystal auf die Internetseite stoßen, könnten in Unkenntnis des SO-Hintergrundes das Angebot zunächst für vielversprechend halten. 182 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Scientology-Organisation Der Flyer verweist auf den jugendgerecht gestalteten Internetauftritt der Kampagne, dessen Zusammenhang mit der SO vordergründig nicht ersichtlich ist. Auf der Internetseite können kostenlos Infohefte, insbesondere für Schulen und Unterricht, bestellt werden. Das Internet wird von der SO zunehmend als zentrale Werbeplattform genutzt. Auf technisch aufwändig gestalteten Internetseiten bietet die SO in mehreren Sprachen Informationen zu ihrer Geschichte, ihren Zielen und Teilorganisationen sowie zu den von ihr geförderten Programmen an. Insbesondere junge Menschen sollen dadurch angesprochen werden. Es ist damit zu rechnen, dass NARCONON weeiterhin versuchen wird, in Institutionen wie Krankenhäusern, Gesundheitsämtern und Schulen ihre Flyer auszulegen. 3. Organisationsstruktur Religious Technology Center Los Angeles/USA Sa ICHURK [OR SCIENLCLGEN m Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 183 Scientology-Organisation Scientology Kirche u i ws Bayern e.V. Kern ist der Church Bereich, der in "Kirchen" (Org), Missionen und Celebrity Centres gegliedert ist. Dachverband in Deutschland ist die "Scientology Kirche Deutschland e.V" (SKD), in Bayern existiert parallel dazu die "Scientology Kirche Bayern e.V." (SKB). Beide haben ihren Sitz in München. In München gibt es zudem eine Mission und ein Celebrity Centre (vorgesehen für Prominente). In Deutschland gibt es insgesamt neun Missionen, sechs in Baden Württemberg sowie je eine in Bremen, Hessen und in München West, die im Herbst 2012 neue Räumlichkeiten bezogen hat. In der SO Hierarchie stehen die Missionen unterhalb der Org und können nur grundlegende Dienstleistungen anbieten. Das World Institute of Scientology Enterprises (WISE) ist ein fran- & WISE chiseähnlicher Zusammenschluss von Unternehmen, die durch Lizenzverträge an die SO gebunden sind und nach deren Methoden arbeiten. WISE hat zum Ziel, die Wirtschaft zu unterwandern und Gewinne durch den Verkauf von SO-Management-Techniken an Unternehmen zuerwirtschaften. WISE Unternehmen sind vor allem in der Immobilienbranche sowie in der Unternehmensund Personalberatung aktiv. Darüber hinaus versucht die SO verstärkt, Einfluss auf die IT-Branche zu gewinnen, die Zugang zu den sensibelsten Daten und Unternehmensbereichen eröffnen kann. ABLE Durch die Associaton for Better Living and Education (ABLE) versucht die SO, sich auch als soziale Organisation darzustellen. Zu ABLE gehören u.a. die vermeintliche Hilfsorganisation für Drogenabhängige NARCONON und das Ausbildungsprogramm Applied Scholastics. Aus Sicht der SO sind Betroffene hier leichter zu beeinflussen und für die Lehre der SO zu gewinnen. Jugend für Die KVPM-Initiative "Jugend für Menschenrechte" soll JugendMenschenrechte liche für die Themen der SO begeistern und mit aktiver Nachwuchsgewinnung sinkenden Mitgliederzahlen entgegen wirken. 184 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Scientology-Organisation Innerhalb des streng hierarchischen Aufbaus der SO gibt es Geheimdienst zahlreiche Überwachungseinrichtungen und einen eigenen der SO Geheimdienst, das Office of Special Affairs (OSA). Diese sollen Informationen über Kritiker, Behördenangehörige und andere Gegner sammeln, auswerten und als Druckmittel verwenden. Die OSA Einheit für Deutschland (Department of Special Affairs - DSA) ist zwar strukturell bei der "Scientology Kirche Deutschland e.V." angesiedelt, aber im Herbst 2012 an den Sitz der "Scientology Kirche Bayern e.V." umgezogen. Hubbard sah in der OSA hauptsächlich das Ziel: u... Behörden und ...Denkmodelle oder Gesellschaften in einen Zustand völliger Übereinstimmung mit den Zielen der SO zu bringen. ... Dies geschieht durch die hochrangige Fähigkeit zur Steuerung und -falls sie nicht gegeben ist - durch die weiter unten angesiedelte Fähigkeit zur Überwältigung." Hubbard Anweisung vom 15. August 1960 Im Allgemeinen treten SO-Einrichtungen überwiegend offen auf Nebenund bzw. versuchen nicht, ihre Verbindung zur SO zu verschleiern. Tarnorganisationen Daneben bedient sich die SO allerdings auch Nebenund Tarnorganisationen, die auf den ersten Blick keinen Zusammenhang mit der SO erkennen lassen, mit denen aber Botschaften zu unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Themen transportiert werden sollen. SO-Einrichtungen versuchen oft, auf folgenden Wegen einen Kontaktaufnahme ersten Kontakt herzustellen: " Veranstaltungen und Info-Stände in Fußgängerzonen " Ansprechen auf der Straße mit dem Angebot, einen Persönlichkeitstest zu machen " _Zusenden von Werbematerial " Angebote an Unternehmen zu Betriebsführungstechniken und Kursen zur Persönlichkeitsveränderung " Angebote auf dem Nachhilfemarkt " _Kontaktaufnahmen in sozialen Netzwerken wie facebook und youtube Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 185 Scientology-Organisation Ideale OrgIm Rahmen ihrer Ideale Org-Kampagne will die SO weltweit Kampagne in Städten, die sie für sich als politisch und wirtschaftlich bedeutsam einschätzt, große und repräsentative Niederlassungen (Ideale Orgs) aufbauen bzw. bereits bestehende vergrößern. Diese Idealen Orgs sollen politischen Einfluss nehmen (u.a. durch Standorte in Regierungs-/Parlamentsnähe). In Deutschland existieren bislang zwei "Ideale Orgs" Die SONiederlassung in Berlin wurde 2007 eröffnet, seit Januar 2012 gibt es auch in Hamburg eine Ideale Org. Damit wurden die Vorgaben des internationalen Managements der SO erfüllt, das dieses Projekt nach wie vor als wichtigen Bestandteil seiner weltweiten Expansionsbestrebungen betrachtet. Spendenaufrufe In München finden nach wie vor Ideale OrgVeranstaltungen statt, die gemeinsam von der Org München und dem Celebrity Centre organisiert werden. Dabei kommt es regelmäßig zu Spendenaufrufen für die Finanzierung eines Gebäudekaufs. Allerdings ist es nicht zuletzt wegen der rückläufigen Mitgliederzahl unwahrscheinlich, dass der für den Kauf benötigte Geldbetrag allein durch Spenden aufgebracht werden kann. 4. Aussteiger Freie Zone In den letzten Jahren verließen weltweit mehrere hochrangige und prominente SO-Mitglieder aus unterschiedlichen Motiven die SO.Teils distanzieren sich diese Aussteiger nur von der Organisation, nicht aber von der Lehre Hubbards. In der sogenannten "Freien Zone" haben sich Scientologen zusammengeschlossen, die für sich in Anspruch nehmen, im Gegensatz zur SO in ihren Ausbildungskursen der "ursprünglichen Lehre von Hubbard" zu folgen. Dem Hubbard-Nachfolger David Miscavige werfen sie vor, Hubbards Schriften nachträglich gefälscht zu haben. Personen, die sich der "Freien Zone" anschließen, fällt der Ausstieg aus dem System Scientology relativ leicht, sie gelten eher als "Umsteiger" SO-Mitglieder, die die Wirksamkeit der Lehre Scientology anzweifeln, fällt der endgültige Ausstieg dagegen extrem schwer. Meist haben sie sich in dem Kurssystem der Organisation 186 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Scientology-Organisation verfangen und stehen aufgrund der hohen Kursgebühren