Bayerisches Staatsministerium des Innern G S U N S S Z F A T E R H U T V SC CH R I B 00 E 7 2 VERFASSUNGSSCHUTZ BERICHT 20 B AY E R N 07 Bayerisches Staatsministerium des Innern Vorwort 3 D er islamische Extremismus und insbesondere seine Terrornetzwerke stellen nach wie vor die größte Bedrohung der Inneren Sicherheit in Deutschland und in Bayern dar. Nach den fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlägen auf zwei Regionalzüge im Sommer 2006 haben die im Jahr 2007 aufgedeckten Anschlagsplanungen von Aktivisten der "Islamischen Jihad Union" wieder sehr deutlich gemacht, dass islamistische Terroristen auch Ziele in Deutschland angreifen. Es ist ein Verdienst der Sicherheitsbehörden, dass im vergangenen Jahr Schlimmeres verhütet werden konnte. Niemand vermag aber eine Garantie dafür abzugeben, dass Deutschland vor solchen Terroranschlägen verschont bleiben wird. Dabei müssen wir davon ausgehen, dass islamistische Gruppen und Einrichtungen, die von Intoleranz gegenüber Andersgläubigen geprägt sind, wie auch Bildungsund Betreuungsangebote islamistischer Organisationen einen Nährboden für mögliche Terrorakte schaffen. Rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen sind nach wie vor bestrebt, mit sozialen Themen und durch Schüren von Ängsten vor Arbeitslosigkeit, Fremdbestimmung oder Überfremdung, Wählerstimmen zu erringen. Gerade die NPD konnte damit Erfolge erzielen. Skinheads und Neonazis verstärkten weiter ihre intensive Zusammenarbeit. Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten hat zugenommen. Derartigen Umtrieben entgegenzutreten, ist eine Aufgabe, bei der auch weiterhin alle demokratischen Kräfte der Gesellschaft gefordert sind. Der Beitritt der WASG zur Linkspartei.PDS hat an der linksextremistischen Ausrichtung der umbenannten Partei "DIE LINKE." nichts geändert. Es gibt daher keinen Grund, ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz einzustellen. Der Widerstand im linksextremistischen Spektrum gegen die bestehende staatliche Ordnung zeigt sich auch in den linksextremistisch motivierten Gewalttaten, die sich zunehmend gegen Polizeibeamte richten. Aufgabe des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz ist es insbesondere, zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestands und der Sicherheit des Bundes und der Länder sowie zum Schutz vor Organisierter Kriminalität Informationen zu sammeln und die Sicherheitsbehörden dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig die notwendigen sicherheitsrechtlichen Entscheidungen zu veranlassen. Aufgabe des Landesamts und des Bayerischen Staatsministeriums des Innern ist es ferner, die Öffentlichkeit über solche extremistischen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen und Tätigkeiten zu informieren. Diese Informationspflicht folgt aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der wehrhaften Demokratie und ist in Art. 15 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes verankert. Nur der informierte und über extremistische Bestrebungen aufgeklärte Bürger ist in der Lage, Entwicklungen in Politik und Gesellschaft sowie die dazu getroffenen staatlichen Maßnahmen und Entscheidungen richtig zu beurteilen. Dieser Bericht soll hierzu beitragen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der bayerischen Sicherheitsbehörden, insbesondere des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz und der bayerischen Polizei, gilt unser besonderer Dank. Durch ihren Einsatz haben sie auch im Jahr 2007 die Sicherheit der Bürger in Bayern gewährleistet und einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland geleistet. München, im März 2008 Joachim Herrmann Jürgen W. Heike Staatsminister Staatssekretär 4 Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt Verfassungsschutz in Bayern 11 1. Gesetzliche Grundlagen ................................................ 12 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes ............................... 12 3. Informationsbeschaffung ............................................... 13 4. Kontrolle ...................................................................... 14 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes ............... 15 6. Infound Beratungstelefone ......................................... 17 2. Abschnitt Entwicklung des politischen Extremismus im Jahr 2007 1. Ausländerextremismus .................................................. 18 2. Rechtsextremismus ....................................................... 19 3. Linksextremismus .......................................................... 21 4. Scientology-Organisation .............................................. 23 5. Grafische Darstellungen ................................................ 24 3. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines ................................................................. 26 1.1 Merkmale des Ausländerextremismus ........................... 26 1.2 Entwicklung in Bayern .................................................. 26 1.3 Gewalttaten ................................................................. 28 1.4 Gerichtsverfahren und Exekutivmaßnahmen ................. 28 2. Islamischer Extremismus (= Islamismus) ......................... 31 2.1 Ideologische Grundlagen des Islamismus ...................... 31 2.2 Rolle des Internets ....................................................... 33 2.3 Islamistische Bildungsund Jugendarbeit ...................... 36 3. Islamistische Gruppierungen ......................................... 40 3.1 Milli-Görüs-Bewegung .................................................. 40 3.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) .................................. 47 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Inhaltsverzeichnis 5 3.3 Hizb ut-Tahrir ............................................................... 48 3.4 Tablighi Jamaat (TJ) .................................................... 50 3.5 Hizb Allah (Partei Gottes) ............................................. 52 3.6 Die Muslimbruderschaft (MB) und ihre regionalen Strömungen ................................................................. 53 3.6.1 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) ....... 55 3.6.2 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) .................. 57 3.6.3 Islamische Heilsfront (FIS) ............................................. 59 3.6.4 En Nahda .................................................................... 59 3.7 Islamistische Szene Neu-Ulm/Ulm - Verbotenes Multi-Kultur-Haus Ulm e.V. (MKH), .............................. 60 4. Islamistischer Terrorismus ............................................. 62 4.1 Überblick ..................................................................... 62 4.2 Tätertypen des Djihad .................................................. 63 4.3 Das Terrornetzwerk um al-Qaida .................................. 64 4.3.1 Internationales Netzwerk und lokale Terrorgruppen ...... 64 4.3.2 Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna (AAI/AAS) ...................... 66 4.3.3 Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb ............ 66 4.3.4 Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) ............................. 67 4.4 Botschaften und Drohungen ........................................ 67 4.5 Terroranschläge und Anschlagsplanungen .................... 69 4.5.1 Deutschland ................................................................ 69 4.5.2 Europa ......................................................................... 70 4.5.3 Irak ............................................................................. 70 4.5.4 Afghanistan ................................................................. 70 4.5.5 Weitere Anschläge ....................................................... 71 4.6 Ausblick ...................................................................... 71 5. Sonstige ausländerextremistische Gruppierungen ......... 72 5.1 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) bzw. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ............................ 72 5.1.1 Allgemeines ................................................................ 72 5.1.2 Aktivitäten und Exekutivmaßnahmen ........................... 76 5.2 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) ................................ 78 5.3 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) ...................................................................... 81 5.4 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) .. 82 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 6 Inhaltsverzeichnis 5.5 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF) ...................................... 84 5.6 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI)/Volksmudjahidin Iran (MEK) .................................................................... 85 6. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ........................................................ 88 4. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines ................................................................ 93 1.1 Merkmale des Rechtsextremismus ................................. 93 1.2 Entwicklung der Organisationen .................................. 94 1.3 Nutzung des Internets .................................................. 95 2. Parteien, Organisationen und Verlage ........................... 96 2.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ......... 96 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort .................................... 96 2.1.2 Organisation ................................................................ 101 2.1.3 Teilnahme an Wahlen ................................................... 101 2.1.4 Bündnisbestrebungen ................................................... 103 2.1.5 Sonstige Aktivitäten ..................................................... 104 2.1.5.1 Parteitage .................................................................... 104 2.1.5.2 Kundgebungen und sonstige Aktionen ......................... 105 2.1.6 Junge Nationaldemokraten (JN) .................................... 106 2.1.7 Bürgerinitiative Ausländerstopp .................................... 109 2.1.7.1 "Bürgerinitiative Ausländerstopp" Nürnberg ................. 109 2.1.7.2 "Bürgerinitiative Ausländerstopp" München ................ 110 2.2 Deutsche Volksunion (DVU) ......................................... 111 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort ................................... 111 2.2.2 Organisation ................................................................ 114 2.2.3 Parteitage .................................................................... 115 2.2.4 Wahlbündnis mit der NPD ............................................ 115 2.3 Sonstige Organisationen ......................................... 116 2.4 Bürgerbewegung Pro München - patriotisch und sozial e.V. .................................................................... 117 2.5 Nation Europa Verlag GmbH ........................................ 118 3. Neonazismus ............................................................... 119 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Inhaltsverzeichnis 7 3.1 Allgemeines ................................................................ 119 3.2 Neonazi-Kameradschaften ............................................ 121 3.2.1 Kameradschaft München .............................................. 121 3.2.2 Autonome Nationalisten München (ANM) .................... 122 3.2.3 Sozialrevolutionäre Aktion Regensburg ......................... 122 3.2.4 Kameradschaft Main-Spessart ...................................... 123 3.2.5 Anti-Antifa Nürnberg ................................................... 123 3.2.6 Kameradschaftsbund Hochfranken ............................... 123 3.2.7 Kameradschaft Augsburg ............................................. 124 3.3 Aktivitäten zum 20. Todestag von Rudolf Heß .............. 125 4. Rechtsextremistische Skinheads .................................... 127 4.1 Überblick ..................................................................... 127 4.2 Politische Ausrichtung .................................................. 127 4.3 Strukturen ................................................................... 128 4.4 Anziehungskraft für Jugendliche .................................. 128 4.5 Skinhead-Musik ........................................................... 130 4.6 Skinhead-Magazine ..................................................... 133 5. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten ..................... 133 5.1 Gewalttaten ................................................................ 133 5.2 Sonstige Straftaten ...................................................... 136 6. Strafverfahren, Urteile und Exekutivmaßnahmen .......... 139 7. Revisionismus .............................................................. 140 7.1 Ziele ............................................................................ 140 7.2 Entwicklung und Träger der Revisionismus-Kampagne ... 141 8. Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus ... 143 9. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ........................................................ 145 5. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines ................................................................. 147 1.1 Merkmale des Linksextremismus .................................. 147 1.2 Entwicklung der Organisationen ................................... 148 1.3 Nutzung des Internets .................................................. 149 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 151 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 8 Inhaltsverzeichnis 2.1 DIE LINKE., vormals Die Linkspartei.PDS ....................... 150 2.1.1 Ideologische Ausrichtung ............................................. 151 2.1.2 Entstehung der Partei DIE LINKE. durch den Beitritt der WASG .......................................................................... 154 2.1.3 Organisation ................................................................ 157 2.1.4 Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften ..... 157 2.1.5 Jugendverband Linksjugend ['solid], vormals ['solid] ..... 160 2.1.6 Die Linke. Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband (DIE LINKE.SDS) ............................................... 161 2.1.7 DIE LINKE. Bayern, vormals Linkspartei.PDS Landesverband Bayern ............................................................ 162 2.1.8 Teilnahme an Wahlen .................................................. 166 2.1.9 Kommunistischer Internationalismus ............................ 167 2.1.10 Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten ............. 167 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ........................ 169 2.2.1 Ideologische Ausrichtung ............................................. 169 2.2.2 Organisation ................................................................ 170 2.2.3 Internationale Verbindungen ........................................ 171 2.2.4 Umfeld der DKP ........................................................... 171 2.2.4.1 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ........... 171 2.2.4.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) .............. 173 2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) .... 175 2.4 marx21, vormals Linksruck-Netzwerk ............................ 176 2.5 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus ............ 178 2.6 Sonstige orthodoxe Kommunisten und andere revolutionäre Marxisten ................................................ 179 3. Gewaltorientierte Linksextremisten ............................... 180 3.1 Autonome Gruppen ..................................................... 180 3.1.1 Ideologische Ausrichtung und Aktionsformen ............... 180 3.1.2 Strukturen und Publikationen ....................................... 181 3.1.3 Schwerpunktthemen und Aktionen ............................... 183 3.1.3.1 Strategiedebatte - Fortsetzung der Gewaltdiskussion .... 184 3.1.3.2 Antifaschismus ............................................................ 186 3.1.3.3 Anti-Globalisierungs-Proteste ........................................ 189 3.1.3.4 Antiimperialismus ........................................................ 192 3.1.3.5 Sozialabbau ................................................................ 193 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Inhaltsverzeichnis 9 3.2 Antideutsche Strukturen .............................................. 194 3.3 Linksextremistisch motivierte Straftaten ........................ 196 3.3.1 Gewalttaten ................................................................ 196 3.3.2 Sonstige Straftaten ...................................................... 198 4. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse .................. 199 6. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) 1. Zur Geschichte der SO ................................................. 201 2. Ideologie und Ziele der SO ........................................... 202 3. Organisationsund Kommandostruktur der SO ............. 204 3.1 Weltweite Kommandostruktur der SO .......................... 204 3.2 Organisation der SO in Deutschland ............................ 206 3.2.1 "Church"-Sektor ......................................................... 206 3.2.2 WISE-Sektor ................................................................. 206 3.2.3 ABLE-Sektor ................................................................ 207 3.2.4 Besonders aktive Tarnorganisationen der SO ................. 207 3.2.4.1 Applied Scholastics ...................................................... 207 3.2.4.2 NARCONON ................................................................ 209 3.2.4.3 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) ....................................... 209 3.2.5 Office of Special Affairs (OSA) ...................................... 209 4. Mitglieder der SO ......................................................... 211 5. Veranstaltungen und Aktivitäten der SO ....................... 211 6. Bewertung der Schriften und Aktivitäten ...................... 214 7. Vertrauliches Telefon und Informationsangebot im Internet .................................................................. 215 7. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage .............................................................. 216 2. Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage ...................... 217 3. Spionage im Bereich der Kommunikationstechnik ......... 218 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 10 Inhaltsverzeichnis 4. Proliferation ................................................................. 220 5. Schutzmaßnahmen - Beratung durch den Verfassungsschutz ........................................................ 221 6. Ausblick ....................................................................... 222 8. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Ausgangslage .............................................................. 223 2. Ost-Erweiterung .......................................................... 223 3. Methodik und Beobachtungsschwerpunkte .................. 224 3.1 Italienische Mafia ......................................................... 225 3.2 Beobachtung der OK aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ................................................. 227 3.3 OK-Gruppierungen in den Balkanstaaten und der Türkei 229 3.4 Asiatische Organisierte Kriminalität .............................. 232 3.5 Rockerkriminalität in Bayern ......................................... 233 Anhang Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) ....................... 236 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) ................ 246 Sachwortregister .................................................................... 248 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Verfassungsschutz in Bayern 11 1. Abschnitt Verfassungsschutz in Bayern Die Bundesrepublik Deutschland ist nach ihrer Verfassung eine wertWehrhafte gebundene, wachsame und wehrhafte Demokratie. Der Staat kann gegen Demokratie Bestrebungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen, die in der Verfassung vorgesehenen Abwehrmittel einsetzen, z.B. durch ein Parteioder Vereinsverbot. Dies setzt voraus, dass er solche Bestrebungen oder Aktivitäten, die als "extremistisch" oder als "verfassungsfeindlich" bezeichnet werden - diese Begriffe sind gleichbedeutend -, rechtzeitig erkennen kann. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes ein. Er dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie dem Schutz des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter der Freiheitliche freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Ordnung zu verstedemokratische hen, die unter Ausschluss jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine Grundordnung rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören mindestens: - die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, - die Volkssouveränität, - die Gewaltenteilung, - die Verantwortlichkeit der Regierung, - die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, - die Unabhängigkeit der Gerichte, - das Mehrparteienprinzip, - die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 12 Verfassungsschutz in Bayern 1. Gesetzliche Grundlagen Rechtliche Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich Grundlagen genau festgelegt. Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt die von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben. Es ist zugleich Rechtsgrundlage für die Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz. Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Ländern eigene Verfassungsschutzgesetze. In Bayern regelt das im Anhang abgedruckte Bayerische Verfassungsschutzgesetz die Aufgaben und Befugnisse des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, das seinen Sitz in München hat und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnet ist. Für das Landesamt wurden im Haushaltsplan 2007 insgesamt 437 Stellen für Beamte und Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst ausgewiesen; das Haushaltsvolumen 2007 betrug 24,2 Millionen Euro. 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes BeobachtungsNach dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz hat das Landesamt für auftrag Verfassungsschutz im Wesentlichen den Auftrag der Beobachtung von - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, - sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht (Sabotage und Spionage), - Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, - Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), gerichtet sind und - Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität. Darüber hinaus wirkt das Landesamt für Verfassungsschutz u.a. bei Sicherheitsüberprüfungen aus Gründen des Geheimschutzes und des Sabotageschutzes mit. Rechtsgrundlage hierfür ist das Bayerische Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Das Landesamt ist fernerhin beteiligt bei der Überprüfung von Mitarbeitern in Flughäfen und KernkraftwerVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Verfassungsschutz in Bayern 13 ken nach dem Luftsicherheitsgesetz bzw. Atomgesetz sowie bei einbürgerungsund ausländerrechtlichen Entscheidungen. Im Mittelpunkt der Beobachtung stehen Aktivitäten von extremistischen Organisationen. Dazu müssen zwangsläufig auch die Mitglieder und Unterstützer erfasst werden. Aber auch die Beobachtung von Einzelpersonen ist zulässig. Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland. Er informiert die politisch Verantwortlichen und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Beobachtung, vor allem über mögliche Gefahren. Er versetzt die zuständigen staatlichen Stellen des Bundes und der Länder in die Lage, verfassungsfeindlichen Kräften rechtzeitig und angemessen zu begegnen. Im Gegensatz zum Verfassungsschutz beschafft der BundesnachrichAbgrenzung zu tendienst (BND) Informationen über das Ausland, die für die BundesBND und MAD republik Deutschland außenund sicherheitspolitisch von Interesse sind. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) nimmt Verfassungsschutzaufgaben im Bereich der Bundeswehr wahr. 3. Informationsbeschaffung Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz verpflichtet, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil aus offenen Quellen gewonnen (z.B. aus Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern, Programmen, Broschüren und sonstigem Material extremistischer Organisationen sowie bei deren öffentlichen Veranstaltungen). Einen Teil der Informationen erhält der Verfassungsschutz durch Anwendung nachNachrichtenrichtendienstlicher Mittel. Zu diesen Mitteln gehören im Wesentlichen: dienstliche Mittel - der Einsatz von verdeckt arbeitenden V-Leuten ("V" steht für "Vertrauen") in extremistischen Organisationen, - das Beobachten verdächtiger Personen (Observation) sowie - verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen. Eingriffe in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis (Öffnen von BrieBriefund fen, Abhören von Telefongesprächen) sind besonders strengen rechtsTelefonkontrolle staatlichen Anforderungen unterworfen. Sie sind in einem eigenen Gesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses "Artikel 10-Gesetz" (G10) genannt wird. Ein Verfahren mit mehreren voneinander unabhängigen Kontrollinstanzen stellt Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 14 Verfassungsschutz in Bayern sicher, dass in dieses Grundrecht nur eingegriffen wird, wenn die im Gesetz genannten besonderen Gründe vorliegen. Ähnliches gilt für die seit Beginn des Jahres 2003 eingeführten Auskunftsverpflichtungen von Postund Telekommunikationsdienstleistern, Fluggesellschaften und Kreditinstituten sowie für die Verwendung des so genannten IMSI-Catchers zur Feststellung unbekannter Mobiltelefonnummern. Rechtsstaatliche Sicherungen gelten auch für den Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes, also für den Einsatz von Abhörgeräten oder versteckten Kameras in Wohnungen und Büros. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zu entsprechenden Maßnahmen nach der Strafprozessordnung erfordert in Teilbereichen auch eine Anpassung der bisherigen Rechtslage. Keine polizeiDem Verfassungsschutz stehen keine polizeilichen Befugnisse zu. Polizeilichen Befugnisse behörden und Verfassungsschutz sind voneinander getrennt. Deshalb dürfen die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes keinerlei Zwangsmaßnahmen (wie z.B. Festnahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen usw.) durchführen. Verfassungsschutzbehörden dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Dies steht aber einer informationellen Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung nicht entgegen. Im Gegenteil sind diese unabdingbare Voraussetzungen für eine effiziente Arbeit der Sicherheitsbehörden. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Sicherheitsbehörde unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 4. Kontrolle Vielfältige Die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden unterliegt einer vielfältiKontrollen gen Kontrolle. Dazu gehört die allgemeine parlamentarische Kontrolle, die durch die Berichtspflicht des verantwortlichen Ministers gegenüber dem Landtag im Rahmen von aktuellen Stunden, Anfragen von Abgeordneten, Petitionen usw. ausgeübt wird. Eine besondere Kommission des Bayerischen Landtags, das Parlamentarische Kontrollgremium, überwacht die Arbeit des Verfassungsschutzes. Die G10-Kommission überprüft die Maßnahmen zur Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs - deren Zahl im Jahr 2007 wie schon in der Vergangenheit im unteren zweistelligen Bereich lag -, die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Auskunftsverpflichtungen von Postund Telekommunikationsdienstleistern, Fluggesellschaften und Kreditinstituten sowie des EinsatVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Verfassungsschutz in Bayern 15 zes des so genannten IMSI-Catchers. Die Verwaltungskontrolle obliegt dem Innenminister im Rahmen der Dienstund Fachaufsicht, ferner dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz und dem Bayerischen Obersten Rechnungshof. Diese Kontrollen werden ergänzt durch eine mögliche gerichtliche Nachprüfung belastender Einzelmaßnahmen sowie durch die Öffentlichkeit in Form von Presse, Funk und Fernsehen. 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann auf Dauer nicht ohne die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus gesichert werden. Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes gewährleistet, dass Regierung und Parlament, aber auch die Bürger über Aktivitäten und Absichten verfassungsfeindlicher Organisationen informiert werden. Aufklärungsarbeit Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes klärt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz im Rahmen von zielgruppenorientierten Fachvorträgen und durch die Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen über aktuelle extremistische Entwicklungen auf; im Jahr 2007 lagen hierbei die Schwerpunkte bei den Themen "RechtsVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 16 Verfassungsschutz in Bayern Fachvorträge extremismus" und "Islamismus". Die Fachvorträge dienen vor allem der Sensibilisierung von Multiplikatoren und werden hauptsächlich von Schulen und Universitäten, Bildungsakademien, Kommunen, Trägern politischer Bildung und Jugendarbeit, demokratischen Bürgerinitiativen und politischen Parteien und Stiftungen nachgefragt. Von Medienvertretern war ein verstärktes Interesse an Hintergrundgesprächen zu aktuellen Entwicklungen im Bereich "Islamismus" zu verzeichnen. Im Bereich "Rechtsextremismus" arbeitete das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz u.a. mit der Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus und mit der Projektstelle gegen Rechtsextremismus - Bayerisches Bündnis für Toleranz, Demokratie und Menschenwürde schützen - zusammen. Das Landesamt beteiligte sich auch an Ausbildungsund Fortbildungsmaßnahmen anderer Behörden; Hauptbedarfsträger ist hier die Bayerische Polizei. Der Verfassungsschutzbericht sowie weitere Publikationen zu den Aufgabenfeldern des Verfassungsschutzes ermöglichen es jedem Bürger, Neue Broschüre sich selbst ein Urteil über die Gefahren zu bilden, die unserem Rechtsstaat durch verfassungsfeindliche Kräfte drohen. Die neu herausgegebene Broschüre "Hellhörig bei braunen Tönen" informiert über rechtsextremistische Jugend-Szenen in Bayern. Das in gedruckter Form vorhandene Informationsmaterial wird kostenlos zur Verfügung gestellt und kann beim Bayerischen Staatsministerium des Innern - Sachgebiet ID6 -, Odeonsplatz 3, 80539 München Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Verfassungsschutz in Bayern 17 (Telefax: 0 89 / 2 19 21 28 42) angefordert oder direkt unter der InterInternetnet-Adresse Angebote http://www.innenministerium.bayern.de/service/publikationen/ (> Thema "Verfassungsschutz") "online" bestellt werden. Zusätzlich sind die Materialien, insbesondere der jährliche Verfassungsschutzbericht, die Broschüre "Hellhörig bei braunen Tönen" und auch Informationen zur Scientology-Organisation (SO), im Internet unter folgender Adresse abrufbar und können als PDF-Datei heruntergeladen werden: http://www.innenministerium.bayern.de/sicherheit/verfassungsschutz Das Internet-Angebot des Bayerischen Staatsministeriums des Innern wird durch die unter der Adresse http://www.verfassungsschutz.bayern.de erreichbare Homepage des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz ergänzt. 6. Infound Beratungstelefone Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ist telefonisch rund um die Uhr unter der Nummer 0 89 / 31 20 10 erreichbar. Speziell für Hinweise zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus Kontakttelefone ist dort unter der Nummer 0 89 / 31 20 14 80 ein Kontakttelefon eingerichtet. Im Rahmen der von Bund und Ländern erarbeiteten Aussteigerprogramme für Rechtsextremisten besteht ein Beratungsund Hinweistelefon. Das Telefon, das ebenso der Aufklärung rechtsextremistischer Aktivitäten in Bayern dienen soll, ist für Bürger und aussteigewillige Extremisten - nicht nur Rechtsextremisten - unter der Nummer 0 18 02 00 07 86 zu erreichen. Für Opfer und Aussteiger der Scientology-Organisation (SO) sowie für Angehörige von SO-Mitgliedern unterhält das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ein "vertrauliches Telefon". Das Amt nimmt Informationen und Hinweise unter der Nummer 0 89 / 31 20 12 96 entgegen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 18 Entwicklung des politischen Extremismus 2. Abschnitt Entwicklung des politischen Extremismus im Jahr 2007 1. Ausländerextremismus Der islamische Extremismus (Islamismus), insbesondere die Terrornetzwerke, stellt weiterhin die größte Bedrohung der Inneren Sicherheit dar. Verhinderte Nach den fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlägen auf zwei RegionalAnschläge züge im Sommer 2006 haben die Anschlagsplanungen von Aktivisten in Deutschland der "Islamischen Jihad Union" (IJU) und deren Festnahme am 4. September in Nordrhein-Westfalen wieder sehr deutlich gemacht, dass islamistische Terroristen auch Ziele in Deutschland angreifen. Zum anderen haben die Ereignisse die erhöhte Gefährlichkeit des Terrornetzwerks al-Qaida in seiner Eigenschaft als Inbegriff des "globalisierten Djihad" für kampfbereite Islamisten bestätigt. In diesem Zusammenhang steht "home grown"auch das Phänomen des "home grown"-Terrorismus verstärkt im BlickTerrorismus feld der deutschen Sicherheitsbehörden. Islamische Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG), der europäische Gemeinschaft Arm der Milli-Görüs-Bewegung, ist die mitgliederstärkste islamistische Milli Görüs e.V. Organisation in Deutschland. Im Zuge der diesjährigen türkischen Parlamentswahlen unterstützte die IGMG massiv den Wahlkampf der türkischen Saadet Partisi (SP) und dokumentierte damit ihre politische Ausrichtung an der türkischen Milli-Görüs-Bewegung. Mitte April fanden Veranstaltungen der Milli-Görüs-Bewegung mit den IGMG-Gebietsvorsitzenden Deutschlands in der Türkei statt. Daneben beschäftigt sich die IGMG aber weiterhin mit einer ihrer Schwerpunktaufgaben der Jugendund Bildungsarbeit. Zum "Tag der Studenten", den die Jugendund Studentenorganisation der IGMG am 31. März in Hagen/Nordrhein-Westfalen veranstaltete, kamen etwa 1.700 muslimische Studierende aus ganz Europa. Dies belegt, dass die IGMG auch für angehende Akademiker interessant ist. Tablighi Jamaat Die islamistische Tablighi Jamaat setzte im Berichtsjahr ihre Missionierungsaktivitäten und ihre weltweiten Veranstaltungen fort. In der Zeit vom 24. bis 28. Februar traf sich die Spitze der europäischen TJ in der Weltzentrale in Indien zu einer intern Maschwara genannten VeranstalVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Entwicklung des politischen Extremismus 19 tung. Während des Treffens wurde vom TJ-Führungsgremium (Schura) beschlossen, Deutschland zur Koordinierung der Missionierungsaktivitäten in elf Kreise einzuteilen. Am Deutschlandtreffen der TJ, das vom 20. bis 22. April in Berlin stattfand, nahmen zwischen 300 und 450 Personen teil. Die wichtigsten Redner waren Korangelehrte aus Pakistan, Indien und Frankreich. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte mit Urteil vom 24. Januar das Vereinsverbot des "Multi-Kultur-Hauses Ulm e.V." (MKH). Das "Multi-KulturMKH war ein vorwiegend in Bayern tätiger und in Baden-Württemberg Haus Ulm e.V." vereinsrechtlich eingetragener Verein. Da vom MKH Bestrebungen ausgingen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten, wurde der Verein am 28. Dezember 2005 vom Bayerischen Staatsministerium des Innern verboten. Die Schließung des MKH verunsicherte und schwächte die örtliche Szene nachhaltig. Vereinzelte Bemühungen, wieder islamistische Strukturen zu gründen, scheiterten letztendlich, meist an fehlenden Finanzmitteln oder an persönlichen Differenzen. Erschwerend kam hinzu, dass charismatische Führungspersönlichkeiten Deutschland verlassen bzw. sich aus Angst vor strafprozessualer Verfolgung vom MKH distanziert haben. Dennoch sind weiterhin Islamisten in der Region aktiv, die teilweise rege Verbindungen zu terrorverdächtigen Personen und Strukturen im Inund Ausland, besonders in Ägypten, unterhalten. Vor dem Hintergrund anhaltender heftiger Auseinandersetzungen zwischen türkischer Armee und kurdischer Guerilla im Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Irak hat der Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) die Entscheidung des türkischen Parlaments für grenzKONGRA GEL überschreitende Militärschläge scharf kritisiert und seine Anhänger in und außerhalb der Türkei zu Reaktionen aufgefordert. Deutschlandund europaweit fanden zahlreiche demonstrative Veranstaltungen statt, in deren Verlauf bzw. an deren Rand es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden kam. Auch wenn in der Gesamtschau der Eindruck entsteht, dass die Anhänger des KONGRA GEL im Jahr 2007 sehr aktiv waren, kann man nicht von einem Wiedererstarken der PKK bzw. des KONGRA GEL ausgehen. Die in jüngster Vergangenheit erfolgten Durchsuchungsund Festnahmeaktionen dürften die Organisation nicht unerheblich verunsichert, mitunter auch geschwächt haben. 2. Rechtsextremismus Wie im Vorjahr machten sich Rechtsextremisten Ziele anderer nicht-extremistischer Strömungen zu eigen und waren bestrebt, vermehrt Präsenz Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 20 Entwicklung des politischen Extremismus zu zeigen. So wandten sie sich gegen die US-amerikanische Intervention im Irak und gegen Sozialreformen. Mit planmäßigen Werbeaktionen, beispielsweise der kostenlosen Verteilung von CDs in der Nähe von Schulen, versuchten sie, junge Menschen ideologisch zu beeinflussen "Nationaler und für den "Nationalen Widerstand" zu rekrutieren. Ein SchwerpunktWiderstand" thema war der G8-Gipfel in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern, den Rechtsextremisten zum Anlass nahmen, sich als Teil einer globalisierungsfeindlichen und antikapitalistischen Protestbewegung dazustellen. Das damit erreichte Medienecho wurde als denkwürdiger Erfolg angesehen. Auch der "Tag der Arbeit" bot der rechtsextremistischen Szene Gelegenheit für öffentlichkeitswirksame Auftritte. Ferner griffen Rechtsextremisten die alliierten Bombenangriffe auf deutsche Städte im Zweiten Weltkrieg propagandistisch auf, um damit die Einigkeit des rechtsextremistischen Lagers zur Schau zu tragen. Erneut bestätigte sich, dass in Deutschland die Chancen des organisierten Rechtsextremismus bei Wahlen letztlich von bestimmten Konstellationen abhängen, die nicht ständig gegeben sind. Die NPD war auch 2007 der Motor für die anhaltenden Versuche zur Einigung des rechtsextremistischen Lagers. Der von den Parteivorsitzenden der NPD und DVU in einem so genannten Deutschland-Pakt im Januar 2005 vereinbarte Verzicht auf konkurrierende Kandidaturen bei Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene bis 2009 wurde nach dem Wahlerfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2006 bekräftigt. Die NPD und ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) setzten ihren aktionistischen Kurs fort und waren "Kampf um die bestrebt, im "Kampf um die Straße" Präsenz zu zeigen. Ihr Ziel ist es, sich Straße" nach den Erfolgen in Ostdeutschland auch im Westen parlamentarisch zu verankern und die insbesondere bei männlichen Jungwählern erzielten Zustimmungswerte auch außerhalb von Wahlkämpfen zu festigen. Als "soziale und nationale Volksbewegung" präsentiert sich die NPD als Alternative zu den "Altparteien", die mit ihrem "Internationalismus und der zerstörerischen Globalisierung gegen die Interessen des eigenen Volks handeln". Mit oft aggressiven und bewusst drastischen Tiraden setzen Parteifunktionäre auf Skandaleffekte, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu lenken. Die DVU ist zwar weiterhin die finanzstärkste rechtsextremistische Partei, aber nach wie vor zu einer sachorientierten politischen Arbeit nicht fähig. Das wenig ausgeprägte Parteileben ist nicht demokratisch organisiert und vom bedingungslosen Machtanspruch des Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey dominiert. Obwohl die Vorsitzenden von NPD und DVU ständig betonen, dass sich beide Parteien in den Grundzielen einig Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Entwicklung des politischen Extremismus 21 seien, bestehen in den bündnispolitischen Positionen nach wie vor Differenzen, insbesondere in der Frage einer Zusammenarbeit mit Neonazis. Bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai konnte die DVU gegenüber 2003 leichte Stimmengewinne erzielen und erneut einen Sitz im Landesparlament erringen. Neonazis und rechtsextremistische Skinheads verstärkten erneut ihre intensive Zusammenarbeit. Dabei dominieren die neonazistischen Positionen gegenüber den eher diffusen rechtsextremistischen Orientierungen von Skinheads. Die Zahl neonazistisch orientierter Personen stieg auf 400; die Zahl der dem Spektrum rechtsextremistischer Skinheads zuzurechnenden Personen sank dagegen erneut auf nunmehr rund 700. Somit gibt es in Bayern weiterhin rund 1.100 gewaltbereite Rechtsextremisten. Die Zahl der Skinhead-Konzerte verringerte sich mit Rückgang der neun im Vergleich zu 26 Konzerten im Vergleichszeitraum 2006 deutSkinhead-Konzerte lich. Die Zahl der von Neonazis und Skinheads verübten brutalen und menschenverachtenden Gewalttaten stieg auf 82 an. Dagegen hat die Zahl sonstiger Straftaten, insbesondere der Propagandadelikte, in Bayern abgenommen. Der von der Neonazi-Szene als wichtiges öffentlichkeitswirksames Ereignis konzipierte "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" in Wunsiedel wurde erneut verboten. Die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe blieben vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth, dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht erfolglos. Das im Februar 2001 vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz eingerichtete Hinweistelefon (0 18 02 00 07 86) wurde seither von Hinweistelefon etwa 400 Personen genutzt. Meist handelte es sich bei den Anrufern um Bürger, die Hinweise auf rechtsextremistische Bestrebungen gaben. In einigen Fällen bekundeten Rechtsextremisten ihren Willen zum Ausstieg. Darüber hinaus hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz insgesamt über 110 Personen angesprochen, von denen etwa die Hälfte inzwischen aus der rechtsextremistischen Szene ausgestiegen ist und etwa ein Dutzend als potenzielle Aussteiger bezeichnet werden können. 3. Linksextremismus Der gewaltbereite Linksextremismus stellt nach wie vor eine Gefahr für die Innere Sicherheit dar und verdient auch in Bayern Beachtung. Das linksextremistische Gewaltpotenzial wird zu 80 % von Gruppen und Einzeltätern aus dem autonomen und anarchistischen Spektrum gestellt. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten in Bayern ist von 71 Delikten im Jahr 2006 auf 76 gestiegen. Opfer waren überVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 22 Entwicklung des politischen Extremismus wiegend (49 Fälle) Polizeibeamte, die zum Schutz von Veranstaltungen (z.B. der Münchner Sicherheitskonferenz und von rechtsextremistischen Aufzügen) eingesetzt waren. Bei den sonstigen Straftaten in Bayern war eine erhebliche Steigerung auf 95 (2006: 69) zu verzeichnen. Die alljährlichen Aktionen gegen die Münchner Sicherheitskonferenz zeigen, dass die eigentlichen Angriffsziele der Autonomen der demokratische Staat und seine Repräsentanten sind. Eines der wichtigsten Agitationsund Aktionsfelder der Autonomen stellte im Jahr 2007 die Schwerpunkte Thematik "Anti-Globalisierung" im Zusammenhang mit den Protesten Anti-Globalisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern dar. und Antifaschismus Darüber hinaus bleibt ein Schwerpunkt autonomen Handelns der "Antifaschismus", d.h. der "Kampf" gegen tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten; in diesem Zusammenhang wurden auch wieder mit 60 Gewalttaten die meisten Gewaltdelikte verübt. Im Rahmen des Fusionsprozesses von Linkspartei.PDS und der nicht-extremistischen Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) verabschiedeten die Delegierten von Linkspartei.PDS Bundesparteitage und WASG auf zwei getrennt durchgeführten Bundesparteitagen am von Linkspartei.PDS 24. und 25. März in Dortmund die Gründungspapiere für die neue Parund WASG tei DIE LINKE.. Sie beinhalten die "Programmatischen Eckpunkte", die Bundessatzung sowie die Bundesfinanzund Bundesschiedsordnung. Die Verschmelzung beider Parteien wurde auf dem gemeinsamen "Gründungsparteitag" am 16. Juni in Berlin vollzogen. Rechtlich handelt es sich dabei um einen Beitritt der WASG zur Linkspartei.PDS; die Umbenennung Namensgebung "DIE LINKE." ist als bloße Umbenennung der bisherider Linkspartei.PDS gen Linkspartei.PDS. einzustufen. Der Linkspartei.PDS war es gelungen, nahezu vollständig ihren letzten Parteivorstand in den ersten Bundesvorstand der Partei DIE LINKE. zu integrieren. Sie sicherte sich wichtige Parteiämter: Es wurden Prof. Dr. Lothar Bisky als Parteivorsitzender, Katja Kipping und Katina Schubert als stellvertretende Vorsitzende, Dr. Dietmar Bartsch als Bundesgeschäftsführer sowie Dr. Karl Holluba als Bundesschatzmeister bestätigt. Außerdem konnte sich die Linkspartei.PDS mit ihren eigenen strategisch-ideologischen Programminhalten gegenüber dem Fusionspartner WASG durchsetzen. So repräsentiert die Vorstellung des "demokratischen Sozialismus" noch immer das zentrale und elementare Leitbild der Partei DIE LINKE.. Ein neues Parteiprogramm steht noch aus. Teilnahme an Bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai gelang es der LinksWahlen partei.PDS erstmals, in ein westdeutsches Landesparlament einzuziehen. Mit einem Stimmenanteil von 8,44 % stellt sie sieben Abgeordnete. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Entwicklung des politischen Extremismus 23 Bereits im Mai wurde aus dem Linkspartei.PDS-nahen Jugendverband ['solid] und der Jugendorganisation der WASG der neue, bundesweite Verband "Linksjugend ['solid]" gegründet, der sich als offizielle, gleichwohl aber unabhängige Jugendorganisation der Partei DIE LINKE. bezeichnet. In Bayern wurde am 15. September aus den Landesverbänden von Gründung des Linkspartei.PDS und WASG der Landesverband Bayern der Partei DIE Landesverbands LINKE. gegründet. Bayern 4. Scientology-Organisation Die Scientology-Organisation (SO) verfolgt weiterhin das Ziel, eine weltweite scientologische Gesellschaft nach eigenen, die Grundprinzipien Missachtung der der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie Gewaltenteilung, Grundprinzipien Rechtsstaatsprinzip und Demokratieprinzip missachtenden Regeln zu unserer Verfassung schaffen und zu regieren. Ihr höchstes Ziel, die Weltherrschaft, steht im krassen Widerspruch zu ihren ständigen Beteuerungen, der Menschheit die völlige Freiheit zu bringen, weil die Verwirklichung ihres Herrschaftsprinzips tatsächlich zu einer massiven Beeinträchtigung der Menschenrechte führen würde. Für den einzelnen Menschen und seine Probleme hat die SO trotz anders lautender öffentlicher Bekundungen kein Interesse. Kritische Personen zu "Unterdrückern" zu erklären oder Menschen zu "potenziellen Schwierigkeitsquellen" zu degradieren, offenbart die ideologische Menschenverachtung der scientologischen Lehre. Sie sieht sich als Inhaberin der absoluten Wahrheit mit dem Recht, sich die Welt anzueignen. Ihr einziges Ziel, an dem sich all ihre Aktivitäten orientieren, ist die Expansion der Organisation. Bis dieses Ziel erreicht ist, steht die SO im Grunde mit allen Menschen, Gesellschaftsgruppen und Staaten, die sie ablehnen, in ständigem Konflikt. Vor diesem Hintergrund diffamierte sie auch 2007 in ihrer Propaganda die staatlichen Aufklärungsund Abwehrmaßnahmen. Die SO veranstaltet Info-Stände, Ausstellungen und andere propaganPropagandadistische Aktionen, um die Öffentlichkeit über ihre verfassungsfeindaktionen und lichen Absichten zu täuschen und um neue Mitglieder zu werben. Ein ExpansionsSchwerpunkt der Expansionsstrategie der SO ist seit langem ihr Bestrebestrebungen ben, in ihrem angeblichen Kampf gegen die Bildungsmisere und den Analphabetismus die Studiertechnologie Hubbards in der Gesellschaft zu etablieren. Dieses Bemühen, beispielsweise über Nachhilfegruppen zunächst unerkannt die Lehren Hubbards zu verbreiten, um letztendlich neue Mitglieder zu rekrutieren, hat sie zwar fortgesetzt, war jedoch weiterhin wenig erfolgreich. Insbesondere verbreitet die SO vermehrt Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 24 Entwicklung des politischen Extremismus unter bewusster falscher Tatsachendarstellung die Behauptung, dass sie weltweit von mehreren staatlichen Institutionen als Religionsgemeinschaft anerkannt worden sei. 5. Grafische Darstellungen Entwicklung Ausländische Extremisten der MitgliederRechtsextremisten Linksextremisten zahlen extremisMitglieder Scientology-Organisation Deutschland tischer Organi80.000 sationen in Deutschland 60.000 59.100 58.420 53.600 40.000 33.000* 34.700 30.800** 20.000 5.500 5.500 0 1998 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 * Zur Partei "Die Republikaner" (REP) liegen keine hinreichend gewichtigen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mehr vor, so dass ihre Mitglieder insgesamt nicht mehr dem Rechtsextremismus zugeordnet werden können (Grafik ab 2007 ohne REP). ** Die Kurve beruht auf Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz, das von den Mitgliedern der Partei DIE LINKE. nur die der Kommunistischen Plattform (KPF) erfasst. DIE LINKE. hatte im Jahr 2007 insgesamt 69.200 Mitglieder, davon 1.000 in der KPF. Entwicklung Ausländische Extremisten der MitgliederRechtsextremisten Linksextremisten zahlen extremisScientology-Organisation Deutschland Mitglieder tischer Organi12.000 sationen in 10.580 Bayern 10.000 9.160 8.000 8.200 6.000 5.140 3.910 4.000 3.320* 2.600 2.000 2.750 0 1998 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 * Zur Partei "Die Republikaner" (REP) liegen keine hinreichend gewichtigen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mehr vor, so dass ihre Mitglieder insgesamt nicht mehr dem Rechtsextremismus zugeordnet werden können (Grafik ab 2007 ohne REP). Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Entwicklung des politischen Extremismus 25 Entwicklung 2005 2006 2007 extremistisch motivierter 1.100 1.047 980 Gewalttaten in 1.000 958 Deutschland 896 900 862 (Zahlen ohne 833 terroristische 800 Straftaten) 700 600 500 400 300 200 95 108 100 47 0 linksextremistisch rechtsextremistisch Gewalttaten motivierte motivierte ausländischer Gewalttaten Gewalttaten Extremisten Entwicklung 2005 2006 2007 extremistisch 120 107 motivierter Gewalttaten in 100 Bayern 82 77 (terroristische 80 76 Straftaten 71 vgl. Fußnoten) 60 47 40 20 112) 3 1) 63) 0 linksextremistisch rechtsextremistisch Gewalttaten motivierte motivierte ausländischer Gewalttaten Gewalttaten Extremisten 1) zusätzlich vier terroristische Straftaten 3) zusätzlich acht terroristische Straftaten 2) zusätzlich drei terroristische Straftaten Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 26 Ausländerextremismus 3. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Ausländerextremismus Einstufung als Ausländergruppen und ausländische Einzelpersonen werden als extreextremistisch mistisch bewertet und vom Verfassungsschutz beobachtet, wenn sich ihre politischen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand Bayerns bzw. des Bundes richten. Dazu gehören insbesondere die Organisationen islamischer Extremisten, die sich auch in Deutschland die Errichtung eines islamischen Gottesstaats nach dem Beispiel des Iran zum Ziel gesetzt haben und damit wesentliche Grundsätze unserer freiheitlichen Verfassung beseitigen wollen. Der Beobachtung unterliegen ferner Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind bzw. Gruppierungen von Ausländern, die eine gewaltsame Änderung der politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland anstreben und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 1.2 Entwicklung in Bayern Mitgliederstärke LinksExtreme Islamische Gesamtzahl extremistischer extremisten Nationalisten Extremisten Mitglieder Ausländerorganisationen Kurden 1.800 (1.800) - (-) 50 (50) 1.850 (1.850) in Bayern Türken 280 (280) 1.250 (1.250) 4.900 (4.900) 6.430 (6.430) Sonstige* 310 (330) 50 (50) 520 (530) 880 (910) Gesamtzahl 2.390 (2.410) 1.300 (1.300) 5.470 (5.480) 9.160 (9.190) (in Klammern die Vergleichszahlen des Vorjahrs) * Iraker, Albaner, Araber, Inder, Iraner, Srilanker u.a. Die Gesamtzahl der Mitglieder extremistischer Ausländervereinigungen in Bayern blieb mit 9.160 gegenüber 9.190 im Vorjahr annähernd gleich. Wie in den Vorjahren stellten die Organisationen extremistischer Türken (einschließlich kurdischer Volkszugehöriger) etwa 90 % aller ausVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 27 Ausländische Extremisten 30.950 in Deutschland 33.170 35.000 30.000 Islamische Extremisten 25.000 17.470 20.000 15.000 Linksextremisten 16.870 10.000 8.880 5.000 Extreme Nationalisten 8.380 0 2003 2004 2005 2006 2007 Ausländische Extremisten in Bayern 7.000 5.530 6.000 5.470 Islamische Extremisten 5.000 4.000 2.640 3.000 Linksextremisten 2.390 2.000 2.070 1.000 Extreme Nationalisten 1.300 0 2003 2004 2005 2006 2007 ländischen Extremisten in Bayern. Über die Hälfte aller ausländischen Extremisten ist dem Islamismus zuzurechnen. Eine isolierte Betrachtung der Mitgliederzahlen der Organisationen verdeutlicht die Bedrohungslage nicht ausreichend. Insbesondere im Bereich des Terrorismus treten im Inland fast ausschließlich organisationsunabhängige Einzelpersonen oder Anhänger von Splittergruppen ausländischer Organisationen mit Verbindungen zum islamistischen Terrorismus auf. Ihre Gesamtzahl kann nur geschätzt werden. In Bayern werGewaltpotenzial den etwa 50 Personen Verbindungen zu terroristisch orientierten Netzin Bayern werken zugeschrieben. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine weit größere Zahl islamischer Extremisten - rund 500 Personen - Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele befürwortet, dabei aber vorrangig auf ihre jeweiligen Heimatländer und nicht auf Deutschland abzielt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 28 Ausländerextremismus 1.3 Gewalttaten In Deutschland betrug die Zahl der Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "politisch motivierte Ausländerkriminalität" (ohne Terrorismusdelikte) 108 gegenüber 95 im Jahr 2006. In Bayern ging die Zahl der ausländischen Extremisten zuzurechnenden Gewaltdelikte von elf im Jahr 2006 auf sechs deutlich zurück. Bei den Gewaltdelikten handelt es sich beispielsweise um Übergriffe auf Rechtsextremisten, denen gegenseitige Auseinandersetzungen vorausgegangen waren. Im Gegensatz zu den Gewaltdelikten ist die Zahl der Terrorismusdelikte von drei im Jahr 2006 auf acht im Jahr 2007 gestiegen. Dabei wird u.a. wegen der Verbreitung djihadistischer Inhalte im Internet sowie wegen des Verdachts der Unterstützung terroristischer Vereinigungen wie der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna und der DHKP-C ermittelt. 1.4 Gerichtsverfahren und Exekutivmaßnahmen Nachdem der Bundesgerichtshof am 16. November 2006 den Marokkaner Mounir al-Motassadeq rechtskräftig der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Beihilfe zum 246-fachen Mord schuldig gesprochen hatte, setzte das Oberlandesgericht Hamburg am 8. Januar das Strafmaß wegen Beihilfe zum Mord an den Insassen der 11. September 2001 am 11. September 2001 in den USA entführten vier Flugzeuge auf 15 Jahre fest. PKK Wegen Rädelsführerschaft in der terroristischen Vereinigung PKK (vgl. auch Nummer 5.1.2 dieses Abschnitts) verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 16. Januar einen türkischen Staatsangehörigen kurdischer Abstammung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Der Verurteilte war in den 90er Jahren mitverantwortlich für mehrere Anschläge auf türkische Generalkonsulate, Restaurants, Banken und Reisebüros im gesamten Bundesgebiet. Dabei waren ein Mensch getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. Am 8. April wurden in einer Wohnung in Hagen/Nordrhein-Westfalen DHKP-C zwei mutmaßliche Führungsmitglieder der DHKP-C (vgl. auch Nummer 5.2 dieses Abschnitts) festgenommen. Ihnen wird u.a. vorgeworfen, im Auftrag der DHKP-C Kommunikationsmittel, militärische Ausrüstung, Waffen und Munition besorgt und für den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat in die Türkei geschmuggelt zu haben. Gegen beide erging Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Gruppierung. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 29 In London wurden am 11. Juli vier Angeklagte wegen versuchter Anschläge nach dem Vorbild der Londoner U-Bahn-Attentate vom 7. Juli Londoner 2005 zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Angeklagten waren schuldig U-Bahn-Attentate gesprochen worden, am 21. Juli 2005, zwei Wochen nach den Anvom 7. Juli 2005 schlägen mit über 50 Toten und hunderten Verletzten, eine weitere Attentatsserie auf U-Bahn-Züge und einen Bus geplant zu haben. Da die Sprengsätze nicht explodierten, waren keine Opfer zu beklagen. Wegen logistischer und finanzieller Unterstützung der irakischen Terrorgruppe Ansar al-Islam bzw. Ansar al-Sunna (AAI/AAS) - vgl. auch Ansar al-Islam Nummer 4.3.2 dieses Abschnitts - verurteilte das Oberlandesgericht München am 25. Juni einen Iraker zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Im August wurde der Iraker aus der Haft entlassen, da er bereits im Juni 2005 verhaftet worden war und zwei Drittel seiner Strafe verbüßt hatte. Es wurden aufenthaltsbeschränkende Verfügungen gegen ihn erlassen. Ebenfalls wegen finanzieller Unterstützung der AAI/AAS verurteilte das Oberlandesgericht München am 9. Juli einen irakischen Staatsangehörigen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Das Gericht führte zu dem vergleichsweise hohen Strafmaß an, dass ein Kämpfer im Irak bereits mit 20 bis 25 Euro einen Monat finanziert werden könne. Der Prozess dauerte mehr als ein Jahr. Am 4. September wurden nach monatelangen Ermittlungen von Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder drei terrorverdächtige Islamisten in Medebach-Oberschlehdorn/Nordrhein-Westfalen festgenommen. Festnahme von Die Aktivisten der "Islamischen Jihad Union" (IJU), einer usbekischen Aktivisten der Organisation mit al-Qaida-Bezügen, hatten sich große Mengen WasserIslamischen Jihad stoffperoxid, Zünder und weiteres Material zum Bau von Sprengsätzen Union (IJU) beschafft. Ihre Ausbildung hatten sie vor allem in Ausbildungslagern der IJU in Pakistan erhalten. Kontakte bestanden auch in die islamistische Szene im Raum Ulm/Neu-Ulm (vgl. auch Nummer 4.5.1 dieses Abschnitts). In Wien wurde am 12. September der mutmaßliche Verantwortliche des deutschsprachigen Internet-Auftritts der "Global Islamic Media Front" Global Islamic (GIMF) festgenommen, was die GIMF allerdings nicht erkennbar Media Front (GIMF) schwächte. Sowohl vor als auch nach dieser Festnahme erschienen auf der Homepage der GIMF Videobotschaften, in denen Österreich und Deutschland mit Terroranschlägen bedroht wurden (vgl. auch Nummer 2.2 dieses Abschnitts). Das Oberlandesgericht Celle eröffnete am 26. September den Prozess gegen einen Iraker wegen Werbung für das Terror-Netzwerk al-Qaida. Al-Qaida Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 30 Ausländerextremismus Ihm wird vorgeworfen, Audiound Videobotschaften von terroristischen Rädelsführern wie al-Zarqawi, al-Zawahiri und Bin Ladin im Internet verbreitet und damit Terroranschläge verherrlicht und gerechtfertigt zu haben. Der Iraker, der am 10. Oktober 2006 bei Osnabrück festgenommen worden war, hatte bis 2002 in Regensburg gelebt und war als Anhänger der AAI/AAS bekannt. Ebenfalls am 26. September verurteilte das Amtsgericht München einen ägyptischen Kaufmann wegen Volksverhetzung zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung. Dem Kaufmann wird vorgeworfen, CDs vertrieben zu haben, in denen Kinder zum "Schlachten der Juden" und zum Märtyrertod aufgefordert wurden. Als besonders verwerflich erIndoktrinierung achtete das Gericht, dass mit den Inhalten der CDs gezielt Kinder von Kindern indoktriniert werden sollten. Die Bildund Tonträger waren am 14. April 2005 bei einer Durchsuchung von mehr als 30 Objekten inund außerhalb Deutschlands sichergestellt worden. Terroranschläge Nach mehr als achtmonatiger Dauer wurden am 31. Oktober in Madrid in Madrid vom die Urteile im Prozess um die 191 Toten und über 1.500 Verletzten der 11. März 2004 Terroranschläge auf Madrider Pendlerzüge vom 11. März 2004 gesprochen. Ein Viertel der fast 30 Angeklagten wurde freigesprochen, so auch der mutmaßliche Drahtzieher der Attentate. Unterschiedliche Übersetzungen eines abgehörten Telefonats, in welchem er sich 2004 laut Anklage gerühmt hatte, die Tat in Madrid geplant zu haben, boten für das Gericht keine ausreichende Grundlange, ihn als Beteiligten der Anschläge zu verurteilen. Nur drei der Beschuldigten wurden wegen Mordes zur Höchststrafe verurteilt. Bei 18 weiteren Angeklagten entschied das Gericht zwar auf hohe Gefängnisstrafen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, blieb aber weit unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Das Oberlandesgericht München setzte im Oktober die Reststrafe von "Lokman-Prozess" drei Jahren und zehn Monaten Haft des Irakers Lokman Amin Mohammed zur Bewährung aus. Lokman, der am 12. Januar 2006 in München wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war, saß bereits seit Dezember 2003 in Haft. Der irakische Kurde machte im Verlauf seines Verfahrens umfangreiche Angaben und sagte auch in anderen Terrorprozessen aus. Am 5. November wurde vor dem Oberlandesgericht Stuttgart Anklage DHKP-C gegen fünf hochrangige Funktionäre der DHKP-C (vgl. auch Nummer 5.2 dieses Abschnitts) wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung erhoben, u.a. auch gegen den Gebietsverantwortlichen für Süddeutschland. Neben der Rekrutierung neuer MitglieVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 31 der und deren ideologischer Schulung hatten sie den Auftrag, Waffen, Munition, Handys und Ausweispapiere für die kämpfenden Einheiten in der Türkei zu beschaffen. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht verurteilte am 5. Dezember zwei Palästinenser und einen Syrer wegen der Mitgliedschaft und der Unterstützung der al-Qaida zu sechs, sieben und dreieinhalb Jahren Haft. Es Al-Qaida war das erste Verfahren der Bundesanwaltschaft, das sich auf Erkenntnisse aus einem so genannten großen Lauschangriff stützte. Zwischen August 2004 und der Festnahme im Januar 2005 waren Gespräche in der Wohnung des Hauptangeklagten abgehört worden. Die drei Männer hatten versucht, durch den Abschluss von Risiko-Lebensversicherungen und den geplanten fingierten Unfalltod eines der Angeklagten Versicherungsleistungen von mehr als vier Millionen Euro zu kassieren. Das Geld sollte teilweise der Terrororganisation al-Qaida zugeführt werden. Die Verteidigung kündigte Revision an, da ihrer Ansicht nach die Ergebnisse der akustischen Wohnraumüberwachung nicht gerichtsverwertbar seien. Der angeklagte Syrer wurde nach dem Urteilsspruch freigelassen, da er bereits mehr als zwei Drittel seiner Strafe in Untersuchungshaft verbüßt hatte. Am 18. Dezember begann vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht der Prozessbeginn Prozess gegen einen der beiden so genannten Kofferbomber wegen gegen "Kofferversuchten vielfachen Mordes. Er hatte zusammen mit einem weiteren bomber" Libanesen versucht, am 31. Juli 2006 zeitlich aufeinander abgestimmte Sprengstoffanschläge auf zwei Regionalzüge zu verüben; nur ein handwerklicher Fehler hatte die Explosionen verhindert. Der zweite Libanese wurde gleichfalls am 18. Dezember im Libanon zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Den in Deutschland angeklagten Libanesen verurteilte ein libanesisches Gericht in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. 2. Islamischer Extremismus (= Islamismus) 2.1 Ideologische Grundlagen des Islamismus Der Islam als Religion und seine Ausübung werden nicht vom VerfasGesetzlicher sungsschutz beobachtet. Der Beobachtung unterliegen jedoch islamisBeobachtungstische Gruppierungen und Einzelpersonen, die die unter Nummer 1.1 dieauftrag ses Abschnitts dargelegten Merkmale des Ausländerextremismus erfüllen. Eine Differenzierung zwischen Islam und Islamismus kann gleichwohl nicht absolut sein, da sich der Islamismus direkt aus dem Islam ableitet. Die im Bundesgebiet aktiven islamistischen Gruppierungen wollen die in ihren Heimatländern bestehenden Staatsund GesellschaftsordnunVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 32 Ausländerextremismus gen durch ein auf dem Koran und der Scharia (islamisches Rechtssystem) basierendes islamisches Gesellschaftssystem ersetzen. Überwiegend streben sie sogar die Errichtung eines anti-laizistischen Gottesstaats auf der ganzen Welt an. Sie gehen davon aus, dass durch die Scharia eine alle Lebensbereiche umfassende islamische Gesellschaftsordnung vorgegeben sei, die es überall zu verwirklichen gelte. Nach ihrer Überzeugung entsprechen die gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Islamismus wegen ihres göttlichen Ursprungs als einziges gesellschaftliches System in allen Aspekten vollständig der menschlichen Natur. Die Trennung von Staat und Religion (Laizismus) in westlichen Staaten wird daher nicht nur als "un-islamisch" abgelehnt, sondern teilweise auch aktiv bekämpft. Der Islamismus ist geprägt von Intoleranz gegenüber Andersgläubigen, teilweise sogar gegen friedliche, moderate Muslime. AbsolutheitsAufgrund seines Absolutheitsanspruchs fordert er einen aktiven Kampf anspruch gegen alle "Ungläubigen" und für die weltweite Islamisierung, falls nötig durch Unterwerfung aller Nichtmuslime. Westliche Demokratieund Gesellschaftsvorstellungen werden abgelehnt, sofern sie nicht im Einklang mit der von den Islamisten vorgenommenen Auslegung des Korans und der Scharia stehen. Dies bedeutet die Ächtung des demokratischen Prinzips der Volkssouveränität und der Chancengleichheit der Parteien. Ferner gibt es keine Gewaltenteilung, keine demokratische Legislative, keine Kontrolle der obersten Staatsgewalt. Auch die Menschenrechte nach westlichem Verständnis werden nur anerkannt, sofern sie nicht im Widerspruch zur Scharia stehen. Die Gleichheit der Menschen wird verneint, nur Muslime genießen volle Rechte. Ablehnung von Islamistische Gruppen wenden sich infolgedessen massiv gegen eine Integration echte Integration. Sie versuchen, vor allem junge Menschen zu beeinflussen und sie zu einer Ablehnung unserer demokratischen Ordnung und unserer freiheitlichen Gesellschaft zu bewegen. Dazu dienen die privaten Koranschulen extremistischer Organisationen wie auch die Pflicht für Frauen und Mädchen, Kopftücher zu tragen, was zur bewussten Abgrenzung von westlichen Lebensgewohnheiten beiträgt (vgl. auch Nummer 2.3 dieses Abschnitts). Islamistische Terrorgruppen stehen weit mehr im öffentlichen Interesse als nicht-gewaltbereite islamistische Gruppen. Dennoch sind auch diese eine Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, da sie - trotz anderslautender Bekenntnisse - eine wirkliche Integration ablehnen und damit zur Bildung von Parallelgesellschaften entscheidend beitragen. Haltung zur Die Haltung zur Gewalt ist differenziert zu sehen. Gewalt wird nicht von Gewalt allen Organisationen grundsätzlich abgelehnt, sondern eher von taktischen Überlegungen abhängig gemacht. Nach Ansicht mancher islaVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 33 mistischer Theoretiker schließt der "Djihad" (wörtlich: Innerer Kampf, Anstrengung; auch bekannt als "Heiliger Krieg") als Instrument zur Verwirklichung der islamischen Gesellschaftsordnung alle zum Sieg verhelfenden Mittel ein. So befürwortet ein Teil der islamistischen Gruppierungen vor allem aus dem arabischen Raum Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Die im Bundesgebiet mitgliederstärkste islamistische Gruppierung, die türkische Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG), setzt dagegen auf politische Aktivitäten zur Veränderung der gesellschaftlichen Ordnungen in der Türkei und in Deutschland (vgl. auch Nummer 3.1 dieses Abschnitts). 2.2 Rolle des Internets Sowohl nicht gewaltbereite Islamisten als auch islamistische Terroristen nutzen das Internet in professioneller Weise als wesentliches PropaganPropaganda, da-, Kommunikationsund Steuerungsmedium. Inzwischen sorgen Kommunikation, mehrere tausend einschlägige Terrorseiten für eine Verbreitung der Steuerung Djihad-Ideologie. Internet-Auftritte von islamischen Extremisten und von islamistischen Organisationen mit zahlreichen und eindeutigen Verweisen bzw. Links auf Internet-Angebote mit terroristischen Inhalten zeigen deutlich, wie leicht, fließend und damit gefährlich über das offene Medium des World Wide Web der Übergang vom Islamisten zum islamistischen Terroristen ist. Ein anschauliches Beispiel für die zentrale Bedeutung des Internets ist die jüngere Entwicklung al-Qaidas. Mit Hilfe des Internets hat sich al-Qaida immer weiter weg von einer Organisation bewegt und den Charakter einer weltweiten Bewegung angenommen. Die Grenze zwischen al-Qaida-Sympathisanten, die mit Propaganda, Know-how sowie ideologischer Schulung im Netz auftreten, und den Aktivisten des Terrors verschwimmt zunehmend. In jedem Land der Welt können sich Sympathisanten mit Hilfe des zur Verfügung gestellten Lehrmaterials, wie etwa der "Enzyklopädie des Djihad", ausbilden, um im Namen al-Qaidas am Kampf teilzunehmen. Das Internet gewährleistet die Existenz, Überlebensfähigkeit und Weiterentwicklung al-Qaidas. Islamisten und islamistische Terroristen finden im Internet ideale Bedingungen, da die spontane Bildung interaktiver und ideologisch gleich gesinnter Internet-Gemeinden kein großes Fachwissen erfordert und ein schnelles Agieren sowie eine große Reichweite im Web ermöglicht. Große Reichweite Hier werden Meinungen ausgetauscht, Verlautbarungen und einschlägige Schriften verbreitet, Audiound Videobotschaften eingestellt oder neu verlinkt und somit einem breiten Publikum von Sympathisanten zur Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 34 Ausländerextremismus Verfügung gestellt. Neben der zunehmenden Verwendung von neuen Techniken, wie z.B. Podcasting, Weblogs, PalTalk und Chat, sorgt eine neue Generation von islamistischen IT-Fachleuten für professionell aufbereitete und getarnte Internet-Auftritte. So sind islamistische Internet-Angebote, insbesondere im Bereich des Djihadismus, besonders dynamisch. Die Homepages ändern häufig ihr Erscheinungsbild und sind teilweise nur über einen kurzen Zeitraum abrufbar. Ein Großteil der Internet-Seiten ist in arabischer Sprache abgefasst, teilweise werden englisch-, französischund auch deutschsprachige Fassungen präsentiert. Einige Internet-Angebote gehen mit so genannten Weblogs einher, die es erlauben, eigene Beiträge einzubringen und so interaktive Netzgemeinden zu bilden. In den meist passwortgeschützten Diskussionsforen bilden sich abgeschottete Gruppen ideologisch Gleichgesinnter, Radikalisierung in denen religiöse Schulung ebenso stattfindet wie Radikalisierung und und Rekrutierung Rekrutierung für terroristische Aktivitäten. Während bisher die Vermittlung einschlägigen Fachwissens zu den Themen Waffenkunde, Bombenbau, konspirative Kommunikation und Guerillakampf vorwiegend über den Austausch von selbst erstellten Handbüchern und Anleitungen im Internet erfolgte, konnte 2007 erstmals eine Art Online-Universität festgestellt werden. Das zugangsbeschränkte militant-islamistische Internet-Forum "al-Ekhlaas" ("die Wahrhaftigkeit") bot einen Elektrotechnik-Kurs für Djihadisten an. Der Unterricht erfolgt über foreninterne Privatpost zwischen Lehrer und Schülern sowie über zum Download bereitgestellte Powerpoint-Präsentationen. Die terroristische Ausbildung mittels "Fernstudium" stellt eine neue Entwicklung dar, die zunehmend als Ergänzung oder auch Ersatz für die immer mehr unter Druck geratenden Ausbildungslager in Afghanistan und Pakistan dient. "home grown"Das Internet leistet so gerade auch dem "home grown"-Terrorismus Terrorismus wesentlichen Vorschub. Zentrale Schritte von der Radikalisierung bis hin zur Selbstrekrutierung, von der ideologischen Schulung bis zur Planung von Anschlägen, können mittels des im Internet zur Verfügung gestellten Materials vollzogen werden. Es ist zu erwarten, dass die mit Hilfe des Internets geschulten und operativ unabhängigen Einzelpersonen oder Gruppen im Bereich des islamistischen Terrorismus zunehmen werden, zumal al-Qaida als eine handlungslegitimierende und -leitende Ideologie zu verstehen ist, die jeder als "Markenzeichen" in Anspruch nehmen kann. Internet-Veröffentlichungen wie die auf der Seite der "Global Islamic Media Front" (GIMF) erschienene Anleitung "39 Möglichkeiten den Djihad zu unterstützen" geben konkrete Anleitung von der geistigen Vorbereitung über die logistische Unterstützung der MudVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 35 jahidin bis hin zum eigenen "Märtyrer-Tod". Al-Qaida versucht verstärkt, die Muslime in westlichen Ländern, insbesondere re-islamisierte junge Männer der zweiten und dritten Einwanderergeneration sowie Konvertiten durch ihre Internet-Verlautbarungen zu erreichen. Obwohl kein direkter Zusammenhang zwischen den Anschlägen von London und Glasgow am 29. bzw. 30. Juni zu Internet-Verlautbarungen aus dem islamistischen Bereich hergestellt werden kann, tragen solche Veröffentlichungen zur Radikalisierung von Tätern bei. So wurden am 28. Juni in einem Internet-Forum Beiträge eingestellt, welche die beabsichtigte Erhebung Salman Rushdies in den Ritterstand zum Thema hatten. Der Schriftsteller war 1989 wegen seiner Schrift "Die satanischen Verse" von Ayatollah Khomeini in einer Fatwa zum Tode verurteilt worden. In den Internet-Beiträgen fielen Äußerungen wie "Anschläge in London sind zu erwarten" und "Möchte Großbritannien Anschläge heraufbeschwören?". Mittels videodokumentierter Anschläge vor allem im Irak, Videoverlautbarungen und Drohungen wollen Terrorgruppen Stärke und uneingeschränkte Aktionsbereitschaft vermitteln. Eine besondere Rolle in Deutschland spielen hierbei die Seiten der "Global Islamic Media Front" Global Islamic (GIMF). Die GIMF wendet sich nicht primär an die Bevölkerung im araMedia Front (GIMF) bischen Raum, sondern hat die weltweite Verbreitung ihrer Propaganda zum Ziel. Seit Mai 2006 gibt es auch eine deutschsprachige GIMF-Homepage. Hier werden regelmäßig deutsche Übersetzungen von Verlautbarungen, Tatbekennungen und sonstigen Informationen von Mudjahidin-Gruppen im Irak und in Afghanistan eingestellt. Anfang März erschien eine sechsminütige Videobotschaft mit islamistisch-terroristischer Ausrichtung. Darin wird Deutschland und Österreich mit Terroranschlägen gedroht, falls beide Staaten ihre Soldaten nicht aus Afghanistan abziehen würden. Der mutmaßliche Verantwortliche der deutschsprachigen GIMF wurde am 12. September in Wien festgenommen, was die GIMF auf ihrer Homepage am 17. September kommentierte: "An die Kuffar, die uns versuchen zu bekämpfen, sagen wir folgendes: Ihr könnt machen, was ihr wollt, macht so viele Festnahmen, wie ihr wollt, ..., ihr werdet euer Ziel nie erreichen, wir werden immer weiter machen, bis wir den Sieg erlangen oder das Märtyrertum." Die Festnahme ihrer mutmaßlichen Führungsspitze führte nicht zu einer erkennbaren Schwächung; die GIMF ist unverändert aktiv. Ende November erschien ein zweites Drohvideo gegen Deutschland und Österreich. Drohvideo In dem vierminütigen Videobeitrag werden beiden Ländern erneut Vergeltungsaktionen angedroht, falls sie ihre Soldaten nicht aus AfghanisVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 36 Ausländerextremismus tan abziehen würden. Außerdem werden weitere Aktionen der Taliban gegen deutsche Bundeswehrsoldaten in Afghanistan angekündigt. Auf den Seiten des militant-islamistischen Internet-Forums "al-Ekhlaas" nehmen seit August 2007 die Deutschlandbezüge zu. Beherrschendes Thema ist das deutsche Engagement in Afghanistan und der Aufruf zur Gewalt gegen die Soldaten der ISAF wie auch gegen deren Herkunftsländer. So wurde Ende August die Ansicht vertreten, dass nur "Blut die Soldaten zum Heimgehen bringen" könne. Konspirative Ein wesentliches Element terroristischer Aktivitäten ist die konspirative Kommunikation Kommunikation. Das djihadistische Onlinemagazin "al-Mujahid al-Tiqani" ("der technische Mudjahid"), das sich mit technischen Fragen im Zusammenhang mit der Rechnernutzung befasst, stellte in einem ausführlichen Artikel neben den am häufigsten verwendeten Methoden der elektronischen Verschlüsselung auch die Steganographie vor. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem verschlüsselte Informationen in den Farbschichten von Bilddokumenten verborgen übermittelt werden. Seit März 2007 wird im Internet eine Hackingsoftware unter dem Titel "Elektronischer "al-Jihad al-Elektruni" ("der elektronische Djihad") angeboten. Die SoftDjihad" ware dient der Generierung von so genannten "Denial of Services"-Attacken. Bei einem derartigen Angriff wird der Zielcomputer bzw. ein Server mit einer so hohen Anzahl von Anfragen beschickt, dass er die Anfrageflut nicht mehr bewältigen kann und vom Netz genommen werden muss. Der Betreiber der Internet-Seite, auf der die Software angeboten wird, benennt auch Ziele, vorwiegend Internet-Seiten mit aus seiner Sicht antiislamischem Inhalt, und ruft zum "elektronischen Krieg" gegen diese Seiten auf. In der Praxis des "elektronischen Djihad" überwiegen anlassbezogene Angriffe gegen Internet-Seiten, wie z.B. gegen die dänische Zeitung Jyllands-Posten wegen der Mohammed-Karikaturen oder gegen die marrokkanische Fluggesellschaft Royal Air Maroc, weil sie ihren Mitarbeiterinnen das Tragen des Kopftuchs verbot und Gebete während der Arbeitszeit untersagte. Generell nimmt die Bedeu"Cyber Djihad" tung des "Cyber Djihad" in islamistischen Kreisen zu, da man auf diesem Feld mit relativ geringen Mitteln und fast ohne persönliches Risiko in hoch technisierten Gesellschaften großen Schaden anrichten kann. 2.3 Islamistische Bildungsund Jugendarbeit Die Bildungsund Jugendarbeit ist ein wesentlicher Baustein zum Erhalt und zur Fortentwicklung jeder Organisation. So wendet sich eine VielVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 37 zahl islamischer Einrichtungen in Deutschland mit altersund zielgruppenorientierten Bildungsund Betreuungsangeboten an Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Die Angebote sind nur teilweise extremistischer Natur. Eine Gefahr liegt jedoch darin, dass vor allem islamistische Organisationen dieser Arbeit hohe Bedeutung beimessen. Sie wollen der Jugend eine moralische Orientierung geben, die ihrer Ansicht nach in der westlichen Gesellschaft nicht gewährleistet ist. Eine besondere Rolle bei der Bildungsarbeit islamistischer Organisationen nimmt die religiöse Fortbildung und somit der Koranunterricht ein. In nahezu allen Moscheevereinen werden Korankurse angeboten. Der Korankurse Unterricht findet nach Geschlechtern getrennt in der Regel am Wochenende statt. Zusätzlich bieten die Vereine während der Ferien besondere Kurse im Inund Ausland an. Parallel zu den Korankursen werden gelegentlich auch Arabischkurse angeboten, die die Rezitation und das inhaltliche Verständnis des Korans ermöglichen sollen. Dabei schaffen sich extremistische Organisationen Möglichkeiten, in die als religiöse "islamische" Bildung präsentierten Angebote islamistische, auf politische Inhalte ausgelegte Positionen einfließen zu lassen und prägend auf Kinder und Jugendliche einzuwirken. Kennzeichnend für eine islamistische, also auf politische Inhalte ausMerkmale gelegte Bildungsarbeit, sind vor allem: islamistischer Bildungsarbeit - die Deutung des Islams als ordnungspolitisches System, - die Ausschließlichkeit, mit der die spezielle religiöse Lesart der Organisation vertreten wird, - der abwertende Umgang mit Andersgläubigen und andersdenkenden Muslimen, - der Standpunkt gegenüber demokratischen Freiheitsrechten sowie - die Wahl der Mittel, mit denen eine islamische Ordnung erreicht werden soll. Als Anbieter von Korankursen treten im Bereich der islamistischen OrgaBildungsarbeit von nisationen insbesondere die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. IGMG und IGD (IGMG) sowie die mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der sunnitisch-extremistischen Muslimbruderschaft (MB), die Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD), auf. Die IGMG versucht, mit einem breiten Angebot in der Jugendund Bildungsarbeit wie etwa der Veranstaltung von Sommerkorankursen, junge Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 38 Ausländerextremismus Türken in Deutschland an die Organisation und an ihre islamistische Ideologie zu binden. Durch diese Angebote sollen Kinder und Jugendliche aus dem "Sumpf der westlichen Lebensweise" herausgehalten und nach "islamischen" Wertmaßstäben erzogen werden. Neben den traditionellen Schulungen in Wochenendund Sommerkorankursen für Kinder setzt die IGMG aber inzwischen auch gezielt auf attraktive Veranstaltungen für Jugendliche und Studenten (vgl. auch Nummer 3.1 dieses Abschnitts). Die IGD bemühte sich in den letzten Jahren verstärkt um Attraktivität für die in Deutschland aufgewachsenen Muslime arabischer Herkunft. Diese sollen u. a. über den Ausund Aufbau von Bildungseinrichtungen in Islamischen Zentren der IGD erreicht werden (vgl. auch Nummer 3.6.1 dieses Abschnitts). Neben der herkömmlichen Bildungsund Jugendarbeit haben islamistische Jugendorganisationen aber auch die Sogund Identifikationswirkung von Musik auf muslimische Jugendliche entdeckt. So demonstriert ein Teil der in Deutschland geborenen oder aufgewachsenen jun"Pop-Islamismus" gen Muslime vor allem durch Rap-Musik ein neues "islamisches Bewusstsein". Inhalt und Form der Musik sind ebenso wie die Darstellung gewollt politisch und gesellschaftlich provokant gehalten. Themen sind beispielsweise die "ungerechtfertigt negative" Darstellung des Islam in den deutschen Medien, die "Kopftuchdebatte" oder der "Krieg gegen den Terror". Die Texte rufen dabei zu einem Bekenntnis für eine "islamische Identität" auf. Die "Gesellschaftskritik", die wesentlicher Bestandteil der Rap-Musik ist, wird dabei religiös-politisch untermauert. Zum Teil bieten islamistische Jugendorganisationen diesen deutschsprachigen Bands gezielt eine Plattform für Auftritte. Auch auf der 29. Jahreskonferenz der IGD, die am 17. November in Leverkusen stattfand, durfte dieses Symbol einer jungen selbstbewussten Identität ("Wir sind Deutschland") als Publikumsmagnet nicht fehlen. Ein weiteres wichtiges Idol junger Muslime weltweit ist der ägyptische "Fernsehprediger" "Fernsehprediger" Amr Khaled. Durch seine regelmäßigen Auftritte im saudi-arabischen Satellitensender "Iqra" genießt er hohe Popularität bei seinem überwiegend jugendlichen Zielpublikum. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt Khaled als "unpolitischer", aber der ägyptischen Muslimbruderschaft nahestehender Prediger, der sich vor allem alltäglicher Probleme junger Muslime annimmt. Die Popularität Khaleds machen sich auch extremistische Organisationen zu Nutze, indem sie ihn zu ihren Veranstaltungen einladen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 39 Neben dem Engagement im Jugendbereich spielt aber auch die ErErwachsenenwachsenenbildung eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Verbreibildung tung islamistischer Ideologie. In diesem Zusammenhang ist u.a. auf vielfältige Ausbildungsangebote für Multiplikatoren (Lehrer, Dozenten) hinzuweisen. Beispielhaft dafür steht das Anfang 2001 in Frankfurt am Main gegründete Islamologische Institut, das mittlerweile seinen Hauptsitz nach Wien verlegt hat. Es steht dem Gedankengut der Muslimbruderschaft (vgl. auch Nummer 3.6 dieses Abschnitts) nahe und geht von einem islamistischen Weltbild aus, das mit einem säkularen Staat unvereinbar ist. Der Leiter des Instituts propagiert diese Haltung auch in einem von ihm verfassten Lehrbuch, das im Unterricht eingesetzt wird. Darin wird Religion als "islamische Lebensweise, die alle Bereiche und Ebenen der Lebensgestaltung, nämlich die religiöse, kulturelle, politische, wirtschaftliche, soziale, wissenschaftliche (...) umfasst" definiert. Ein eindeutiges Bekenntnis zu Menschenrechten und Grundgesetz ist somit fragwürdig. Kurse des Instituts, meist Wochenendseminare, finden an mehreren Orten statt, u.a. auch in München. Die Absolventen sollen dafür qualifiziert werden, in öffentlichen Schulen sowie in islamischen Gemeinden und Moscheen in deutscher Sprache islamischen Religionsunterricht zu erteilen. Das Islamologische Institut profitiert davon, dass im deutschsprachigen Raum ein Mangel an akademisch ausgebildeten Religionslehrern herrscht. Es versucht, durch seine Schulungsangebote diese Lücke auszufüllen und junge Multiplikatoren ideologisch und fachlich auszubilden. Auch das Internet spielt bei der Vermittlung islamistischer Lehrinhalte Bildung via eine wachsende Rolle. So ist eine große Anzahl einschlägiger InterInternet net-Seiten zu verzeichnen, die zum Teil miteinander verlinkt sind und Schulungen in Form von Audiooder VideoDateien zum Herunterladen anbieten (vgl. auch Nummer 2.2 dieses Abschnitts). Teilweise werden auch Islamseminare live via Internet übertragen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich in Deutschland zwischenzeitlich ein umfangreiches und weit verzweigtes privatautonomes islamistisches Bildungsund Schulsystem entwickelt hat. Die Gefahren dieser Entwicklung sind erheblich; Bildungsund Sozialarbeit islamistischer Träger kann von einer gemäßigt religiösen zu einer islamistischen Geisteshaltung führen und somit erheblich zur Radikalisierung von Muslimen in Deutschland beitragen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 40 Ausländerextremismus 3. Islamistische Gruppierungen 3.1 Milli-Görüs-Bewegung "Führer" der Milli-Görüs-Bewegung: Prof. Dr. Necmettin Erbakan Vorsitzender des europäischen Zweigs (IGMG): Osman Döring, genannt Yavuz Celik Karahan Entstehung der Bewegung (Türkei): ca. 1970 Entwicklung in Europa: Gründung 1985 in Köln als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT); 1995 Aufteilung in die beiden unabhängigen juristischen Personen "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) und "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft" (EMUG) Deutschland Bayern Mitglieder: 26.000 4.800 Sitz der IGMG: Kerpen Sprachrohr der Milli-Görüs-Bewegung: "Milli Gazete" (Nationale Zeitung) Publikation der IGMG: "IGMG Perspektive" Die Milli-Görüs-Bewegung ist ein Sammelbecken von Anhängern des langjährigen türkischen Politikers Prof. Dr. Necmettin Erbakan, der von 1996 bis 1997 Ministerpräsident in der Türkei war. Sie will seit Ende der 60er bzw. Anfang der 70er Jahre - trotz gegenteiliger Äußerungen - die laizistische Staatsordnung in der Türkei durch eine islamische Staatsund Gesellschaftsordnung mit dem Koran als Grundlage des Staatsaufbaus und als Verhaltenskodex des gesellschaftlichen Zusammenlebens ablösen. Ihr Fernziel ist die weltweite Islamisierung unter Führung der Türkei. Prof. Dr. Erbakan hat seine politischen Ideen u.a. in der Schrift "Milli Görüs" (Nationale Sicht) von 1975 veröffentlicht. Ideologie Die Ideologie und die Ziele der Milli-Görüs-Bewegung werden durch unterschiedliche Organisationen bzw. Kommunikationsmittel verbreitet: - die Glückseligkeitspartei (SP) in der Türkei, - die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) als Repräsentantin im Ausland, - die "Milli Gazete" als publizistisches Sprachrohr, - das Internet und Fernsehen als Kommunikationsmittel. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 41 Glückseligkeitspartei (SP) in der Türkei In der Türkei sind die Anhänger der islamistischen Milli-Görüs-Bewegung seit 2001 in der Saadet-Partisi (SP - Glückseligkeitspartei) organisiert, nachdem die islamistischen Vorgänger-Parteien Refah Partisi (RP - Wohlfahrtspartei) und Fazilet Partisi (FP - Tugendpartei) wegen "anti-laizistischer Aktivitäten" verboten worden waren. Trotz eines gegen Prof. Dr. Erbakan erlassenen Politikverbots, das ihm die Ausübung einer Parteifunktion verwehrt, gilt er weiterhin als "Führer" mit weit reichendem Einfluss auf Partei und Bewegung. Offizieller Vorsitzender der SP ist Recai Kutan. Auch die derzeitige Regierungspartei AKP (Gerechtigkeitsund Aufschwungpartei) ging aus der 2001 vom türkischen Verfassungsgericht verbotenen FP hervor, sie nimmt für sich aber - anders als die SP - eine Abkehr vom Islamismus in Anspruch. Bei den türkischen Parlamentswahlen im Jahr 2007 erhielt die SP 2,3 % der Stimmen (2002: 2,5 %), während die AKP mit 46,5 % der Stimmen (2002: 35,0 %) die Mehrheit der Abgeordnetenmandate errang und die seit 2002 von ihr geführte Regierung in der Türkei fortsetzte. Die IGMG unterstützte auch 2007 massiv den Wahlkampf der SP und dokumenParlamentswahlen tierte damit ihre politische Ausrichtung an der türkischen Milli-Gö2007 rüs-Bewegung. Zur Vorbereitung der Wahlen fanden Mitte April Veranstaltungen der Milli-Görüs-Bewegung mit den IGMG-Gebietsvorsitzenden in der Türkei statt: Am 12. und 13. April traf Prof. Dr. Erbakan die IGMG-Gebietsvorsitzenden aus Europa in einem Hotel in Ankara zu Einzelgesprächen. Bei einer Gemeinschaftsveranstaltung sprach auch Dr. Arif Ersoy. Dr. Ersoy gilt als Architekt des Konzepts der "gerechten Ordnung", einer zentralen ideologischen Säule der Milli-Görüs-Bewegung. Unter dem Titel "Wir werden die Saadet-Fahne ganz nach oben ziehen" berichtete die Europaausgabe der "Milli Gazete" am 16. April über die monatliche Provinzratssitzung der SP in Istanbul. Neben dem Istanbuler Parteivorsitzenden, Osman Yumakogullari, nahmen an der Sitzung auch IGMG-Funktionäre teil. Nach einem Bericht der Milli Gazete vom 15. Juni warnte Prof. Dr. Wahlkampf Necmettin Erbakan in einer Rede vor Kandidaten der SP vor der Katastrophe, die drohe, falls nicht die SP an die Macht komme. Er kritisierte die türkische Regierung, die sich dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ergeben habe. Die imperialistischen Kräfte hätten im Jahre 1990 erneut einen Kreuzzug begonnen. Nachdem die USA nach dem Zusammenbruch Russlands die einzige Weltmacht seien, habe der "rasVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 42 Ausländerextremismus sistische Imperialismus" gesagt: "Lasst uns den 20. Kreuzzug beginnen!" Prof. Dr. Erbakan erwähnte ferner die Besetzung Afghanistans und des Iraks durch die USA und kündigte den Beginn des "Nationalen Befreiungskampfs" (Milli Kurtulus Harekati) an: "Der historische Punkt, an dem wir uns befinden, ist ein wichtiger Punkt. Und die Wahlen am 22. Juli 2007 werden aus diesem Grund genauso wichtig sein wie die Schlacht von Canakkale (Anmerkung: Dardanellen 1915), sogar noch wichtiger. Zur Befreiung Istanbuls, der islamischen Welt und der Menschheit starten wir den Nationalen Befreiungskampf." Weiter führte Prof. Dr. Erbakan aus, dass die SP die einzige der 16 zugelassenen Parteien sei, die die Türkei aus der wirtschaftlichen, politischen und moralischen Krise herausholen könne. Alle Parteien außer der SP hätten die "ehrenhafteste Nation der Geschichte" und dieses "Land, dem Gott (Allah) die größten Gaben geschenkt hat", versklavt und ausgebeutet. Er rief dazu auf, der Partei die Stimme zu geben, die für eine gerechte Ordnung eintrete. "Der Sieg gehört denen, die daran glauben, und der Sieg ist nahe. Gesegnet sei euer Djihad." Auch unabhängig von den diesjährigen Parlamentswahlen zeigte sich die Verhältnis zur Nähe des europäischen und des türkischen Zweigs der Milli-Görüs-BeIGMG wegung. An zahlreichen IGMG-Veranstaltungen beteiligten sich Funktionäre der SP. Aber auch IGMG-Funktionäre besuchten SP-Vertreter in der Türkei. Im März trafen sich die Gründungsmitglieder der Milli Görüs in Europa in Rotterdam/Niederlande zum "Tag der Vertragstreue". Neben dem Vorsitzenden der SP in Istanbul, Osman Yumakogullari, der zeitweise Generalvorsitzender der Milli Görüs in Europa war, nahmen der gegenwärtige IGMG-Generalvorsitzende Yavuz Celik Karahan und der damalige IGMG-Funktionär Hasan Damar an der Veranstaltung teil. Im April besuchte die Vorsitzende der IGMG-Frauenorganisation, Zehra Dizman, mit Mitgliedern ihres Führungsrats Prof. Dr. Necmettin Erbakan in der Türkei. Anschließend traf sich die Delegation mit der Vorsitzenden der Frauenorganisation der SP. Am 21. April wurde eine neue IGMG-Moschee in Mühldorf am Inn eröffnet. Die Einweihungsfeier besuchten etwa 300 Personen. Neben hochrangigen Funktionären der IGMG, wie etwa dem südbayerischen Gebietsvorsitzenden Abdussamed Temel, waren auch der stellvertretende Vorsitzende der SP und ehemalige türkische Justizminister Sevket Kazan anwesend. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 43 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) als Repräsentantin im Ausland Die IGMG bildet die Auslandsorganisation der Milli-Görüs-Bewegung. Organisation Der Sitz der IGMG-Zentrale befindet sich in Kerpen/Nordrhein-Westfalen. Der Zentrale sind mehr als 30 "Gebiete" nachgeordnet, davon etwa die Hälfte allein in Deutschland. Weitere "Gebiete" befinden sich in europäischen Ländern, aber auch in Kanada und Australien. Unterhalb der "Gebietsebene" sind die "Ortsvereine" angesiedelt, die sich direkt oder indirekt der IGMG zurechnen lassen. Auch hier zeigt sich, dass sich die Bestrebungen der IGMG vor allem auf Deutschland konzentrieren. So befinden sich von den insgesamt rund 700 "Ortsvereinen" etwa 500 in Deutschland. In Bayern sind etwa 70 "Ortsvereine" aktiv, mit regionalen Schwerpunkten in Nürnberg und München. Das Bemühen der IGMG um gesellschaftliche Akzeptanz führte bei mehreren "Ortsvereinen" zur Annahme von neutralen Bezeichnungen. Solche Vereine geben sich Satzungen, die formal keine Rückschlüsse auf die IGMG mehr zulassen. Beziehungen zur IGMG lassen sich aber aufgrund von internen Mitgliedslisten oder durch bekannt gewordene persönliche Mitgliedschaften führender Funktionäre herstellen. So hat sich der Verfassungsschutz im Berichtsjahr mit der Islamischen Gemeinde Penzberg e.V. befasst. Dieser 1994 gegründete Verein erschien noch für den Zeitraum Emblem 2003/2004 auf Mitgliedslisten der IGMG, die bei einer polizeilichen der IGMG Durchsuchung der Münchner IGMG-Moschee aufgefunden wurden. Inzwischen hat der Vereinsvorsitzende Schreiben vorgelegt, mit denen er um Streichung des Vereins aus dem IGMG-Register bittet und seine persönliche Mitgliedschaft ab März 2006 kündigte. Die IGMG-Führung unter Leitung des im Dezember 2002 gewählten Vorsitzenden Karahan ist seit der Niederlage der SP bei den türkischen Parlamentswahlen 2002 und der Regierungsbildung durch die AKP Verhältnis zur AKP bemüht, sich gegenüber der türkischen Regierung als wichtige Organisation zur Wahrung türkischer Interessen in Deutschland darzustellen. So bot im Dezember 2002 der IGMG-Generalsekretär Oguz Ücüncü dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Abdullah Gül und dem AKP-Gründer Recep Tayyip Erdogan Unterstützung an. Die IGMG sei eine wichtige Brücke zwischen der Türkei und Europa. Der Weg zur EU führe über Milli Görüs. Die türkische Regierung griff dieses Angebot auf und strich die IGMG von einer Liste von staatsfeindlichen Organisationen. In der Folgezeit verstärkten sich die Beziehungen zwischen der IGMG und Repräsentanten der AKP sowie regierungsnahen Einrichtungen und Organisationen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 44 Ausländerextremismus Die IGMG versucht in Deutschland, den Eindruck einer bloßen Religionsgemeinschaft und einer verfassungstreuen Organisation zu erwecken, die sich ausschließlich um die religiösen und sozialen Bedürfnisse der türkischen Muslime in Deutschland kümmert. Neben ihren engen Verbindungen zur SP spricht dagegen jedoch auch, dass die Milli-Görüs-Bewegung regelmäßig den Jahrestag der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, Ende Mai mit Prunk begeht. Im Berichtsjahr fand die Feier in Ankara statt. Der "Milli-Görüs-Führer" Prof. Dr. Erbakan wurde als "Mücahid (Glaubenskämpfer) Erbakan" gefeiert. Die Eroberungsfeier endet stets mit der symbolischen Übergabe des Schwerts Sultans Mehmets II., der seinerzeit Konstantinopel eroberte, an Prof. Dr. Erbakan. DurchsuchungsDurchsuchungen in den Jahren 2004 und 2005 in der IGMG-Zentrale aktionen Südbayern in München ergaben, dass die Führung des Verbands der Ideologie Prof Dr. Erbakans und dessen SP treu ergeben ist. Es wurden Veröffentlichungen von Prof. Dr. Erbakan sichergestellt. In anderen dort beschlagnahmten Büchern wird die Feindschaft gegen Juden, Freimaurer und Christen sowie die Ablehnung des Westens und der Demokratie sichtbar. Weitere beschlagnahmte Publikationen betonen die Bedeutung des "Djihad" und die Allgemeingültigkeit des Islam. Neben einem umfangreichen Buchsortiment wurden auch Videokassetten zur Verbreitung vorrätig gehalten. Beispielhaft ist hier der auf Kinder zugeschnittene Zeichentrickfilm "Kücük Mücahid" (Der kleine Glaubenskämpfer) zu nennen, der Kindern den (bewaffneten) Guerillakampf gegen "Besatzer" vermittelt. Auch ein Propagandavideo der palästinensischen Widerstandsbewegung HAMAS wurde sichergestellt. Insgesamt zeigt die Auswertung des beschlagnahmten Materials, dass sich die Milli-Görüs-Bewegung im Kampf gegen eine schon lange geplante, bis heute andauernde jüdische Weltverschwörung sieht. Dies wurde auch am Europatreffen der IGMG im Jahr 2006 deutlich. Dort wurde am Verkaufsstand des IGMG-Bücherclubs u.a. das antisemitische Propaganda-Video "Zehras blaue Augen" verkauft. Presseberichten zufolge bezweifeln nach Einschätzung des IGMG-Generalsekretärs Oguz Ücüncü viele Imame, dass der Holocaust stattgefunden hat. Jugendund Mit einem breiten Angebot in der Jugendund Sozialarbeit versucht die Sozialarbeit IGMG, junge Muslime in Deutschland an die Organisation zu binden. So führte die IGMG wie bisher Sommerkorankurse durch. Nach einem Artikel der Milli Gazete vom 21. August hat die IGMG wieder "Tausende Kinder und Jugendliche" im Rahmen ihres Bildungsprogramms zuVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 45 sammengebracht. Der Vorsitzende der Abteilung Bildung und Erziehung der IGMG, Mehmet Gedik, teilte in einem Interview mit, man habe Religionsunterricht erteilt, "um die Glaubensund Identitätsstruktur der Kinder ausreifen zu lassen". Unterrichtsthemen waren der Koran und die Kunst der Koranrezitation. Neben dem Religionsunterricht wurde Türkischunterricht angeboten sowie Kurse, die das soziale Zusammenleben und die Menschrechte betreffen. Wie in den vergangenen Jahren wurden Kurse mit und ohne Übernachtung in zehn europäischen Staaten angeboten. Diese so genannten Sommerschulen sind eingebettet in ein von der IGMG-Zentrale verabschiedetes Bildungsprogramm. Dazu gehört auch Islamunterricht ab dem Kindergarten bis zur 8. Klasse. Durch diese Angebote sollen Kinder und Jugendliche aus dem "Sumpf der westlichen Lebensweise" herausgehalten und nach "islamischen" Wertmaßstäben erzogen werden. Neben den traditionellen Schulungen in Wochenendund SommerkoranVeranstaltungen kursen für Kinder setzt die IGMG aber inzwischen auch gezielt auf die für Jugendliche Durchführung von attraktiven Veranstaltungen für Jugendliche und und Studenten Studenten. Dass ihr dies gelingt, zeigt sich beispielhaft an einer Veranstaltung des IGMG-Gebietes Südbayern am 21. Januar im Stadttheater Ingolstadt, an der etwa 1.200 Personen teilnahmen. Der Abend wurde mit Vorlesungen, Gedichten, Musik und amüsanten Einlagen, teilweise in deutscher Sprache, gestaltet. Bei den Besuchern handelte es sich zum Großteil um junge Leute zwischen 15 und 25 Jahren, die aus dem gesamten südbayerischen Raum angereist waren. Die Jugendund Studentenorganisation der IGMG veranstaltete am 31. März in der Stadthalle Hagen/Nordrhein-Westfalen einen "Tag der Studenten"zu dem etwa 1.700 muslimische Studierende aus ganz Europa kamen. Dies belegt, dass die IGMG auch für angehende Akademiker interessant ist. Die Mobilisierung für diese Veranstaltung erfolgte über eine eigens für den "Tag der Studenten" eingerichtete türkischsprachige Internet-Seite. Die IGMG ist zudem bemüht, die Infrastruktur für ihre Bildungsarbeit auszubauen. Deutlich wird dies am Beispiel der am 21. April neu eröffneten Moschee in Mühldorf am Inn. An den Moscheeneubau schloss Moscheeneubau in sich eine internatsähnliche Einrichtung für Kinder und Jugendliche an. Mühldorf am Inn Wegen baurechtlicher Mängel wurde der Betrieb des Internats allerdings untersagt. Bisher waren Nürnberg und München in Bayern regioVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 46 Ausländerextremismus nale Schwerpunkte der IGMG. Mit dem Moscheeneubau in Mühldorf kann der Verband das Gebiet zwischen Regensburg, Ingolstadt und Landshut besser betreuen (zur Jugendund Bildungsarbeit islamistischer Organisationen im Allgemeinen vgl. auch Nummer 2.3 dieses Abschnitts). Kommunikationsplattformen der Milli-Görüs-Bewegung "Milli Gazete" als publizistisches Sprachrohr Die türkischsprachige Zeitschrift "Milli Gazete" ist eine formal eigenständige Publikation, die jedoch inhaltlich den Lesern die Ideologie von Milli Görüs vermittelt; das Blatt verfügt auch über eine Homepage im Internet. Die Tageszeitung erscheint in einer Türkeisowie in einer Europabzw. Deutschlandausgabe. In der Europaausgabe der "Milli Gazete" nimmt die Berichterstattung über die IGMG, die SP wie überhaupt das Thema "Milli Görüs" breiten Raum ein. Regelmäßig und umfänglich wird darin auch über lokale, regionale und bundesweite Veranstaltungen der IGMG berichtet. Des Weiteren werden dort auch Annoncen der IGMG veröffentlicht. Auch die Glückwunschund Kondolenzanzeigen machen deutlich, dass die KommunikationsMilli Gazete eine wichtige Kommunikationsplattform für die IGMG plattform der IGMG und die gesamte Milli-Görüs-Bewegung ist. Weder die Homepage der IGMG noch die verbandseigene Zeitschrift "IGMG Perspektive" oder andere IGMG-Publikationen bieten eine derartige Fülle von Informationen über die verschiedenen IGMG-Veranstaltungen. Die Europaausgabe der "Milli Gazete" stellt damit die Hauptinformationsquelle über das Vereinsleben der IGMG dar. Ferner wird innerhalb der IGMG und auch auf ihren Veranstaltungen für das Abonnement der "Milli Gazete" geworben. Die IGMG nutzt und fördert damit ein Medium, das entschieden für politische Inhalte auf der ideologischen Linie Prof. Dr. Necmettin Erbakans und der SP eintritt und wiederholt Verschwörungstheorien aufgreift sowie anti-semitische und anti-israelische Aussagen trifft. Internet und Fernsehen als Kommunikationsmittel Seit Jahren ist die IGMG im Internet unter www.igmg.de durch eine deutschsprachige Internet-Seite vertreten, die laufend aktualisiert wird. Der Verzicht auf extremistisches Gedankengut auf dieser Homepage entspricht der Zielsetzung, sich als bloße Religionsgemeinschaft und als verfassungstreue Organisation darzustellen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 47 Anders verhält es sich auf der Internet-Seite www.milligorusforum.com, Internet-Forum die seit Dezember 2005 Inhalte der Milli-Görüs-Bewegung verbreitet. Diese von der IGMG unabhängige Internet-Seite zeigt exemplarisch das extremistische Potenzial der Milli-Görüs-Bewegung. Sie enthält ein türkischsprachiges Forum für registrierte Mitglieder. Bei den Nutzern handelt es sich überwiegend um männliche Jugendliche, die sich zum Teil extremistisch äußern. Im Milli-Görüs-Forum wird immer wieder mit drastischen Bildern getöteter Kinder auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Palästina hingewiesen und als Problemlösung der terroristische Widerstand propagiert. Darüber hinaus wird mit Bildern in Tschetschenien gefallenen Märtyrern gedacht. Teilnehmer des Forums sehen den Islam in einem weltweiten Abwehrkampf gegen die Ungläubigen. Die Lösung für diese Probleme biete die Milli-Görüs-Bewegung, insbesondere ihr Führer Prof. Dr. Erbakan. Mit dem türkischen Fernsehsender "TV 5" verfügt die Milli-Görüs-Be"TV 5" wegung über eine weitere Medienplattform. Die Bedeutung des Senders ist derjenigen der "Milli Gazete" im Printmedienbereich vergleichbar. Im Rahmen der "TV 5-Europa-Tage" fand am 13. Januar auch in Nürnberg eine Veranstaltung statt, die vom IGMG-Regionalverband Nordbayern organisiert und beworben worden. Am Rande der Veranstaltung wurden auch Abonnentenwerbung für die "Milli Gazete" betrieben und Anteilsscheine des Fernsehsenders "TV 5" zum Verkauf angeboten. 3.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) Deutschland Bayern Anhänger: 800 60 früherer Vorsitzender: Metin Kaplan Gründung: 1984 Sitz: Köln Publizistisches Sprachrohr: "Barika-I Hakikat" (Aufleuchten der Wahrheit) - erscheint derzeit nicht - In Deutschland seit 12. Dezember 2001 verboten Der "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti) war eine am Führerprinzip orientierte, streng hierarchisch gegliederte Organisation. Das Endziel dieses "Staates ohne Staatsgebiet" war die Weltherrschaft des Islam unter dem Kalifat seines Anführers Metin Kaplan. Als erste Stufe auf dem Weg zu diesem Ziel erstrebte der "Kalifatsstaat" den gewaltsamen Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 48 Ausländerextremismus Sturz des laizistischen Regierungssystems in der Türkei. Er lehnte Demokratie und jede Trennung von Politik und Religion strikt ab. Damit richtete er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung und gefährdete die Innere Sicherheit in Deutschland. Das Bundesministerium des Innern verbot deshalb am 12. Dezember 2001 die Vereinigung "Kalifatsstaat" mit 17 ihrer Teilorganisationen, darunter alle vier bayerischen Verbände. Am 19. September 2002 wurden weitere 16 Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" vom Bundesministerium des Innern verboten. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte am 27. November 2002 die Verbote. Emblem des Der als "Kalif von Köln" bekannt gewordene Islamistenführer und früKalifatsstaats here Vorsitzende des "Kalifatsstaats" Metin Kaplan, der wegen Mordaufrufs eine vierjährige Gefängnisstrafe in Deutschland verbüßt hatte, wurde 2004 in die Türkei abgeschoben. NachfolgeAuch nach dem Verbot des "Kalifatsstaats" waren weiterhin Aktivitäaktivitäten ten aus den Reihen der Anhänger festgestellt worden, die in Folge zu verschiedenen Ermittlungsverfahren und Exekutivmaßnahmen geführt hatten. Das Verbotsverfahren und die staatlichen Exekutivmaßnahmen haben die Organisationsstruktur zwar geschwächt, gleichwohl sind die Anhänger weiterhin in Deutschland präsent, wobei die Aktivitäten der Anhänger in Bayern nahezu zum Erliegen gekommen sind. Allerdings wird das Gedankengut des "Kalifatsstaats" weiterhin verbreitet. So ist die offizielle Internet-Seite des "Kalifatsstaats", die über einen Server in den Niederlanden betrieben wird, abrufbar. Neben Schriften und Büchern Kaplans, Videound Audiodokumenten sind hier auch Ausgaben der deutschsprachigen Publikation "Der Islam als Alternative" (DIA) im Volltext eingestellt. 3.3 Hizb ut-Tahrir Deutschland Bayern Anhänger: 150 Einzelpersonen Gründung: 1953 in Palästina Europazentrale: Großbritannien Publizistische Sprachrohre: "explizit"; "al-Khilafah"; "al-Waie" Politisches Betätigungsverbot in Deutschland seit 15. Januar 2003 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 49 Die "Partei der islamischen Befreiung" - Hizb ut-Tahrir - wurde von dem Religionsgelehrten Taqi Din an-Nabhani, einem Mitglied der Muslimbruderschaft (MB), gegründet. Sie hat sich weltweit verbreitet; ab 1995 Weltweite gewann sie in Zentralasien, insbesondere in den ehemaligen SowjetVerbreitung republiken, zahlreiche Mitglieder. Anhänger der Hizb ut-Tahrir versuchten von Beginn an, militärische Institutionen und Einrichtungen in arabischen Ländern zu unterwandern und Mitglieder aus den Reihen des Militärs zu rekrutieren. In den Jahren 1968 und 1969 scheiterten Putschversuche in Amman/Jordanien und in Bagdad/Irak. Ebenso schlugen Bestrebungen zur Machtübernahme 1974 in Kairo/Ägypten und 1976 in Damaskus/Syrien fehl. Inzwischen ist die Hizb ut-Tahrir in der gesamten arabischen Welt und Zentralasien verboten. Das Ziel der Hizb ut-Tahrir ist die Errichtung eines "rechtgeleiteten" weltumspannenden Kalifats, das die Länder und Völker der Muslime in einem einzigen Staat eint und die Botschaft des Islam in die gesamte Welt trägt. Weitere erklärte Ziele sind die Wiedereinführung der Scharia als Strukturprinzip der islamischen Ordnung, die Auslöschung des Staates Israel und die Befreiung der muslimischen Welt von westlichen Einflüssen. Unausweichlich sei dabei ein "Kampf der Kulturen", insbesondere zwischen Islam und Christentum. Ein Dialog zwischen den Kulturen, geprägt vom Prinzip der Gleichheit und Toleranz, sei mit dem Islam unvereinbar. Der Kampf sei sowohl auf ideologischer, wirtschaftlicher und politischer als auch auf militärischer Signet der Hizb ut-Tahrir Ebene zu führen. Der militärische Kampf gegen die Ungläubigen sei im Sinn eines "aktiven Djihads" für jeden Muslim verpflichtend. Die Gliederung der Hizb ut-Tahrir in Europa orientiert sich an den Grenzen der Nationalstaaten. Innerhalb der einzelnen Regionen operiert die Hizb ut-Tahrir in voneinander unabhängigen Gruppen, überwiegend in Universitätsstädten. Das Bundesministerium des Innern verbot am Betätigungsverbot 15. Januar 2003 die Betätigung der Hizb ut-Tahrir, da sich die Gruppierung gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete und Gewalt zur Durchsetzung politischer Belange befürwortete. Das Verbot wurde 2006 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Trotz des Verbots ist davon auszugehen, dass die Organisation ihre Aktivitäten in bekannt konspirativer Weise fortsetzen wird. Öffentlich wahrzunehmen ist die Organisation durch Verbreitung von Propaganda im Internet. Hierzu bedient sie sich in erster Linie im europäischen Ausland befindlicher Server. Öffentliche Auftritte von FührungsfunktionäVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 50 Ausländerextremismus ren der Hizb ut-Tahrir waren in der jüngeren Vergangenheit in Deutschland jedoch nicht mehr festzustellen. In Bayern waren nur wenige Anhänger von Hizb ut-Tahrir ansässig. Bekannt wurden Gruppen in Erlangen und München. Einige Aktivisten verließen aufgrund der restriktiven Handhabung des Ausländerrechts Bayern. 3.4 Tablighi Jamaat (TJ) Deutschland Bayern Anhänger: 400 150 Gründung: 1927 bei Delhi (Indien) Europazentrale: Dewsbury/Großbritannien Die TJ wurde von dem Religionsgelehrten Mawlana Muhammad Ilyas als pietistische Missionierungsbewegung gegründet. Seit ihren Ursprüngen ist sie eng mit der Islamischen Hochschule von Deoband/Indien verbunden. Die Gemeinschaft vertritt eine archaische Form des Islam indischer Prägung. Ziel der TJ ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen. Sie hat den Charakter Internationale einer internationalen islamischen Massenbewegung, deren Anhänger islamische sich nicht einer festen Gruppierung zugehörig fühlen, sondern sich als Massenbewegung konsequente Muslime mit missionarischem Auftrag ansehen. Ihre Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung des Korans und der Sunna, die Ausgrenzung der Frau und eine Abgrenzungspolitik gegenüber Nicht-Muslimen. Diese Bestrebungen wirken in nicht-muslimischen Gesellschaften zwangsläufig desintegrierend, so dass eine dauerhafte und ernsthafte Hinwendung zu westlichen Gesellschaftsordnungen, Wertvorstellungen und Integrationsmodellen nicht möglich ist. Das Tragen von traditioneller Gebetskleidung und die bis in Details verbindlichen Verhaltensregeln im Alltag sollen die absolute Hinwendung zum Propheten Mohammed ausdrücken. Charakteristisch für die Anhänger der TJ ist eine missionarische Reise"Missionierungstätigkeit, bei der sie Moscheen in ganz Europa aufsuchen. Die Missioreisen" nierung dient der Rekrutierung neuer Mitglieder. Zur Ausbildung der Anhänger gehört eine vier Monate dauernde Schulung (Jamaat), die vornehmlich in Koranschulen in Pakistan absolviert wird. Die wenigsten Missionare verfügen über eine theologische Ausbildung. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 51 Zur Missionierung nutzen ihre Anhänger auch Moscheen, die keinen unmittelbaren Bezug zu TJ haben. Dazu dienen Veranstaltungen, bei denen die Anhänger über Tage oder Wochen hinweg beten, den Koran studieren und indoktriniert werden. Direkte Aufrufe zum "Djihad" werden dabei vermieden, jedoch wird der ideologische Nährboden für den gewaltbereiten Extremismus bereitet. Für Kinder und Jugendliche werden auch Koranschulungen durchgeführt. Durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen besteht die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt werden. Von Einzelpersonen, die die Schulung der TJ durchlaufen haben, ist bekannt, dass sie sich terroristischen Gruppierungen angeschlossen haben. Vor diesem Hintergrund haben auch bereits mehrere Gerichte festgestellt, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die TJ den Internationalen Terrorismus unterstützt. In der Zeit vom 24. bis 28. Februar traf sich die Spitze der europäischen TJ in der Weltzentrale in Neu-Delhi/Indien zu einer intern Maschwara genannten Veranstaltung. Während des Treffens wurde vom TJ-Führungsgremium (Schura) beschlossen, Deutschland zur Koordinierung der Missionierungsaktivitäten in elf Kreise einzuteilen. Die TJ in Deutschland war bis November 2005 von einem vierköpfigen Gremium geleitet worden. Wegen Richtungsstreitigkeiten innerhalb dieser Führungsgruppe hatte die die TJ-Führung die Deutschland-Schura Neustrukturierung während des Welttreffens im November 2005 in Raiwind/Pakistan aufder TJ in Deutschgelöst. Veranstaltungen und Missionierungsreisen wurden danach zenland tral von Indien aus koordiniert. Den deutschen TJ-Funktionären blieb nur eine regionale Verantwortung. Die Neustrukturierung zielt darauf ab, die Verantwortung für Deutschland wieder den lokalen TJ-Funktionären zu übergeben, ohne jedoch eine zentrale Führungsperson zu etablieren. Das diesjährige Deutschlandtreffen der TJ fand vom 20. bis 22. April in Deutschlandder Al-Nur-Moschee in Berlin statt. An den einzelnen Tagen nahmen treffen zwischen 300 und 450 Personen teil, etwa 20 davon aus Bayern. Hauptredner waren Korangelehrte aus Raiwind/Pakistan, Neu-Delhi/Indien sowie aus Paris/Frankreich. Dr. Sanaar Ullah aus Neu-Delhi forderte die deutschen Muslime auf, sich wie die Getreuen des Propheten Mohammed zu verhalten. Jeder Gedanke der Muslime solle der TJ gewidmet sein. Die TJ in Deutschland müsse "noch stärker" gemacht werden. Im Anschluss an diese Rede wurde an die Gebietsverantwortlichen ein Formblatt verteilt, mit dessen Hilfe die deutschen Gebiete dreimal jährlich die TJ-Zentrale detailliert über die geleisteten Aktivitäten informieren sollen. Die Zentrale ist auch über die Maschwaras zu verständigen, Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 52 Ausländerextremismus die alle zwei Monate abgehalten werden sollen. Zum Jahresende ist ein Abschlussbericht zu erstellen. Danach hatten die Vertreter der einzelnen Gebiete in Deutschland ihren Bericht über durchgeführte Missionierungsaktivitäten abzugeben. Überregionales Vom 26. bis zum 28. Oktober fand in der Umma-Moschee in Hannover Treffen in ein überregionales Treffen der Gebietsverantwortlichen der TJ statt. InsHannover gesamt nahmen knapp 100 Personen aus Deutschland teil, davon einige aus Bayern, zudem Personen aus Österreich, Frankreich, und Großbritannien. Die Verantwortlichen der elf TJ-Kreise in Deutschland berichteten über die geleisteten Missionierungsaktivitäten. Die Organisation betreibt in Bayern zwei Moscheen in München und Pappenheim. In mehreren Moscheen konnte die TJ an Einfluss gewinnen. Aufenthaltsrechtliche Maßnahmen bayerischer Behörden und die verstärkte Medienberichterstattung führten zu einer Verunsicherung der deutschen TJ-Anhänger. 3.5 Hizb Allah (Partei Gottes) Deutschland Bayern Mitglieder: 900 Einzelpersonen Gründung: 1982 im Libanon Publikation: "al-Intiqad" (Die Kritik) Fernsehsender: "al-Manar" (Der Leuchtturm) Die Hizb Allah (auch: Hisbollah/Hizbollah) ist eine auf Initiative des Irans gegründete schiitische Partei, die seit 1992 im libanesischen Parlament vertreten ist. Sie wird vom Iran finanziell, materiell und ideologisch unterstützt. Das langfristige Ziel der Hizb Allah ist die Zerstörung des Staates Israel und die "Herrschaft des Islam" über Jerusalem. Die Hizb Allah ist einerseits eine politische Partei, die vor allem aufgrund ihres sozialen Engagements auf die Unterstützung der ärmeren Bevölkerungsschichten zählen kann. Andererseits verfügt sie aber nach wie vor über militärische Einheiten, die insbesondere im Süden des LanAblehnung der des unabhängig von der libanesischen Staatsgewalt agieren. Eine EntEntwaffnung waffnung dieser Miliz gemäß der UN-Resolution 1559 gelang bisher nicht und wird vom politischen Flügel vehement abgelehnt. Am 14. August beging die Hizb Allah den ersten Jahrestag ihres "Sieges" gegen Israel in der militärischen Auseinandersetzung vom Sommer 2006. Der Generalsekretär der Hizb Allah, Scheich Hassan Nasrallah, warnte Israel Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 53 vor einem erneuten Angriff auf den Südlibanon und drohte für diesen Fall mit einer "großen Überraschung". Darüber hinaus betonte er, dass der "Islamische Widerstand" seine Waffen niemals und unter keinen Umständen abgeben werde. Die Waffen und der "Islamische Widerstand" seien "heilig". Der bewaffnete Kampf gegen Israel zur Verteidigung des Libanon müsse fortgeführt werden. Bereits im Vorfeld dieser Rede hatten führende Hizb Allah-Vertreter auf die seit dem Konflikt 2006 qualitativ wie quantitiv wesentlich verbesserte Bewaffnung der Hizb Allah hingewiesen. Signet der Hizb Allah Von Ende Mai bis Anfang Juni besuchten hochrangige Angehörige der Hizb Allah, darunter auch zwei Abgeordnete der Hizb Allah-Fraktion der libanesischen Nationalversammlung, mehrere Städte in Deutschland sowie im benachbarten Ausland. Anlass der Besuche waren die Feierlichkeiten zum Jahrestag des Abzugs Israels aus dem Südlibanon im Jahre 2000 (so genannte Siegesfeiern) und die durch hier lebende "Siegesfeiern" Libanesen organisierten Informationsveranstaltungen zur Lage in Nahost. Eine dieser Veranstaltungen fand am 5. Juni in München im Eine-WeltHaus statt. Sie wurde vom Verein "Freunde des Libanon e.V." veranstaltet und von rund 70 Personen, vorwiegend Libanesen und Palästinensern, besucht. Zu den Anwesenden sprach der Abgeordnete Hassan Hobballah, der die israelische "Besatzungspolitik" im Libanon und in Palästina sowie die politische Intervention der USA kritisierte, denen er vorwarf, ausschließlich israelische Interessen zu vertreten. Darüber hinaus betonte er das Recht der Libanesen und Palästinenser auf Widerstand gegen Israel. Hobballah lobte ausdrücklich das Münchner Integrationsprogramm und forderte die Libanesen in der Diaspora auf, die im jeweiligen Staat gültigen Gesetze zu respektieren und einzuhalten. 3.6 Die Muslimbruderschaft (MB) und ihre regionalen Strömungen Deutschland Bayern Mitglieder: 1.250 200 Gründung: 1928 in Ägypten Publikation: "Risalat ul-Ikhwan" Die von Hassan al-Banna in Ismailija/Ägypten gegründete sunnitisch-exSunnitisch-extretremistische MB ist eine multinationale Organisation, bei der eine mistische Ideologie Unterteilung in nationale Sektionen erkennbar ist. Das von der MB angestrebte Herrschaftssystem weist deutliche Züge eines totalitären HerrVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 54 Ausländerextremismus schaftssystems auf, das die Selbstbestimmung des Volkes sowie die Prinzipien der Freiheit und Gleichheit der Menschen nicht garantiert. Die Grundideologie der MB ist auf die Errichtung islamischer Gottesstaaten ausgerichtet. Dieses Fernziel eint alle Strömungen innerhalb der MB. Ein Großteil der ideologischen Grundsätze der MB ist somit unvereinbar mit den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung. Die Ideologie der MB ist in der gesamten muslimischen Welt verbreitet und Emblem hat zur Herausbildung zahlreicher militanter islamistischer Organisatioder MB nen geführt (vgl. nachfolgendes Schaubild). Regionale Strömungen der Muslimbruderschaft Algerien Syrien Ägypten Palästina Tunesien Islamische Islamische Al-Gamaa HAMAS En Nahda Heilsfront (FIS) Avantgarden / al-Islamiya (GI) Islamisches Bewaffnete Zentrum (IZ) Djihad Islami (JI) Islamische in Aachen Islamischer Bund Gruppe (GIA) Palästina (IBP) Föderation der Al-Aqsa e.V. Islamischen Organisation in Europa (FIOE) Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Ausländische Organisationen mit Einzelmitgliedern in Deutschland Organisationen mit Sitz in Deutschland / Europa In ihrem Ursprungsland Ägypten ist die MB verboten; sie wird jedoch inzwischen geduldet. Sie verdankt ihren Einfluss vor allem ihrem sozialen MB-ProgrammEngagement. Eine aktuelle Programmschrift präzisiert die Parole der MB schrift "Der Islam ist die Lösung". Sie enthält beispielsweise die Forderung, dem Parlament ein religiöses Gremium zur Seite zu stellen. Ferner sollen Christen und Frauen von den höchsten politischen Ämtern ausgeschlossen sein. 2004 trat Mohamed Mahdi Akef die Nachfolge des verstorbenen Führers des ägyptischen Zweigs der MB, Ma'moun al-Hudeibi an. Akef hatte Mitte der 80er Jahre das der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) zugehörige Islamische Zentrum München (IZM) geleitet. Er Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 55 war in seiner Jugend mit dem MB-Gründer Hassan al-Banna befreundet. Später wurde er wegen eines geplanten Anschlags auf den ägyptischen Präsidenten zum Tode verurteilt und schließlich nach 20 Jahren Gefängnis begnadigt. Schon von Deutschland aus baute er seinen Einfluss auf den internationalen Zweig der MB aus. In seiner Person zeigt sich die personelle und ideologische Kontinuität der MB. Offiziell haben sich die meisten Zweige der MB von der Gewalt abgeHaltung zur wandt. Aber Aussagen Mahdi Akefs und Selbstmordattentate der Gewalt palästinensischen Sektion der MB "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) zeigen indes, dass die MB Gewalt weiterhin als legitimes politisches Mittel betrachtet. Als Dachverband MB-naher Organisationen in Europa fungiert die "Föderation der Islamischen Organisationen in Europa" (FIOE) mit Sitz in Leicester/Großbritannien. Sie wurde 1989 im Rahmen einer Resolution begründet, die anlässlich einer Generalversammlung von Repräsentanten der wichtigsten Islamischen Zentren, Gesellschaften und Vereinigungen in Europa verabschiedet wurde. Eine weitere einflussreiche MB in Europa und eng mit der MB verflochtene Organisation ist der "Europäische Fatwa-Rat" (ECFR) mit Sitz in Dublin/Irland. Dessen Vorsitzender Yusuf al-Qaradawi ist als Sympathisant der MB bekannt. Die MB tritt in Deutschland nicht offen in Erscheinung. Personell ist sie mit der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) verflochten, die als deutsche Zentrale des ägyptischen Zweigs der MB gilt. Anhänger des syrischen Zweigs der MB gründeten Anfang der 80er Jahre die "Islamischen Avantgarden" mit organisatorischem Schwerpunkt im "Islamischen Zentrum" in Aachen. 3.6.1 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Deutschland Bayern Mitglieder: 600 120 Gründung: 1960 in Deutschland Sitz: München Präsident: Ibrahim Farouk el-Zayat Publikation: "al-Islam" (nur noch als Internet-Ausgabe) Die IGD gilt als deutsche Zentrale des ägyptischen Zweigs der MB. Sie Einfluss der MB hat ihren Sitz im Islamischen Zentrum München (IZM) und ist Mitglied auf die IGD in der FIOE, dem europäischen Dachverband MB-naher Verbände (vgl. auch Nummer 3.6 dieses Abschnitts). Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 56 Ausländerextremismus Die IGD versucht durch politisches Engagement in Deutschland, die Verwirklichung ihrer Ideologie zu erreichen. Ihr Ziel ist dabei nicht die Integration, sondern die Veränderung der Gesellschaft den eigenen Vorstellungen entsprechend. Diese Vorstellungen sind von den ideologischen Grundsätzen der MB geprägt, wobei die Anhänger der IGD beLogo der IGD müht sind, dies in öffentlichen Verlautbarungen nicht zum Ausdruck zu bringen. Seit 2002 ist Ibrahim Farouk el-Zayat Präsident der IGD. Gegen ihn und führende Mitglieder der MB hat das ägyptische Militärgericht im Februar ein Verfahren wegen "terroristischer Methoden und Geldwäsche" eröffnet. Darüber hinaus äußerte sich der oberste Führer des ägyptischen Zweigs der MB, Mohamed Mahdi Akef, in einem im Februar 2007 veröffentlichten Interview wie folgt über el-Zayat: "Er ist tatsächlich / gilt als (Anmerkung: unterschiedliche Übersetzungen) der Chef der Muslimbrüder in Deutschland. Er lebt in Deutschland und zählt zu den besten jungen Leuten in Deutschland, wenn es um Bildung, Wissen und Charaktereigenschaften geht." El-Zayat allerdings bestreitet generell - auch mit juristischen Mitteln - seine Mitgliedschaft in der MB. Um die langfristigen Ziele besser durchsetzen zu können, wurde unter "Imam-Rat" Beteiligung der IGD ein "Imam-Rat" in Deutschland eingerichtet. Dieser unterhält Kontakte zu dem der MB nahe stehenden "Europäischen Fatwa-Rat" (vgl. auch Nummer 3.6 dieses Abschnitts). Aufgabe des deutschen "Imam-Rats" ist es, die Vereinbarkeit der deutschen Rechtsordnung mit Koran und Sunna zu prüfen. Der IGD sind mehrere nominell eigenständige Islamische Zentren (IZ) in Deutschland nachgeordnet. In Bayern sind dies die Islamischen Zentren in München und Nürnberg. Darüber hinaus verfügt die IGD über ein weit verzweigtes Netz an Koordinationspartnern in verschiedenen Städten Deutschlands. Das um die IGD bestehende Netzwerk ist wenig transparent, was vor allem mit den Bemühungen der IGD um Verselbständigung der ihr nachgeordneten Islamischen Zentren zusammenhängt. Damit entÄnderung der stehen Vereinsstrukturen, die nur schwer kontrollierbar sind. Darüber Vereinsstruktur hinaus ermöglichen die Umstrukturierungsmaßnahmen, die tatsächliche Anbindung an die IGD nach außen hin zu verschleiern. Ferner besteht damit für die der IGD bisher nachgeordneten Zentren die MögVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 57 lichkeit, selbständig die Gemeinnützigkeit zu beantragen, die die IGD 1999 verloren hat. Als jüngstes Beispiel kann hier die Neugründung des Vereins "IslamiIZM sches Zentrum München e.V." (IZM) angeführt werden. Das IZM existiert zwar seit 1973, war jedoch bisher nur Teil der IGD und kein eingetragener Verein. Es ist vorgesehen, dass dem Verein nur deutsche Staatsangehörige beitreten können. Der Verein soll offenbar nicht als Ausländerverein agieren und den hierfür geltenden vereinsrechtlichen Sonderregelungen unterworfen sein. Erster Vorsitzender des neu gegründeten Vereins ist der deutsche Konvertit Ahmad von Denffer, der langjähriger Funktionär der IGD und des bisherigen IZM war. Dass sich an der ideologischen Ausrichtung des IZM nichts verändert hat, zeigt sich daran, dass am 16. November nach einer Freitagspredigt im IZM Schriften des MB-Ideologen Sayyid Qutb verteilt wurden. Ein wesentliches Betätigungsfeld der IGD ist die "Erziehung und BilBildungsarbeit dung" junger Menschen, um auf diesem Weg die Gesellschaft ihren ideologischen Zielen entsprechend zu reformieren. So bemühte sich die IGD in den letzten Jahren gezielt um die in Deutschland aufgewachsenen Muslime arabischer Herkunft. Diese sollen u.a. über den Ausund Aufbau von Bildungseinrichtungen in Islamischen Zentren der IGD erreicht werden. Zu diesem Zweck betrieb die IGD u.a. die "Deutsch-Islamische Schule" in München, der ein Kindergarten angegliedert war. Die Regierung von Oberbayern hat Anfang August 2005 entschieden, keine Genehmigung für den Weiterbetrieb der "Deutsch-Islamischen Schule" zu erteilen, da die Verfassungstreue des Schulträgers nicht mehr gewährleistet war; gleichzeitig wurde die staatliche Schulförderung eingestellt. Daraufhin wurde die Schule geschlossen, auch der angegliederte Kindergarten stellte seinen Betrieb ein. Damit wurde der IGD eine wichtige Plattform zur Verbreitung ihrer Ideologie genommen. Allerdings veranstalten die Islamischen Zentren München und Nürnberg auch weiterhin regelmäßig Wochenend-Korankurse für Kinder und Jugendliche. 3.6.2 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) Deutschland Bayern Anhänger: 250 Einzelpersonen Seit der Gründung Israels im Jahr 1948 engagierten sich Anhänger der Muslimbruderschaft (MB) im Kampf für die Zurückgewinnung ganz Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 58 Ausländerextremismus Palästinas und die Etablierung einer "islamischen Herrschaft". Nach der Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens durch Israel im Jahr 1967 begann der palästinensische Zweig der MB in den besetzten Gebieten eine soziale Infrastruktur aufzubauen, was ihm rasche Popularität bei der Bevölkerung einbrachte. Am bewaffneten Kampf beteiligte er sich zunächst nicht. Erst als Reaktion auf den Ausbruch des ersten Palästinenseraufstands (Intifada) im Dezember 1987 wurde Anfang 1988 die HAMAS gegründet und der bewaffnete Kampf gegen Israel aufgenommen. Die HAMAS will Israel zerstören und auf dem gesamten Gebiet Palästinas einen "islamischen" Staat errichten. Sie lehnt den israelisch-palästinensischen Friedensprozess und das Existenzrecht Israels ab und ist für eine Vielzahl terroristischer Aktionen verantwortlich, darunter zahlreiche Selbstmord-attentate. Im Juni 2002 wurde deshalb der militärische Arm der HAMAS in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen. 2003 beschlossen die EU-Außenminister, auch die Gesamtorganisation als terroristisch einzustufen. Nach den für die HAMAS erfolgreichen Wahlen zur Palästinensischen Nationalversammlung vom 25. Januar 2006 verschärften sich die SpanBürgerkriegsnungen zwischen Teilen der HAMAS und der vorherigen Regierungsähnliche Zustände partei Fatah bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Angesichts der Krise verhängte Präsident Mahmud Abbas am 16. Juni den Ausnahmezustand über alle Autonomiegebiete, entließ die Einheitsregierung und veranlasste für das Westjordanland die Bildung eines Notstandskabinetts unter Führung des unabhängigen Politikers Salam Fayyad. Faktisch bedeutet dies eine Zweiteilung Palästinas. Zur Lösung des Konflikts zwischen Israel und Palästina fand Ende November eine Nahost-Konferenz in den USA statt, an der sich auch Vertreter der arabischen Staaten beteiligten. Ziel dieses Gipfeltreffens war die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen. Bereits im Vorfeld der Konferenz lehnte die HAMAS es jedoch ab, Ergebnisse dieser VerhandFriedensgespräche lungen zu akzeptieren. Die Friedensgespräche begannen im Dezember. Aus Anlass ihres 20-jährigen Gründungsjubiläums betonte die HAMAS am 15. Dezember, sie werde den gewaltsamen Kampf gegen Israel nicht einstellen. In Bayern gibt es nur einzelne Anhänger der HAMAS. Die aktuellen Entwicklungen in Palästina wurden teilweise kontrovers diskutiert, lösten aber keine nennenswerten Aktivitäten aus. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 59 3.6.3 Islamische Heilsfront (FIS) Deutschland Bayern Mitglieder: 30 Gründung: 1989 in Algerien Die FIS ist der algerische Zweig der international tätigen Muslimbruderschaft (MB). Aufgrund des wirtschaftlichen und sozialen Niedergangs und des Ansehensverlusts der algerischen Regierung gewann die FIS im Dezember 1991 die Parlamentswahlen in Algerien. Als sie anschließend 1992 verboten wurde, gingen zahlreiche FIS-Funktionäre ins Ausland. Die Organisation wird derzeit von dem in Genf ansässigen Physiker Dr. Mourad Dhina geführt. Flagge der FIS Dr. Dhina, der zum radikalen Flügel gerechnet werden muss, lehnt den vom bewaffneten Arm der FIS mit der algerischen Regierung vereinbarten Waffenstillstand ab. Im September 2005 wurde in Algerien die von Präsident Bouteflika vorgelegte "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit angenommen. Sie umfasst auch eine Teilamnestie für ehemalige bewaffnete islamistische Straftäter, sofern Teilamnestiesie nicht an Morden, Vergewaltigungen oder Bombenanschlägen beteiregelung ligt waren. Für eine dauerhafte nationale Aussöhnung fordert Bouteflika jedoch ein Verbot politischer Betätigung für ehemalige Akteure der FIS. Über den künftigen Kurs der FIS in Algerien gibt es in der - in mehrere Fraktionen gespaltenen - FIS nach wie vor keine Einigkeit. Die in Deutschland aktiven FIS-Anhänger sind in eine informelle, durch persönliche Verbindungen und Kontakte gekennzeichnete Struktur eingebunden, die über die Grenzen Deutschlands hinausreicht. In Deutschland gibt es allerdings nach wie vor keine vereinsähnliche Struktur der FIS. Hiesige FIS-Anhänger betätigen sich vielmehr regional in verschiedenen Moscheen und "Islamischen Zentren", die teilweise der MB zuzurechnen sind. Offene Agitation für die Ziele der FIS ist derzeit in Deutschland nicht feststellbar. 3.6.4 En Nahda Deutschland Bayern Mitglieder: 85 Wirkungsbereich: Oppositionsbewegung in Tunesien (seit 1991 in Tunesien verboten) Führung: Rachid Ghannouchi/Großbritannien Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 60 Ausländerextremismus Die En Nahda (Wiedergeburt) ist der tunesische Zweig der Muslimbruderschaft (MB). Nach der Ideologie der MB ist es das Ziel der En Nahda, in Tunesien einen Staat islamistischer Prägung aufzubauen. Nach wie vor ist die En Nahda die wichtigste Oppositionsbewegung Tunesiens. Seit 1991 wird die in Tunesien verbotene Organisation von Rachid Ghannouchi geleitet, der in seinem Heimatland zu lebenslanger Haft verurteilt ist. Ghannouchi lebt in Großbritannien und gibt sich nach außen als gemäßigter, demokratischer Politiker. Gegenüber seinen Anhängern Emblem äußert er sich jedoch militant und beteuert u.a., er wolle die amerikader En Nahda nischen Eroberer und die mit ihnen verbündeten arabischen Regierungen verjagen. Europakongress Am 11. Juni fand in London der 8. Kongress der En Nahda statt. Rachid Ghannouchi wurde auf diesem Kongress wieder gewählt, obwohl er sich im Vorfeld für ein Rotationsprinzip in der Führungsspitze ausgesprochen hatte. Er hatte erst im Oktober 2006 erklärt, es habe sich an seinen Standpunkten seit 1981 nahezu nichts verändert. "Die Demokratie im islamischen Rahmen, von dem wir sprechen, erlaubt nichts, was religiös verboten ist, und verbietet nichts, was religiös erlaubt ist." Ghannouchis Wiederwahl und seine Aussagen lassen darauf schließen, dass die En Nahda an ihrer islamistischen Zielsetzung und ideologischen Ausrichtung festhalten wird. Bei den in Bayern lebenden En Nahda-Anhängern sind keine festen Strukturen erkennbar. Allerdings engagieren sich viele von ihnen sowohl im Islamischen Zentrum München der Islamischen Gemeinschaft Deutschland e. V. (vgl. auch Nummer 3.6.1 dieses Abschnitts) als auch in einigen tunesischen Vereinen. 3.7 Islamistische Szene Neu-Ulm/Ulm - Verbotenes Multi-Kultur-Haus Ulm e.V. (MKH) Bayern Anhänger: 40 früherer Vorsitzender: Ramez Aly Gründung: 21.06.1996 früherer Sitz: Neu-Ulm Publizistisches Sprachrohr: "Denk mal Islamisch" (DmiZ) Seit 28. Dezember 2005 verboten Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 61 Der Raum Neu-Ulm/Ulm entwickelte sich in der Vergangenheit zunehmend zur Anlaufstelle islamischer Extremisten. Vor allem im "Multi-Kultur-Haus Ulm e.V." (MKH) wie auch im "Islamischen Informationszentrum Ulm e.V."(I.I.Z) wurden Personen radikalisiert und für den kriegerischen Djihad rekrutiert. Am 28. Dezember 2005 wurde deshalb das Vereinsverbot MKH vom Bayerischen Staatsministerium des Innern verboten, das Vereinsvermögen beschlagnahmt und ein zugehöriges Grundstück eingezogen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) bestätigte am 24. Januar das Verbot des MKH. Das Gericht kam in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass sich die Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Das Gericht stellte u.a. fest, dass der Verein für seine Besucher und Mitglieder eine Fülle von Publikationen bereit gehalten habe, die massive Hetzparolen gegen die Demokratie, den Rechtsstaat und die Menschenwürde von "Ungläubigen" enthielten. Das Gericht ließ gegen das Urteil keine Revision zu. Das Verbot ist damit bestandskräftig. Im November entschied der BayVGH zudem, dass auch die Einziehung des Grundstücks mit Vereinsgebäude rechtmäßig war. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Zum MKH gehörten eine Moschee, ein Lebensmittelladen, eine umfangreiche Bibliothek, Unterkünfte sowie mehrere Unterrichtsund Gebetsräume, in denen Koranunterricht für Kinder und Erwachsene abgehalten wurde. Im MKH wurde nicht nur verfassungsfeindliches Gedankengut verbreitet und im Sinn einer islamischen Weltordnung radikalisiert, sondern auch für den bewaffneten Djihad geworben. In Büchern, Werbung für den Tonund Bildträgern wurde offen zur Tötung von Juden sowie zur Bebewaffneten kämpfung von Christen und "sonstigen" Ungläubigen aufgerufen. Djihad Kennzeichnend für den personellen Kernbereich des MKH war eine feindliche, aggressive Haltung zur Demokratie, zum jüdischen Volk und letztendlich zur gesamten westlichen Hemisphäre. In diesem Zusammenhang spielte der informelle Führer des MKH, der im Dezember 2004 ausgewiesene Dr. Yehia Yousif, eine Schlüsselrolle. Seit 2001 engagierte er sich verstärkt im MKH, war dort regelmäßig als Imam und Koranlehrer tätig und unterrichtete in dieser Eigenschaft junge Muslime und deutsche Konvertiten. Er forderte dabei auch offen zur Beteiligung am bewaffneten Djihad auf. Überdies waren kontinuierlich Verbindungen der islamistischen Szene aus dem Raum Neu-Ulm/Ulm zum internationalen islamistischen Terrorismus zu verzeichnen. Jüngstes Beispiel hierfür sind die früheren Bezüge Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 62 Ausländerextremismus der im September im Sauerland festgenommen Anhänger der "Islamischen Jihad Union" (vgl. auch Nummer 4.5.1 dieses Abschnitts) zum MKH. NachfolgeDie Schließung des MKH verunsicherte und schwächte die örtliche Szene aktivitäten nachhaltig. Vereinzelte Bemühungen, wieder islamistische Strukturen zu gründen, scheiterten letztendlich, meist an fehlenden Finanzmitteln oder an persönlichen Differenzen. Erschwerend kam hinzu, dass charismatische Führungspersönlichkeiten Deutschland verlassen bzw. sich aus Angst vor strafprozessualer Verfolgung vom MKH distanziert haben. Dennoch sind weiterhin Islamisten in der Region aktiv, die teilweise rege Verbindungen zu terrorverdächtigen Personen und Strukturen im Inund Ausland, besonders in Ägypten, unterhalten. So wurde die bis Anfang 2006 herausgegebene Vereinszeitschrift des I.I.Z.-Ulm zuletzt in Ägypten verfasst. 4. Islamistischer Terrorismus 4.1 Überblick Bedrohung durch Der Islamismus - insbesondere die Terrornetzwerke - gefährdet die Terrornetzwerke Innere Sicherheit der westlichen Staaten und damit auch Deutschlands stärker als jede andere extremistische Bestrebung. Trotz internationaler polizeilicher und militärischer Maßnahmen sind die islamistischen Terrornetzwerke unverändert handlungsfähig. Die Aktivitäten Terrorverdächtiger werden weiterhin intensiv beobachtet. Vehinderte Nach den bereits am 31. Juli 2006 gescheiterten Anschlägen mit KofferAnschläge in bomben auf zwei Regionalzüge haben die Anschlagsplanungen von Deutschland Aktivisten der "Islamischen Jihad Union" (IJU) und deren Festnahme am 4. September in Nordrhein-Westfalen erneut sehr deutlich gemacht, dass islamistische Terroristen auch Ziele in Deutschland angreifen. Darüber hinaus betrachten Terrororganisationen Deutschland als logistische Basis zur finanziellen Unterstützung ihrer Aktivitäten in ihren Heimatländern. In ausländischen Regionen mit überwiegend muslimischer Bevölkerung Separatistische und stützen sich separatistische und nationalistische Bestrebungen vielfach nationalistische auf ein zweites ideologisches Standbein, nämlich die Verbreitung des Bestrebungen Islam und die Errichtung islamischer Gottesstaaten. Dadurch erhalten diese Bestrebungen auch einen islamistischen Charakter und finden damit weltweit Unterstützung durch islamistische Extremisten und Terroristen. Diese Vermengung von Islamismus, Separatismus und NationaVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 63 lismus ist bei Anschlägen in Tschetschenien, in Südostasien und - mit Einschränkungen - auch in Palästina festzustellen. 4.2 Tätertypen des Djihad Wesensmerkmal des islamistischen Terrorismus ist die gemeinsame Ideologie des Djihadismus (vgl. auch Nummer 4.3.1 dieses Abschnitts). Dagegen sind strukturelle und organisatorische Verbindungen zum al-Qaida-Netzwerk nicht unbedingt zwingend, wie die unterschiedlichen Hintergründe von Anschlägen, Gruppierungen und Tätern zeigen. Als eindeutige al-Qaida-Terroristen gelten die Täter der Anschläge Al-Qaidavom 11. September 2001 in den USA: Sie waren von al-Qaida ausgeTerroristen wählt und ausgebildet, reisten mit einem genauen Auftrag von al-Qaida - einer damals klar strukturierten Organisation - in das Zielland USA ein und verübten dort die Anschläge. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die Tatsache, dass einige der Terroristen im Zielland eine Flugschulung absolvierten, die zur Ausführung der Tat notwendig war. Manche von ihnen hatten sich bis zum Anschlag völlig unauffällig verhalten und wurden als "Schläfer" bezeichnet. Der Ausdruck bezeich"Schläfer" nete ursprünglich einen so genannten Perspektivagenten, etwa einen Studenten, der von einem östlichen Nachrichtendienst angeworben wurde, jedoch erst aktiviert wurde, wenn er eine für den Dienst interessante berufliche Tätigkeit ausübte. Netzwerke des so genannten "home grown"-Terrorismus setzen sich "home grown"dagegen aus scheinbar längst in die Gesellschaft integrierten Personen Terrorismus zusammen. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Londoner Gruppe, die im Sommer 2005 die Anschläge auf das Londoner Verkehrsnetz verübte. Auch die im September in Nordrhein-Westfalen festgenommenen Aktivisten der "Islamischen Jihad Union" (IJU) gehören zu den "home grown"-Terroristen. Sie hatten eine Ausbildung in einem Lager der IJU in Pakistan erhalten (vgl. auch Nummer 4.5.1 dieses Abschnitts). Allerdings treffen diese beiden Typisierungen nicht auf alle Terroristen zu. Die beiden "Kofferbomber" etwa, deren Anschläge auf zwei Regionalzüge im Sommer 2006 scheiterten, kamen zu Studienzwecken nach Deutschland. Der eine war von seiner Familie mit islamistischem Gedankengut vertraut gemacht worden, auch der andere vertrat islamistische Positionen. Sie waren nicht integriert, radikalisierten sich unter dem Einfluss ihrer sozialen Situation bzw. durch Einflüsse von außen, insbesondere durch den weltweiten Protest gegen die im September 2005 veröffentlichten Mohammed-Karikaturen, und entschlosVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 64 Ausländerextremismus sen sich zu Anschlägen. Technische Anleitungen für den Bombenbau bezogen sie aus dem Internet. 4.3 Das Terrornetzwerk um al-Qaida 4.3.1 Internationales Netzwerk und lokale Terrorgruppen Das Netzwerk arabischer Mudjahidin besteht aus teils unabhängig voneinander operierenden Organisationen und Zellen, in denen bei gemeinsamer Zielrichtung unterschiedliche Organisationsformen und Vorgehensweisen festzustellen sind. Seine Akteure handeln mit islamistischem Sendungsbewusstsein und nutzen ihre vielfach in Afghanistan gesammelten Erfahrungen. Zwischen diesen Organisationen kann es auch sich überschneidende Abhängigkeitsund Weisungsstränge Führungsrolle geben. Eine besondere Führungsrolle innerhalb dieses Netzwerks unabder al-Qaida hängiger Organisationen nimmt die al-Qaida ein. Das nachfolgende Schaubild versucht, dieses Netzwerk vereinfacht darzustellen. Netzwerkstruktur des internationalen islamistischen Terrorismus AL-QAIDA als ideologische Basis sog. non-alignednational bzw. Mudjahidin regional ausgerichunabhängige oder lose tete Gruppen vernetzte Attentäterz.B. Zellen tschetschenische z.B. Mudjahidin Al-Tauhid AAI/AAS "Madrid-Attentäter" Organisation al-Qaida Terroranschläge im islamischen Maghreb Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) USA ... 11.09.2001 Madrid London 11.03.2004 07.07.2005 Weltweit sind etwa 10.000 ausgebildete und kriegserfahrene Afghanistan-Kämpfer in ihre Heimatoder Zufluchtsländer zurückgekehrt, wo Lokale Terrorsie sich teilweise lokalen islamistischen Gruppen angeschlossen haben. gruppen Sie genießen dort hohes Ansehen und können als Multiplikatoren fungieren. Diese lokalen terroristischen Gruppierungen (dargestellt im rechten Bereich des Schaubilds) streben in ihren jeweiligen Heimatländern durch bewaffneten Kampf die Beseitigung der dortigen - aus Sicht Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 65 der Täter westlich-dekadenten - Gesellschaftsordnung und die Errichtung eines islamistischen Gottesstaats an. Die Ideologie von al-Qaida ist vom "Djihadismus" geprägt. Ihr Weltbild teilt die Menschheit in MusDjihad-Ideologie lime und Ungläubige. Pflicht der Muslime sei es, die Ungläubigen, wenn sie sich ihnen nicht anschließen, im bewaffneten Kampf zu besiegen. Zu den Ungläubigen zählen insbesondere Christen und Juden. Auch die Regierungen zahlreicher islamischer Staaten sind wegen ihrer Weigerung, die USA und Israel zu bekämpfen und eine "muslimische" Ordnung einzuführen, in den Augen von al-Qaida bloße Marionetten der USA. Zwar ist die Errichtung eines "islamischen Staates" das gemeinsame Ziel, doch über dessen konkrete Ausgestaltung gibt es nur selten Einigkeit. Feindbild ist der "dekadente Westen". Anschlagsziele sind dabei auch Staaten, die mit dem Westen kooperieren (vor allem Saudi-Arabien) oder Staaten, die als zu westlich gelten (z.B. die Türkei). Häufig ist die Ideologie das einzige Bindeglied dieser weltweit autark operierenden Gruppierungen und Zellen. Al-Qaida ist Al-Qaida als deren "ideologische" Basis. Dieser Umstand erleichtert auch personelle "ideologische" Verflechtungen. Attentäter-Zellen im Sinn von al-Qaida bedürfen größBasis tenteils nicht des zentralen Kommandos und bekommen nachträglich den "Segen" für ihre oft langfristig geplanten Anschläge (etwa über Audiooder Videobotschaften, die über das Internet oder über arabische Sender verbreitet werden). Die Legitimation für ihre Aktivitäten liefern islamistische Ideologen, häufig selbst ernannte Prediger, deren persönliche Autorität weder durch ihren Tod noch durch ihr Wirken aus dem Untergrund, wie z.B. bei Usama Bin Ladin, beeinträchtigt wird. Kampfplätze, auf denen Mudjahidin ihr Kriegswissen erproben können, sind hauptsächlich der Irak und Afghanistan, jedoch auch Tschetschenien und Kaschmir. Der Palästina-Konflikt mit seiner großen medialen Präsenz dient hauptsächlich der Agitation und Mobilisierung. Die Zerschlagung der afghanischen Zentrale und die Verhaftung oder Tötung zahlreicher Mitglieder aus der alten Führungsriege haben zwar den Kern von al-Qaida vorübergehend geschwächt, das flexible Netzwerk jedoch nicht besiegt. Einerseits gibt es eine Vielzahl kleinerer Organisationen, die mit al-Qaida teilweise eher lose verbunden sind und nur bei besonderen Ereignissen öffentliches Interesse erfahren. Dies gilt etwa für die "Islamische Jihad Union" (IJU), die die am 4. September in Nordrhein-Westfalen festgenommen Aktivisten ausbildete und mit Terroraufträgen nach Deutschland schickte (vgl. auch Nummer 4.5.1 dieses Abschnitts). Daneben gibt es auch große schlagkräftige Organisationen, die eng in das al-Qaida-Netzwerk eingebunden sind. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 66 Ausländerextremismus 4.3.2 Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna (AAI/AAS) Unter den Mudjahidin, die sich in den 90er Jahren in Afghanistan aufhielten und in Trainingslagern militärisch ausgebildet wurden, befanden sich auch kurdische Islamisten, die 2001 an der Gründung der Ansar al-Islam (AAI, "Unterstützer des Islam") - zeitweise auch Ansar al-Sunna (AAS, "Unterstützer der Sunna") - beteiligt waren. Sie knüpften Kontakte zu al-Qaida, die auch nach der Rückkehr aus Afghanistan bestehen blieben. Der AAI/AAS gelang es, 2001 ein Taliban-ähnliches Islamistische Regime in einem kleinen Teil des irakischen Kurdengebiets zu errichten. KurdenorganisaDer Iraker Mullah Krekar, übernahm die Führung. Krekar scheint keine tion aus dem Führungsrolle mehr zu spielen, dürfte aber weiterhin als spirituelle LeitNordirak figur wirken. Als Nachfolger Krekars gilt sein früherer Stellvertreter Abu Adullah al-Shafi. Nach der US-Intervention in Afghanistan nahm die AAI/AAS Kämpfer von Usama Bin Ladin auf und unterstützte sie. Inzwischen ist die AAI/AAS durch ihr Zusammenwirken mit der al-Qaida im Irak Bestandteil des internationalen Terrornetzwerks. Sie ist für eine Vielzahl von TerTerroranschläge roranschlägen im Irak mit Hunderten von Toten und Verletzten verantim Irak wortlich. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stufte sie deshalb am 24. Februar 2003 als terroristische Vereinigung ein. In Europa gibt es Anhänger in Skandinavien, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland und in den Niederlanden. In Bayern sind u.a. in München, Nürnberg und Augsburg etwa 45 Anhänger bekannt, die die Organisation durch Beschaffung von Geld unterstützen; deutschlandweit umfasst die Gruppierung etwa 100 Anhänger. Seit Kriegsende reisten auch mehrere Mitglieder aus Bayern in den Irak; ein Teil von ihnen ist zwischenzeitlich wieder nach Bayern zurückgekehrt. InsgeStarker Rückgang samt sind die Aktivitäten der AAI/AAS-Anhänger in Bayern stark zurückder Aktivitäten gegangen, da die Szene durch zahlreiche Maßnahmen der Sicherheitsin Bayern behörden in den letzten Jahren erheblich geschwächt worden ist. So verurteilte das Oberlandesgericht München im Juli 2007 zwei AAI-Anhänger u.a. wegen Unterstützung der ausländischen terroristischen Gruppierung AAI zu Haftstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten beziehungsweise drei Jahren und drei Monaten (vgl. auch Nummer 1.4 dieses Abschnitts). 4.3.3 Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb Die "Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC, "Salafiyya-Gruppe für Predigt und Kampf"), die im September 2006 der Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 67 al-Qaida beigetreten war, benannte sich am 24. Januar in "Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb" um. Die ausdrückliche Erwähnung des Maghreb-Bereichs signalisiert den Anspruch auf alleinige Vertretung der al-Qaida in der Region Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen. Zudem verbindet die "Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb" mit der Namensänderung die Erwartung, Kämpfer und Unterstützer anderer maghrebinischer Gruppierungen zu rekrutieren. In Algerien haben Attentate gegen Regierungseinrichtungen und SicherZunahme von heitspersonal seit dem Anschluss der früheren GSPC an die al-Qaida Attentaten in deutlich zugenommen. Einen der schwersten Anschläge verübte die Algerien Gruppierung am 11. April in der algerischen Hauptstadt Algier (vgl. auch Nummer 4.5.5 dieses Abschnitts). Die "Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb" hat sich bisher nicht zu terroristischen Aktivitäten außerhalb Algeriens bekannt. Ein Organisationsaufbau in Deutschland ist nicht erkennbar. 4.3.4 Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) Am 3. November gab Bin Ladin-Stellvertreter Dr. Ayman al-Zawahiri auf einer islamistischen Website den Anschluss der in Libyen kämpfenden islamistischen "Groupe Islamique Combattant Libyen" (GICL) - besser bekannt unter ihrer englischen Bezeichnung "Libyan Islamic Fighting Anschluss an das Group" (LIFG) - an das al-Qaida-Netzwerk bekannt. Im zweiten Teil der al-Qaida-Netzwerk Tonbandaufnahme bestätigte Abu Laith al-Libi, LIFG-Emir und hochrangiges al-Qaida-Mitglied, den Beitritt zur al-Qaida und die Anerkennung Usama Bin Ladins als obersten Führer. Der offizielle Anschluss der LIFG an die al-Qaida-Organisation war aufgrund der engen personellen wie ideologischen Verflechtung erwartet worden, eine Umbenennung der Organisation folgte bisher nicht. Die LIFG wurde Anfang der neunziger Jahre gegründet. Die Mehrzahl der auf einige Hundert geschätzten Mitglieder rekrutiert sich aus ehemaligen Afghanistankämpfern. Auch libysche Regimegegner schlossen sich der LIFG an. Ziel der LIFG ist die Amtsenthebung des libyschen Staatspräsidenten Muammar Gaddafi, verbunden mit der gleichzeitigen Auflösung des weltlichen Regimes und der Errichtung einer islamisch geprägten Staatsherrschaft. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Mitgliedern soll sich in Europa aufhalten, eine Exilstruktur der LIFG in Deutschland ist nicht erkennbar. 4.4 Botschaften und Drohungen In zahlreichen Erklärungen des Terrornetzwerks al-Qaida und seiner Repräsentanten wurden wie in der Vergangenheit Terroranschläge und Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 68 Ausländerextremismus der "Heilige Krieg gegen den Westen" propagiert und gerechtfertigt. Auch Deutschland war Gegenstand mehrer Drohvideos. Während der Stellvertreter Usama Bin Ladins, Dr. Ayman al-Zawahiri, während des ganzen Jahres über Internet-Auftritte präsent war, trat Usama Bin Ladin Usama Bin Ladin erst in der zweiten Jahreshälfte an die Öffentlichkeit. Mit Äußerungen zu aktuellen Themen wollte er unter Beweis stellen, dass er noch am Leben ist. Er rief mehrfach zum bewaffneten Djihad und zur Einheit aller Kämpfer auf. Beispielsweise wandte er sich auch in einer Ende November zunächst vom arabischen Fernsehsender al-Djazira ausgestrahlten und in verschiedenen Internet-Foren eingestellten Videobotschaft direkt an die Europäer und forderte den Abzug der Truppen aus Afghanistan. Die Erklärung war mit englischen und deutschen Untertiteln versehen. Dies könnte darin begründet sein, dass Deutschland ein großes Truppenkontingent der ISAF stellt. In der Botschaft wird Deutschland nicht explizit erwähnt. Es wurde weder eine direkte Drohung gegen Europa noch eine konkrete Ankündigung von Anschlägen ausgesprochen. Ferner übernahm Bin Ladin nochmals ausdrücklich die Verantwortung für die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA. Drohung der Am 10. März verbreitete die deutschsprachige "Global Islamic Media GIMF gegen Front" (GIMF) auf ihrer Homepage eine Videobotschaft, die direkt an Deutschland die Regierungen Deutschlands und Österreichs gerichtet war. Beide Länder wurden aufgefordert, zum eigenen Schutz ihre Soldaten vor allem aus Afghanistan abzuziehen. Ein privater Fernsehsender sendete am 6. November im Zusammenhang mit einem Bericht über die GIMF ein Interview mit einem Repräsentanten der deutschsprachigen GIMF. Dieser befürwortete in dem Interview u.a. eine Beteiligung am Djihad und an Anschlägen gegen deutsche Soldaten in Afghanistan und Deutschland. Am 19. Juni berichtete der US-Fernsehsenders ABC von einem Video, demzufolge die Taliban mit Selbstmordanschlägen in den Herkunftsländern der in Afghanistan stationierten westlichen Truppen drohen. Genannt wurden die USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland. Erneute Drohung Mitte November stellte die GIMF erneut ein Video ins Internet, in dem Deutschland und Österreich wiederum aufgefordert wurden, ihre Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, da sie ansonsten um die Sicherheit in ihren Länder fürchten müssten. Außerdem wurde die Freilassung der am 12. September in Österreich festgenommenen mutmaßlichen GIMF-Mitglieder gefordert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 69 4.5 Terroranschläge und Anschlagsplanungen Im Jahr 2007 zeigten insbesondere die vereitelten Anschlagspläne der "Islamischen Jihad Union" (IJU), dass Deutschland wie andere Teile der westlichen Welt vom Terror konkret bedroht ist. Weltweit setzten Anhänger des islamistischen Terrors ihre Gewaltakte fort. 4.5.1 Deutschland Am 4. September wurden nach umfangreichen nachrichtendienstlichen Festnahme von Vorermittlungen in einer gemeinsamen Polizeiaktion des BundeskrimiIJU-Aktivisten nalamts, der Bundespolizei und der Länderpolizeien drei Aktivisten einer Zelle der islamischen terroristischen Vereinigung "Islamische Jihad Union" (IJU) in Medebach-Oberschlehdorn/Nordrhein-Westfalen festgenommen. Bei der IJU handelt es sich um eine usbekische Organisation, die im Usbekische März 2002 von ehemaligen Mitgliedern der "Islamischen Bewegung Organisation mit Usbekistan" (IBU) gegründet worden ist. Die IJU gilt als unabhängige Verbindungen zur Gruppierung, jedoch mit engen Verbindungen zur al-Qaida. Die Grupal-Qaida pierung verfolgte zunächst regionale Ziele, hat jedoch ihre Aktivitäten auf den weltweiten Djihad erweitert. Die IJU hat ihre Handlungsfähigkeit mit Bomben-Anschlägen gegen die amerikanische und israelische Botschaft in Taschkent/Usbekistan vom 30. Juli 2004 und weiteren Anschlägen gegen den usbekischen Staat unter Beweis gestellt. Die in Deutschland Festgenommen hatten sich im frei zugänglichen Handel eine große Menge Wasserstoffperoxid, weiteres Material zur Herstellung von Sprengstoff und militärische Zünder beschafft. Das vorhandene Material hätte ausgereicht, um Sprengsätze zu konstruieren, die eine weitaus größere Sprengwirkung entfaltet hätten als die bei den Anschlägen in Madrid und London eingesetzten Sprengsätze. Kenntnisse zum Bau von Sprengvorrichtungen hatten die mutmaßlichen Attentäter insbesondere in den Ausbildungslagern der IJU in Pakistan erhalten. Polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass die Täter bevorzugt amerikanische Einrichtungen oder auch Flughäfen als mögliche Ziele im Visier hatten. Ein Täter hatte zusammen mit zwei mutmaßlichen Helfern in der Sylvesternacht 2006/2007 eine amerikanische Kaserne im hessischen Hanau-Lamboy ausgespäht. Bei den Ermittlungen wurde deutlich, dass die Täter ernsthaft bemüht waren, mehrere vermutlich simultane AnPlanung von schläge in Deutschland zu verüben und dabei möglichst hohen Personensimultanen und Sachschaden anzurichten. Ein regionaler Schwerpunkt der ErmittAnschlägen lungen war neben dem Saarland und Hessen der Raum Ulm/Neu-Ulm. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 70 Ausländerextremismus 4.5.2 Europa Gescheiterte AutoEnde Juni scheiterten in Großbritannien drei Autobombenanschläge. bombenanschläge Am 29. Juni konnten Spezialisten der Londoner Polizei in zwei Fahrzeuin Großbritannien gen funktionstüchtige Sprengsätze entschärfen. Am 30. Juni versuchten zwei Personen, mit einem Geländewagen in den Eingangsbereich der Abfertigungshalle des Flughafens Glasgow einzufahren. Das Fahrzeug ging in Flammen auf. Beide Fahrzeuginsassen wurden festgenommen, einer von ihnen starb Wochen später an seinen Brandverletzungen. 4.5.3 Irak Trotz internationaler Bemühungen gilt der Irak weiterhin als der Staat Hohes mit dem höchsten Anschlagsrisiko. Obwohl zunehmend die ZivilbevölAnschlagsrisiko kerung in Mitleidenschaft gezogen wird, sind irakische Sicherheitskräfte und Regierungsmitglieder besonders gefährdet. So wurde am 12. April in Bagdads streng bewachtem Regierungsviertel, der "Grünen Zone", ein Anschlag in der Parlamentscafeteria verübt, bei dem acht Menschen starben. Auch für westliche Kräfte - unabhängig von ihrem Auftrag und ihrer staatlichen Anbindung - gilt ein hohes Anschlagsund Entführungsrisiko. So wurden am 6. Februar in Bagdad eine deutsche Frau und ihr Verschleppung 20-jähriger Sohn verschleppt. Während die Mutter, die mit einem irakivon Deutschen schen Arzt verheiratet ist, am 10. Juli freigelassen wurde, befindet sich ihr Sohn noch immer in der Gewalt der Entführer. 4.5.4 Afghanistan Verschärfung der Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich - insbesondere in der südSicherheitslage lichen Region des Landes - weiterhin verschlechtert. Die Zahl der Anschläge, die sich vor allem gegen Kräfte und Einrichtungen der ISAF-Einheiten richten, ist deutlich gestiegen. Auch deutsche Kräfte und Einrichtungen waren Ziel mehrerer Anschläge. So wurde am 8. März in einer nordafghanischen Provinz ein deutscher Entwicklungshelfer der Welthungerhilfe erschossen. Anschlag auf Am 19. Mai wurden im Kunduz bei einem Selbstmordattentat auf eine deutsche Soldaten Patrouille drei deutsche Bundeswehrsoldaten getötet und mehrere Solund Polizisten daten zum Teil schwer verletzt. Auch afghanische Zivilisten kamen bei dem Anschlag ums Leben. Am selben Tag bekannten sich die Taliban zu dem Anschlag. Am 15. August kamen bei einem Bombenattentat in der Nähe von Kabul drei deutsche Polizeibeamte ums Leben. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 71 Am 18. Juli wurden zwei deutsche Bauingenieure zusammen mit fünf Entführung afghanischen Kollegen von den Taliban entführt. Einer der beiden entdeutscher führten Deutschen wurde am 21. Juli erschossen aufgefunden. Am 10. OkIngenieure tober kam der zweite Deutsche aus der Geiselhaft frei. 4.5.5 Weitere Anschläge Am 11. April wurden bei zwei Anschlägen in der algerischen HauptAlgier stadt Algier, u.a. vor dem Regierungsgebäude des Ministerpräsidenten, über 30 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt. Zu den Anschlägen bekannte sich die "Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb". Am 2. Juli wurde in der jemenitischen Stadt Marib ein SelbstmordAnschlag auf anschlag auf eine spanische Touristengruppe verübt. Der Täter brachte Touristen im einen mit Gasflaschen gefüllten Pick-up neben dem Autokonvoi der Jemen Touristengruppe zur Explosion. Bei dem Anschlag kamen sieben spanische Touristen sowie zwei jemenitische Fahrer ums Leben. Sechs weitere Personen wurden verletzt. Die jemenitische Regierung rechnet den Anschlag Personen mit einem al-Qaida-Hintergrund zu. Am 21. September verübte die "Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb" nahe der algerischen Stadt Lakhdaria einen SelbstmordAlgerien anschlag auf einen Mitarbeiter-Konvoi einer französischen Baufirma. Zwei Franzosen, ein Italiener sowie sechs Algerier wurden dabei zum Teil schwer verletzt. Erst zwei Tage vor dem Anschlag hatte der Stellvertreter Usama Bin Ladins, Dr. Ayman al-Zawahiri, dazu aufgerufen, die Maghreb-Staaten von Franzosen und Spaniern zu befreien. 4.6 Ausblick Vor allem die Festnahme islamistischer Terroristen in Nordrhein-Westfalen am 4. September hat erneut zwei Aspekte verdeutlicht. Zum einen ist Deutschland konkretes Anschlagsziel islamistischer Terroristen; Deutschland als zum anderen besteht die besondere Gefährlichkeit des Terrornetzwerks Anschlagsziel al-Qaida noch stärker als bisher in seiner Eigenschaft als Inbegriff des "globalisierten Djihad" für kampfbereite Islamisten. Diese Ideologie des "Djihadismus" wird von lokalen Gruppierungen als Rechtfertigung für eigenständig und unabhängig geplante Terrorakte herangezogen. Moderne Medien - vor allem das Internet - werden intensiv für Propagandaund Informationsaustausch genutzt. Auf die Entwicklungen im internationalen Terrorismus haben die deutschen Sicherheitsbehörden vor allem mit einer Intensivierung der ZuVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 72 Ausländerextremismus Gemeinsames sammenarbeit reagiert, so etwa mit der Errichtung des Gemeinsamen TerrorismusTerrorismusabwehrzentrums von Polizei und Nachrichtendiensten in abwehrzentrum Berlin und der Schaffung einer gemeinsamen Antiterrordatei von Polizei und Verfassungsschutz. Islamistische Terrornetzwerke werden auch künftig die größte Bedrohung der Inneren Sicherheit darstellen. 5. Sonstige ausländerextremistische Gruppierungen 5.1 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) bzw. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Deutschland Bayern Anhänger: 11.500 1.800 Vorsitzender: Zübeyir Aydar Kurd. Volksführer: Abdullah Öcalan Leitung: Führungsfunktionäre der "Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa"(CDK) (in Abhängigkeit vom Vorsitzenden des KONGRA GEL, dem kurdischen Volksführer Abdullah Öcalan und dem Exekutivkomitee des KONGRA GEL) Gründung: 1978 in der Türkei Publikation: "Serxwebun" (Unabhängigkeit) In Deutschland seit 26. November 1993 verboten Der Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) ist identisch mit der mehrfach umbenannten, in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die PKK hatte sich im April 2002 in Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) umbenannt. Weder bei dieser Umbenennung noch bei der Namensänderung am 15. November 2003 in KONGRA GEL gab es wesentliche Veränderungen in Organisation, Struktur und Ideologie. Das gegen die PKK erlassene vereinsrechtliche Betätigungsverbot aus dem Jahr 1993 erstreckt sich deshalb auch auf den KONGRA GEL. Der Rat der Europäischen Union hat am 2. April 2004 EU-Terrorliste den KONGRA GEL und seine Vorgängerorganisation KADEK - wie bereits früher die PKK - als Terrororganisation eingestuft. Der Bundesgerichtshof stellte am 21. Oktober 2004 fest, dass die Führungsspitze des KONGRA GEL auch weiterhin als kriminelle Vereinigung einzustufen ist. 5.1.1 Allgemeines Der KONGRA GEL ist eine gut organisierte, straff geführte, ursprünglich marxistisch-leninistisch geprägte Kaderorganisation, deren Ziele aus Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 73 einer Mischung von sozialistischem und nationalistischem Gedankengut bestehen. Im Mittelpunkt stand über zwei Jahrzehnte der aktive "revolutionäre Kampf" für ein freies und unabhängiges Kurdistan. Nach der Festnahme des damaligen PKK-Führers Abdullah Öcalan im Jahr 1999 kam es zu einer taktisch bedingten Mäßigung. Die Organisation verzichtete auf ihr ursprüngliches Ziel, durch bewaffneten Kampf einen eigenen kurdischen Staat durchzusetzen. Nach Aufkündigung des "Friedenskurses" durch den KONGRA GEL zum 1. Juni 2004 haben die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den "Volksverteidigungskräften" (HPG) - den Guerillaeinheiten des KONGRA GEL - und türkischen Sicherheitskräften wieder zugenommen. Im Oktober 2007 hat sich der Konflikt zwischen dem KONGRA GEL und der türkischen Regierung verschärft, nachdem bei Zusammenstößen zwischen der türkischen Armee und den "Volksverteidigungskräften" (HPG) im Grenzgebiet zum Irak vermehrt türkische Soldaten ums Leben gekommen waren. Der KONGRA GEL beansprucht im Kampf der Kurden die Führungsrolle, Anspruch auf was seit den 90er Jahren wiederholt zu teilweise militärisch geführten Führungsrolle im Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Organisationen führte. Der Kampf der Kurden KONGRA GEL versteht sich auch als die alleinige Vertretung der in Deutschland lebenden rund 500.000 türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit, obwohl sich nur etwa 10 % dieser Volksgruppe zum KONGRA GEL bekennen. Abdullah Öcalan wurde in der Satzung des KONGRA GEL erstmals als kurdischer Volksführer bezeichnet. Vorsitzender des KONGRA GEL ist der ehemalige Führungsfunktionär des KONGRA GEL-dominierten "Kurdischen Nationalkongresses" (KNK), Zübeyir Aydar. Die hauptamtlichen Kader des KONGRA GEL leben äußerst konspirativ Konspirative an häufig wechselnden Orten. Die KONGRA GEL-Anhängerschaft ist in Betätigung zahlreichen, der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) angegliederten örtlichen Vereinen organisiert. Diese Vereine, die sich nach außen als reine Kulturvereine darstellen, haben die Aufgabe, Ziele und Politik des KONGRA GEL unter den Anhängern zu verbreiten und zu fördern. Darüber hinaus bedient sich der KONGRA GEL zahlreicher vom Betätigungsverbot nicht erfasster Nebenorganisationen ("Y-Gruppen"), die verschiedene Zielgruppen innerhalb der kurdischen Bevölkerung für den KONGRA GEL gewinnen sollen. Der KONGRA GEL finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen, dem Verkauf Finanzierung von Publikationen und den Einnahmen aus Veranstaltungen. Den größten Anteil der Einnahmen erbringt die jeweils von September bis Januar Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 74 Ausländerextremismus durchgeführte Spendenkampagne. Es gibt Hinweise, dass der KONGRA GEL auch vom Rauschgifthandel profitiert, indem er beispielsweise kurdische Drogenhändler abschöpft. Der KONGRA GEL bemüht sich weiterhin, über den "Internationalen Kurdischen Arbeitgeberverband" (KARSAZ) das Wirtschaftspotenzial der in Europa lebenden Kurden zu kontrollieren. KARSAZ unterhält Niederlassungen in Frankfurt am Main und in Berlin. PropagandaEin wichtiges Propagandamedium ist der KONGRA GEL-nahe Fernsehmedien sender ROJ TV, der vom KONGRA GEL als Plattform zur Darstellung seiner politischen Ziele genutzt wird. Die Beiträge gleichen in wesentlichen Punkten der Berichterstattung seines Vorgängers MEDYA-TV. Als weiteres Agitationsinstrument dient dem KONGRA GEL die türkischsprachige Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" ("Neue Freie Politik"), in der führende KONGRA GEL-Funktionäre regelmäßig Stellungnahmen publizieren. Die Zeitschrift wird allerdings nicht unmittelbar vom KONGRA GEL bzw. einer seiner Teiloder Nebenorganisationen herausgegeben. Sie versucht, als Nachfolgepublikation der "Özgür Politika" im Sinn des KONGRA GEL Einfluss auf die Politik im Mittleren Osten und besonders in den kurdischen Siedlungsgebieten zu nehmen. Der KONGRA GEL ist mit einer eigenen Homepage im Internet präsent, deren Inhalte in deutscher, englischer, kurdischer und türkischer Sprache abgerufen werden können. Auch die "Volksverteidigungskräfte" des KONGRA GEL unterhalten eine eigene Internet-Seite in türkischer und kurdischer Sprache mit aktuellen Informationen über die HPG. "Neue PKK" Im April 2005 wurde die Gründung der "neuen PKK" verkündet, die sich als politische und vor allem ideologische Avantgarde betrachtet und sich durch eine besondere Nähe zu Abdullah Öcalan auszeichnet. Laut Satzung ist sie eine Teilorganisation des KONGRA GEL, ihre tatsächlichen Aufgaben und Ziele sind jedoch nach wie vor unklar. Die "neue PKK" lehnt nach eigenen Angaben Gewalt grundsätzlich ab, behält sich aber weiterhin das Recht auf "legitime Selbstverteidigung" vor. Gegenwärtig gibt es keine Anhaltspunkte für einen Strategiewechsel. In Bayern wurden bisher keine Aktivitäten der "neuen PKK" festgestellt. Aus der Jugendorganisation KOMALEN-CIWAN, die die Zeitschrift "CIWANEN AZAD" ("Freie Jugendliche") herausgibt, rekrutiert sich ein Teil der Guerilla des KONGRA GEL. Dabei wurden in der Vergangenheit Jugendliche auch gegen den Willen ihrer Eltern zwangsverpflichtet und in Ausbildungslagern im benachbarten Ausland geschult, bevor sie zum Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 75 Kampfeinsatz in die Türkei geschleust wurden. Aus einer weiteren JugendJugendorganisation des KONGRA GEL, der "Demokratischen Jugend" organisation (Demokratik Genclik - DEM-GENC) sollen die künftigen KOMALENCIWAN-Funktionäre gewonnen werden. In Bayern wurden bislang keine Aktivitäten der DEM-GENC festgestellt. Die "Freiheitsfalken Kurdistans" ("Teyrebazen Azadiya Kurdistan" - TAK) Freiheitsfalken wurden erstmals im Juli 2004 bekannt. Sie sind nach eigenen Angaben Kurdistans (TAK) aus den "Volksverteidigungskräften" (HPG) des KONGRA GEL hervorgegangen. In einer Erklärung vom 14. April 2006 stellten die TAK fest, dass sie sich vom KONGRA GEL getrennt haben, da ihnen sowohl der KONGRA GEL als auch die"Volksverteidigungskräfte" (HPG) als zu schwach erschienen seien. Die TAK begannen 2006 eine Serie von Sprengstoffanschlägen vor Anschläge auf allem gegen touristische Ziele in der Türkei und setzten diese im Jahr touristische Ziele 2007 fort. Dabei wurden mehrere Personen getötet und zahlreiche verletzt. Die TAK warnten wiederholt vor Reisen in die türkischen Tourismuszentren und drohten mit weiteren Anschlägen. Auf ihrer Internet-Seite veröffentlichten die TAK 2006 eine Anleitung zur Herstellung von Sprengsätzen für Selbstmordattentäter. Darüber hinaus sind Ziele für Bombenanschläge und Sabotageakte in der Türkei aufgelistet. Im Zusammenhang mit Exekutivmaßnahmen französischer und belgischer Sicherheitsbehörden im Februar 2007 drohten die TAK erstmals explizit mit Anschlägen gegen europäische Touristen in der Türkei. Strukturen bzw. Aktivitäten der TAK in Bayern konnten bislang nicht festgestellt werden. Im Mai fand die 5. Vollversammlung des KONGRA GEL im Nordirak statt. Dabei wurde die Umbenennung des Konzepts von Abdullah Öcalan "Koma Komalen Kurdistan" (KKK - "Union der kurdischen GemeinKoma Civaken schaften") in "Koma Civaken Kurdistan" (KCK - "Gemeinschaft der Kurdistan (KCK) Räte Kurdistans") beschlossen. Zum Vorsitzenden des 30-köpfigen KCK-Exekutivrats wurde der Führungsfunktionär Murat Karayilan gewählt. Im Mittelpunkt der KCK steht das Prinzip des Demokratischen Konföderalismus. Gemeint ist damit ein föderaler Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, im Iran und Irak unter Achtung der bestehenden staatlichen Grenzen. Dieses Konzept, welches eine neue gesellschaftliche Ordnung innerhalb aller kurdischen Siedlungsgebiete vorsieht, ist mangels Akzeptanz durch die betroffenen Staaten von einer Umsetzung weit entfernt. Zum Abschluss des Kongresses wurde Zübeyir Aydar von den Delegierten als Vorsitzender des KONGRA GEL wiedergewählt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 76 Ausländerextremismus Im Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Irak kam es Ende Oktober zu erneuten heftigen Auseinandersetzungen zwischen türkischem MiliKämpfe der tär und PKK-Rebellen, bei der PKK-Guerillas mehrere türkische Soldaten PKK-Rebellen töteten, verwundeten oder als Geiseln nahmen. Das türkische Parlament erteilte der Regierung daraufhin am 17. Oktober die Erlaubnis für grenzüberschreitende Militärschläge gegen die vom KONGRA GEL bzw. der von der PKK unterhaltenen Guerillaeinheiten, die sich zum Teil im Nordirak aufhalten. Der KONGRA GEL hat diese Entscheidung scharf kritisiert und seine Anhänger in und außerhalb der Türkei zu Reaktionen aufgefordert. Die KONGRA GEL-Jugendorganisation KOMALEN-CIWAN hat in einer Erklärung vom 25. Oktober die kurdischen Jugendlichen aufgerufen, sich der Guerilla anzuschließen und überall, wo Kurden leben, die "legitime Selbstverteidigung" auszuüben. Die Türkei zog Truppen an der Grenze zum Irak zusammen. Am 16. Dezember griff die türkische Luftwaffe Stellungen der Guerilla im Nordirak an. 5.1.2 Aktivitäten und Exekutivmaßnahmen Trotz des in Deutschland seit 1993 geltenden vereinsrechtlichen Betätigungsverbots gibt es weiterhin Aktivitäten von KONGRA GEL-Anhängern. Ein Nachweis, dass deren Betätigung der Organisation zuzurechnen ist, lässt sich jedoch oft nur schwer führen. Offen wahrnehmbar sind Aktivitäten der kurdischstämmigen Bevölkerung insbesondere in der Kulturund Brauchtumspflege, z.B. dem alljährlichen kurdischen Neujahrsfest Newroz, und bei der Wahrnehmung ihrer Rechte als kulturelle Minderheit. Sympathie für die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen kann den Kurden zu einem gewissen Teil unterstellt werden. Eine Handhabe für behördliche Maßnahmen bietet sich aber nur, wenn eine konkrete Unterstützung der PKK nachweisbar ist, d.h. wenn beispielsweise verbotene Symbole zum Einsatz kommen, relevante Unterstützung etwa durch Spendengelder nachgewiesen werden kann oder klare organisatorische Strukturen aufgedeckt werden können. Auf die Aufdeckung solcher Aktivitäten ist auch das Augenmerk der Sicherheitsbehörden gerichtet. Auch wenn in der Gesamtschau der Eindruck entsteht, dass die Anhänger des KONGRA GEL im Jahr 2007 sehr aktiv waren, kann man nicht von einem Wiedererstarken der PKK bzw. des KONGRA GEL ausgehen. Eine erhebliche Zunahme der Anhängerschaft bzw. der demonstrativen Aktionen der Organisation konnte weder für Bayern noch für Deutschland festgestellt werden. Die in jüngster Vergangenheit erfolgten Durchsuchungsund Festnahmeaktionen dürften Verunsicherung die Organisation nicht unerheblich verunsichert, mitunter auch geder Organisation schwächt haben. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 77 Anlässlich von Durchsuchungen in mehreren süddeutschen BundeslänDurchsuchungen dern am 10. Januar und der Verhaftung eines Führungsfunktionärs und Reaktionen demonstrierten Anhänger des KONGRA GEL am 20. Januar in mehreren deutschen Städten gegen die "Kriminalisierung der Kurden in Deutschland". In diesem Zusammenhang rief die CDK, der politische Arm des KONGRA GEL, alle in Europa lebenden Kurden zu einem nicht näher erläuterten Boykott deutscher Waren und Produkte auf. Aus Anlass des 8. Jahrestags der Festnahme Abdullah Öcalans am 15. Februar 1999 in Nairobi/Kenia demonstrierten Anhänger des KONGRA GEL am 10. Februar in Straßburg unter dem Motto "Freiheit für ÖCALAN - Eine demokratische Lösung für die Kurdenfrage". Unter den 12.000 Teilnehmern befanden sich auch etwa 180 Personen aus Bayern. Im Zusammenhang mit diesem Jahrestag und den Exekutivmaßnahmen am 10. Januar in Deutschland sowie am 5. Februar in Frankreich gegen Funktionäre und Einrichtungen des KONGRA GEL kam es europaweit zu Gewalttätige gewalttätigen Protestaktionen kurdischer Jugendlicher. In Deutschland Protestaktionen wurde eine Serie von Brandanschlägen verübt, die der KONGRA GEL-Jugendorganisation KOMALEN-CIWAN zuzurechnen ist. Bayern war davon nicht betroffen. Im Rahmen der europaweiten, teilweise gewalttätigen Protestaktionen gegen eine angebliche Vergiftung Öcalans führten Anhänger des KONGRA GEL am 3. März in Nürnberg eine Demonstration mit 250 Teilnehmern durch. Aus demselben Anlass traten KONGRA GEL-Anhänger in Straßburg vom 11. April bis zum 19. Mai in einen Hungerstreik. Eingeleitet wurde die Protestaktion durch eine Kundgebung vor dem Gebäude des Europarats, an der etwa 200 Personen teilnahmen. Ebenfalls in diesem Zusammenhang kamen am 12. Mai rund 15.000 KONGRA GEL-Anhänger aus ganz Europa zu einer Großdemonstration Großdemonstration in Straßburg zusammen. in Straßburg An einer Feier zum kurdischen Neujahrsfest Newroz am 17. März in Berlin nahmen insgesamt rund 16.000 Personen teil, darunter etwa 300 aus Bayern. Neben einem Aufzug des Vereins "Medya Volkshaus e.V." Newroz-Feiern am 20. März in Nürnberg, an dem etwa 160 Personen teilnahmen, fand am 25. März eine als Newroz-Feier vom Verein "Deutsch-Kurdischer Freundschaftsverein München e.V." angemeldete Veranstaltung im Musikpalast in München statt, an der sich etwa 650 Personen beteiligten. Im Verlauf dieser Veranstaltung wurden drei Personen wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz festgenommen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 78 Ausländerextremismus Durchsuchungen Am 18. April fanden im Raum Ingolstadt, Nürnberg und Regensburg in Bayern polizeiliche Durchsuchungen von Wohnungen, Büros und Vereinsräumen von mutmaßlichen KONGRA GEL-Anhängern statt. Anhänger und Sympathisanten des KONGRA GEL reagierten mit Protesten auf die Exekutivmaßnahmen. Festnahme in Am 25. April wurde ein 45-jähriger Türke kurdischer Herkunft in MünMünchen chen festgenommen. Er soll seit mehreren Jahren für den KONGRA GEL aktiv gewesen sein, u.a. auch als Verantwortlicher für das Gebiet München/Südbayern. Am 23. Oktober wurde er vom Landgericht München zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Unter dem Motto "Der kurdische Befreiungskampf lässt sich nicht verbieten" fand am 7. Juli in München eine Protestkundgebung mit etwa Zusammenarbeit 75 Teilnehmern statt. Anmelder der Versammlung, die von einem deutmit deutschen schen Linksextremisten geleitet wurde, war ebenfalls ein deutscher Linksextremisten Linksextremist, der von einer Durchsuchungsaktion am 5. Juli betroffen war. Hintergrund dieser länderübergreifenden Durchsuchungsaktion unter Leitung des Polizeipräsidiums München war ein Ermittlungsverfahren gegen über 20 mutmaßliche Anhänger des KONGRA GEL wegen Verdachts von Verstößen gegen das vereinsrechtliche Verbot. Vor dem Hintergrund anhaltender Auseinandersetzungen zwischen türkischer Armee und kurdischer Guerilla mit zahlreichen Toten und Verletzten fanden deutschlandund europaweit zahlreiche demonstrative Veranstaltungen statt, in deren Verlauf bzw. an deren Rand es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden kam. In Bayern fanden pro-kurdische Kundgebungen statt, u.a. am 3. November in München sowie am 10. und 17. November in Nürnberg, an denen sich jeweils mehrere hundert Personen beteiligten. Vereinzelt kam es zu Verstößen gegen das Vereinsgesetz. 5.2 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Deutschland Bayern Mitglieder: 650 100 Gründung: 1978 in der Türkei Die Organisation ist gespalten in: * Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) mit ihren Untergliederungen DKHP (Partei) und DHKC (Militärischer Arm) * Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C Devrimci Sol) mit ihren Untergliederungen THKP (Partei) und THKC (militärischer Arm) Die Devrimci Sol ist in Deutschland seit 1983 verboten, ihre beiden Spaltergruppen seit 1998. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 79 Die von Dursun Karatas und Bedri Yagan im Jahr 1978 gegründete und 1983 in Deutschland verbotene revolutionär-marxistische Devrimci Sol versteht sich als eine an den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus ausgerichtete Volksbewegung. Sie zählt zu den militantesten türkischen Extremistengruppen, die mit Hilfe einer bewaffneten Revolution auf die Revolutionäre Zerschlagung des türkischen Staates zielen und in der Türkei terrorisZielsetzung tisch aktiv sind. Seit 1993 ist die Devrimci Sol in den "Karatas-Flügel", aus dem die 1994 in Syrien gegründete Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) hervorging, und den "Yagan-Flügel", aus dem sich die Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C Devrimci Sol) entwickelte, gespalten. Das Bundesministerium des Innern verfügte am 13. August 1998 gegen die DHKP-C ein Vereinsverbot und gegen die THKP-C Devrimci Sol, die in Deutschland nicht organisatorisch verankert ist, ein Betätigungsverbot. Mit Beschluss vom 2. Mai 2002 setzte die Europäische Union die DHKP-C auf die EU-Terrorliste. EU-Terrorliste Örtliche Schwerpunkte der DHKP-C mit insgesamt rund 90 bis 100 Anhängern in Bayern bestehen in Aschaffenburg, Augsburg, München, Anhänger in Nürnberg, Neu-Ulm/Ulm und Regensburg; für die THKP-C Devrimci Sol Bayern sind in Bayern nur einzelne Mitglieder aktiv. Die Zahl der Anhänger ist in Deutschland von 800 auf 650 Personen zurückgegangen; ein Grund hierfür kann in den Exekutivmaßnahmen aus dem Jahr 2006 gesehen werden. Diese werden auch als ursächlich für einen Rückgang der Demonstrationsteilnehmer gesehen. Die Agitation und der Kampf gegen den "Imperialismus", gegen die NATO, die USA sowie die türkische Staatsund Gesellschaftsordnung sind zentrale Elemente der Ideologie der türkischen linksextremistischen Gruppierungen. Einige von ihnen, wie die DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP), sehen ihr Heimatland Türkei als Kampfgebiet an, in dem auch Terroranschläge zur Durchsetzung politischer Ziele als legitimes Mittel betrachtet werden. Für Deutschland und Europa hat die DHKP-C seit 1999 einen Gewaltverzicht erklärt. Auf dem Gebiet der Türkei jedoch befürwortet die Organisation ausdrücklich terroristische Aktivitäten. So bekennt sich die DHKP-C in einer Internet-Erklärung zum Gedenken an ihre Gründung 1994 zum bewaffneten Kampf: "Das, was wir unter bewaffnetem Kampf verstehen, ist kein Kampf, der sich nur auf die Perspektive des Widerstands beschränkt, sondern ist ein bewaffneter Kampf, der auf die Macht zielt. In unserem Land ist es nicht möglich, auf parlamentarischem Wege zum Sozialismus zu gelangen. (...) Die Revolution kann nur mit einem Volkskrieg ... zum Sieg gelangen. (...) Der Weg zur Revolution der Türkei ist der Weg unserer Partei." Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 80 Ausländerextremismus Der Bau neuer Gefängnisse mit Einzelzellen in der Türkei war für inhaftierte Angehörige türkischer linksextremistischer Organisationen der Anlass, im Jahr 2000 in einen Hungerstreik zu treten. Insbesondere das "Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen und deren FamiTAYAD lien in der Türkei" (TAYAD) trug dabei - in thematischer Übereinstimmung mit der DHKP-C - die Aktionen in Deutschland gegen die "Isolationshaft". Seit Mai 2002 war die DHKP-C die einzige Organisation, die an diesem "Todesfasten" festhielt. Nach einer Reform des türkischen Strafvollzugs endete am 22. Januar mit dem letzten Hungerstreik eines DHKP-C-Aktivisten in der Türkei der langjährige Widerstand, dessen angeblicher Erfolg in den deutschen Ortsvereinen gefeiert wurde. Am selben Tag veröffentlichte die DHKP-C Europa ein Flugblatt zum Ende der Hungerstreiks: "Wir haben den 'Großen Widerstand' der 7 Jahre andauerte, bei dem 122 Menschen gefallen sind, mit einem konkreten Sieg gefeiert. Es wurde ein politischer Sieg erreicht, indem die Versuche der Oligarchie, uns zur Kapitulation zu bringen, zurückgeschlagen wurden." Bei den 122 "gefallenen Menschen" handelt es sich nicht ausschließlich um Personen, die an den Folgen des Hungerstreiks gestorben sind. Etwa 40 Personen verstarben nach gewalttätigen Auseinandersetzungen mit türkischen Sicherheitskräften, andere infolge von Selbstverbrennungen. ExekutivWegen des Verdachts der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung maßnahmen waren bereits am 28. November 2006 bei einer bundesweiten Aktion u.a. in Augsburg, München, Nürnberg und Regensburg dutzende Räumlichkeiten von DHKP-C-Mitgliedern durchsucht worden. Es wurden mehrere Funktionäre und Aktivisten festgenommen. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens durchsuchte die Polizei am 19. März eine Druckerei in Baden-Württemberg und stellte u.a. zahlreiche Computer sicher. Am 21. März wurde ein 33-jähriger Funktionär vor dieser Druckerei festgenommen, als er mehrere Druckexemplare der Zeitschrift "Yürüyüs" (Marsch), einer der DHKP-C zuzurechnenden Propaganda-Publikation, abholen wollte. Die DHKP-C Anhängerschaft zeigte sich durch diese Exekutivmaßnahmen sichtlich geschwächt und agiert seitdem betont vorsichtig. In der Türkei bewies die DHKP-C ihre Schlagkraft, indem sie auf die türSprengstoffkischen Parlamentswahlen vom 22. Juli mit einer Serie von zehn Sprenganschläge stoffanschlägen auf Wahlbüros der Parteien CHP und der MHP reagierte. in der Türkei Sie bekannte sich auch zu einem Bombenanschlag der "Bewaffneten Propagandaeinheit" der DHKP-C im Juli gegen Verwaltungsbehörden in Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 81 der Türkei, der zum Jahrestag eines "Massakers" an zehn DHKP-C - Mitgliedern durchgeführt wurde. 5.3 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Deutschland Bayern Mitglieder: 1.500 120 Gründung: 1972 in der Türkei Die Organisation ist gespalten in: * Maoistische Kommunistische Partei (MKP), ehemals Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) * Partizan-Flügel (TKP/ML) Die Entwicklung der TKP/ML ist seit dem Ende der 70er Jahre durch eine Vielzahl von Fraktionsbildungen und Abspaltungen geprägt. Im Jahr 1994 spaltete sich das Ostanatolische Gebietskomitee (DABK) vom so genannten Partizan-Fügel der TKP/ML ab. Dies führte zur Bildung von zwei neuen unabhängig voneinander existierenden Organisationen, die sich beide als Nachfolgeorganisation der ursprünglichen TKP/ML sehen. Während der Partizan-Fügel nach wie vor die Bezeichnung TKP/ML verwendet, hat sich das DABK im Jahr 2002 in Maoistische Kommunistische Partei (MKP) umbenannt. Aktivitäten der MKP sind nur vereinzelt feststellbar. Beide Organisationen vertreten die Ideologie des Marxismus-Leninismus, ergänzt um die Ideen Mao Tse-tungs, befürworten den bewaffneten Kampf als Grundform ihres Handelns und propagieren den bewaffneten Bürgerkrieg mit anschließender Bildung einer Volksregierung. Mit der "Türkischen Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO) auf Seiten der TKP/ML und der "Volksbefreiungsarmee" (HKO) auf Seiten der MKP unterhalten beide Gruppierungen in der Türkei bewaffnete Guerillagruppen. In Deutschland organisierten sich die Anhänger der TKP/ML (Partizan-FlüOrganisation gel) in der 1976 gegründeten "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland in Deutschland e.V." (ATIF) und der Ende 1986 gebildeten "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK). Beide Vereinigungen präsentieren sich als Massenorganisationen und tarnen ihre Verbindungen zur TKP/ML weitgehend. Die Anhänger der MKP sind seit Sommer 1997 in den beiden Basisorganisationen "Föderation für demokratische Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 82 Ausländerextremismus Rechte in Deutschland" (ADHF) bzw. "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK) organisiert. Wenige Anhänger beider Flügel der TKP/ML beteiligten sich auch im Juni an Protestkundgebungen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern. Im Vorfeld des G8-Gipfels agitierte die ATIK auf ihrer Homepage: "Erheben wir den Protest gegen den G8-Gipfel; das Zentrum der Ausbeutung, Plünderung und Aggression!" Im April gab das Politbüro des Zentralkomitees der TKP/ML anlässlich eines Jubiläums ein Flugblatt heraus: "Wir feiern den 35. Geburtstag unserer Partei mit unserer 8. Konferenz! Vertraut auf die Basis, rüstet euch zum Krieg, mit der Partei werden wir siegen! Es leben der Marxismus, der Leninismus und der Maoismus! Es leben unsere Partei TKP/ML und die unter ihrer Führung stehenden Organisationen TIKKO und TMLGB! Es lebe der Internationalismus des Proletariats! Nieder mit dem Imperialismus, dem Faschismus und jeder Form von Reaktion! Es lebe die demokratische Volksrevolution! Es lebe der Volkskrieg!" Anlässlich des 34. Todestags von Ibrahim Kaypakkaya, Gründer der TKP/ML, kamen am 19. Mai in Ludwigshafen rund 3.000 Anhänger aus Deutschland, Schweiz, Österreich und Frankreich zu einer Gedenkfeier zusammen. Die Teilnehmerzahl blieb weit hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. DurchsuchungsAm 5. Dezember fanden in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schlesaktion wig-Holstein 13 Durchsuchungen bei Mitgliedern der TKP/ML statt. Ziel der Maßnahmen war es, Beweismaterial über personelle und organisatorische Struktur der terroristischen Vereinigung und deren Aktivitäten zu gewinnen. 5.4 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Deutschland Bayern Mitglieder: 600 40 Gründung: 1994 in der Türkei Publikation: "Atilim" (Angriff) Die in der Türkei verbotene terroristische MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Wie die TKP/ML und die Devrimci Sol erstrebt sie die gewaltsame Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 83 Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Errichtung einer kommunistischen Diktatur. Ihre Basisorganisation ist die "Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V." (AGIF) mit Sitz in Köln. Die örtlichen AGIF-Vereine in Deutschland sind zuständig für die politische Basisarbeit und bilden zusammen die AGIF. Europäischer Dachverband ist die "Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa" (AvEG-Kon). Anlässlich der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik machte die AGIF mit einem Flugblatt im Januar ihre Haltung zur NATO deutlich: "Generäle, Kriegsminister, militärische Berater und Vertreter von Rüstungsfirmen werden in München zusammenkommen und über neue militärische Ziele beraten. Wir wollen nicht, dass eine handvoll profitgieriger Kapitalisten über die Zukunft der Welt entscheidet. Seit dem 11. September führen die NATO und ihre Bündnispartner Krieg in unzähligen Ländern." Die MLKP-Publikation "Atilim" berichtete über die Teilnahme an einer Gegendemonstration am 1. Mai in Nürnberg: "Der Versuch der NPD in Nürnberg, eine Protestaktion zum 1. Mai in Nürnberg durchzuführen, wurde von den Antifaschisten der MLKP verhindert. Bei den Zusammenstößen wurden fünf Polizisten verletzt und 44 Personen in Polizeihaft genommen." Mitglieder der MLKP beteiligten sich auch im Juni an Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern. Im September 2006 hatte die türkische Polizei eine großangelegte Operation gegen die MLKP durchgeführt und zahlreiche Personen festgenommen. Die MLKP in der Türkei wurde dadurch hart getroffen und zeigte sich weitgehend "kopflos". Nach dem Prozessauftakt vom 13. April gegen 23 inhaftierten Aktivisten kam es zu Zusammenstößen zwischen MLKP-Sympathisanten und der Polizei, bei denen mehrere Personen schwer verletzt wurden. Per E-Mail bekannten sich Militante der MLKP zu einem Bombenanschlag auf ein Büro der "Partei der nationalistischen Bewegung" (MHP) in einem Istanbuler Stadtteil, den sie am 16. April aus Protest gegen die "faschistische Polizeigewalt" während Kundgebungen am 13. April verübt hatten. Die "Bewaffneten Einheiten der Armen und Unterdrückten" (FESK) bekannten sich am 24. November auf der Homepage zu zwölf SprengstoffSprengstoffanschlägen, die im September und Oktober in der Türkei anschläge verübt worden waren. in der Türkei Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 84 Ausländerextremismus 5.5 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF) Deutschland Bayern Mitglieder: 7.500 1.250 Vorsitzender: Sentürk Dogruyol Gründung: 1978 Sitz: Frankfurt am Main Publikation: "Türk Federasyon Bülteni" Die nationalistische ADÜTDF vertritt eine extreme Variante des türkischen Nationalismus, die in der Türkei seit längerer Zeit durch die "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) vertreten wird. Die Führung der Organisation verehrt nach wie vor offen Alparslan Türkes, den 1997 verstorbenen langjährigen MHP-Vorsitzenden. Die ADÜTF ist Teil der mittlerweile weltweit organisierten und über das Internet vernetzten "Ülkücü(Idealisten-) Bewegung". Symbol der Bewegung ist ein mit fünf Fingern stilisierter Wolfskopf, weshalb die "Graue Wölfe" Anhänger der Bewegung auch als "Graue Wölfe" bezeichnet werden. In Bayern gibt es etwa 25 Vereine, die der ADÜTDF zuzurechnen sind. Ziel der ADÜTDF ist, die größte türkische Einrichtung in Westeuropa zu werden. Sie ist deshalb auch ein Sammelbecken von Anhängern der MHP, die eine Großtürkei nach osmanischem Vorbild propagiert. Dieses Streben der ADÜTDF nach Dominanz steht einer echten Integration der Türken wie auch der Muslime in die deutsche Gesellschaft entgegen. Türkischen Jugendlichen wird die Überlegenheit der Türken suggeriert, so dass viele von ihnen ein Gruppenbewusstsein entwickeln, das sich gegen die deutsche Gesellschaft richtet. Zwar riet der Verband den Mitgliedern, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, Motiv hierfür waren aber nur die damit verbundenen größeren Einflussmöglichkeiten. Mutterpartei MHP Seit einiger Zeit bemüht sich die Parteiführung der MHP unter Devlet Bahceli, der Partei ein konservatives und europafreundliches Erscheinungsbild zu geben. Dies fand jedoch nicht die ungeteilte Zustimmung aller Mitglieder, weshalb sich ein Teil der "wahren Idealisten" zurückgezogen hat. Im Jahr 2006 war deshalb eine rückläufige Mitgliederentwicklung verzeichnen, die sich 2007 aber nicht fortsetzte. Am 19. Mai führte die ADÜTDF ihren 25. Jahreskongress in Oberhausen/Nordrhein-Westfalen durch, der von rund 10.000 Anhängern aus ganz Europa besucht wurde. Als Redner trat u.a. der MHP-Vorsitzende Devlet Bahceli auf. Sein Redebeitrag war nationalistisch geprägt. Er wies Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 85 darauf hin, dass die türkische Nation wie eine große, in der ganzen Welt verstreute, Familie sei; dadurch sei man in der Lage, der Welt die Stärke der türkischen Nation zu verdeutlichen. Neben politischer Propaganda wurden auf dem Jahreskongress aber auch vereinsrechtliche Entscheidungen getroffen. So wurde Sentürk Dogruyol zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt und der Name der Organisation geändert. Anstelle von "Föderation der Türkisch-DemokraÄnderung des tischen Idealistenvereine in Europa" lautet der Vereinsname nun "FödeVereinsnamens ration der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland". Vertreter von zehn Föderationen aus europäischen Staaten gründeten am 29. Oktober in Frankfurt am Main die übergeordnete "Konföderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenverbände in Europa", die von Cemal Cetin, dem bisherigen Vorsitzenden der deutschen Föderation, geleitet wird. Die ADÜTDF stellt sich in Deutschland als gesetzestreu dar und lehnt bereits seit einigen Jahren Gewalt ab. Dennoch ist weiterhin eine Nationalistische nationalistische Einstellung festzustellen. Festzustellen sind auch AktiAusrichtung vitäten der ADÜTDF und ihrer Mutterpartei gegen den Gedanken der Völkerverständigung, vor allem gegen das friedliche Zusammenleben der Völker. Aufgrund ihrer Größe verfügt die ADÜTDF über ein beträchtliches Mobilisierungspotenzial. Im Zusammenhang mit den Spannungen an der türkisch-irakischen Grenze nahmen ADÜTDF-Anhänger an pro-türkischen Demonstrationen teil. Die Organisation hatte ihre Anhänger in Deutschland allerdings nicht zur Teilnahme aufgefordert. Mögliche Teilnehmer aus ihren Reihen hatte sie um Disziplin und Gewaltverzicht gebeten. 5.6 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI)/Volksmudjahidin Iran (MEK) Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Deutschland Bayern Mitglieder: 900 200 Gründung: 1981 in Paris (in Deutschland vertreten seit 1994) Sitz: Berlin Deutschlandvertreterin: Dr. Bolourchi Massoumeh Volksmudjahidin Iran (MEK) Gründung: 1965 im Iran Leitung: Massoud Radjavi Publikation: "Mojahed" (Glaubenskämpfer) Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 86 Ausländerextremismus Iranische OpposiDie "Volksmudjahidin Iran-Organisation" (MEK) ist die bedeutendste tionsgruppe und früher auch militanteste iranische Oppositionsgruppe. Ziel der MEK ist der Sturz des iranischen Regimes. Mit ihrem ehemals militärischen Arm "Nationale Befreiungsarmee" (NLA) war sie für zahlreiche, ausschließlich im Iran verübte Anschläge verantwortlich. Nach dem Sturz des irakischen Regimes im Jahr 2003 schloss die NLA einen Waffenstillstand mit den US-Streitkräften. Die im Irak verbliebenen Kämpfer der NLA wurden im Lager "Ashraf" unter US-Aufsicht gestellt und entwaffnet. Aufnahme der Die MEK wurden 2002 in die Liste der als terroristisch eingestuften MEK in die Organisationen der Europäischen Union aufgenommen. Diesen EU-RatsEU-Terrorliste beschluss erklärte der Europäische Gerichtshof am 12. Dezember 2006 aus formalen Gründen für nichtig. In Folge dieser Entscheidung hat der EU-Ministerrat beschlossen, die MEK erneut zu listen und begründete diese Entscheidung mit früheren terroristischen Aktionen der MEK bis zum Jahr 2001. Dagegen hat die Organisation ihrerseits rechtliche Schritte angekündigt. Als politisches Sprachrohr der MEK mit einem Betätigungsfeld hauptsächlich in Europa und Nordamerika fungiert der NWRI. Der NWRI wurde 1981 in Paris als Exilorganisation der MEK gegründet. 1993 bildete der NWRI ein Exilparlament und rief die Generalsekretärin der MEK, Maryam Radjavi, zur "künftigen Präsidentin des Iran" aus. Zu den Aufgaben des NWRI gehören umfangreiche Propaganda-AktiDer goldene vitäten und Maßnahmen zur Finanzierung. Löwe, Symbol des NWRI Seit 1994 ist der NWRI auch in Deutschland vertreten. Im Umfeld des NWRI existieren zahlreiche Vereine, die eine ideologische Anbindung an den NWRI aufweisen und durch öffentlichkeitswirksame propagandistische Aktivitäten sowie durch Spendensammlungen wahrnehmbar sind. Der NWRI ist bestrebt, sich als demokratische iranische Oppositionsbewegung darzustellen und politische Bedeutung zu erlangen. Hierzu Lobbyarbeit setzt die Organisation auf lobbyistische Aktivitäten, durch die sie die öffentliche Meinung sowie gesellschaftliche und politische Entscheidungsträger zu beeinflussen versucht. Dass diese Bemühungen nicht erfolglos bleiben, zeigt sich beispielhaft am Auftritt von Maryam Radjavi vor Angehörigen des Europaparlaments in Straßburg im April 2006. Um seine Anliegen in der Öffentlichkeit zu vermitteln, setzte der NWRI wie bereits in den Vorjahren auch auf die Durchführung von Demonstrationen, Kunst-, Musikund Kulturevents sowie auf Informationsund Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 87 Propagandaveranstaltungen. Themenschwerpunkte der Veranstaltungen waren die Kritik an der Atompolitik des Iran, die Frage der Menschenrechte im Iran, Vollzug der Todesstrafe sowie die seit Jahren vorgebrachte Forderung nach Streichung der MEK aus der EU-Terrorliste. Entsprechende Veranstaltungen fanden u.a. in Brüssel, Paris, Köln, Berlin und München statt. Um die zum Teil mit großem Aufwand durchgeführten Aktionen zu finanzieren, zählte auch weiterhin die Beschaffung von Finanzmitteln zu einem wichtigen Betätigungsfeld des NWRI. Durch Sammelvereine Spendenwurden im gesamten Bundesgebiet Spendensammlungen angeblich für sammlungen humanitäre Zwecke durchgeführt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 88 Ausländerextremismus 6. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) 1. Afghanische, arabische und maghrebinische Gruppen Terrornetzwerk um al-Qaida sunnitisch-extremistisch Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb sunnitisch-extremistisch Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) sunnitisch-extremistisch Muslimbruderschaft (MB) Risalat ul-Ikhwan sunnitisch-extremistisch - wöchentlich - Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Al-Islam sunnitisch-extremistisch - nur als Internet-Ausgabe - Fatah al-Islam sunnitisch-extremistisch Al-Gamaa al-Islamiya (GI) sunnitisch-extremistisch Djihad Islami (JI) sunnitisch-extremistisch Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) sunnitisch-extremistisch Islamische Heilsfront (FIS) sunnitisch-extremistisch Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) sunnitisch-extremistisch En Nahda sunnitisch-extremistisch Hizb ut-Tahrir Al-Khilafah (Das Kalifat) (in Deutschland seit 15.01.2003 verboten) - unregelmäßig - schiitisch-extremistisch Al-Waie Explizit - vierteljährlich - Hezb-i Islami Afghanistan (HIA) sunnitisch-extremistisch Ansar al-Islam sunnitisch-extremistisch Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 89 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Tablighi Jamaat (TJ) sunnitisch-extremistisch Al-Tauhid sunnitisch-extremistisch Hizb Allah (Partei Gottes) Al-Intiqad (Die Kritik) schiitisch-extremistisch - wöchentlich - Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) marxistisch-leninistisch Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) marxistisch-leninistisch Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando - (PFLP-GC) marxistisch-leninistisch Hizb al-Dawa al-Islamiya (Dawa) (Partei des islamischen Rufs /der islamischen Mission) schiitisch-extremistisch Islamisch-Irakische Gemeinschaft Deutschland e.V. (IIGD) schiitisch-extremistisch 2. Iranische Gruppen Union islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) islamisch-extremistisch Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) API-Brief marxistisch - monatlich - Volksmudjahidin Iran (MEK) Mojahed (Glaubenskämpfer) islamisch-extremistisch - wöchentlich - Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Sitz: Berlin islamisch-extremistisch 3. Kurdische Gruppen Volkskongress Kurdistans Serxwebun (Unabhängigkeit) (KONGRA GEL) - monatlich - vormals: Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistan Report Kurdistans (KADEK) - zweimonatlich - davor: Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) marxistisch-leninistisch (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 90 Ausländerextremismus Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Teilorganisationen des KONGRA GEL: Volksverteidigungskräfte (HPG) vormals: Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa (CDK) vormals: Kurdische Demokratische Volksunion (YDK) davor: Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdischer Nationalkongress (KNK) Nebenorganisationen des KONGRA GEL: Kurdistan-Komitee e.V., Köln (seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informationsbüro in Deutschland (KIB) (seit 02.03.1995 verboten) Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) (seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) Haus der kurdischen Künstler e.V. vormals: HUNERKOM Verband der stolzen Frauen (Koma Jinen Bilind - KJB) umfasst: Freiheitspartei der Frauen Kurdistans (PAJK) Newaya Jin (Freie Frauen) vormals: Partei der Freien Frauen (PJA) - monatlich - davor: Union der freien Frauen aus Kurdistan (YAJK) vormals: Jina Serbilind (Die stolze Frau) Freie Frauenverbände (YJA) Frauenguerilla (YJA-STAR) Union der Journalisten Kurdistans (YRK) Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) Union zur Pflege der kurdischen Kultur und Kunst (YRWK) Welate Me (Unsere Heimat) Vereinigung der demokratischen Jugendlichen Kurdistans CIWANEN AZAD (Freie Jugendliche) (KOMALEN-CIWAN) bisher: ÖZGÜR GENCLIK (Freie Jugend) vormals: Bewegung der freien Jugend Kurdistans (TECAK) vormals: Sterka Ciwan (Stern der Jugend) davor: Union der Jugendlichen aus Kurdistan (YCK) - zweimonatlich - Demokratische Jugend (DEM-GENC) Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Ausländerextremismus 91 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Verband der StudentInnen aus Kurdistan (YXK) Ronahi (Licht) - dreimonatlich - Demokratische Aleviten-Föderation (FEDA) Semah vormals: Föderation der Demokratischen Aleviten (DAV) vormals: Zülfikar davor: Union der Aleviten aus Kurdistan (KAB) - monatlich - Islamische Bewegung Kurdistans (KIH) Baweri (Glaube) Kurdischer Roter Halbmond (HSK) Roja Kurdistane (Sonne Kurdistans) Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) 4. Türkische Gruppen 4.1 Linksextremisten Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-LeniIsci-Köylü Kurtulusu nisten (TKP/ML) (Arbeiter-Bauern-Befreiung) - zweimonatlich - Partizan-Flügel (TKP/ML) Devrim Yolunda Isci Köylü (Arbeiter und Bauern auf dem Weg der Revolution) - vierzehntägig - Maoistische Kommunistische Partei (MKP) Devrimci Demokrasi vormals: DABK (Ostanatolisches Gebietskomitee) (Revolutionäre Demokratie) Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) Frontorganisation des Partizan-Flügels (TKP/ML) Volksbefreiungsarmee (HKO), militärischer Arm der MKP Basisorganisationen der TKP/ML: Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) Sitz: Duisburg (Partizan-Flügel) Föderation für demokratische Rechte in Deutschland (ADHF) (DABK-Flügel) Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) Mücadele (Kampf) (Partizan-Flügel) - unregelmäßig - Konföderation für demokratische Rechte in Europa (ADHK) (DABK-Flügel) Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 92 Ausländerextremismus Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Bolschewistische Partei Nordkurdistan/Türkei Bolsevik Partizan (BP-KK/T) (Bolschewistischer Partisan) (Abspaltung von der TKP/ML) - monatlich - Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) in Deutschland seit 09.02.1983 verboten; 1993 in zwei Fraktionen (Karatasbzw. Yagan-Flügel) zerfallen Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) Ekmek ve Adalet aus dem Karatas-Flügel der Devrimci Sol hervorgegangen (Brot und Gerechtigkeit) (in Deutschland seit 13.08.1998 verboten) - wöchentlich - Yürüyüs (Marsch) - wöchentlich - Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C Devrimci Sol) aus dem Yagan-Flügel der Devrimci Sol hervorgegangen (in Deutschland seit 13.08.1998 verboten) Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Atilim (Angriff) bisher: Yeniden Atilim (Neuer Vorstoß) - wöchentlich - Bewaffnete Einheiten der Armen und Unterdrückten (FESK) - militärischer Arm der MLKP - Basisorganisation der MLKP: Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa (AvEG-Kon) Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei AGIF Bülteni in Deutschland e.V. (AGIF) - zweimonatlich - 4.2 Extreme Nationalisten Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine Türk Federasyon Bülteni in Europa e.V. (ADÜTDF) - monatlich - Sitz: Frankfurt am Main 4.3 Islamische Extremisten Milli Görüs-Bewegung Publizistisches Sprachrohr: Milli Gazete Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) Verbandszeitschrift: Sitz: Kerpen IGMG Perspektive Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) vormals: Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB) mit Sitz in Köln (in Deutschland seit 12.12.2001 verboten) Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 93 4. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus weist keine gefestigte einheitliche Ideologie auf. Ablehnung der Die Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen in Deutschland Grundlagen der sind im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass sie die Grundlagen Demokratie der Demokratie ablehnen und stattdessen - aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt - eine totalitäre Regierungsform unter Einschluss des Führerprinzips anstreben, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist. Bestimmende Merkmale des organisierten Rechtsextremismus sind vor allem - die pauschale Überbewertung der Interessen der "VolksgemeinKollektivismus schaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die zu einer Aushöhlung der Grundrechte führt (völkischer Kollektivismus), - ein den Gedanken der Völkerverständigung missachtender NationaNationalismus lismus, - die offene oder verdeckte Wiederbelebung rassistischer Thesen, u.a. Rassismus des Antisemitismus, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, - immer wiederkehrende Versuche, die nationalsozialistische GewaltRelativierung des herrschaft unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des NS-Unrechts Dritten Reichs zu rechtfertigen, die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige VerunVerunglimpfung glimpfung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten. Ziel der Demokratie dieser Angriffe ist es, die eigene Organisation und ihre Vertreter als die alleinigen Wahrer der Interessen von Staat und Bürgern darzustellen, was im Ergebnis auf die Ablehnung des Mehrparteienprinzips und des Rechts auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition hinausläuft. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 94 Rechtsextremismus Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen Rechtsextremisten zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Strategie des Kampfs gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. Sozialpolitische Seit einigen Jahren treten in der Propaganda von Rechtsextremisten soThemen zialund wirtschaftspolitische Themen in den Vordergrund. Durch Verknüpfung sozialer Problemfelder mit rechtsextremistischen Theorie-Elementen hoffen Rechtsextremisten, aus den Sorgen der Bevölkerung um ihre soziale Sicherheit und gesellschaftliche Positionierung Kapital schlagen zu können. Teile des rechtsextremistischen Spektrums propagieren einen von dezidiert antikapitalistischen Elementen geprägten "volksbezogenen Sozialismus" mit dem Ziel, in sozialistisch orientierte Wählerschichten einzudringen. Rechtsextremisten betonen seit einiger Zeit Gemeinsamkeiten mit anderen politischen Strömungen. Sie traten beispielsweise als Teil der Protestbewegungen gegen die US-amerikanische Intervention im Irak und gegen die Sozialreformen auf. In der globalen Auseinandersetzung mit Antiwestliche dem Islamismus positionierten sie sich eindeutig antiwestlich und verFeindbilder suchten, den Konflikt zwischen der internationalen Staatengemeinschaft und dem Iran für ihre Ziele zu nutzen. Sie leugneten die Gefahren eines iranischen Atomprogramms und griffen stattdessen die USA, Israel und die Bundesregierung an. Übereinstimmungen zwischen Rechtsextremisten und Islamisten bestehen in einem antizionistisch-antisemitischen und antiwestlich-antiamerikanischen Feindbild. Rechtsextremisten wie auch islamische Extremisten sehen in den USA gemeinsam den Feind, der aus imperialistisch-kapitalistischem Interesse die Widerstandskraft der Völker und Kulturen zu zerstören suche. Nutznießer - wenn nicht gar Betreiber dieses Prozesses - seien die Juden. 1.2 Entwicklung der Organisationen Die Entwicklung der Zahl rechtsextremistischer Organisationen in Bayern und deren jeweilige Mitgliederstärke sind aus der Übersicht auf der Seite 95 dieses Berichts zu ersehen. Bei erkannten Mehrfachmitgliedschaften wurde die Person nur bei einer Organisation mitgezählt. Mitgliederanstieg Die NPD hatte bundesweit einen leichten Mitgliederanstieg zu verbei der NPD zeichnen; auch in Bayern erhöhte sich die Zahl der Mitglieder leicht (vgl. Hinweis: Zur Partei "Die Republikaner" (REP) liegen keine hinreichend gewichtigen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mehr vor, so dass ihre Mitglieder insgesamt nicht mehr dem Rechtsextremismus zugeordnet werden können. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 95 Zahl und 2005 2006 2007 Mitgliederstärke Anzahl der Organisationen 40 40 45 rechtsextremisMitgliederstärken tischer Organisationen in NPD mit JN und NHB* 900 950 1.020 Deutsche Volksunion (DVU)** 1.100 1.000 900 Bayern neonazistische Organisationen 160 190 250 sonstige Organisationen 420 300 300 2.580 2.440 2.470 neonazistische Einzelaktivisten 140 160 150 rechtsextremistische Skinheads 800 750 700 Rechtsextremisten insgesamt 3.520 3.350 3.320 * Nationaldemokratischer Hochschulbund ** Die Zahlen umfassen die Mitglieder der Partei und des gleichnamigen Vereins. auch Nummer 2.1 dieses Abschnitts). Die DVU verlor in Bayern erneut Mitgliederschwund Mitglieder, da sie den durch Überalterung bedingten Mitgliederschwund bei der DVU nicht aufhalten kann (vgl. auch Nummer 2.2 dieses Abschnitts). Die durch interne Richtungskämpfe kaum noch aktive "Deutsche Partei - Die Freiheitlichen" (DP) wählte auf ihrem Parteitag im Juni einen neuen Bundesvorstand. Der abgewählte Bundesvorsitzende und bayerische Landesvorsitzende Ulrich Pätzold hat im November seinen Parteiaustritt erklärt, nachdem rechtliche Schritte gegen den Parteitag nicht erfolgreich waren. 1.3 Nutzung des Internets Dem Internet kommt bei der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts und der Koordinierung von Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene eine weiterhin steigende Bedeutung zu. Der Zugriff Weiterhin steigende auf das Internet bietet Rechtsextremisten eine geeignete Plattform zur Bedeutung Information und Kommunikation sowie zur Mobilisierung der Szene. Zunehmend werden die neuen technischen Möglichkeiten der "Web 2.0-Generation", etwa in Form von "Weblogs", genutzt. Die Zahl der von Deutschen betriebenen Homepages mit rechtsextremistischen Inhalten blieb in den vergangenen fünf Jahren mit durchschnittlich 1.000 konstant. Homepage-Betreiber aus dem Bereich des Rechtsextremismus weichen zum Teil auf ausländische Speicherplatzanbieter aus, die sich Appellen staatlicher und privater Einrichtungen sowie einer Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 96 Rechtsextremismus Selbstkontrolle verschließen. Darunter befinden sich etliche Provider, die der rechtsextremistischen Szene angehören. Die Internet-Angebote rechtsextremistischer Parteien, beispielsweise der NPD, nehmen zum Teil zu aktuellen tagespolitischen Fragen Stellung und befinden sich auf hohem technischem Niveau. Eine Vielzahl rechtsextremistischer Skinhead-Bands stellt auf ihren Homepages neben Fotos von Auftritten und Konzertberichten auch die Lieder zur Verfügung, Skinhead-Musik wird auch über Tondateien angeboten. Im Online-Versandhandel entsprechender Anbieter findet sich eine umfangreiche Auswahl an szene-typischer Kleidung, Musik-CDs und anderen Szene-Artikeln. Diskussionsforen Eine große Bedeutung kommt in diesem Bereich ferner den Diskussionsforen zu. Die Relevanz dieses Internet-Dienstes für die Nutzer besteht in der permanenten, ortsunabhängigen und kaum zu kontrollierenden Möglichkeit zur Information, Kommunikation und Vernetzung mit anderen Szene-Anhängern. Das Internet wird auch zur Vorstellung neugegründeter Kameradschaften und ihrer programmatischen Ziele genutzt. Eine "Kameradschaft Miltenberg" veröffentlichte im Juli auf ihrer Internet-Seite ein Dokument, das als Sprachrohr der Kameradschaft unter der Bezeichnung "Mainbogen" verbreitet wird. Darin werden Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland verunglimpft. 2. Parteien, Organisationen und Verlage 2.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Deutschland Bayern Mitglieder: 7.200 950 Vorsitzender: Udo Voigt Ralf Ollert Gründung: 1964 Sitz: Berlin Publikation: "Deutsche Stimme" (DS) 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort Neonazistische und nationalrevolutionäre Thesen sind fester Bestandteil des ideologischen Spektrums der NPD und haben deren Erscheinungsbild nachhaltig verändert. Die NPD hat sich mittlerweile zu einem Sammelbecken Sammelbecken gewaltbereiter Skinheads und Neonazis entwickelt. Die von Neonazis und Parteiführung intensivierte die Zusammenarbeit mit den "Freien NatioSkinheads nalisten". Das von der Partei vertretene Staatsund Menschenbild steht Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 97 in krassem Gegensatz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Für die NPD resultiert die Würde des Einzelnen nicht aus dem freien Willen des Individuums, sondern sie ist von biologisch-genetischer Teilhabe an der "Volksgemeinschaft" abhängig. Mit ihrer Forderung nach Schaffung einer "Volksgemeinschaft" verwendet die NPD einen zentralen Begriff des Nationalsozialismus, der darunter insbesondere eine Schicksalsgemeinschaft verstand, in der die Interessen des Einzelnen bedingungslos der Gemeinschaft der VolksVölkischer genossen untergeordnet wurden und das Wohl der so definierten "VolksKollektivismus gemeinschaft" allen anderen Interessen vorging: "Volksherrschaft setzt die Volksgemeinschaft voraus. (...) Der Staat hat dabei über den Egoismen einzelner Gruppen zu stehen und die Gesamtverantwortung wahrzunehmen." (Parteiprogramm, Abschnitt 3) Unter der Überschrift "Frei Sozial und national - Über die Wiederkehr des Sozialismus" äußerte sich die "Deutsche Stimme" zur "Raumorientierten Volkswirtschaft": "Raumorientierte Volkswirtschaft ist ein 'Projekt', das auf eine 'grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft' angelegt ist, wie Marxisten es ausdrücken würden." (Deutsche Stimme, März, Seite 20) Eine mit der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes unvereinbare, rassistisch und nationalistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit ist elementarer Bestandteil der Parteiideologie vom "lebensrichtigen Menschenbild", das sich insbesondere gegen Rassismus und "Fremdbestimmung" und "Überfremdung" wendet: Nationalismus "Im Zusammenspiel von Großkapital, Regierung und Gewerkschaften wurden Millionen von Ausländern wie Sklaven der Neuzeit nach Deutschland geholt. Diese Politik wird durch eine menschenund völkerverachtende Integration fortgesetzt. Ausländer und Deutsche werden gleichermaßen ihrer Heimat entfremdet und entwurzelt, ihnen droht der Verlust ihrer Identität, ... In zahlreichen Städten bilden sich Ausländerghettos, in denen die deutsche Restbevölkerung zur Minderheit im eigenen Land wird. (...) Ein grundlegender politischer Wandel muß die menschenfeindliche Integrationspolitik beenden sowie die deutsche Volkssubstanz erhalten." (Parteiprogramm, Abschnitt 8) Als konträr zu ihren völkischen Idealen betrachtet die NPD das Gesellschaftsmodell der USA: "Wenn es nach dem Willen der Systempolitik ginge, dann kommt Antiamerikanismus gleich nach Antisemitismus und gleicht etwa dem, was man in Kaisers Zeiten noch unter Majestätsbeleidigung verstand. (...) Richtiger wird es schon, Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 98 Rechtsextremismus wenn man den Antiamerikanismus als Ausdruck der Kritik an einer 'westlichen Wertegemeinschaft' versteht, deren 'Verdienste' im Laufe der Jahrhunderte von der Vernichtung der Indianer über die Massenverschleppung von Schwarzen bis zum Bombenterror der vierziger, fünfziger und sechziger Jahre und, und, und reicht. Es geht um die sklavische Anbiederung an die Eliten eines Landes, die für Not und Tod und Elend sorgen." (Deutsche Stimme, Februar, Seite 2) In einer Sonderausgabe des Publikationsorgans des NPD-Kreisverbandes Regensburg, "Regensburger Stimme", schrieb Udo Voigt unter der Überschrift "Wie auf der 'Titanic'": "Globalisierung und US-Kriege sind untrennbar miteinander verbunden. (...) Den Völkern wird alles versprochen, wenn sie nur ihre Grenzen für ausländisches Kapital, fremde Menschen und internationale Investoren öffnen. (...) Auf die Globalisierung gibt es nur eine Antwort: Die Völker müssen lernen, daß Gemeinnutz vor Eigennutz geht. Das Wohl des eigenen Volkes und die Zukunft seiner Menschen müssen vorrangiges Ziel unserer Politik sein." (Regensburger Stimme, Juni, Seite 1) Revisionismus Für die NPD gehört Revisionismus nach wie vor zum Bestandteil ihrer Ideologie. Sie fordert: "Ein Ende der einseitigen Vergangenheitsbewältigung. Wir Deutschen sind kein Volk von Verbrechern. (...) Kein Ersatz der Freiheit von Forschung und Lehre durch ein staatlich verordnetes, von politischer Justiz überwachtes Geschichtsbild zu Lasten Deutschlands." (Parteiprogramm, Abschnitt 11) In Zusammenhang mit dem so genannten Zündel-Prozess (vgl. auch Nummer 7.2 dieses Abschnitts) zitierte die "Deutsche Stimme" den Neonazi und NPD-Funktionär Jürgen Rieger so: "Da wir mittelalterliche Zustände haben, und unsere Justiz von dem Inquisitionsprozeß des Mittelalters hinsichtlich Holocaust-Prozessen nicht weit entfernt ist, lehne ich aber diese Verteidigungs-Einschränkungen ab. (...) Argumente der Revisionisten müssen unter den Tisch gekehrt werden, damit das Dogma bestehen bleibt. (...) Durch die Schulerziehung wird den Kindern in einer sensiblen Prägungsphase eingehämmert, daß die Deutschen ein Verbrechervolk sind; um sich reinzuwaschen, wird dann in vorauseilendem Gehorsam jeder, der irgendwie Kritik der Juden hervorruft, mit infernalischem Haß verfolgt. Die Richter fühlten sich genauso gut bei ihrem Urteil wie die Richter in den Hexenprozessen des Mittelalters, die angeblich zum Blocksberg fliegende Frauen lebendig verbrannten, um dem Satan das Handwerk zu legen." (Deutsche Stimme, April, Seite 8) Zu den deutsch-polnischen Beziehungen schrieb der Parteivorsitzende Udo Voigt: "Nun, ich denke, daß die polnische Führung sehr wohl das Völkerrecht kennt und weiß, welches Unrecht sie uns Deutschen mit Vertreibung und Landraub Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 99 angetan hat. Darüberhinaus dürfte sie wissen, daß Verträge und Erklärungen einer nichtsouveränen BRD-Regierung völkerrechtlich genauso gesetzwidrig sind wie die Vertreibung der Bevölkerung und die Annexion eines Drittels des Gebietes des Deutschen Reiches nach 1945. Schließlich kann die BRD nicht auf Gebiete verzichten, die ihr nie gehört haben. (...) Ein Blick in die Grundbücher im deutschen Osten weist immer noch die deutschen Alteigentümer als rechtmäßige Besitzer aus, und uns liegen nicht nur die damaligen polnischen Vertreibungsbefehle, sondern auch die Zeugenaussagen von Millionen vertriebener und gefolterter Deutscher vor. Dafür darf es kein Vergeben und kein Vergessen geben! Dies ist kein Revisionismus, sondern das wird die klare Sachpolitik eines freien Deutschlands sein." (Deutsche Stimme, August, Seite 2) Bei der Verbreitung antisemitischer Propaganda nutzt die NPD aktuelle Antisemitismus politische Ereignisse, um Ressentiments gegen Juden zu fördern. Im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt hieß es: "Wir alle wissen genau, daß die Isralis sich als Volk unter Völkern verstehen - auserwählt, um Ausgleich zu schaffen. Wenn nötig und man sie nicht verstehen will, sind auch schon mal Splitterbomben als Argumentationshilfe drin." (Deutsche Stimme, April, Seite 2) Das politische System in Deutschland wurde häufig als "Regime" diffaDiffamierung miert; seine Repräsentanten seien Betrüger und Versager: demokratischer "Die Alarmglocken der Systempolitiker müssen also mehr als deutlich läuten. Institutionen Was bleibt Ihnen noch, um weitere Erfolge nationaler Kräfte zu verhindern? Nun, sie könnten ihre Politik umstellen und sich dem deutschen Volke gegenüber verantwortungsvoller verhalten. Dies scheidet für sie wohl aus zwei Gründen aus, zum einen sind die persönlichen finanziellen Zuwendungen aus diesen Reihen längst eine fest einkalkulierte Größe geworden und zum anderen glauben sie nicht an das deutsche Volk." (Deutsche Stimme, Januar, Seite 2) "Die Fäden dieser Umerziehung und Gleichschaltung führen in die Machtzentren von Brüssel und Washington und von dort zu den herrschenden Kreisen von Freimaurern, Bilderbergern, Zionisten und anderen. Ihnen sind die regierenden Politiker in Europa hündisch ergeben und betreiben schamlos Verrat an ihren Völkern." (Deutsche Stimme, September, Seite 18) Diese diffamierende Polemik zeigt deutlich, dass die NPD die Prinzipien des WesensverwandtMehrparteiensystems und der Chancengleichheit der Parteien trotz ihres schaft mit der formalen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung NS-Terminologie ablehnt. Darüber hinaus offenbart die Diktion der NPD, insbesondere der häufige Gebrauch der Begriffe "System", "System-Parteien" oder "Systempolitiker", die bereits von der NSDAP zur Diffamierung der Weimarer Republik instrumentalisiert wurden, eine Wesensverwandtschaft mit der Ideologie der NSDAP. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 100 Rechtsextremismus NPD und Junge Nationaldemokraten (JN) betrachten die Wertordnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in der bestehenden Form als "überholt und handlungsunfähig" und wollen sie deshalb beseitigen. Um dem Ziel der politischen Machtergreifung näher zu kommen, hat die Partei zur Verfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Bestre"Drei-Säulenbungen 1997 ein auf drei "strategische Säulen" gestütztes Konzept Konzept" entwickelt, nämlich - Programmatik: Kampf um die Köpfe, - Massenmobilisierung: Kampf um die Straße, - Wahlteilnahme: Kampf um die Parlamente. Ergänzung um Mit dem im Herbst 2004 noch als vierte Säule eingefügten "Kampf um vierte Säule den organisierten Willen" erstrebt die NPD eine Bündelung aller nationalen Kräfte, ohne dabei programmatische Inhalte zu definieren. Im Grunde handelt es sich um eine Aktionseinheit von NPD und Teilen des rechtsextremistischen Lagers. Die NPD bezieht hierin auch die DVU mit ein. Zunehmende Seit Mitte der 90er Jahre hat die NPD ihre Agitation zur "sozialen Frage" Konzentration auf kontinuierlich erweitert. Sie erklärte dieses Thema zum Drehund Angelsoziale Themen punkt nationaler Politik. Mit einer Orientierung hin zum "Nationalen Sozialismus", einer Verknüpfung von "Nation" und "Sozialismus", wirbt die NPD vor allem in den neuen Bundesländern um Anhänger. Sie tritt nach außen als "soziale Protestpartei" auf und schürt so Ängste der Bevölkerung vor sozialen Reformen, Arbeitslosigkeit und einer "multikulturellen Gesellschaft". Damit soll eine Krisenstimmung geschaffen werden, die den Angriff gegen den sozialen Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen soll. Aggressiver Im Rahmen ihres aggressiven Bestrebens, über den außerparlamentaAktionismus im rischen Kampf politische Macht in Deutschland zu erringen, veranstal"Kampf um die tete die NPD seit dem Amtsantritt des Bundesvorsitzenden Voigt im Jahr Straße" 1996 bundesweit rund 850 Demonstrationen und öffentliche Aktionen mit teilweise bis zu 5.000 Teilnehmern. Die Partei versteht sich als Anführerin einer breiten sozialen Protestbewegung, die in öffentlichen Aufmärschen auf der Straße gemeinsam mit Neonazis und Skinheads ihre auf die Überwindung des "Systems" gerichteten Ziele verfolgt. Sie bietet der Neonazi-Szene ein "legales" organisatorisches Dach und ist somit mitverantwortlich für ein geistiges Klima, das den Boden für Übergriffe von Rechtsextremisten auf Ausländer und andere Minderheiten bereitet. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 101 2.1.2 Organisation Die Partei mit Sitz in Berlin zählt bundesweit annähernd 7.200 (2006: Leichter Anstieg 7.000) Mitglieder. Sie gliedert sich in 16 Landesverbände, die wiederum der Mitgliederzahl in Bezirksund Kreisverbände unterteilt sind. Bundesvorsitzender ist seit März 1996 Udo Voigt; seine Stellvertreter sind Holger Apfel, Peter Marx und Sascha Roßmüller. Redaktion und Anzeigenabteilung des Parteiorgans "Deutsche Stimme" (DS) befinden sich in Riesa/Sachsen. Dem aus 19 Personen bestehenden Bundesvorstand gehören mehrere ehemalige Aktivisten verbotener neonazistischer Gruppierungen an. Darüber hinaus betrachtet die NPD Skinheads als natürliche Bündnispartner. Dem Landesverband Bayern mit derzeitiger Adresse in Bamberg gehören rund 950 (2006: 900) Mitglieder an, darunter zahlreiche Angehörige der Neonaziund Skinhead-Szene. Er gliedert sich in sieben Bezirksund rund 35 Kreisverbände, von denen aber rund ein Drittel nicht aktiv ist. Der Landesverband wird von Ralf Ollert geleitet. Seine Stellvertreter sind Uwe Meenen (VorsitLandesverband zender des NPD-Bezirksverbands Unterfranken), Roland Wuttke (VorsitBayern zender des NPD-Bezirksverbands Oberbayern) und Sascha Roßmüller, ein ehemaliger Aktivist des 1993 verbotenen neonazistischen Nationalen Blocks (NB). Nach wie vor sind im bayerischen Landesvorstand neben Anhängern der orthodoxen Linie der NPD auch Funktionäre mit einer überwiegend neonazistisch ausgerichteten Ideologie vertreten; ebenso bestehen Verbindungen zur Skinhead-Szene. Die NPD verfügt mittlerweile über das umfassendste Angebot aller Nutzung des rechtsextremistischen Parteien im Internet. Ihre Homepage enthält Internets mehrere Diskussionsforen sowie ein eigenes Textarchiv mit Schlagwortsuchmodus, über den alle bislang von der NPD veröffentlichten Texte abrufbar sind. Die NPD-Landesverbände verfügen über eigene Internet-Seiten. Über eine Linkliste sind Angebote von Untergliederungen der NPD und ihrer Jugendorganisation JN zugänglich. NPD und JN unterhalten Verbindungen zu gleich gesinnten Personen und Auslandskontakte Organisationen im westeuropäischen Ausland, insbesondere nach Spanien, Österreich und Italien. Allerdings ist die NPD ihrem Ziel der Bildung einer nationalistischen nordeuropäischen Allianz nicht näher gekommen. 2.1.3 Teilnahme an Wahlen Nach Wahlerfolgen in Sachsen (2004) und in Mecklenburg-Vorpommern (2006) will die NPD bei den Kommunalund Landtagswahlen in Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 102 Rechtsextremismus Bayern im Jahr 2008 antreten. Im Rahmen des mit der DVU im Jahr 2004 geschlossenen "Deutschland-Pakts" wird die DVU hier nicht antreten. Für die NPD sind die Wahlen in Bayern von "gesamtdeutscher Bedeutung". Sie hofft als "bestimmende Gruppierung der nationalen Opposition mit gesamtdeutschen Anspruch" aus diesen hervorzugehen. So heißt es in dem Artikel "Herausragende Heimatverbundenheit - Bayern-Wahlen 2008: Voraussetzungen für NPD-Triumph gegeben": "Geht die NPD das Thema Überfremdung und Identitätsverlust zielstrebig an, wird der erste gewaltige Erfolg seit 1968 im Westen für die volkstreue Partei nicht ausbleiben." (Deutsche Stimme, Mai, Seite 19) Auf dem 41. ordentlichen Landesparteitag der NPD am 23. September in Gremsdorf, Landkreis Erlangen-Höchstadt, stellte die Partei das "Bayerische Landtagswahlprogramm 2008/Bayernprogramm 2008" Wahlprogramm vor. Das Wahlprogramm unter dem Motto "Heimat statt Globalisierung" für Bayern benennt zentrale Themengebiete der NPD sowie deren kommunalund landespolitische Forderungen. In der Einleitung heißt es: "Jedes Parteioder Wahlprogramm unterliegt dem Gesetz der Zeit. Inhalt und Forderungen stehen im Bezug zu den gegenwärtigen Rahmenbedingungen und im Spannungsverhältnis zu realpolitischen Kompetenzen, die zu ändern zwar selbst Programm sein kann, deren Wirkung aber in Rechnung gestellt werden muß. Dieser Einsicht folgt auch der Ansatz des vorliegenden Programms, indem sich die Handlungsansätze für die spezielle bayerische Landespolitik vor allem auf das innerhalb des föderalistischen BRD-Systems und seiner EU-Einbindung realpolitisch Machbare beziehen. (...) Dies bedeutet nicht, daß der Anspruch auf einen grundlegenden gesamtdeutschen Paradigmenwechsel aufgegeben werden soll, sondern es liegt einzig darin begründet, daß bei der Beschreibung der anvisierten politischen Arbeit im Freistaat auf leere Versprechungen und sachfremde Ankündigungsrhetorik verzichtet werden soll." Ebenso versucht die NPD bereits seit geraumer Zeit, sich mit aktuellen politischen Themen zu profilieren. Hierzu zählen insbesondere die Alterssicherung, die Globalisierung, "Gen-Food", Überfremdung, Hartz IV, Zeitarbeit sowie örtlich relevante Themengebiete, die von öffentlichem Interesse sind, wie z.B. der geplante Ausbau einer dritten Startbahn des Flughafens München. In München und Nürnberg wird die Partei nicht unter ihrem Parteinamen NPD, sondern jeweils als "Bürgerinitiative Ausländerstopp" kandidieren. In Nürnberg ist sie bereits mit dem NPD-Landesvorsitzenden Ralf Ollert seit der Kommunalwahl 2002 im Nürnberger Stadtrat vertreten (vgl. auch Nummer 2.1.7 dieses Abschnitts). Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 103 Im NPD-Landesverband Bayern fanden parteiinterne Veranstaltungen zur Vorbereitung der Wahlen 2008, insbesondere zur Aufstellung von Kandidaten statt. Die dabei gewählten Kandidaten werden zum Teil über die jeweiligen Internet-Auftritte der einzelnen Kreisverbände präsentiert. 2.1.4 Bündnisbestrebungen Die NPD bemüht sich seit längerer Zeit erfolgreich um Absprachen mit anderen rechtsextremistischen Parteien, um ihre Chancen bei Wahlen zu steigern. Mit dem Konzept einer "Volksfront von rechts" verfolgt die "Volksfront von Partei Bündnisbestrebungen in zwei unterschiedliche Richtungen: Zum rechts" einen intensiviert sie ihre bündnispolitische Orientierung zur Neonazi-Szene; zum anderen strebt sie eine Kooperation mit den "derzeitigen nationalen Parteien in der BRD" an, da aufgrund der Zersplitterung dieser Parteien keine in der Lage sei, "wirksamen politischen Einfluss und gestalterische Macht zu entfalten". Ziel der Bündnispolitik ist die "Konzentration aller nationalen Kräfte" bzw. die Einheit des "nationalen Lagers". Der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt und der DVU-Bundesvorsitzende Dr. Gerhard Frey vereinbarten am 15. Januar 2005 in einem "Deutschland-Pakt" ihre weitere Zusammenarbeit für die Europa-, "Deutschland-Pakt" Bundestagsund Landtagswahlen bis 2009. Schon bei vergangenen Wahlen hatte der Verzicht auf Konkurrenzkandidaturen zu Erfolgen von DVU bzw. NPD beigetragen. Seit 2004 ist eine verstärkte Annäherung zwischen der NPD und den Annäherung an "Freien Nationalisten" erkennbar. Dem NPD-Bundesvorstand gehören die Neonazi-Szene inzwischen bekannte Neonazis wie Jürgen Rieger, Sascha Roßmüller und Thomas Wulff an. Allerdings erfährt die von der NPD propagierte "Volksfront" bei den "Freien Nationalisten" nicht nur Zustimmung. Bei diesen ist die Zusammenarbeit vielfach rein taktisch motiviert und oft von Eigeninteressen geprägt. Die NPD nutzt die Anziehungskraft der Skinheads gezielt für ihre WahlKontakte zu kampfveranstaltungen und Rekrutierungsmaßnahmen. Sie hat sehr Skinheads früh den hohen Stellenwert der rechtsextremistischen Skinhead-Musik erkannt und ist bestrebt, bei eigenen Skinhead-Konzerten jugendliche Besucher für NPD-Aktivitäten zu mobilisieren und letztlich für die Ziele der Partei zu gewinnen. Daher bieten die NPD bzw. deren Aktivisten, die wie beispielsweise Norman Bordin enge Verbindungen zur Skinhead-Szene besitzen, rechtsextremistischen Skinhead-Bands ein Forum für Auftritte bei Parteiveranstaltungen. Obwohl sich einzelne Skinheads bzw. kleinere Skinhead-Gruppierungen eher unpolitisch geben, sich Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 104 Rechtsextremismus von der NPD distanzieren und eine Politisierung durch Schulungsund Vortragsveranstaltungen kategorisch ablehnen, halten andere Gruppierungen nach wie vor engen Kontakt zu NPD-Verbänden. Personelle Die Parteimitgliedschaft führender Neonazis erleichtert der NPD die Verflechtungen Mobilisierung und Integration von Skinheads im Großraum München und Nürnberg, sowie in Oberfranken. Die hohe Präsenz von rechtsextremistischen Skinheads in den mittelfränkischen NPD-Strukturen hat weiter zugenommen. Dort rekrutiert sich inzwischen ein Großteil der Vorstandsmitglieder aus der örtlichen Neonaziund Skinhead-Szene. Auch Angehörige der Skinhead-Szene im Raum Unterfranken suchen die Nähe zur NPD und nehmen bayernweit an NPD-Veranstaltungen teil. RechtsextremisRechtsextremistische Liedermacher treten mitunter bei Skinhead-Treftische Liedermacher fen, häufiger aber bei Veranstaltungen rechtsextremistischer Parteien wie der NPD auf. Dabei steht die Verherrlichung der ihnen vorschwebenden "deutschen Ideale" im Vordergrund: Kameradschaft, Frau als Mutter in der Familie, Gehorsam, Heldentum, Tapferkeit, Solidarität, Treue und Ordnungssinn. Darüber hinaus werden in den Liedern auch die angeblich positiven Seiten des NS-Regimes betont. Zwei bekannte Liedermacher in der bayerischen Szene sind Michael und Annett Müller. Beide treten bundesweit bei Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene auf. 2.1.5 Sonstige Aktivitäten 2.1.5.1 Parteitage Landesparteitag Am 23. September fand in Gremsdorf, Landkreis Erlangen-Höchstadt, in Gremsdorf der bayerische Landesparteitag der NPD statt, an dem sich etwa 130 Mitglieder und Sympathisanten der NPD beteiligten. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Vorstellung des 25-seitigen Wahlprogramms für die Landtagswahl 2008, das unter dem Motto "Heimat statt Globalisierung!" steht. Alle Parteimitglieder sind bis zum Frühjahr 2008 aufgerufen, Änderungen oder Ergänzungen einzubringen, um das Programm zu einer "Agenda für ein besseres Bayern" zu machen. Laut Pressemitteilung des NPD-Landesverbandes zu dem Parteitag verwies der Landesvorsitzende Ralf Ollert auf die "gute Mitgliederentwicklung" der NPD, die sich in der Neugründung von Kreisverbänden niedergeschlagen habe. Er forderte zudem den politischen Gegner auf, "sich endlich der politisch-inhaltlichen Auseinandersetzung mit der NPD zu stellen". Als weiterer Redner trat der stellvertretende BundesvorsitVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 105 zende und Mitglied des bayerischen Landesvorstands Sascha Roßmüller auf, der in seinem Referat die Eckpunkte des Landeswahlprogramms vorstellte, das auch Forderungen nach getrennten Schulklassen für Deutsche und Ausländer und den "Abzug aller Besatzungstruppen aus Bayern" enthält. Ein Gastreferat hielt der Chef des parlamentarischen Beraterstabs der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und "designierte Spitzenkandidat" der "Bürgerinitiative Ausländerstopp" München Karl Richter. Er kündigte an, den "etablierten Versagerparteien" im Wahlkampf nichts schuldig zu bleiben: Die politische Entwicklung treibe auf die nationale Opposition zu. Die NPD hatte ihren für den 27./28. Oktober in Oldenburg/Niedersachsen geplanten Bundesparteitag auf Anfang des Jahres 2008 verschoben, da ihr die Weser-Ems-Halle versagt blieb. Klagen der NPD, wonach die Betreibergesellschaft zur Vermietung der Halle an die NPD verpflichtet sei, wiesen das Verwaltungsgericht Oldenburg und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zurück. 2.1.5.2 Kundgebungen und sonstige Aktionen Die NPD führte ihre traditionelle Aschermittwochsveranstaltung am Politischer 21. Februar in Hengersberg, Landkreis Deggendorf, durch. Im VeranstalAschermittwoch tungslokal hingen Plakate mit Aufschriften wie "Einwanderung stoppen - Widerstand jetzt" und "Stoppt die Kriegstreiber - Keinen Cent für US-Amerika". Vor etwa 200 Angehörigen des rechtsextremistischen Spektrums referierten u.a. der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, der bayerische NPD-Landesvorsitzende Ralf Ollert und sein Stellvertreter Sascha Roßmüller. Die Zusage für das ursprünglich vorgesehene Veranstaltungslokal hatten dessen Betreiber auf Intervention örtlicher Vereine und Verbände zurückgenommen. Wegen der am 2. Juni in Schwerin geplanten Großdemonstration gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm verzichtete die NPD auf eine zentrale 1. Mai-Veranstaltung. An den sechs von der NPD organisierten MaikundMaikundgebungen gebungen beteiligten sich insgesamt rund 2.700 Personen. Die größte Veranstaltung mit etwa 1.300 Teilnehmen fand in Erfurt statt. Rund 200 Personen nahmen in Nürnberg an der Demonstration des bayerischen NPD-Landesverbands unter dem Motto "Statt Globalisierung - Ausbildungsund Arbeitsplätze für uns Deutsche in Deutschland!" teil. Neben dem bayerischen NPD-Landesvorsitzenden Ralf Ollert referierten Sascha Roßmüller, stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender, sowie Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 106 Rechtsextremismus Rüdiger Schrembs, ehemaliges Mitglied im NPD-Landesvorstand Bayern. In einem Rundschreiben der Partei "Heraus zum 1. Mai!" hatte Ollert zur Beteiligung an der Veranstaltung aufgerufen: "Wir müssen diese zerstörerischen Kräfte als Verräter des deutschen Volks entlarven und der Globalisierung unsere Alternative des sozialen Nationalstaates mit einer raumorientierten Volkswirtschaft entgegen stellen." Proteste gegen Eine von der NPD für den 2. Juni in Schwerin angemeldete ProtestG8-Gipfel kundgebung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm unter dem Motto "Es gibt keine gerechte Globalisierung" konnte auf Grund eines gerichtlich bestätigten Versammlungsverbots nicht durchgeführt werden. Eine weitere Protestveranstaltung der NPD wurde ebenfalls verboten. Da sich das von der NPD mit Eilantrag angerufene Bundesverfassungsgericht nicht mehr vor der beabsichtigten Veranstaltung mit der Sache befasste, rief die NPD ihre Anhängerschaft zu "dezentralen, spontanen Demonstrationen" auf. Daraufhin kam es am 2. Juni in mehren Bundesländern zu Protestkundgebungen. Im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm fanden auch in Bayern von April bis Juni so genannte "Aktionstage" gegen Globalisierung statt. Hierzu wurden Info-Stände in Forchheim und Augsburg betrieben sowie am 9. Juni eine Kundgebung in Regensburg unter dem Motto "Nein zu Kapitalismus und Imperialismus - Ausbeuter und Kriegstreiber stoppen!" durchgeführt. Am 16. Juni fand in Schmidgaden, Landkreis Schwandorf, der diesjäh"Bayerntag" rige Bayerntag der NPD statt. Vor rund 500 Besuchern traten der damalige JN-Bundesvorsitzende Stefan Rochow, der bayerische NPD-Landesvorsitzende Ralf Ollert sowie die stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel und Sascha Roßmüller als Redner auf. Der musikalische Teil der Veranstaltung wurde u.a. von der Skinhead-Band WEISSER RÜCKSCHLAG, der schwedischen Rockgruppe FEROX sowie den rechtsextremistischen Liedermachern Annett Müller und Frank Rennicke gestaltet. 2.1.6 Junge Nationaldemokraten (JN) Deutschland Bayern Mitglieder: 400 70 Vorsitzender: Michael Schäfer Norman Bordin Gründung: 1969 Sitz: Bernburg/Sachsen-Anhalt Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 107 Mit den JN verfügt die NPD als einzige rechtsextremistische Partei über Ideologische eine Jugendorganisation. Die JN bekennen sich in Ideologie und ZielAusrichtung setzung zum Programm ihrer Mutterpartei. In ihrem beim Bundeskonan der NPD gress 2002 als "Perspektive für ein besseres Deutschland" verabschiedeten "Manifest der nationalistischen Jugend" stellen sie das als grundlegendes Prinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geltende Mehrparteiensystem insofern in Frage, als sie eine "konstruktive parlamentarische Mitarbeit" erst nach der "eigentlichen Entscheidung" dulden wollen. Nachdem die strukturschwachen JN in der zweiten Hälfte der 90er Jahre ihre frühere Bedeutung weitgehend verloren hatten, sind sie nunmehr bestrebt, ihren Anspruch als "sozialrevolutionärer Flügel innerhalb der NPD" zu bekräftigen und wieder mehr eigenständiges Profil zu gewinnen. Mit der Mitgliederzeitschrift "Der Aktivist. Zentralorgan der Jungen Nationaldemokraten", die der JN-Bundesvorstand bis 1999 - zuletzt nur noch mit einer Ausgabe jährlich - herausgegeben hatte, möchte die JN künftig den Entwicklungsprozess von einer inaktiven und kleinen Jugendorganisation hin zu einer sozialrevolutionären, volkstreuen Jugendbewegung widerspiegeln. Neben Leitartikeln, Schulungstexten und Aktionsberichten will sich die Schrift verstärkt kulturellen Themen widmen. Der frühere JN-Bundesvorsitzende Rochow erklärte in einem Leitartikel, die JN seien nicht das stumme und kritiklose Anhängsel der NPD. Als Vertreter des nationalrevolutionären Flügels innerhalb der Partei sei es für die JN wichtig, ihre politischen Eigenes Vorstellungen auch mittels eines eigenen Publikationsorgans propagiePublikationsorgan ren zu können. Darüber hinaus kritisierte Rochow "Entwicklungen und Tendenzen" in der Mutterpartei. So bestehe im "Kampf um die Parlamente" die Gefahr der schrittweisen Anpassung und Verbürgerlichung. Deutschland brauche dringend eine fundamentale politische Wende. Gleichwohl sei die NPD der parlamentarische Arm der deutschen Volksbewegung und die einzige Alternative zur heutigen Politik gegen die Interessen des Volkes. Auf dem 37. Bundeskongress der JN am 6. Oktober in Hausneindorf/Sachsen-Anhalt, kritisierte der scheidende Bundesvorsitzende Stefan Rochow in seinem Rechenschaftsbericht vor rund 120 Teilnehmern die Mutterpartei NPD. In der Partei gebe es Leute, die an einem Erstarken der JN keinerlei Interesse hätten. Rochow betonte, dass die Aktivisten der JN keine "Jubelperser" und "Flugblattverteiler" Bundeskongress Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 108 Rechtsextremismus für die NPD seien, vielmehr "ihr Profil nun deutlich schärfen" müssten. Vor diesem Hintergrund sprach er sich für Michael Schäfer als Wunschkandidaten im Amt des Bundesvorsitzenden aus. Dieser habe in seiner Vorstellung ein überzeugendes Konzept "Hin zu altem Geist und neuer Stärke" dargelegt sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Gesamtorganisation empfohlen. Bei der anschließenden Wahl sei Schäfer - laut Homepage der JN Sachsen-Anhalt - von den Delegierten mit überwältiNeuer Bundesgender Mehrheit zum Bundesvorsitzenden gewählt worden. Zudem vorsitzender habe man zwei Stellvertreter, Philipp Valenta und den bayerischen JN-Landesvorsitzenden Norman Bordin, sowie sechs weitere Beisitzer in den Bundesvorstand berufen. Der neue JN-Bundesvorsitzende Michael Schäfer hatte sich in einem in der Dezemberausgabe der "Deutschen Stimme" veröffentlichten Interview zum künftigen politischen Kurs seiner Organisation geäußert. Die JN solle in den nächsten Jahren zu "einer modernen und schlagkräftigen nationalistischen Jugendorganisation" gemacht werden. In Bezug auf die Mutterpartei wolle man kein bloßes "Anhängsel" für Jugendfragen sein, sondern den Kurs der Partei aktiv mitbestimmen. Auf die Frage, wie das Verhältnis der JN zu den "Freien Kräften" ausgestaltet werden soll, äußerte Schäfer, jeder der sich an die Spielregeln halte, dürfe auch mitarbeiten. So sehe er die JN in der Funktion eines Bindeglieds "zwischen der Mutterpartei und den radikaleren Kräften in Gewaltverzicht Deutschland". Voraussetzung sei allerdings der klare Verzicht auf Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele. Unter dem Motto "EU abschalten! Europas Jugend gegen Ausbeutung und Multikulti" führte der JN-Landesverband Bayern am 5. Mai in "Europatag" Gremsdorf, Landkreis Erlangen-Höchstadt, einen so genannten "Europain Gremsdorf tag" durch. An der von der Mutterpartei und "Freien Kräften" unterstützten Veranstaltung beteiligten sich rund 100 Rechtsextremisten. Leiter des Treffens war der JN-Landesvorsitzende Norman Bordin. Als ausländische Referenten waren Andreas Thierry (Österreich) und Zoltan Illes (Ungarn) erschienen. Der Neonazi Thomas Wulff, der dem Parteivorstand der NPD als Beisitzer angehört, forderte in seiner Rede die JN dazu auf, "radikaler als die NPD zu sein". Hinsichtlich des Verhältnisses der JN zur Mutterpartei einerseits und den "freien Kameradschaften" andererseits propagierte er den Gedanken einer geschlossenen Volksfront. JN-Demo in Der JN-Landesverband Bayern veranstaltete am 26. April in Gräfenberg, Gräfenberg Landkreis Forchheim, eine Versammlung unter dem Motto "Denkmäler sind für alle da - Widerstand jetzt!". Leiter der Veranstaltung war der Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 109 NPD/JN-Funktionär und ehemalige Aktivist der verbotenen Neonazigruppe "Fränkische Aktionsfront" (F.A.F.) Michael Paulus. An dem Aufzug zum gesperrten Kriegerdenkmal auf dem Michelsberg beteiligten sich über 60 Rechtsextremisten. Der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Uwe Meenen erklärte in seiner Rede, dass NPD und JN ihre Aktionen in Gräfenberg solange fortsetzen würden, bis wieder "Normalität in der Gemeinde" einkehre. Ursprünglich hatte Michael Paulus die Demonstration für den 20. April angemeldet. Das Landratsamt Forchheim verbot daraufhin die Veranstaltung und verschob sie auf den 27. April. Die Versammlungsbehörde begründete die zeitliche Verlegung insbesondere mit der Provokationswirkung, die von einer rechtsextremistischen Versammlung am "Führergeburtstag" ausgehe. Ein gegen diesen Bescheid eingelegter Widerspruch wurde vom Verwaltungsgericht Bayreuth am 20. April ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Die JN verzichteten daraufhin auf weitere Rechtsmittel, reagierten aber mit der erneuten Anmeldung ihrer Versammlung für den 26. April. Die Gemeinde Gräfenberg, insbesondere das dortige Kriegerdenkmal auf dem Michelsberg, ist seit 1999 Ziel rechtsextremistischer Demonstrationen. Jährlich im November fanden dort revisionistisch ausgerichtete "Heldengedenken" statt, an denen sich durchschnittlich etwa 100 Angehörige der rechtsextremistischen Szene (NPD bzw. JN, Neonazis und rechtsextremistische Skinheads) beteiligten. Ende 2006 nahm die rechtsextremistische Szene um Matthias Fischer die seit Jahren bestehende Sperrung des Kriegerdenkmals für Versammlungen zum Anlass, nunmehr regelmäßig Versammlungen unter dem Motto "Denkmäler sind für alle da!" in Gräfenberg anzukündigen. Seit Dezember 2006 werden solche Aufzüge mit unterschiedlicher Beteiligung durchgeführt. 2.1.7 Bürgerinitiative Ausländerstopp 2.1.7.1 "Bürgerinitiative Ausländerstopp" Nürnberg Die "Bürgerinitiative Ausländerstopp" Nürnberg (BIA-Nürnberg) wurde im Juli 2001 zum Wahlantritt bei den Kommunalwahlen 2002 gegründet. Bei dieser Wahl erreichte ihr Vorsitzender Ralf Ollert als Spitzenkandidat mit einem Stimmenanteil von 2,3 % einen Sitz im Nürnberger Stadtrat. Die Gruppierung veranstaltet seit Sommer 2007 wieder verstärkt Info-Stände; es ist davon auszugehen, dass die Aktivitäten im Wahljahr 2008 weiter zunehmen werden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 110 Rechtsextremismus 2.1.7.2 "Bürgerinitiative Ausländerstopp" München Die "Bürgerinitiative Ausländerstopp" München (BIA-München) wurde im September wegen Differenzen zwischen der Organisation "Pro München" (vgl. auch Nummer 2.4 dieses Abschnitts) und der NPD gegründet. Die Gründungsmitglieder wählten aus ihrer Mitte den Münchner Publizisten und Chef des Parlamentarischen Beratungsdienstes der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen Karl Richter zum Vorsitzenden, der sich gleichzeitig als Spitzenkandidat und OB-Kandidat der Liste zur Verfügung stellte. Richter formulierte für den Wahlkampf in München: "Wir sind nicht ausländerfeindlich, sondern inländerfreundlich. Deshalb möchte ich in München weder eine Großmoschee noch nichtdeutsche Parallelgesellschaften. München soll auch in Zukunft lebensund liebenswert bleiben." Die BIA-München stellt neben der Forderung einer konsequenten Ausweisung hier illegal lebender und krimineller Ausländer den Bau einer geplanten Großmoschee im Stadtteil Sendling in den Mittelpunkt ihrer Agitation. Unterstützung Die BIA-München wird im Wahlkampf von der NPD unterstützt. Die durch die NPD "Deutsche Stimme" berichtet in Ihrer Ausgabe vom September über die "Bürgerinitiative Ausländerstopp": "Der NPD-Parteivorstand entschied erst unlängst in München auf einen eigenen Wahlantritt zu verzichten und statt dessen die BiA mit Nachdruck zu unterstützen. (...) Bleibt nur die 'Bürgerinitiative Ausländerstopp'. Sie ist seit 2004 bereits im Nürnberger Stadtrat vertreten und will nun erstmals auch in der bayerischen Landeshauptstadt mit einem klaren Programm den Sprung ins Rathaus schaffen. Außer einem unmißverständlichen 'Nein' zu den rot-grünen Moscheeplänen will sich die BiA auch für eine konsequente Ausweisung illegaler und krimineller Ausländer für 'mehr Schutz und bessere Bildungschancen für einheimische Münchner Kinder' und für den Vorrang einheimischer Leistungsberechtigter bei der Vergabe von Sozialwohnungen starkmachen. (...) Die Zeit ist überreif dafür, daß den Etablierten auch im Münchner Rathaus endlich eine kräftige Brise von rechts ins Gesicht weht. (...) Es wäre ein Fanal, wenn ausgerechnet im rot-rosa-grünen Münchner Stadtrat im März 2008 der Einbruch gelänge." (Deutsche Stimme, September, Seite 12) Die Unterstützung der NPD wurde auch durch einen Info-Stand des NPD-Bezirksverbands Oberbayern am 20. Oktober in München deutlich. Auf dem Karlsplatz wurde "Die echte Münchner Schulhof-CD" mit dem Titel "Der Schrecken aller linken Lehrer!" verteilt, welche von der NPD zusammengestellt worden ist; die CD ist strafrechtlich nicht relevant. Im "Inlay" wendet sich Karl Richter direkt an die "Münchner Mitschülerinnen und Mitschüler!" und meint: "Fremde sind das Salz in der Suppe... aber wer will schon eine versalzene Suppe?" Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 111 2.2 Deutsche Volksunion (DVU) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Deutschland Bayern Mitglieder: 8.000 900 Vorsitzender: Dr. Gerhard Frey Bruno Wetzel Gründung: 1987 Sitz: München Publizistisches Sprachrohr: "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) In ihrem Programm bekennt sich die DVU formal zur freiheitlichen Extremistische demokratischen Grundordnung, doch will sie einige für alle Menschen Grundhaltung gültige Grundrechte - beispielsweise den Schutz der Familie - zu Bürgerrechten reduzieren, die ausschließlich Deutschen zustehen sollen. Die rechtsextremistische Grundeinstellung der Partei wird in Äußerungen führender Funktionäre sowie im Inhalt der im Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) des Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard NZ im DSZ-Verlag Frey erscheinenden "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) deutlich. Die wöchentliche Auflage der NZ beträgt rund 35.000 Exemplare. Als publizistisches Sprachrohr der DVU vertritt die NZ deren nationalistische, rassistische und revisionistische Grundhaltung. Die Beiträge sind geprägt von Vereinfachung, Schematisierung und dem Aufbau von Freund-Feind-Bildern. Die rassistisch und nationalistisch geprägte Propaganda der Partei richRassismus und tet sich insbesondere gegen die Ausländerpolitik der Bundesregierung Nationalismus und die Europäische Union (EU). In einem Artikel der NZ war zu lesen: "Es wird nichts gegen die Abwanderung deutscher Spitzenkräfte unternommen und auch nicht energisch mehr Geburtenwachstum gefordert und gefördert, was dringend nötig wäre. Stattdessen sollen wiederum Ausländer herangezogen werden. Das deutsche Volk, sein Schicksal und sein Nutzen, dessen Förderung die einzige Aufgabe der Politiker ist, wird verraten und verkauft." (NZ vom 13. Juli, Seite 5) Ausländer werden häufig pauschal als Kriminelle oder WirtschaftsFremdenflüchtlinge diffamiert, die eine Gefahr für die Innere Sicherheit darstelfeindlichkeit len würden: "Nach einem Bericht der Vereinten Nationen leben bis zu 200.000 Sinti und Roma in der Bundesrepublik Deutschland. (...) Unicef forderte von DeutschVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 112 Rechtsextremismus land eine 'großzügigere Aufenthaltsregelung' für Roma-Familien, die als Flüchtlinge kämen. (...) Diese Forderungen erscheinen angesichts der stark überlasteten deutschen Sozialkassen und der Tatsache, dass Millionen Deutsche, insbesondere Arbeitslose und Rentner in Not und Armut leben müssen, geradezu dreist. Außerdem ist zu fragen, ob es im deutschen Interesse sein kann, mit noch höheren Leistungen für zuwandernde Zigeuner einen Massenzuzug von Menschen zu provozieren, die nach der Beschreibung der gleichen Unicef alles andere als eine Bereicherung für Deutschland wären, von denen aber nicht wenige die Kriminalitätsrate hierzulande in die Höhe treiben würden." (NZ vom 16. März, Seite 7) Unter der Überschrift "Mitten in Berlin: Türken jagen Kurden - Wie Deutschland fremde Konflikte importiert" wird folgendes Szenario beschrieben: "Der Konflikt zwischen Türken und Kurden droht auf Deutschland überzugreifen. (...) Die 'Segnungen' der 'multikulturellen Gesellschaft' als Folge der von den Bundestagsparteien zu verantwortenden Masseneinwanderung sind den Deutschen durch den Import jener Konflikte, welche die Immigranten in ihren Heimatländern austragen, erneut drastisch vor Augen geführt worden. (...) Auch das Beispiel der Kurden zeigt erneut, dass jedes Volk nur im eigenen Nationalstaat seine Identität und sein Glück finden kann, während Vielvölkerstaaten mörderische Konflikte in sich bergen." (NZ vom 16. November, Seite 7) DVU vermeidet offenen Antisemitismus, wobei sich ihre antisemitische und antiisraelische Grundhaltung vielfach hinter massiver Kritik an der Politik des Staates Israel verbirgt: Latenter "So trostlos wie hier im Gaza-Streifen sieht es in den meisten Lagern aus, in Antisemitismus denen die bei der Staatsgründung von Israel und danach aus dem jüdischen Kernland vertriebenen Palästinenser mit ihren Nachkommen bis heute zu hausen verurteilt sind. Häufig bombardiert und zerstört die israelische Armee mit dem Argument der Terror-Bekämpfung auch noch die armseligen Behausungen. Das Weltgewissen aber ist gegenüber diesem zum Himmel schreienden Unrecht merkwürdig schweigsam." (NZ vom 17. August, Seite 6) In der Agitation gegen jüdische Einrichtungen klingen mitunter auch revisionistische Tendenzen an: "Worum es bei der 'Holocaust-Industrie' geht, erläuterte der New Yorker Politologe Prof. Dr. Norman Finkelstein: 'Ein ideologisches Konstrukt, das ursprünglich den Interessen der jüdischen Elite in Amerika diente, ist jetzt zu einem Instrument der Bereicherung verkommen, zum Wiedergutmachungsschwindel. Anfang der neunziger Jahre entdeckten Organisationen wie die Jewish Claims Conference eine Möglichkeit europäische Regierungen abzuzocken, und jetzt laufen sie Amok. Sie betreiben Erpressung ... Bestimmte Individuen Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 113 und Organisationen haben den guten Willen der Deutschen für ihre eigenen üblen Zwecke ausgebeutet ... Der Holocaust ist eine ideologische Keule, mit der Deutschland in Schach gehalten wird.'" (NZ vom 11. Mai, Seite 3) Wie bisher zählt die Kritik an der "extrem einseitigen Revisionismus Vergangenheitsbewältigung" zu den Schwerpunkten der Programmatik: "Dem heutigen Zeitgeist gemäß lässt Horst Köhler keine Gelegenheit aus, um 'Kollektivverantwortung' wie eine Erbsünde des deutschen Volkes zu zelebrieren." (NZ vom 22. Juni, Seite 3) "Wir erleben heute, und zwar in wachsendem Ausmaß, eine sich überschlagende Hetze gegen das deutsche Volk, das kollektiv für NS-Verbrechen verantwortlich gemacht wird. (...) Heute bei uns Herrschende aber pflastern Deutschland mit immer mehr oft gigantischen Mahnmalen deutscher Schuld und Sühne zu, während unsere Gefallenen und all die Opfer von Menschheitsverbrechen der Sieger u.a. beim Luftterror oder der Vertreibung und in den Lagern der Alliierten keinerlei Würdigung erfahren." (NZ vom 14. Dezember, Seite 4) Die Verbrechen der Nationalsozialisten werden zwar nicht ausdrücklich geleugnet, doch wird versucht, diese durch wiederholte Hinweise auf Verbrechen anderer Völker zu relativieren: "Alljährlich zum 8. Mai marschieren sie auf, um die deutsche Niederlage zu feiern und deutsche Schuld zu beschwören, die vielen Organisationen ehemaliger KZ-Insassen (...) Die Massenmedien erinnern bei diesen Gelegenheiten, und nicht nur bei diesen, geradezu mit Wonne an deutsche Untaten aus der fernen Vergangenheit des Zweiten Weltkriegs, während sie die Millionen unschuldigen deutschen Opfer des Bombenterrors, der Vertreibung und der Siegerwillkür schamhaft verschweigen oder gar ihr Schicksal als selbst verschuldet verhöhnen." (NZ vom 18. Mai, Seite 4) Nach wie vor ist die Partei bestrebt, rechtsextremistisch motivierte Gewalt Verharmlosung zu relativieren. Unter der Überschrift "Mügeln, Potsdam, Sebnitz ... - Die rechtsextremisschlimmsten Fälle erfundenen 'rechten Terrors'" war in der NZ zu lesen: tischer Gewalt "Wie schon in vielen anderen Fällen wurde vermeintliche 'Fremdenfeindlichkeit' in Deutschland pompös inszeniert. (...) Umgekehrt interessiert es antideutsche Massenmedien nicht im Geringsten, wenn Deutsche Opfer einer gerade in Großstädten mittlerweile alltäglichen Ausländergewalt werden. (...) Dr. Mehnert, der sich seit Jahren eingehend mit dem Missbrauch der Medienmacht beschäftigt, hat bis in die achtziger Jahre hinein in der DDR gelebt. In der kommunistischen SED-Diktatur waren Gleichschaltung und Agitprop Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 114 Rechtsextremismus offenkundig. Dass aber auch in der Bundesrepublik, raffinierter zwar und verdeckter als in der DDR, Hetze und Verdrehung von Tatsachen in Medien keine Seltenheit sind, wurde ihm im Westen bald klar." (NZ vom 31. August, Seite 4) Diffamierung Häufig werden demokratische Institutionen und ihre Repräsentanten demokratischer diffamiert. Auf diese Weise soll das Vertrauen in diese Institutionen und Institutionen den von ihnen getragenen Rechtsstaat untergraben werden. Die Wortwahl macht deutlich, dass es sich dabei nicht um Kritik an einzelnen Entscheidungen oder Entscheidungsträgern handelt, sondern am System der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie: "Und Politiker, die gelegentlich von 'Werten' faseln, sind geradezu beschämend unglaubwürdig, so lange sie tatenlos zusehen, wie diese Gesellschaft an die Wand fährt und es sich bis dahin noch gemütlich machen im fett gepolsterten Diätensessel, der satte Pfründe bis ans Lebensende sichert. Hier geht es nicht um Wiederwahl und Redezeit bei 'Christiansen', hier geht es um die Zukunft unseres Volkes!" (NZ vom 8. Juni, Seite 7) "Wohin man also auch schaut: auf alle Politikfeldern betrachtet die Kanzlerin Deutschland als ihre ganz private Beute. Hohle Versprechungen und heiße Luft sollen über die geistige Leere der kommunistischen Oberfunktionärin hinwegtäuschen." (NZ vom 30. März, Seite 2) "Am Ende werden womöglich sogar die Bundesregierung und der Bundestag privatisiert - schlechter als jetzt könnte allerdings auch dann deutsche Politik kaum gemacht werden!" (NZ vom 8. Juni, Seite 5) 2.2.2 Organisation Rückläufige Die Mitgliederzahl der DVU liegt bundesweit bei 7.000 (2006: 8.500). Mitgliederzahl In Bayern verlor die Partei etwa 100 Mitglieder, so dass der derzeitige Mitgliederstand 900 Personen beträgt. Seit 1994 hat die Partei damit 13.000 Mitglieder verloren. Die DVU hat keine Jugendorganisation und betreibt auch keine Jugendarbeit. Sie verfügt in fast allen Bundesländern nominell über Landesverbände, die jedoch öffentlich kaum in Erscheinung treten. Auf Bezirks-, Kreisund Ortsebene ist die DVU organisatorisch ebenfalls kaum vertreten. Der bedingungslose Machtanspruch des Vorsitzenden Dr. Gerhard Frey lässt den Unterorganisationen keinen Handlungsspielraum. Im Verlag des Parteivorsitzenden erscheint die "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) als Werbeträger und publizistisches Sprachrohr der DVU. Nach wie vor ist Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 115 die DVU bei ihrem Vorsitzenden verschuldet. Die Personalunion von Vorsitzendem und Kreditgeber verleiht Dr. Frey eine ungewöhnliche Machtfülle. 2.2.3 Parteitage Die DVU führte am 20. Januar in München sowohl ihren Bundesals Bundesund auch ihren bayerischen Landesparteitag durch. An der Veranstaltung Landesparteitag nahmen etwa 160 Anhänger des rechtsextremistischen Spektrums teil, in München darunter zahlreiche NPD-Mitglieder. Der DVU-Vorsitzende Dr. Gerhard Frey referierte zum Thema "Deutschland wird wieder auferstehen". Anschließend bekräftigte der NPD-Vorsitzende Udo Voigt in seiner Rede die Einhaltung des Wahlabkommens zwischen DVU und NPD. Bei den Vorstandswahlen wurden der DVU-Vorsitzende Dr. Frey sowie seine Stellvertreter Siegfried Tittmann (vgl. auch Nummer 2.2.4 dieses Abschnitts) und Bruno Wetzel in ihren Funktionen bestätigt, desgleichen die Beisitzer Liane Hesselbarth, Hans-Otto Weidenbach und Dietmar Tönhardt, welcher jedoch am 2. August seinen Austritt aus der Partei erklärt hat. Die Witwe des ehemaligen DVU-Pressesprechers Frigga Dröse, der stellvertretende bayerische Landesvorsitzende Dr. Thomas Mehnert sowie die Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen Ingmar Knop und Max Branghofer wurden neu in den Parteivorstand berufen. Auf dem bayerischen Landesparteitag wurden der Landesvorsitzende Dr. Bruno Wetzel, seine Stellvertreter Dr. Thomas Mehnert, Robert Gerigk, Walter Baur und Michaela Schmidinger sowie die Beisitzer Gerhard Burghard, Reiner Degner, Karsten Kriwat und Irmgard Mihai wiedergewählt. Als neue Beisitzer gehören dem Parteivorstand Merlind Dröse, Rainer Goldmann und Peter Knott an. 2.2.4 Wahlbündnis mit der NPD Die Vorsitzenden von DVU und NPD, Dr. Gerhard Frey und Udo Voigt, hatten nach den Wahlerfolgen in Brandenburg und Sachsen im Jahr 2004 beschlossen, dass beide Parteien auch bei der folgenden Bundestagswahl und der Europawahl 2009 kooperieren werden und dass künftig möglichst nur eine "nationale Liste" aufgestellt werden solle. Am 15. Januar 2005 schrieben die Parteivorsitzenden in einer als "Deutschland-Pakt" bezeichneten Vereinbarung ihre weitere Zu"Deutschland-Pakt" sammenarbeit für die Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene bis 2009 fort. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 116 Rechtsextremismus Wahl zur Bei der Bürgerschaftswahl am 13. Mai in Bremen erhielt die DVU lanBremischen desweit 2,7 % (2003: 2,3 %) der Stimmen. In den getrennt gezählten Bürgerschaft Wahlbereichen Bremen und Bremerhaven erzielte sie 2,2 % (2003: 1,4 %) bzw. 5,4 % (2003: 7,1 %). Aufgrund einer Besonderheit des Bremer Wahlrechts, das für den Einzug in das Parlament die Überwindung der 5 %-Sperrklausel in nur einem Landesteil fordert, erhielt die DVU wieder einen Sitz in der Bürgerschaft. Ungeachtet des "Deutschland-Pakts" mit der NPD hatte die Partei Vertretern der NPD diesmal keine Listenplätze eingeräumt. Die DVU hatte einen kostenintensiven Wahlkampf mit Parolen wie "Kriminelle Ausländer raus!", "Arbeit statt Zuwanderung", oder "Geld für Deutsche statt Bundeswehr im Ausland" geführt. Nach eigenen AnWahlkampf-CD gaben ließ sie seit der zweiten Märzwoche eine CD mit dem Titel "Stolz und frei" in einer Auflage von 150.000 Exemplaren an Schulen und auf öffentlichen Plätzen verteilen und in Hausbriefkästen einwerfen. Die CD enthält alle drei Strophen des Deutschlandliedes, das DVU-Lied "Stolz und frei sind wir geboren" sowie weitere acht Musikstücke, die zum deutschen Liedgut zählen bzw. der Klassik zuzurechnen sind. Entsprechend richtet sich die Auswahl der Musikstücke eher an ältere Wähler. Schon bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 26. März 2006 hatte die DVU - unter dem selben Titel - eine Art "Schulhof-CD" im Internet angekündigt, die aber u.a. mit Stücken der rechtsextremistischen Liedermacher Annett und Michael Müller eindeutig Neuund Jungwähler ansprechen sollte. Siegfried Tittmann, stellvertretender DVU-Bundesvorsitzender und stellvertretender DVU-Landesvorsitzender in Bremen, hat am 17. Juli aus persönlichen Gründen die Partei verlassen, da er - so seine Aussage gegenüber der Presse - die politische Entwicklung in der Partei nicht mehr mittragen könne. Seine Mandate als Bremerhavener Stadtverordneter und als Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft will er allerdings bis 2011 behalten. Hintergrund von Tittmanns Schritt dürfte die parteiinterne Kritik wegen des für die DVU enttäuschenden Ergebnisses von nur 2,7 % bei den Bürgerschaftswahlen vom 13. Mai sein. So hat es im Nachgang hierzu im Bremer DVU-Landesverband Überlegungen gegeben, "beim nächsten Mal mit einem neuen Gesicht und neuen Ideen auf(zu)warten". 2.3 Sonstige Organisationen Weitere teils regional, teils bundesweit tätige sonstige rechtsextremistische Organisationen sind vielfach nur publizistisch aktiv. Etwaige Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 117 Aktivitäten beschränken sich im Allgemeinen auf interne Veranstaltungen, die kaum Außenwirkung entfalten. Zu nennen sind hier insbesondere die Gruppierungen - Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) - Deutsche Partei - Die Freiheitlichen (DP) - Deutsches Kolleg (DK) - Freundeskreis Ulrich von Hutten - Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP). Weitere rechtsextremistische Organisationen sind unter Nummer 9 dieses Abschnitts aufgeführt. 2.4 Bürgerbewegung Pro München - patriotisch und sozial e.V. Bayern Anhänger: 20 Sprecher: Stefan Werner, Rüdiger Schrembs Gründung: 2006 Sitz: München Publikation: "Bürgerbewegung Pro München - patriotisch & sozial" Die "Bürgerbewegung Pro München - patriotisch und sozial e.V." (Pro RechtsextremistiMünchen) wurde Mitte Januar 2006 in München gegründet. An der sche Wahlplattform Gründungsversammlung nahmen Personen aus dem Umfeld der NPD, DP, DVU und REP teil. Die Gruppierung bezeichnet sich als "patriotisch-soziales Bündnis" und will bei der Kommunalwahl 2008 in München antreten. In der Öffentlichkeit trat die Gruppierung erstmals auf dem "8. Münchner Neujahrstreffen" am 22. Januar 2006 auf. Unter der Leitung der DP versammelten sich in einer Münchener Gaststätte rund 120 Vertreter rechtsextremistischer Organisationen, um die Perspektiven eines "gemeinsamen politischen Kampfs" zu erörtern. An der Veranstaltung beteiligten sich Funktionäre und Mitglieder der NPD, DVU und DP sowie Angehörige der neonazistischen Kameradschaft München. Das "9. Politische Neujahrstreffen" veranstaltete Pro München zusammen Neujahrstreffen mit der DP am 28. Januar in Fürstenfeldbruck. Vor etwa 130 geladenen Teilnehmern aus unterschiedlichen rechtsextremistischen Lagern, die vorwiegend aus München und Oberbayern stammten, forderte der VorVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 118 Rechtsextremismus sitzende der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern Udo Pastörs ein verstärktes Engagement der Jugend mit den Worten: "Im Mittelpunkt steht die Tat ... Unsere Vision ist das Reich." Der bayerische NPD-Landesvorsitzende Ralf Ollert und Rüdiger Schrembs, einer der zwei Sprecher von Pro München, riefen die Zuhörer auf, bei der Landtagswahl und den Kommunalwahlen in Bayern im Jahr 2008 der "nationalen Alternative" ihre Stimme zu geben. In der Folge kam es zum Zerwürfnis zwischen den NPD-Anhängern und Schrembs. Nach der Gründung der NPD-Tarnorganisation "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (vgl. auch Nummer 2.1.7.2 dieses Abschnitts) im September distanzierte sich Pro München von der NPD. Pro München dementiert auf seiner Homepage, dass die NPD maßgeblichen Einfluss bei "Pro München" ausübte. Deshalb sei die NPD mit dem Bündnis unzufrieden. Gegenüber dem Münchner Neonazi Norman Bordin distanzierte sich Pro München mit den Worten: "Wir nehmen als klarer Verfechter von "Recht und Ordnung" Menschen wie Bordin nicht nur nicht auf, sondern wir distanzieren uns ausdrücklich von diesen." Pro München macht in München lebende Ausländer und Randgruppen pauschal für städtische Probleme verantwortlich. Die Bürgerbewegung Programm zur fordert in ihrem Programm zur Stadtratswahl (Fassung Juni 2007) die Stadtratswahl Ausweisung mehrfach straffällig gewordener Ausländer, die Beendigung 2008 der weiteren Zuwanderung in die Sozialsysteme und Bevorzugung von Randgruppen bei der Vergabe städtischer Mittel, die Ablehnung demonstrativer Moscheebauten in Konkurrenz zu christlichen Kirchen und die Verbesserung der Lebenssituation von alteingesessenen Münchnern in zunehmend überfremdeten Stadtteilen. 2.5 Nation Europa Verlag GmbH Der Nation Europa Verlag in Coburg wurde 1953 gegründet. Ein Jahr später konstituierte sich der mit den politischen Interessen des Verlags eng verbundene Verein Nation-Europa-Freunde e.V. Herausgeber der im Verlag erscheinenden Monatsschrift "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" sind die Rechtsextremisten Peter Dehoust und Harald Neubauer. Die Zeitschrift bietet Rechtsextremisten eine publizistische Plattform. Mit einer Auflage von etwa 18.000 Exemplaren gehört sie zu den wichtigsten rechtsextremistischen Theorieorganen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 119 "Nation & Europa" (NE) verbreitet Beiträge, die in einer Gesamtschau Revisionismus, eine revisionistische, rassistische und antisemitische Grundhaltung erRassismus, kennen lassen. Antisemitismus "Politisch sind die Deutschen in eine Babylonische Gefangenschaft geraten. Sie werden fremdbestimmt. Allerdings darf nicht jeder die Dinge beim Namen nennen. Wer es wagt, der Bundesrepublik den demokratischen Charakter abzusprechen, sollte schon sehr hoch im Establishment angesiedelt sein, um nicht wegen 'Verunglimpfung des Staates' vor dem Kadi zu landen. (...) Zur Rettung der Demokratie wird immer nur dann geblasen, wenn sich 'rechts' etwas regt. Alles andere wird ignoriert." (NE vom Februar, Seite 4) "Wer massenhaft Moslems ins Land läßt, bürgert auch deren Glauben ein. Alles andere widerspräche den Gesetzen der Logik. Schon Amerikas Ureinwohnern ist es nicht gelungen, die Zuwanderer aus aller Welt zu indianisieren. Sobald die Mehrheit wechselt, ändern sich auch die kulturellen und geistigen Grundlagen des Gemeinwesens. Starke Minderheiten reichen aus, das Bestehende erodieren zu lassen. (...) Jahrzehntelang hat man den Deutschen einzureden versucht, Einwanderung bedeute in erster Linie kulturelle Bereicherung, ein erfreuliches Mehr an Vielfalt. Nach dieser krausen Logik müßte eigentlich auch unserem Rechtssystem ein wenig Scharia gut tun." (NE vom Mai, Seite 6) "Es ist hanebüchen, die Zuwanderung nach Europa eindämmen zu wollen, Millionen von Zuwanderungswilligen in Afrika und Asien aber gleichzeitig zu signalisieren: Jeder, der es erst einmal nach Europa geschafft hat, kann auch bleiben. (...) Die Festschreibung der deutschen Sprache im Grundgesetz - so löblich die Forderung auch ist - wird nichts daran ändern, daß sich die ethnischen Gewichte in unserem Land weiter unaufhaltsam verschieben - so lange, bis die Frage nach unserer sprachlichen Identität eine rein akademische geworden ist. Dann aber ist es zu spät. (...) Nur wenn das deutsche Volk überlebt, hat auch seine Sprache eine Zukunft." (NE vom Mai, Seite 52) "Alle Beteiligten wissen freilich, daß hierzulande einer jüdischen Einrichtung nicht einfach der Geldhahn zugedreht wird. Geiz würde in einem solchen Fall nicht als geil, sondern als 'antisemitisch' gelten. Der Steuerzahler wird's schon richten, zumal das Museum im nächsten Jahr den 60. Jahrestag der Gründung Israels mit einer glanzvollen Sonderschau feiern soll." (NE vom September, Seite 58) 3. Neonazismus 3.1 Allgemeines Der Neonazismus umfasst alle Aktivitäten und Bestrebungen, die ein offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und auf die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 120 Rechtsextremismus Agitationsbzw. totalitären Staates gerichtet sind. Schwerpunktthemen waren wie schwerpunkte in den Vorjahren die angebliche staatliche Verfolgung des "nationalen Lagers", die Ausländerund Asylpolitik der Bundesregierung sowie rassistische und antisemitische Agitation. Seit 2004 werden vermehrt sozialpolitische Themen, insbesondere die Folgen von "Hartz IV", diskutiert. Die Gewinner der seit den Verboten neonazistischer Organisationen Ideologische einsetzenden Ideologieund Strategiedebatte des "nationalen Lagers" Durchdringung sind die NPD und die JN bzw. deren aus der neonazistischen Szene der NPD stammende Führungskader. Deren neonazistische und nationalrevolutionäre Gedankenelemente sind inzwischen integraler Bestandteil des ideologischen Spektrums der NPD geworden und haben das Erscheinungsbild der Partei nachhaltig verändert. Schulterschluss Die Verzahnung des rechtsextremistischen Spektrums zwischen der des rechtsNPD, neonazistischen Kameradschaften und politisch agierenden rechtsextremistischen extremistischen Skinhead-Szenen hat sich verfestigt. Grund für diese Spektrums Entwicklung ist nach Ansicht der Initiatoren der ungeheure staatliche Druck auf alle "Nationalen", dem man nur mit Geschlossenheit begegnen könne, um weitere Verbote von Parteien und Organisationen zu verhindern. Einzelne Neonazis, die sich als "autonome Nationalisten" bezeichnen, fordern militantere Aktionsformen. Dabei lehnen sie sich stark an linksextremistische Aktionsmuster an und teilen mit nationalrevolutionären Zirkeln die strikte Ablehnung des Parlamentarismus. Den Kameradschaften gehören nicht ausschließlich Neonazis an. Auch rechtsextremistische Skinheads, die aufgrund ihrer politischen Aktivitäten den Bereich der losen Szenen verlassen haben sind in starkem Maße eingebunden. So wurden in den vergangenen Jahren zunehmend Örtliche "Misch-Szenen" aus Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads "Misch-Szenen" festgestellt. Dazu gehören beispielsweise die "Sozialrevolutionäre Aktion Regensburg" und der Kameradschaftsbund Hochfranken. Kameradschaften gehen in den letzten Jahren vermehrt mit ihrer politischen Arbeit an die Öffentlichkeit. Hierbei versuchen sie vor allem Jugendliche für ihre Interessen zu gewinnen, indem sie auch Aktionen im vorpolitischen Raum organisieren. Als Kommunikationsmedium werden hierzu sowohl das Internet, Rundbriefe als auch Fanzines (vgl. auch Nummer 4.6 dieses Abschnitts) genutzt. Vor allem durch die Organisa"Schulhof-CDs" tion von Skinhead-Konzerten oder die Herausgabe von "Schulhof-CDs" sollen Jugendliche mittels Musik an die Szene herangeführt werden. Die Musikveranstaltungen werden zum Teil auch in Zusammenarbeit mit der NPD organisiert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 121 Führende "freie Nationalisten" engagieren sich in der NPD. So treten seit Jahren vermehrt Neonazis in die Partei ein. Teilweise erreichten sie leitende Positionen, wie z.B. Norman Bordin, der seit 2004 NPD-Mitglied und seit 2006 Vorsitzender der JN in Bayern ist. Das Potenzial des neonazistischen Lagers in Bayern erhöhte sich aufNeonazistisches grund der zunehmenden Politisierung der Skinheads auf rund 400 PerPotenzial sonen (2006: 350); davon betätigen sich etwa 250 (2006: 190) in neonazistischen Organisationen. Dem Spektrum rechtsextremistisch orientierter Skinheads gehören rund 700 Personen (2006: 750) an. Damit zählt das gewaltbejahende rechtsextremistische Potenzial in Bayern insgesamt weiterhin etwa 1.100 Personen. 3.2 Neonazi-Kameradschaften Nach dem Verbot zahlreicher rechtsextremistischer Organisationen seit 1992 entwickelten führende Neonazis das Konzept strukturloser ZusamStrukturlose menschlüsse. Dadurch sollten staatliche Gegenmaßnahmen erschwert Zusammenwerden. Bei diesen Kameradschaften gibt es weder eine formelle Mitschlüsse gliedschaft noch Vorstandspositionen. Anführer ist meist ein aktiver Rechtsextremist, der es versteht, seinen Gefolgsleuten die den ideologischen Zusammenhalt stärkenden "Feindbilder" zu vermitteln. In Bayern sind folgende neonazistische Kameradschaften erwähnenswert: 3.2.1 Kameradschaft München Die seit Frühsommer 2004 unter der Bezeichnung "Kameradschaft München" aktive Gruppe zählt rund 20 Anhänger. Diese rekrutierten Zusammenschluss sich zum Teil aus Mitgliedern der im Herbst 2003 durch Exekutivmaßvon Neonazis nahmen zerschlagenen "Kameradschaft Süd - Aktionsbüro Süd" (AS). Ihr Leiter war ursprünglich der Neonazi Norman Bordin, der Ende 2001 das AS gegründet hatte, bis März 2004 eine Freiheitsstrafe verbüßte und danach wieder die Führung der verbliebenen Mitglieder des AS übernahm. Im Jahr 2007 veranstalte die Gruppe keine eigenen öffentlichkeitswirksamen Aktionen, da Bordin aufgrund seiner Funktion als bayerischer JN-Vorsitzender seine parteipolitischen Ambitionen in den Vordergrund stellt. Angehörige der Kameradschaft nehmen nunmehr verstärkt an Veranstaltungen von NPD und JN teil. Das überregionale Engagement der Kameradschaft München zeigt sich an intensiven Kontakten zu anderen bayerischen Neonazi-Gruppen. Die Verbindungen zur NPD wurden seit dem Parteieintritt von Norman Bordin im Herbst 2004 weiter intensiviert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 122 Rechtsextremismus 3.2.2 Autonome Nationalisten München (ANM) Spaltergruppe der Die Autonomen Nationalisten München (ANM), die sich auch "Munich Kameradschaft Allstars" nannten, wurden im Sommer 2005 von Dissidenten der KameMünchen radschaft München gegründet. Ursache der Abspaltung war vor allem ein Machtkonflikt zwischen Bordin und seinem Stellvertreter Hayo Klettenhofer. Bordins angeblich zu wenig gewaltorientierter Kurs war innerhalb der Kameradschaft München nach mehreren Übergriffen linksextremistischer Aktivisten zunehmend umstritten. Erstmals traten die ANM unter Führung von Klettenhofer am 2. Juni 2005 in Bayern öffentlich auf. Die einheitlich schwarz gekleideten elf Aktivisten trugen zur Tarnung Sonnenbrillen und schwarze Baseballmützen. Am 3. Mai fand in München am Odeonsplatz vor der Feldherrnhalle der bundesweit in mehreren Städten zeitgleich stattfindende "Israel-Tag" des Vereins "I like Israel e.V." statt. Während der Pro-Israeli-Veranstaltung versuchte Klettenhofer mit einer Gruppe von mehreren ANM-Aktivisten das Treffen durch rechtsextreme Parolen zu stören; einige Rechtsextremisten zeigten den Hitlergruß. Die Polizei unterband die Aktion der Rechtsextremisten und leitete gegen zwölf Personen strafrechtliche Ermittlungen ein. 3.2.3 Sozialrevolutionäre Aktion Regensburg In Regensburg bestand seit Herbst 2004 die von einem NPD-Aktivisten gegründete und geleitete Kameradschaft Asgard-Ratisbona. Die Gruppierung, die sich überwiegend aus Skinheads und Neonazis der rechtsextremistischen Szenen in Abensberg, Kelheim und Regensburg rekrutierte, zählte etwa 20 Personen. Sie trat in Regensburg und der näheren Umgebung mit Informationsständen, Flugblattaktionen und Mahnwachen in Erscheinung. Nach einer Phase der Umstrukturierung nennt sich die Gruppierung seit dem Berichtsjahr "Sozialrevolutionäre Aktion Weniger Regensburg". Die Anhängerschaft, die weiterhin rechtsextremistisch Anhänger aktiv ist, hat sich verringert. Angehörige der "Sozialrevolutionären Aktion Regensburg" und Aktivisten aus dem Umfeld der "Autonomen Nationalisten" wollten sich am 3. März an einer Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Regensburg anschließen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit Teilnehmern des Aufzugs. Durch die Polizei erfolgten Personalienfeststellungen und drei Strafanzeigen gegen die beteiligten Rechtsextremisten u. a. wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 123 3.2.4 Kameradschaft Main-Spessart Die im Großraum Würzburg im Jahr 2005 gegründete Kameradschaft Main-Spessart besteht aus 10 bis 15 Mitgliedern. Die Gruppierung trat erstmals im Oktober 2006 mit einer Verteilaktion öffentlichkeitswirksam auf. Dabei wurden im Bereich eines Schulzentrums in Lohr a. Main etwa 40 Aufkleber verbreitet, auf denen u.a. Horst Wessel in SA-Uniform mit dem Spruch "Frei, sozial und national!" abgebildet war. Im November 2006 veröffentlichte die Kameradschaft im Internet eine Selbstdarstellung mit ihren Zielen. Darin fordert sie den Kampf "für ein freies, selbstbestimmtes neues Deutschland. Als junge Deutsche wehren wir uns gegen die volkszerstörende Multi-Kulti Gesellschaft, gegen die immer noch fortwährende Besatzung unserer Heimat durch fremde Mächte und gegen die nationale identitätsvernichtende Globalisierung des kapitalistisch-neoliberalen Systems." Im Jahr 2007 erfolgte eine Annäherung der Kameradschaft an die NPD. Annäherung Kameradschaftsangehörige nahmen in der Folge vermehrt an Kundan die NPD gebungen und Demonstrationen der NPD/JN teil. 3.2.5 Anti-Antifa Nürnberg Die Anti-Antifa Nürnberg ist nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss von Personen, der sich die Aufklärung von "politischen Gegnern" zum Ziel gesetzt hat. Sie betreibt eine Internet-Plattform, die über linksextremistische - vor allem autonome - Aktivitäten im Großraum Nürnberg informiert. Auf dieser Internet-Seite wurden beispielsweise im November unter dem Motto "Den Feind erkennen - den Feind benennen" die Biographien vermeintlicher Aktivisten der linksextremistischen "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" veröffentlicht. Auch Anti-Antifa-Aktionen werden thematisiert. So haben am 15. Mai unbekannte Täter auf zwei Eingangstüren der Wohnung eines vermeintlichen politischen Gegners in Fürth das Emblem der Anti-Antifa Nürnberg "Good Night left side" mit Hilfe einer Farbschablone aufgesprüht. Die Aktion wurde unter das Motto "Beherzte Anti-Antifa-Offensive in Mittelund Oberfranken!" gestellt. 3.2.6 Kameradschaftsbund Hochfranken Der Anfang 2006 von Anhängern der Kameradschaften Wunsiedel und Hof gegründete Kameradschaftsbund Hochfranken (KBH) gehört zu Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 124 Rechtsextremismus Organisationsden aktivsten Neonazi-Gruppierungen in Nordbayern. Er zählt etwa 25 übergreifender Mitglieder und versteht sich als ein loser parteiund organisationsüberZusammenschluss greifender Zusammenschluss von "Nationalisten und Patrioten" aus dem gesamten ostoberfränkischen Raum. Viele Anhänger des Kameradschaftsbunds sind gleichzeitig NPD-Mitglieder. Die Gruppierung betreibt eine eigene Internet-Seite. Am 11. Juni wurden in Wunsiedel vor der Hauptund Realschule sowie am Busbahnhof mehrere Hundert "Schulhof-CDs" an Kinder und Jugendliche verteilt. Die Aktion wurde von dem Kameradschaftsbund Hochfranken durchgeführt, der diesen Tonträger mit dem Titel "60 Minuten Musik gegen 60 Jahre Umerziehung" auch zusammengestellt hat. Bei den auf der CD enthaltenen Liedern verschiedener rechtsextremistischer Musikgruppen aus dem Inund Ausland handelt es sich um Aufnahmen, die bereits auf anderen CDs veröffentlicht wurden. Das Cover wirbt ausdrücklich für den KBH und verweist hierzu auch auf dessen Internet-Seite. Eine ähnliche Verteilaktion hatte am 4. Juni in Pirna/Sachsen stattgefunden. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Dresden wegen Verdachts der Volksverhetzung stellte die Polizei am 22. Juni bei Durchsuchungen im Raum Hof, Chemnitz und Pirna knapp 600 CDs, 50 Cover sowie einen Karton mit Flyern sicher. Im Frühjahr wurde die "Bundesgeschäftsstelle" der neonazistischen Kleingruppe Kampfbund "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS) beim Kameradschaftsbund Deutscher Hochfranken angesiedelt. Der KDS, der 1999 gegründet wurde, sieht Sozialisten (KDS) sich als parteiund organisationsunabhängiger Zusammenschluss auf der Basis des Bekenntnisses zu "Volk und Heimat". Der Kameradschaftsbund Hochfranken begründet auf seiner Internet-Seite die Einbindung der "KDS-Bundesgeschäftsstelle" mit dem Ziel der "Vernetzung mit Kameradengruppen, die sich ebenso als Teil des sozialrevolutionären Befreiungsnationalismus verstehen (...) entscheidend (für diesen Schritt) war die Übereinstimmung mit der Zielsetzung des KDS, im Rahmen der QUERFRONTSTRATEGIE revolutionäre antikapitalistische Kräfte von Links und Rechts zusammen zu führen". 3.2.7 Kameradschaft Augsburg Die seit 2004 aktive Kameradschaft Augsburg orientierte sich zuletzt am Konzept der "Autonomen Nationalisten". Dementsprechend traten die Angehörigen in der Öffentlichkeit schwarz gekleidet auf. Die etwa Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 125 15-köpfige Gruppierung unterhält enge Kontakte zum "Augsburger Bündnis - Nationale Opposition e.V.", zu Münchner Neonazikreisen und zu Rechtsextremisten aus Friedrichshafen. Am 3. November nahm die Kameradschaft Augsburg an einer Demonstration mit dem Motto "Sicherheit JA - Überwachung NEIN, Meinungsfreiheit erhalten, Grundrechte stärken" in der Augsburger Innenstadt teil. Insgesamt waren etwa 120 Rechtsextremisten anwesend, die weitgehend den "Autonomen Nationalisten" zugerechnet werden konnten. An der Veranstaltung beteiligte sich auch der NPD-Funktionär Roland Wuttke aus München. 3.3 Aktivitäten zum 20. Todestag von Rudolf Heß Anlässlich des 20. Todestags von Hitlers ehemaligem Stellvertreter Rudolf Heß meldete der Neonazi und Rechtsanwalt Jürgen Rieger für den 18. August eine zentrale Gedenkveranstaltung in Wunsiedel an. Das Landratsamt Wunsiedel erließ einen Verbotsbescheid, der sich insErneutes besondere auf die am 1. April 2005 in Kraft getretene Vorschrift des SS 130 VersammlungsAbs. 4 StGB stützte. Danach macht sich derjenige strafbar, der in einer verbot Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewaltund Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Bereits in den Vorjahren hatte die Versammlungsbehörde die zentrale Heß-Kundgebung verboten. Die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe blieben vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth, dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht erfolglos. Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 13. August erneut das Verbot einer zentralen Rudolf Heß-Gedenkveranstaltung im oberfränkischen Wunsiedel bestätigt hatte, führten Vertreter der NPD und der neonazistischen Szene Veranstaltungen an anderen Orten durch. So veranstaltete die rechtsextremistische Szene am 17., 18. und 19. August dezentrale Veranstaltungen in Bayern und anderen Bundesländern. Zur Umgehung eines Verbots von "Ersatzveranstaltungen" wählten die Veranstalter in Bayern mit einer Ausnahme Demonstrationsmottos, die keinen direkten Bezug zu dem 1987 verstorbenen und in Wunsiedel beerdigten Rudolf Heß aufwiesen. Insgesamt beteiligten sich - wie im Vorjahr - bundesweit etwa 1.200 Personen an den Aktionen; Schwerpunkte waren Kundgebungen in Jena/Thüringen sowie in Gräfenberg, Landkreis Forchheim, und Friedrichshafen/Baden-Württemberg. In Gräfenberg beteiligten sich am 18. August etwa 260 RechtsextreDemonstration misten an einer Demonstration mit Aufzug und Kundgebung unter in Gräfenberg dem Motto "Denkmäler sind für alle da!". Die Veranstaltung hatte der Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 126 Rechtsextremismus NPD-Kreisvorsitzende und ehemalige Aktivist der verbotenen neonazistischen Fränkischen Aktionsfront (F.A.F.) Lutz Passon angemeldet. Als Hauptredner trat der Landesvorsitzende der NPD in Mecklenburg-Vorpommern und Abgeordnete des dortigen Landtags Udo Pastörs auf. Dieser sprach u.a. von einem "göttlichen Auftrag der NPD". Ferner referierte der NPD-Funktionär und ehemalige "Führer" der verbotenen neonazistischen Fränkischen Aktionsfront (F.A.F.) Matthias Fischer, der dabei auch die Fortsetzung der "Demonstrationswelle" in Gräfenberg und eine bundesweite Mobilisierung ankündigte. Ein Verbot dieser Veranstaltung durch das Landratsamt Forchheim war vom Verwaltungsgericht Bayreuth aufgehoben worden; der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte zudem die Beschwerde des Landratsamts gegen die Verwaltungsgerichtsentscheidung zurückgewiesen. Versammlung In München fand bereits am 17. August eine Versammlung unter dem in München Motto "Meinungsfreiheit - 365 Tage im Jahr. Maulkorbparagraphen abschaffen" statt. An der Veranstaltung, die von dem stellvertretenden Landesvorsitzenden der JN Thomas Wittke angemeldet worden war, nahmen etwa 100 Personen aus der rechtsextremistischen Szene teil. Redebeiträge lieferten die Neonazis und NPD-Funktionäre Jürgen Rieger und Thomas Wulff, sowie der oberbayerische NPD-Bezirksvorsitzende Roland Wuttke. Die Polizei leitete strafrechtliche Ermittlungen ein, weil einzelne Versammlungsteilnehmer gegen die Auflage des Kreisverwaltungsreferats der Landeshauptstadt München verstießen, keine Bezüge zur Person von Rudolf Heß herzustellen. Ebenfalls für den 17. August hatte der Neonazi und JN-Landesvorsitzende Norman Bordin in München eine öffentliche Versammlung angemeldet, die er in der Szene als "einzige in der BRD zugelassene Mahnwache zum Gedenken an Rudolf Heß" anpries. Die Landeshauptstadt VersammlungsMünchen erließ am 16. August ein Verbot mit der Begründung, dass es verbot in München sich bei der beabsichtigten Veranstaltung um einen Ersatz für die verbotene Demonstration in Wunsiedel handle. Dagegen legte Bordin Rechtsmittel ein; hatte damit aber weder vor dem Verwaltungsgericht München noch vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Erfolg. Neben den öffentlichen Versammlungen wurde auch mittels Propagandaaktionen versucht, Rudolf Heß als Repräsentanten des NS-Regimes zu ehren. So nahm die Polizei in Bayern am 15. August sechs Personen im Alter von 16 bis 36 Jahren fest, die gerade dabei waren, im Stadtgebiet Augsburg Plakate mit Bezug zum 20. Todestag von Rudolf Heß anzubringen. Einige der Festgenommen gehören der NPD/JN bzw. der DVU in Augsburg an. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 127 4. Rechtsextremistische Skinheads 4.1 Überblick Die Skinhead-Bewegung entstand Ende der 60er Jahre in Großbritannien und trat erstmals Ende der 70er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland in Erscheinung. Sie war ursprünglich eine jugendliche SubJugendliche kultur, die durch ihr Auftreten eine extreme Ablehnung der bürgerSubkultur lichen Gesellschaft signalisierte. Äußerlichkeiten wie Kleidung oder Haarschnitt lassen heute keine eindeutigen Schlüsse auf eine Zuordnung zur Skinhead-Szene mehr zu, da mittlerweile auch viele unpolitische Jugendliche ein entsprechendes Aussehen zeigen. Die Beachtung, die rechtsextremistischen Skinheads in der Öffentlichkeit und in den Medien zuteil wird, ist auf ihre brutalen und menschenverachtenden Gewalttaten zurückzuführen, die sich gegen Ausländer, Asylbewerber und soziale Randgruppen, aber auch gegen "Linke" richten. 4.2 Politische Ausrichtung Die politischen Ansichten der Skinhead-Subkultur reichen von den so genannten Redskins (linksextremistisch beeinflusste Skinheads) über die Redskins so genannten SHARPs (Skinheads against racial prejudice - Skinheads SHARPs gegen rassistische Vorurteile) und die Oi-Skinheads ("unpolitische SkinOi-Skinheads heads") bis hin zur Mehrheit der rechtsextremistischen Skinheads einschließlich der so genannten White Power-Skinheads. Die entsprechende White Powerpolitische Überzeugung bildet sich je nach Einzelfall nicht selten erst Skinheads nach Beitritt in die Szene stärker aus. Skinheads sind deshalb zunächst zu einer rational bestimmten politischen Meinungsbildung kaum fähig und an einer fundierten politischen Auseinandersetzung nicht interessiert. In ihren Kreisen hat sich eine vom organisierten Rechtsextremismus unabhängige diffuse rechtsextremistische Weltanschauung herWeltanschauung ausgebildet. Sie ist von rassistisch motivierter Fremdenfeindlichkeit sowie übersteigertem Nationalbewusstsein geprägt und knüpft insofern an wesentliche Elemente des Nationalsozialismus an. Diese Einstellung spiegelt sich in meist spontanen Gewalttaten wider. Opfer sind nach wie vor Ausländer, aber auch Personen aus sozialen Randgruppen sowie "Linke", also alle zu ihren Feindbildern zählenden Menschen. Skinheads dienen rechtsextremistischen Organisationen als Mobilisierungspotenzial für öffentlichkeitswirksame Aktionen. Frühere Vorbehalte der Skinheads gegenüber diesen Organisationen haben stark abUnterstützung genommen. Aktionen der NPD und JN werden von Skinheads massiv von Aktionen unterstützt; ein Großteil der Besucher von NPD-Großkundgebungen der NPD und JN Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 128 Rechtsextremismus gehört der Skinhead-Szene an. Enge Kontakte bestehen nach wie vor - insbesondere in den Räumen Nürnberg, Ingolstadt und Hof - zwischen den dortigen Skinhead-Szenen und den JN bzw. der NPD. Versuche von Neonazis, Skinheads für eine längerfristige ernsthafte politische Tätigkeit zu gewinnen, waren dagegen bislang wenig erfolgreich, da diese einer intensiven ideologischen Schulung kaum zugänglich sind. Inzwischen ist jedoch eine zunehmende Zusammenarbeit zwischen Skinheads und Neonazis feststellbar. 4.3 Strukturen Die Skinhead-Szene unterliegt einer starken Fluktuation und kennt in der Regel weder feste Organisationsstrukturen noch formelle Mitgliedschaften. Die Bindungen zur Gruppe reichen von losen gelegentlichen Kontakten über regelmäßige Beteiligung an Aktionen bis zur vollen sozialen Integration oder der Wahrnehmung von Führungsfunktionen. Diese informellen Führer wandern später zum Teil in andere rechtsextremistische Gruppierungen ab. Rückgang der In Bayern ist die Zahl der Skinheads mit rechtsextremistischem Hintergrund Zahl der im Vergleich zum Vorjahr von 750 auf 700 erneut leicht zurückgeganSkinheads gen. Dabei hat sich die Tendenz fortgesetzt, dass sich Skinhead-Gruppierungen oder Einzelaktivisten auch Neonazi-Gruppierungen anschlie"Misch-Szenen" ßen. Daraus resultierende "Misch-Szenen" entstanden vor allem in Nordbayern. Größere neue Skinhead-Szenen hingegen wurden in Bayern nicht bekannt. Schwerpunkte im Skinhead-Spektrum stellen in Bayern nach wie vor die Großräume München, Nürnberg und Regensburg dar; dort lagen 2007 auch die Schwerpunkte der Gewalttaten. Skinheads sind sehr mobil und können aufgrund ihrer engen Vernetzungen in kürzester Zeit gemeinsam Aktionen bzw. Veranstaltungen planen und durchführen. Nach wie vor besteht seitens des Staates ein intensiver Überwachungsdruck auf die Skinhead-Szene. 4.4 Anziehungskraft für Jugendliche Die Anziehungskraft der Skinhead-Szene, insbesondere auf männliche Mögliche Jugendliche, hält an. Die Beweggründe, die junge Menschen in diese Einstiegsmotive Subkultur treiben, sind vielfältig: jugendliche Protesthaltung, Provokation und Tabubruch, sowie die gesamtgesellschaftliche Entwicklung mit den häufigen Folgen einer Entwurzelung und einer zunehmenden Entfremdung vom Elternhaus, Perspektivlosigkeit in Verbindung mit wirtschaftlichen Problemen und einem begonnenen oder befürchteten Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 129 Rechtsextremistische Skinhead-Szenen in Bayern 2007 Raum Raum Coburg Coburg Aschaffenburg Raum ca. 15 Bayreuth/Hof ca.25 ca. 25 Aschaffenburg Raum Bayreuth Würzburg Bamberg ca. 15 Raum Würzburg/ Raum Lohr am Main Erlangen Raum Amberg/ Schwandorf/Weiden ca. 35 ca. 25 Nürnberg ca. 35 Großraum Ansbach Nürnberg Raum ca. 50 Cham/Roding Raum Ansbach/ ca. 20 Schwabach ca. 25 Raum Regensburg Angehörige der Ingolstadt Skinhead-Szenen Raum ca. 30 Regensburg Ingolstadt ca. 30 Raum Passau Dillingen Raum Augsburg/ Raum Friedberg/Aichach Landshut Landshut Raum Passau/ ca. 15 Deggendorf/ ca. 25 ca. 10 Neu-Ulm Straubing Augsburg Raum Raum Erding ca. 25 Neu-Ulm ca. 35 ca. 10 Raum Landsberg/ Fürstenfeldbruck München Raum Krumbach/ ca. 15 Großraum Raum Memmingen München Traunstein ca. 25 ca. 110 ca. 15 Großraum Rosenheim Oberallgäu/ Raum Unterallgäu Raum Weilheim Rosenheim ca. 35 Geretsried ca. 15 ca. 35 sozialen Abstieg. Hinzu kommt das durch die Szene vermittelte Gemeinschaftserlebnis und das daraus folgende Gefühl eigener Stärke und Anerkennung in einer sozialen Gruppe. Den Jugendlichen werden einfache Erklärungen und einfache Lösungen für komplexe Probleme angeboten. Skinheads entstammen zu einem erheblichen Teil, aber nicht ausschließlich, den unteren sozialen Schichten. Die meisten Skinheads finden sich in der Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren, ältere Szene-AngeAltersstruktur Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 130 Rechtsextremismus hörige sind die Ausnahme. Die so genannten Jungglatzen sind erst 12 Renees bis 13 Jahre alt. Auch Mädchen, die Renees, gehören dieser Subkultur an, sind jedoch zahlenmäßig in der Minderheit. Ihr Anteil beträgt je nach Szene bis zu 20 %. Die rechtsextremistische Skinhead-Szene rekrutiert sich vor allem aus Jugendlichen, die sich für Skinhead-Musik als Stilrichtung der Rockmusik interessieren. Dabei kommen zunächst eher unpolitische Jugendliche über Konzerte oder das gemeinsame Musikhören mit der Skinhead-Szene in Kontakt. Daneben finden manche Jugendliche Gefallen an dem in der Skinhead-Szene üblichen exzessiven Lebensgenuss einschließlich des enormen Alkoholkonsums unter dem Motto "Fun & Froide". 4.5 Skinhead-Musik Skinhead-Musik vermittelt die subkulturellen Botschaften der Skinhead-Szene. In den Liedern werden Eigenverständnis und Abgrenzung der Szene gegenüber der Gesellschaft beschrieben, Kritik am Establishment formuliert und andere politische Themen aufgegriffen. Rechtsextremistische Skinhead-Bands verbreiten in ihren Liedtexten neonazistische Ideologiefragmente und rufen zum Hass gegen Skinhead-Feindbilder wie Ausländer, "Linke" und Juden auf. In Bayern sind derzeit elf Musikgruppen aktiv, die teilweise bei Konzerten im Inund Ausland auftreten. Es handelt sich hierbei um die Gruppen Bayerische - BLOODY MINDS (Immenstadt) Skinhead-Bands - BURNING HATE (Raum Oberfranken) - NOISE OF HATE (Amberg) - BRAUNE BRÜDER (Hof) - FELDHERREN (München) - STIEFELJUNGS (München) - FAUSTRECHT (Mindelheim) - PRIDE'N PAIN (Babenhausen, Landkreis Unterallgäu) - SOKO 18 (Franken) - DAMAGE INCORPORATED (Aschaffenburg) - WEISSER RÜCKSCHLAG (Unterneukirchen, Landkreis Altötting). Skinhead-Musik wird von elf rechtsextremistischen Tonträgervertrieben in Bayern angeboten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 131 Die Zahl der begonnenen und tatsächlich durchgeführten Skinhead-KonDeutlicher zerte in Bayern verringerte sich deutlich gegenüber dem Vorjahr von 26 Rückgang der auf neun Konzerte. Die Teilnehmerzahlen lagen zwischen 20 und 200 Konzerte Personen. Ursächlich für den starken Rückgang der Musikveranstaltungen im Jahr 2007 ist zum einen die Schließung der von Rechtsextremisten betriebenen Gaststätte "Lokalbahn" in Wunsiedel, die im Jahr 2006 häufig als Veranstaltungsort gewählt worden war; zum anderen üben die Sicherheitsbehörden einen intensiven Überwachungsdruck aus, wodurch sich für die Veranstalter die Vorbereitung und die tatsächliche Durchführung der Skinhead-Konzerte immer schwieriger gestaltet. Einige Veranstaltungen konnten beispielsweise durch ein Zusammenwirken Verhinderung von von Sicherheitsbehörden und Saalvermietern verhindert werden. Die Veranstaltungen Organisation der Konzerte erfolgt immer konspirativer. Sie werden von den Veranstaltern als private Tanzabende bzw. Plattenpartys oder als Geburtstagsfeiern ausgegeben, um ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden zu erschweren. Die Teilnehmer werden durch persönlich ausgehändigte oder per Post zugestellte Einladungskarten informiert oder vor Beginn des Konzertes ohne nähere Angaben zum eigentlichen Veranstaltungsort in eine bestimmte Region gelotst. Erst unmittelbar vor Beginn wird die konkrete Örtlichkeit z.B. per SMS bekannt gegeben. Rechtsextremisten nutzen die verbindenden Elemente zu anderen Subkulturen, z.B. der Gothic-Szene, um deren Anhänger für die NS-Ideologie zu gewinnen oder um rechtsextremistische Tendenzen in diese Subkulturen zu tragen. Insbesondere Teile der Black Metal-Szene weisen eine historisch gewachsene Verbindung zum Rechtsextremismus auf. Gemeinsamkeiten bestehen in der Ablehnung des Christentums (Stichwort "Odin statt Jesus"), in der Berufung auf die nordische Göttermythologie mit ihrer Runen-Symbolik sowie einem elitären Sozial-Darwinismus. Allerdings ist die Black Metal-Szene weitgehend unpolitisch. Daher hat sich für den rechtsextremistischen Teil dieser Szene der Begriff NS Black Metal NS Black Metal eingebürgert. Gemeinsame Schnittmenge der NS Black Metal-Szene mit der rechtsextremistischen Szene sind dabei wiederum die Glorifizierung des Heldentums oder die Auferstehung eines germanischen Reiches. Beide Merkmale entsprechen dem Weltbild der Nationalsozialisten. Einige Vertreter des NS Black Metal sehen Adolf Hitler als die Wiedergeburt des Satans, der als Antichrist verehrt wird. Neben reiner Skinhead-Musik werden in der rechtsextremistischen Szene daher auch Konzerte mit NS Black Metal-Musik veranstaltet. Die Texte enthalten Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 132 Rechtsextremismus kaum eindeutige extremistische Aussagen. Politische Botschaften werden vielmehr unverständlich gegrölt oder verschleiert und nur für Insider verständlich dargeboten. Schwerpunkt der NS Black Metal-Szene in Bayern ist der Großraum Nürnberg. Eine Kultband der Black Metal-Szene ist die Band ABSURD aus Thüringen. Der Sänger dieser Band, Henrik Möbus, beging am 29. April 1993 eine satanistisch motivierten Mord an einem 15-jährigen Mitschüler. ABSURD trat beispielsweise am 9. Juni neben den französischen Bands BLESSED IN SIN und FINIS GLORIA DEI bei einem NS Black Metal-Konzert mit 250 Teilnehmern in einer Gaststätte in Gremsdorf, Landkreis Erlangen-Höchstadt, auf. Beispiele für im Berichtszeitraum geplante oder tatsächlich durchSkinhead-Konzerte geführte Skinhead-Konzerte sind folgende Veranstaltungen: Am 31. März fand in Niederlamitz, Landkreis Wunsiedel, ein als Geburtstagsfeier ausgegebenes Skinhead-Konzert u.a. mit der Band PROPAGANDA aus Baden-Württemberg statt, das etwa 130 Rechtsextremisten besuchten. Da die Saalanmietung unter falschen Angaben bei der Gemeinde erfolgte, wurde der mündliche Mietvertrag vom Zweiten Bürgermeister aufgelöst. Die Teilnehmer verließen unter Anwesenheit starker Polizeikräfte den Veranstaltungssaal. Ein ebenfalls als Geburtstagsfeier veranstaltetes Skinhead-Konzert fand am 14. April in einer ehemaligen Diskothek im Markt Jettingen-Scheppach, Landkreis Günzburg, statt. Vor etwa 150 Teilnehmern trat u.a. die Skinhead-Band FELDHERREN auf. Zu der geschlossenen Veranstaltung waren schriftliche Einladungen verteilt worden, die beim Einlass vorgezeigt werden mussten. Vor 200 Besuchern traten am 26. Mai in Amberg die Skinhead-Bands NOISE OF HATE, FELDHERREN und SPREEGESCHWADER aus Berlin bei einer angeblichen Geburtstagsfeier auf. Der große Zuspruch der Szene resultierte u.a. aus einem für denselben Abend geplanten, aber nicht durchgeführten Skinhead-Konzert in Bayreuth. Dort war der Vermieter der Veranstaltungsörtlichkeit nach Aufklärung durch die Polizei vom Mietvertrag zurückgetreten, so dass den bereits anwesenden Konzertbesuchern Platzverweise erteilt worden waren. Daraufhin reisten Teilnehmer von Bayreuth nach Amberg an. Aufgrund der Überfüllung des Lokals wurde sowohl den Mitgliedern der Skinheadband CHERUSKER aus Osnabrück als auch weiteren Interessenten der Zutritt zum Veranstaltungslokal von den Veranstaltern verwehrt. Da das Konzert nicht wie erforderlich angemeldet worden war, wurde gegen die Verantwortlichen Anzeige erstattet. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 133 Ein für den 7. Juli geplantes Skinhead-Konzert im Ortsteil Druisheim hat das Ordnungsamt der Gemeinde Mertingen, Landkreis Donau-Ries, verboten. Die Veranstaltung war als private Geburtstagsfeier angemeldet worden. Ursprünglich sollte die britische Skinhead-Band AVALON vor etwa 100 geladenen Gästen auftreten. Da jedoch im Vorfeld der Veranstaltung bekannt wurde, dass auch die Schweizer Skinhead-Band INDIZIERT sowie die Münchner Skinhead-Band FELDHERREN auftreten sollten, lagen tatsächlich Anhaltspunkte dafür vor, dass die vom Ordnungsamt getroffenen Auflagen nicht erfüllt und die Veranstaltung einen öffentlichen Charakter erhalten würde. Das Ordnungsamt widerrief die Genehmigung und die Polizei sperrte die Örtlichkeit vor Veranstaltungsbeginn ab. Daraufhin trafen sich etwa 200 Personen, die größtenteils der rechtsextremistischen Skinhead-Szene zugeordnet werden konnten, in einer Gaststätte in Neusäß, Landkreis Augsburg. In einem Landgasthof in Halsbach, Landkreis Altötting, wurde am 1. September ein Skinhead-Konzert veranstaltet, das im Vorfeld als "Nordmanns Musikantenstadel" angekündigt worden war. Hinter der Bezeichnung "Nordmann" steht der NPD-Funktionär und Neonazi Norman Bordin, der mit 150 Gästen, die eine persönliche Einladungskarte vorzeigen mussten, seinen Geburtstag feierte. Es spielten u.a. die Skinhead-Bands FELDHERREN, SPREEGESCHWADER aus Berlin und BURNING HATE. Die Polizei führte intensive Kontrollen im Umfeld der Veranstaltung durch. 4.6 Skinhead-Magazine Die Fan-Magazine der Skinhead-Szene, auch "Fanzines" oder "Zines" "Fanzines"/"Zines" genannt, beschäftigen sich mit den Aktivitäten rechtsextremistischer Skinhead-Bands und enthalten ausführliche Rezensionen sowie Bestelladressen für Tonträger, andere Fanzines und diverse Szene-Artikel, wie z.B. T-Shirts, Buttons oder Aufkleber. Die Fanzines werden auch im Internet veröffentlicht. Zuletzt erschienen die Fanzines "Wunsiedler Feldpost" und "Wunsiedler Widerstand" in unregelmäßigen Abständen. Durch die Veröffentlichungen im Internet verlieren Fanzines immer mehr an Bedeutung. 5. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 5.1 Gewalttaten Bundesweit waren von insgesamt 1.921 (2006: 2.004) extremistischen Gewalttaten 980 (2006: 1.047) rechtsextremistisch motiviert. In Bayern Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 134 Rechtsextremismus Anstieg der ist die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten von 47 im Gewaltdelikte Jahr 2006 auf 82 gestiegen. Von den 82 Gewaltdelikten waren 43 in Bayern (2006: 27) fremdenfeindlich und 38 (2006: 18) allgemein neonazistisch motiviert. Einer (2006: zwei) Gewalttat lag eine antisemitische Motivation zugrunde. Von den 38 allgemein neonazistisch motivierten Gewalttaten wurden 20 Fälle gegen politische Gegner registriert (2006: zwölf). Gewaltpotenzial Die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten waren überwiegend der Skinheads der äußerst gewaltbereiten Skinhead-Szene zuzurechnen. Von 158 ermittelten Tatverdächtigen gehörten 114 der Skinhead-Szene an. 101 Tatverdächtige waren zur Tatzeit jünger als 21 Jahre. Der Anteil der erstmals in Erscheinung getretenen Gewalttäter lag bei 49 % (78 Tatverdächtige). Die Gewalttaten wurden größtenteils nicht von Einzeltätern begangen, vielmehr entstand der Tatentschluss vielfach spontan aus gruppendynamischen Prozessen, gefördert durch Alkohol und Musik mit rechtsextremistischen Texten. Räumliche Schwerpunkte waren die Großstadtregionen München, Nürnberg und Regensburg. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttäter sind überwiegend nicht in politischen Gruppen oder Parteien organisiert. Eine überregionale Steuerung durch rechtsextremistische Organisationen konnte in keinem Fall festgestellt werden. Das typische Ablaufmuster für rechtsextremistisch motivierte Gewalt ist gleich geblieben: Nach gezielten anfänglichen Provokationen der Angreifer kommt es bei geringstem Anlass zu Tätlichkeiten und massiver Gewaltanwendung gegen die Opfer. Einzelfälle Beispiele für die im Berichtszeitraum verübten Gewalttaten sind folgende Vorfälle: Am 30. Januar stand ein 34-jähriger äthiopischer Staatsangehöriger auf einer Rolltreppe am U-Bahnhof Hohenzollernplatz in München auf der linken Seite. Als er von einer Frau angesprochen wurde, die an ihm vorbei gehen wollte, erklärte er, dass er nicht ausweichen könne, da sich zu viele Personen auf der Rolltreppe befänden. Daraufhin wurde er von einem 44-jährigen deutschen Arzt von hinten an den Haaren gezogen und mit Ellenbogenstößen ins Gesicht sowie in den Bauch attackiert. Als der Äthiopier den Täter aufforderte, auf die Polizei zu warten, äußerte dieser "Neger haben keine Rechte". Ein 15-jähriger Skinhead beleidigte am 20. Februar in einem Warenhaus in Cham einen schwer gehbehinderten polnischen Schüler mit dem Wort "Krüppel" und versetzte ihm einen Schlag auf den Rücken. Daraufhin stürzte der Angegriffene gegen ein Warenregal. Derselbe Täter belästigte den Schüler am 19. März in Weiding, Landkreis Cham, an Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 135 einer Bushaltestelle erneut, indem er auf den Aufnäher an seiner Bomberjacke mit der Aufschrift "Ich bin stolz ein Deutscher zu sein" zeigte. Danach bespuckte er den Schüler ein paar Mal und schlug ihn auf den Hinterkopf. Außerdem beleidigte der Skinhead sein Opfer mit den Ausdrücken "Krüppel" und "Pollack". Das Jugendschöffengericht beim Amtsgericht Cham verurteilte den Skinhead mit Entscheidung vom 20. Juni zu einem Dauerarrest von vier Wochen und 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Am 2. März verweigerte ein Mitarbeiter der Herzogsägmühle in Peiting, Landkreis Weilheim-Schongau, einem alkoholisierten 24-jährigen Mann in Begleitung seiner Mutter die Unterkunft in der Einrichtung. Der Abgewiesene trat daraufhin mit seinen Stiefeln auf den Mitarbeiter ein und beschimpfte ihn dabei aufgrund des Familiennamens als "Drecksjude". Drei unbekannte Jugendliche, die vermutlich der Skinhead-Szene angehören, unterhielten sich am 10. März in einem Bus in Oberasbach, Landkreis Fürth, über die Verteilung von so genannten Schulhof-CDs der NPD. Zwei 16-jährige Schüler, die mit dem Rücken zu der Skinhead-Gruppe im Bus saßen, äußerten diesen gegenüber, dass sie gegen Nazis und gegen das Verteilen von rechtsradikalem Material seien. Daraufhin wurden die beiden Schüler von einem Skinhead mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Nach einer "Hitler-Geburtstagsfeier" in der Nacht vom 20. auf den 21. April in Passau gerieten zwei Personengruppen mit rechtsbzw. linksextremistischer Gesinnung in Streit, in dessen Verlauf ein 17-jähriger Skinhead einen ebenfalls 17-Jährigen zu Boden schlug und diesen nötigte, auf den Ausruf "Sieg" mit "Heil" zu antworten. Ein weiterer Skinhead stiftete seinen Kameraden mehrmals dazu an, auf seinen Gegner weiterhin einzuschlagen. Der Angegriffene wurde bei der Auseinandersetzung mehrmals mit Stiefeln getreten und so heftig gegen die Eingangstüre eines Fotogeschäfts gestoßen, dass die Türe beschädigt wurde. Die tatverdächtigen Skinheads waren zur Tatzeit alkoholisiert. Am 31. Juli fuhren zwei 39 und 44 Jahre alte Münchner sowie eine etwa 40-jährige Frau nachts in der S-Bahn, zeigten den Hitlergruß und riefen abwechselnd "Sieg" - "Heil". Als ein weiterer Fahrgast nachfragte, was das solle, versetzte ihm der 39-Jährige gezielt Faustschläge ins Gesicht. Ein 24-jähriger NPD-Funktionär hielt sich am 11. August im Jugendzentrum Dorfen, Landkreis Erding, in Begleitung eines weiteren RechtsVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 136 Rechtsextremismus extremisten auf, obwohl dort Rechtsextremisten ein generelles Hausverbot haben. Als der Vorsitzende des Jugendzentrums den NPD-Funktionär bemerkte, forderte er ihn zum sofortigen Verlassen des Jugendzentrums auf. Da dieser nicht reagierte, versuchte der Vorsitzende, den NPD-Funktionär aus dem Gebäude zu drängen. Daraufhin holte der alkoholisierte NPD-Funktionär eine Dose Reizgas hervor und sprühte ihm damit ins Gesicht. Nach einem Streit unter Kameraden der rechtsextremistischen Szene wurde ein 39-jähriger Neonazi am 2. September nachts in München mit einem Pkw vorsätzlich angefahren. Zwei der Rechtsextremisten im Auto im Alter von 19, 27 und 31 Jahren waren alkoholisiert. Am 8. September belästigten drei Skinheads im Alter von 28, 30 und 31 Jahren in München auf einer Rolltreppe am Isartorplatz ein vermutlich türkisches Mädchen und beleidigten es mit Ausdrücken wie "Türkenschlampe - nimm dein Kopftuch und geh zurück - Drecksschlampe - Hure". Danach kam es zu einem Gerangel zwischen den Skinheads und dem Mädchen, wobei es im weiteren Verlauf durch einen Fußtritt am Oberkörper getroffen wurde. Ein Passant, der die streitenden Beteiligten trennen wollte, wurde hierbei ebenfalls von einem Skinhead geschlagen. Drei alkoholisierte Skinheads im Alter von 20 bis 22 Jahren griffen am 16. September in Würzburg vor dem "Punkerhaus" zwei 21 bzw. 29 Jahre alte Punker mit Baseballschlägern an und schlugen auf sie ein. Die Skinheads beschimpften die Angegriffenen außerdem mit Ausdrücken wie "Scheiß Zecken - Scheiß Punker - wir machen euch jetzt kaputt". Im Rahmen der polizeilichen Fahndung konnten die Täter in Tatortnähe festgenommen werden. Zwei unbekannte Täter verteilten am 22. Oktober in München die so genannte "Schulhof-CD" der NPD. Als ein 19-jähriger luxemburgischer Schüler die Annahme der CD ablehnte, wurde er von einem der Täter angegriffen und gegen eine Wand gestoßen; dabei erlitt der Schüler eine Platzwunde an der Stirn. 5.2 Sonstige Straftaten Leichter Rückgang Die Gesamtzahl der in Bayern bekannt gewordenen sonstigen neoder Straftaten nazistischen, antisemitischen und rassistischen Straftaten beträgt 1.771 (2006: 1.866), darunter 230 (2006: 254) fremdenfeindlich motivierte Delikte. Dabei handelte es sich vielfach um Sachbeschädigung, Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung und insbesondere um das Verbreiten von Propagandamitteln bzw. Verwenden von Kennzeichen verfasVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 137 sungswidriger Organisationen (insgesamt 1.300 Delikte). So wurden Hakenkreuze auf Wände und Fahrzeuge gesprüht bzw. geritzt, Parolen wie "Heil Hitler" und "Sieg Heil" gerufen und zahlreiche antisemitische Pamphlete mit strafbaren Texten verbreitet. Des Öfteren verwendeten Neonazis auf dem Display ihres Mobiltelefons NS-Symbole als Standard-Einstellung. Wie auch im Jahr 2006 bedienten sich Rechtsextremisten wiederholt des Short-Message-Systems (SMS) der Mobilfunkbetreiber, um neonazistische Agitation an andere Handy-Besitzer zu übermitteln. Dabei wurden auch Grafiken, Filme und Lieder zu Propagandazwecken versandt. Durch rechtsextremistisch motivierte Ausschreitungen und Schmierereien entstanden Sachschäden von rund 316.000 Euro (2006: etwa 281.000 Euro). Beispiele für die im Berichtszeitraum verübten Straftaten sind folgende Einzelfälle Vorfälle: Am 1. Januar versandte ein 25-jähriger Skinhead aus Münnerstadt, Landkreis Bad Kissingen, eine SMS mit dem Text "Mit dem Öffnen dieser SMS haben Sie einen Türken getötet. Schicken Sie sie bitte weiter, um die Aktion 'Saubere Welt' zu unterstützen! Vielen Dank." Der Israelitischen Kultusgemeinde München ging am 15. Januar ein Schreiben mit einem Kopfbild Adolf Hitlers und dem Hoheitszeichen der NSDAP zu. Das anonyme Pamphlet endete mit den Worten "Wir kämpfen weiter gegen die Verjudung Deutschlands und Europas!" Am 23. Januar beleidigten zwei Skinheads in Neumarkt i.d.OPf. vier Ausländer mit den Worten "Scheiß Kanaken, Ausländer geht in euer Land zurück, Kanaken, dies ist unser Land". Dabei zeigten sie den Hitlergruß und riefen "Heil Hitler" und "Sieg Heil". Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung bedrohte ein Täter die Ausländer mit einem Messer. Im jüdischen Friedhof in Bad Neustadt a.d.Saale, Landkreis Rhön-Grabfeld, wurden Mitte Februar mehrere Grabsteine mit Hakenkreuzen, SS-Runen und Davidsternen besprüht. Zwei Neonazis im Alter von 17 und 18 Jahren warfen Mitte Februar auf dem jüdischen Friedhof in Diespeck, Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim, 63 Grabsteine um, von denen ein Großteil zerbrach. Ferner versuchten sie, in die dortige Leichenhalle einzudringen. An dem in den Friedhof integrierten jüdischen Kriegerdenkmal wurden elf Gedenksteine umgeworfen. Der Sachschaden betrug rund 25.000 Euro. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 138 Rechtsextremismus Im Zusammenhang mit dieser Friedhofschändung in Diespeck wurde aufgeklärt, dass die beiden Täter mit zwei weiteren Tatverdächtigen an einem Brandanschlag auf ein Mehrfamilienhaus in Bad Windsheim am 2. Oktober 2006 beteiligt waren. Das Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohnungen und damals 47 wohnhaft gemeldeten Personen wird überwiegend von Ausländern und russischstämmigen Übersiedlern bewohnt. Damals warfen zunächst unbekannte Täter vier mit einer brennbaren Flüssigkeit gefüllte und mit Lunten versehene Flaschen gegen das Wohnhaus. Einer dieser Molotowcocktails wurde brennend auf die Betonstufe vor die Eingangstüre geworfen. Weitere Flaschen flogen brennend gegen eine Hauswand. Die Brandsätze erloschen von selbst; an der Fassade des Hauses entstand geringer Sachschaden. Verletzt wurde niemand. Unbekannte Täter verbreiteten am 20. April ("Führergeburtstag") in Miltenberg zahlreiche Bilder von Adolf Hitler in Parteiuniform mit Hakenkreuzarmbinde. Am selben Tag wurden in Garmisch-Partenkirchen rund ein Dutzend geparkte Pkws mit Hakenkreuzen beschmiert. Der Sachschaden betrug mehrere tausend Euro. Zwei alkoholisierte Deutsche skandierten ebenfalls am 20. April im Münchener Ostbahnhof mehrmals die Parole "SS, SA, Germania". Dabei rempelten sie ausländisch aussehende Passanten an und beschimpften einen Farbigen als "Scheiß-Nigger". Am Abend des 1. Mai zogen rund 25 Rechtsextremisten durch die Fürther Innenstadt. Sie führten schwarz-weiß-rote Fahnen und ein Transparent mit der Aufschrift "JN" mit. Ferner skandierten sie Parolen wie "Hier marschiert der nationale Widerstand" und "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus". Polizeibeamte, die versuchten, den nicht angemeldeten Aufzug aufzuhalten, wurden von den Teilnehmern überrannt. Rund zwölf schwarz gekleidete Neonazis störten am 3. Mai vor der Feldherrnhalle in München eine Veranstaltung zum "Israel-Tag". Sie skandierten die Parole "Juden raus - aus Palästina!". Ein Täter trug eine iranische Fahne und zeigte den Hitlergruß. Die Polizei nahm neun Beteiligte vorübergehend fest, wobei einer der Neonazis "Judenschweine, verpisst euch doch!" rief. Unbekannte Täter besprühten Anfang Juni eine Schule in Kempten mit einem Hakenkreuz und der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS". Ein 19-jähriger rief am 27. Juli in Landshut mehrmals lautstark in der Öffentlichkeit "Sieg Heil" und zeigte den "Hitlergruß". Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 139 Am 7. August wurden von einem 17-jährigen in Langenzenn, Landkreis Fürth, zwei Wandflächen von Einkaufsmärkten mit den Parolen "Deutsches Reich statt BRD" besprüht. Die Buchstaben "S" waren als Sigrunen dargestellt. In Stegaurach, Landkreis Bamberg, befestigte ein 53-jähriger am 15. September öffentlich sichtbar an der Balkontüre eines Mehrfamilienhauses eine Hakenkreuzfahne. Bei einer Hausdurchsuchung stellte die Polizei fest, dass auch die Wohnung des Beschuldigten mit zahlreichen Plakaten und Abzeichen aus der NS-Zeit dekoriert war. Bei einer 22-jährigen Frau wurde am 7. November am Bahnhof in Weiden i.d. OPf. festgestellt, dass sie auf ihrem Rucksack ein 10 x 10 cm großes Hakenkreuz mit schwarzer Farbe aufgemalt hatte. Außerdem waren auf ihrem Handy mehrere Bilder mit Hakenkreuzen und Sigrunen gespeichert. 6. Strafverfahren, Urteile und Exekutivmaßnahmen Das Landgericht Mannheim verurteilte am 15. Februar den als "Holo"Holocaustcaust-Leugner" bekannt gewordenen deutschen Rechtsextremisten Ernst Leugner" Zündel C.F. Zündel wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer bereits die im Gesetz vorgesehene Höchststrafe gefordert; die Verteidiger von Zündel, darunter der Hamburger Rechtsextremist und Beisitzer im NPD-Bundesvorstand Jürgen Rieger, hatten auf Freispruch plädiert. Das Landgericht Mannheim verhängte am 15. März gegen den deutschen Revisionisten Germar Scheerer wegen Volksverhetzung, BeleidiRevisionist gung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener eine GesamtScheerer freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und verfügte die Einziehung des vom Angeklagten verfassten Werks "Vorlesungen über den Holocaust". Das Amtsgericht München verurteilte am 25. Juni einen 26-jährigen Rechtsextremisten aus Gröbenzell, Landkreis Fürstenfeldbruck, zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten ohne Bewährung. Das Gericht hatte gegen ihn bereits am 13. März eine Bewährungsstrafe u.a. wegen rechtsextremistischer Propagandadelikte verhängt. Noch am selben Tag war Propagandader Angeklagte in den Abendstunden durch Zeigen des Hitlergrußes und delikte "Sieg Heil"-Rufen erneut straffällig geworden. Ein Ermittlungsrichter hatte daraufhin am 14. März Haftbefehl wegen Fluchtgefahr erlassen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 140 Rechtsextremismus "HolocaustVon November 2006 bis August 2007 verbüßte der "Holocaust-Leugner" Leugner" Mahler Horst Mahler eine vom Landgericht Berlin am 12. Januar 2005 verhängte Freiheitsstrafe von neun Monaten wegen Volksverhetzung. Da er im November 2006 seinen Wohnsitz nach Bayern verlegt hatte, war er von der Justizvollzugsanstalt Cottbus/Brandenburg in die Justizvollzugsanstalt Bernau verlegt worden. Unmittelbar vor seinem Haftantritt noch in der Justizvollzugsanstalt Cottbus hatte Mahler bei der Verabschiedung von seinen Anhängern "Heil Hitler" gerufen und den Hitlergruß gezeigt. Wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wurde er deshalb vom Amtsgericht Cottbus am 23. November zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Gegen das Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt. Gegen Mahler sind zahlreiche weitere einschlägige Ermittlungsverfahren u.a. wegen Holocaust-Leugnung anhängig. Während eines Interviews mit dem Publizisten Michel Friedman im Oktober provozierte Horst Mahler erneut ein Strafverfahren, das mittlerweile von der Staatsanwaltschaft Landshut eingeleitet worden ist. Er begrüßte seinen Interviewer mit den Worten "Heil Hitler, Herr Friedman", leugnete im Verlauf des Gesprächs wiederholt den Holocaust und bezeichnete Hitler als "Erlöser des deutschen Volks". Zu den Nürnberger Rassegesetzen sagte Mahler: "Sie waren Recht, denn sie waren der Wille des Deutschen Reichs". Mischehen von Deutschen und Türken bezeichnete Mahler als "Gefährdung des deutschen Volks". 7. Revisionismus 7.1 Ziele Versuch einer Der Revisionismus, der die Geschichtsschreibung über die Zeit des DritRehabilitierung ten Reichs ändern will, ist zu einem Bindeglied zwischen den unterdes Nationalschiedlichsten rechtsextremistischen Strömungen geworden. Seinen sozialismus Repräsentanten geht es allerdings nicht um die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern gezielt um die mittelbare Rechtfertigung bzw. Aufwertung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch einseitige, relativierende oder verharmlosende Darstellung des NS-Regimes. Im Mittelpunkt der revisionistischen Agitation stehen die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmords an europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager während des Zweiten Weltkriegs (Holocaust) sowie die Behauptung, Deutschland trage keine Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Auf diese Weise soll das auf seriöser Forschung beruhende Geschichtsbild propaVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 141 gandistisch untergraben werden, um die Deutschen von einem vermeintlich aufgezwungenen "Schuldkomplex" zu befreien. 7.2 Entwicklung und Träger der Revisionismus-Kampagne Revisionismus war von Anfang an eine internationale Erscheinung, wobei der Anstoß zunächst aus Frankreich und den USA kam. Seit Beginn der 50er Jahre erschien eine große Anzahl von Büchern, die den historischen Nachweis führen wollten, dass es entgegen der Feststellung seriöser Forscher und Zeitzeugen keine Tötung von Juden in Gaskammern gegeben habe. Hervorzuheben ist hierbei das 1989 veröffentlichte "Gutachten" des Amerikaners Fred A. Leuchter, wonach es in Auschwitz "Leuchter-Bericht" und einigen anderen Konzentrationslagern aufgrund der technischen Gegebenheiten nicht möglich gewesen sei, Menschen in Gaskammern zu töten. Dieselbe These verbreitete der Diplomchemiker Germar Scheerer, geb. Rudolf, ein ehemaliges REP-Mitglied, in seinem 1994 veröffentlichten, 2001 in Zweitauflage erschienenen und inzwischen indizierten "Gut"Rudolf-Gutachten" achten über die Bildung und Nachweisbarkeit von Zyanidverbindungen in den 'Gaskammern' von Auschwitz". Er hatte sich im Frühjahr 1996 nach einer Verurteilung (u.a. wegen Volksverhetzung) ins Ausland abgesetzt. Aufgrund eines internationalen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Mannheim wurde er am 15. November 2005 von den USA an die deutschen Strafverfolgungsbehörden überstellt. Das Landgericht Mannheim hat den Holocaust-Leugner am 15. März wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das von Scheerer verfasste Werk "Vorlesungen über den Holocaust" unterliegt der Einziehung. Ihm wird vorgeworfen, im Internet und durch Verbreitung von Schriften den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden systematisch geleugnet bzw. verharmlost sowie durch antisemitische Hetze zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung aufgestachelt zu haben. Der wohl bekannteste Vertreter des Revisionismus ist der international agierende britische Schriftsteller David Irving, der 1993 wegen LeugDavid Irving nung des Holocausts verurteilt und aus Deutschland ausgewiesen wurde. Gegen ihn bestehen Einreiseverbote in Australien, Deutschland, Kanada, Österreich und Südafrika. Zuletzt residierte Irving hauptsächlich in Key West/Florida. Am 11. November 2005 wurde er in der Steiermark/Österreich festgenommen. Das Landgericht Wien verurteilte ihn am 20. Februar 2006 wegen Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz zu einer FreiVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 142 Rechtsextremismus heitsstrafe von drei Jahren ohne Bewährung. In der Berufungsverhandlung bestätigten die Richter das Strafmaß, setzten jedoch zwei Drittel der Strafe zur Bewährung aus. Am 20. Dezember 2006 wurde Irving aus österreichischer Haft entlassen und einen Tag später nach Großbritannien ausgewiesen. Das österreichische Innenministerium erwirkte gegen ihn ein lebenslanges Aufenthaltsverbot. Ein weiterer Protagonist des Revisionismus ist der deutsche StaatsangeErnst Zündel hörige Ernst C.F. Zündel, der 1958 nach Kanada übersiedelte. Dort verfasste und versandte er zahlreiche Publikationen, darunter den "Germania"-Rundbrief, der neonazistische und antisemitische Thesen enthielt und über das Internet abrufbar war. Im Internet erschien ferner der Beitrag "Good morning from the Zündelsite", der - so Zündel - monatlich von mehr als 1,2 Millionen Interessenten eingesehen wurde. Dort waren u.a. Bücher, die in Deutschland der Beschlagnahme unterliegen bzw. von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurden, mit vollem Text eingestellt, darunter "Der Holocaust auf dem Prüfstand" von Jürgen Graf und "Starben wirklich sechs Millionen?" von Richard Harwood. Strafverfahren Aufgrund einer Entscheidung des Bundesgerichts in Ottawa schoben die kanadischen Behörden Zündel am 1. März 2005 nach Deutschland ab. Seit dem 8. November 2005 musste er sich vor dem Landgericht Mannheim wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verantworten. Er soll von Kanada und den USA aus über Rundbriefe und seine Internet-Homepage öffentlich den Holocaust geleugnet haben. Zündels Wahlverteidigerin, die sich in einem Antrag auf Einstellung des Verfahrens selbst in volksverhetzender Weise geäußert hatte, wurde am 31. März 2006 wegen Verdachts der versuchten Strafvereitelung vom Prozess ausgeschlossen. Am 15. Februar wurde Zündel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt. Das Urteil ist rechtmäßig, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision von Zündel verworfen hat. Die 1985 in Antwerpen gegründete, in Berchem/Belgien ansässige Vrij Historisch Organisation Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) ist eine der bedeutenOnderzoek (V.H.O.) den Lieferantinnen von revisionistischem Propagandamaterial. Sie verfügt über weltweite Kontakte zu führenden Revisionisten und bietet nahezu alle wichtigen, in Deutschland teilweise beschlagnahmten oder indizierten revisionistischen Veröffentlichungen an. Seit Anfang 1997 gibt die V.H.O. die revisionistische Zeitschrift "Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung" (VffG) heraus. Der Mitbegründer der V.H.O. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 143 Siegfried Verbeke, der zusammen mit seinem Bruder Herbert die V.H.O. betreibt, wurde am 1. November 2005 aufgrund eines Haftbefehls an die deutschen Behörden überstellt und in der Justizvollzugsanstalt Heidelberg inhaftiert. Die Staatsanwaltschaft Mannheim erhob gegen ihn am 30. März 2006 Anklage wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Er soll im Internet und durch Verbreitung von Schriften den nationalsozialistischen Massenmord an Juden systematisch geleugnet bzw. verharmlost haben. Der "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten" (VRBHV) wurde am 9. November 2003 auf Initiative VRBHV von Horst Mahler gegründet. Der Sitz des VRBHV befindet sich in Vlotho/Nordrhein-Westfalen. In der Gründungserklärung heißt es: "Es war der Beginn der großen Lüge, die endgültig zu Fall zu bringen Anliegen unseres Vereins sein wird: Der Auschwitz-Lüge." Dem Verein haben sich zahlreiche Revisionisten angeschlossen. Seit Anfang 2004 existieren die beiden Internet-Seiten "Aufstand für die Wahrheit" und "Reichsbürgerbrief". Auf letzterer Seite ruft Mahler Aufruf zum zum Volksaufstand gegen die von einer Fremdmacht ausgeübte, "talVolksaufstand mudisch" getarnte Gewaltund Willkürherrschaft in Deutschland auf, die jegliche Politik zum Wohle des deutschen Volks und zur Wahrung seiner Würde verhindere. 8. Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus Deutsche Rechtsextremisten unterhalten Verbindungen zu Gesinnungsgenossen im europäischen Ausland, um dort ihre rechtsextremistischen Auslandskontakte Ideologien zu verbreiten. Sie beteiligen sich an Veranstaltungen mit internationalem Charakter, die von Rechtsextremisten aus verschiedenen europäischen Ländern als Forum genutzt werden. Eine Delegation der NPD sowie der "Freien Nationalisten" hat an der diesjährigen Gedenkveranstaltung vom 16. bis 18. November u.a. zu Ehren des 1975 verstorbenen spanischen Diktators Francisco Franco teilgenommen. Insgesamt beteiligten sich daran rund 1.300 Personen, überwiegend Rechtsextremisten aus Spanien, aber auch Vertreter aus Frankreich, Italien, Ungarn, Rumänien und Deutschland. Am 27. Oktober traten anlässlich des "Ian Stuart Donaldson Memorial Festival" in Flandern/Belgien verschiedene international aktive Skinhead-Bands auf. Darunter auch die bayerische Skinhead-Band FAUSTRECHT. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 144 Rechtsextremismus Aber auch ausländischen Rechtsextremisten reisen nach Deutschland, um hier an gemeinsamen Aktionen, Demonstrationen oder Skinhead-Konzerten teilzunehmen. Deutsche rechtsextremistische Gruppierungen weichen zum Teil mit ihren Internet-Auftritten auf ausländische Speicherplatzanbieter aus, die sich Appellen staatlicher und privater Einrichtungen, solche Plätze den Rechtsextremisten nicht zur Verfügung zu stellen, sowie einer Internet als Selbstkontrolle verschließen. Das Internet dient den Rechtsextremisten Plattform als Plattform, um auf internationaler Ebene Kontakte zu pflegen, Informationen auszutauschen und den Nationalsozialismus zu verherrlichen. Der amerikanische Neonazi und Propagandaleiter der NSDAP-AuslandsNSDAP-AO und Aufbauorganisation (NSDAP-AO) Gary Rex Lauck tritt nach wie vor durch die Verbreitung von neonazistischem Gedankengut in Erscheinung. Über die Homepage der NSDAP-AO können Hakenkreuzaufkleber, Fahnen und Abzeichen des Dritten Reichs, Filme und Bücher aus der NS-Zeit (z.B. "Der ewige Jude", "Mein Kampf") sowie CDs mit Marschmusik und Hitler-Reden bestellt werden. Das Angebot enthält ferner Computerspiele wie "KZ-Rattenjagd" und "Anti-Türken-Test" zum kostenlosen Herunterladen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Rechtsextremismus 145 9. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2007 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Parteien einschließlich integrierter Vereinigungen Nationaldemokratische Partei 950 7.200 Deutsche Stimme (DS) Deutschlands (NPD) monatlich, 35.000 28.11.1964, Stuttgart (nach Eigenangaben) Junge Nationaldemokraten (JN) 70 400 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) Funktionärs1967, Nürnberg gruppe Deutsche Volksunion (DVU) 900 7.000 (Publizistische Sprachrohre: 05.03.1987, München siehe DSZ-Verlag) Deutsche Volksunion e.V. (siehe DVU) einschließlich Aktionsgemeinschaften 16.01.1971, München 2. Neonazistische Organisationen und Zusammenschlüsse Anti-Antifa Nürnberg 10 2006, Nürnberg Hilfsorganisation für nationale politische 75 600 Nachrichten der HNG Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) monatlich, 600 02.07.1979, Frankfurt am Main Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) 10 1989, Berlin Kameradschaft Augsburg 15 2004, Augsburg Kameradschaft München 20 2004, München Kameradschaft Main-Spessart 10 2006, Würzburg Sozialrevolutionäre Aktion Regensburg 10 2006, Regensburg Kameradschaftsbund Hochfranken 25 2006, Hof/Wunsiedel Autonome Nationalisten München 20 2005, München 3. Sonstige Organisationen Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 40 500 Das Freie Forum 1960, München vierteljährlich, 1.500 Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V. 30 280 Huttenbriefe - für Volkstum, Februar 1982, Starnberg Kultur, Wahrheit und Recht zweimonatlich, 4.000 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 146 Rechtsextremismus Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2007 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) Schutzbund für das Deutsche Volk e.V. (SDV) 100 September 1981, München Deutsches Kolleg (DK) Funktionärs1994, Berlin / Würzburg gruppe "Bürgerinitiative Ausländerstopp" 15 (BIA-München) 2007, München "Bürgerinitiative Ausländerstopp" Einzel(BIA-Nürnberg) personen 2001, Nürnberg Augsburger Bündnis - Nationale FunktionärsNeues Schwaben Opposition e.V. gruppe unregelmäßig 2001, Augsburg Bürgerbewegung Pro München - patriotisch 20 Bürgerbewegung Pro Münund sozial e.V. chen - patriotisch und sozial 2006, München 4. Skinheads 700 10.000 5. Verlage Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH National-Zeitung/Deutsche (DSZ-Verlag), München Wochen-Zeitung (NZ), wöchentlich, 35.000 Nation Europa Verlag GmbH Nation & Europa - 1953, Coburg Deutsche Monatshefte monatlich, 18.000 Verlag Hohe Warte - Franz von Bebenburg KG Mensch und Maß 1949, Pähl zweimal monatlich, 2.000 VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH Deutsche Geschichte Stegen Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 147 5. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Linksextremismus Das ideologische Spektrum der Linksextremisten reicht von Anhängern Ideologisches des "wissenschaftlichen Sozialismus/Kommunismus" in seiner klassiSpektrum schen Form über Sozialrevolutionäre mit unterschiedlichen diffusen Konzeptionen bis hin zu Anarchisten. Theoretische Grundlagen bilden im Wesentlichen die Werke von Marx und Lenin, aber auch von Trotzki, Stalin, Mao Tse-tung und anderen. Die Bestrebungen der Linksextremisten sind darauf gerichtet, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung zu beseitigen, die sie als kapitalistisch, rassistisch und imperialistisch ansehen. An deren Stelle solle eine sozialistisch-kommunistische Diktatur oder die Anarchie, eine Gesellschaft frei von jeglicher Herrschaft, treten. Diese Bestrebungen sind verfassungsfeindlich, weil die Ziele und oft auch die Mittel, mit denen sie erreicht werden sollen, gegen die grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen. Innerhalb des linksextremistischen Spektrums hat die Bedeutung der so genannten Antideutschen zugenommen. Sie verbinAntideutsche den ein extremes Antifaschismusverständnis mit einer klaren pro-israelischen und pro-amerikanischen Haltung und stehen damit im Gegensatz zu Linksextremisten nach traditionellem Verständnis; gemeinsam ist allen jedoch das Thema Antifaschismus. Die Aktionsformen der Linksextremisten sind breit gestreut. Sie umfasAktionsformen sen öffentliche Veranstaltungen, offene Agitation mittels Zeitungen, der LinksextreFlugblättern, elektronischen Kommunikationsmitteln, ferner Versuche misten der Einflussnahme in "bürgerlichen" Institutionen bis hin zur Beteiligung an Wahlen. Darüber hinaus gibt es Linksextremisten, die politische Gewalt als ein legitimes und geeignetes Mittel sehen, ihre extremistischen Vorstellungen durchzusetzen. In ihrer Propaganda stellen sich Linksextremisten als Vertreter einer hohen Moral, als Kämpfer gegen Unterdrückung und Verfechter von Frieden und sozialer Gerechtigkeit dar. Ihre politische Praxis zeigt jedoch etwas anderes. Sie missachten demokratische Mehrheitsentscheidungen und das Gewaltmonopol des Staates. Sie setzen sich über Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 148 Linksextremismus das Recht der Menschen auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit hinweg, wenn dieses Recht ihren Interessen entgegensteht. Einige der linksextremistischen Gruppierungen bekennen offen, dass ihre Ziele nur unter Anwendung von Gewalt zu erreichen sind. Teilweise verüben sie Gewalttaten oder arbeiten zur Erreichung ihrer Ziele mit Gewalttätern zusammen. Dies verstößt gegen den Grundsatz des Ausschlusses jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft und verletzt, wenn sich die Gewalt gegen Personen richtet, das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Agitationsthemen Die wahren Ziele werden oftmals in Aktionsfelder und Themen eingebunden, die für sich betrachtet nicht extremistisch sind. Durch gewandte Agitation gelingt es Linksextremisten teilweise, den notwendigen Konsens aller Demokraten in der Ablehnung jeder Art politischen Extremismus zu durchbrechen. Für ihre Agitation und Mobilität bei Demonstrationen oder anderen Aktionen nutzen Linksextremisten auch die Vorteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten wie Handy und Internet. Zentrale Agitationsthemen der Linksextremisten waren Neonazismus/Faschismus, Globalisierung, Imperialismus, Auslandseinsätze der Bundeswehr, Rassismus, Asylund Abschiebeproblematik, Arbeitslosigkeit und Sozialversorgung. Daneben unterstützen Linksextremisten weiterhin sozialrevolutionäre Bewegungen im Ausland. 1.2 Entwicklung der Organisationen Anstieg der Die Gesamtzahl der Mitglieder linksextremistischer und linksextremisMitgliederzahlen tisch beeinflusster Parteien und Gruppierungen in Bayern erhöhte sich. Zahl und 2005 2006 2007 Mitgliederstärke linksextremisAnzahl der Organisationen 38 38 40 tischer OrganiMarxisten-Leninisten und sationen in andere revolutionäre Marxisten Bayern Die Linkspartei.PDS, jetzt: DIE LINKE. 500 600 2.200 DKP 500 400 400 Marxistische Gruppe (MG) 700 700 700 sonstige Organisationen 340 360 380 beeinflusste Organisationen 850 850 860 Autonome, Anarchisten und Sozialrevolutionäre 400 500 600 Linksextremisten insgesamt 3.290 3.410 5.140 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 149 Die Zahl der Mitglieder der vormaligen Linkspartei.PDS stieg von rund 600 auf etwa 2.200. Die Zunahme beruht weitgehend auf dem Beitritt Beitritt der WASG der nicht-extremistischen Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die zur Linkspartei.PDS Wahlalternative" (WASG) zur Linkspartei.PDS. Die Mitgliederzahl der DKP verharrte auf dem Vorjahresniveau. Die Zahl der Anhänger autonomer Gruppen stieg auf rund 600 an. Die Autonomen werden von anderen linksextremistischen Organisationen als Bündnispartner für Aktionen akzeptiert. Die Entwicklung der Zahl linksextremistischer und linksextremistisch beeinflusster Organisationen in Bayern und ihrer Mitgliederstärken ist aus der auf der Seite 148 dieses Berichts abgedruckten Übersicht zu ersehen. Erkannte Mehrfachmitgliedschaften sind jeweils nur bei einer Organisation erfasst. 1.3 Nutzung des Internets Seit Ende der 80er Jahre nutzen Linksextremisten elektronische Kommunikationsmedien - zunächst Mailboxen, inzwischen verstärkt das Internet -, um sich selbst darzustellen und die eigenen Parolen, ihre verfassungsfeindlichen Zielsetzungen und Ideen zu verbreiten, ihre KomVerbesserung der munikation zu verbessern sowie den Organisationsprozess und die VerKommunikation netzung in der linken Szene voranzubringen. Die sich aus der technischen Entwicklung ergebenden neuen Verfahren und neuen Informationssysteme werden von Linksextremisten schnell auf die Verwendbarkeit für eigene Zwecke erprobt. Die linksextremistische Szene beteiligt sich auch an demokratischen Kommunikationsstrukturen, beispielsweise Diskussionsforen zu gesellschaftspolitischen Themen (wie Bildungsund Sozialabbau; Fremdenfeindlichkeit) im Internet, um ihre Ideologie zu verbreiten und politischen Einfluss zu gewinnen. Sowohl linksextremistische Parteien und Organisationen als auch Autonome verfügen über eigene Internet-Angebote. Auf ihren Websites Eigene Internetsind die Informationen weltweit abrufbar. Neben professionell struktuAngebote rierten Selbstdarstellungen - auch mit Bild-, Tonund Videobeiträgen - werden in Internet-Portalen Pressemitteilungen, Berichte und Kommentare zu aktuellen Themen, Veranstaltungshinweise, Plakate und Flugblätter sowie umfangreiche Linklisten und Kontaktadressen zur E-MailKommunikation zur Verfügung gestellt. Die autonome Szene sieht in den flexiblen Möglichkeiten der Verschlüsselungstechnik ein geeignetes Instrument gegen staatliche Kontrolle. Zum Teil werden auch über ausländische Anbieter aktuelle Termine, Nachrichten, Diskussionsbeiträge und Publikationen mit teilweise strafbarem Inhalt verbreitet. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 150 Linksextremismus Neben der Verbreitung extremistischen Gedankenguts und der Nutzung von Kommunikationsmöglichkeiten stellt das Internet für LinksextremisElektronische ten auch eine geeignete Plattform für gezielte elektronische Angriffe Angriffe auf den politischen Gegner dar. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Internet-Auftritte der rechtsextremistischen Szene. 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Marxistisch-leninistisch ausgerichtete Organisationen und andere revolutionäre Marxisten bemühen sich weiterhin, durch massive Kritik an den "herrschenden Verhältnissen" und Forderungen nach "Fundamentalopposition" ihren sozialistischen und kommunistischen Zielen näher zu kommen. Dabei gelingt es nur begrenzt, die unterschiedlichen Ideologien und Strömungen zu bündeln. Die Linkspartei.PDS, die nach dem Versuch der Zusammenbruch des SED-Unrechtsregimes einen neuen Weg des Bündelung extre"demokratischen Sozialismus" zu beschreiten vorgibt, versucht, Linksmistischer Kräfte extremisten aller Richtungen auch in der umbenannten Partei DIE LINKE. zu integrieren. 2.1 DIE LINKE., vormals Die Linkspartei.PDS Deutschland Bayern Mitglieder: 69.200 2.200 Vorsitzende(r): Prof. Dr. Lothar Bisky; Eva Bulling-Schröter; Oskar Lafontaine Harald Weinberg Umbenennung der SED: 16./17.12.1989 Umbenennung der Linkspartei.PDS: 16.06.2007 Gründung: 11.09.1990 Sitz: Berlin München Publikationen: "DISPUT"; "TITEL" "UTOPIE-kreativ"; "Mitteilungen der KPF" Die ehemals in der DDR herrschende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hat sich nach der friedlichen Revolution und dem Zusammenbruch ihres Unrechtsregimes nicht aufgelöst. Sie beschloss auf ihrem Sonderparteitag am 16./17. Dezember 1989 in Berlin-Weißensee, Hinweis: Im diesjährigen Verfassungsschutzbericht findet der neue Parteiname DIE LINKE. auch dann Verwendung, wenn er sich auf ältere, nicht abgeschlossene Sachverhalte bezieht, die noch in die Gegenwart reichen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 151 sich in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS)" umzubenennen. Auf einer Tagung des Umbenannte SED Parteivorstands der SED-PDS am 4. Februar 1990 wurde der Parteiname endgültig in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) geändert. Der 1. Parteitag der PDS am 24./25. Februar 1990 bestätigte diese Namensänderung. Anlässlich einer außerordentlichen Tagung des 9. Parteitags am 17. Juli 2005 in Berlin wurde beschlossen, sich in "Die Linkspartei.PDS" umzubenennen. Den Landesverbänden wurde es gleichzeitig Erneute freigestellt, die Zusatzbezeichnung "PDS" zu führen. Im Parteistatut Umbenennungen wurde als Kurzbezeichnung "Die Linke" ebenfalls mit dem Zusatz "PDS" festgelegt. Am 16. Juni 2007 trat die nicht-extremistische Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) der Linkspartei.PDS bei. Beide Parteien bildeten zusammen die Partei DIE LINKE.; sie haben aber noch kein neues verbindliches Parteiprogramm beschlossen. 2.1.1 Ideologische Ausrichtung Die seit dem 30. Mai 2005 geführten Beitrittsverhandlungen zwischen Linkspartei.PDS und der nicht-extremistischen Partei WASG endeten am 16. Juni 2007 mit der Gründung der Partei DIE LINKE. in Berlin. Die WASG trat der Linkspartei.PDS nach den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes bei. Bereits am 24. und 25. März hatten in Dortmund die Delegierten beider Parteien auf parallel durchgeführten Bundesparteitagen die Gründungsdokumente für die neue Partei verabschiedet. Neben einer Bundessatzung, einer Schiedsordnung sowie einer Bundesfinanzordnung wurden auch "Programmatische Eckpunkte" angenommen. Darin spiegeln sich wesentliche Zielund Leitvorstellungen der Linkspartei.PDS wider. Das Eckpunktepapier enthält Formulierungen Eckpunktepapier und strategische Vorstellungen, die die Linkspartei.PDS bereits im Leitantrag des Parteivorstands auf dem Potsdamer Parteitag im Oktober 2004 festgelegt und im "Kooperationsabkommen" vom Dezember 2005 wiederholt hatte. Dazu gehört auch die inhaltliche Wiedergabe des Prinzips des "strategischen Dreiecks", das sich zusammensetzt aus Prinzip des "strateparlamentarischer Opposition und außerparlamentarischem Widergischen Dreiecks" stand sowie "über den Kapitalismus hinaus weisende Alternativen". Die Partei proklamierte eine langfristige Handlungsmaxime, die - ganz im Sinn ihrer Programmatik - im Ergebnis auf eine sozialistische Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung abzielt. Im Beschluss der 1. Tagung des 9. Parteitags am 30. und 31. Oktober 2004 in Potsdam hieß es dazu: "Für sozialistische Politik nach unserem Verständnis bilden Widerstand und Protest, der Anspruch auf Mitund Umgestaltung sowie über den Kapitalismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 152 Linksextremismus hinaus weisende Alternativen ein unauflösbares strategisches Dreieck. Es ist unsere Überzeugung, dass die Gesellschaft verändert werden muss und verändert werden kann - und zwar zum Besseren für die Menschen." Die Verwendung marxistischer Kernbegriffe lässt erkennen, dass die Partei eine ideologische Nähe zum Marxismus-Leninismus sucht. So wird in den "Programmatischen Eckpunkten" mehrfach Bezug auf die "Klasse" bzw. den "Klassenkampf" genommen. Von weit aus größerer, Bekenntnis zum zentraler und elementarer Bedeutung ist jedoch das Bekenntnis zum "demokratischen "demokratischen Sozialismus", wie es bereits im in Chemnitz beschlosSozialismus" senen Parteiprogramm der Linkspartei.PDS vom Oktober 2003 verankert wurde. Diese Gesinnungshaltung ist unerschütterlicher Bestandteil sowie oberster Wesensgehalt der Partei; sie hat auch im programmatischen Gründungsdokument ihren Niederschlag gefunden: "Die Linkspartei.PDS bringt in Übereinstimmung damit ihr historisches Verständnis des demokratischen Sozialismus als Ziel, Weg und Wertesystem und als Einheit von Freiheitsund sozialen Grundrechten ein - niedergelegt in ihrem Chemnitzer Parteiprogramm. (...) Die Ideen des demokratischen Sozialismus stellen zentrale Leitvorstellungen für die Entwicklung der politischen Ziele der Linken dar. (...) Ziel des demokratischen Sozialismus, der den Kapitalismus in einem transformatorischen Prozess überwinden will, ist eine Gesellschaft, in der die Freiheit des anderen nicht die Grenze, sondern die Bedingung der eigenen Freiheit ist. (...) Wir stellen uns bewusst in die Traditionen der Aufklärung und des demokratischen Sozialismus, der großen Emanzipationsbewegungen der Arbeiterinnen und Arbeiter." Mit dem Zusammenschluss von WASG und Linkspartei.PDS zur Partei DIE LINKE. gelang es der Linkspartei.PDS zugleich, wesentliche ideologische und programmatische Inhalte beizubehalten. Die "Programmatischen Eckpunkte" stellen den Vorläufer eines Programms der Partei DIE LINKE. dar. Strömungspartei Die Partei DIE LINKE. versteht sich als linke "Strömungspartei" für sozialinker Kräfte listische Gruppen und Personen, die die bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland kritisieren und ablehnen. Das im Oktober 2003 in Chemnitz verabschiedete - dritte und gegenChemnitzer wärtig noch nicht widerrufene - Parteiprogramm stellt fest, dass die Parteiprogramm Linkspartei.PDS ein Zusammenschluss unterschiedlicher linker Kräfte sei, die - bei allen Meinungsverschiedenheiten - darin übereinstimmten, dass die Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums überwunden werden müsse. Im Programm heißt es dazu weiter: "In ihr (Anmerkung: in der Linkspartei.PDS) haben sowohl Menschen einen Platz, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen und die die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 153 Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu verändern und schrittweise zu überwinden." Die Beseitigung des Kapitalismus, die Überwindung des mit ihm verGegen bundenen politischen Systems der Freiheit und der Demokratie im Sinn Kapitalismus unseres Grundgesetzes sowie die Errichtung einer neuen "sozialistischen Gesellschaft" gehören somit, auch wenn die Revolutionsrhetorik des Marxismus-Leninismus vermieden wird, zu den Zielen der Partei, die vor allem außerparlamentarisch erreicht werden müssten. Das Bekenntnis der Partei zum außerparlamentarischen Kampf und zum Widerstand gegen die "Herrschenden" und die "gegebenen Verhältnisse" ist mit der Grundidee der parlamentarischen repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes unvereinbar. Das programmatische Ziel der Partei ist nach wie vor eine über die Grenzen der bestehenden Gesellschaftsform hinausweisende sozialistische Ordnung. Die Partei vertritt einen konsequenten Internationalismus und ist dem Erbe von Marx und Engels, den vielfältigen Strömungen der revolutioBekenntnis zu nären und internationalen Arbeiterbewegung sowie anderen revolutioMarx und Engels nären und "volks-demokratischen" Bewegungen verbunden und dem Antifaschismus verpflichtet. Die Berufung auf Marx und Engels, die historische Entwicklung der Partei sowie die politische Herkunft ihrer Mitglieder aus kommunistischen Organisationen, insbesondere der SED, müssen auch bei der Auslegung ihrer programmatischen Äußerungen berücksichtigt werden. Die Partei verwendete Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte, die sie auch schon als SED gebraucht hat. Die Realität der DDR bewies jedoch, dass diese Begriffe dort anders, nämlich freiheitsund demokratiefeindlich, definiert waren. Ursache für die andere Interpretation politischer Begriffe ist deren bewusste Umwidmung im Lehrgebäude Umwidmung des Marxismus-Leninismus, in dessen Denkschule die Mehrheit der Parvon Begriffen teimitglieder erzogen wurde. Deshalb besitzen die in ihrer Programmatik verwendeten Begriffe eine Doppeldeutigkeit. Das gegenwärtig gültige Chemnitzer Grundsatzprogramm verfolgt weiterhin dieselbe ideologische Zielsetzung - eine über die Grenzen der bestehenden Gesellschaftsform hinausweisende sozialistische Ordnung - und hält am "Manifest der Kommunistischen Partei", der Lehre von Marx und Engels, sowie an Rosa Luxemburg fest. Obwohl im Programm auf die Erwähnung der bolschewistischen Oktoberrevolution von 1917 verzichtet wird, stellt sich die Partei in die Tradition der revolutionären kommunistischen Arbeiterbewegung und wendet sich "aus historischer Erfahrung" entschieden gegen jegliche Form von "Antikommunismus". Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 154 Linksextremismus Sie ist auch vom gescheiterten Sozialismusversuch der früheren DDR überzeugt. Der Unrechtsgehalt des SED-Regimes wird relativiert; es wird betont, dass der "Aufbau einer besseren Gesellschaftsordnung" für den Osten keiner "Entschuldigung" bedürfe und die "antifaschistisch-demokratischen Veränderungen im Osten Deutschlands und das spätere Bestreben, eine sozialistische Gesellschaft zu gestalten" in Überwindung "berechtigtem Gegensatz zur Weiterführung des Kapitalismus in Westder bestehenden deutschland" gestanden hätten. Im Bestreben um das gesellschaftliche GesellschaftsEndziel kämpft die Partei für die Überwindung der als "Kapitalismus" ordnung diffamierten bestehenden Gesellschaftsordnung. 2.1.2 Entstehung der Partei DIE LINKE. durch den Beitritt der WASG Auf der 2. Tagung des 10. Bundesparteitags der Linkspartei.PDS am 24. und 25. März in Dortmund beschlossen die Delegierten, mit der nicht-extremistischen WASG zu fusionieren. Obwohl beide Parteien von einer Fusion bzw. Vereinigung sprachen, handelte es sich tatsächlich um einen Beitritt der WASG zur Linkspartei.PDS, der nach den rechtlichen Voraussetzungen des Umwandlungsgesetzes vollzogen wurde. Mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit verabschiedeten die Parteitagsdelegierten die "Programmatischen Eckpunkte", die Satzung sowie die Finanzund Schiedsordnung der neuen, linken Partei. Mit 96,9 % der Stimmen nahmen sie den "Verschmelzungsvertrag" an. Der Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky verteidigte in seiner Eröffnungsrede das Ziel des Sozialismus: "Wir gehen als demokratische Sozialistinnen und demokratische Sozialisten in Sozialismus die neue Partei. Das ist das Fazit unserer Geschichte. Das ist der Kern unserer als Ziel Identität." Er bekräftigte, dass die Debatte über sozialistische Ideen weiter geführt werden müsse. Es bestünde jetzt die Gelegenheit, eine neue demokratisch-sozialistische Tradition zu begründen. Die allseitige Herrschaft des Kapitals über die Arbeit, das Patriarchat und rassistische Unterdrückung hielt er nicht für die endgültige Antwort der Geschichte. Mit Blick auf das Superwahljahr 2009 brachte er seinen Wunsch zum Ausdruck, dass die neue Linke endlich die westdeutschen Landtage erobere. Der Vorsitzende der Linkspartei.PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag, Dr. Gregor Gysi, betonte in seiner Rede, man werde ein neues poliVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 155 tisches Angebot in Deutschland organisieren und um eine demokratisch-sozialistische Gesellschaft kämpfen. Auf dem parallel dazu ebenfalls in Dortmund durchgeführten Bundesparteitag der WASG stimmten 87,7 % der Delegierten sowohl dem "Verschmelzungsvertrag" als auch den "Programmatischen Eckpunkten" und den weiteren Gründungsdokumenten gleichfalls zu. Über den auf beiden Parteitagen verabschiedeten "Verschmelzungsvertrag" - somit über das Zusammengehen beider Parteien - hatten die Mitglieder beider Parteien in der Zeit vom 30. März bis 18. Mai in getrennt durchgeführten Urabstimmungen zu befinden. Von 57.829 bundesweit an der Urabstimmung teilnehmenden Mitgliedern der Linkspartei.PDS stimmten 46.041 einer Fusion zu (1.484 waren dagegen), Urabstimmungen was einem Zustimmungsanteil von 96,9 % entspricht. Von den 11.375 über Zusammenstimmberechtigten Mitgliedern der WASG gaben bundesweit lediglich gehen 5.512 ihr Votum ab. Dabei plädierten 83,9 % der Abstimmenden für den Zusammenschluss beider Parteien. In Bayern nahmen seitens der Linkspartei.PDS 391 Mitglieder an der Urabstimmung teil, von denen sich 354 für die Fusion aussprachen, was einem Zustimmungsanteil von 90,5 % entspricht. 57,8 % der bayerischen Mitglieder der Linkspartei.PDS beteiligten sich an der Abstimmung. Von den stimmberechtigten Mitgliedern der WASG in Bayern votierten über 80 % für eine Vereinigung; die Beteiligung an der Abstimmung lag hier bei 55,2 %. Die 3. Tagung des 10. Parteitags der Linkspartei.PDS wurde am 15. Juni, Letzte Tagung der dem Tag vor dem "Gründungsparteitag" der Partei DIE LINKE., in BerLinkspartei.PDS lin durchgeführt. Die Delegierten befassten sich mit den Ergebnissen der Urabstimmung in Linkspartei.PDS sowie WASG und wählten die Kandidatinnen und Kandidaten der Linkspartei.PDS für die Gremien (Parteivorstand, Bundesschiedskommission und Bundesfinanzrevisionskommission) der Partei DIE LINKE.. Der Vorsitzende der Linkspartei.PDS Prof. Dr. Lothar Bisky kündigte in seiner Parteitagsrede sehr offen an, die Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung der heutigen Bundesrepublik Deutschland überwinden zu wollen: "Ja, wir diskutieren auch und immer noch die Veränderung der Eigentumsund Herrschaftsverhältnisse, und auch das unterscheidet eine neue Partei links von der Sozialdemokratie in Deutschland von anderen. Kurz gesagt: Wir stellen die Systemfrage! Für alle von den geheimen Diensten noch einmal zum Mitschreiben: Die, die aus der PDS kommen, aus der Ex-SED, und auch die neue Partei DIE LINKE. - wir stellen die Systemfrage." Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 156 Linksextremismus Notwendigkeit Im Schlusswort unterstrich der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im eines "SystemDeutschen Bundestag, Dr. Gregor Gysi, die Notwendigkeit eines wechsels" "Systemwechsels": "Wir haben gesagt, aber der Kapitalismus kann nicht die letzte Antwort der Geschichte sein. Wir bleiben Sozialistinnen und Sozialisten, weil wir in die Zukunft schauen. Und wenn wir heute nur die Ökologie nehmen: Eine Wirtschaft, die nur Wachstum kennt, kann sie nicht beherrschen, und deshalb brauchen wir insofern einen Systemwechsel, da hat Lothar recht." Am 16. Juni fand in Berlin der "Gründungsparteitag" der Partei DIE LINKE. statt, nachdem beide Parteien am Vortag Bundesparteitage durchgeführt hatten, auf denen sie u.a. ihre Kandidaten für die Wahlen der neuen Gremien der Partei nominiert hatten. Die insgesamt 796 Delegierten sprachen sich bei nur einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen für die Verschmelzung beider Parteien aus. Bei der Wahl zum aus Wahl des ersten 44 Mitgliedern bestehenden ersten Parteivorstand, der paritätisch je zur Parteivorstands Hälfte aus den Reihen bzw. dem Umfeld der früheren Parteien besetzt werden durfte, brachte die Linkspartei.PDS nahezu geschlossen ihren letzten Parteivorstand ein und sicherte sich wichtige Parteiämter. So wurden Prof. Dr. Lothar Bisky als Parteivorsitzender, Katja Kipping und Katina Schubert als stellvertretende Vorsitzende, Dr. Dietmar Bartsch als Bundesgeschäftsführer sowie Dr. Karl Holluba als Bundesschatzmeister bestätigt. Von den 22 Mitgliedern der Linkspartei.PDS im Vorstand der Partei DIE LINKE. gehörten 19 bereits dem bisherigen - 20 Mitglieder umfassenden - Parteivorstand der Linkspartei.PDS an. Christine Buchholz, Janine Wissler (beide vom bisherigen "Linksruck-Netzwerk"; seit September umbenannt in Netzwerk "marx21") und Thies Gleiss ("internationale sozialistische linke", isl) vervollständigen als Angehörige trotzkistischer Gruppierungen den Anteil der Linkspartei.PDS. Der Vorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky plädierte in seiner Rede für die Suche nach politiSuche nach neuen politischen Alternativen und forderte dazu auf, die schen Alternativen Kapitalismuskritik für gemeinsame Politik zu nutzen: "Eine neue Linke steht für friedliche Proteste, für die demokratische Durchsetzung ihrer Alternativen. (...) Alternativen sind nötig und möglich! (...) Dazu gehören plausible und mitreißende Alternativen, die über den shareholder-value-Kapitalismus hinausweisen." Der gleichberechtigte Parteivorsitzende Oskar Lafontaine unterstrich in seiner Rede, dass die Linke in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung stehe und sich dem Erbe derer verpflichtet fühle, die als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der DDR eingesperrt gewesen seien wie den Kommunistinnen und Kommunisten, die in der Bundesrepublik Deutschland eingesperrt und verfolgt worden seien. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 157 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht seien Leitfiguren der Arbeiterbewegung gewesen. Das repräsentative System in Deutschland und die Demokratie seien in der Krise. Wenn er von demokratischer Erneuerung spreche, dann meine er aber auch, dass Demokratie die Aufgabe der Machtkontrolle Machtkontrolle im Auge haben müsse. Fehlleistungen vergangener als Aufgabe Systeme würden darauf beruhen, dass man zu wenig Machtkontrolle in die politischen Systeme eingebaut hätte. DIE LINKE. sei die einzige Partei, die die Systemfrage aufwerfe. Weiter forderte er eine Stärkung der direkten Demokratie und verteidigte die Idee des Sozialismus: "Wir wollen mitwirken am Aufbau des Sozialismus des 21. Jahrhunderts und unterstützen die Sozialismus-Versuche in Südamerika. (...) Wir laden all diejenigen ein, die am Aufbau des demokratischen Sozialismus mitwirken wollen. Jawohl, es heißt nicht Freiheit statt Sozialismus, es heißt Freiheit und Sozialismus, besser noch: Freiheit durch Sozialismus! Das ist die Formel, hinter der wir uns versammeln!" Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag Dr. Gregor Gysi betonte in der Eröffnungsrede des Parteitags, die Einheit der Linken gehöre zwingend zur Einheit der Deutschen. Mit der Fusion werde die Einheit Deutschlands organisatorisch vollendet. Der Zusammenschluss von Linkspartei.PDS und WASG sei das einzige Beispiel einer wirklichen Vereinigung und nicht eines Beitritts oder eines Anschlusses. Das Grundprinzip seiner Partei verteidigend, hob er hervor, dass der demokratische Sozialismus grundgesetzgemäßer als jede Form von Kapitalismus sei! 2.1.3 Organisation DIE LINKE. ist eine auf Bundesebene organisierte Partei mit Sitz in Berlin. Sie gliedert sich in Landes-, Kreisund Ortsverbände. Bundesweit verfügt sie über rund 69.200 Mitglieder (2006: 60.300). Der Anstieg Anstieg der der Mitgliederzahl ist in erster Linie auf die Fusion mit der WASG und Mitgliederzahl den damit verbundenen Beitritt der überwiegenden Zahl der Mitglieder der WASG zur Partei DIE LINKE. zurückzuführen. Zahlreiche Mitglieder der Partei DIE LINKE. waren früher Mitglieder der ehemaligen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR, darunter auch Mitarbeiter des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). 2.1.4 Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften sowie ähnliche innerparteiliche Zusammenschlüsse sind wesentlich für die Bündnisund Integrationspolitik der Partei. Sie wirken im Rahmen des Statuts in der Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 158 Linksextremismus Partei, können sich eigene Satzungen geben und können ihre poliIntegrale Bestandtischen Ziele in der Partei offen vertreten. Sie sind integrale Bestandteile der Partei teile der Partei. Die Partei DIE LINKE. muss sich deshalb die Tätigkeit der Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften wie auch das Wirken der sonstigen innerparteilichen Zusammenschlüsse sowie die Äußerungen ihrer Mitglieder als Gesamtpartei zurechnen lassen. Plattformen sind in der Regel Zusammenschlüsse mit gemeinsamer Ideologie, während Arbeitsund Interessengemeinschaften themenbezogen auf wichtigen Aktionsfeldern tätig werden. Wichtige Zusammenschlüsse sind das 1995 in Berlin gegründete, orthoMarxistisches dox-kommunistisch ausgerichtete Marxistische Forum (MF) sowie das Forum (MF) bislang als unabhängige Organisation agierende "Linksruck-Netzwerk", das sich unter Umbenennung in Netzwerk "marx21" seit September als eigenes Netzwerk in der Partei definiert. Von den zahlreichen weiteren innerparteilichen Gruppierungen hebt Kommunistische sich insbesondere die Kommunistische Plattform (KPF) der Partei DIE Plattform (KPF) LINKE. ab. Mitglied des Bundeskoordinierungsrats der KPF und Spitzenfunktionärin des Zusammenschlusses ist die Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht, die anlässlich des "Gründungsparteitags" mit einer Zustimmung von 75,2 % der Delegiertenstimmen ihre Bestätigung als Vorstandsmitglied in der Parteiführung fand. Die am 30. Dezember 1989 gegründete KPF der Partei DIE LINKE. - ihr sind etwa 1.000 Mitglieder zuzurechnen - ist eine marxistisch-leninistische Organisation. Sie betrachtet die DKP als natürliche Verbündete und arbeitet auch mit der noch in der DDR gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen. Innerhalb der Partei DIE LINKE. ist die KPF die GrupBekenntnis zum pierung, die sich am deutlichsten zum Kommunismus bekennt. Sie Marxismus-Lenistrebt die Fortsetzung marxistischer und leninistischer Politik, also die nismus Diktatur des Proletariats, an. In ihren Gründungsthesen betonte sie: "Die revolutionäre Arbeiterbewegung mit dem Wissenschaftlichen Kommunismus, mit dem Marxismus-Leninismus, zu verbinden, aufgrund der marxistisch-leninistischen Analyse der realen Gesellschaftsentwicklung Strategie und Taktik zu bestimmen und Politik zu organisieren - ist vornehmste Aufgabe der Kommunisten und sie bleibt es." Nach einer programmatischen Erklärung vom Februar 1994, verfasst von drei Sprechern der KPF, bildet der Wissenschaftliche Kommunismus, wie er durch Lenin, Luxemburg, Gramsci, Trotzki, Bucharin oder Mao Tse-tung weiterentwickelt worden ist, die Grundlage für die Politik der KPF. Ziel der KPF sei die revolutionäre Transformation der alten, der Klassengesellschaft, in eine neue, klassenlose Gesellschaft. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 159 Die KPF strebt eine enge Zusammenarbeit mit anderen kommunistischen Parteien und Organisationen an und sucht die Beteiligung an außerparlamentarischen Initiativen, insbesondere in dem von ihr in kommunistischer Ideologie verstandenen Antifaschismus. Am 14. April veranstaltete die KPF in Berlin die 2. Tagung der 13. BundesTagungen der konferenz. Neben einer friedenspolitischen Diskussion, Fragen zum 13. BundesUmgang mit der eigenen Geschichte und einer Debatte über die Zugekonferenz hörigkeit der KPF zur Partei DIE LINKE. beschlossen die Delegierten die "Schwerpunktaufgaben der KPF in den nächsten Monaten". In dem Beschluss wurde u.a. bestimmt, sich an der Weiterführung des Verschmelzungsprozesses von Linkspartei.PDS und WASG zur neuen Linken als sozialistischer Partei aktiv zu beteiligen. Der Kampf um "unverzichtbare Positionen" - wie beispielsweise das sozialistische Ziel, "Unverzichtbare der Umgang mit bisherigen Erfahrungen des Sozialismus sowie weitere Positionen" Überlegungen zum Sozialismusbild - im neuen Programm der Partei DIE LINKE. sei von besonderer Bedeutung. An der politisch-organisatorischen Festigung der KPF müsse weiter gearbeitet werden. Die Zusammenarbeit mit marxistisch orientierten Kräften innerhalb und außerhalb der Partei sei zu intensivieren, die Solidarität mit dem sozialistischen Kuba zu vertiefen. Außerdem soll die aktive Arbeit auch mit antifaschistischen Bündnissen weitergeführt werden. Auf der 3. Tagung der 13. Bundeskonferenz der KPF am 10. November in Berlin stellten die Delegierten in dem Beschluss "Wir bleiben, was wir waren und sind: In der Partei DIE LINKE. organisierte Kommunistinnen und Kommunisten" ihren Status als Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei DIE LINKE. heraus und erklärten, in der anstehenden Programmdebatte der Partei zentrale Sozialismuspositionen verteidigen zu wollen. Man werde sich sowohl für eine vorurteilsfreie Analyse des Sozialismus im 20. Jahrhundert als auch für eine notwendige Debatte über den Sozialismus einsetzen und dabei die eigene Position unterstreichen, dass "dieser historisch legitim war und ist". Das Ziel sei "der Sozialismus, in dem die unerlässliche Demokratie ihre Basis in Eigentumsverhältnissen hat, die gewährleisten, dass die Profitmaximierung nicht mehr das Maß aller Dinge ist". Ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt der eigenen politischen Arbeit sei die antifaschistische Bündnisarbeit. An der Seite der VVN-BdA und anderer Antifaschistische antifaschistischer Kräfte werde man aktiv "für ein Verbot der NPD Bündnisarbeit mitsamt ihren Gliederungen, Nebenund Nachfolgeorganisationen" Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 160 Linksextremismus wirken. So wie die KPF Nationalismus strikt ablehne, sei ihr der "Internationalismus ein hohes Gut". Seit Dezember ist in Bayern ein landesweiter Zusammenschluss der KPF bekannt. 2.1.5 Jugendverband Linksjugend ['solid], vormals ['solid] Am 19. Juni 1999 wurde in Hannover der Jugendverband ['solid] - die sozialistische Jugend gegründet. Der Name steht für "sozialistisch, links und demokratisch". Anlässlich der 1. Tagung des 8. Parteitags vom 12. bis 13. Oktober 2002 in Gera erklärte der Parteivorstand der Linkspartei.PDS in seinem Tätigkeitsbericht: "Der Parteivorstand erkannte per Beschluss ['solid] als den PDS-nahen bundesweiten Jugendverband an und unterstützte ihn materiell und ideell." In Vorwegnahme auf die aus der Fusion von Linkspartei.PDS und der nicht-extremistischen Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) entstehende Partei DIE LINKE. fand ein "Neuformierungskongress" im Rahmen der vom 18. bis 20. Mai in Berlin durchgeführten 9. Bundesdelegiertenkonferenz des Jugendverbands ['solid] Gründung eines statt, wobei am letzten Tagungstag die Gründung von "Linksjugend neuen Jugend['solid]" als bundesweiter parteinaher Jugendverband vollzogen wurde; verbands der neue Verband trat somit die Rechtsnachfolge von ['solid] an. Die Konferenzteilnehmer beschlossen mit einer knapp erreichten Zweidrittelmehrheit eine neue Satzung und wählten einen neuen BundessprecherInnenrat (Vorstand). Unter den 14 Angehörigen (darunter vier aus Bayern) dieses höchsten Organs des Jugendverbands zwischen den Bundesdelegiertenkonferenzen befinden sich überwiegend bisherige Funktionäre und Mitglieder von ['solid] und der Linkspartei.PDS, so auch der frühere ['solid]-Bundessprecher Victor Perli. Sitz der Bundesgeschäftsstelle des Verbands ist die Zentrale der Partei DIE LINKE. in Berlin. Eigenen Angaben zufolge definiert sich die Organisation als ein sozialistischer, antifaschistischer, basisdemokratischer und feministischer Jugendverband. Er greife in die gesellschaftlichen Verhältnisse ein und sei Plattform für kapitalismuskritische, selbstbestimmte und rebellische Politik. Als Teil emanzipatorischer Bewegungen suche er die Kooperation mit anderen BündnispartnerInnen. Der Jugendverband strebe eine enge Zusammenarbeit mit gleichgesinnten politischen JugendstrukAufgaben und turen auf internationaler und insbesondere auf europäischer Ebene an. ArbeitsschwerIm Mittelpunkt der Tätigkeit des Jugendverbands würden politische punkte Bildung, der Eintritt in eine politische und kulturelle Offensive und die Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 161 politische Aktion stehen. Als parteinaher Jugendverband sei die Linksjugend ['solid] die Jugendorganisation der Partei DIE LINKE. und wirke als Interessenvertretung linker Jugendlicher in die Partei. DIE LINKE.SDS (vgl. auch Nummer 2.1.6 dieses Abschnitts) ist Bestandteil des neuen Jugendverbands. In einem bislang nicht verabschiedeten Entwurf für eine "ProgrammaEntwurf einer tische Erklärung" vom 20. April unter dem Titel "Für einen starken lin"Programmatischen ken Jugendverband!" wird ausgeführt, dass die Überwindung kapitalisErklärung" tischer Produktionsund Herrschaftsverhältnisse notwendig sei, um das Ziel, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, zu erreichen. Die Kapitalismuskritik nehme die undemokratischen Produktionsund Verteilungsmechanismen in den Blick. Weiter wird erklärt: "Wir nennen es Sozialismus oder Kommunismus, andere nennen es Anarchismus oder schlicht eine bessere Welt - nenne es wie du willst: wofür wir kämpfen, ist eine freiheitliche Gesellschaft jenseits von Kapitalismus. (...) Linke Organisierung ist für uns kein Hobby oder eine jugendliche Phase, sondern notwendiger Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse." Der Verband sei Teil des politischen Blocks der LINKEN - der Bewegung für Demokratie und Sozialismus. Harte Kritik gegenüber der Linkspartei sei genauso selbstverständlich wie eine solidarische Zusammenarbeit. Man arbeite für eine vernetzte, breite Linke, die die Kraft besitze, die Gesellschaft tatsächlich zu verändern. Der Jugendverband ['solid] verfügt in Bayern über einen Landesverband mit zahlreichen Ortsgruppen. Am 1. Juli löste sich die Ortsgruppe Erlangen auf. In München gründete sich am 28. Juli die Ortsgruppe München der Linksjugend ['solid]. Die Zahl der Mitglieder im Landesverband Bayern der Linksjugend ['solid] beläuft sich auf rund 600 Personen. 2.1.6 Die Linke. Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband (DIE LINKE.SDS) Vom 4. bis 6. Mai gründeten in Frankfurt am Main rund 100 Personen, Gründungsdarunter Vertreter von 34 Hochschulgruppen, den neuen Hochschulkonferenz verband "Die Linke. Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband" (DIE LINKE.SDS). Im Rahmen dieser Gründungskonferenz wurden ein 12-köpfiger Vorstand gewählt sowie ein Programm und eine Satzung verabschiedet. In der Präambel der Satzung bekennt sich der neue Hochschulverband "zu den Grundsätzen der Partei DIE LINKE." und des Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 162 Linksextremismus Jugendverbands "Linksjugend ['solid]" (vgl. auch Nummer 2.1.5 dieses Abschnitts). Zugleich betrachtet er sich als eine Arbeitsgemeinschaft Verabschiedetes dieses Jugendverbands. Im verabschiedeten Programm - als "SelbstProgramm verständnis des Studierendenverbands DIE LINKE.SDS" bezeichnet - heißt es: "Als Hochschulverband streiten wir für Sozialismus, ... Wir kämpfen gegen den marktradikalen und antidemokratischen Umbau der Gesellschaft, gegen Sozialabbau, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung aller Art, gegen Krieg und Umweltzerstörung. Diese Ziele sind nur durch eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft zu realisieren. Der Kapitalismus ist für uns nicht das Ende der Geschichte. Wir stehen für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und stellen ihr unsere handlungsbestimmende Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft entgegen." Für die Einführung des allgemeinpolitischen Mandats werde man kämpfen. Dazu gehörten auch die Verankerung kritischer Wissenschaft und Freiräume für Diskussionen über kritische, linke und marxistische Theorie an der Hochschule. Andere linke Hochschulgruppen und GewerkZusammenarbeit schaften seien "wichtige Akteure", mit denen zusammengearbeitet mit "wichtigen werden soll. Auch mit antifaschistischen Gruppen sehe man sich verAkteuren" bunden. Die organisatorische und politische Verbundenheit zur "Linksjugend ['solid]" drücke sich sowohl in einer engen Zusammenarbeit als auch in einer gegenseitigen Unterstützung aus. Ungeachtet des positiven Bezugs zur neuen Partei DIE LINKE. werde man jedoch auf der eigenen politischen und organisatorischen Autonomie beharren, eigene politische Positionen gegenüber der Partei offensiv vertreten, intellektuelle Freiräume bewahren und bildungspolitische Forderungen in die Partei einbringen. Sollte sich der Studierendenverband auflösen, würde das Vermögen satzungsgemäß an die Partei DIE LINKE. gehen. Der Sitz des Verbands ist Berlin. Als Organ des Linke.Hochschulgruppennetzwerks erscheint Hochschulzeitung die Zeitung "DIE LINKE. Campus". In Bayern ist der Studierendenverband bislang in den Städten Augsburg, Bamberg, Erlangen, München, Nürnberg und Regensburg organisiert. 2.1.7 DIE LINKE. Bayern, vormals Linkspartei.PDS Landesverband Bayern Organisation Die in Bayern seit dem 11. September 1990 bestehende Linkspartei.PDS in Bayern setzte sich aus dem Landesverband, zahlreichen Kreisverbänden und Basisorganisationen zusammen. Die Fusion von Linkspartei.PDS und WASG auf Bundesebene (vgl. auch Nummer 2.1.2 dieses Abschnitts) Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 163 war Anlass, im Rahmen eines Landesparteitags am 15. September in Zirndorf den Landesverband Bayern der Partei DIE LINKE. zu gründen. Neben dem Landesverband existiert eine Reihe von Kreisund Ortsverbänden. Der Sitz des Landesverbands Bayern befindet sich in München. Für einige örtliche Strukturen bestehen Kontaktund Anlaufadressen. In Bayern erhöhte sich die Zahl der Parteimitglieder von etwa 600 auf Anstieg der rund 2.200 beitragspflichtige Personen. Dies ist in erster Linie auf die Mitgliederzahl Fusion der Landesverbände von Linkspartei.PDS und WASG zurückzuführen. Vor dem Hintergrund des bevorstehenden Zusammenschlusses von Linkspartei.PDS und WASG im Bundesgebiet trafen sich am 21. Januar in Hof die Landesvorstände von Linkspartei.PDS und WASG aus Bayern und Sachsen zu einem bayerisch-sächsischen Programmkonvent. Die Bayerischstellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei.PDS und Bundessächsischer tagsabgeordnete Katja Kipping führte dabei aus, dass erklärtes Ziel der Programmkonvent neuen Linken weiterhin der "demokratische Sozialismus" sei. Der bestehende Kapitalismus könne nicht Wesensmerkmal eines historischen Endzustands sein. Die Landesvorsitzende der Linkspartei.PDS Sachsen, Dr. Cornelia Ernst, charakterisierte den Sozialismus als Vision und Wertesystem. Dies gelte es, in Ost wie West zu vermitteln. Die bayerische Landessprecherin und Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter brachte zum Ausdruck, dass engagierte Aufklärungsarbeit über Antifaschismus nach wie vor zu den zentralen Politikfeldern der Linken gehöre. Die Linkspartei.PDS Bayern hielt am 21. Februar in Passau ihr traditionelles Aschermittwochstreffen ab. Vor rund 250 Teilnehmern kritisierte der Vorsitzende der Linkspartei.PDS-Bundestagsfraktion Dr. Gregor Gysi den fortschreitenden Sozialabbau in der Gesellschaft, attackierte insbesondere die Gesundheitsreform und bewertete deren Verlauf als eine "Katastrophe" und als "Akt der Entsolidarisierung". Als weitere Beispiele für den Sozialabbau nannte er das neu eingeführte Elterngeld und die Regelungen zum Arbeitslosengeld. Seiner Meinung nach sei Ziel des Elterngeldes, "dass die Armen weniger Kinder kriegen und die Reicheren mehr Kinder". Die Pläne der Bundesfamilienministerin, mehr Kinderkrippen einzurichten, verglich er mit den Regelungen in der früheren DDR. Dort seien diese Konzepte bereits verwirklicht gewesen. Deutschland habe es versäumt, die positiven Entwicklungen aus dem Osten zu übernehmen. Er hoffe, die Linke sei weiter und wisse, dass der Hauptunterschied nicht der zwischen Ost und West, sondern zwischen Arm und Reich und oben und unten ist. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 164 Linksextremismus Ferner forderte er die Einführung eines Mindestlohns, die Heranziehung sämtlicher Einkommen für die gesetzliche Rente und den Stopp von Privatisierungen. Mit dem Argument, die Linkspartei.PDS müsse öffentlich wahrgenommen werden, rief Dr. Gysi die Genossinnen und Genossen zur Geschlossenheit auf. In Bezug auf die bevorstehende Fusion der Linkspartei.PDS mit der WASG zeigte er sich zuversichtlich, am 16. Juni in Deutschland eine Partei, die 'DIE LINKE.' heißt, zu haben." Die Vereinigung sehe er zugleich als eine Chance für die Linkspartei.PDS in Bayern, bei den Wahlen im kommenden Jahr in den Bayerischen Landtag einzuziehen. Landesparteitage Der Landesverband berief insgesamt vier Landesparteitage ein. Der Landesparteitag am 3. Februar in Regensburg stand ganz im Zeichen der Parteienfusion von Linkspartei.PDS und WASG sowie der Wahlkämpfe für das Jahr 2008. Das bereits auf dem Landesparteitag am 4. November 2006 in Augsburg vorgelegte "Kooperationsabkommen WASG Bayern - Linkspartei.PDS Bayern", das den Verlauf der Fusionsbemühungen von Linkspartei.PDS und WASG auf Landesebene skizziert, wurde nach einem Bericht über den Stand der Parteineubildung verabschiedet. Beide Seiten erklärten in dem Abkommen, auf Grundlage der von beiden Parteivorständen vorgelegten "Programmatischen Eckpunkte" und den Entwürfen der Satzung und Finanzordnung, zum Aufbau einer bayerischen Landesund Kreisstruktur der neuen Partei beitragen zu wollen. Der Beisitzer im Landesverband und Sprecher des Linkspartei.PDS Kreisverbands Freising, Dr. Guido Hoyer, führte hinsichtlich der bevorstehenden bayerischen Kommunalwahlen im März 2008 aus, dass es an der Zeit sei, auch vor dem Hintergund des Zusammengehens mit der WASG, über strukturelle Maßnahmen der Wahlkampfvorbereitungen nachzudenken. Auf dem Landesparteitag am 19. Mai in Nürnberg wählten die Delegierten für die Übergangszeit bis zum Gründungsparteitag am 15. SepKommissarischer tember einen sechsköpfigen kommissarischen Landesvorstand. Die Landesvorstand Landessprecherin und Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter unterstrich in ihrem Rechenschaftsbericht Gemeinsamkeiten mit der WASG. Medienberichten vom 17. September zufolge sollen im Landesverband Umgang mit Bayern seit Jahren Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Parteispenden Parteispenden und der Ausstellung von Spendenquittungen vorgekommen sein. Ein Einzelaktivist des Landesverbands, zugleich Mitglied in einer landesweiten kommunistischen Splittergruppierung, habe über ein Konto bei der Postbank verfügt, auf das schon seit Jahren offiziell Parteispenden Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 165 geflossen sein sollen. Trotz gegenteiliger rechtlicher Bestimmungen soll aber Mitgliedern des Parteivorstands bzw. einem Bevollmächtigten der Zugriff auf dieses Konto verwehrt gewesen sein. Dies sorgte für kontroverse und heftige Diskussionen, nicht nur in der Führungsspitze der Partei. Dabei stand zu keiner Zeit die Arbeit dieser kommunistischen Splittergruppe grundsätzlich zur Diskussion, deren langjährige Tätigkeit von der Parteiführung nicht nur geduldet, sondern auch von Einzelrepräsentanten der Partei, wie der langjährigen Münchner Stadträtin Brigitte Wolf, aktiv gefördert wurde. Die alte sowie neue Landeschefin der Partei und Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter verwies auf Anfragen auf die Zuständigkeit anderer dafür verantwortlicher Funktionäre und Gremien, mithin auf den Landesschatzmeister und die Finanzrevisionskommission. Jene monierten jedoch, dass in dieser Angelegenheit wiederholt die Parteiführung informiert worden sei, jedoch ohne Ergebnis. Aus Protest gegen die Spendenpraxis trat der LandesschatzRücktritt meister Karsten Nissen Mitte des Jahres von seinem Amt zurück. In der des LandesFolge räumte die Landessprecherin ein, von den Vorgängen doch schatzmeisters Kenntnis gehabt zu haben, betonte allerdings, dass das Konto "immer als Parteikonto erfasst, bilanziert und geprüft worden sei". Ob die Vorwürfe berechtigt sind, prüft die Staatsanwaltschaft München. Auch die Bundestagsverwaltung, zuständig für die Kontrolle und Überwachung der Parteispenden, verlangt von der Bundesparteizentrale in Berlin Aufklärung. Auf dem Gründungsparteitag am 15. September in Zirndorf wurde die GründungsVereinigung von Linkspartei.PDS und WASG zur Partei DIE LINKE. Lanparteitag desverband Bayern vollzogen. Die Delegierten wählten einen neuen, in Zirndorf gemeinsamen 20-köpfigen Landesvorstand, der die bisherigen kommissarischen, eigenständigen Landesvorstände ablöste. Als gleichberechtigte Landessprecher wurden die Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter und Harald Weinberg gewählt. Dem aus sechs Mitgliedern Neuwahl des bestehenden geschäftsführenden Landesvorstand gehört auch die langLandesvorstands jährige Aktivistin der trotzkistischen Gruppierung "Linksruck-Netzwerk" (seit September umbenannt in Netzwerk "marx21") Nicole Gohlke an. Der von einigen Delegierten deutlich bekundete Unmut über den Umgang der bayerischen Parteiführung mit der in Presseberichten so bezeichneten Spendenaffäre der Linkspartei.PDS in Bayern fand wenig Beachtung. Die kommenden Kommunal-, Kreisund Landtagswahlen stellten die Delegierten als nächste Herausforderungen für die Partei heraus. Dazu führte die wiedergewählte Vorsitzende aus: "Wir werden diese Wahlen nutzen, um gegen die etablierten Parteien in die Offensive zu gehen und die konservative Dominanz zu brechen." Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 166 Linksextremismus Fortsetzung des Auf der Fortsetzung des Gründungsparteitags (aufgrund der fortGründungsgeschrittenen Zeit war der Zirndorfer Parteitag abgebrochen worden) parteitags am 16. Dezember in Straubing wurden insbesondere die "Eckpunkte für in Straubing die Kommunalund Landtagswahlen in Bayern 2008" verabschiedet. In einer Grußansprache des Bundesvorsitzenden der Partei DIE LINKE., Oskar Lafontaine, wurden die Parteitagsteilnehmer auf den beginnenden Kommunalwahlkampf eingestimmt. Ein den Delegierten mit den Tagungsunterlagen zugegangener Antrag auf Abwahl der bayerischen Landessprecherin wurde noch vor dem Parteitag zurückgezogen. 2.1.8 Teilnahme an Wahlen Wahl zur Bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai errang die LinksBremischen partei.PDS einen Stimmenanteil von 8,44 % (2003: 1,67 %). Damit Bürgerschaft wurde sie viertstärkste Kraft und zog mit sieben Abgeordneten in die Bremische Bürgerschaft ein. Die Partei trat als "DIE LINKE." zur Wahl an. Sie schaffte mit dem Ergebnis den seit der Wende - bislang erfolglos - angestrebten Einzug in ein westdeutsches Parlament. Die Partei DIE LINKE. beabsichtigte, sich bei den bayerischen Kommunalwahlen im März 2008 in mehreren Kommunen zu verankern. So wollte sie insbesondere in den Städten Augsburg, Erlangen, Fürth, Ingolstadt, München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg in die Rathäuser einziehen. Für München hatte sie sich einen Stimmenanteil von 6 % als Ziel gesetzt, in Nürnberg von 4 % bis 5 %. Im Zuge der AufListen für die stellung der Listen hatte die Partei DIE LINKE. sowohl der Deutschen Kommunalwahlen Kommunistischen Partei (DKP) als auch der Sozialistischen Deutschen in Bayern Arbeiterjugend (SDAJ) in verschiedenen Städten und Gemeinden Listenplätze eingeräumt. Nach Angaben der DKP und Auswertung der eingereichten Listen befanden sich in Bayern insgesamt 44 Kandidatinnen und Kandidaten der DKP und SDAJ auf Listen der Partei DIE LINKE. bzw. den "linken Listen". Auf der Liste in München waren neben Angehörigen der Partei DIE LINKE. auch Kandidatinnen und Kandidaten der ehemaligen nicht-extremistischen WASG sowie eine Reihe von Aktivisten verschiedener linksextremistischer Organisationen. Der auch aus autonomen Bezügen bekannte, derzeitige Sprecher der Linksjugend ['solid] Bayern, Stefan Weidinger, kandidierte auf Platz vier. Mit Claus Schreer, einem maßgeblichen Organisator der jährlichen Proteste gegen die Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik, und Sonja Schmid konnte die DKP zwei langjährige Parteiaktivisten auf den Plätzen acht und neun der Stadtratsliste unterbringen; ein weiterer DKP-Funktionär nahm den Platz 40 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 167 ein. Neben zahlreichen Altfunktionären der Partei "DIE LINKE." konnte die trotzkistisch-sektiererische Vereinigung Sozialistische Alternative Voran (SAV) drei eigene Kandidatinnen und Kandidaten durchsetzen. Die Partei DIE LINKE. hoffte, einzelne autonome Akteure für eigene Zwecke mit dem Ziel einer späteren Einbindung in die Partei oder zumindest als Wählerklientel zu gewinnen. 2.1.9 Kommunistischer Internationalismus Im Rahmen der so genannten internationalen Solidarität unterhält die Partei DIE LINKE. vielfältige Verbindungen und Kontakte zu ausländischen kommunistischen Parteien und anderen ausländischen Linksextremisten. Das in Chemnitz im Oktober 2003 verabschiedete und gegenwärtig noch gültige Parteiprogramm nennt dies "InternatioInternationalismus nalismus" und orientiert sich damit an der Idee des Weltkommunismus. Mit der kubanischen Revolution fühlt sich die Partei solidarisch eng verAuslandskontakte bunden, was nicht zuletzt auch in Aufrufen zu Spendenaktionen für das kommunistische Kuba zum Ausdruck kommt. Am Gründungsparteitag der Partei DIE LINKE. am 16. Juni in Berlin nahmen Vertreter von 73 - zum Teil sozialistischen und kommunistischen - Parteien und politischen Organisationen aus 50 Ländern teil. Für den 12. Oktober lud die bayerische Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE., Kornelia Möller, den Funktionär der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), Ernst Kaltenegger, zu einer Vortragsund Diskussionsveranstaltung nach München ein. Seit dem 25. November ist der Vorsitzende der Partei DIE LINKE. Prof. Dr. Lothar Bisky auch neuer Vorsitzender der Partei der Europäischen Vorsitzender der Linken, einem Zusammenschluss von rund 30 Mitgliedsund BeobachPartei der Europäterparteien kommunistischen Zuschnitts oder Ursprungs. ischen Linken 2.1.10 Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten Die Partei pflegt Kontakte zu vielen anderen inländischen linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Gruppierungen sowie zu gewaltbereiten Autonomen und arbeitet mit ihnen zusammen. Wiederholt traten als Anmelder oder Veranstaltungsleiter von autonomen Aufzügen auch Aktivisten der Partei DIE LINKE. in Erscheinung. Am 14. Januar legten aus Anlass des 88. Jahrestags der Ermordung der Veranstaltung Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Rosa Luxemin Berlin Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 168 Linksextremismus burg und Karl Liebknecht, Funktionäre der Linkspartei.PDS traditionell Kränze am Denkmal der ermordeten Kommunisten in Berlin-Friedrichsfelde nieder. Unter den rund 7.000 Teilnehmern des Gedenkmarsches befanden sich auch Angehörige der Linkspartei.PDS und revolutionär-marxistischer Organisationen. Zu den Veranstaltungen hatten insbesondere auch Angehörige der Antifaschistischen Aktion, der Antifaschistischen Linken, der VVN-BdA, der SDAJ, der KPD, der DKP und des Linkspartei.PDS-nahen Jugendverbands ['solid] aufgerufen. An der Tags zuvor XII. Internationale durchgeführten XII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz nahm Rosa-Luxemburgauch der Münchner DKP-Funktionär Leo Mayer teil. Er führte aus, SoziaKonferenz lismus sei nicht nur Wertesystem, sondern eine neue Gesellschaftsformation mit anderen Eigentumsund Machtverhältnissen. Der Marxismus müsse wieder an Attraktivität und in der Linken an Einfluss gewinnen sowie über soziale Bewegungen in die gesamte Gesellschaft kolportiert werden. Aktivitäten Unter dem Motto "Kein Raum für Nazis" nahmen am 20. Januar in in Bayern München etwa 180 Personen, darunter Angehörige der Linkspartei.PDS und der Antifa Jugend München (AJM), an einer antifaschistischen Demonstration teil. Die Protestveranstaltung war von Aktivisten der Linkspartei.PDS angemeldet und geleitet worden. Anlässlich eines Neujahrtreffens der Deutschen Partei - Die Freiheitlichen (DP) am 28. Januar in Fürstenfeldbruck veranstalteten Angehörige der Linkspartei.PDS eine antifaschistische Gegendemonstration, an der sich rund 300 Aktivisten beteiligten. Dabei schwenkten Angehörige der DKP und der AJM Fahnen. Im Zusammenhang mit der 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik beteiligten sich mehrere Tausend Personen an Gegendemonstrationen am 9. und 10. Februar auf dem Marienplatz. Dabei konnten Aktivisten der Linkspartei.PDS, der DKP, der MLPD, der SAV, der SDAJ, der VVN-BdA, der FAU, der Gruppe Anarchisten/Rätekommunisten München, des RSB und von ['solid] festgestellt werden. An einer antifaschistischen Protestaktion gegen eine Mahnwache der NPD am 13. Februar auf dem Münchner Marienplatz nahmen neben etwa 30 Angehörigen der lokalen Antifa-Szene auch Angehörige der Linkspartei.PDS teil. Am 7. April führte die Antifaschistische Aktion Straubing eine Demonstration gegen Rechtsextremismus in Geiselhöring durch. Unter den rund 180 Teilnehmern befanden sich auch Angehörige der autonomen und anarchistischen Szene. Die Protestveranstaltung wurde von einem Funktionär der Linkspartei.PDS geleitet. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 169 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Deutschland Bayern Mitglieder: 4.200 400 Vorsitzender: Heinz Stehr Gründung: 26.09.1968 Sitz: Essen Nürnberg und München Publikationen: "Unsere Zeit" (UZ); "Rundbrief" "Marxistische Blätter" 2.2.1 Ideologische Ausrichtung Die bis zur Wende von der SED der DDR ideologisch und materiell abhängige DKP hat durch das Parteiprogramm vom April 2006 ihre gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung und ihre unveränderte ideologische Ausrichtung bestätigt. Die DKP verUnveränderte steht sich weiterhin als revolutionäre Partei, die in der Arbeiterklasse ideologische jene Kraft sieht, die im Bündnis mit anderen Teilen der Bevölkerung die Ausrichtung Eigentumsund Machtverhältnisse "revolutionär" verändern und den "Sozialismus" durchsetzen kann. In der Präambel des neuen Parteiprogramms heißt es dazu: "Die DKP als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse ist hervorgegangen aus dem Kampf der deutschen Arbeiterbewegung gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Militarismus und Krieg. Sie steht in der Tradition der revolutionären deutschen Sozialdemokratie und der Kommunistischen Partei Deutschlands. (...) Fundament und politischer Kompass der Bekenntnis zu Politik der DKP sind die von Marx, Engels und Lenin begründeten und von Sozialismus und anderen Marxistinnen und Marxisten weitergeführten Erkenntnisse des wisKlassenkampf senschaftlichen Sozialismus, der materialistischen Dialektik, des historischen Materialismus und der Politischen Ökonomie. Die DKP wendet diese Lehren des Marxismus auf die Bedingungen des Klassenkampfes in unserer Zeit an und trägt zu ihrer Weiterentwicklung bei. (...) Ziel der DKP ist der Sozialismus/Kommunismus." Die Agitation der DKP richtete sich vorrangig auf die Themenbereiche Antimilitarismus, Sozialabbau, eigene Bündnispolitik und Konsolidierung der Partei. Die DKP engagierte sich bei Aktionen gegen die 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik, bei den Ostermärschen und bei weiteren Aktivitäten gegen Krieg, Bundeswehreinsätze und Militarisierung der EU, wie beim Antikriegstag am 1. September auf dem Marienplatz in München. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 170 Linksextremismus In ihrer Bündnispolitik sieht sich die DKP als Teil der sozialen Bewegung und fördert deshalb die aktive Mitarbeit ihrer Genossen in verschiedenen Bündnissen, Organisationen und Initiativen, wie beispielsweise dem Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus. Die DKP ist darüber Einfluss in Vorfeldhinaus bestrebt, in wichtigen Vorfeldorganisationen, wie der Vereiniorganisationen gung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), maßgeblichen Einfluss auszuüben. Im Hinblick auf die bayerischen Kommunalwahlen im März 2008 setzte sich die DKP dafür ein, die linken Kräfte zu bündeln. Auch die Zusammenarbeit mit der Partei DIE LINKE. suchte sie dabei. Auf der Stadtratsliste der Partei DIE LINKE. in München befand sich der DKP-Aktivist und führende Repräsentant beim Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus, Claus Schreer auf Platz 8. In Nordbayern kandidierten im Rahmen von "Bündniskandidaturen" nach Eigenangaben 39 Genossinnen und Genossen in neun Städten und drei Landkreisen; darüber hinaus wurden fünf weitere Kandidaturen in anderen Teilen Bayerns bekannt. Neben dem jährlich stattfindenden Fest der Solidarität am 22. September auf dem Rotkreuzplatz in München war eine von der DKP Kreisorganisation München am 9. November durchgeführte Kulturveranstaltung anlässlich des 90. Jahrestags der Oktoberrevolution die herausragende Veranstaltung der DKP. Gut 300 Personen besuchten diese Veranstaltung im Kulturhaus München-Milbertshofen. 2.2.2 Organisation Die DKP ist eine bundesweit organisierte Partei mit Sitz in Essen. Sie ist Organisationsin Bezirksorganisationen gegliedert, die weiter in Kreisund Grundstrukturen organisationen oder auch Betriebsgruppen unterteilt sind. Die Zahl der Mitglieder beträgt bei fortschreitender Überalterung rund 4.200. Dem aus 40 Mitgliedern bestehenden Parteivorstand gehören neben dem DKP-Vorsitzenden Heinz Stehr und den beiden stellvertretenden Vorsitzenden Prof. Dr. Nina Hager und Rolf Priemer unverändert auch vier Funktionäre aus Bayern an. In Bayern bestehen zwei Bezirksorganisationen (Nordund Südbayern), zwölf Kreisverbände, eine Betriebsgruppe Stagnierende sowie ein "Betriebsaktiv". Die Mitgliederzahl in Bayern stagniert derzeit Mitgliederzahl bei rund 400. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 171 2.2.3 Internationale Verbindungen Auf der Grundlage des kommunistischen Internationalismus unterhält Kontakte zu die DKP eine Vielzahl von Kontakten zu kommunistischen Parteien und ausländischen Bewegungen. Auf der 12. Tagung des Parteivorstands am 8. und 9. Sepkommunistischen tember in Essen wurde ein Antrag an den am 23. und 24. Februar 2008 Parteien in Mörfelden-Walldorf geplanten 18. Parteitag gestellt, in dem die DKP zu ihrer internationalen Tätigkeit Stellung nimmt. So soll die regelmäßig stattfindende Zusammenarbeit mit der Neuen Kommunistischen Partei der Niederlande (NCPN) und mit der kommunistischen Partei Luxemburgs fortgesetzt werden. Angestrebt wird die Schaffung eines Netzwerks zwischen den kommunistischen und ArbeiSchaffung eines terparteien Europas. Der seit Januar 2005 bestehende Beobachterstatus Netzwerks der DKP in der Partei der Europäischen Linken (EL) soll genutzt werden, um an den Initiativen dieser Partei mitzuarbeiten und Überlegungen zu Initiativen bzw. Aktivitäten einzubringen. Im Hinblick auf die Solidarität mit Kuba unterhält der Parteivorstand eine eigene Arbeitsgruppe. Weiter entwickelt werden soll auch die Solidarität und Zusammenarbeit mit Venezuela, Bolivien und der KP Chinas. Die DKP bleibe der Solidarität mit dem sozialistischen Vietnam verpflichtet und bemühe sich, ihre Kontakte zu kommunistischen Parteien des afrikanischen Kontinents zu verstärken. Wichtigster Bezugspunkt hierfür sei die Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP). Die brisante Situation im Nahen Osten erfordere die Solidarität der DKP mit der palästinensischen Bevölkerung im Kampf um das Recht, einen eigenen Staat zu gründen. Die DKP Nordbayern pflegt seit Jahren eine enge Verbindung zur Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSCM). 2.2.4 Umfeld der DKP 2.2.4.1 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Deutschland Bayern Mitglieder: 6.000 700 Vorsitzende: Prof. Dr. Heinrich Fink; Werner Pfennig Gründung: 15.-17.03.1947 Sitz: Berlin (Bundesgeschäftsstelle) Publikation: "antifa" Die VVN-BdA, die bundesweit größte Organisation im Spektrum des 60-jähriges Antifaschismus, feierte im Januar ihr 60-jähriges Bestehen. Mit seiner Bestehen Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 172 Linksextremismus Erklärung zum 60. Jahrestag der Gründung der gesamtdeutschen VVN-BdA wandte sich der Bundesausschuss der VVN-BdA an die Öffentlichkeit, um über Wurzeln und Visionen der politischen Arbeit der Vereinigung zu informieren. Als gleichberechtigte Vorsitzende der VVN-BdA fungieren Prof. Dr. Heinrich Fink aus Berlin und Werner Pfennig aus Stuttgart. Die Verbandszeitschrift "antifa" erscheint in zweimonatigem Rhythmus. Die VVN-BdA versteht unter Antifaschismus nicht nur den Kampf gegen Rechtsextremismus; sie agiert auch gegen den demokratischen Staat und dessen Institutionen, denen unterstellt wird, rechtsextremistische Bestrebungen zu schützen und zu fördern. Daneben versucht die VVN-BdA unter dem Vorwand "Kampf gegen Rechtsextremismus", Einfluss auf bürgerliche Kräfte zu nehmen und letztendlich Demokraten für ihre antidemokratischen Ziele zu vereinnahmen. In einem in der Wochendausgabe der Tageszeitung "junge Welt" (jW) vom 16./17. Dezember 2006 veröffentlichten Interview lieferte der ehemalige SED-Funktionär Prof. Dr. Heinrich Fink einen Beweis für die Verfassungsfeindstaatsund verfassungsfeindliche Grundposition seines Verbands in der liche Grundposition Erörterung um das Gedenken an die Opfer des Stalinismus. Prof. Fink gestand zwar ein, dass es Verbrechen unter Stalin gegeben habe, die Aufarbeitung dieser Taten sei aber "Sache der Kommunisten und anderer fortschrittlicher Kräfte, die im Übrigen auch am meisten von der Verfolgung in der Stalin-Ära betroffen waren". Auch der Ort, an dem der Gedenkstein aufgestellt wurde - in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Friedhof in Berlin-Friedrichsfelde - sei "eine Verunglimpfung des Wirkens hochrangiger Vertreter der kommunistischen Bewegung". Nach seiner Ansicht dürfe man nicht vergessen, welch "dubioser Personenkreis sich heutzutage unter dem Oberbegriff 'Opfer des Stalinismus'" versammeln würde. Stattdessen schlage er der "Opfervereinigung" vor, "einen Gedenkstein für die im deutschen Faschismus und in seinem Rechtsnachfolgerstaat verfolgten Kommunisten" zu errichten. Im Landesverband Bayern der VVN-BdA ist auf Landeswie auf Kreisebene der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, maßgeblich. Die Landesvereinigung unterstützte auch weiterhin aus Agitationsdem linksextremistischen Spektrum initiierte Aktionen. Schwerpunkte schwerpunkte der Agitation der VVN-BdA Bayern waren der als Neofaschismus beVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 173 zeichnete Rechtsextremismus - hier insbesondere unter Beteiligung der SDAJ und der Partei DIE LINKE. die bundesweite Kampagne und Unterschriftensammlung "nonpd" zur Durchführung eines erneuten NPD-Verbotsverfahrens - sowie weitere Themen wie Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau. In Mittenwald, Landkreis Garmisch-Partenkirchen, beteiligten sich Linksextremisten an Protesten gegen die traditionelle, alljährlich stattfindende so genannte Brendten-Feier des "Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.". Die GegendemonstraProtestveranstaltionen fanden vom 25. bis 27. Mai unter dem Motto "Berg frei! Nie tungen in Bayern wieder Faschismus, nie wieder Horrido!" statt. Hauptinitiatoren dieser Veranstaltungen waren der "Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege", hinter dem maßgeblich die VVN-BdA steht, und die VVN-BdA selbst. An den Veranstaltungen beteiligten sich mit maximal 250 Teilnehmern wiederum weniger Personen als im Jahr zuvor. Die Polizei nahm neun Personen in Gewahrsam, erteilte 37 Personen aus dem linksextremistischen Spektrum Platzverweise und nahm fünf Personen fest. In der Zeit vom 30. August bis 2. September fand in Königsdorf, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, ein vom VVN-BdA Kreisverband Landshut organisiertes bayernweites antifaschistisches Jugendcamp statt, an Antifaschistisches dem bis zu 100 Personen teilnahmen. Unterstützt wurde die VeranstalJugendcamp tung von linksextremistischen, linksextremistisch beeinflussten und autonomen Gruppierungen. Ziel des viertägigen Jugendcamps war, "Jugendliche der verschiedenen antifaschistischen Spektren einen Treffpunkt zu geben, Kontakte zu knüpfen und weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter für ein antifaschistisches Engagement zu gewinnen". Die Veranstaltung verlief störungsfrei. 2.2.4.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Deutschland Bayern Mitglieder: 300 110 Vorsitzender: Kollektiver Bundesvorstand mit 29 Personen Gründung: 04./05.05.1968 Sitz: Essen Publikationen: "POSITION" "KONTRA!" Die mit der DKP eng verbundene SDAJ bezeichnet sich in ihrer Selbstdarstellung als "bundesweite Organisation von Jugendlichen, die sich Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 174 Linksextremismus Ideologischer mit den Zuständen in Schulen, Betrieben, in dieser Repubklik und der Gleichklang mit 'Neuen Weltordnung' nicht abfinden" und für eine andere Gesellschaft der DKP kämpfen will. Dazu heißt es: "Für uns ist diese Gesellschaft der Sozialismus, in dem die Grundlagen dafür gelegt werden, dass jeder Mensch nach seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten selbstbestimmt leben kann. Dabei erliegen wir nicht der Illusion, dass wir diese alternative Gesellschaft durch Verbesserungen allein erreichen können, sondern nur durch einen Bruch mit diesem kapitalistischen System. Deshalb verstehen wir uns als antikapitalistische und revolutionäre Jugendorganisation." ArbeitsschwerSchwerpunkte der Agitation der SDAJ sind die Forderung nach Verbespunkte serung der Bildungsund Arbeitspolitik für die Jugend, die Bekämpfung des "Faschismus" sowie der Widerstand gegen den Militarismus in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Bundeskongress Auf dem 18. Bundeskongress am 17. und 18. März in Hannover wurde in Hannover ein neuer Bundesvorstand, bestehend aus 29 Personen, gewählt. Die Delegierten verabschiedeten mit großer Mehrheit ein Aktionsprogramm unter dem Titel "Zeit sich zu wehren!" und beschlossen eine "Kampagne gegen Zukunftskiller" für Bildung und Ausbildung. In Schulen und Betrieben soll es den "Zukunftskillern an den Kragen gehen"; mit Aktionen und Schwarzbüchern sollen die "Jugendfeinde" aufgedeckt werden. Beschlossen wurde außerdem eine Solidaritäts-Kampagne mit Venezuela und die Beteiligung an der Großdemonstration und am DGB-Jugend-Camp gegen den G8-Gipfel im Juni in Heiligendamm. Der wiedergewählte Bundesvorsitzende Michael Grüß aus Berlin sah in den Beschlüssen des Bundeskongresses "eine Weichenstellung" für die weitere Arbeit des Jugendverbands. "Allein zu sagen, dass es eines revolutionären Bruchs bedarf, koste nicht viel", so der Bundesvorsitzende. Entscheidend sei, der arbeitenden und lernenden Jugend eine Antwort darauf zu geben, wie man handelt und was konkret zu tun ist, um den Imperialismus zu bekämpfen und zu überwinden. Das Jugendaktionsprogramm stelle sich dieser Aufgabe. Die SDAJ beteiligte sich an der maßgeblich von der VVN-BdA betriebenen "nonpd-Kampagne" für ein NPD-Verbotsverfahren und an weiteren Veranstaltungen wie dem Konzert "Antifa reloaded" am 17. Februar in Dachau, an dem rund 400 Jugendliche teilnahmen, und dem am 4. März ebenfalls in Dachau durchgeführten "Antifa-Day". Um den "Kampf gegen den Faschismus" zu verstärken, hat die SDAJ bundesweit eine "Rote Schulhof-CD" produziert. Die Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 175 Kampagne startete in Bayern am 18. September in Nürnberg, wo vor mehreren Schulen etwa 680 CDs verteilt wurden. Die SDAJ-Bayern ist Herausgeber der zweimonatlich erscheinenden Jugendzeitung "KONTRA!" mit einer Auflage von inzwischen 6.000 Jugendzeitung Exemplaren. In Bayern verzeichnete die SDAJ einen weiteren Mitglie"KONTRA!" derzuwachs. 2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Deutschland Bayern Mitglieder: 2.300 100 Vorsitzender: Stefan Engel Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen München, Nürnberg Publikationen: "Rote Fahne" (Zentralorgan); "REVOLUTIONÄRER WEG" (Theorieorgan); "REBELL" (Jugendmagazin); "Galileo - streitbare Wissenschaft" (Zeitung der MLPD-Hochschulgruppen) Die MLPD wurde am 20. Juni 1982 in Bochum gegründet; sie ging durch Umbenennung aus dem im August 1972 gegründeten Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD) hervor. In der Präambel des Statuts der MLPD wird festgestellt, dass sich die Partei als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland" versteht. Ihr grundlegendes Ziel sei "der revolutionäre Sturz der Diktatur des Extremistische Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für Grundhaltung den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Weiter wird in der Präambel betont: "Die MLPD ist eine Partei neuen Typs. Sie ist im Kampf gegen den Verrat am Sozialismus und die Verfälschung des Marxismus-Leninismus durch den modernen Revisionismus entstanden und arbeitet auf der Grundlage der proletarischen Denkweise. (...) Die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tse-tung und ihre lebendige Anwendung auf die konkreten Verhältnisse der fortschreitenden gesellschaftlichen Wirklichkeit bilden die entscheidende Grundlage für einen Aufschwung des Kampfs für den Sozialismus." Die maoistisch-stalinistisch ausgerichtete MLPD sieht sich selbst als "Teil Maoistisch-stalinisder internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung, tische Ausrichtung Erbe der revolutionären Tradition der KPD, der deutschen Arbeiterklasse und ihrer großen Führer Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Ernst Thälmann". Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 176 Linksextremismus OrganisationsDie zentralistisch geführte MLPD ist in Betriebs-, Ortsund Kreisgrupstrukturen pen, Bezirke und vereinzelt in Landesverbände gegliedert. Ihre Zentrale und ihren Aktionsschwerpunkt hat sie in Nordrhein-Westfalen. Stefan Engel ist seit der Parteigründung im Jahre 1982 Vorsitzender; er gilt als unumstrittener Vordenker und Idol. Laut eigener Aussage ist die Partei zusammen mit ihrem Jugendverband "REBELL" in über 450 Orten in allen Bundesländern Deutschlands vertreten. Die Mehrzahl der Parteimitglieder seien Arbeiter und einfache Angestellte. Die MLPD ist finanziell unabhängig; sie finanziert sich eigenen Angaben zufolge ausschließlich durch freiwillige Spenden und Mitgliedsbeiträge. Neben der Frauenund Familienarbeit legt die MLPD besonderes Augenmerk auf die Rekrutierung von Nachwuchskadern im Kinderund Jugendbereich. Hierzu bedient sie sich der Jugendorganisation "REBELL" und deren Kinderorganisation "ROTFÜCHSE", die mit altersgerechten Freizeitangeboten locken. Sommercamps mit Freizeitund Bildungsangeboten vermitteln mit jugendnah konzipierten Schulungen eine "proletarische Denkweise". Aus Anlass ihres 25-jährigen Bestehens führte die Partei bundesweit Jubiläumsveranstaltungen unter dem Motto "25 Jahre MLPD" durch. Nach eigenen Angaben nahmen insgesamt 2.600 Personen an vier großen Veranstaltungen teil. Im linksextremistischen Spektrum ist die "sektenhaft führerzentrierte und autoritär beherrschte" MLPD isoliert. Trotz massiver Bemühungen, auf aktuelle politische Entwicklungen mit Kampagnen gegen den Krieg und gegen Sozialabbau adäquat zu reagieren, erfährt sie kaum gesellschaftlichen Zuspruch. Die Strategie der Partei, örtliche Initiativen zu gründen bzw. diese zu vereinnahmen, erweist sich als weitgehend erRückgang der folglos. Das allgemeine Interesse an den "Montagsdemonstrationen" Montagsgegen den Sozialabbau und "Hartz IV", die auch in Bayern teilweise demonstrationen von der MLPD initiiert und gesteuert werden, ging weiter zurück. 2.4 marx21, vormals Linksruck-Netzwerk Deutschland Bayern Mitglieder: 400 10 Gründung: 1993 Umbenennung: 2007 Sitz: Berlin Publikation: "marx21" Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 177 Die bislang bundesweit als Linksruck-Netzwerk auftretende trotzkistische Gruppierung verstand sich selbst als "Strömung der revolutionären Ideologische Sozialisten". Die Abschaffung des Kapitalismus und die Einführung Ausrichtung einer Rätedemokratie sah das Netzwerk als Voraussetzung für eine "endgültige Beseitigung jeder Unterdrückung". Die Linksruck-Delegiertenkonferenz am 1. September in Frankfurt am Main hat die Auflösung des Linksruck-Netzwerks als selbständige, Auflösung des separate Organisation beschlossen. Als Begründung wurde angegeben, Linksruckdass das Eingreifen in das öffentliche politische Geschehen als eigenNetzwerks ständige Organisation in dem Maße unbedeutender wurde, wie der erfolgreiche Aufbau der neuen Linken voranschritt. Dazu wird weiter ausgeführt: "Linksruck hat von Beginn an die Bildung einer neuen vereinigten Linken als politische Sammlungsbewegung gegen den Neoliberalismus unterstützt. (...) In den letzten Jahren war Linksruck eine integrale Kraft im Neuformierungsprozess der Linken, der schließlich mit der Vereinigung von WASG und Linkspartei zu DIE LINKE. erfolgreich vollzogen wurde." Als ehemalige Organisation, die seit ihrer Gründung einen bewegungsorientierten Zusammenschluss von Aktivisten repräsentierte und die sich auf die marxistische Tradition des Sozialismus von unten berief, rief Linksruck alle seine Mitglieder und Sympathisanten gleichzeitig dazu auf, den Aufbau der Partei DIE LINKE. mit ihren marxistischen Positionen zu fördern und die Strömung Sozialistische Linke zu unterstützen, die sich für eine Klassenorientierung und eine Anbindung der Partei an die Gewerkschaftsbewegung einsetze. Noch am selben Tag und Ort fand im Rahmen einer Versammlung von rund 100 Personen aus elf Bundesländern die Neugründung des Netzwerks als "marx21 - Netzwerk für internationalen Sozialismus" statt. In den von der marx21-Gründungsversammlung Neugründung am 1. September beschlossenen "Politischen Leitsätzen" wird ausgedes Netzwerks führt, dass das Netzwerk sich als Teil der neuen Linken und der globalisierungskritischen Bewegung verstehe, die angetreten seien, die Macht der Konzerne zu brechen. Der Schwerpunkt des in Bayern nur wenige Personen umfassenden Linksruck-Netzwerks befindet sich in München. Mit der langjährigen Repräsentantin Nicole Gohlke ist das Netzwerk nun im Landesvorstand Verankerungen der Partei DIE LINKE. Bayern vertreten; einen weiteren bayerischen Verin den Vorständen treter konnte das bisherige Netzwerk im Bundesvorstand der Linkslinker Kräfte jugend ['solid] platzieren. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 178 Linksextremismus 2.5 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus In dem seit Juni 2005 in dieser Form bestehenden linksextremistisch beeinflussten Bündnis sind sowohl demokratische als auch linksextremisBündnisbeteiligte tische Parteien und Gruppierungen wie DIE LINKE., die DKP, die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), der Revolutionär Sozialistische Bund (RSB), die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) und Autonome vertreten. Das Bündnis fungierte als Träger oder Unterstützer einer Vielzahl von Aktivitäten wie Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen und Informationsveranstaltungen, insbesondere zum Thema "Krieg". Das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz, das vom Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus dominiert wird, mobilisierte auch im Berichtsjahr wieder gegen die Konferenz für Sicherheitspolitik, die vom 9. bis 11. Februar in München stattfand. An diesem speziell für Aktionen gegen die Münchner Konferenzen für Sicherheitspolitik gegründeten Bündnis sind die bereits beim Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus vertretenen Parteien und Gruppierungen beteiligt. Begonnen hatten die Proteste am 6. Februar mit einer satirischen "Jubeldemo", organisiert von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und veranstaltet vom Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus, an der sich bis zu 100 Personen beteiligten. Am 9. Februar nahmen bis zu 300 Personen an einer Auftaktveranstaltung teil. Am selben Tag fand außerdem ein weitgehend von der autonomen Szene organisierter Fahrradaufzug von anfänglich etwa 70 bis später 200 Personen statt. Höhepunkt der Proteste war am 10. Februar eine Großkundgebung mit rund 3.000 Personen. Unter die größtenteils friedlichen Teilnehmer mischten sich etwa 500 zum Teil vermummte gewaltbereite Linksextremisten sowie Angehörige der DKP, der Partei DIE LINKE, der SDAJ, der MLPD sowie der Freien Arbeiterinnenund Arbeiter Union (FAU). Neben dem "internationalistischen Block" mit nahezu 400 gewaltbereiten Personen bildeten sich an anderen Stellen des Zugs durch die Innenstadt mehrere Kleingruppen, die insgesamt etwa 100 Autonome umfassten. Die Polizei stellte mehrere Seitentransparente wegen des Verstoßes gegen Demonstrationsauflagen sicher. Dabei kam es zu Flaschenwürfen, Rangeleien von Demonstranten mit Einsatzkräften sowie zu vereinzelten Übergriffen mittels Stöcken. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 179 Die Gründe für den höheren Zulauf gegenüber der Großdemonstration im Vorjahr mit rund 1.700 Demonstranten sind maßgeblich in frühzeitigen Mobilisierungskampagnen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm zu sehen, die gleichzeitig zu Protesten gegen die 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik aufriefen. 2.6 Sonstige orthodoxe Kommunisten und andere revolutionäre Marxisten Die teils bundesweit, teils regional tätigen sonstigen linksextremistischen Parteien, Organisationen und Bündnisse entfalteten in Bayern kaum Außenwirkung. Dies gilt insbesondere für die Marxistische Gruppe Marxistische (MG), die trotz ihres bislang nicht widerrufenen Auflösungsbeschlusses Gruppe (MG) vom Mai 1991 bundesweit mit rund 10.000 Anhängern fortbesteht. Sie verfügt in Bayern über etwa 4.200 Anhänger, von denen nahezu 700 aktiv sind. Öffentlich trat die MG nur bei regelmäßigen "GEGENSTANDPUNKT"-Diskussionsveranstaltungen in München, Nürnberg, Augsburg und Regensburg in Erscheinung; die Bezeichnung dieser Veranstaltungen geht auf die seit 1992 von führenden MG-Funktionären herausgegebene Zeitschrift "GEGENSTANDPUNKT" zurück. Die an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen aktive Sozialistische Gruppe ist ebenfalls der MG zuzurechnen. Der 1973 gegründete Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD AB (AB) beteiligte sich in Bayern überwiegend an Demonstrationen und Veranstaltungen anderer Organisationen. Der AB zeigte, wie in den Jahren zuvor, nur geringe Aktivitäten. So nahm der AB an einer "Mahnund Schutzwache" zum 27. Jahrestag des "faschistischen Oktoberfestattentats" am 26. September in München teil. Außerdem führte der AB zum 90. Jahrestag der Oktoberrevolution am 10. November in München eine Vortragsveranstaltung durch. Die "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Assoziation" (FAU-IAA) ist eine bundesweit aktive linksextremistische Gruppierung mit etwa 250 Anhängern, die anarchistische Ziele verfolgt und die Bundesrepublik Deutschland als Staat "zerschlagen" will. Sie versteht sich selbst als anarchistische Organisation mit gewerkschaftlichem Anspruch und strebt als sozialrevolutionäre Bewegung eine "herrschaftsfreie, auf SelbstverwalFAU-IAA tung gegründete Gesellschaft" an. Dabei setzen die Anhänger der FAU-IAA auf Formen der "direkten Aktion" (z.B. Besetzungen, Boykotts, Streiks und Sabotage). In Bayern gibt es Ortsgruppen in München und Dachau. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 180 Linksextremismus Weitere linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen, die dem Bereich "Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten" zuzurechnen sind, werden in Nummer 4 dieses Abschnitts aufgeführt. 3. Gewaltorientierte Linksextremisten 3.1 Autonome Gruppen Deutschland Bayern Angehörige: 5.800 600 erstmaliges Auftreten: Ende der 70er Jahre Struktur: meist themenbezogene Gruppen, die überwiegend lokalen Charakter aufweisen Publikationen: Szene-Blätter wie "INTERIM" (Berlin); auf regionaler Ebene u. a. "barricada" (Nürnberg) 3.1.1 Ideologische Ausrichtung und Aktionsformen Gewaltbereite Autonome stellen nach wie vor eine Bedrohung für die Innere Sicherheit in Deutschland dar. Autonome haben kein einheitliches ideologisches Konzept, sie folgen vielmehr anarchistischen und anarcho-kommunistischen Vorstellungen. Die einzelnen Gruppen bilden sich meist über Aktionsthemen. Einig sind sich die Autonomen in ihrem Ziel der gewaltsamen Zerschlagung des Staates und seiner EinAnstreben einer richtungen sowie der Errichtung einer "herrschaftsfreien Gesellschaft". "herrschaftsfreien Um diesem Ziel näher zu kommen, nutzen sie aktuelle politische Fragen Gesellschaft" für ihre Zwecke. Durch geschickte Agitation versuchen sie, auch demokratische Protestbewegungen für ihren Kampf gegen den Staat zu mobilisieren. Das provozierende Auftreten der Autonomen in der Öffentlichkeit, ihre staatsfeindliche Haltung, die Ablehnung gesellschaftlicher Normen und Werte, aber auch das Bejahen von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Forderungen und Ziele kommen der Protesthaltung mancher junger Menschen entgegen, vor allem, wenn diese mit Problemen im Elternhaus, in der Schule oder der Ausbildung konfrontiert sind. Die Autonomen unterscheiden sich soziologisch kaum von anderen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Sie sind in der Regel Schüler, Studenten oder Auszubildende. Autonome machen den Ablauf ihrer Aktionen primär von der Einschätzung der Durchsetzbarkeit und ihrem Kräfteverhältnis gegenüber der Polizei abhängig. Rechtsextremistischen Versammlungen begegnen sie nach wie vor mit einer hohen Aggressivität und Gewaltbereitschaft. Autonome führen dabei oft keine eigenen öffentlichen Veranstaltungen Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 181 durch, sondern mischen sich stattdessen unter die Teilnehmer anderer Gegenveranstaltungen. Die Formierung von so genannten Schwarzen "Schwarze Blöcke" Blöcken bei Demonstrationen als Symbol militanten Politikverständnisses ist wieder vermehrt feststellbar. Die Differenzierung zwischen "Gewalt gegen Personen" und "Gewalt gegen Sachen" wird teilweise in Frage gestellt. Körperverletzungsdelikte von Linksextremisten gegen "Rechte" oder vermeintliche "Rechte" machen deutlich, dass Autonome Gewaltanwendung gegen politische Unverminderte Gegner als legitimes Mittel ansehen. Wie in den Vorjahren waren AutoGewaltbereitschaft nome für die meisten der linksextremistisch motivierten Gewalttaten verantwortlich. Besorgnis erregend ist nach wie vor eine Strategiedebatte um terroristische Gewalt vor allem in Kreisen Berliner Autonomer. In Bayern sind linksextremistische Strukturen mit terroristischer Zielsetzung derzeit nicht feststellbar. 3.1.2 Strukturen und Publikationen Insgesamt ist die Zahl der Angehörigen der autonomen Strukturen in Bayern von 500 auf 600 nochmals angestiegen. Im Jahr 2007 traten in Bayern besonders die autonomen Gruppierungen "Organisierte AutoAutonome nomie" (Nürnberg), "radikale Linke" (Nürnberg), "Autonome Jugend Gruppierungen Antifa" (Nürnberg), "Revolutionärer Aufbau München", "Antifa NT" (München), "Contra Real" (Augsburg) und "Zusammen Aktiv Kämpfen" (Sulzbach-Rosenberg) in Erscheinung. Örtliche Schwerpunkte der Autonomen in Bayern sind nach wie vor die Örtliche Großräume Nürnberg/Erlangen/Fürth und München. Gegenüber dem Schwerpunkte Vorjahr ist die Zahl der Autonomen in Nürnberg/Erlangen/Fürth von 150 auf etwa 170 und in der Landeshauptstadt München von 120 auf etwa 140 Anhänger angestiegen. Die autonome Szene in Nürnberg formiert sich um das "Stadtteilzentrum Schwarze Katze" und die Anlaufstelle "DESI". Für Münchner Autonome spielen der autonome "Info-Laden" in der Breisacher Straße und das "Cafe Marat" im ehemaligen "Tröpferlbad" in der Thalkirchner Straße eine wesentliche Rolle. Einen Überblick über in Erscheinung getretene autonome Gruppierungen - einschließlich Kleinund Kleinstgruppen - vermittelt die auf der Seite 182 dieses Berichts abgedruckte Karte. Für den lokalen, überregionalen und internationalen InformationsausInformationstausch verwenden Autonome Szene-Publikationen, Info-Läden, Szene-Loaustausch kale sowie verdeckte informelle Strukturen wie Telefonketten. Info-Läden dienen dem autonomen Spektrum nicht nur als zentrale Informations-, Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 182 Linksextremismus Autonome in Bayern 2007 Coburg* (Schwerpunkte) Schweinfurt* Aschaffenburg* Main-Spessart-Gebiet* Bayreuth* Würzburg* Nürnberg/ Erlangen/ Fürth Sulzbach-Rosenberg ca. 170 ca. 40 - Organisierte Autonomie - radikale Linke - Zusammen Aktiv Kämpfen - Autonome Jugend Antifa - Antifa Umland Erlangen Ansbach* Regensburg ca. 20 Straubing* Ingolstadt* Passau Landshut* ca. 20 Augsburg Freising* Neu-Ulm* Dorfen* Mühldorf* ca. 30 München Altötting* Contra Real Waldkraiburg* ca. 140 - Antifa NT - Revolutionärer Aufbau München Rosenheim* *) Angehörige der autonome Personenautonome autonomen Szenen zusammenhänge Kleinstgruppen (nicht abschließend) Kommunikationsund Anlaufstellen, sondern tragen auch zur Verbreitung und Koordinierung autonomer Aktivitäten bei und haben wesentlichen Einfluss auf die Mobilisierungsfähigkeit der Szene. In Bayern Info-Läden bestehen Info-Läden u.a. in München, Nürnberg, Würzburg, Augsburg und Landshut. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 183 Trotz der steigenden Attraktivität der modernen elektronischen Medien haben die klassischen Publikationen nach wie vor große Bedeutung für Publikationen die autonome Szene. Im Bundesgebiet gibt es etwa 40 dieser Szene-Publikationen, in denen Diskussionspapiere, Aufrufe zu Veranstaltungen, Selbstbezichtigungsschreiben und andere Beiträge veröffentlicht werden. Bundesweite Bedeutung haben dabei nur wenige Schriften, vor allem die in Berlin erscheinende "INTERIM". Sie agiert insbesondere als "Knotenpunkt für die Bündelung des Widerstands" im Hinblick auf künftige Ereignisse, wie beispielsweise zu den Themenfeldern Antikapitalismus oder Antirassismus. Die "INTERIM"-Redaktion ruft u.a. dazu auf, Kampagnenvorschläge "für die nächsten Tage, Monate, Jahre" einzusenden. Die Mehrzahl der Publikationen hat einen vorrangig regionalen Verbreitungskreis, so auch die in Bayern herausgegebenen Druckwerke, z.B. "barricada - zeitung für autonome politik und kultur" (Nürnberg). Die Publikationen werden oft konspirativ hergestellt und verbreitet. Sie enthalten teilweise unverhohlene Aufforderungen und Anleitungen zu Gewalttaten u.a. gegen Rechtsextremisten und deren Einrichtungen. Die Aufklärung über Nazistrukturen im Großraum Nürnberg/Erlangen/Fürth wurde in der "barricada - zeitung für autonome Politik und kultur" fortgesetzt. 3.1.3 Schwerpunktthemen und Aktionen Für die Autonomen in Bayern ist "Antifaschismus" nach wie vor ein vorrangiges Agitationsund Aktionsfeld. Zusätzlich beschäftigen sich Autonome mit den Themenbereichen "Anti-Globalisierung" und "Antiimperialismus". In diesem Zusammenhang standen die Vorbereitung und Durchführung der Proteste gegen den G8-Gipfel, der vom 6. bis 8. Juni in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern stattfand, an erster Stelle. Im Zuge der Diskussionen um den Abbau sozialer Leistungen wurden auch die Themen "Arbeitslosigkeit" und "Sozialversorgung" bzw. "Sozialabbau" behandelt. Auch die "Antirepression" wurde in der autonomen Szene insbesondere vor dem Hintergrund der Ausschreitungen während des G8-Gipfels und der damit verbundenen Festnahmen erneut stärker thematisiert. Dagegen spielten andere Themenfelder wie die Asyl-, Ausländerund Flüchtlingspolitik ("Antirassismus") und die Kernenergie ("Anti-Atomkraft") eine eher untergeordnete Rolle. Die Debatte über eine Neuorientierung der autonomen Szene in Deutschland wurde fortgeführt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 184 Linksextremismus Jugendzentrum Anlässlich der am 1. März in Kopenhagen/Dänemark erfolgten Räumung UNGDOMSHUSET und Schließung des Jugendzentrums "UNGDOMSHUSET" kam es im in Dänemark Rahmen der internationalen Solidarität in zahlreichen deutschen Städten zu Demonstrationen der linksextremistischen Szene. Auch in Bayern solidarisierte sich die linksextremistische Szene, indem sie am 5. März vor der Lorenzkirche in Nürnberg eine Spontandemonstration durchführte. An der nicht angemeldeten Versammlung beteiligten sich etwa 50 - zum Teil vermummte und schwarz gekleidete - Personen. Aus dem Demonstrationszug heraus wurden Feuerwerkskörper - teilweise gezielt auf Einsatzkräfte der Polizei - abgeschossen und Farbbeutel geworfen. Der Demonstrationszug konnte im unmittelbaren Umfeld des dänischen Konsulats gestoppt werden; dabei wurden zwei Polizeibeamte verletzt. Es wurden 46 Personen aus dem überwiegend regionalen linksextremistischen Spektrum festgenommen. Gegen sie wurden wegen gefährlicher und einfacher Körperverletzung sowie Sachbeschädigung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz Ermittlungsverfahren eingeleitet. 3.1.3.1 Strategiedebatte - Fortsetzung der Gewaltdiskussion In der gewaltbereiten linksextremistischen Szene dauert die "Militanzdebatte" an. Seit Jahren diskutieren unterschiedliche autonome Gruppierungen mit dem Ziel, die bisher im autonomen Spektrum weitgehend vorherrschende Trennung zwischen der akzeptierten "Gewalt gegen Sachen" und der außerhalb der antifaschistisch orientierten Gruppen eher abgelehnten "Gewalt gegen Personen" zu überwinden. Hauptdiskussionsforum ist das autonome Szene-Blatt "INTERIM" aus Berlin. Darin wird "eine militante Kampagne gegen Bundeswehreinrichtungen, Zulieferbetriebe, Denkfabriken, gegen Verantwortliche in Politik, Militär und Wirtschaft" vorgeschlagen. Unbekannte Autoren veröffentlichten zudem ein Positionspapier mit dem Titel "This is a Love Song", mit dem sie thematisch an ein Anfang der 90er Jahre erschienenes Schreiben einer unbekannten Gruppe anzuknüpfen versuchen, das damals die wichtigsten Grundgedanken für eine militante Politik der Revolutionären Zellen (RZ) zusammenfasste. Sie formulieren mit Verweis auf die damalige RZ ihre Absicht, "dass wir heute bedacht an die militante und bewaffnete Widerstandserfahrung als ein gewichtiges Faustpfand zukünftiger Kämpfe anknüpfen wollen." Sie regen eine von ihren Vorstellungen geprägte Militanzdebatte an, die in der "INTERIM" als "unkontrollierte, keiner Zensur durch die Repressionsorgane unterliegenden Zeitung" geführt werden soll. Militante Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 185 hätten schließlich gegenüber den Gewaltfreien "eine Option mehr zur Verfügung". Entscheidend für Anschläge sei die Vermittelbarkeit der Aktionen mit einer deutlichen Abgrenzung zum Terrorismus, insbesondere zum fundamentalistischen Terrorismus. Die theoretische Diskussion wurde auch von Gewalttaten zumeist in Form von Brandanschlägen begleitet. Diese schwerpunktmäßig weiterhin im Berliner Raum verübten Straftaten richteten sich meist gegen staatliche Gebäude und Fahrzeuge sowie solche von Großunternehmen. Maßgeblich beteiligt sich an dieser Diskussion auch die in Berlin aktive "militante gruppe" (mg), die mit der Versendung von Drohbriefen im militante gruppe Jahr 2001 erstmals in Erscheinung trat. Diesen gegen Repräsentanten (mg) aus Politik und Wirtschaft gerichteten Drohbriefen waren damals scharfe Gewehrpatronen beigefügt. In der Folgezeit verübte und bekannte sich die "militante gruppe" (mg) zu insgesamt 20 Brandanschlägen vorwiegend gegen staatliche Gebäude und Fahrzeuge im Raum Berlin und Brandenburg. In ihren Selbstbezichtigungsschreiben wurden die Anschläge mit der Ablehnung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung begründet. Eingeleitete Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft und die deshalb gegen die linksextremistische Szene am 9. Mai durchgeführten Exekutivmaßnahmen des Bundeskriminalamts veranlassten die "militante gruppe" (mg), einen Brandanschlag in Zusammenhang mit dem bevorstehenden G8-Gipfel zu setzen. In der Ausgabe Nr. 663 der "INTERIM" vom 9. November wurde in einem Artikel zur Solidarität mit den Festgenommenen aufgerufen. In den darin enthaltenen Abschnitten "Für eine revolutionäre Organisierung" und "Für den Kommunismus" heißt es: "Militante Aktionen sind legitim und notwendig. Sie allein sind jedoch noch nicht revolutionär und systemsprengend. (...) Wer aber die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend verändern möchte, muss auch offen sein für Gedanken über bewaffnete Kämpfe, deren Vorbereitung schon in vorrevolutionären Epochen zur Praxis werden muss, damit es nicht einmal zu spät dafür sein wird. (...) Anarchist/innen und Kommunist/innen stehen für eine antagonistische Politik und die Unversöhnlichkeit mit den herrschenden Verhältnissen. Ein Schritt um letztere zu überwinden ist es, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." Zu den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Bundesanwaltschaft durchgeführten Exekutivmaßnahmen entschied der Bundesgerichtshof, dass es sich bei der "militanten gruppe" (mg) nicht um eine terroristische Vereinigung im Sinn des SS 129a StGB handle, sondern um eine Kriminelle kriminelle Vereinigung nach SS 129 StGB. Vereinigung Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 186 Linksextremismus Die militanten Aktionen, die vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm schwerpunktmäßig im norddeutschen Raum stattgefunden haben, wurden in der Ausgabe Nr. 662 der "INTERIM" vom 26. Oktober als "Eckpfeiler der Gegenmobilisierung" bezeichnet. Auch zu einer Wahrnehmung der Protestinitiativen insgesamt hätten diese entscheidend beigetragen. Die gewalttätigen Aktionen während des G8-Gipfels wurden szene-intern überwiegend als legitim und auch als Erfolg betrachtet. Die der Partei DIE LINKE. nahestehende Publikation "junge Welt" (jW) veröffentlichte in der Ausgabe vom 4. Juni hinsichtlich der von Autonomen anlässlich des G8-Gipfels begangenen brutalen Gewalttätigkeiten folgendes Resümee: "Wir sind der Polizei nicht wehrlos ausgeliefert! Es ist möglich, auch diese Robocop-Einheiten der Polizei in Schach zu halten, stellenweise sogar in die Flucht zu schlagen. (...) Die üblichen Formulierungen, wonach sich einige Gewalttäter unter die friedlichen Demonstranten gemischt hätten, wie es auch diesmal wieder von einigen Bündnisorganisationen hieß, ignorieren die Tatsache, dass diese Militanten ein legitimer Bestandteil der Bewegung sind, solange Kampfeinheiten der Polizei Bestandteil des Staates sind." 3.1.3.2 Antifaschismus Neben den Gegenaktionen zum G8-Gipfel blieb auch der Antifaschismus ein wichtiges Dauerthema für gewaltbereite Linksextremisten. Der Antifaschismus der Autonomen beinhaltet, wie bei anderen Linksextremisten, jedoch nicht allein den Kampf gegen Rechtsextremismus, sondern auch gegen den demokratischen Staat. Für ihre Übergriffe auf Rechtsextremisten nutzen gewaltbereite Linksextremisten noch immer überwiegend Kundgebungen gegen rechtsextremistische Auftritte - oft auch des bürgerlichen Spektrums - als Forum für Gewalttaten. Anlässlich rechtsextremistischer Veranstaltungen ist nach wie vor eine hohe Gewaltbereitschaft bis hin zu gezielten Angriffen gegen einzelne tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten festzustellen. Von den 76 in Bayern Hauptmotiv der verübten linksextremistisch motivierten Gewalttaten entfallen 60 auf Gewalttaten diesen Bereich. Neben Veranstaltungen und Aktionen gegen rechtsextremistische Kundgebungen und Demonstrationen setzen Autonome verstärkt auf "Antifa-Recherche" eine ereignisunabhängige "Antifa-Recherche". Dabei spähen sie ihre politischen Gegner gezielt aus und veröffentlichen deren "Steckbriefe" in ihren Publikationen, auf Flugblättern und im Internet. Diese Informationen können der autonomen Szene zur Vorbereitung von militanten Aktionen dienen. In einem Flugblatt, das in der unmittelbaren NachVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 187 barschaft eines mittelfränkischen Rechtsextremisten verteilt wurde, formulieren die Verfasser dies beispielsweise so: "Daher ist es wichtig sich dem rechten Treiben selbstbewusst in die Quere zu stellen. (...) Also werdet aktiv gegen Neonazis und den ihrem Denken zugrunde liegenden Ideologien." Gerade im Rahmen des Antifaschismus betreiben Autonome eine nach wie vor rege Bündnispolitik. Neben kontinuierlich arbeitenden "AktionsBündnispolitik bündnissen", die zumeist auf lokaler bzw. regionaler Ebene überwiegend mit linksextremistischen Gruppierungen und Parteien wie in Nürnberg kooperieren, gibt es auch anlassbezogene Bündnisse, in denen häufig auch demokratische Gruppen und Institutionen mitarbeiten. Diese anlassbezogenen Bündnisse dienen primär der Vorbereitung und Koordinierung von Demonstrationen, Versammlungen, Mahnwachen, Informationsständen und anderen Veranstaltungen gegen rechtsextremistische Aktivitäten. Der autonomen antifaschistischen Szene gelingt es jedoch weiterhin nur schwer, derartige Bündnisveranstaltungen zu dominieren. Die seit ihrem erstmaligen Auftreten Ende 2006 von einem Bündnis überwiegend linksextremistischer bayerischer Gruppierungen getragene Kampagne "Nazis unplugged" trat hingegen durch signifikante Kampagne Aktivitäten in Erscheinung. Auf einem Flyer stellt sich die Kampagne "Nazis unplugged" u.a. selbst dar: ",Nazis unplugged - Rechten Strukturen den Saft abdrehen' ist eine Kampagne von antifaschistischen Gruppen, die sich offensiv gegen die sich weiter verbreitende und personell stärker werdende Naziszene in Bayern wendet. Der Schwerpunkt liegt auf der Zurückdrängung und Bekämpfung neonazistischer Infrastruktur. Darunter verstehen wir zum einen Rückzugsorte - wie Wohnprojekte, Kneipen und andere private Treffpunkte - natürlich aber auch die Orte des rechten Lifestyles, in denen versucht wird, neue AnhängerInnen zu gewinnen, also: Läden, die neonazistische Kleidung und Musik vertreiben, (Internet) Versände und politische Veranstaltungsorte." Auch Autonome der Kampagne "Nazis unplugged" veranstalteten oder beteiligten sich in Bayern u.a. an folgenden gegen den RechtsextreAktionen mismus gerichteten Aktivitäten: in Bayern Am 20. Januar fand in München eine von Linksextremisten angemeldete und von der Kampagne "Nazis unplugged" unter dem Motto "Wenn die Antifa dreimal klingelt ..." beworbene Demonstration statt. Der Aufzug führte dabei an von Rechtsextremisten bewohnten bzw. genutzten Orten der Münchener Innenstadt vorbei. Von den bis zu 180 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 188 Linksextremismus Demonstrationsteilnehmern wurde der Sprechchor "Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack" skandiert. Am 24. Februar beteiligten sich in Augsburg bis zu 1.500 Personen an einer Demonstration gegen einen Aufzug des rechtsextremistischen "Augsburger Bündnis - Nationale Opposition e.V.". Zu der Gegenkundgebung hatte eine Vielzahl unterschiedlicher Personen und Gruppen aus dem bürgerlichen, dem Parteien-, aber auch dem autonomen Antifa-Spektrum aufgerufen. Im Laufe des rechtsextremistischen Aufzugs schlossen sich mehrmals Gegendemonstranten zu größeren Einheiten zusammen und blockierten die Wegstrecke z.B. durch Sitzblockaden auf Straßenbahnschienen. Etwa 50 Linksextremisten versuchten, die polizeiliche Absperrung zu durchbrechen, um den rechtsextremistischen Aufzug anzugreifen. Insgesamt wurden 14 Personen festgenommen, davon elf aus dem linksund drei aus dem rechtsextremistischen Spektrum. Ebenfalls in Augsburg versammelten sich am 31. März etwa 20 schwarz gekleidete und überwiegend vermummte Linksextremisten vor der Zufahrt einer Gaststätte, in der die rechtsextremistische DVU eine Vortragsveranstaltung abhalten wollte. Die Autonomen versuchten, die ankommenden Teilnehmer an der Zufahrt zu hindern, indem sie mit Fußtritten und Faustschlägen die Fahrzeuge der Rechtsextremisten attackierten. Dabei wurde auch die Windschutzscheibe eines völlig unbeteiligten Autofahrers zerstört. Die Polizei nahm 21 Aktivisten fest. Gegen sie wird wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, der Nötigung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz ermittelt. Einem Aufruf der Kampagne "Nazis unplugged", sich einem Sonderverkaufstag des in Geiselhöring, Landkreis Straubing-Bogen, ansässigen Wikingerversandes am 7. April entgegenzustellen, folgten bis zu 180 Personen. Unter dem Motto "Wikingerversand dichtmachen! - Nazis beim Shoppen stoppen!" beteiligten sie sich an einer Demonstration. In Nürnberg war am 1. Mai ein Aufzug der rechtsextremistischen Szene mit 200 Teilnehmern Anlass für mehrere Gegenkundgebungen mit bis zu 5.000 Teilnehmern, darunter auch Linksextremisten. An einer von der "Initiative Neue ArbeiterInnenbewegung" veranstalteten Demonstration nahmen etwa 2.000 Personen teil, darunter 500 in einem "Schwarzen Block". Gewalttätige Versuche, die Absperrung zur rechtsextremistischen Versammlung zu durchbrechen, konnte durch starke Polizeipräsenz verhindert werden. Demonstranten warfen außerdem mit Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 189 Flaschen und Steinen. Ein Ziel war dabei auch der damalige Bayerische Staatsminister des Innern während seiner Rede auf der Kundgebung der Stadt Nürnberg. Insgesamt kam es seitens der Polizei zu 44 freiheitsentziehenden Maßnahmen. Ebenfalls im Namen der Kampagne "Nazis unplugged" und unter dem Motto "4 gewinnt!" fand am 30. Juni eine so genannte "Outingaktion" in vier Städten Unterfrankens statt. Durch eine Flugblattaktion versuchte man die Bevölkerung über die in ihrer Nachbarschaft lebenden Rechtsextremisten aufzuklären. In einer Internet-Veröffentlichung heißt es dazu: "Unter dem Motto "4 gewinnt!" rissen die Gruppen die FaschistInnen durch vier Outing-Aktionen aus ihrer Anonymität und machten dadurch auf die gefestigten Neonazi-Strukturen in Unterfranken aufmerksam. Dabei wurde durch Postwurfsendungen auf die Neonazi-Nachbarschaft aufmerksam gemacht." Wie in den Vorjahren wurde die für den 18. August geplante rechtsextremistische zentrale Heß-Gedenkveranstaltung in Wunsiedel verboten; trotzdem fanden "antifaschistisch" motivierte Protestaktivitäten von Linksextremisten in geringerem Umfang statt. Auch der "Antifaschistische Aktionstag" in Wunsiedel wurde abgesagt. In München protestierten an diesem Tag etwa 500 Personen, darunter auch Linksextremisten, gegen einen Aufzug von etwa 100 Rechtsextremisten, der von diesen als "Heß-Ersatzveranstaltung" angesehen wurde. Die Proteste der Gegendemonstranten verliefen teilweise gewalttätig. 3.1.3.3 Anti-Globalisierungs-Proteste Das Aktionsfeld Anti-Globalisierung bildete aufgrund des G8-Gipfels, G8-Gipfel der vom 6. bis 8. Juni in Heiligendamm, Mecklenburg-Vorpommern, stattfand, das bundesweite Schwerpunktthema der Autonomen. Nachdem autonome Gruppierungen bereits im Jahr 2005 mit Planungen für eine möglichst breite Mobilisierungskampagne begonnen hatten, wurden die Aktivitäten bis zum Beginn des G8-Gipfels in beträchtlichem Umfang fortgesetzt. Die Mobilisierungskampagne gegen den G8-Gipfel beschränkte sich in Teilen des linksextremistischen Spektrums nicht nur auf Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen oder publizistische Aktivitäten; vielmehr erfolgten seit Juli 2005 eine Reihe von Zahlreiche Anschlägen auf Fahrzeuge und Gebäude von Firmen oder staatlichen Anschläge Stellen, die in Selbstbezichtigungsschreiben mit dem G8-Gipfel begründet wurden. Durch diese Brandanschläge entstanden erhebliche Sachschäden, im Einzelfall sogar in Millionenhöhe. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 190 Linksextremismus Auch in Bayern gab es Mobilisierungsaktivitäten und Aktionen im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel. Anfang des Jahres startete die Münchner linksextremistische Szene eine Mobilisierungsaktion für Gegenveranstaltungen zum G8-Gipfel. Mit Blick auf die 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik vom 9. bis 11. Februar forderten linksextremistische Gruppierungen in einem Flugblatt "SIKO & G8 angreifen": "Von München nach Heiligendamm - NATO-Kriegskonferenz und G8 angreifen! G8 blockieren und versenken!" Im Internet sowie auf Flugblättern und in Broschüren wurde zur Blockade des Militärflughafens Rostock-Laage am 5. Juni aufgerufen mit dem Ziel, die Anreise der G8-Gipfelteilnehmer zu blockieren. Nachdem das Amtsgericht München wegen des Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu StrafDurchsuchungen taten Exekutivmaßnahmen angeordnet hatte, durchsuchte die Polizei in München am 17. Januar verschiedene Objekte in München, die vorwiegend der globalisierungskritischen Szene zugerechnet werden. Es wurden mehrere Computer, Flugblätter und Broschüren sowie Druckvorlagen mit strafbarem Inhalt beschlagnahmt. Die linksextremistische Szene veranstaltete daraufhin am 19. Januar in München eine Demonstration gegen "staatliche Repression", an der sich etwa 120 Personen, vorwiegend aus dem linksextremistischen bzw. autonomen Bereich, beteiligten. Die Veranstaltung diente auch der Mobilisierung für weitere Protestveranstaltungen gegen die 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik. Im Rahmen eines Aktionstags veranstaltete das "Sozialforum Nürnberg" unter dem Motto "Gegen den G8-Gipfel - Auf nach HeiligenDemonstration damm" am 26. Mai in Nürnberg eine Demonstration. An der Verin Nürnberg anstaltung beteiligten sich etwa 500 Personen, darunter etwa 60 Angehörige des autonomen Spektrums. In der Nähe eines schweizerischen Pharma-Konzerns gab es eine Zwischenkundgebung. Die Deutschlandzentrale der Firma war am 10. Mai Ziel eines Farbbeutelanschlags und von Beschädigungen durch Klebeaktionen gewesen. Eine "Autonome Gruppe Alles für Alle" hatte sich in einem Schreiben zu der von unbekannten Tätern verübten Aktion bekannt. Auch bei der Schlusskundgebung skandierten die Demonstrationsteilnehmer wiederholt Parolen gegen den Pharma-Konzern. Außerdem propagierten die Kundgebungsredner Blockadeaktionen während des G8-Gipfels in Heiligendamm. Die Mobilisierung zu der Protestveranstaltung erfolgte über Szene-Seiten im Internet sowie durch die Verteilung von Flugblättern in der Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 191 Region, für die sich das "Lokale Anti-G8-Bündnis Nürnberg/Fürth/Erlangen" sowie die "Organisierte Autonomie Nürnberg" (OA) verantwortlich zeigten. Als Unterstützer traten die linksextremistischen Gruppierungen "Antifaschistische Linke Fürth" (ALF), "Autonome Jugend Antifa" (AJA), "Pension Ost" und die "radikale Linke" (rL) auf. Auch unmittelbar vor und während des G8-Gipfels gab es in der weiteren Umgebung des Veranstaltungsorts eine Vielzahl von Protestveranstaltungen, die langfristig von Linksextremisten sowie nicht-extremistischen globalisierungskritischen Gegnern geplant waren. Am 28. Mai beteiligten sich in Hamburg etwa 4.000 Personen an einer Demonstration gegen das "Asia-Europe Meeting" (ASEM). Zu der Demonstration hatte ein maßgeblich von Hamburger Autonomen bestimmtes "Bundesweites Bündnis gegen EU und G8-Gipfel" aufgerufen. Mehr als die Hälfte der Demonstrationsteilnehmer war dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen; ein "Schwarzer Block" an der Spitze des Aufzugs umfasste etwa 500 Personen. Aus diesem Personenkreis wurden Polizeibeamte mit Flaschen und Farbbeuteln beworfen sowie mit Signalmunition beschossen. Auch nach Auflösung der Demonstration durch den Veranstalter kam es zu massiven Angriffen auf die Polizei. Es bildeten sich militante Störergruppen, die im Innenstadtgebiet in Kleingruppentaktik gegen die Polizei vorgingen, Straßen blockierten und brennende Barrikaden errichteten. Eine Person versprühte eine gasähnliche Substanz, wodurch 175 Polizeibeamte Augen-, Hautund Schleimhautverletzungen erlitten. Insgesamt wurden 179 Polizeibeamte verletzt. Die Polizei nahm 34 Personen vorläufig fest und 86 in Gewahrsam. In Stellungnahmen im Internet werteten mutmaßliche Linksextremisten die zum "Warmlaufen für den G8-Gipfel" hochstilisierte Demonstration gegen das ASEM-Treffen als einen "Punktsieg für die Aktivisten". Zu massiven Ausschreitungen und einer bislang nicht gekannten BrutaMassive lität gegenüber Polizeibeamten kam es während einer "Internationalen Ausschreitungen Großdemonstration" am 2. Juni in Rostock. Unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich" nahmen etwa 30.000 Demonstranten teil. Nach noch friedlich verlaufenen Auftaktkundgebungen bewegten sich zunächst zwei Demonstrationszüge durch die Rostocker Innenstadt zum Ort der gemeinsamen Abschlusskundgebung am Stadthafen. Aus einem der beiden Demonstrationszüge kam es während des Zugverlaufs seitens eines 2.000 Personen starken "Schwarzen Blocks" zu ersten Störungen. Die Lage eskalierte, als am Stadthafen ein besetztes Polizeifahrzeug massiv angegriffen und schwer beschädigt wurde. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 192 Linksextremismus Dabei konnten sich die Polizeibeamten zwar dem Angriff entziehen, sie wurden jedoch erheblich verletzt. Parkende Fahrzeuge von Anwohnern wurden umgestürzt und teilweise in Brand gesetzt, Polizeibeamte wurden mit Pflastersteinen, Flaschen und Molotowcocktails beworfen. Es wurden mehr als 400 Polizeibeamte und über 500 Demonstranten verletzt. Auch im weiteren Verlauf des G8-Gipfels kam es zu zahlreichen Flaschenund Steinwürfen auf Polizeibeamte, Blockadeaktionen und Aktionisten Angriffen auf Absperreinrichtungen. Auch Globalisierungskritiker aus aus Bayern ganz Bayern waren zu den Kundgebungen angereist, darunter rund 500 - überwiegend gewaltbereite - Linksextremisten. Die Angehörigen des gewaltbereiten Spektrums kamen mehrheitlich aus Nürnberg und München. Im Nachgang zu den gewalttätigen Ausschreitungen reagierte die linksextremistische Szene mit verschiedenen Verlautbarungen. Beispielsweise wurde festgestellt, dass die Aktionsform der Autonomen, die einen nicht unwesentlichen Teil der globalisierungskritischen Bewegung ausmachen würden, legitim sei. Tausende Demonstranten hätten sich nicht mehr damit abgefunden, nur zu reagieren oder sich zu verteidigen, stattdessen habe man selbst die Initiative ergriffen und mit vollem Bewusstsein angegriffen. Bei den Angriffen auf die Polizei habe es Aufruf zur sich nämlich um zielgerichtete Aktionen gehandelt. In Internet-BeiträTötung von gen wurde auch zur Tötung von Polizeikräften und ihrer Familien aufPolizeibeamten gerufen. Im Laufe der "Aktionswoche" vor und während des G8-Gipfels wurden insgesamt 1.185 Personen in Gewahrsam bzw. vorläufig festgenommen, darunter 43 aus Bayern sowie 274 Aktivisten ausländischer Herkunft. 3.1.3.4 Antiimperialismus Obwohl das Themenfeld "Antiimperialismus" im Vergleich zu den letzten Jahren an Bedeutung verloren hat, hielten wieder Teile der autonomen Szene unvermindert an den Protestaktionen gegen die alljährliche Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik fest (vgl. auch Nummer 2.5 dieses Abschnitts). Im Zusammenhang mit dem 30. Jahrestag der Selbstmorde der AngeRote Armee hörigen der ehemaligen RAF (Rote Armee Fraktion) Andreas Baader, Fraktion (RAF) Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe sowie der Haftentlassungen von Brigitte Mohnhaupt und Eva Haule gab es eine verstärkte Diskussion über die Anschläge der RAF. Dabei wurde vor allem die Frage nach der Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 193 Reue für die Taten und die Diskussion über die weitere Aufklärung von Straftaten thematisiert. Die Ablehnung des Gnadengesuchs des inhafGnadengesuch tierten RAF-Terroristen Christian Klar fand besondere Aufmerksamkeit Christian Klar und wurde thematisch auch bei Demonstrationen aufgegriffen. Maßgeblicher Anlass für die Diskussion war ein auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin verlesenes Grußwort von Christian Klar. Darin hieß es: "... wie sieht das in Europa aus? Von hier aus rollt weiter dieses imperiale Bündnis, das sich ermächtigt, jedes Land der Erde, das sich seiner Zurichtung für die aktuelle Neuverteilung der Profite widersetzt, aus dem Himmel herab zu züchtigen und seine ganze gesellschaftliche Daseinsform in einen Trümmerhaufen zu verwandeln. Die propagandistische Vorarbeit leisten dabei Regierungen und große professionelle PR-Agenturen, die Ideologien verbreiten, mit denen alles verherrlicht wird, was den Menschen darauf reduziert, benutzt zu werden. (...) Sonst wird es nicht möglich sein, die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen ..." In einem Interview mit den ehemaligen RAF-Angehörigen Helmut Pohl und Rolf Clemens Wagner, das unter der Überschrift "Wir wollen den revolutionären Prozess weitertreiben" in der Beilage der der Partei DIE LINKE. nahestehenden Publikation "junge Welt" (jW) vom 17. Oktober veröffentlicht wurde, äußerten sich diese insbesondere zur Entführung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Dr. Hanns Martin Schleyer und bekannten sich gleichzeitig weiterhin zum Kampf gegen das kapitalistische System. Wagner betonte, dass manche Entscheidungen der RAF - darunter die Entführung Dr. Schleyers - auch aus heutiger Sicht noch richtig seien. Allerdings hätten es damals die RAF-Angehörigen "außerhalb der Knäste" versäumt, anhand Dr. Schleyers Person und Werdegang "Analyse und Politik" der RAF zu vermitteln. Hingegen äußerte der frühere RAF-Angehörige Peter-Jürgen Boock bei einem Fernsehinterview sein Bedauern über das Geschehene. 