vor dem finanziellen Ruin. Durch die in den Sitzungen erzwungenen Aussagen über ihr Privatleben haben sie der SO eine lückenlose Kontrolle ihrer Persönlichkeit und ihres Lebens ermöglicht. Ihre Ängste vor dem Ausstieg werden meist durch Mitarbeiter der SO geschürt, die ihnen einzureden versuchen, dass sie außerhalb der SO nicht lebensfähig seien. Aussteiger, die sich in der Öffentlichkeit nicht nur kritisch gegenüber der SO äußern, sondern sich aktiv gegen sie wenden, werden von der SO als "unterdrückerische" "antisoziale" oder "geisteskranke" Personen diffamiert und müssenmit Verfolgung und Bedrohung rechnen. Aussteiger müssen befürchten, von der Organisation mit Aussagen über ihr Privatleben erpresst zu werden. Dabei macht die SO auch nicht vor den nächsten Angehörigen und dem persönlichen Umfeld des Betroffenen halt. Allen Aussteigern und Betroffenen stehen bundesweit zahlreiche Institutionen und private Initiativen zur Verfügung, die Aussteiger Ratsuchenden eine erste pädagogisch-psychologische Beratung, Unterstützung und Krisenhilfe anbieten. Die Beratungsstellen sind auf der Internetseite des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr aufgelistet: www.innenministerium.bayern.de Vertrauliches Telefon Für Opfer und Aussteiger der SO sowie für Angehörige von SO Mitgliedern unterhält das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ein vertrauliches Telefon; dort können Hinweise zur SO gegeben werden: Telefon: 089 / 3120 1296 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 187 Scientology-Organisation Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, Cyber-Allianz-Zentrum (CAZ) < Bedrohung von Politik und Wirtschaft durch elektronische Angriffe nimmt weiter zu < Bayerische Wirtschaftsunternehmen stehen weiterhin im Fokus ausländischer Nachrichtendienste < Seit Betriebsaufnahme des Cyber-AllianzZentrums hohe Anzahl der Anfragen aus der Wirtschaft Die Nachrichtendienste vieler Staaten haben die Aufgabe, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militärtechnologie anderer Länder auszuforschen. Ihr Ziel ist es, entweder die Erkenntnisse selbst zu nutzen oder die Möglichkeit zu haben, andere Staaten zu sabotieren. Dabei werden deutsche Interessen sowohl in Deutschland als auch weltweit ausspioniert. Auch elektronische Angriffe auf die Kommunikation von Regierungseinrichtungen gehören zum allgemeinen Repertoire von ausländischen Nachrichtendiensten. Politische Spionage ist auf die Außen-, Europaund Bündnispolitik sowie die Wirtschaftsund Energiepolitik Deutschlands ausgerichtet. Wie intensiv ein Staat Wirtschaftsspionage betreibt, ist abhängig von seiner eigenen wirtschaftlichen Lage. Wirtschaftlich weniger entwickelte Staaten spionieren in erster Linie Produkte und Fertigungsprozesse aus. Zum "Nulltarif" wollen sie an das Know-how gelangen. Wirtschaftlich hochentwickelte Staaten wollen darüber hinaus auch an strategische Informationen gelangen, um die eigene Wirtschaft im globalen Wettbewerb besser stellen zu können. Um an die Informationen zu kommen, werden Computersysteme von Behörden, Hochschulen und Wirtschaftsuntenehmen zunehmend elektronisch angegriffen. Die Diskussion über das Thema NSA zeigt, dass elektronische Angriffe aus vielen Richtungen kommen können und wir deshalb im Rahmen der Prävention Abwehrmechanismen in Politik und Wirtschaft implementieren müssen, die unabhängig von der Herkunft des Angriffs Schutzwirkung entfalten. Spionage - vor allem Wirtschaftsspionage - verursacht in Deutschland jährlich Schäden in Milliardenhöhe und gefährdet Arbeitsplätze. Gerade auch bayerische Firmen und Hochschuleinrichtungen stehen wegen ihrer Innovationskraft in nahezu allen Branchen und Forschungsbereichen im Blickfeld ausländischer Nachrichtendienste. Besonders gefährdet sind kleine und mittelständische Firmen, die Spitzentechnologie entwickeln oder produzieren, da sich diese oft noch nicht ausreichend vor Spionageangriffen schützen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 189 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz Der bayerische Verfassungsschutz, der für die Spionageabwehr zuständig ist, sieht daher eine seiner wichtigsten Aufgaben im Wirtschaftsschutz. Schwerpunkt ist hier neben der Prävention die Abwehr elektronischer Angriffe, für die im Juli 2013 das CyberAllianz-Zentrum Bayern (CAZ) eingerichtet wurde. Das wirksamste Mittel gegen elektronische Angriffe ist ein Know-how-Schutz, der an den Schutzstrukturen möglicher Spionage-Objekte ansetzt. Neben Spionageaktivitäten bemühen sich einige Länder darum, in den Besitz von Technologien für atomare, biologische oder chemische Massenvernichtungswaffen mit den erforderlichen Trägersystemen zu gelangen (Proliferation). 190 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 1. Spionageaktivitäten ausländischer Nachrichtendienste Viele ausländische Nachrichtendienste arbeiten getarnt in Legalresidenturen Deutschland. Unter dem Deckmantel einer offiziellen (z.B. Botschaft oder Generalkonsulat) oder halboffiziellen (z.B. Presseagentur) Vertretung unterhalten sie Legalresidenturen. Dort tarnen die Nachrichtendienste ihre Mitarbeiter z.B. als Diplomaten oder Journalisten, die entweder Informationen selbst beschaffen oder nachrichtendienstliche Operationen, die direkt aus den Heimatländern geführt werden, unterstützen. Zu den Aufgaben der Nachrichtendienstmitarbeiter gehört es auch, z.B. Messen oder Vortragsveranstaltungen zu besuchen. Dabei knüpfen sie viele Kontakte zu Gesprächspartnern mit dem Ziel, Informationen möglichst längerfristig abzuschöpfen. Beschaffungsmethoden fremder Nachrichtendienste Offene Beschaffung Konspirative Beschaffung " Auswertung offener Quellen >" Einsatz menschlicher > __Gesprächsabschöpfung Quellen > Teilnahme am WirtEinsatz technischer Mittel schaftsleben " Umgehung von Ausfuhrbeschränkungen 1.1 Russische Föderation Aufgabe russischer Nachrichtendienste ist es, neben den politiGesetzlicher schen auch die wirtschaftlichen Interessen Russlands weltweit Auftrag zur voranzutreiben. Die russische Wirtschaft profitiert in erheblichem WirtschaftsMaß davon, dass alle russischen Nachrichtendienste gesetzlich spionage dazu verpflichtet sind, Wirtschaftsspionage zu betreiben. Russland setzt vor allem drei Nachrichtendienste ein. Ziviler Auslandsnachrichtendienst (SWR) Der SWR ist zuständig für Spionage in den Bereichen Politik,Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie. Darüber hinaus forscht er Ziele und Arbeitsmethoden westlicher Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden aus; dazu führt er auch elektronische Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 191 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz Fernmeldeaufklärung durch. Zur Informationsbeschaffung setzt der SWR sog. Illegale ein, d.h. Nachrichtendienstoffiziere, die unter Verwendung falscher Identitäten langfristig in die Zielländer eingeschleust werden und dort möglichst unauffällig am sozialen Leben teilnehmen. Haftstrafen wegen Solche Illegale waren z.B. ein russisches Ehepaar, gegen das Agententätigkeit die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof im September 2012 Anklage wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und mittelbarer Falschbeurkundung erhoben hatte. Das Ehepaar, das 2011 in Baden-Württemberg und Hessen festgenommen wurde, war vor über 20 Jahren über Südamerika nach Deutschland eingeschleust worden. Der SWR hatte sie dafür eingesetzt, einen ehemaligen Diplomaten als Agenten zu führen. Der Niederländer war zuletzt im niederländischen Außenministerium beschäftigt und hatte Zugang zu amtlichen Dokumenten von EU und NATO. Das russische Ehepaar wurde im Juli 2013 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, der enttarnte Niederländer im April zu zwölf Jahren Gefängnis. Inlandsnachrichtendienst (FSB) Hauptaufgaben des FSB sind die zivile und militärische Spionageabwehr, er hat dazu umfangreiche Befugnisse. Auch ausländische Staatsangehörige können in das Blickfeld des FSB geraten und gezielt überwacht werden, wenn sie in Russland Internet oder Telefon nutzen. Der FSB hat Zugriff auf den Datenverkehr, der über russische Provider abgewickelt wird, und Zugang zu Datenbankenrussischer Telefongesellschaften. Militärischer Auslandsnachrichtendienst (GRU) Der GRU hat die Aufgabe, das gesamte sicherheitspolitische und militärische Spektrum aufzuklären. Dazu spioniert er Bundeswehr, NATO und andere westliche Verteidigungsstrukturen genauso wie militärisch nutzbare Technologien aus. 192 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 1.2 Volksrepublik China Die Kommunistische Partei Chinas (KPC) setzt zur Stabilisierung ihres Machtanspruchs gezielt den umfangreichen Sicherheitsapparat ein. Die Nachrichtendienste sollen einen Beitrag für den Erhalt der sozialen Stabilität leisten und gleichzeitig wirtschaftliche Interessen fördern. Zur Beschaffung von Spitzentechnologie aus dem Westen setzt China auf großangelegte Spionage in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie. Chinesische Nachrichtendienste im Visier versuchen, am Hochtechnologiestandort Bayern entsprechendes Know-how insbesondere aus den Bereichen erneuerbare Energien, Elektromobilität, Umwelttechnik sowie Informationsund Militärtechnologie zu beschaffen. Hierfür nutzen sie in erster Linie Kontakte zu Vertretern von Behörden und Unternehmen oder Wissenschaftlern, um an sensible Informationen zu gelangen. Neben Nachrichtendienstmitarbeitern an Legalresidenturen Überwachung setzt China zur Informationsbeschaffung auch in Deutschland von Geschäftslebende Chinesen ein, die sich hier als Ingenieure, Gastwisreisenden senschaftler, Praktikanten oder Studenten aufhalten. Für die Anwerbung und Abschöpfung nutzt China die Kontakte von Visumsantragstellern zu Botschaften und Konsulaten oder deren Aufenthalt im Heimatland, beispielsweise zu Verwandtschaftsbesuchen. Außerdem werden deutsche Geschäftsreisende in China intensiv überwacht, insbesondere bei der Nutzung von Telefon und Internet. Dabei werden mitgeführte elektronische Datenträger offen oder verdeckt ausgespäht. Ein weiterer Schwerpunkt chinesischer Nachrichtendienste ist "Fünf Gifte" die nachdrückliche Bekämpfung oppositioneller Kräfte, von denen die Regierung eine Gefährdung der staatlichen Ordnung befürchtet. Die innere Einheit des Staates und seine territoriale Integrität sieht die Staatsführung insbesondere durch die sogenannten "Fünf Gifte" bedroht. Hierzu gehören die Angehörigen der Meditationsbewegung Falun Gong und Mitglieder der Demokratiebewegung. Auch die Befürworter einer Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie die nach Unabhängigkeit strebenden Volksgruppen der Tibeter und Uiguren werden hierzu gezählt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 193 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz In München ist mit dem World Uyghur Congress (WUC) die bedeutendste Organisation der Uiguren im Ausland ansässig. Ministerium für Staatssicherheit (MSS) Das chinesische MSS ist der weltweit größte zivile Inund Auslandsdienst. Hauptaufgabe des MSS ist die Auslandsspionage, in Deutschland bemüht es sich um die Informationsbeschaffung aus Wirtschaft und Politik und späht oppositionelle Gruppierungen aus. Militärischer Nachrichtendienst (MID) Die chinesischen Nachrichtendienste unterstützen das langfristig angelegte Programm Chinas zur Steigerung der militärischen Leistungsfähigkeit der Volksbefreiungsarmee. Aufgabe des MID ist es, weltweit Informationen, die die äußere Sicherheit der Volksrepublik betreffen, sowie technologisches Know-how für militärische Zwecke zu beschaffen. Zusammen mit anderen chinesischen Nachrichtendiensten bekämpft er Oppositionelle und separatistische Bewegungen im Inund Ausland. 2. Proliferation Proliferation ist die unerlaubte Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows. Gründung von Länder, die Proliferation betreiben - insbesondere der Iran, SyTarnfirmen rien, Pakistan und Nordkorea - versuchen auch in Deutschland, proliferationsrelevante Güter zu beschaffen. Dazu gründen sie in Deutschland häufig Tarnfirmen, versenden die Produkte über unkritische Drittländer oder machen falsche Angaben gegenüber dem Hersteller oder Händler. So minimieren sie das Risiko, dass die illegale Ausfuhr aufgedeckt wird und umgehen die Verhängung eines Ausfuhrverbotes. 194 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit der Wirtschaft Bayern ist als Hochtechnologiestandort weltweit führend. Die Beschaffungsbemühungen der Proliferationsstaaten richten sich insbesondere auf mittelständische Unternehmen und Universitäten. Um Proliferation zu verhindern, arbeitet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz daher eng mit Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. Es informiert in Vorträgen und Sensibilisierungsgesprächen proliferationsgefährdete Unternehmen über die Gefahren einer möglichen Weitergabe von kritischen Technologien und unterstützt mit individuellen Maßnahmen bei Verdachtsfällen. Dadurch konnten bereits verschiedene Beschaffungsbemühungen unterbunden werden. Beispielsweise konnte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz durch seine Recherchen den iranischen Staat als den Iran verhin dert eigentlichen Auftraggeber einer Anfrage zu sensibler Nukleartechnologie ausmachen. Ein in Bayern ansässiges Unternehmen hatte eine verdächtige Anfrage gemeldet. Die angefragten Produkte waren ausschließlich für den Betrieb und Einsatz in der Urananreicherung konzipiert. Als Geschäftspartner trat eine Firma mit deutscher Adresse auf. Dadurch sollte der Anschein erweckt werden, es handle sich um ein "Inlandsgeschäft" Die Recherchen ergaben jedoch, dass die tatsächlichen Geschäftspartner in China angesiedelt waren und die Produkte von dort aus in den Iran transferieren wollten. Durch das frühzeitige Erkennen und die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Sicherheitsbehörden konnte eine Ausfuhr der nachgefragten Produkte unterbunden und der Einsatz im iranischen Atomprogramm verhindert werden. Um den Abfluss proliferationsrelevanter Technologien im Hochschulbereich zu verhindern, überprüft eine vom Auswärtigen Amt aus dem Hochund deutschen Sicherheitsbehörden initiierte "Arbeitsgemeinschulbereich schaft Gastwissenschaftler" routinemäßig die Deutschlandaufenthalte von Gastwissenschaftlern aus proliferationsaffinen Staaten auf einen möglichen Wissenstransfer aus dem Hochschulbereich in das Heimatland. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sensibilisiert das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz daraufhin die gastgebenden bayerischen Universitäten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 195 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 3, Elektronische Angriffe Elektronische Angriffe sind gezielte Maßnahmen mit und gegen IT-Infrastrukturen zur Informationsbeschaffung oder Sabotage. Die Angriffe erfolgen sowohl über das Internet als auch über manipulierte Datenträger. Aufgrund der Ziele und Methoden der elektronischen Angriffe ist in vielen Fällen von einem nachrichtendienstlichen Hintergrund auszugehen; mit einer weiteren Zunahme der Angriffe ist zu rechnen. social engineering Die elektronischen Angriffe richten sich in der Regel gegen ausgewählte Personen aus Politik und Wirtschaft. Den Angriffen geht häufig ein "social engineering" voraus. Dabei werden die Opfer gezielt ausgesucht, ausgeforscht und schließlich angegriffen. E-Mails, die genau auf den jeweiligen Empfänger zugeschnitten sind, erhöhen die Erfolgsaussichten. Die E-Mails sind meist den Aufgabengebieten der Opfer angepasst; durch gefälschte Absenderadressen wird dem Empfänger Vertrauenswürdigkeit vorgegaukelt. Die eingesetzte Schadsoftware wird von vielen Virenschutzprogrammen nicht erkannt. Wird ein mit einem Schadprogramm versehener Anhang einer gefälschten E-Mail geöffnet, installiert sich das Programm, um Daten auszuspionieren, zu kopieren oder zu manipulieren. NachrichtendienstBeispielsweise bemerkte die IT-Abteilung eines bayerischen licher Cyberangriff Unternehmens, dass es Hackern gelungen war, mit E-Mails in auf bayerisches das Unternehmensnetzwerk einzudringen, die mit SchadsoftUnternehmen ware verseucht waren. Die E-Mails waren auf Mitarbeiter des Unternehmens persönlich zugeschnitten. Die dazu notwendigen Informationen hatten die Angreifer im Internet recherchiert. Nachdem sich dieTäter Zugang zum Netzwerk verschafft hatten, entwendeten sie mehrere Gigabyte Daten. Kurz darauf erfolgte ein weiterer Angriff auf das Unternehmensnetzwerk. Ermittlungen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz haben ergeben, dass beide Angriffe vom selben Täter mit mutmaßlich nachrichtendienstlichem Hintergrund ausgeführt wurden. 196 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 4. Wirtschaftsschutz Spionage verursacht in Deutschland jährlich einen Schaden in Milliardenhöhe. Nach wie vor sind sich nicht alle Unternehmen dieser Gefahr bewusst. Im Rahmen seiner Spionageabwehr ist 2Pe. PS es dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz daher be- & = or sonders wichtig, bayerische Unternehmen sowie Hochschulen zu informieren, zu sensibilisieren und zu beraten. Es bietet rund um die Themen Proliferation, Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage kostenfreie Serviceleistungen an, z.B. allgemeine Vorträge zur Sensibilisierung bis zu vertraulichen Gesprächen in betroffenen Firmen und Hochschulen. Die Anfragen aus der Wirtschaft haben angesichts der Berichterstattung über die Bayerisches Landesamt fi Verfassungsschul tz Aktivitäten der NSA deutlich zugenommen. Soziale Netzwerke und ihre Auswirkungen auf Darüber hinaus informieren Flyer und Broschüren zu speziellen Themen mit praxisorientierten Verhaltenstipps über Knowhow-Schutz. Beispielsweise klärt eine in Zusammenarbeit mit der Hochschule Augsburg entwickelte Broschüre über "Soziale Netzwerke und ihre Auswirkungen auf die Unternehmenssicherheit" auf. Im Rahmen der Intitiative Wirtschaftsschutz des Bayerischen Online-Portal Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Bayern Energie und Technologie betreibt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz seit einigen Jahren das Online-Portal "Wirtschaftsschutz Bayern" Der Besucher betritt dort ein virtuelles Unternehmen, in dem er das gesamte Beratungsangebot sowie weitere Links rund um dasThema Know-how-Schutz findet. Das Portal eignet sich auch zur firmeninternen Sensibilisierung. Um gemeinsam mit derWirtschaft die erfolgreiche Spionageabwehr weiterführen zu können, ist das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz auf Hinweise und Informationen durch betroffene Firmen und Forschungseinrichtungen angewiesen. Nur so können Situationen richtig bewertet und neue Angriffsmuster erkannt werden. Die Hinweise werden selbstverständlich absolut vertraulich behandelt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 197 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 5, Cyber-Allianz-Zentrum Bayern (CAZ) KRITIS Seit 1. Juli unterstützt das CAZ im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz Unternehmen sowie Betreiber kritischer Infrastruktur (KRITIS) bei der Prävention und Abwehr gezielter Cyberangriffe. Es entspricht dem Wunsch und dem Bedürfnis Bayerischer Unternehmen nach einer zentralen, Vertraulichkeit garantierenden staatlichen Stelle und fungiert in diesem Sinne. Beratung und Bei konkreten Vorfällen berät das CAZ gemeinsam mit den Information betroffenen Wirtschaftsunternehmen vertraulich über das weitere Vorgehen. Die Ergebnisse werden im CAZ nicht nur gesammelt und intern weiterverarbeitet; neben dem betroffenen Unternehmen erhalten auch andere möglicherweise von einem ähnlichen Angriff betroffene Unternehmen Informationen zu den erkannten Angriffsmustern - selbstverständlich in anonymisierter Form. Dadurch können Schutzmechanismen optimiert und Angriffe wirksam abgewehrt werden. Das CAZ gliedert sich in die drei Säulen: " forensisch-technische Analyse " nachrichtendienstliche Bewertung " Kommunikation und Netzwerkbildung Von der Wirtschaft gemeldete Vorfälle, bei denen es Anhaltspunkte für einen gezielten Angriff gibt, werden zunächst aus forensisch-technischer Sicht bewertet. Gleiches gilt für gezielte Angriffe auf staatliche Stellen, die ebenfalls im CAZ analysiert werden. Die technischen Ergebnisse der Analysen fließen weiter in die zweite Säule des CAZ, in der eine nachrichtendienstliche Bewertung stattfindet. Hier werden alle vorliegenden Informationen zu den Angriffen einer nicht-technischen, nachrichtendienstlichen Betrachtung unterzogen. Die gewonnenen Informationen können unter vollständiger Wahrung der Vertraulichkeit genutzt werden, um weiteren Schaden für das betroffene und andere Unternehmen zu verhindern. Das CAZ arbeitet zur Erfüllung seiner Aufgaben eng mit weiteren Einrichtungen zusammen: 198 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz Im polizeilichen Bereich bestehen Kontakte zu den CybercrimeSchwerpunktdienststellen München und Nürnberg sowie zum neu gegründeten Dezernat im Bayerischen Landeskriminalamt. Team (CERT) Außerdem findet ein Austausch mit dem Computer Emergency Response Team (CERT) der Bayerischen Staatsregierung statt, das den Teilnehmern des Bayerischen Behördennetzes als Anlaufstelle bei akuten Sicherheitsproblemen dient. Auf Bundesebene sind wichtige Partner für das CAZ das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Das CAZ gehört seit Juli als Institution im besonderen staatlichen Interesse (INSI) der Nationalen Allianz für Cyber-Sicherheit an und integriert sich damit in die deutsche Sicherheitsarchitektur. Eine enge Zusammenarbeit findet darüber hinaus sowohl mit den Industrieund Handelskammern als auch mit Wirtschaftsverbänden statt. Das CAZ informierte zum Beispiel mehr als 70 Unternehmen Phishing über eine Phishing-Methode, die bereits bei zwei Konzernen erfolgreich durchgeführt worden war. Die Angreifer hatten per E-Mail mehrere Mitarbeiter vermeintlich von der eigenen Personalstelle aus angeschrieben. Die E-Mail enthielt die Aufforderung, Ausweisdokumente sowie die aktuelle Bankverbindung an den Absender zu versenden. Um die Glaubhaftigkeit der Anfrage zu untermauern, war neben der aktuellen E-Mail auch eine Historie mit einem gefälschten Schriftverkehr tatsächlicher Mitarbeiter der Personalabteilung über Umstellungen des Zahlungsverkehrs der Löhne angehängt. Wirtschaftsschutz und Cyber-Allianz-Zentrum Bayern Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz Knorrstraße 139, 80397 München caz@lfv.bayern.de www.verfassungsschutz.bayern.de Telefon: 089 / 31201 222 wirtschaftsschutz@Ifv.bayern.de www.wirtschaftsschutz.bayern.de Telefon: 089 / 31201 500 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 199 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz Strukturveränderungen innerhalb der Rockergruppierungen führen zu erhöhtem Konfliktpotenzial - Bund und Länder reagieren mit Vereinsverboten Rockerähnliche Gruppierungen drängen verstärkt auch in die bayerische Szene EZ TEL T NNIE TE gheta in Deutschland Organisierte Kriminalität (OK) liegt vor, wenn mehrere Personen planmäßig erhebliche Straftaten begehen, um Gewinne zu erzielen oder Macht zu erlangen. Dazu wenden sie Gewalt an, nutzen geschäftsähnliche Strukturen oder versuchen, Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft zu manipulieren (vgl. Art. 1 Abs. 3 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz). Durch die OK wird allein in Deutschland seit Jahren ein Schaden in Milliarden-Höhe verursacht. Drahtzieher der OK bedrohen die Grundlagen unserer Gesellschaft, indem sie die Macht einer kriminellen Organisation durch Gewalt, Geld und massive Einflussnahme durchsetzen wollen. In Bayern ist daher seit 1994 der Verfassungsschutz für die Beobachtung der OK zuständig, um deren Aktivitäten bereits in einem früheren Stadium zu beobachten als dies durch Polizei und Staatsanwaltschaft möglich ist. Dadurch wurde eine wichtige Lücke im Kampf gegen die OK geschlossen. Personen, die der OK angehören oder sich in deren Umfeld bewegen, verhalten sich unauffällig und konspirativ. Die Aufklärung dieser Strukturen setzt daher eine systematische und langfristig angelegte Beobachtung voraus. Um möglichst schon im Vorfeld von Straftaten an das entscheidende "Insiderwissen" zu gelangen, können erforderlichenfalls nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden. Strukturermittlungen schaffen Grundlagen für polizeiliche Verfahren und können laufende Ermittlungen unterstützen. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz arbeitet eng mit den OK-Dienststellen der Polizei zusammen und kooperiert aufgrund der international vernetzten OK-Strukturen mit Sicherheitsbehörden über Landesbzw. Staatsgrenzen hinweg. Innerhalb einer Arbeitsgruppe der europäischen Inlandsnachrichtendienste hat Bayern die Koordinierungsfunktion für Deutschland und ist zentraler Ansprechpartner für ausländische Nachrichtendienste. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 201 Organisierte Kriminalität 1. Rockerkriminalität Rockerkriminalität umfasst alle Straftaten von einzelnen oder mehreren Mitgliedern einer Rockergruppe, deren Tatmotivation im direkten Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe und der Solidarität zu ihr zu sehen ist. "Outlaw Motorcycle Mit der von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden Gang" eingeführten Bezeichnung "Outlaw Motorcycle Gang" (OMCG) werden weltweit die polizeilich bedeutsamen Rockergruppierungen von der breiten Masse der Motorradclubs (MCs) abgegrenzt, die zwar im Einzelfall auch kriminelle Aktivitäten verfolgen können, diese aber nicht als Hauptmotivation ihrer Existenz verstehen. Auch in Bayern begehen Mitglieder dieser OMCGs typische OK-Delikte wie Rauschgifthandel, Bedrohung oder Körperverletzung. Vereinsverbote Die Beziehungen der konkurrierenden Rockergruppen untereinander reichen von Neutralität bis hin zu offener Feindschaft, was zu Spannungen und gewalttätigen Konflikten führen kann. Insbesondere zwischen Hells Angels MC und Bandidos MC kam es schwerpunktmäßig in Norddeutschland wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bis hin zu Schießereien. Innenministerien von Bund und Ländern reagierten darauf mit Vereinsverboten gegen einzelne Ortsgruppen ("Charter" und "Chapter"). Selbstauflösungen So wurden im Juli der Regionalverband des Gremium MC Sachsen durch das Bundesinnenministerium und ein Charter des Hells Angels MC durch das Innenministerium des Landes Brandenburg verboten. Zuvor war es zwischen den betroffenen 202 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Organisierte Kriminalität MC zu gegenseitigen Gewalttaten gekommen, bei dem auch ein unbeteiligter 16-Jähriger lebensgefährlich verletzt worden war. Dem Verbot des Gremium MC Sachsen folgten bundesweit mehrere Selbstauflösungen einzelner Charter/Chapter. Einzelpersonen aus den verschiedenen Rockergruppierungen werden immer wieder bei schwersten Straftaten auffällig, ohne dass ein direkter Bezug zu ihren Clubs nachweisbar ist. Das Hells Angels Charter München mit Sitz in Allershausen Auswirkungen auf verkündete im Oktober seine Selbstauflösung. Auf diese Weise Bayern versuchte es einem befürchteten Vereinsverbot zuvorzukommen. Zuletzt wurde gegen Mitglieder des früheren Hells Angels MC Strafverfahren München strafrechtlich ermittelt. Seit Ende 2013 stehen mehrere Mitglieder des Hells Angels MC München vor Gericht. Dabei geht es um eine Schlägerei in einer Table-Dance-Bar in München, bei der die Rocker ein Mitglied der verfeindeten Rockergruppierung Bandidos verprügelten. Als Haupttäter wurde der Präsident der Münchner Hells Angels festgenommen. Er sitzt seit April in Haft. Nicht von der Selbstauflösung betroffen ist das zweite in München ansässige Hells Angel Charter "Munich City" Das Personenpotenzial der bayerischen Rockerszene blieb 2013 Personenpotenzial im Vergleich zum Vorjahr (2012: 1.500 Personen) nahezu unverändert. Zwischen den einzelnen Rockergruppierungen kam es zu kleineren Verschiebungen. Beim Hells Angels MC ist ein leichter Mitgliederzuwachs feststellbar. So hat sich am 1. Mai in Nürnberg ein neues Charter des Hells Angels MC gegründet ("Hells Angels MC Nuremberg"). Damit versucht diese Rockergruppierung, neben ihren Chartern in München, Traunstein und Hof, erstmalig Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 203 Organisierte Kriminalität in Mittelfranken Fuß zu fassen, wo alle namhaften Rockerclubs wie z.B. Bandidos MC, Gremium MC undTrust MC vertreten sind. Neben diesen Rockergruppen drängen rockerähnlich organisierte Gruppierungen wie die Black Jackets in die bayerische Szene, die den OMCGs in ihrem martialischen Auftreten, ihrer strengen Hierarchie und ihrem abgeschotteten Gruppenverhalten gleichen; Motorräder spielen für sie allerdings keine Rolle. Gegründet wurden die "Black Jackets" deren Mitglieder zumeist einen Migrationshintergrund aufweisen, 1985 in BadenWürttemberg. Mittlerweile sind sie weltweit vertreten. Ihre Mitglieder tragen als Erkennungszeichen eine schwarze Kutte mit dem Emblem eines Bulldoggenkopfes und bewegen sich hauptsächlich in der Türsteher-, Rotlichtund Kampfsportszene. Bislang fielen sie besonders durch Straftaten wie Erpressung, Inkassogeschäfte, Gewaltdelikte, Verstöße gegen das Waffengesetz und Drogenhandel auf. In Bayern gibt es derzeit Chapter in Traunstein, im Bereich Nördlingen/Augsburg und in München. Steigendes Diese Strukturveränderungen könnten künftig dazu führen, dass Konfliktpotenzial das Konfliktpotenzial wächst und es auch in Bayern vermehrt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen wegen konkurrierender Gebietsansprüche kommt. Die Polizei verhinderte Mitte November in München durch eine Razzia in einer Gaststätte eine bevorstehende gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Black Jackets und Hells Angels. Tötungsdelikt in Im Dezember 2012 kam es in Neu-Ulm im Rotlichtund TürsteNeu-Ulm hermilieu zu einer Schießerei, an der Mitglieder der Rockergruppierung Rock Maschine MC beteiligt waren. Eine Person wurde dabei erschossen, eine weitere schwer verletzt. Seit Oktober verhandelt das Landgericht Memmingen gegen die drei vermutlichen Täter wegen gemeinschaftlichen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Mögliche VerbinDas Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz verfolgt dungen Rocker / aufmerksam mögliche Verbindungen zwischen Rockern und Rechtsextremisten Rechtsextremisten. Eine dafür im Mai 2012 eingerichtete 204 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Organisierte Kriminalität Arbeitsgruppe, die an der Schnittstelle zwischen den Fachbereichen Organisierte Kriminalität und Rechtsextremismus angesiedelt ist, stellte bis jetzt keine strukturierte Zusammenarbeit und ideologische Annäherung beider Szenen in Bayern fest. Ungeachtet dessen bestehen aber punktuell personelle Überschneidungen zwischen dem Rockermilieu und der rechtsextremistischen Szene, die zumeist auf geschäftliche Interessen oder persönliche Beziehungen zurückgehen. So wurden einzelne Personen aus der Rockerszene und rechtsWaffenerlaubnisse extremistischen Szene festgestellt, die Sicherheitsunternehmen betreiben oder in diesem Bereich arbeiten und so versuchen, Waffenerlaubnisse zu erhalten. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, in enger Zusammenarbeit mit der Polizei und weiteren Sicherheitsbehörden dem legalen Waffenbesitz solcher Unternehmen bzw. ihrer Mitarbeiter entgegenzuwirken. Erste Erfolge sind hier bereits erzielt worden. Der bayerische NPD-Funktionär Sascha Roßmüller, der auch zur Entzug der Führungsriege des Bandidos MC Regensburg gehört, hat mehGewerbeerlaubnis rere Jahre das Sicherheitsunternehmen T. betrieben. Mehrere Beschäftigte dieser Firma hatten Bezüge zur rechtsextremistischen Szene. Zur Jahreswende 2012/13 gelang es, Roßmüller wegen fehlender Zuverlässigkeit die Gewerbeerlaubnis zu entziehen. Die von Roßmüller gegen den Bescheid erhobene Klage wurde am 1. August vom Verwaltungsgericht Regensburg abgewiesen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. 2. OK aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) In der GUS hat sich eine Vielzahl ethnisch geprägter krimineller Syndikate etabliert. Sie sind international vernetzt und begehen vor allem Straftaten in den Bereichen Eigentumskriminalität, Rauschgiftund Waffenhandel, Schmuggel, Schutzgelderpressung sowie Geldwäsche. Eine besondere Bedeutung innerhalb dieser kriminellen Syndi"Diebe im Gesetz" kate kommt den weltweit etwa 1.000 "Dieben im Gesetz" zu, die sich als Führungspersonen der OK-Szene der GUS durchgesetzt Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 205 Organisierte Kriminalität haben. Der Begriff "Dieb im Gesetz" stammt aus den 1920er Jahren, als sich in sowjetischen Gefängnissen und Lagern, den sog. Gulags, die Anführer der kriminellen Strafgefangenen gegen die Anführer der politischen Häftlinge durchsetzten und so die Oberhand gewannen. Diese kriminellen Anführer nannten sich nun "Diebe im Gesetz" und stellten mit den "Diebesgesetzen" einen eigenen Verhaltenskodex auf. Dieser sieht vor, dass Konflikte durch eigene Autoritätspersonen - notfalls auch mit Gewalt - geregelt werden und keine Zusammenarbeit mit der Polizei und Justiz stattfindet. Mit Gemeinschaftskassen ("Abschtschjak") werden vor allem strafrechtlich verfolgte oder inhaftierte Gruppenmitglieder sowie ihre Angehörigen unterstützt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben insbesondere slawische (z.B. Russland, Ukraine, Weißrussland) und kaukasische (z.B. Georgien, Armenien, Tschetschenien) Gruppen eine dominierende Rolle in der OK der GUS eingenommen. In der Folge entwickelten sich Machtkämpfe um die Vorrangstellung, die auch Europa betrafen. Dabei wurden bereits zahlreiche "Diebe im Gesetz" ermordet. Zuletzt wurde im Januar der "Pate" der russischen OK und Anführer des georgischen "Tiblisi-Clans Aslan Usoyan, in Moskau erschossen. Weitere gewaltsame Auseinandersetzungen sind zu erwarten. Reisebewegungen In Bayern waren im Zusammenhang mit diesem Konflikt bislang noch keine gewalttätigen Auseinandersetzungen festzustellen. Der Verfassungsschutz konnte jedoch in Bayern Reisebewegungen von hochrangigen "Dieben im Gesetz" beobachten. Darüber hinaus konnten Einzelpersonen tschetschenischer Herkunft in Bayern lokalisiert werden, die kriminelle Aktivitäten entwickeln. Eine Verflechtung in bestehende OK-Strukturen konnte bislang nicht festgestellt werden. 3. OK-Gruppierungen aus dem Balkan und der Türkei In Bayern sind mehrere kriminelle Netzwerke aus Südosteuropa und der Türkei aktiv. Diese sind in ihren Strukturen meist ethnisch homogen, d.h. Personen anderer Nationalitäten werden in der Regel nicht aufgenommen. Die Angehörigen der Netzwerke 206 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Organisierte Kriminalität haben häufig den gleichen Geburtsort oder eine gemeinsame militärische Ausbildung. Türkische Gruppierungen sind vor allem im Rauschgifthandel und -schmuggel mit Kokain und Cannabis aktiv. Darüber hinaus konnten folgende Delikte festgestellt werden: Eigentumsund Fälschungskriminalität, Steuerund Zolldelikte, Glückspieldelikte und Wettmanipulationen sowie Kriminalität im Zusammenhang mit Inkasso-Eintreibungen. Besonders wichtig für die kriminelle Szene sind die Verbindungen in die jeweiligen Heimatländer. Strukturermittlungen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz ergaben, dass die Drahtzieher oft im Ausland sitzen und von dort aus ihre kriminellen Aktivitäten in Deutschland steuern. Die erzielten Gewinne investieren sie oft in Immobilien und Unternehmen außerhalb von Deutschland. Den Kauf wickeln sie über Strohmänner - meist Verwandte - ab. 4. Italienische Mafia Die derzeit bedeutendsten Mafiagruppierungen in Italien sind neben der "Ndrangheta die Camorra, die Cosa Nostra, deren Splittergruppe Stidda sowie die Sacra Corona Unita. Im Rahmen ihrer globalen Ausbreitung sind viele Familienclans seit etlichen Jahren mit über 20.000 Mitgliedern und einer nicht zu beziffernden Anzahl von Kontaktpersonen auch in Deutschland sesshaft. ".., Sacra Corona Unita Cosa Nostra (r) Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 207 Organisierte Kriminalität Syndikate in In Bayern können derzeit etwa 70 Personen diesen Syndikaten Bayern aktiv zugeordnet werden. Sie nutzen Bayern als Ruheund Investitionsraum. Neben Drogenhandel und Geldwäsche stellen auch Waffenhandel, Zinswucher und Schutzgelderpressung Betätigungsfelder dar. Die Auftraggeber steuern von ihren Heimatregionen aus die kriminellen Aktivitäten. Festnahmen Im Juli konnten in Deutschland fünf Mitglieder der 'Ndrangheta festgenommen werden, die am internationalen Waffenund Rauschgiftschmuggel beteiligt gewesen sein sollen. Kokain, Bargeld und Schusswaffen wurden sichergestellt. Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der italienischen organisierten Kriminalität spielt die internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, in die auch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz eingebunden ist. 5. Schleusungskriminalität Im Bereich der Organisierten Kriminalität hat die Schleusungskriminalität neben den "traditionellen" Deliktsfeldern wie Rauschgifthandel, Geldwäsche, Waffenhandel oder Gewaltdelikten einen hohen Stellenwert erreicht, da hier mit relativ geringem Aufwand hohe Gewinne zu erzielen sind. Bei den Gruppenstrukturen spielen vor allem italienisch, irakisch, deutsch, iranisch und türkisch dominierte OK-Gruppierungen eine Rolle. Geschleust wurden überwiegend Personen aus Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Türkei und diversen afrikanischen Staaten. Hauptrouten für Schleusungen nach Bayern sind insbesondere die Ost-Route (über die Drehscheibe Griechenland), die Südosteuropa-Route (sog. Balkan-Route) sowie die Route via Italien und Österreich. 208 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Organisierte Kriminalität 8.000 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 110** 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 EB Ilslamisten BE Rechtsextremisten * für das Jahr 2013 wurden erstmals nur die offen exEB Linksextremisten EB Scientology-Organisation tremistischen Strukturen EB sonstige ausländische El Verfassungsschutzder linksextremistischen Extremisten relevante Islamfeinde Partei ausgewiesen ** Aufnahme der Beobachtung im Jahr 2013 Gewalttaten in Bayern 180 160 140 120 100 80 60 40 20 2012 2013 BI Rechtsextremismus EB Linksextremismus EB Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 209 Personenpotenzial und Gewalttaten Stichwortregister A D Adil-Düzen-Konzept 37 Da'wa 30,33 al-Intigad (Die Kritik) 61 Darul-Quran-Moschee 53 al-Manar (Der Leuchtturm) 61,62 Der Weg zum Glücklichsein 182 al-Oaida-Airline 34 Deutsche Annalen 113 al-Taqwa-Moschee 53 Deutsche Geschichte 113 Anarchismus 173 Die Wahre Religion (DWR) 30 Antiatomkraft 151 Diebe im Gesetz 205 Antideutsche 172,173 E Antifa-Jugendcamps 166 Einsame Wölfe 30 Antifaschismus 151, 165, 175 El-Salam-Moschee 53 Antiglobalisierung 151 Europäisches Institut für Antiimperialismus 151 Humanwissenschaften (EIHW) 48 F Antimilitarismus 152, 160, 168, 177 Antirepression 151 Fränkische Aktionsfront 110 Applied Scholasties 184 Freie Zone 186 As-Siddiq-Moschee 53 Fünf Gifte 193 Atilim 72 G Ausländische Geschichtsrevisionismus 84 Nachrichtendienste 1838-194 Graue Wölfe 73 Autonome 143, 145, 152,172 Gremium MC 202,204 B H Bandidos MC 202 Halk Gercegi 70 Benefizveranstaltungen 35 Hells Angels MC 202, 203 Beobachtungsauftrag des Home grown-Terroristen 32,34 Verfassungsschutzes 18 I Black Jackets 204 Ideale Org-Kampagne 186 Bürgerinitiativen, Initiative Wirtschaftsschutz 197 rechtsextremistisch 86, 110 Inspire-Magazin 34 C International Socialist Camorra 207 Tendency 159 Cosa Nostra 207 Interim 147 Crument 156 Intifada 60 Islamseminare 33,35 210 Stichwortregister J oO Jihadistischer Salafismus 31,51 Office of Special K Affairs (OSA) 185 Kameradschaften 122-135 Online-Imame 53 Kommunistische Partei Open Source Jihad 34 Chinas (KPC) 193 Outlaw Motorcycle Konvertiten 28,32,34,35 Gang (OMCG) 202 Kommunistische Partei Outlaws MC 202 P Deutschlands (KPD) 162,166, 170 L Parteiverbotsverfahren 105 Legalistischer Islamismus 29,36 Politischer Salafismus 29,51 Lies!, Koranverteilprojekt 30,53 R Linksruck 160 Religious Technology M Center (RTC) 183 Maoismus 150, 167 Risalat-ul-Ikhwan 44 Marxismus 148,177 Rock Maschine MC 204 MarxismusSs Leninismus 148, 162, 171 Sacra Corona Unita 207 MEDNUCE, Kurdischer Salahuddin-Moschee 53 Satellitensender 68 Salafismus 50-58 Merkez-Moschee 40 Satudarah MC 202 Milli Gazete 36 Scharia 27,36,50,59 Mongols MC 202 Schulhof-CDs 91 Muhacirun 39 Schwarzer Block 145 Muhammad-Karikaturen 29,53 Serxwebun Mujahidin 54,59 (Unabhängigkeit) 67 N Skinhead-Bands 92 Naschid 34 Skinheads 78,92, 133 Nationale Allianz Social engineering 196 für Cyber-Sicherheit 199 Sozialistische Arbeitergruppe Nationalsozialismus 116 (SAG) 160 Nationalsozialistischer Stalinismus 149,167 Untergrund (NSU) 79 STERKTV 68 Ndrangheta 207 Stidda 207 Neonazismus 116 NUCE TV 68 Stichwortregister T Takfir 56 Tauhid 50 Todesfatwas 43 Trotzkismus 150 Trust MC 202 Türk Federasyon Bülteni 73 Turner Diaries 78 TV5 37 TV-Sender al-Manar 62 U Umwelt & Aktiv 115 V Vereinsverbot 202 Verfassungsfeindliche Bestrebung 17 Virtuelle Netzwerke 33 Volksgemeinschaft 77,98 W Wahhabismus 50 Wissenstransfer 195 World Uyghur Congress (WUC) 194 Y Yeni Özgür Politika 68 Yürüyüs 70 212 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Stichwortregister sungsfeindliche Organisation/Gruppierung handelt. internationalen Organisationsteile. Islamismus /islamistischer Terrorismus Abu Sayyaf (Philippinen) 55 al-Nahda 46 al-Oaida 54 al-Oaida auf der arabischen Halbinsel (AQAH) 55,57 al-Qaida im Irak (AQI) 58 al-Oaida im islamischen Maghreb (AQIM) 55 al-Shabab (Somalia) 55 Ansaar International e.V. (ehemals Ansaar Düsseldorf e.V.) 35 Ansar al-Islam, Islamistisch-kurdische Netzwerke 58 Boko Haram 55 Darul Quran und Haus der Sunnah e.V./Darul Quran Moschee 53 Deutschlandvertretung der Saadet Partisi (Türkei) e.V. 37 Helfen in Not e.V. 35 Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) 39 Hizb Allah (Hizbollah/Hisbollah) 61 Islamisch Arabischer Kulturverein e.V./ As-Siddiq Moschee 53 Islamisch-Albanisches Zentrum e.V. 53 Islamische Bewegung Usbekistan (IBU) 56 Islamische Federation Münchene. V./EI Salam Moschee 53 Islamische Federation Rosenheim e.V. (IFR) 47 Islamische Gemeinde Nürnberg e.V. (IGN) 47 Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland (IGS) 43 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 213 Extremistische Organisationen und Gruppierungen Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) 45-47, 48, 49 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) 38 Islamische Vereinigung in Bayern e.V. (IVB) 42 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) 45 Islamisches Zentrum Hamburg (IZH) 42,43 Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS) 57 Islamischer Verein Augsburg e.V./Salahuddin Moschee 53 Islamisches Zentrum Bayreuth e.V. / Al-Taqwa-Moschee 53 Islamisches Zentrum München e.V. (IZM) 45,49 Ismael Aga Gemeinschaft (IAC) 39 Jabhat al-Nusra (JaN) 57 Kaukasisches Emirat (KE) 62 Kulturund Bildungszentrum Ingolstadt e.V. 40 Millatu Ibrahim 32,54 Milli Görüs Ahde Vefa Plattform - Erbakan Vakfi 39 Milli Görüs-Bewegung 36 Muslimbruderschaft (MB) 44,47, 49,60 Muslimische Jugend in Deutschland e.V. (MJD) 48 Tablighi Jamaat (TJ) 41 Tschetschenische Republik Itschkeria (CRI) 62 von Ausländern (ohne Islamismus) Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) bzw. Volkskongress Kurdistan (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistan (KADEK) 67 Föderation der Arbeiter aus derTürkei e.V. (ATIF) 71 Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi) 88 Konföderation der Arbeiter aus derTürkei in Europa (ATIK) 71 Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa (AvEG-Kon) 72 Liberation Tigers ofTamil Eelam (LTTE) 74 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 72 Revolutionäre Volksbefreiungspartei (DHKP-C) 70 Türkisch Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten - Partizan Flügel (TKP/M-Partizan Flügel) 71 Türkisch-Nationalistische Ülkücü-Bewegung / ADÜTDF 73 Young Struggle 72 214 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Extremistische Organisationen und Gruppierungen Rechtsextremismus Aktionsbund Freising 117,131 Aktionsbündnis Nordoberpfalz 117,125 Aktionsbündnis Oberbayern 117,120 Aktionsgruppe Bayreuth (AG Bayreuth) 117,123 Aktivitas der Burschenschaft Danubia München 114 Ansgar Aryan 95 Bloodline Streetwear 95 Bund Frankenland e.V. 117,124 Bürgerinitiative Ausländerstopp Augsburg (BIA-Augsburg) 111 Bürgerinitiative Ausländerstopp München (BIA-München) 110 Bürgerinitiative Ausländerstopp Nürnberg {BIA-Nürnberg) 110 Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz e.V. (BiSAO) 112,115 Bürgerinitiative Soziales Fürth (BiSF) 111 Burning Hate 93 Codex Frei 93,134 Der Dritte Weg 109 Die Rechte 108 DIM Records 95 Division Franken 117, 129, 131 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ) 113 Europäische Aktion (EA) 114 Faustrecht 92,93 Feldherren 93 Final Resistance 123,126 Fränkischer Heimatschutz (FHS) 117,130 Freie Nationalisten Hof 117,123 Freie Nationalisten Weißenburg/Gunzenhausen (FN WUG) 130 Freies Netz Süd (FNS) 86, 110, 116, 119 FSN-TV 96 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GfP) 113 Hammerskins 134 Infoportal Schwaben 117,132 Jagdstaffel D.S.T. 118 Junge Nationaldemokraten (JN) 91,100 Kameradschaft Altmühltal 117,129 Kameradschaft Main-Spessart 117,124 Kameradschaft München 89,97, 111,117, 127 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 215 Extremistische Organisationen und Gruppierungen Last Resort Store 95 135 Midgard e.V. 115 MPU 93 National born haters 93 76, 79, 87-91, 96-115, 128 125 77,19, 80 122 Oldschool Records 95 Patriaversand 95 Radio FSN 96 89, 107 95 Southern white punks 93 Sturmtrupp 93 95 Untergrundwehr 93 95, 97 113 Voice of Anger 134 White rebel boys 93 117, 125 117, 125 Wikingerversand 95 Politically Incorrect Gruppe München (PI-München) 140 Linksextremismus Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz 168 Antifa-NT - Autonome Antifa München 161, 166 Antifaschistische Linke Fürth {ALF) 146, 175 Antikapitalistische Linke (AKL) 157,158 216 Antikapitalistische Linke München (AL-M) 168, 176 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 149,170 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) 159 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 162 DIE LINKE. SDS 161 Frauenverband Courage e.V. 167 GegenStandpunkt (GSP) - Marxistische Gruppe 169 Jugendantifa Fürth (JAF) 175 Jugendverband REBELL 167,168 Kinderorganisation ROTFÜCHSE 167 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF) 157 Kurzer Prozess 155,172 Linksjugend ['solid] 160, 161 marx21 150, 157 Marxistische Gruppe (MG) 169 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 150, 166, 167 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus 163, 168 Organisierte Autonomie (OA) Nürnberg 174 Revolutionäre Aktionszellen (RAZ) 165 Rote Hilfe e.V. (RH) 171 Sozialistische Alternative (SAV) 170 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 160, 163 Sozialistische Gruppe Hochschulgruppe Erlangen/Nürnberg 169 Vereinigungder Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) 164 Scientology-Organisation Association for Better Living and Education (ABLE) 184 Celebrity Centre München e.V. 184 Department of Special Affairs (DSA) 185 Kommissionfür Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte in Deutschland e.V. (KVPM) 182 Mission München West e.V. 184 NARCONON Bayern e.V. 182-184 Scientology Kirche Bayern e.V. (SKB) 184 Scientology Kirche Deutschland e.V. (SKD) 184 World Institute of Scientology Enterprises (WISE) 184 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 217 Extremistische Organisationen und Gruppierungen S. 21 Foto: BayLfV S. 31 www.youtube.com/watch?v=zZMM2qCW3d_0, (21.01.2014) S. 84 www.'freies-netz-sued.net/index.php/2013/06/23(13.03.2014) S. 81 w195.wrzuta.pl/obraz/alvdahaKqmZ/anti_antifa S. 86 www.freies-netz-sued.net/index.php/2013/06/24/manege-frei der-tierqualerei/ S. 89 www.npdbayern/photos (10.08.2013) S. 92 CD-Cover Bayerischer Skinhead Bands S.97 www.versand-der-bewegung.de (31.01.2014) S. 98 www.freies-netz-sued.net/index.php/2013/1124 (31.01.2014) S. 103 _www.werbemittel.npd.de (31.01.2014) S. 106 www.aktion-widerstand.de/wp-content/uploads/ (31.01.2014) S. 109 _www.der-dritte-weg.info/index.php/menue/72/Werbebanner_ der_Partei_Der_Ill._Weg.html S. 118 Foto: Bay Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr S. 120 www.freies-netz-sued.net/index.php/2013/02/21 (13.03.2014) S. 133 Ausstellung des Bundesamtesfür Verfassungsschutz "Die Braune Falle" (Foto: BayStMiI) S. 147 Foto: BayStMli / Polizei S. 153 _www.almuc.blogsport.eu/files/2012/11/041.jpg (13.03.2014) S. 153 _www.sicherheitskonferenz.de/de/Aufruf-2013 (31.01.2014) S. 155 www.lastfm.de/music/Kurzer+Prozess (12.02.2014) S. 161 www.antifajugendcamp-bayern.de (12.02.2013) S.163 Facebook SDAJ (31.01.2014) S. 165 www.linke-sds.org/ (12.02.2013) S. 168 _www.muenchen-gegen-krieg.de(31.01.2014) S. 1755 www.redside.tk / 31.01.14 1 S. 175 www.jugendantifafuerth.blogsport.de / 31.01.2014 S. 176 www.antifa-nt.de/31.01.14 S. 183 _www.scientology-losangeles.org (31.01.2014) S. 196 Foto: BayLfV S. 203 www.bloodredsection-me.de/brsmchof (04.02.2014) 218 Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 Wollen Sie mehr über die Arbeit der Bayerischen Staatsregierung erfahren? BAYERN | DIREKT ist Ihr direkter Draht zur Bayerischen Staatsregierung. Unter Telefon 089 12 22 20 oder per E-Mail an direkt@bayern. de erhalten Sie Informationsmaterial und Broschüren, Auskunft zu aktuellen Themen und Internetquellen sowie Hinweise zu Behörden, zuständigen Stellen und Ansprechpartnern bei der BayerischenStaatsregierung. Hinweis Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Staatsregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunalund Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Staatsregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 219 Anhang