3.1.3.5 Sozialabbau Noch immer sehen Linksextremisten bei Personen, die von den sozialpolitischen Reformen der "Agenda 2010" betroffen sind, ein Mobilisierungsund Rekrutierungspotenzial und sind bestrebt, die Proteste gegen den Sozialabbau verstärkt agitatorisch und aktionistisch für ihre Ziele zu nutzen. Die diesjährige "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" in Nürnberg stand unter dem Motto "1. Mai - Kein Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 194 Linksextremismus Maikundgebungen Naziaufmarsch" und damit im Kontext zu einer am selben Tag stattfindenden Veranstaltung der NPD. An dem Aufzug beteiligten sich bis zu 2.000 Protestteilnehmer, unter denen Linksextremisten einen aus bis zu 500 Personen umfassenden antikapitalistischen "Schwarzen Block" bildeten. Die "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" wurde so zeitgerecht beendet, dass sich die Teilnehmer an die Proteste gegen die NPD anschließen konnten (vgl. auch Nummer 3.1.3.2 dieses Abschnitts). Auch in der Landeshauptstadt München führten Autonome eine eigene "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" durch. Unter dem Motto "Gegen Lohnraub und Sozialkahlschlag, Kapitalismus abschaffen, gegen Rassismus, Patriarchat und Faschismus; gegen polizeiliche Repression" beteiligten sich etwa 180 Personen, von denen der überwiegende Teil dem regionalen autonomen Spektrum zuzurechnen war. 3.2 Antideutsche Strukturen Innerhalb des bundesweiten linksextremistischen Spektrums hat die Bedeutung der so genannten Antideutschen zugenommen. Das besondere und verbindende Element des facettenreichen und vergleichsweise Extremes noch jungen Phänomens ist ein extremes Antifaschismusverständnis, Antifaschismusdas von einer klaren pro-israelischen und pro-amerikanischen Haltung verständnis geprägt ist. Die linksextremistische Strömung der Antideutschen steht somit im deutlichen Gegensatz zu Linksextremisten nach traditionellem Verständnis. Nach ersten szene-internen Denkansätzen trat die antideutsche Strömung ab Beginn der 90er Jahre vereinzelt, zuletzt aber mit steigender Bedeutung innerhalb der linksextremistischen Szene auf. Kommunistische Kleingruppen entwickelten damals die Vorstellung, dass von einer besonderen Aggressivität eines spezifisch deutschen Faschismus auszugehen sei. Damit werde der nach marxistisch-kommunistischer Anschauung grundsätzlich aus dem Kapitalismus resultierende Faschismus hin zu einem spezifisch deutschen verstärkt. Dies werde durch die deutsche Vergangenheit, insbesondere durch den auf Vernichtung ausgerichteten Antisemitismus belegt. Der Beitritt der fünf neuen Bundesländer wurde daher als Gefahr der Entstehung eines "Vierten Reiches" angesehen. Der im "Dritten Reich" begangene Holocaust bewirkte nach linksextremistischer antideutscher Denkweise u.a., dass bis zur weltweiten Überwindung des Antisemitismus Israel als einziger Staat eine "Existenzberechtigung" habe. Damit wird neben dem überhöhten "Antifaschismus" eine kompromisslose pro-israelische Haltung einVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 195 genommen, die auch das außenpolitische Auftreten der USA zum Wohle Israels umfasst. Die Golfkriege und insbesondere die von Palästinensern im Jahr 2000 aufgenommene al-Aksa-Intifada ließen die Israel-SolidaIsrael-Solidarität rität zum zentralen Thema der antideutschen Strömung werden. Die herkömmlich linksextremistische Ansicht, wonach Israel als kapitalistische und imperialistische Besatzungsmacht zum Nachteil des palästinensischen Volks handelt, wird von der antideutschen Strömung als antizionistisch und antisemitisch verurteilt. Mit der zunehmenden Bedeutung der antideutschen Strömung innerhalb des linksextremistischen Spektrums verstärkt sich dieser Konflikt. Der Streit um damit verbundene fundamentale linksextremistische Prinzipien hat auch innerhalb der autonomen Szene zu einer inhaltlichen, organisatorischen und aktionistischen Spaltung in pro-israelische und pro-palästinensische Strukturen geführt. Gemeinsame Aktivitäten zwischen "traditionellen" Linksextremisten und Anhängern der antideutschen Strömung scheinen deshalb nur dann möglich, wenn sie gegen den gemeinsamen "Feind", die Rechtsextremisten, gerichtet sind. Das antideutsche Politikverständnis zieht zum einen Linksextremisten aus dem revolutionär-marxistischen Spektrum an, die sich an der Lehre von Karl Marx orientieren und Wert auf ideologische Ausbildung, z.B. in Form von Seminaren und Vortragsveranstaltungen, legen; zum anderen fühlen sich auch Teile der gewaltbereiten autonomen Szene mit zunehmender Tendenz vom extremen Antifaschismusverständnis der antideutschen Strömung und der Israel-solidarischen Haltung angesprochen. Vor allem handlungsorientierte junge autonome Antifa-Gruppen werden unter dem Minimalkonsens der Solidarität mit Israel im Rahmen ihrer "Antifaschismusarbeit" in der Öffentlichkeit aktiv. Sie zeigen ihren Protest gegen die als faschistisch diffamierte Bundesrepublik Deutschland, gegen Rechtsextremisten sowie gegen jede Form von Kritik am Staat Israel bei Demonstrationen und Kundgebungen, beispielsweise bei einem nicht angemeldeten Protest, der gegen die zentrale Gedenkfeier der Stadt Augsburg zum Volkstrauertag am 18. November Demonstration gerichtet war. Die etwa 30 Demonstranten skandierten Parolen wie in Augsburg "Nie wieder Deutschland" und führten eine israelische Nationalflagge sowie eine Fahne der Antifa mit sich. Die Mischung aus dogmatisch kommunistischen Theoretikern und zumeist jungen autonomen Aktivisten macht die antideutsche Erscheinungsform zu einer sehr dynamischen und um Vernetzung bemühten eigenständigen linksextremistischen Szene. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 196 Linksextremismus 3.3 Linksextremistisch motivierte Straftaten 3.3.1 Gewalttaten Anwendung Angehörige der autonomen Szene halten Gewaltanwendung zur Übervon Gewalt windung des kapitalistischen Systems für legitim. Sie rechtfertigen Gewalt als angeblich erforderliches Mittel gegen die "strukturelle Gewalt" eines "Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung". So wird in dem von Autonomen herausgegebenen Buch "Autonome in Bewegung" zum Thema Gewalt ausgeführt: "Militanz ist in unseren Augen notwendiger Bestandteil linksradikaler Politik, sowohl im allgemeinen Sinn der konsequenten, kämpferischen Haltung an sich, als auch im engeren Sinn von politischer Gewalt. Dass dies ein höheres Maß an Verantwortung erfordert als das Bilden von Lichterketten ist selbstverständlich. Doch wer auf die Option der Militanz verzichtet, beraubt sich selbst der notwendigen Mittel gegen ein System der Herrschaft, dem allein mit den besseren Argumenten nicht beizukommen ist." (aus: A.G. Grauwacke: "Autonome in Bewegung", Berlin, Hamburg, Göttingen, o.J., Seiten 380/381) Die Anwendung von Gewalt wird von den Autonomen aber auch als legitimes Mittel zur "Bekämpfung" von Rechtsextremisten als politischem Gegner erachtet. Die in der Vergangenheit an "Rechten" begangenen Körperverletzungsdelikte machen deutlich, dass Autonome diesen jedes Recht auf politische Betätigung absprechen. Im Vergleich zum Jahr 2006 mit 862 Gewalttaten gab es im Bundesgebiet im Jahr 2007 insgesamt 833 Gewalttaten. Den aktionistischen Höhepunkt für die gewaltbereite linksextremistische Szene Deutschlands stellten die langfristig vorbereiteten Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm dar. Auch eine Vielzahl bayerischer Autonomer war nach Mecklenburg-Vorpommern gereist, um sich den Protesten anzuschließen. Anlässlich der über den gesamten Tagungszeitraum durchgeführten Gegenveranstaltungen kam es mehrfach zu gewaltsamen Aktionen von Autonomen, zum Teil unter internationaler Beteiligung. Die Ereignisse haben das enorme Gewaltpotenzial der linksextremistischen autonomen Szene verdeutlicht (vgl. auch Nummer 3.1.3.3 dieses Abschnitts). Leichter Anstieg In Bayern ist eine Steigerung von 71 im Jahr 2006 begangenen Gewaltin Bayern delikten auf nunmehr 76 Gewaltdelikte festzustellen. Dabei hat sich vor allem im Bereich des "Antifaschismus" die Zahl der Gewalttaten von 50 auf 60 erhöht. Diese Taten richteten sich wie in der Vergangenheit jedoch meist nicht unmittelbar gegen den politischen Gegner. Vielmehr ist die Polizei als staatliches "Repressionsorgan" vermehrt das Ziel linksVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 197 extremistisch aggressiven Verhaltens. Betroffen hiervon sind insbesonGewalt gegen dere die zur Gewährleistung des grundgesetzlich geschützten VersammPolizeibeamte lungsrechts eingesetzten Polizeibeamten, die durch ihre Präsenz Übergriffe verhindern sollen. Linksextremistische Gewalttäter sprechen insoweit auch Polizeibeamten das Grundrecht auf Unversehrtheit der Person ab. Von den 76 Gewalttaten richteten sich allein 49 gegen Polizisten (2006: 44). Ein Vergleich mit den 82 rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten in Bayern zeigt, dass die linksextremistisch motivierten Gewaltdelikte entgegen den Vorjahren nicht mehr den größten Teil der politisch motivierten Gewalttaten ausmachen. Beispiele für die im Berichtszeitraum verübten Gewalttaten sind folEinzelfälle gende Vorfälle: Anlässlich einer Protestveranstaltung gegen die Münchner Sicherheitskonferenz warf ein Demonstrant am 10. Februar gezielt eine Flasche gegen einen Polizeibeamten. Bei seiner Festnahme leistete er Widerstand und biss einen Polizeibeamten in die Hand. Vor Beginn einer Veranstaltung der rechtsextremistischen DVU am 31. März sammelten sich 21 schwarz gekleidete und zum Teil vermummte Personen vor der Zufahrt zum Parkplatz des Veranstaltungsorts und versuchten, Teilnehmer der DVU-Veranstaltung am Zutritt zu hindern. Sie traktierten die Fahrzeuge mit Faustschlägen und Fußtritten und beleidigten die Insassen. Dabei wurde auch die Frontscheibe eines Pkw zertrümmert. Bei einer Gegenveranstaltung zu einer NPD-Demonstration am 1. Mai in Nürnberg trat eine Teilnehmerin von hinten an einen in einer Polizeikette stehenden Polizeibeamten heran, packte ihn am Helm und verdreht ihm schmerzhaft den Hals. Anschließend riss sie den Helm heftig nach hinten, so dass der Beamte zu Fall kam und sich am Knie verletzte. Als ein Polizeibeamter am 20. Juli eine Frau, die an einer Gegendemonstration zu einem Marsch der rechtsextremistischen JN teilnahm, daran hindern wollte, eine Absperrung zu überwinden, schlug sie den Beamten mit einer Fahnenstange auf den Kopf. Am Abend des 2. Oktober wurden vier Berufsschüler in Kulmbach von ein paar jungen Männern angesprochen. Einer der Berufsschüler trug Springerstiefel und hatte sehr kurz geschorenen Haare, weshalb er gefragt wurde, ob er ein Nazi sei. Als er und seine Begleiter dies verneinten begann einer der anderen jungen Männer nach einer verbalen Auseinandersetzung mit der Faust auf den Gefragten einzuschlagen. Nachdem der Angegriffene zu Boden gegangen war, schlugen und traten Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 198 Linksextremismus mehrere Personen auf ihn ein. Der geschädigte Berufsschüler erlitt einen Nasenbeinbruch sowie erhebliche Schürfwunden und Prellungen am ganzen Körper. 3.3.2 Sonstige Straftaten Die Gesamtzahl der in Bayern bekannt gewordenen sonstigen linksextremistisch motivierten Straftaten betrug 95 und hat damit gegenüber dem Jahr 2006 (69) erheblich zugenommen. Dabei handelte es sich vor allem um Sachbeschädigungen, aber auch um Delikte wie Beleidigung oder Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole. Beispielsweise wurde in einem Internet-Artikel das Zustandekommen einer Verurteilung wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole veröffentlicht. Der Autor ist nach eigener Darstellung selbst Betroffener und wegen seiner Äußerung "BRD - Bullenstaat - Wir haben dich zum Kotzen satt" verurteilt worden. In dem Textbeitrag wird zu dieser Aussage Stellung genommen und dabei auf die erneute Feststellung Wert gelegt, dass es sich bei der Bundesrepublik Deutschland als ein "Bullenstaat gerierendes Gebilde" handele, so dass diese Bezeichnung gerechtfertigt sei. Es wurden erneut Ermittlungen eingeleitet. Auf einer Länge von zehn Metern beschmierten bislang unbekannte Täter die Außenfassade des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg mit der Parole (Fehler übernommen) "Solidarität muss praktisch werden, Feuer + Flamme den Abschibebehörden, Antirar!". In der Innenstadt Münchens wurden vermutlich durch denselben Täter an unterschiedlichen Tatorten mit Sprühfarbe u.a. die Parolen "Freiheit für Christian Klar", "Weg mit dem SS 129!" und "Freiheit statt Schäuble" angebracht. Es entstand ein Sachschaden von etwa 1.500 Euro. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Linksextremismus 199 4. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2007 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 1.1 Kernorganisationen: Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 400 4.200 Unsere Zeit (UZ) 18 Bezirksorganisationen, aufgeteilt wöchentlich, 6.000 in Kreisund Grundorganisationen sowie Betriebsgruppen, Marxistische Blätter 26.09.1968, Essen zweimonatlich, 2.500 Rundbrief monatlich DIE LINKE., vormals Die Linkspartei.PDS 69.200 Neues Deutschland (ND) (neuer Name beschlossen auf dem - parteinahe Zeitung - Parteitag am 16.06.2007) werktäglich, 53.600 16 Landesverbände mit Kreisverbänden und Basisorganisationen, DISPUT Berlin monatlich, 11.000 UTOPIE-kreativ-Diskussion sozialistischer Alternativen monatlich, 800 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE. monatlich, 1.500 DIE LINKE Bayern 2.200 TITEL (Informationsforum mit 35 Kreisverbänden der Linkspartei.PDS Bayern) 11.09.1990, München unregelmäßig, 1.500 Arbeiterbund für den Wieder100 150 Kommunistische aufbau der KPD (AB) Arbeiterzeitung (KAZ) 1973, München vierteljährlich Marxistisch-Leninistische 100 2.300 Rote Fahne Partei Deutschlands (MLPD) wöchentlich, 7.500 10 Parteibezirke, über 100 Ortsgruppen und Stützpunkte, REVOLUTIONÄRER WEG 17./18.06.1982, Gelsenkirchen unregelmäßig marx21, vormals Linksuck-Netzwerk 10 400 marx21, (Sozialistische Arbeitergruppe - SAG) fünfmal im Jahr 1993, Berlin Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 200 Linksextremismus Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2007 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) Marxistische Gruppe (MG) München 700 10.000 GEGENSTANDPUNKT 1969/70 AK Rote Zellen, München (Aktive) Herausgeber: ehemalige ("aufgelöst" zum 01.06.1991) Funktionäre der MG vierteljährlich, 7.000 1.2 Nebenorganisationen: Nebenorganisation der DKP: Sozialistische Deutsche 110 300 POSITION Arbeiterjugend (SDAJ) unregelmäßig, 1.500 Landesverbände, Kreisverbände und Ortsgruppen, KONTRA! 04./05.05.1968, Essen Nebenorganisationen der MLPD: Jugendverband REBELL 20 150 REBELL - Beilage zur Roten Fahne - MLPD-Hochschulgruppen Galileo - streitbare Wissenschaft 1.3 Beeinflusste Organisationen: DKP-beeinflusst: Vereinigung der Verfolgten des 700 6.000 antifa Naziregimes - Bund der Antifaschiszweimonatlich, 9.000 tinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Landesvereinigungen mit Kreisund Ortsvereinigungen, 15.-17.03.1947, Berlin 2. Autonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten Autonome etwa rund zum Teil unregelmäßig 600 5.800 erscheinende Szene-Blätter wie: radikal, INTERIM; auf regionaler Ebene u.a. barricada 3. Von mehreren Strömungen des Linksextremismus beeinflusst Münchner Bündnis gegen Krieg 30 und Rassismus München Antifaschistisches Aktionsbündnis 20 Nürnberg Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Scientology-Organisation 201 6. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) International Deutschland Bayern Mitglieder: 125.000 bis 150.000* 5.000 bis 6.000 etwa 2.600 Vorsitzender: David Miscavige Helmuth Blöbaum Gerhard Böhm Gründung: Los Angeles 1952 München 1972 Nürnberg 1982 (Church of Scientology (Scientology Kirche (Scientology Kirche International - CSI -) Deutschland e.V.) Bayern e.V.) Sitz: Los Angeles, USA München München/Nürnberg (in Deutschland unselbständige Teilorganisationen) Publikationen: "Freiheit"; "Impact"; "Ursprung"; "Source" u.a. * geschätzte bzw. hochgerechnete Zahlenangaben, die auf Mitgliederbzw. Aussteigerinformationen basieren 1. Zur Geschichte der SO Im Jahr 1950 veröffentlichte der amerikanische Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard (1911 bis 1986) in den USA das Buch "Dianetik - Die Dianetik moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" und stellte darin seine "Technologie" zur "Heilung psychosomatischer Krankheiten und geistiger Störungen" vor. In den folgenden Jahren wurden so genannte Dianetik-Zentren eingerichtet und schließlich die SO gegründet und aufgebaut. 1952 gründete Hubbard die Hubbard Association of Scientologists International (HASI), die noch nicht den Anspruch erhob, eine Kirche oder angewandte religiöse Philosophie zu sein. Hubbard erkannte jedoch bald die wirtschaftlichen und steuerlichen Vorteile einer Umwandlung seiner Organisation in eine Kirche. Deshalb erklärte er sein von ihm erdachtes Verfahren der Psychomanipulation, das er zusamPsychomen mit einer totalitären Organisationslehre und -technik in Form eines manipulation Kommandosystems ("Admintech") entwickelt hatte, zur Religion und gründete 1954 die erste "Kirche". Mitte der 80er Jahre, nach dem Tode Hubbards und intrigenreichen Machtkämpfen innerhalb der Organisation, übernahm David Miscavige die Führung der SO. Die SO liegt seit Jahrzehnten im Konflikt mit den Rechtsordnungen demokratischer Staaten. Die Vorwürfe lauten z.B. auf Betrug und Wucher gegenüber Kunden, Bedrohung und Nötigung von Kritikern, auf Verschwörung gegen die Regierung, Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. In diesem Zusammenhang kam es weltweit zu zahlreichen Verfahren und Verurteilungen von Funktionären der SO. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 202 Scientology-Organisation 2. Ideologie und Ziele der SO Die "drei Säulen" Der ideologische Überbau der SO beruht auf drei Säulen: der Dianetik, der SO der Lehre Scientology und der scientologischen Ethik. Dianetik richtet sich vordergründig an den Einzelmenschen, dogmatisiert aber tatsächlich gesellschaftliche sowie politische Grundsätze und Forderungen. In der Lehre Scientology, die sich an das "Geistwesen" des Menschen, den "Thetan" so genannten Thetan, mit seinen verschiedenen Stufen der Befreiung richtet, prophezeit Hubbard, er kehre auf die Erde nicht als religiöser, sondern als politischer Führer des Universums zurück. Die scientologische Ethik beschreibt die Disziplinierungstechnologie für Mitglieder, Mitarbeiter und die gesamte Gesellschaft. Die Ideologie der SO stützt sich ausschließlich auf die Schriften von L. Ron Hubbard. Vor allem seine programmatischen Äußerungen werpolicy letters den in den so genannten Richtlinienbriefen ("policy letters") den Mitgliedern und Mitarbeitern als verbindliche Orientierung vorgegeben. Die Analyse zahlreicher Schriften der SO zeigt den generellen Anspruch auf absolute Gültigkeit der scientologischen Ideologie. Den Mitgliedern wird suggeriert, dass die SO das Universalinstrument sei, mit dem alle politischen und gesellschaftlichen Probleme gelöst werden könnten. Darüber hinaus erfasst die SO den Menschen in all seinen persönlichen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlich-politischen Lebensbereichen, sobald er in das Kontrollsystem der Organisation eingebunden ist. Die SO propagiert nicht nur eine verfassungsfeindliche Wertordnung, sondern will sie als verbindlichen Ordnungsfaktor für Staat Totalitäre und Gesellschaft etablieren. Sie gibt sich dabei als eine totalitäre ZwangsZwangslehre lehre zu erkennen. Schon in seinem grundlegenden Buch "Dianetik" hatte Hubbard auf die politische Relevanz und die Reichweite seiner Lehre und Technik hin"Admintech" gewiesen. Mit der Entwicklung seiner totalitären "Admintech" hat Hubbard ein sozialtechnisches Instrumentarium geschaffen, um Gruppen gefügig zu machen. Durch effiziente Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung, der "Technologie", werden die Mitarbeiter, aber auch die einfachen aktiven Mitglieder, in manipulativer Weise unter ständigen Verhaltenszwang gesetzt, damit sie nach dem internen Sprachgebrauch des Managements wie "Maschinen" neue Kunden werben und zu Anhängern des Systems machen. Der Leistungsdruck des Systems auf die Mitarbeiter und Mitglieder ist dabei so stark, dass sie sich dem technokratischen Regelwerk der "Admintech" und den Befehlen der Funktionsträger in der Regel ohne Widerspruch fügen, selbst wenn sie unter Umständen sogar Normen und Dienstpflichten verletzen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Scientology-Organisation 203 Ziel der SO ist eine ausschließlich nach scientologischen Richtlinien Veränderung der funktionierende Welt. Eine neue "wahre Demokratie" soll an die Stelle Gesellschaft mit der bisherigen Demokratien treten, die Scientologen als Produkt einer SO-Techniken "aberrierten", d.h. von der Vernunft abweichenden, geisteskranken Gesellschaft ansehen. Alle gesellschaftlichen Probleme sollen dadurch gelöst werden, dass zunächst 10 bis 15 % der politischen Meinungsführer, dann 80 bis 98 % der Bevölkerung "geklärt" werden und die Gesellschaft schließlich nur noch aus den so genannten Nichtaberrierten, den "Clears", besteht, wobei die "Unfähigen" oder "Unwilligen" "Clears" nach Hubbard "abseits der Gesellschaft in Quarantäne" geschafft werden können. Gleichzeitig soll die "Admintech" weltweit zur Organisation aller gesellschaftlichen Gruppen und der Regierungen eingesetzt werden. Bereits am 20. März 1964 stellte Hubbard in einem Vortrag das Projekt "International City" vor und erhob darin den Anspruch, weltweit die Weltherrschaft Regierungen zu beherrschen. Dazu dient auch die Hubbard-Anweisung vom 13. März 1961. Danach soll ein "Department für Behördenangelegenheiten" u.a. "ständigen Druck auf Regierungen ausüben, um Gesetzgebung von Gruppen zu verhindern, die der Scientology entgegenstehen". Behörden und unabhängige Gerichte werden von der SO als "Gefahr" gesehen, der man begegnet, indem "immer ausreichend Drohungen gegen sie gesucht oder erfunden werden". Die SO lehnt die bestehenden Rechtsordnungen ab. Der Kreis der RechtsAblehnung träger wird auf die "Ehrlichen" beschränkt, also nur auf diejenigen, bestehender die sich der SO verschrieben haben. Im bereits 1959 erschienenen Rechtsordnungen "Handbuch des Rechts" äußert sich L. Ron Hubbard zur Funktion des scientologischen Rechtssystems. Danach wird es im scientologischen Scientologisches Gesellschaftssystem keine Menschenund Grundrechte mehr geben, Rechtssystem wie sie im Grundgesetz definiert sind. Im scientologischen Rechtssystem sind auch keine unabhängigen Gerichte vorgesehen. Vielmehr erforscht ein nicht an Recht und Gesetz gebundener Nachrichtendienst (vgl. auch Nummer 3.2.5 dieses Abschnitts) Sachverhalte und ergreift Maßnahmen. In einem Grundlagenwerk fordert Hubbard "totale Disziplin". Um die Macht zu behalten - so offenbar der Gedanke von Hubbard in seinem Werk "Einführung in die Ethik der Scientology" - müsse man kaltblütig, skrupellos, hemmungslos, gegebenenfalls auch heimtückisch, hinterAbwehr von listig und mit Gewalt gegen die eigenen Feinde vorgehen, ansonsten "Feinden" werde man die Macht verlieren. Die im "Handbuch des Rechts" empfohlenen Operationen zur "Abwehr" von "Unterdrückern" lassen erkenVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 204 Scientology-Organisation nen, dass die SO gewillt ist, die im Grundgesetz konkretisierten Grundrechte abzuschaffen oder deren Schutzbereich verfassungswidrig einzuschränken und dadurch eine totale Kontrolle des Einzelnen durch die SO zu erreichen. Verschiedene Aussagen der SO deuten darauf hin, Aggressiv-kämpdass sie ihre Ziele aggressiv-kämpferisch verwirklichen will. Alle Aktiferisches Verhalten vitäten der SO sind auf die Expansion der Organisation ausgelegt. In diesem Zusammenhang sind auch Maßnahmen gegen Kritiker zu sehen. Kritiker sind alle Personen und Institutionen, die den Zielen der SO nicht zustimmen und ihrer Verwirklichung entgegenstehen. Für deren "Handhabung" gibt es detaillierte Anweisungen, wie zu verfahVerunglimpfung ren ist. Aus diesem Grund verunglimpft, beschimpft und verleumdet die von Politikern SO entsprechend dem immer noch gültigen HCO-Richtlinienbrief vom 11. Mai 1971 seit mehreren Jahren Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus verunglimpft die SO die jetzige deutsche Verfassungsordnung, indem sie diese mit der des nationalsozialistischen Deutschlands gleichsetzt. Personen, die Kritik üben, sollen mit schikanösen bis diffamierenden Attacken als "Feinde" bekämpft werden. Ziel "Unterdrückerische ist es dabei, die Gegner der SO, die als "unterdrückerische Personen" Personen" bezeichnet werden, mundtot zu machen, um die Expansion des Systems nicht von ihnen gefährden zu lassen. Kritiker werden wegen ihrer Gegnerschaft zur SO diffamiert, öffentlich bloßgestellt, angezeigt und verklagt, bisweilen bedroht, belästigt und zur Zermürbung auch psychisch gequält. In einer nach wie vor gültigen Führungsanweisung Hubbards zum Umgang mit "Unterdrückern" von 1966 heißt es dazu: "Leute, die Scientology angreifen sind Verbrecher." "Wenn man Scientology angreift, wird man auf Verbrechen hin untersucht." "Man ist sicher, wenn man Scientology nicht angreift, auch wenn man nicht auf ihrer Seite ist." In den USA scheuen sich daher manche Medien, offen gegen die SO Stellung zu nehmen. Auch in Deutschland spionierte die SO ihre Kritiker durch verdeckt arbeitende Mitarbeiter und Privatdetektive bis in ihre Intimsphäre aus, um sie mit ehrenrührigen Behauptungen in der Öffentlichkeit bloßzustellen. 3. Organisationsund Kommandostruktur der SO 3.1 Weltweite Kommandostruktur der SO Die Einrichtungen der SO in Deutschland erscheinen zwar nach außen als rechtlich selbständig, sind jedoch der strikten Befehlsund Disziplinargewalt des Internationalen Managements in den USA unterworfen Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Scientology-Organisation 205 Organisationen der SO Hof in Bayern Aschaffenburg Würzburg KVPM - Schlüsselfeld Nürnberg Scientology Mission Nürnberg Regensburg Scientology Mission Ingolstadt Augsburg Passau Augsburg Scientology Mission München München Celebrity Center München Lindau WISE Scientology Scientology KVPM - Starnberg Kirche Kirche Bundesleitung Deutschland e.V. Bayern e.V. Department of Department of KVPM Special Affairs Special Affairs München GER MUC und daher unselbständige Teile. Die SO in Deutschland bekennt sich auch in ihren aktuellen Veröffentlichungen ausdrücklich zu ihrem Gründer und seiner unveränderbaren politischen Programmatik. Das Religious Technology Center (RTC) unter David Miscavige hat die RTC: Befehlsoberste Befehlsgewalt in der SO. Unterhalb des RTC ist das Internatiozentrale der SO nale Management der SO angesiedelt. Dieses hat die Aufgabe, für jeden Sektor der SO Strategien und taktische Pläne zu entwickeln. Hier wird auch die Führung der verschiedenen Sektoren koordiniert. Derartige Sektoren sind u.a. die Bereiche "Church", WISE, ABLE und OSA. Das Internationale Management besteht demzufolge aus mehreren Gruppen, von denen jede eine ganz bestimmte Verantwortung trägt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 206 Scientology-Organisation WDC Die oberste Stufe dieser Führungsebene ist das Watchdog Committee (WDC). Hierbei handelt es sich um eine "Inspektionsund Überwachungsorganisation", welche die eigentlichen Management-Gruppen inspiziert und für deren Funktionieren sorgen soll. 3.2 Organisation der SO in Deutschland 3.2.1 "Church"-Sektor "Orgs" und Derzeit existieren im Bundesgebiet zehn "Kirchen" (Orgs) und "Cele"Celebrity Centres" brity Centres" (CC), und zwar jeweils eine Org und ein CC in München, Düsseldorf und Hamburg sowie jeweils eine Org in Berlin, Stuttgart, Frankfurt am Main und Hannover. Außerdem gibt es in Deutschland insgesamt 14 "Missionen", davon neun in Baden-Württemberg, je eine in Bremen und Hessen sowie drei in Bayern, nämlich in München, Nürnberg und Augsburg. Daneben sind noch einige so genannte Feldauditorengruppen aktiv. Die genannten Einrichtungen der SO sind in Deutschland überwiegend als eingetragene Vereine organisiert. Als Dachverband fungiert die Scientology Kirche "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD). Diese Vereine sind jedoch Deutschland e.V. nur scheinbar selbständig; sie haben im weltweiten, aus den USA ge(SKD) steuerten System kaum eigenständige Funktionen. Faktisch werden die SO-Einrichtungen nicht durch die jeweiligen Vereinsvorstände geleitet, sondern durch die Executive Directors und die sonstigen Funktionsinhaber in den USA über die jeweiligen Verbindungsstellen. Dies ist in den Lizenzverträgen über die Nutzung der Dianetikund SO-Warenzeichen zwischen der Konzernspitze in den USA und den örtlichen "Kirchen", "Missionen" usw. in aller Welt geregelt. So wurden in den vergangenen Jahren beispielsweise Mitglieder der Eliteorganisation Sea-Org Sea-Org aus den USA und dem Kontinentalen Verbindungsbüro in Kopenhagen in deutsche Einrichtungen der SO abgeordnet, um dort Befehle zu erteilen und für die richtige "Handhabung" der scientologischen Technologie zu sorgen. 3.2.2 WISE-Sektor Das 1979 von der SO gegründete World Institute of Scientology Enterprises (WISE) besteht aus Geschäftsleuten oder Unternehmen aus allen Geldbeschaffung Bereichen der Wirtschaft. Zweck von WISE ist es, Geld für die SO zu beschaffen und durch die Verbreitung der auf L. Ron Hubbard beruhenden "Technologie" Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Damit kommt WISE auch eine führende politische Bedeutung zu. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Scientology-Organisation 207 Schwerpunkte in Deutschland und Bayern sind die Immobilienbranche sowie die Unternehmens-, Führungsund Personalberatung. Darüber hinaus ist die IT-Branche aufgrund ihrer globalen Vernetzung und ihrer technischen Möglichkeiten ins Blickfeld von Scientologen geraten, da sie den Zugang in sensibelste Unternehmensbereiche eröffnen kann. In besonderem Maße bemüht sich die SO weiterhin, in Osteuropa (Russland, Ungarn) zu expandieren. Kontinentale WISE-Büros finden sich für Europa in Kopenhagen, Mailand, Budapest und Moskau. Über so genannte Hubbard Colleges of Administration wird WISE-Logo versucht, Hubbards Verwaltungstechnologie als vorgeblich erfolgreiches westliches Know-how in Unternehmen und in der Verwaltung zu etablieren. 3.2.3 ABLE-Sektor Die Association for better Living and Education (ABLE) versucht, für die SO den sozialen Bereich der Gesellschaft zu durchdringen und scientologische Lösungsansätze zu realisieren. Zu den dem ABLE-Bereich zuzuordnenden Organisationen gehören vor allem * das Zentrum für individuelles und effektives Lernen (ZIEL), * Applied Scholastics (Ausbildungsprogramm; u.a. Englisch-Fernkurse), * NARCONON, ein angebliches Drogenrehabilitationsprogramm, * CRIMINON, angeblich ein Programm zur Rehabilitation von Strafgefangenen. Mit diesen Organisationen versucht die SO, sich als humanitäre, karitative und sozial verantwortliche Organisation darzustellen. Die Wahl von Ausbildung, Gefangenenund Drogenrehabilitation als weitere Schwerpunkte lässt den Schluss zu, dass die gerade bei diesen Personengruppen gegebene Möglichkeit der leichteren Einflussnahme benutzt wird, Ausnutzen von um diese für die SO zu werben. Beeinflussbarkeit 3.2.4 Besonders aktive Tarnorganisationen der SO 3.2.4.1 Applied Scholastics Einer der Schwerpunkte der Expansionsstrategie der SO ist ihr Bestreben, in ihrem angeblichen Kampf gegen die Bildungsmisere und den Analphabetismus die Studiertechnologie Hubbards in der Gesellschaft Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 208 Scientology-Organisation zu etablieren. Die derzeitigen Bildungsund Schulsysteme werden von der SO als unfähig deklariert, den Schülern "wahre Fertigkeiten und geistige Fähigkeiten" beizubringen. In diesem Zusammenhang heißt es bereits im Klappentext aus dem Jahr 1992 zum "Grundlegenden Studierleitfaden" von Hubbard: "Erlangen Sie die Fertigkeiten, die Ihnen das Schulsystem niemals beibrachte - und beginnen Sie wirklich anzuwenden, was Sie lernen!" Anlässlich der Feier zum 10. Jahrestag der International Association of Scientologists (IAS) Ende 2003 forderte der Vorsitzende des Religious Technology Center (RTC) David Miscavige in seiner Rede: "Die Studiertechnologie muss überall sein. (...) So schaffen wir die Mittel, um die Tech in jede Schule einzuführen und das Problem auf globaler Ebene zu lösen." Studiertechnologie Mit der Studiertechnologie, die beispielsweise über Nachhilfegruppen als Rekrutierungsverbreitet werden soll, will die SO zunächst unerkannt die Lehren Hubmittel bards verbreiten, um letztendlich neue Mitglieder zu rekrutieren. Sowohl das Werbematerial der von Scientologen geführten Lernstudios als auch deren Namen enthalten dabei keine Hinweise auf die Organisation. So tragen die Anbieter neutrale Namen wie zum Beispiel Lernstudio, Lerncenter oder Tutoring. Beispielsweise hat sich in München seit einigen Jahren eine Kindertagesstätte mit Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung etabliert, deren Führung und Belegschaft aus langjährigen und teilweise hoch ausgebildeten Scientologen besteht. Die Landeshauptstadt München hat entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Erfahrungsberichte von Eltern und Schülern zeigen, dass die Nachhilfelehrer nicht nur den Lehrstoff behandelten, sondern dass sie Wörter und Begriffe nach der Hubbard-Studiertechnologie definierten und durch Knetmasse darstellen ließen, wobei anfangs jeder Hinweis auf die SO vermieden wird. In Bayern wurden allerdings schon Fälle bekannt, bei denen Schülern bereits nach wenigen Stunden Nachhilfe die SO-Werbebroschüre "Der Weg zum Glücklichsein" übergeben wurde, in der zwar Hubbard als Verfasser genannt wird, ansonsten aber jeder Hinweis auf die SO fehlt. Der weltweite Aufruf an Scientologen - zuletzt bei der Neujahrsveranstaltung 2006 der Church of Scientology International (CSI) in Los Angeles -, im Umfeld ihrer "Kirchen" und "Missionen" zahlreiche SchülerSO-Nachhilfenachhilfegruppen zu gründen, war bisher wenig erfolgreich. In Bayern einrichtungen wurden bislang 13 solcher Nachhilfeeinrichtungen bekannt. In diesem Zusammenhang warnte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Lehrerrundbriefen und Elternzeitschriften auch 2007 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Scientology-Organisation 209 wiederholt vor diesen Aktivitäten der SO. Darüber hinaus können sich besorgte Eltern auf der Internet-Seite http://www.appliedscholastics.org auf dem dortigen Global-Locator-Germany über SO-Nachhilfeanbieter informieren. Diese Liste von Anbietern ist allerdings nicht vollständig. 3.2.4.2 NARCONON Bei NARCONON handelt es sich um ein angebliches Drogenentzugsprojekt der SO. Die Teilnehmer an einem "NARCONON-Entzug" durchlaufen u.a. eine "Trainings-Routine", was in den "Kirchen" zum Vorbereitungsprogramm der Ausbildung zum Auditor gehört. Teil des Kurses ist ferner ein "Reinigungsprogramm", das in den "Kirchen" vor Beginn des Auditings zu absolvieren ist. Bereits 1995 verurteilte das Amtsgericht Miesbach einen Verantwortlichen von NARCONON wegen Verstößen gegen das Heilpraktikergesetz. Damals wurde festgestellt, dass weder der AnLogo von NARCONON geklagte noch die Betreuer zur Ausübung eines Heilberufs befähigt oder berechtigt waren. 3.2.4.3 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) Die 1972 von Mitgliedern der SO gegründete KVPM ist eine mit der SO verbundene Organisation und im Bereich "Sozialreformen" tätig. Als ihr Ziel bezeichnet sie, Missbräuche und Menschenrechtsverletzungen der Psychiatrie zu untersuchen und aufzudecken. Nach internen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Publikationen soll die KVPM jedoch dazu beitragen, eine neue Zivilisation, eine scientologische Gesellschaft zu schaffen. Angesiedelt ist die KVPM im Office of Special Affairs (OSA) der SO. KVPM-Logo 3.2.5 Office of Special Affairs (OSA) OSA ist die Nachfolgeorganisation einer bereits in den 60er Jahren unter dem Namen Guardian Office (GO) aufgebauten Abteilung, die nach eigenem Selbstverständnis auch Nachrichtendienstund SpionagefunkGeheimdienst tionen hatte. Zahlreiche Grundlagenpapiere für das GO, z.B. für nachder SO richtendienstliche Schulung, wurden für den neuen Dienst als OSA-Network Orders übernommen. Im Gegensatz zur rigiden und direkten Vorgehensweise des GO, die in der Vergangenheit international zu Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 210 Scientology-Organisation einem Ansehensverlust der SO geführt hatte, operiert das OSA heute erkennbar vorsichtiger, ohne seine Ziele im Wesentlichen geändert zu haben. Deutsche OSADie für Deutschland zuständige OSA-Einheit ist das Department of Zentrale (DSA) Special Affairs (DSA) mit Sitz in München. Nach außen tritt das DSA in München unter der Bezeichnung "Scientology Kirche Deutschland, Beichstraße 12, 80802 München" auf; der inoffizielle Sitz befindet sich in München in der Nordendstraße 3. Dem DSA-Deutschland nachgeordnet sind die lokalen DSA-Büros in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, München und Ulm, angesiedelt bei den dortigen "Scientology Kirchen" oder den "Celebrity Centres". Die SO selbst stellt ihre OSA-Einrichtung für Deutschland mit Sitz in München als Büro für öffentliche Angelegenheiten oder als Presseund Rechtsamt dar. Teile des OSA sind das Deutsche Büro für MenschenCCHR rechte und die Citizens Commission on Human Rights (CCHR). Da die CCHR weisungsgebend für die Kommission für Verstöße der Psychiatrie KVPM gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) ist, kann dieses öffentlichkeitswirksame Aushängeschild zur Bekämpfung der Psychiatrie ebenfalls dem Bereich OSA zugerechnet werden. Auch die im August 2001 gegrünATV dete Aktion Transparente Verwaltung München (ATV), betrieben von einem DSA-Unterabteilungsleiter, ist dem OSA zuzurechnen. Die ATV unterhält eine eigene Homepage; ein Hinweis auf die SO ist dort nicht erkennbar. Gemäß der Hubbard-Anweisung (HCO-PL) vom 13. März 1961 soll in den OSA-Akten die jeweilige Ausgangslage für Maßnahmen von OSA bzw. DSA gegen "Feinde", d.h. der SO kritisch begegnende Personen, gesammelt werden. Der HCO-PL beschreibt als Ziel der Abteilung: "... Behörden und ihnen entgegen gesetzte Denkmodelle oder Gesellschaften in einen Zustand völliger Übereinstimmung mit den Zielen der SO zu bringen. (...) Dies geschieht durch die hochrangige Fähigkeit zur Steuerung und - falls sie nicht gegeben ist - durch die weiter unten angesiedelte Fähigkeit zur Überwältigung." Das DSA-Deutschland setzt diese Anweisung um, sammelt Informationen über Kritiker, Politiker, Behördenangehörige und andere Gegner, wertet sie aus und verwendet sie für eigene operative Maßnahmen. Durch Recherchen unter Falschnamen und andere Maßnahmen verschafft sich das DSA-Deutschland interne Unterlagen deutscher Einrichtungen. Seine Außendienstmitarbeiter observieren als "Feinde" bezeichnete Gegner der SO und beziehen, um Rückschlüsse auf ihre Organisation zu verhindern, Privatdetektive in ihre Arbeit ein. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Scientology-Organisation 211 Das DSA arbeitet abgeschottet gegenüber anderen SO-Strukturen. Die Informationen an übergeordnete Einrichtungen werden verschlüsselt oder durch konspirativen Botenverkehr übermittelt. 4. Mitglieder der SO Die SO hat in Deutschland zwischen 5.000 und 6.000 Mitglieder, woMitgliederzahlen bei die Organisation selbst eine deutlich höhere Zahl angibt. Früher behauptete die SO, dass die "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD) über 30.000 Mitglieder habe; im Rechtsstreit der SO gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz gab der Präsident der SKD im Jahr 2004 an, die SKD habe etwa 12.000 Mitglieder. Der Mitgliederstand in Bayern ist mit etwa 2.600 konstant geblieben. Als Mitglieder werden solche Personen verstanden, die ihre Mitgliedschaft in einem SO-Verein oder einer sonstigen SO-Gliederung, z.B. im WISEoder ABLE-Bereich, schriftlich erklärt haben oder durch die Belegung von Kursen in einem SO-Verein verdeutlichen. 5. Veranstaltungen und Aktivitäten der SO Die Aktivitäten der SO waren wie in den Vorjahren im Wesentlichen geprägt von der Agitation gegen die Beobachtung der SO durch den Agitation gegen Verfassungsschutz und ihre Erwähnung in den VerfassungsschutzVerfassungsschutz berichten. Insbesondere berief sich die SO in einer Öffentlichkeitskampagne auf die angebliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Zwar wird Deutschland von der SO immer wieder als wichtigstes Expansionsgebiet in Europa bezeichnet, doch sind ihre Verbreitungsbemühungen auch in vielen anderen europäischen Staaten nicht unerheblich. Zahlreiche Verfahren gegen Scientologen in Frankreich, Belgien, Spanien und Italien zeigen, dass die SO Verstöße gegen die Rechtsordnungen dieser Länder in Kauf nimmt. Zudem werden - wie in Deutschland - in den genannten Staaten, insbesondere in Frankreich, Kampagnen gegen die angebliche religiöse Diffamierung der SO durchgeführt. Am Aufbau neuer Organisationsstrukturen im Ausland beteiligen sich auch deutsche Scientologen. Besonders bei der Expansion der SO in Expansion in Osteuropa spielt die Münchner Niederlassung der SO, die Org MünOsteuropa chen, seit Jahren eine bedeutende Rolle. In Kursen der Org München werden zahlreiche Osteuropäer ausgebildet. Schwerpunkt der derzeitigen Expansionsbemühungen der SO ist u.a. "Ideale Org"die weltweite Schaffung so genannter "Idealer Orgs". Dies gab der VorKampagne Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 212 Scientology-Organisation sitzende des Religious Technology Center (RTC), David Miscavige, der höchsten Autorität der SO, anlässlich seiner Neujahresansprache in Los Angeles bekannt. Durch die"Idealen Orgs", die in der Nähe der nationalen Regierungen errichtet werden sollen, soll politischer Einfluss genommen und die "Globale Beseitigung psychiatrischer Missstände" erreicht werden. Auch in Deutschland wurden solche Expansionsbemühungen der SO bekannt. Die SO sieht die Kampagne als wichtigen Schritt, um eine "neue Zivilisation" nach ihren - verfassungsfeindlichen - Vorstellungen zu schaffen und verstärkt politischen Einfluss nehmen zu können. Deshalb wurde Erste deutsche am 13. Januar in Berlin-Charlottenburg die erste deutsche "Ideale Org" "Ideale Org" eröffnet. An der Eröffnungsfeier nahmen etwa 1.500 Personen teil, darin Berlin unter auch bekannte Künstler. Darüber hinaus nahmen Delegationen aus fast allen europäischen Staaten sowie aus den USA, der Türkei und Israel teil, wo die SO mit Orgs vertreten ist. Die Vizepräsidentin der SKD, Sabine Weber, sprach ein Grußwort und rief dazu auf, den Kampf gegen die "Unterdrückerstaaten" nicht aufzugeben. Die europäischen Staaten, insbesondere Deutschland, werden von der SO als Unterdrückerstaaten abgelehnt. Einer europäischen Verfassung könnte man eventuell zustimmen, wenn sich die SO unter ihr entfalten könnte. Für die SO ist es offenbar wichtig, in Berlin als Bundeshauptstadt eine neue große Org zu haben und somit ein sichtbares Zeichen der Expansion gesetzt zu haben. Eine Hamburger Teilorganisation verkündete bereits im November 2006, die Berliner Niederlassung sei eine Repräsentanz, die dafür verantwortlich ist, "die nötigen Zufahrtsstraßen in das deutsche Parlament zu bauen, um unsere Lösungen tatsächlich eingearbeitet zu bekommen in die gesamte deutsche Gesellschaft". Die SO hat sich mittlerweile von diesem Papier ausdrücklich distanziert. Auch andere deutsche Orgs wie München, Stuttgart und Hannover sollen nach diesem Konzept expandieren und im scientologischen Sinn auf die Gesellschaft und die Regierungen einwirken. Bisher installierte die SO "Ideale Orgs" außerdem in den europäischen Hauptstädten Brüssel, London und Madrid. Seit Anfang des Jahres verschickt die "New Era Publications International, Kopenhagen", der Buchverlag der SO, Werbebroschüren und die DVD "Eine Einführung in die Scientology" an öffentliche Bibliotheken und Schulen. Dabei wird angeboten, kostenlos weitere Publikationen über die SO erhalten zu können, wenn ein beigefügter Fragenkatalog ausgefüllt New Era an New Era zurückgesandt würde. Zweck dieser Aktion ist offensichtlich das Bemühen, in kommunalen und in Schulbibliotheken präsent zu sein. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Scientology-Organisation 213 Am 5. April verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Russland darüber zu entscheiden, ob die "Church of Scientology Moscow" in das russische Religionsregister einzutragen ist Russisches (Az. 1814/02). Die SO behauptete dagegen, der EGMR habe sie mit binReligionsregister dender Wirkung für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention als Religionsgemeinschaft anerkannt. Tatsächlich entschied der EGMR aber nicht die grundsätzliche Frage, ob es sich bei der SO um eine Religionsgemeinschaft im Sinn des Art. 9 der Europäischen Menschrechtskommission handelt. Er stellte nur fest, dass russische Behörden gegen Treu und Glauben verstoßen hatten, als sie über Anträge auf Registrierung nicht entschieden oder sie mit sachfremden Gründen abgelehnt hatten. Die Entscheidung hat für Deutschland und andere europäische Länder keine Auswirkungen. Am 19. Mai fand in der Stadthalle in Erding eine interne Veranstaltung Veranstaltung zum "57. Jahrestag der Dianetik" mit etwa 350 Teilnehmern statt. Bei in Erding dieser Veranstaltung wurde ein Film des Internationalen Managements zur Weltexpansion der SO vorgeführt. Der Film handelte von Personen und Organisationen, die sich über die ganze Welt verteilt für die SO besonders verdient gemacht haben sollen. Dem schloss sich die Ehrung für besondere Verdienste von Mitgliedern und Mitarbeitern der Org München an. In diesem Zusammenhang wurde auch um neue Mitarbeiter und um Spenden für die zu schaffende "Ideale Org München" geworben. Ein weiteres Thema war dabei auch, dass die Org München ein neues, größeres Gebäude in München suche, um den Vorgaben einer "Idealen Org" zu genügen, da die derzeitige Betriebsstätte in der Beichstraße in München dazu nicht ausreiche. Anlässlich eines internationalen Kongresses der Psychiatrie zum Thema ADHS-Syndrom vom 2. bis 6. Juni in Würzburg veranstaltete die KVPM Demonstration mehrere Mahnwachen und eine Demonstration. An den Mahnwachen in Würzburg beteiligten sich jeweils drei bis fünf Personen. An der Demonstration am 4. Juni nahmen etwa einhundert Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teil. Mit einem Transparent "Psychiatrie: Tod statt Hilfe" zogen die Demonstranten - darunter auch viele Kinder - zum Congress-Centrum. Dabei skandierten sie permanent "Psychiatrie, Scharlatanerie". Kundgebungsteilnehmer verteilten in der Fußgängerzone Flugblätter der KVPM und Broschüren der Citizen Comission of Human Rights (CCHR), der Dachorganisation der KVPM. Derartige öffentliche Protest-Veranstaltungen fanden auch vom 4. bis 8. Juni in Dresden statt, wo ebenfalls ein Psychiatriekongress abgehalten wurde. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 214 Scientology-Organisation Schwerpunkt der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der SO in Bayern Informationswaren Informationsstände vor allem in München, vereinzelt auch in stände Nürnberg und Augsburg. Wie schon 2006 hat die SO wesentlich mehr öffentliche Veranstaltungen abgehalten als in den Jahren zuvor. Die etwa 400 öffentlichen Veranstaltungen in Bayern waren größtenteils als Informationsstände organisiert. Als Veranstalter traten meist die "ScienScientology Kirche tology Kirche Deutschland e.V." (SKD) und die "Scientology Kirche BayBayern e.V. (SKB) ern e.V." (SKB) auf. Die SKD und die SKB warben wie in den Vorjahren mit den Themen "Für den Frieden auf der Welt - Dianetik führt zum Frieden" bzw. "Für den Frieden auf der Welt - die ehrenamtlichen Scientology-Geistlichen sagen, man kann immer etwas tun". Bei den Veranstaltungen wurden SO-Broschüren regelmäßig SO-Broschüren zu den Themen "Die Wahrheit über den Joint", "Was sind Menschenrechte", "Der Weg zum Glücklichsein" sowie andere Werbeartikel der SO verteilt, um angebliche Missstände in der Gesellschaft anzuprangern und damit Interessenten und gegebenenfalls neue Mitglieder zu werben. Außerdem führte die SO zahlreiche Postwurfaktionen durch. Die Resonanz in der Öffentlichkeit war bei allen Veranstaltungen gering. Die SO-Einrichtung "The Way to Happiness Foundation International" aus Glendale/USA verschickt seit Herbst 2007 die SO-Werbebroschüre "Der Weg zum "Der Weg zum Glücklichsein" an zahlreiche Behörden, Unternehmen Glücklichsein" und Banken. Darin werden Themen wie Drogen und Jugendkriminalität behandelt. Dass es sich um eine SO-Publikation handelt, ist nicht sofort erkennbar; lediglich in einem kleingedruckten Absatz wird auf den Autor L. Ron Hubbard verwiesen. Die Titelseite der Broschüre ist mit dem Logo und der Anschrift des Adressaten versehen, so dass der Eindruck entsteht, es seien Broschüren der jeweiligen Institutionen. 6. Bewertung der Schriften und Aktivitäten Nach Feststellung der Konferenz der Innenminister von Bund und LänAnhaltspunkte dern (IMK) vom 5./6. Juni 1997 liegen tatsächliche Anhaltspunkte für für Verfassungsverfassungsfeindliche Bestrebungen der SO vor. Auf ihrer Konferenz am feindlichkeit 6./7. Dezember 2007 bestätigte die IMK, dass die SO unverändert verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Die SO wehrt sich gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz seit Jahren mit polemischer, herabsetzender Kritik in der Öffentlichkeit und mit dem Hinweis auf ihre angebliche Religionseigenschaft. Diese betont die SO jedoch nur dann, wenn das mit Vorteilen verbunden ist. Im Gegensatz dazu verzichtet sie beispielsweise in der arabischen Welt auf eine religiöse Darstellung. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Scientology-Organisation 215 Nach einem Gutachten des Instituts für Therapieforschung (IFT) aus IFT-Gutachten dem Jahr 2002 kommt die SO mit der objektiven Wertordnung der Verfassung in vielfacher Hinsicht in Konflikt, weil sie nicht nur ein internes Normensystem habe, das die Organisationsinteressen ausnahmslos über die Belange des Einzelnen stelle, sondern auch Feindbilder in Form von willkürlich erklärten "Unterdrückern" aufgebaut habe. Die interne Organisation sowie die Methoden der Überwachung und Instrumentalisierung, die gegen Mitglieder und Mitarbeiter angewendet werden, verstoßen dem Gutachten zufolge gegen die Menschenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und gegen die Meinungsfreiheit. Darüber hinaus werde von der Organisation das herrschende Gesellschaftssystem, vor allem das Sozialstaatsprinzip, massiv kritisiert und negiert. Die SO biete nicht nur Einzelpersonen ihre Dienstleistungen an, sondern ziele über die Persönlichkeitsveränderung des Menschen auf die Errichtung einer scientologischen Gesellschaftsund Staatsordnung, die im Widerspruch zu zentralen Prinzipien unserer Rechtsordnung stehe. Das Gutachten bestätigt die bisherige Bewertung der SO durch die Bestätigung der bayerischen Sicherheitsbehörden. Auch das Verwaltungsgericht Köln Bewertung durch hat 2004 im Rechtsstreit zwischen dem Bundesamt für Verfassungsdas VG Köln schutz und der SO bestätigt, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolge, die darauf gerichtet sind, die Grundrechte, insbesondere die Menschenwürde, zu beseitigen. Das Gutachten ist unter der ISBN 3-936142-40-8 beim Pabst Science Publishers Verlag unter dem Titel "Gesundheitliche und rechtliche Risiken bei Scientology" erschienen. 7. Vertrauliches Telefon und Informationsangebot im Internet Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz unterhält ein "vertrauliches Telefon" unter der Nummer 0 89 / 31 20 12 96. Opfer, Aussteiger und Angehörige von SO-Mitgliedern können dort Hinweise über die SO geben. Für Beratungen stehen die anerkannten Beratungsstellen zur Verfügung. Das Bayerische Staatsministerium des Innern informiert im Internet über die Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung, über Pressemitteilungen und Gerichtsentscheidungen unter folgender Adresse: http://www.innenministerium.bayern.de/scientology Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 216 Spionageabwehr 7. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage Die Notwendigkeit für die internationale Staatengemeinschaft, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bei Krisenländern und Proliferation terroristischen Organisationen (Proliferation) zu verhindern, sowie die Beobachtung der Wirtschaftsspionage stehen - neben der Abwehr von Spionageaktivitäten vor allem durch Nachrichtendienste Chinas und der GUS-Staaten - weiter im Mittelpunkt des Auftrags der Spionageabwehr im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Das anhaltende Interesse von hoch technisierten deutschen - insbesondere auch mittelständischen - Unternehmen, sich auf den Wirtschaftsmärkten in Russland und Fernost zu etablieren, ist für den Schutz von Know-how nicht ohne Gefahren. Aktivitäten fremder Nachrichtendienste zur Erlangung von Spezialwissen belegen das nach wie vor bestehende Interesse an deutschen Produkten. Zielobjekte der Die Volksrepublik (VR) China verfolgt weiterhin mit Nachdruck das Ziel, VR China den technologischen Abstand zu den führenden Industriestaaten zu verringern. Durch die staatlich gelenkte Innovationsoffensive ist es gelungen, in Einzelbereichen Spitzentechnologien selbst herzustellen. Mit offensivem Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel werden vor allem Informationen zu den Bereichen Militär, Wirtschaft und Forschung gesammelt. Darüber hinaus versucht die VR China weiterhin, oppositionelle Gruppierungen im Ausland zu beobachten und zu unterwandern. Vor allem die in Deutschland lebenden organisierten Angehörigen der uigurischen Minderheit, aber auch die in China verbotene buddhistisch-taoistische Falun-Gong-Bewegung sowie die Anhänger der taiwanesischen Souveränität stehen im Blickfeld der chinesischen Nachrichtendienste. Aktivitäten Die hohe Zahl der in russischen diplomatischen Vertretungen in Deutschrussischer Nachland beschäftigten nachrichtendienstlichen Mitarbeiter lässt einen richtendienste Rückschluss auf das Aufklärungsinteresse des russischen Auslandsaufklärungsdienstes SWR bzw. des militärischen Dienstes GRU in Deutschland zu. Während sich der SWR in erster Linie um Informationen zu politischen und wirtschaftlichen Bereichen und Zielobjekten bemüht, ist der GRU primär an klassischen Militärobjekten und -technologien interVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Spionageabwehr 217 essiert. Weiter betreiben Angehörige des russischen Inlandsnachrichtendienstes FSB in Deutschland Aufklärung. Zentrale Themen sind dabei die Erweiterung von NATO und EU, die Handelsbeziehungen zu Russland sowie der angestrebte schnellere Zugang zu westlichem Know-how für die Modernisierung der Wirtschaft und der Rüstung Russlands. Ein Fall, der dies belegt, konnte vor kurzem abgeschlossen werden: Durch einen Hinweis wurde bekannt, dass ein österreichischer Heeresangehöriger Kontakt zu mehreren Mitarbeitern eines bayerischen Rüstungskonzerns hatte und von diesen Informationen erhielt, die er an einen vermeintlichen GRU-Angehörigen weitergab. Durch Recherchen des zuständigen Partnerdienstes und des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz gelang es, zwei Techniker dieses Konzerns zu identifizieren. Einer von ihnen war geständig; dadurch konnten der russische Führungsoffizier und der Heeresangehörige festgenommen werden. Der Mitarbeiter gab zu, für seine Lieferungen einen fünfstelligen Eurobetrag erhalten zu haben. Ihn erwartet - ebenso wie den österreichischen Soldaten - ein Gerichtsverfahren. Die Nachrichtendienste der Länder Syrien, Libyen, Algerien und Iran Regimekritiker legen hingegen den Schwerpunkt ihrer Auslandsaktivitäten im Westen im Visier auf die Aufklärung und Infiltration regimekritischer Organisationen und Personen. So wurde gegen einen Syrer und einen Algerier aufgrund derartiger Spionageaktivitäten von der Generalbundesanwaltschaft Anklage erhoben. 2. Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage Die Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage gewinnt vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierung und steigenden Wettbewerbs an Bedeutung. Nicht nur Großunternehmen, sondern auch kleine und mittelständische Firmen sowie Hochschulen verfügen vielfach über technisches Know-how, das für die Nachrichtendienste anderer Länder von Know-how im Interesse ist. In Russland, China und vielen anderen Staaten sind deren Blickfeld der Nachrichtendienste gesetzlich verpflichtet, die Wirtschaft ihres Landes Nachrichtendienste zu unterstützen. So äußerte der russische Präsident Wladimir Putin am 19. Oktober: Der Nachrichtendienst (SWR) muss seine Anstrengungen verstärken, um die russische Wirtschaft und die Interessen russischer Unternehmen im Ausland aktiver zu unterstützen." Die Verlagerung von Entwicklungsund Produktionsstätten in diese Staaten sowie Kooperationen im Hochschulbereich bergen ein erhöhtes Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 218 Spionageabwehr Gefahrenpotenzial für Ausspäh-Aktivitäten in sich. Besonders in China bestehen speziell für Investoren der ausländischen Wirtschaft Vorschriften, die darauf abzielen, an das Know-how der Firma zu gelangen. So ist für bestimmte Schlüsseltechnologien, die für die chinesische Wirtschaft besonders wichtig sind, ein Joint Venture mit einem chinesischen Geschäftspartner gesetzlich vorgeschrieben. Das dadurch gewonnene Know-how kann anderen chinesischen Firmen zum preisgünstigen Nachbau zur Verfügung gestellt werden. Auch durch den Kauf deutscher Firmen gelangen fremde Staaten an westliche Technologie. Zielrichtungen Wirtschaftsspionage hat unterschiedliche Zielrichtungen. Diese sind auf der Wirtschaftsden jeweiligen technologischen Stand der handelnden Staaten ausgespionage richtet. Bei technisch weniger entwickelten Staaten konzentriert sich die Wirtschaftsspionage auf die Beschaffung von technischem Know-how und Informationen über die Produktion. Dagegen richtet sich bei hoch entwickelten Staaten der Fokus neben dem Produkt besonders auf Marktund Wettbewerbsstrategien des Unternehmens. Die strategische Wirtschaftsaufklärung stellt heute zunehmend den Kern des Informationsinteresses fremder Nachrichtendienste dar. Folgender Beispielsfall der Wirtschaftsspionage soll dies verdeutlichen: Ein innovatives mittelständisches Unternehmen stellte eine chinesische Mitarbeiterin mit dem Ziel ein, die Geschäftsleitung bei der Abwicklung der Chinageschäfte zu unterstützen. Trotz einer schriftlichen Anweisung, dass Firmendaten nur für betriebliche Zwecke genutzt werden dürfen, hat die Mitarbeiterin jede für sie zugängliche Information per E-Mail an Adressaten versandt, die der Firma unbekannt sind. Da es sich bei den übermittelten Informationen auch um schützenswerte Konstruktionsdaten aktueller Entwicklungsvorhaben und Preiskalkulationen handelt, ist von gezielter Wirtschaftsspionage auszugehen. Aufgrund unzureichender betrieblicher Zugriffsregelungen hatte die Mitarbeiterin Zugang auf nahezu alle Firmendaten. Die Ermittlungen zu dem Fall dauern an. 3. Spionage im Bereich der Kommunikationstechnik Abhöranfälligkeit Parallel zur wachsenden Bedeutung der Informationstechnik (IT) für die der Telekommuöffentliche Verwaltung und die Wirtschaft hat sich auch die Technik zur nikation Ausforschung von Kommunikation rasch weiterentwickelt. Vor dem "Abhören" der Kommunikationsverbindungen sind weder Telefon, SMS, E-Mail noch Fax sicher. Besonders risikoreich ist die zunehmend eingesetzte Wireless-Technik, die zwar für den Anwender den Komfort erhöht, aber das unerwünschte Abhören und Erfassen von Mitteilungen jedweder Art erleichtert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Spionageabwehr 219 Ebenso birgt die Bluetooth-Funktion in Handys und Notebooks kritische Sicherheitslücken in sich, weil sich damit Daten, E-Mails, Fotos und PIN-Codes ausspähen lassen, sofern sie z.B. auf einem Handy hinterlegt sind. Der Einsatz von Bluetooth in sicherheitsempfindlichen Bereichen sollte deshalb unterbleiben und die Funktion generell nur aktiviert werden, wenn sie erforderlich ist. Im Zeitalter internationaler Kommunikation ist eine räumliche Nähe Schwachstellen zum Spionageobjekt nicht mehr erforderlich. Hacking kann mit gerinder Informationsgem Aufwand von jedem Ort der Welt betrieben werden. Beispielstechnik weise können Handys und Laptops durch Manipulationen zu "Wanzen" umfunktioniert werden, um damit alle Gespräche in einem Raum zu belauschen. Auch das Ausspähen geheimer Informationen über gefälschte E-Mails und Internet-Seiten, das so genannte Phishing und Pharming, stellt ein Sicherheitsrisiko dar. Dabei erleichtern mangelnder Systemschutz und fahrlässiger Umgang mit Passwörtern dem Angreifer die Arbeit. Bei aller Notwendigkeit, die moderne Kommunikationsund Informationstechnik zu nutzen, kommt es entscheidend darauf an, die wesentlichen Kernbereiche der geheim zu haltenden Informationen durch weitgehend sichere Speichermöglichkeiten und Übertragungswege zu schützen. Technische Möglichkeiten, Schwachstellen der IT zu beseitigen oder zu minimieren, sind zwar vorhanden, werden allerdings durch die ständig wachsende Komplexität der Software erschwert. Zudem erhöhen an die Informationsnetze drahtlos angebundene mobile Geräte das Sicherheitsrisiko erheblich. China hat im Jahr 2007 die elektronische Spionage durch TrojanerTrojanerattacken attacken gegen diverse Bundesbehörden und Wirtschaftsunternehmen durch die verstärkt. Betroffen sind nicht nur Großkonzerne, sondern insbesondere VR China auch innovative kleine und mittelständische Unternehmen. Gerade bei diesen Firmen fehlen oft die Mittel für geeignete IT-Schutzmaßnahmen oder das entsprechende Gefahrenbewusstsein. Hinweise, dass auch bayerische Behörden betroffen sind, liegen derzeit nicht vor. Die Angriffe werden überwiegend über vorher recherchierte personenbezogene E-Mail-Adressen initiiert. Die Schadsoftware (Trojaner) befindet sich dann im Dateianhang, die sich nach Öffnen des Dokuments unbemerkt installiert. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz weist aufgrund dieser Bedrohungssituation in Gesprächen bei Firmen und Verbänden verstärkt auf bestehende Gefahren und den hohen Stellenwert der IT-Sicherheit hin. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 220 Spionageabwehr 4. Proliferation Unter Proliferation versteht man die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte einschließlich der dazu erforderlichen Kenntnisse sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen. Auch im Jahr 2007 wurden BeschaffungsProliferation durch aktivitäten verschiedener Krisenländer festgestellt, um in den Besitz prolifeKrisenländer rationsrelevanter Technologie zu gelangen. Der Schwerpunkt lag hier im Bereich der atomaren Rüstung der Staaten Iran, Pakistan und Nordkorea. In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz wurden verschiedene proliferationsrelevante Schlüsseltechnologien definiert, die für die Durchführung eines Waffenprogramms unabdingbar sind, und die in Bayern ansässigen Hersteller festgestellt. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz führte bei diesen bayerischen Firmen Sensibilisierungsgespräche durch. Die Kooperationsbereitschaft der betroffenen Firmen war durchweg positiv und führte zu Hinweisen auf mehrere proliferationsrelevante Sachverhalte. Eine weitere Möglichkeit, an proliferationsrelevante Technologien zu gelangen, stellt die Entsendung von Gastwissenschaftlern dar. In einer vom Auswärtigen Amt und deutschen Sicherheitsbehörden initiierten "Arbeitsgemeinschaft Gastwissenschaftler" werden Deutschlandaufenthalte von Wissenschaftlern aus bestimmten Staaten auf eine mögliche Proliferationsgefahr hin geprüft und im Bedarfsfall auch die aufnehmende Universität in Deutschland zu einem Sensibilisierungsgespräch kontaktiert. Erneut wurden im Berichtszeitraum vom Bayerischen Landesamt für Verstöße gegen Verfassungsschutz Verstöße gegen bestehende Ausfuhrverbote festdas Ausfuhrverbot gestellt und Beschaffungsversuche proliferationsrelevanter Länder in Bayern unterbunden. Folgender Beispielfall kann dies verdeutlichen: Bereits im August 2006 erhielt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz von einer oberbayerischen Firma Informationen über einen iranischen Beschaffungsversuch, bei dem erstmalig iranische Botschaftsmitarbeiter als Einkäufer von Hochtechnologie für das Urananreicherungsprogramm des Iran auftraten. Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit der betroffenen Firma konnte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz weitergehende Erkenntnisse gewinnen und unterrichtete daraufhin den Generalbundesanwalt umfassend über die Aktivitäten insbesondere eines am Generalkonsulat in Frankfurt am Main tätigen Diplomaten. Die weitergehenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts bestätigten den Verdacht, dass der beVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Spionageabwehr 221 troffene Konsularbeamte in staatlich gesteuerte Beschaffungsversuche verstrickt und somit nachrichtendienstlich aktiv war. Die Bundesregierung forderte daraufhin den Iranischen Botschafter in Berlin auf, die Ausreise des verdächtigen Diplomaten bis zum 25. Juli 2007 zu veranlassen. 5. Schutzmaßnahmen - Beratung durch den Verfassungsschutz Das Sensibilisierungsprogramm des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz soll präventiv zur Verhinderung der Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage beitragen. Hierbei wird allen in Bayern ansässigen Unternehmen ein breites Spektrum an Informationsund Beratungsmöglichkeiten angeboten. Dies reicht von der Bereitstellung von Informationsmaterial, über die Entsendung von Experten zu Fachvorträgen bis zu persönlichen Beratungsgesprächen. Ansprechpartner stehen auch bei Fachmessen, wie der "Systems", zur Verfügung. Insbesondere innovative mittelständische Unternehmen werden dabei für Gefahren sensibilisiert und ein Sicherheitsbewusstsein für notwendige Schutzmaßnahmen gegen die Ausspähung von Firmengeheimnissen geweckt. Die angesprochenen Firmenverantwortlichen werden so in die Lage verSensibilisierung setzt, die Schwachstellen im Know-how-Schutz selbst zu erkennen und der FirmenSicherheitskonzepte zu entwickeln. Auch im Berichtsjahr gab es wieder verantwortlichen positive Reaktionen bei den beratenen Unternehmen. Darüber hinaus wird im Bereich der Hochschulen auf die Gefahren der Wissenschaftsspionage hingewiesen und Empfehlungen bei der Erarbeitung oder Analyse von IT-Schutzkonzepten gegeben. Firmen, die als Lieferanten sensibler Güter mit Einsatzmöglichkeiten bei ABC-Waffensystemen infrage kommen (Proliferation), haben eine besondere Verantwortung, dies zu verhindern. Diese Firmen können sich im Verdachtsfall vertrauensvoll an das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wenden. Der Verfassungsschutz ist keine Strafverfolgungsbehörde und unterliegt somit nicht dem Strafverfolgungszwang. Er kann auch die Interessenlage der Personen und Firmen berücksichtigen, die ihm Informationen zur Verfügung stellen. Die Verbände und Zusammenarbeit Organisationen, wie der Bayerische Verband für Sicherheit in der Wirtder Wirtschaft mit schaft (BVSW) oder die Industrieund Handelskammern, die es sich zur dem VerfassungsAufgabe gemacht haben, vorrangig auch mittelständische Betriebe schutz gegenüber diesen Gefahren der Spionage zu sensibilisieren, arbeiten sehr eng mit dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz zusammen. Dabei geht es um gemeinsame Informationsveranstaltungen für mittelständische Firmen und vor allem um den Erkenntnisaustausch unter dem Motto: Informationen aus der Wirtschaft für die Wirtschaft. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 222 Spionageabwehr Alle Maßnahmen dienen dem Ziel, die Führung mittelständischer Unternehmen auf die Risiken durch Wirtschaftsund Konkurrenzspionage aufmerksam zu machen, ihnen das notwendige Problembewusstsein zu vermitteln und Ansätze bzw. Ansprechpartner zur Lösung der Probleme aufzuzeigen. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz will durch sein Beratungsangebot Firmen für eine vertrauensvolle Sicherheitspartnerschaft gewinnen. Faltblatt für die In einem Faltblatt für die Wirtschaft wird außerdem auf die Gefahren Wirtschaft der Proliferation und eine eigens eingerichtete Telefonnummer (0 89/31 20 15 00) hingewiesen, unter der die Firmen Kontakt zum Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz aufnehmen können. Der Text ist auch im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.verfassungsschutz.bayern.de Einen Überblick über die besonders gefährdeten Bereiche, Ursachen und Motive der Spionage sowie die Hauptauftraggeber gibt die gemeinsame Broschüre "Wirtschaftsspionage in Baden-Württemberg und Bayern" der Landesämter für Verfassungsschutz von Bayern und Baden-Württemberg. Die Broschüre ist ebenfalls im Internet unter der vorgenannten Adresse abrufbar. 6. Ausblick Obwohl die Verfassungsschutzbehörden mit einer Vielzahl von ausländischen Nachrichtendiensten gegen den Terrorismus zusammenarbeiten, geht die Ausspähung politischer, wirtschaftlicher und militärischer Geheimnisse durch diese Nachrichtendienste unvermindert weiter. Eine besondere Wachsamkeit gilt der Verhinderung der Proliferation. Die Beobachtung der anhaltenden Aktivitäten chinesischer Nachrichtendienste hat nicht nur in Deutschland, sondern in vielen westlichen Staaten hohe Priorität. Spionageabwehr Um die wirtschaftliche Stabilität, die auch Garant für die politische Stazur Standortbilität ist, zu erhalten, bleibt es für unsere Gesellschaft unabdingbar, sicherung international wettbewerbsfähig zu sein. Gerade deshalb dürfen notwendige Schutzmaßnahmen nicht außer Acht gelassen werden. Vorhandene Know-how-Vorteile in Forschung und Produktion müssen gesichert und Aktivitäten fremder Nachrichtendienste unterbunden werden. Staat, Wirtschaft und Forschung sind aufgrund der fortschreitenden Globalisierung und des steten Fortschritts der Kommunikationstechnik verstärkt der Gefahr der Ausspähung ausgesetzt. Sie sind schutzbedürftiger geworden. Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, dies bewusst zu machen und vor diesen Gefahren zu schützen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Organisierte Kriminalität 223 8. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Ausgangslage Die Präsenz der Organisierten Kriminalität (OK) im Jahr 2007 wurde durch den von der italienischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta in Auftrag gegebenen Mord an sechs Italienern in Duisburg im August deutlich. Der Fall zeigt, dass das Einflussgebiet der OK nicht an Landesgrenzen endet. Um effektiv gegen diese Bedrohung vorzugehen, wurde OK-Beobachtung bereits im Jahr 1994 das Bayerische Verfassungsschutzgesetz erweitert in Bayern und dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz die Befugnis seit 1994 übertragen, kriminelle Strukturen und Personen im Vorfeld konkreter Straftaten langfristig zu beobachten. Dies stellt eine wichtige Ergänzung der polizeilichen Arbeit bei der Bekämpfung der OK dar. Die Beobachtung der OK durch den Verfassungsschutz muss auf eine breite Basis in Zusammenarbeit mit dem Bund und den Ländern gestellt werden. Neben Bayern bestehen auch in den Ländern Hessen, Saarland und Thüringen die gesetzlichen Grundlagen für diese Aufgabe des Verfassungsschutzes. Auch im Ausland wird auf die wachsende Bedrohung der OK reagiert. So wurde z.B. in Großbritannien die "SOCA", Serious Organized Crime Agency, neu gegründet, mit der das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz eine gute Zusammenarbeit unterhält. In der Broschüre "10 Jahre Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz" wird umfassend über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes in diesem Bereich berichtet. Die Broschüre ist abrufbar unter folgenden Internet-Adressen: http://www.innenministerium.bayern.de/service/publikationen http://www.verfassungsschutz.bayern.de 2. Ost-Erweiterung Der Wegfall der Grenzkontrollen zum 21. Dezember 2007 - an den Flughäfen ab März 2008 - aufgrund des Schengener Abkommens zu Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 224 Organisierte Kriminalität den Ländern Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn wird auch neue Möglichkeiten für die OK ergeben. Es ist absehbar, dass europaweit agierende kriminelle Strukturen alle neuen Marktund Machtchancen und die neue Reisefreiheit nutzen werden, um ihre bereits bestehenden Netzwerke weiter auszubauen. Zur Bewältigung dieses Problems bedarf es einer Europaweite engen Zusammenarbeit der europäischen Sicherheitsbehörden. ErfreuZusammenarbeit lich ist die gute Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Nachrichtendienst "BIS". Seit 1. Januar 2007 sind die Länder Rumänien und Bulgarien Mitglieder der Europäischen Union. Die OK ist dort insbesondere in den Bereichen von Auftragsmorden und Korruption vertreten. Die neuen Mitgliedsländer haben frühzeitig der wachsenden Bedrohung durch die OK Rechnung getragen und die Beobachtung und Bekämpfung der OK auch ihren jeweiligen Nachrichtendiensten übertragen. 3. Methodik und Beobachtungsschwerpunkte Erkenntnismittel Die Erkenntnisse zur OK werden vorwiegend durch den Einsatz geheimer des VerfassungsMitarbeiter, aus der Anwendung anderer nachrichtendienstlicher Mittel schutzes sowie aus der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten, die in Europa fast ausnahmslos mit der Bekämpfung der OK beauftragt sind, gewonnen. Weitere Informationen ergeben sich aus der Zusammenarbeit mit den polizeilichen Dienststellen zur Bekämpfung der OK und erschließen sich aus der Analyse von offen zugänglichem Material sowie aus dem Berichtsaufkommen anderer Aufgabenbereiche des Verfassungsschutzes, insbesondere aus der Spionageabwehr und der Beobachtung ausländischer extremistischer Organisationen. Die Ergebnisse der Strukturermittlungen des Verfassungsschutzes münden oft in polizeiliche Ermittlungen. AufklärungsDie Schwerpunkte der Bearbeitung liegen weiterhin auf der Beobachschwerpunkte tung der OK aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), aus Asien und aus Südosteuropa, sowie der italienischen Mafia. Die Beobachtung von Rockergruppierungen wie etwa der "Hells Angels" oder der "Bandidos" mit den Deliktsschwerpunkten im Rotlichtmilieu sowie beim Drogenund Waffenhandel wurde in Ergänzung der polizeilichen Arbeit fortgesetzt. Neben deutschen Staatsangehörigen stellen Täter aus der GUS und Asien sowie aus südosteuropäischen Ländern den größten Teil des zu beobachtenden Personenkreises dar. Auffällig waren sie vor allem in Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Organisierte Kriminalität 225 den Deliktsbereichen der Prostitution und Zuhälterei, des Waffenund internationalen Drogenhandels, bei Menschenhandel und Schleusungen, bei Fälschungsdelikten sowie beim illegalen Handel mit Medikamenten bzw. Surrogaten und der im Zusammenhang mit diesen Straftaten stehenden Geldwäsche. Erkenntnisse aus der OK-Beobachtung werden aber auch zur Bekämpfung des internationalen islamischen Extremismus und des islamistischen Terrorismus genutzt. Insbesondere in den Deliktsbereichen Schleusung und Geldwäsche gibt es Anhaltspunkte für Verflechtungen, die zur illegalen Einreise islamischer Extremisten und zur Finanzierung ihrer Aktivitäten aufgrund der teilweise gleichen Ethnie der Täter genutzt werden. 3.1 Italienische Mafia In Italien sind vor allem vier einflussreiche kriminelle Organisationen bekannt, die der italienischen Mafia zugerechnet werden. Es handelt sich um die sizilianische Cosa Nostra, die Camorra in Kampanien, die 'Ndrangheta in Kalabrien und die Sacra Corona Unita in Apulien. Längst sind die Organisationen nicht mehr nur im italienischsprachigen Raum aktiv. Vielmehr breitet sich die Mafia in ganz Westund Osteuropa bis Ausbreitung der nach Asien und Nordamerika hin aus. Die Ermittler der italienischen italienischen Mafia Anti-Mafia-Einheit konnten allein im Jahr 2007 neun der 30 meistgesuchten Männer Italiens festnehmen. Dem Netzwerk der Cosa Nostra wurde bereits im April 2006 ein schwerer Schlag versetzt. Bernardo Provenzano, der "Boss der Bosse", wurde in seinem Versteck bei Corleone von Sondereinheiten der Justiz festgenommen. Er gilt als Drahtzieher des internationalen Drogenhandels und der Geldwäsche. Im Oktober gelang es italienischen Ermittlern, erneut vier Mafia-Bosse Ermittlungserfolge aufzuspüren und zu inhaftieren. Darunter war Salvatore Lo Piccolo, der als Nachfolger Provenzanos gilt und sich seit über 20 Jahren auf der Flucht befand. Der Aktionsradius der Camorra geht weit über die Landesgrenzen Italiens hinaus. Im Oktober konnten in Hamburg sowie in den Niederlanden ebenfalls ranghohe Mitglieder der Camorra aus Neapel festgenommen werden. Dass sich auch in Deutschland Mitglieder der Mafia aufhalten, haben die Aufsehen erregenden Morde im August in Duisburg deutlich geVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 226 Organisierte Kriminalität Morde in macht. Vor der Pizzeria "Da Bruno" wurden sechs Italiener auf offener Duisburg Straße erschossen aufgefunden. Die Polizei fand am Tatort eindeutige Beweise für eine so genannte Mitgliedertaufe, wie sie bei der kalabrischen 'Ndrangheta üblich ist. Deren Mitglieder sind fest an gemeinsame Normen und Sitten aus dem Herkunftsgebiet und an Rituale der Mafia-Organisation gebunden. Mitgliedertaufen werden nur in einem besonders ausgewiesenen Gebiet ("Locale") und nur von auserwählten Personen höheren Rangs vollzogen. Zu den Hintergründen der Tat können die italienischen Strafverfolgungsbehörden bisher nur Mutmaßungen anstellen. Ein Grund für die Auseinandersetzung liegt möglicherweise in Rivalitäten zweier Familienclans. Neben Erpressung und Waffenhandel hat sich die 'Ndrangheta auf den Drogenhandel spezialisiert. Italienische sowie deutsche Experten sind davon überzeugt, dass die Organisation Deutschland als Ruheraum für italienische Straftäter nutzt. Die illegal erlangten Gelder werden in Immobilien, Gaststätten und maroden Firmen angelegt. Hauptziel dieser Investitionen ist vermutlich Geldwäsche. Auch in Bayern sind Spuren der italienischen Mafia zu finden: Durch Ermittlungen hat der Verfassungsschutz Hinweise auf mögliche Strukturen kriminelle Strukturen in verschiedenen bayerischen Städten erhalten. Es in Bayern sind Verbindungen, die einerseits über etliche Jahre hinweg aufgebaut und gepflegt wurden und die andererseits in kürzester Zeit eine Vielzahl von Personen eines Familienclans nach Bayern gezogen haben. Die Hintergrundinformationen, die der ehemalige hochrangige Mafia-Angehörige Giorgio Basile nach seiner Verhaftung 1998 in Kempten als Kronzeuge der italienischen Justiz preisgegeben hat, führten zu vermehrten Festnahmen von Mitgliedern der 'Ndrangheta in Italien und Bayern. Seine 2005 erschienene Biographie "Das Engelsgesicht" beschreibt u. a. einen Stützpunkt des Carelli-Clans in Nürnberg. Um künftig die italienische Mafia wirksam bekämpfen zu können, strebt man eine enge Kooperation aller deutschen Sicherheitsbehörden mit ihren italienischen Partnern an. Auch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz intensiviert die Zusammenarbeit mit seinem italienischen Partnerdienst, um Erfolg versprechende neue Ansätze zur Verbrechensbekämpfung herauszuarbeiten und wirksam gegen neue Strukturen vorgehen zu können. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Organisierte Kriminalität 227 Treue bis in den Tod Die sieben Prinzipien der 'Ndrangheta 1. UmilA Demut gegenüber anderen Ehrenwerten und der Bevölkerung 2. FedeltA Treue, deren Bruch mit dem Leben bezahlt wird 3. Politica Geheimsprache zwischen Ehrenwerten, deren oberstes Gebot die absolute Wahrheit ist 4. Falsa Politca Sprache der Mafiosi gegenüber Polizisten und Verrätern, die nie die Wahrheit erfahren dürfen 5. La Carta verlangt, dass alle Ereignisse von Bedeutung niedergeschrieben werden 6. Il Lapis verpflichtet den Boss, die geheime Mafia-Chronik zu führen 7. Il Coltello die Interessen der Mafia stehen an erster Stelle und müssen bis zum Tode beschützt werden 3.2 Beobachtung der OK aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten Die Beobachtung der Aktivitäten der russischen OK ist nach wie vor ein Schwerpunkt im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Die bewährten Arbeitsweisen der offenen und verdeckten Beschaffung wurden in den vergangenen Jahren um eine noch intensivere Zusammenarbeit mit der Polizei ergänzt. Die enge Kooperation zwischen allen bayerischen Dienststellen zur BeNetzwerke in kämpfung der OK und den bayerischen Justizvollzugsanstalten ermögHaftanstalten lichte einen tiefen Einblick, wie russischsprachige Gefangene die Haftzeit nutzen, hierarchische und nach außen abgeschottete kriminelle Strukturen zu etablieren. Es ist den Behörden gelungen, organisierte Rituale und führende Köpfe zu identifizieren. Ausschlaggebend waren polizeiliche Erkenntnisse über das Verhalten eines hochrangigen Gefangenen, der bis 2006 wegen eines Tötungsdelikts inhaftiert war. Der Häftling beanspruchte für sich eine Vormachtstellung. Er führte sowohl "Sprechstunden" beim Hofgang als auch Regeln und Moralvorstellungen der "Diebe im Gesetz", die bislang nur aus russischen Haftlagern bekannt waren, ein. Als "Diebe im Gesetz" werden Mitglieder der höchsten Hierarchiestufe in der russischen OK bezeichnet. Auch russlanddeutVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 228 Organisierte Kriminalität sche Mithäftlinge akzeptierten diese Regeln. Sie zahlten in kriminelle Kassen zur gegenseitigen Unterstützung, so genannte Abschtschjaks, ein und organisierten aus den Justizvollzugsanstalten heraus Straftaten. Innerhalb, aber auch außerhalb der Gefängnisse wurden funktionierende Rauschgiftund Versorgungsgeflechte sowie Strukturen im Schutzgelderpressungsbereich aufgebaut. Der oben angesprochene Rädelsführer unter den Gefangenen wurde nach Verbüßung der Hälfte seiner Haftzeit ins Ausland abgeschoben und lebt dort seitdem in Freiheit. Die enge Zusammenarbeit mit der Polizei bewährte sich bereits in mehreren phänomenbezogenen Ermittlungsverfahren. Die Gruppierungen sind streng hierarchisch organisiert und zeichnen sich durch ein enormes Gewaltpotenzial aus. Viele russischsprachige Straftäter, die während der Haftzeit in eine derartige Struktur eingebunden waren, nutzten die Netzwerke und waren auch nach ihrer Entlassung wieder kriminell aktiv. Russische Wie bereits in den Jahren zuvor bilden vor allem Aussiedler der jüngeAussiedler ren Generation aus den ehemaligen GUS-Staaten einen weiteren Schwerpunkt der OK-Beobachtung in Bayern. Hier fallen im Rahmen von Strukturermittlungen des Verfassungsschutzes immer wieder Erkenntnisse über Straftaten an, die aus kriminellen Gruppierungen heraus begangen werden. Die Erkenntnisse werden zeitnah an die zuständigen Behörden zur Strafverfolgung abgegeben. Vorrangig versucht der Verfassungsschutz jedoch, die typischen OK-Indikatoren, wie die Anwendung von Gewalt und Drohungen oder die Verwendung gewerblicher bzw. geschäftsähnlicher Strukturen, zu erkennen. In Nordbayern gelang es, durch Strukturermittlungen eine kriminelle Drogenhandel Gruppierung von Rauschgifthändlern aufzuklären. Der Chef der Bande konnte identifiziert werden. Dieser setzte sich zwischenzeitlich ins Ausland ab. Sein Geschäftspartner hält sich weiterhin in Bayern auf und führt die kriminellen Aktivitäten weiter. So genannte "Soldaten" verkaufen die Drogen und müssen, auch unter Gewaltandrohung, Teile ihrer Erträge abliefern. Die Erkenntnisse wurden an die örtlich zuständige Polizeidienststelle übermittelt, die ein Ermittlungsverfahren einleitete. Auch im ostbayerischen Raum wurden kriminelle Strukturen erkannt. Mitglieder verkauften illegal Drogen, insbesondere Cannabisprodukte und Heroin, an jüngere Aussiedler weiter. Die Betäubungsmittel stammen aus verschiedenen Großstädten und dem Ausland. Die Verteilung findet in Diskotheken, in Wohnungen oder an Verteilerstellen im Freien statt. Diese Erkenntnisse wurden an die Polizei weitergegeben, deren Ermittlungen zu mehreren Festnahmen führten. Die Beobachtung dieser Strukturen wird beibehalten, um mögliche Nachfolger zu ermitteln. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Organisierte Kriminalität 229 Eine überregional agierende ukrainische Bande beging über einen länUkrainische geren Zeitraum organisiert Diebstähle und Einbrüche in Geschäfte, Einbrecherbande Büros, Tankstellen sowie aus Kraftfahrzeugen. Das Diebesgut wurde größtenteils über Hehler in die Ukraine geschafft. Auffallend war die straffe hierarchische Organisation. Die Gruppierung wurde aus der Ukraine heraus geleitet und erhielt von dort ihre Befehle. Die Bandenmitglieder, die für die Ausführung der Einbrüche zuständig waren, hielten sich illegal in der Bundesrepublik Deutschland auf und reisten ausschließlich zur Begehung ihrer Straftaten ein. Die Tatorte lagen sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg. Den Haupttätern gelang es, sich in Deutschland ein Netz von Helfern aufzubauen. Die inländischen Helfer versorgten die Täter mit der notwendigen Logistik für ihre Einbrüche. Sie organisierten die Schleusungen der Bandenmitglieder nach Deutschland, boten durch ihre Wohnungen Unterschlupf und statteten die Einbrecher mit Fahrzeugen und Mobiltelefonen aus. Erkenntnisse des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz wurden an die Polizei zur Strafverfolgung abgegeben. In einer Ermittlungsgruppe konnte die süddeutsche Zelle umfassend aufgeklärt werden. Der Polizei gelang es, 17 Tatverdächtige zu ermitteln. Sechs der Männer wurden inzwischen rechtskräftig zu Strafen zwischen vier Jahren und fünf Monaten bis zu sechs Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die Tatbeute betrug mindestens 250.000 Euro. 3.3 OK-Gruppierungen in den Balkanstaaten und der Türkei Im Mittelpunkt der Beobachtung stehen nach wie vor kriminelle Gruppierungen aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro und dem Kosovo. Die Schwerpunkte der Aktivitäten liegen im Schwerpunkte internationalen Drogenhandel, bei Zigarettenschmuggel, Wirtschaftsder Aktivitäten delikten (im Zusammenhang mit illegalen Beschäftigungsverhältnissen), Eigentumsdelikten wie z.B. Hehlerei, sowie im illegalen Glückspiel bzw. bei Wettgeschäften. Die Gruppierungen unterstützen sich bei der Vorbereitung von Straftaten logistisch. Sie schotten sich gegenüber anderen Nationalitäten strikt ab und treffen sich beispielsweise bevorzugt in Gaststätten, die von Landsleuten geführt werden. Die kriminelle Szene vertraut in der Regel nur Personen, die bereits aus der Heimat einschlägig bekannt sind. Die Heimatländer sind sowohl Rückzugsgebiet als auch Stützpunkt organisierter Banden, wobei es häufig Verflechtungen mit der lokalen Politik und der Verwaltung gibt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 230 Organisierte Kriminalität Zur Vorbereitung von diversen Straftaten beschaffen sich kriminelle "MehrfachGruppierungen aus dem ehemaligen Jugoslawien komplett neue Idenidentitäten" titäten, oft durch entsprechende Verbindungen zu den dortigen Behörden. So reiste ein serbischer Staatsangehöriger mit einem echten serbischen Pass, ausgestellt auf Falschpersonalien nach Bayern ein. Außerdem verfügte er über gefälschte Führerscheine. Dieser Serbe war zuvor, nach Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe wegen Rauschgifthandels, aus einem anderen europäischen Land in seine Heimat abgeschoben worden. In diesem Zusammenhang konnte festgestellt werden, dass viele Personen mit verschiedenen Namensschreibweisen bei Behörden geführt werden. In vielen Fällen existieren mehrere Identitäten zu einer Person, auch um den Mehrfachbezug von Sozialleistungen in Deutschland zu ermöglichen. Dies trifft in hohem Maße auf Kosovo-Albaner aus dem ehemaligen Jugoslawien zu, die neben Dokumenten mit Personalien in der regionalen Schreibweise auch meist über Pässe und Personalausweise der früheren jugoslawischen Amtssprache (serbokroatisch) verfügen. Daneben sind oftmals Übertragungsfehler aus dem kyrillischen Alphabet zu beobachten. Nach wie vor begehen Personen aus dem westlichen Balkan gewerbsmäßig Delikte im Zusammenhang mit illegalen Beschäftigungsverhältnissen, hauptsächlich im Baugewerbe. In der Region Nürnberg betrieb ein bosnischer Staatsangehöriger ein Bauunternehmen mit Arbeitern auf mehreren Baustellen ohne Anmeldung und Genehmigung und verursachte so einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden. Auf Hinweis des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz wurde eine Razzia durchgeführt. Das umfangreiche Verfahren gegen den Verantwortlichen dauert an. Serieneinbrüche Einen weiteren Schwerpunkt der kriminellen Aktivitäten stellen Serieneinbrüche in Wohnhäuser dar. So wurden in Nordbayern durch eine serbische Tätergruppierung nachweisbar 40 Einbrüche begangen. Die Täter konnten nach intensiven polizeilichen Maßnahmen, die das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz durch eigene Informationen ergänzen konnte, festgenommen werden. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet nach wie vor Organisierte Kriminalität türkischer bzw. türkischstämmiger Gruppierungen. Neben den bevorzugten Deliktsbereichen - Rauschgifthandel, Inkassogeschäfte und Glücksspiel - konnten etliche Verdachtsmomente erhärtet werden, nach denen inkriminierte Gelder in den deutschen Wirtschaftskreislauf eingebracht werden, um die kriminell erwirtschafteten Gewinne zu legalisieren. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Organisierte Kriminalität 231 In einem Fall gründete ein bisher arbeitsloser Türke eine Dienstleistungsfirma zur Geldwäsche. Die dafür notwendigen Gelder stammten Geldwäsche aus OK-Kreisen in der Türkei. Danach wurden in Bayern ähnliche Betriebe auf seine Familienmitglieder angemeldet und finanziell ausgestattet. Tatsächlich werden diese Unternehmen von ihm selbst oder engen Vertrauten geführt. Ermittlungen hinsichtlich des Verdachts der Geldwäsche führten zu Unternehmen, deren Kontobewegungen keinen geschäftlichen Zweck erkennen ließen. Buchhalterisch wurden die Gewerbe so unauffällig geführt, dass sie kaum Gefahr liefen, in das Raster einer steuerlichen Betriebsprüfung zu geraten. Diese Unternehmen dürften lediglich den Zweck erfüllen, als "saubere" deutsche Firmen mit entsprechendem Briefkopf agieren zu können. In diesem Zusammenhang spielt ebenso die Alimentation angeblich beschäftigter Familienangehöriger eine Rolle. Ein nach wie vor aktuelles Phänomen ist gewaltsame Eintreibung von Inkasso-Delikte Geldforderungen durch kriminelle türkische Organisationen. Es konnte festgestellt werden, dass Hintermänner der kriminellen Inkassounternehmen ihren Sitz in der Regel in der Türkei haben und nur sporadisch nach Bayern reisen. Auffällig erscheint, dass häufig Beziehungen zu türkischen politischen Extremisten bestehen. Die Inkassoproblematik wird insbesondere durch die Geschäftspraktik verstärkt, Bürgschaften mit oftmals nicht gedeckten Wechselschecks abzusichern. Dieser Unsitte versucht man in der Türkei, mit verschärfter strafrechtlicher Verfolgung der Scheckaussteller zu begegnen. Auch die türkische Rauschgift-Szene wird vielfach von Gruppierungen aus der Türkei gesteuert. Speziell die Fälschung von Arzneimitteln Gefälschte nimmt immer mehr an Bedeutung zu. Nach Schätzungen der WHO sind Arzneimittel in Entwicklungsländern 10 bis 30 % der Arzneimittel Plagiate. In den Industriestaaten mit staatlich gesteuertem Arzneimittelverkehr stellt sich die Lage weniger drastisch dar. Dennoch fallen regelmäßig Erkenntnisse aus dem Bereich gefälschter Lifestyle-Arzneimittel (z.B. Potenzund Schlankheitsmittel) und Anabolika an. Diese Produkte finden ihren Absatz vor allem auf dem Schwarzmarkt. Auf dem Gebiet des klassischen Betäubungsmittelhandels konnten Informationen über den illegalen Handel mit Captagon gewonnen werden. Captagon ist ein im Sinn des Betäubungsmittelrechts verschreibungsfähiges Medikament, das aus Belgien importiert und zur Behandlung von Narkolepsie und Hyperaktivität eingesetzt wird. Es handelt sich um ein Amphetaminderivat (ähnlich Amphetaminen bzw. Ecstasy), das kurzzeitig leistungsund konzentrationsstimulierend wirkt; mit seiVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 232 Organisierte Kriminalität ner Hilfe können Erschöpfungszustände oder Müdigkeit überbrückt werden. In höheren Dosen erzeugt es ein ausgesprochenes Wohlgefühl und euphorische Zustände. Captagon wird u.a. auch von türkischen Drogenkartellen produziert und gehandelt. Hinweise zur illegalen Produktion und zum Handel mit Ecstasy durch türkische Täter konnten an die Polizeibehörden weitergegeben werden. Diese stellten in der Folge eine Menge sicher, die zur Herstellung von 140.000 Pillen gereicht hätte. 3.4 Asiatische Organisierte Kriminalität Bei der Beobachtung der OK aus dem asiatischen Raum wurde festgestellt, dass sich die in Bayern ansässigen Tätergruppierungen weiterhin Abschottung stark nach außen abschotten. Vietnamesische Täter sind vorrangig im Bereich des Rauschgifthandels, des Zigarettenschmuggels und bei Schleusungen aktiv, während chinesische Täter in erster Linie mit gefälschten Medikamenten sowie mit sonstigen Plagiaten handeln. In Bayern betreiben Vietnamesen Handel mit Betäubungsmitteln, insbesondere mit Heroin. Dazu dienen die in den neuen Bundesländern vorhandenen Strukturen der Vietnamesen nach wie vor als Aktionsgrundlage für Bayern. Vorhandene Lieferwege aus den Regionen Leipzig und Dresden werden weiterhin genutzt. Die Verteilung des Rauschgifts erfolgt u.a. über asiatische Lokale, wobei der Verkauf der Betäubungsmittel fast ausschließlich auf die eigene Ethnie begrenzt ist. Des Weiteren dominieren Vietnamesen unter den asiatischen TäterZigarettengruppierungen den Schmuggel von unversteuerten und gefälschten schmuggel Zigaretten. Die Produktionsstätten der Zigaretten liegen in osteuropäischen Ländern. Den Transport führen zumeist tschechische Fahrer durch. In Bayern werden die Zigaretten anschließend über asiatische Lokale und Lebensmittelgeschäfte an die Verbraucher weiterverkauft. Dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz wurden regelmäßige Transporte von jeweils etwa 3,5 Millionen Zigaretten nach Bayern allein durch eine Gruppierung bekannt. Dieser Gruppierung konnten bislang 30 Transporte zugeordnet werden. Die Erkenntnisse wurden an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben. Nach umfangreichen Ermittlungen konnten in Zusammenarbeit mit dem Zoll mehrere Täter festgenommen werden. Im Bereich der Schleusungen ist weiterhin eine Tendenz zur Vernetzung bestehender vietnamesischer und chinesischer Täterstrukturen zu erkennen. Aus den Ost-Europäischen Ländern werden vorwiegend PersoVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Organisierte Kriminalität 233 nen asiatischer Herkunft in die westlichen EU-Staaten geschleust. Für die Verteilung der geschleusten Personen innerhalb Europas sind größSchleusungen tenteils Vietnamesen mit Aufenthalt in Tschechien zuständig. Als Drehkreuz innerhalb Deutschlands für die Weiterverteilung in Westeuropa gilt aufgrund seiner geographischen Lage und logistischen Gegebenheiten Berlin. So dienen die zahlreich vorhandenen Vietnamesenmärkte und konspirativen Wohnungen innerhalb der Metropole oftmals als Anlaufstelle und vorübergehende Unterbringungsmöglichkeit für die geschleusten Personen. Durch Erkenntnisse des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz konnten mehrere Strafverfahren initiiert werden. Eine Schleusergruppe in Berlin wurde zerschlagen; mehrere tatverdächtige Personen wurden festgenommen. Aufklärungsmaßnahmen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz innerhalb der chinesischen Gemeinschaft führten zu der Erkenntnis, dass chinesische Täter angeblich pflanzliche Potenzmittel zum GesundheitsKauf anbieten. Ein toxikologisches Gutachten belegte, dass die angegefährdende botenen Kapseln keine pflanzlichen Wirkstoffe, sondern Sildenafil (WirkPotenzmittel stoff von Potenzmitteln wie z.B. Viagra) enthielten. Die Dosis Sildenafil in diesen angeblich pflanzlichen Kapseln übertrifft die Menge des in handelsüblichen Potenzmittel-Tabletten enthaltenen Wirkstoffs deutlich. Durch die Einnahme dieser Mittel kann es daher zu erheblichen Gesundheitsgefährdungen kommen. Die Polizei wurde über den Sachverhalt informiert. 3.5 Rockerkriminalität in Bayern Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Rocker"One-Percenters" kriminalität als ein sehr spezielles Phänomen der OK kontinuierlich gemeinsam mit den Polizeibehörden. Im Fokus stehen insbesondere die Träger des so genannten "1%-Zeichens". Unter dem Begriff "1-Prozenter" versteht man Biker (Motorradfahrer), die sich selbst als Outlaws (Gesetzlose) sehen und das bestehende Rechtssystem ablehnen. Beispiele sind der Hells Angels MC (Motorcycle Club), der Bandidos MC, der Outlaws MC und der Gremium MC. Bei diesen Gruppierungen bestehen ein hierarchischer innerer Aufbau, ein interner Ehrenund Schweigekodex, Expansionsbestrebungen und der Wille zur Durchsetzung von Gebietsansprüchen. Zur Wahrung der Interessen und aus der Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 234 Organisierte Kriminalität Vormachtstellung der Gruppe heraus werden spezifische Delikte, wie illegaler Waffenhandel, Betäubungsmittelkriminalität, Menschenhandel, Schutzgelderpressungen und Körperverletzungsdelikte begangen. Die einzelnen Clubs verfügen teilweise über weltweite Kontakte und Verflechtungen mit international agierenden Tätern und sind bei der Durchsetzung ihrer Clubinteressen absolut gewaltbereit. Gewaltbereitschaft Dies belegt auch der Fall eines getöteten Harley-Davidson-Händlers im Raum Münster im Frühsommer. Er war Mitglied des Hells Angels MC, einer der berüchtigtsten Rockerbanden weltweit. Inzwischen sind zwei Mitglieder der verfeindeten Rockergruppe Bandidos MC vor dem Landgericht Münster wegen Mordes angeklagt. Streit und Rivalität zwischen den beiden Organisationen bestehen schon seit langem und eskalieren immer wieder. Im Jahr 2007 forderten sie bereits mehrere Verletzte und einen Toten in Deutschland. Hintergrund für die Gewalttaten ist das Abstecken von Revieren für kriminelle Aktivitäten wie Rauschgifthandel, illegale Prostitution, Waffenhandel und auch Schutzgelderpressung. Strafprozess Am 12. November begann vor dem Landgericht in Münster ein Prozess in Münster gegen vier Mitglieder des MC Bandidos wegen schweren Raubes und illegalen Waffenbesitzes. Das Verfahren findet unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen statt. Die Anklageschrift stützt sich auf die Aussage eines ehemaligen Mitglieds der Gruppierung, das den eisernen Schweigekodex gebrochen hat. Die Angeklagten hatten ihr ehemaliges Mitglied mit Waffen bedroht und ihm Motorrad, Rockerkleidung und alles, was auf die Zugehörigkeit zu dieser Gruppierung hinweisen könnte, weggenommen. Nachdem auch seine Familie bedroht wurde, machte er umfangreiche Angaben bei der Polizei. Bei einer anschließenden Durchsuchung wurde ein umfangreiches Waffenarsenal bei einem der Angeklagten gefunden. Dass bei einzelnen Rockergruppen Bezüge in das Rotlichtmilieu bestehen, zeigt der Fall einer im süddeutschen Raum festgenommen Führungsperson. Diese ist Kopf einer kriminellen Vereinigung und hat sich einer Rockergruppe angeschlossen, um ihre Vormachtstellung im Rotlichtmilieu zu untermauern und auszubauen. Die Staatsanwaltschaft führt Ermittlungen wegen Verdachts des versuchten Mordes, der versuchten schweren Brandstiftung, des Menschenhandels und des Verstoßes gegen das Waffengesetz durch. Auch in Bayern sind die bereits erwähnten "1-Prozenter"-Gruppierungen etabliert. Im Jahr 2007 wurde das Clubhaus des Hells Angels MC-Charter Munich nach Allershausen verlegt. Dort fanden bereits Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Organisierte Kriminalität 235 mehrere Veranstaltungen (Partys, Treffen) mit einigen hundert Personen statt, die jedoch alle ohne besondere Vorkommnisse verliefen. Trotz der Nähe dieses neuen Hells Angels Charters zu den Bandidos Charters in München und Ingolstadt fanden bislang noch keine gewaltsamen ÜberAktivitäten griffe statt. Auch andere Events in Bayern (Motorradmessen, Sommerin Bayern feste, Tattoo Shows), die von verschiedenen Gruppierungen organisiert und besucht wurden, verliefen weitgehend störungsfrei. In Nürnberg und Umgebung sind alle großen Rockerorganisationen mit Chartern vertreten. Auch dort gab es bisher noch keine relevanten Vorfälle. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass "Gebietserweiterungen" unter diesen Gruppierungen zukünftig nicht mehr geduldet werden. Auch bei anderen Motorradclubs in Bayern kommt es zu "freundlichen und feindlichen" Übernahmen durch Rivalen aus der "1-Prozenter"-Szene. Allerdings gibt es noch keine Hinweise auf gewalttätige Zusammenstöße zwischen den einzelnen Rockerbanden, wie sie in anderen Bundesländern festgestellt wurden. Durch die rechtzeitige und intensive Aufklärung und Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden konnten solche Szenarien bisher verhindert werden. Zum Rechtsextremismus sind bislang keine festen Verbindungen festzustellen. Jedoch gibt es durchaus "Überschneidungen im Weltbild", die Rockergruppen auch für Rechtsextremisten interessant machen. Zur Zeit bestehen lediglich vereinzelte Kontakte zwischen Personen aus dem Rockermilieu und der rechtsextremistischen Szene. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 236 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl S. 70, BayRS 12-1-I) Geändert durch SS 2 des Gesetzes zur Anpassung des Bayerischen Landesrechts an Art. 13 des Grundgesetzes vom 10. Juli 1998 (GVBl S. 383), Art. 4 Abs. 1 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40) und SS 1 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz, des Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 24. Dezember 2002 (GVBl S. 969) I. Abschnitt erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, Organisation und Aufgaben durch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder des Verfassungsschutzes unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden - unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnArt. 1 licher Strukturen oder Organisation des Verfassungsschutzes, Verhältnis zur Polizei - unter Anwendung von Gewalt oder durch entsprechende Drohung oder (1) 1 Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des - unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Bundes und der Länder besteht in Bayern ein LandesMedien oder Wirtschaft. amt für Verfassungsschutz. 2 Es dient auch dem Schutz vor Organisierter Kriminalität. (4) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar (2) 1 Freiheitliche demokratische Grundordnung nachgeordnete Behörde. 2 Das Landesamt und Dienstnach Absatz 1 ist eine Ordnung, die unter Ausschluss stellen der Polizei dürfen einander nicht angegliedert jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtswerden. 3Dem Landesamt für Verfassungsschutz staatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der steht ein Weisungsrecht gegenüber Dienststellen der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der Polizei oder die Befugnis zu polizeilichen Maßnahmen jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit nicht zu. darstellt. 2 Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung gehören mindestens: Die Achtung vor den im Art. 2 Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem Zuständigkeit vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßiggesetzlich festgelegten Aufgaben zu erfüllen. 2 Dazu gekeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, hört auch die Zusammenarbeit Bayerns mit dem Bund das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für und den anderen Ländern in Angelegenheiten des Veralle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsfassungsschutzes. mäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. (2) Verfassungsschutzbehörden der anderen Länder (3) Organisierte Kriminalität ist die von Gewinndürfen in Bayern nur im Einvernehmen mit dem Lanoder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung desamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von Gesetzes tätig werden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 237 Art. 3 haltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Aufgaben Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, 2. an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder 1. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetverteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt zes, die gegen die freiheitliche demokratische sind oder beschäftigt werden sollen, Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine 3. an technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen, verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsLandes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, bedürftig sind, gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes mitzuwirken. für eine fremde Macht, (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des GrundgesetAufgabe, amtliche Auskünfte zu erteilen zes, die durch Anwendung von Gewalt oder 1. im Rahmen der Überprüfung der Verfassungstreue darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärvon Personen, die sich um Einstellung in den öffenttige Belange der Bundesrepublik Deutschland lichen Dienst bewerben, gefährden, 2. nach Maßgabe des Art. 14, insbesondere in Einbür4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetgerungsund Ordensverfahren zur Verleihung des zes, die gegen den Gedanken der VölkerverständiVerdienstordens der Bundesrepublik Deutschland gung (Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz), insbesondere - mit Ausnahme der Verdienstmedaille - und des gegen das friedliche Zusammenleben der Völker Bayerischen Verdienstordens, sowie nach Art. 15. (Art. 26 Abs. 1 Grundgesetz), gerichtet sind, 5. Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten II. Abschnitt Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes Allgemeine Befugnisse und Datenverarbeitung zu beobachten; solche Bestrebungen und Tätigkeiten können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausArt. 4 gehen. 2 Das Landesamt hat in Erfüllung dieser Aufgabe Allgemeine Befugnisse Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über sol(1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur che Bestrebungen oder Tätigkeiten zu sammeln und Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz die dazu auszuwerten. 3 Die notwendige Koordinierung mit den erforderlichen Informationen einschließlich personenanderen Sicherheitsbehörden und den Strafverfolgungsbezogener Daten auch ohne Kenntnis der betroffenen behörden wird in Richtlinien des Staatsministeriums Gruppierung oder Person erheben und in Akten und des Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium Dateien verarbeiten, diese Informationen nutzen sowie der Justiz geregelt. 4 Über diese Richtlinien wird das aus Akten und Dateien übermitteln, soweit nicht nachParlamentarische Kontrollgremium gemäß Art. 3 Abs. 3 folgend besondere Bestimmungen gelten. 2Das LandesSatz 1 des Gesetzes zur parlamentarischen Kontrolle amt für Verfassungsschutz darf personenbezogene der Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach Daten auch für die Vorgangsverwaltung nutzen und verArt. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigarbeiten. 3Ist zum Zweck der Datenerhebung die Überkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (Parlamittlung personenbezogener Daten erforderlich, so darf mentarisches Kontrollgremium-Gesetz - PKGG) vom ein entsprechendes Ersuchen des Landesamts für Ver10. Februar 2000 (GVBl S. 40) unterrichtet. fassungsschutz nur diejenigen personenbezogenen Daten enthalten, die für die Erteilung der Auskunft uner(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die lässlich sind. 4Schutzwürdige Interessen des BetroffeAufgabe, nen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. 1. nach Maßgabe des Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes an der Sicherheitsüberprüfung von (2) 1 Die Befugnisse des Landesamts für VerfasPersonen, denen im öffentlichen Interesse geheimsungsschutz bei der Mitwirkung nach Art. 3 Abs. 2 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 238 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) Nrn. 1 und 2 sind im Bayerischen Sicherheitsüberprü(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perfungsgesetz vom 27. Dezember 1996 (GVBl S. 509, sonenbezogene Daten nach Art. 5 durch Anwendung BayRS 12-3-I)), zuletzt geändert durch SS 6 des Gesetzes nachrichtendienstlicher Mittel erheben, wenn vom 24. April 2001 (GVBl S. 140), in der jeweils gel1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder tenden Fassung geregelt, soweit sie nicht in besonderen Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder auf Gesetzen geregelt sind; Art. 6 diese Weise Erkenntnisse über Nachrichtenzugänge Abs. 1 Satz 4 bleibt unberührt. 2Das Landesamt für Vergewonnen werden können oder fassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an einer Überprüfung nach Art. 3 Abs. 2 2. das zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Nr. 2 nur mitwirken und nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 nur Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamts Auskunft erteilen, wenn die betroffene Person der für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende Durchführung der Überprüfung zugestimmt hat; weroder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. den der Ehegatte oder die Person, mit der die betroffene Person in eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher Ge(3) 1 Personenbezogene Daten dürfen durch Anwenmeinschaft lebt, in die Überprüfung mit einbezogen, so dung nachrichtendienstlicher Mittel nur erhoben werist auch deren Zustimmung erforderlich. den, wenn die Daten nicht auf eine andere geeignete Weise gewonnen werden können, die die betroffene (3) 1 Sind für die Erfüllung einer Aufgabe verschiePerson weniger beeinträchtigt. 2 Die Anwendung nachdene Maßnahmen geeignet, so hat das Landesamt für richtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die die betrofVerhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverfene Gruppierung oder Person voraussichtlich am halts stehen. 3 Sie ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr wenigsten beeinträchtigt. 2 Eine Maßnahme unterbleibt, Zweck erreicht ist oder sich ergibt, dass er nicht oder wenn sie einen Nachteil herbeiführt, der erkennbar nicht auf diese Weise erreicht werden kann. außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. (4) Die Zulässigkeit von Maßnahmen nach dem Art. 5 Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz bleibt unberührt. Erhebung personenbezogener Daten Art. 6 a 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf persoEinsatz besonderer technischer Mittel nenbezogene Daten erheben, soweit das zur Erfüllung im Schutzbereich des Art. 13 Grundgesetz seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. 2 Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 Abs. 3 (1) 1 Der Einsatz besonderer technischer Mittel zur Nr. 1 darf das Landesamt für Verfassungsschutz persoInformationsgewinnung im Schutzbereich des Art. 13 nenbezogene Daten jedoch nur im Rahmen von Nachdes Grundgesetzes ist als nachrichtendienstliches Mitermittlungen erheben, soweit das zur Überprüfung von tel im Sinn des Art. 6 Abs. 1 unter besonderer BerückInformationen erforderlich ist, die bei den Verfassungssichtigung des Grundsatzes der Verhaltnismäßigkeit schutzbehörden bereits vorliegen. nach Art. 6 Abs. 3 nur zulässig, wenn Art. 6 1. die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel in das Brief-, Postoder Fernmeldegeheimnis nach SS 1 Abs. 1 und SS 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschrän(1) 1 Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem kung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Gesetz darf das Landesamt für Verfassungsschutz auch vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1254) in der jeweils nachrichtendienstliche Mittel anwenden. 2 Sie dienen geltenden Fassung vorliegen, oder der verdeckten Informationsgewinnung und der Sicher2. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vorlieheit des Landesamts für Verfassungsschutz und seiner gen, dass jemand Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 Mitarbeiter. 3Nachrichtendienstliche Mittel sind MaßSatz 1 Nrn. 1, 3 oder 4 durch die Planung oder Benahmen zur Tarnung, der Einsatz geheimer Mitarbeiter gehung von Straftaten nach SSSS 129, 129 a, 129 b, 130 und andere Maßnahmen, die verbergen sollen, dass das oder 131 des Strafgesetzbuchs (StGB) in der jeweils Landesamt für Verfassungsschutz Informationen ergeltenden Fassung verfolgt, oder hebt. 4 Bei Sicherheitsüberprüfungen (Art. 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2) darf das Landesamt für Verfassungs3. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht besteschutz nur das nachrichtendienstliche Mittel der Tarhen, dass jemand Bestrebungen oder Tätigkeiten nung von Mitarbeitern anwenden. nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 durch die Planung Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 239 oder Begehung von Straftaten nach SS 100 a der StrafBetroffenen nach Absatz 5 oder für eine gerichtliche prozessordnung (StPO) in der Fassung der BekanntNachprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme nach machung vom 7. April 1987 (BGBl I S. 1074, 1319), Absatz 1 von Bedeutung sein können. 7In diesem Fall zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom sind die Daten zu sperren und dürfen nur zu diesen 22. August 2002 (BGBl I S. 3390), SSSS 261, 263 bis Zwecken verwendet werden. 265, 265 b, 266, 267 bis 273, 331 bis 334 StGB oder SSSS 92 a, 92 b des Ausländergesetzes (AuslG) vom (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten an 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1353), zuletzt geändert durch andere öffentliche Stellen gemäß Art. 14 Abs. 1 bis 3 ist Art. 11 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl I nur zulässig zur Abwehr von erheblichen Gefahren für S. 361), in der jeweils geltenden Fassung verfolgt die öffentliche Sicherheit, insbesondere zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Personen und zur Verund die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise folgung von in Absatz 1 oder in SS 138 StGB genannten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2Der verStraftaten. deckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich nur gegen den Verdächtigen oder gegen Personen rich(5) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz teilt dem ten, von denen auf Grund von Tatsachen anzunehmen Betroffenen Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 nach ist, dass sie für den Verdächtigen bestimmte oder von ihrer Einstellung, frühestens jedoch dann mit, wenn eine ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen weitergeben, oder dass der Verdächtige sich in ihrer werden kann. 2Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn das Wohnung aufhält. nach Absatz 7 zuständige Gericht festgestellt hat, dass (2) 1 Der Einsatz besonderer technischer Mittel nach 1. die Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach BeenAbsatz 1 bedarf einer richterlichen Anordnung. 2Bei digung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist, Gefahr im Verzug kann der Präsident des Landesamts 2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für Verfassungsschutz oder dessen Vertreter die Anordauch in Zukunft nicht eintreten wird und nung treffen; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. 3Die Anordnungen sind auf längs3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei tens drei Monate zu befristen; Verlängerungen um jeder erhebenden Stelle als auch beim Empfänger der weils nicht mehr als drei weitere Monate sind auf AnDaten vorliegen. trag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. 4Liegen die Voraussetzungen nicht (6) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes Mittel nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unausschließlich zum Schutz der für den Verfassungsverzüglich zu beenden. schutz in diesem Bereich tätigen Personen bedarf der Anordnung des Präsidenten des Landesamts für Verfas(3) 1 Ein Bediensteter des Landesamts für Verfassungsschutz oder eines von ihm bestellten Beauftragsungsschutz mit Befähigung zum Richteramt beauften. 2Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangsichtigt den Vollzug der Anordnung. 2Die nach Absatz 1 ten Erkenntnisse ist nur zulässig, wenn zuvor die erhobenen Daten dürfen nur zur Erforschung und VerRechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt folgung von dort genannten Bestrebungen und Tätigist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheikeiten, sowie für Datenübermittlungen nach Absatz 4 dung unverzüglich nachzuholen. 3Soweit Erkenntnisse verwendet werden. 3Das Landesamt für Verfassungsverwertet werden, gelten für die Datenverarbeitung, die schutz prüft unverzüglich und sodann in Abständen von Löschung der Daten und die Mitteilung des Betroffenen sechs Monaten, ob die durch Maßnahmen nach Absatz 1 die Absätze 3 bis 5 entsprechend. 4Im Übrigen sind sie erhobenen personenbezogenen Daten allein oder zuunverzüglich zu löschen. sammen mit bereits vorliegenden Daten für die Verfolgung und Erforschung der dort genannten Bestrebun(7) 1Zuständiges Gericht zur Entscheidung nach den gen oder Tätigkeiten erforderlich sind. 4Soweit diese Absätzen 2, 5 und 6 ist das Amtsgericht am Sitz des Daten dafür nicht erforderlich sind und nicht für eine Landesamts für Verfassungsschutz. 2Für das Verfahren Übermittlung an andere Stellen benötigt werden, sind gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelesie unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der genheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit - FGG - die Befähigung zum Richteramt hat, zu löschen. 5Die (BGBl III 315-1), zuletzt geändert durch Art. 26 des Löschung ist zu protokollieren. 6Die Löschung unterGesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl I S. 2850), entsprebleibt, soweit die Daten für eine Mitteilung an den chend. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 240 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) (8) 1Die Staatsregierung unterrichtet den Landtag (2) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im jährlich über die in Absatz 1, und soweit richterlich Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgabe nach Art. 3 überprüfungsbedürftig, nach Absatz 6 angeordneten Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, sofern die dort genannten BestreMaßnahmen. 2Ein vom Landtag ausgewähltes Gremium bungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentariausgerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt wersche Kontrolle aus. den, sowie zur Erfüllung seiner Aufgabe nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 Auskünfte entsprechend SS 8 Abs. 5 bis 8 Art. 6 b BVerfSchG einholen. 2Absatz 1 gilt entsprechend. Datenerhebung bei Kreditinstituten, Fluggesellschaften, sowie Post-, Telekommuni(3) 1Das Staatsministerium des Innern unterrichtet im kationsund Teledienstgesellschaften Abstand von höchstens sechs Monaten das Parlamentarisowie Einsatz des IMSI-Catchers sche Kontrollgremium nach dem Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetz über die Durchführung der (1) 1Auskünfte nach SS 8 Abs. 5 bis 8 des Gesetzes Absätze 1 und 2; dabei ist insbesondere ein Überblick über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und des BunBerichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den desamts für Verfassungsschutz (BundesverfassungsAbsätzen 1 und 2 zu geben. 2Das Gremium erstattet dem schutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 Bayerischen Landtag jährlich einen Bericht über die (BGBl I S. 2954), zuletzt geändert durch Art. 9 des Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe Gesetzes vom 16. August 2002 (BGBl I S. 3202), in der der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2; dabei sind jeweils geltenden Fassung dürfen nur auf Antrag eingedie Grundsätze des Art. 2 Abs. 1 PKGG zu beachten. holt werden. 2Der Antrag ist durch den Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz oder seinen Vertreter (4) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im schriftlich zu stellen und zu begründen. 3Über den Antrag Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 entscheidet das Staatsministerium des Innern. 4Es unterAbs. 1 Satz 1 Nr. 1, sofern die dort genannten Bestrerichtet monatlich die nach Art. 2 des Gesetzes zur Ausbungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, vom 11. Dezember 1984 (GVBl S. 522, BayRS 12-2-I), sowie zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 Abs. 1 zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes vom Satz 1 Nrn. 2 bis 5 unter den Voraussetzungen des SS 3 10. Februar 2000 (GVBl S. 40), gebildete Kommission Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes auch technische Mittel über die beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. 5Bei zur Ermittlung des Standorts eines aktiv geschalteten Gefahr im Verzug kann das Staatsministerium des Innern Mobilfunkendgeräts und zur Ermittlung der Geräteund den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der UnKartennummern einsetzen. 2Die Maßnahme ist nur zuterrichtung der Kommission anordnen. 6Die Kommission lässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des prüft von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von wesentlich erschwert wäre. 3Personenbezogene Daten Auskünften. 7 SS 15 Abs. 5 des Artikel l0-Gesetzes vom eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur 26. Juni 200l (BGBl I S. 1254), zuletzt geändert durch erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 22. August 2002 (BGBl I zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar S. 3390), ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenist. 4Über den Datenabgleich zur Ermittlung der gesuchden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf ten Geräteund Kartennummer hinaus dürfen sie nur die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten im Sinn nach SS 8 Abs. 5 bis 8 BVerfSchG erlangten personenbedes SS 138 StGB verwendet werden. 5Nach Beendigung zogenen Daten erstreckt. 8Entscheidungen über Auskünfder Maßnahme sind sie unverzüglich zu löschen. te, die die Kommission für unzulässig oder nicht not- 6 Absätze 1 und 3 gelten entsprechend. wendig erklärt, hat das Staatsministerium des Innern unverzüglich aufzuheben. 9Für die Verarbeitung der nach (5) Das Staatsministerium des Innern erstattet dem SS 8 Abs. 5 bis 8 BVerfSchG erhobenen Daten ist SS 4 des Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundes jährArtikel l0-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 10Das lich einen Bericht nach SS 8 Abs. 11 BVerfSchG über die Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen Durchführung des Absatzes 1; dabei ist insbesondere dem Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis mitgeteilt werden. 11SS12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Geund Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten setzes finden entsprechende Anwendung. Maßnahmen nach Absatz 1 zu geben. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 241 Art. 7 Art. 8 Speicherung und Veränderung Berichtigung und Löschen von Daten personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz persoberichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten, die nenbezogene Daten in Dateien speichern und veränzu einer bestimmten Person geführt werden, ist dies zu dern, wenn vermerken. 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrelöschen, wenn ihre Speicherung nach Art. 7 unzulässig bungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 erforderwar oder ihre Kenntnis für die Erfüllung seiner gesetzlich ist oder lich festgelegten Aufgaben nicht mehr erforderlich ist; 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach Art. 3 Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, Abs. 2 Nrn. 2 und 3 an Überprüfungen mitwirkt. sind unter diesen Voraussetzungen zu vernichten. 2 Ob die Voraussetzungen der Löschung und Vernichtung 2 In den Fällen des Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 dürfen personennach Satz 1 vorliegen, ist bei jeder Einzelfallbearbeibezogene Daten in Dateien nur gespeichert werden, tung und nach festgesetzten Fristen zu entscheiden. wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder 3 Die Löschung oder Vernichtung unterbleibt, wenn Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen. 3Das Recht der Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzNutzung und Verabeitung personenbezogener Daten würdige Interessen der betroffenen Person beeinträchnach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 zur Vorgangsverwaltung bleibt tigt würden. 4 In diesem Fall sind die Daten zu sperren; unberührt. sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. (2) 1Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person vor Vollendung des 14. Lebensjahres dür(3) 1 Für die Archivierung gelten die Vorschriften fen nicht in Dateien gespeichert werden. 2 Personenbedes Bayerischen Archivgesetzes. 2 Die Anbietungszogene Daten über das Verhalten einer Person nach pflicht bestimmt sich nach Maßgabe der nach Art. 6 Vollendung des 14. und vor Vollendung des 16. LebensAbs. 2 BayArchivG abzuschließenden Vereinbarung. jahres sind zwei Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, dass weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 9 Art. 3 Abs. 1 angefallen sind. 3 Personenbezogene Daten Errichtungsanordnung über das Verhalten einer Person nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres sind zwei (1) 1 Für den erstmaligen Einsatz einer automatisierJahre nach dem Verhalten auf die Erforderlichkeit der ten Datei, in der personenbezogene Daten verarbeitet Speicherung in Dateien zu überprüfen und spätestens werden, hat das Landesamt für Verfassungsschutz in fünf Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, einer Errichtungsanordnung, die der Zustimmung des dass weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Staatsministeriums des Innern bedarf, festzulegen: angefallen sind über ein Verhalten nach Eintritt der Volljährigkeit. 4 Für Akten, die zu einer minderjährigen 1. Bezeichnung der Datei, Person geführt werden, gelten die vorstehenden Prü2. Zweck der Datei, fungsund Löschungsfristen entsprechend. 3. betroffener Personenkreis, (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die 4. Art der zu speichernden Daten, Dauer der Speicherung in Dateien und in Akten, die zu 5. Eingabeberechtigung, einer bestimmten Person geführt werden, auf das Maß 6. Zugangsberechtigung, festzulegen, das zur Erfüllung seiner Aufgabe nach diesem Gesetz erforderlich ist. 7. regelmäßige Übermittlungen, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, (4) Werden Bewertungen über Betroffene gespei9. Protokollierung des Abrufs. chert, muss erkennbar sein, wer die Bewertung vorgenommen hat und wo die Informationen gespeichert 2 Nach der Zustimmung des Staatsministeriums des sind, die der Bewertung zugrunde liegen. Innern ist die Errichtungsanordnung dem LandesbeaufVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 242 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) tragten für den Datenschutz unverzüglich mitzuteilen. 4. die Information oder die Tatsache der Speicherung 3 Entsprechendes gilt für wesentliche Änderungen des nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen Verfahrens. nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehal(2) Die Zustimmung des Staatsministeriums des ten werden muss. Innern darf nur erteilt werden, wenn die Speicherung personenbezogener Daten auf das erforderliche Maß (4) 1 Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf beschränkt ist. keiner Begründung. 2 Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, angemessenen Abständen die Notwendigkeit der Weidass er sich hinsichtlich der Verarbeitung personenterführung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. bezogener Daten an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. 3 Dem Landesbeauftragten Art. 10 für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu Geltung des Bayerischen Datenschutzgesetzes erteilen, soweit nicht das Staatsministerium des Innern im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bei der Erfüllung der gesetzlich festgelegten AufBundes oder eines Landes gefährdet würde. 4 Mitteilungaben durch das Landesamt für Verfassungsschutz fingen des Landesbeauftragten an den Betroffenen dürfen den die Art. l0 bis 13, 15 bis 23 und 26 bis 28 des keine Rückschlüsse auf den Kenntnisstand des LandesBayerischen Datenschutzgesetzes keine Anwendung. amts für Verfassungsschutz zulassen, sofern dieses nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Art. 11 Auskunftserteilung III. Abschnitt (1) Ein Anspruch auf Auskunft über die beim 1 Übermittlungsregelungen Landesamt für Verfassungsschutz in Dateien oder Akten gespeicherten Informationen besteht nicht. 2 Hat Art. 12 eine Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft Informationsübermittlung über die zu ihrer Person gespeicherten Daten, so entan das Landesamt für Verfassungsschutz scheidet das Landesamt für Verfassungsschutz nach ohne Ersuchen pflichtgemäßem Ermessen über das Auskunftsbegeh(1) Die Behörden, Gerichte hinsichtlich ihrer Regisren. ter, Gebietskörperschaften und andere der staatlichen Aufsicht unterstehenden juristischen Personen des (2) Soweit eine Person einer Sicherheitsüberprüöffentlichen Rechts sowie sonstige öffentliche Stellen fung nach Art. 3 Abs. 2 unterzogen wird oder zu einer des Freistaats Bayern haben von sich aus dem LandesPerson Auskunft nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 erteilt wird, amt für Verfassungsschutz die ihnen bei Erfüllung ihrer hat diese Person abweichend von Absatz 1 einen Aufgaben bekannt gewordenen Informationen zu überAnspruch auf Auskunft über die Daten des Landesamts mitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestefür Verfassungsschutz, die es im Rahmen der Erfüllung hen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufdieser Aufgaben übermittelt hat. gaben des Landesamts für Verfassungsschutz nach Art. 3 Abs. 1 oder entsprechender Aufgaben auf Grund eines (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des 1. eine Gefährdung der Erfüllung der Aufgaben nach Grundgesetzes erforderlich sein kann. Art. 3 durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die 2. durch die Auskunftserteilung nachrichtendienstliche übermittelten Informationen nach ihrem Eingang unZugänge gefährdet sein können oder die Ausforverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie für die Erfülschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitslung seiner in Absatz 1 genannten Aufgaben erforderweise des Landesamts für Verfassungsschutz zu lich sind. 2 Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderbefürchten ist, lich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernich3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden ten. 3 Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung Nachteile bereiten würde oder der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 243 vertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall Art. 14 dürfen die nicht erforderlichen Informationen nicht verPersonenbezogene Datenübermittlung wendet werden. durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perArt. 13 sonenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, Informationsübermittlung wenn das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem an das Landesamt für Verfassungsschutz Gesetz erforderlich ist oder wenn die öffentliche Stelle auf Ersuchen die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen (1) 1 Die in Art. 12 Abs. 1 genannten öffentlichen Sicherheit einschließlich der Strafverfolgung benötigt; Stellen haben dem Landesamt für Verfassungsschutz das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittauf dessen Ersuchen die ihnen bei Erfüllung ihrer Auflung aktenkundig zu machen. 2 Gleiches gilt, wenn der gaben bekannt gewordenen Informationen zu übermitEmpfänger die personenbezogenen Daten zur Erfüllung teln, soweit das zur Erfüllung der Aufgaben des Lananderer ihm zugewiesener Aufgaben benötigt, sofern er desamts für Verfassungsschutz nach diesem Gesetz dabei auch zum Schutz der freiheitlichen demokratischen erforderlich ist. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz Grundordnung beizutragen oder Gesichtspunkte der darf Ersuchen nach Satz 1 nur stellen, wenn die Inforöffentlichen Sicherheit oder auswärtige Belange zu mation auf andere Weise nur mit übermäßigem Aufwürdigen hat. 3 Der Empfänger darf die übermittelten wand oder nur durch eine die betroffene Gruppierung Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, oder Person stärker belastende Maßnahme gewonnen nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermitwerden kann. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz telt wurden, es sei denn, dass das Landesamt für Verfashat Ersuchen zu begründen, es sei denn, dass eine Besungsschutz einer anderen Verwendung für Zwecke gründung dem Schutz der betroffenen Gruppierung nach den Sätzen 1 und 2 zugestimmt hat. 4 Satz 1 gilt oder Person zuwiderläuft oder den Zweck der Maßnahauch für die Übermittlung personenbezogener Daten inme gefährden würde. 4 Es hat die Ersuchen aktenkundig nerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz. zu machen. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen Akten anderer öffentlicher Stellen und amtlich geführte von Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen Dateien unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 einzwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über sehen, soweit das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der diesem Gesetz erforderlich ist und die sonstige ÜberBundesrepublik Deutschland stationierten ausländimittlung von Informationen aus den Akten oder den schen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl II 1961 Dateien den Zweck der Maßnahme gefährden, einen S. 1183) personenbezogene Daten übermitteln; das Lanübermäßigen Aufwand erfordern oder das Persönlichdesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung keitsrecht des Betroffenen unnötig beeinträchtigen würaktenkundig zu machen. 2 Der Empfänger ist darauf hinde. 2 Über die Einsichtnahme in amtlich geführte Dateien zuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen NachZweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm überweis zu führen, aus dem der Zweck und die eingesehene mittelt wurden. Datei hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern (3) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perund am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer sonenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb Erstellung folgt, zu vernichten. des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an überoder zwischenstaatliche öffentliche Stellen über(3) 1 Hält eine in Art. 12 Abs. 1 genannte öffentliche mitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Stelle das Ersuchen nach Absatz 1 oder die EinsichtAufgaben nach diesem Gesetz oder zur Wahrung nahme nach Absatz 2 für unzulässig, so teilt sie das erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erfordem Landesamt für Verfassungsschutz mit. 2 Besteht derlich ist; das Landesamt für Verfassungsschutz hat dieses auf dem Ersuchen oder der Einsichtnahme, so die Übermittlung aktenkundig zu machen. 2 Die Überentscheidet darüber die oberste fachliche Aufsichtsmittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bunbehörde, die für die ersuchte Stelle zuständig ist. desrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen. (4) Art. 12 Abs. 2 gilt entsprechend. 3 Sie ist aktenkundig zu machen. 4 Der Empfänger ist Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 244 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur 1. erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie der Informationen und ihrer Erhebung das schutzihm übermittelt wurden. würdige Interesse der Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegt, oder (4) 1Personenbezogene Daten dürfen außer in den 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern. Fällen des Art. 4 Abs. 1 Satz 3 an andere Empfänger als öffentliche Stellen nur übermittelt werden, wenn dies (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationszum Schutz vor den in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 bezeichneübermittlungen zulassen oder verbieten, bleiben unten Bestrebungen, Gefahren und Tätigkeiten erforderberührt. lich ist. 2Die Übermittlung nach Satz 1 bedarf der vorherigen Zustimmung des Staatsministeriums des Innern; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl von gleichartigen Fällen vorweg erteilt werden. 3Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung IV. Abschnitt aktenkundig zu machen. 4Der Empfänger darf die überParlamentarische Kontrolle mittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 5Das Landesamt für VerfasArt. 18 sungsschutz hat den Empfänger darauf hinzuweisen. Parlamentarisches Kontrollgremium Die parlamentarische Kontrolle der Staatsregierung (5) 1 Übermittlungspflichten nach bundesrechtlichen hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für VerfasVorschriften bleiben unberührt. 2 Das Landesamt für sungsschutz erfolgt nach den Bestimmungen des GesetVerfassungsschutz kann andere Verfassungsschutzbehörzes zur parlamentarischen Kontrolle der Staatsregieden auch dadurch unterrichten, dass es diesen den Abruf rung hinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 von Daten im automatisierten Verfahren ermöglicht, bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landessoweit deren gesetzliche Aufgaben identisch sind. amts für Verfassungsschutz - Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - vom 10. Februar 2000 (GVBl Art. 15 S. 40, BayRS 12-4-I) in der jeweils geltenden Fassung. Unterrichtung der Öffentlichkeit 1 Das Staatsministerium des Innern und das LandesArt. 19 und 20 (aufgehoben) amt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. l. 2 Dabei dürfen der Öffentlichkeit personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn das Interesse V. Abschnitt der Öffentlichkeit an der Unterrichtung das schutzSchlussvorschriften würdige Interesse der betroffenen Person an der Wahrung ihrer Anonymität überwiegt. Art. 21 Erfüllung bundesrechtlicher Aufgaben Art. 16 Nachberichtspflicht Zur Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Art. 73 Nr. l0 Buchst. b und c des GrundErweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer gesetzes stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz Übermittlung durch das Landesamt für Verfassungsdie Befugnisse zu, die es zur Erfüllung der entsprechenschutz als unvollständig oder unrichtig, sind sie unverden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. züglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, wenn das zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Art. 22 betroffenen Person erforderlich ist. Einschränkung von Grundrechten Art. 17 Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht Übermittlungsverbote der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 des Grundgesetzes und Art. l06 Abs. 3 der Verfassung und (1) Die Übermittlung von Informationen durch das das Grundrecht des Brief-, Postund FernmeldegeheimLandesamt für Verfassungsschutz nach den Art. 4 und nisses nach Art. 10 des Grundgesetzes und Art. 112 der 14 hat zu unterbleiben, wenn Verfassung eingeschränkt werden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 245 Art. 23 Art. 24 Änderung des Gesetzes zur Ausführung In-Kraft-Treten des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz 1 Dieses Gesetz tritt am 1. November 1990 in Kraft.* Das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 2 Gleichzeitig treten außer Kraft: Grundgesetz (AGG 10) vom 11. Dezember 1984 (GVBl 1. Das Gesetz über die Errichtung eines Landesamts S. 522, BayRS 12-2-I) wird wie folgt geändert: für Verfassungsschutz (BayRS 12-1-I), 1. Art. 2 Abs. 3 Satz 6 erhält folgende Fassung: 2. Art. 8 Abs. 2 Nr. 5 des Bayerischen Datenschutz"6 Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, gesetzes (BayRS 204-1-I). die der Zustimmung der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes bedarf." 2. In Art. 3 werden die Worte "den für Sicherheitsfragen zuständigen Ausschuss des Landtags" durch * Diese Vorschrift betrifft das In-Kraft-Treten des Gesetzes in der die Worte "die Parlamentarische Kontrollkommission ursprünglichen Fassung vom 24. August 1990 (GVBl S. 323). für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" Der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der späteren Änderungen ersetzt. ergibt sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 246 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - PKGG) Vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40, BayRS 12-4-I) Geändert durch SS 4 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz, des Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 24. Dezember 2002 (GVBl S. 969), SS 1 Nr. 6 des Dritten Gesetzes zur Aufhebung von Rechtsvorschriften vom 7. August 2003 (GVBl S. 497) und SS 2 des Gesetzes zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 24. Dezember 2005 (GVBl S. 641) Art. 1 (3) 1 Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiParlamentarisches Kontrollgremium ner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium; Absatz 4 bleibt (1) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium übt die unberührt. 2Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein parlamentarische Kontrolle gemäß Art. 13 Abs. 6 Satz 3 neues Mitglied zu wählen; das Gleiche gilt, wenn ein des Grundgesetzes zum Vollzug der Maßnahmen nach Mitglied aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes nach Maßgabe ausscheidet. 3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für der Art. 48 a des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsdie stellvertretenden Mitglieder. verfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (AGGVG), Art. 34 Abs. 9 des Polizeiaufgaben(4) Das Parlamentarische Kontrollgremium übt seine gesetzes (PAG) und Art. 6 a Abs. 8 des Bayerischen Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des LandVerfassungsschutzgesetzes (BayVSG) in der Fassung tags hinaus solange aus, bis der nachfolgende Landtag ein der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl S. 70, neues Parlamentarisches Kontrollgremium gewählt hat. BayRS 12-1-I), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40), aus. Art. 2 2 Dem Parlamentarischen Kontrollgremium obliegt ferGeheimhaltung ner die Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz; die (1) 1 Die Beratungen des Parlamentarischen KontrollRechte des Landtags und seiner Ausschüsse bleiben ungremiums sind geheim. 2Die Mitglieder und stellvertreberührt. tenden Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im (2) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium besteht Parlamentarischen Kontrollgremium bekannt geworden aus fünf Mitgliedern. 2Die Mitglieder des Parlamentarisind. 3Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheischen Kontrollgremiums werden zu Beginn jeder neuen den aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium. Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte gewählt. 3In gleicher Weise wird für jedes Mitglied ein stellvertreten(2) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium tritt des Mitglied gewählt. 4Gewählt ist, wer die Stimmen der mindestens einmal im Jahr zusammen. 2Jedes Mitglied Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint. kann die Einberufung des Parlamentarischen KontrollVerfassungsschutzbericht Bayern 2007 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) 247 gremiums verlangen. 3Das Parlamentarische KontrollArt. 4 gremium gibt sich eine Geschäftsordnung. 4Ferner obÄnderung von Gesetzen liegt ihm die Wahl seiner bzw. seines Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden. (1) Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl S. 70, BayRS 12-1-I), geändert Art. 3 durch SS 2 des Gesetzes vom 10. Juli 1998 (GVBl Rechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums S. 383), wird wie folgt geändert: und Berichtspflichten der Staatsregierung 1. Art. 18 erhält folgende Fassung: (1) Das Staatsministerium der Justiz erstattet dem "Art. 18 Parlamentarischen Kontrollgremium jährlich Bericht Parlamentarisches Kontrollgremium nach Art. 48 a AGGVG. Die parlamentarische Kontrolle der Staatsregie(2) 1 Das Staatsministerium des Innern erstattet dem rung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Parlamentarischen Kontrollgremium jährlich Bericht Verfassungsschutz erfolgt nach den Bestimmungen nach Art. 34 Abs. 9 PAG und Art. 6 a Abs. 8 BayVSG. des Gesetzes zur parlamentarischen Kontrolle der 2 Die Berichterstattung nach diesen Vorschriften kann Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach gesondert erfolgen. Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (3) 1 Das Staatsministerium des Innern unterrichtet - Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - vom das Parlamentarische Kontrollgremium ferner regel10. Februar 2000 (BayRS 12-4-I)." mäßig umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz und über Vorgänge 2. Art. l9 und 20 werden aufgehoben. von besonderer Bedeutung. 2Darüber hinaus berichtet es zu einem konkreten Thema aus dem Aufgabenbereich (2) In Art. 3 des Gesetzes zur Ausführung des des Landesamts für Verfassungsschutz, sofern das ParGesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) vom lamentarische Kontrollgremium dies verlangt. 3Zeit, Art 11. Dezember 1984 (GVBl S. 522, BayRS 12-2-I), und Umfang der Unterrichtung des Parlamentarischen geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 24. August Kontrollgremiums werden unter Beachtung des not1990 (GVBl S. 323), werden die Worte "die Parlamenwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die tarische Kontrollkommission für Angelegenheiten des politische Verantwortung der Staatsregierung bestimmt. Verfassungsschutzes" durch die Worte "das Parlamentarische Kontrollgremium" ersetzt. (4) 1 Das Staatsministerium des Innern erstattet dem Parlamentarischen Kontrollgremium ferner Bericht Art. 5 nach Maßgabe des Art. 3 des Gesetzes über die AufIn-Kraft-Treten, Übergangsvorschrift gaben der G 10-Kommission im Bayerischen Landtag und zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes (G 10) (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 2000 in Kraft.* und nach Maßgabe des Art. 6 b Abs. 3 und 4 BayVSG. 2 Art. 2 AGG 10 bleibt unberührt. (2) (aufgehoben). * Diiese Vorschrift betrifft das In-Kraft-Treten des Gesetzes in der ursprünglichen Fassung. Der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der späteren Änderungen ergibt sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 248 Sachwortregister Sachwortregister ABLE 207 BLOODY MINDS 130 ABSURD 132 Bolschewistische Partei Nordkurdistan/Türkei Admintech 202 (BP-KK/T) 92 ADÜTDF 84 BRAUNE BRÜDER 130 Aktion Transparente Verwaltung Bürgerbewegung Pro München - patriotisch München (ATV) 210 und sozial e.V. 117 Al-Aqsa e.V. 54 Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) 109 Al-Ekhlaas 34 "Bürgerinitiative Ausländerstopp" Nürnberg 109 Al-Gamaa al-Islamiya (GI) 54 "Bürgerinitiative Ausländerstopp" München 110 Al-Jihad al-Elektruni 36 BURNING HATE 130 Al-Mujahid al-Tiqani 36 Al-Qaida 64 Celebrity Centres (CC) 206 Al-Tauhid 64 Church of Scientology International (CSI) 201 Ansar al-Islam 66 "Church"-Sektor 206 Anti-Antifa Nürnberg 123 Citizens Commission on Human Rights (CCHR) 210 Antideutsche 194 CIWANEN AZAD (Freie Jugendliche) 74 Antifa NT 181 Clears 203 Antifaschismus 186 Contra Real 181 Antifaschistische Linke Fürth 191 CRIMINON 207 Antifaschistisches Aktionsbündnis Nürnberg 200 Cyber Djihad 36 Anti-Globalisierung 189 Antiimperialismus 192 DAMAGE INCORPORATED 130 Applied Scholastics 207 Demokratische Front für die Befreiung Arbeiterbund für den Wiederaufbau Palästinas (DFLP) 89 der KPD (AB) 179 Demokratische Jugend Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) 89 (Demokratik Genclik - DEM-GENC) 90 Asiatische Organisierte Kriminalität 232 Department of Special Affairs (DSA) 210 Augsburger Bündnis - Nationale Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 169 Opposition e.V. 146 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 117 Autonome 180 Deutsche Partei - Die Freiheitlichen (DP) 117 Autonome Jugend Antifa 181 Deutsche Stimme (DS) 101 Autonome Nationalisten München (ANM) 122 Deutsche Volksunion (DVU) 111 Deutsches Büro für Menschenrechte 210 barricada - zeitung für autonome politik und kultur 183 Deutsches Kolleg (DK) 117 Bewaffnete Einheiten der Armen "Deutschland-Pakt" 103 und Unterdrückten (FESK) 83 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 78 Black Metal 131 Dianetik nach L. Ron Hubbard 201 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Sachwortregister 249 Die Republikaner (REP) 94 "Germania"-Rundbrief 142 DIE LINKE. 150 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 117 DIE LINKE. Bayern 162 Global Islamic Media Front (GIMF) 35 DIE LINKE. Campus 162 Glückseligkeitspartei (SP) 41 Die Linke. Sozialistischer-demokratischer GRU (Militärischer Nachrichtendienst Studierendenverband (DIE LINKE.SDS) 161 der GUS) 216 Die Linkspartei.PDS 151 GUS-Mafia 227 DISPUT 199 Djihad 33 HAMAS 57 Djihad Islami (JI) 54 Hezb-i Islami (HIA) 88 Djihadismus 65 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) 47 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH Hilfsorganisation für nationale politische (DSZ-Verlag) 111 Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 145 Hizb al-Dawa al-Islamiya (Dawa) 89 En Nahda 59 Hizb Allah (Partei Gottes) 52 Hizb ut-Tahrir 48 Fanzines 133 "home grown"-Terrorismus 63 FAUSTRECHT 130 Huttenbriefe 145 FELDHERREN 130 FIS 59 Impact 201 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) 81 Info-Läden der Autonomen 181 Föderation der Arbeiterimmigranten aus der INTERIM 183 Türkei in Deutschland e.V. (AGIF) 83 International Association of Scientologists Föderation der Islamischen Organisationen (IAS) 208 in Europa (FIOE) 55 International City 203 Föderation der Türkisch-Demokratischen internationale sozialistische linke (isl) 156 Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) 84 Internationaler Kurdischer ArbeitgeberFöderation für demokratische Rechte in verband (KARSAZ) 74 Deutschland (ADHF) 81 Islamische Bewaffnete Gruppen (GIA) 54 Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) 73 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) 55 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Assoziation (FAU-IAA) 179 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) 40 Freie Nationalisten 121 Islamische Heilsfront (FIS) 59 Freiheit 201 Islamische Jihad Union 29 Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) 75 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) 57 Freundeskreis Ulrich von Hutten 117 Islamischer Bund Palästina (IBP) 54 FSB (Inlandsnachrichtendienst der GUS) 217 Islamischer Widerstand 53 Islamisches Zentrum München (IZM) 55 Galileo - streitbare Wissenschaft 175 Islamisch-Irakische Gemeinschaft GEGENSTANDPUNKT 179 Deutschland e.V. (IIGD) 89 Gerechtigkeitsund Aufschwungpartei (AKP) 41 Italienische Mafia 225 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 250 Sachwortregister Jugendverband Linksjugend ['solid] 160 Maoistische Kommunistische Partei (MKP) 81 Jugendverband REBELL 176 marx21 176 Jugendverband ['solid] 160 Marxistische Blätter 199 Junge Nationaldemokraten (JN) 106 Marxistische Gruppe (MG) 179 Marxistisches Forum (MF) 158 Kalifatsstaat 47 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 82 Kameradschaft Asgard Ratisbona 122 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands Kameradschaft Augsburg 124 (MLPD) 175 Kameradschaft Main-Spessart 123 Mensch und Maß 146 Kameradschaft München 121 militante gruppe (mg) 185 Kameradschaftsbund Hochfranken 123 Militanzdebatte 184 Kameradschaft Süd - Aktionsbüro SüdMilli Gazete 46 deutschland (AS) 121 Milli-Görüs-Bewegung 40 Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) 124 Mitteilungen der Kommunistischen Kinderorganisation ROTFÜCHSE 176 Plattform der Partei DIE LINKE. 199 Koma Civaken Kurdistan (KCK) 75 Mudjahidin 64 Koma Komalen Kurdistan (KKK) 75 Münchner Bündnis gegen Krieg und Kommission für Verstöße der Psychiatrie Rassismus 178 gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) 209 Multi-Kultur-Haus Ulm e.V. (MKH) 60 Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) 199 Muslimbruderschaft (MB) 53 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 158 Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) 167 NARCONON 209 Kommunistische Plattform (KPF) 158 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 96 Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) 175 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 145 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) 81 Nationaler Block (NB) 101 Konföderation der unterdrückten Migranten Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 85 in Europa (AvEG-Kon) 83 National Liberation Army (NLA) 86 Konföderation für demokratische Rechte National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung in Europa (ADHK) 82 (NZ) 111 KONGRA GEL (Volkskongress Kurdistans) 72 Nation-Europa-Freunde e.V. 118 KONTRA! 175 Nation Europa Verlag GmbH 118 Konvertiten 35 Nation & Europa - Deutsche Monatshefte 118 Koordination der kurdischen demokratischen Nazis unplugged 187 Gesellschaft in Europa (CDK) 72 Neue PKK 74 Kurdischer Nationalkongress (KNK) 73 Neues Schwaben 146 Newroz 76 Leuchter-Bericht 141 NOISE OF HATE 130 Libyan Islamic Fighting Group 67 NS Black Metal 131 Linkspartei.PDS Landesverband Bayern 162 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation Linksruck-Netzwerk 176 (NSDAP-AO) 144 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 Sachwortregister 251 Office of Special Affairs (OSA) 209 Schulhof-CD 120 Oi-Skinheads 127 Schutzbund für das Deutsche Volk e.V. Org 206 (SDV) 146 Organisation al-Qaida im islamischen Maghreb 66 Schwarzer Block 191 Organisierte Autonomie 181 Scientology Kirche Bayern e.V. (SKB) 214 Organisierte Kriminalität (OK) 223 Scientology Kirche Deutschland e.V. (SKD) 206 Scientology-Organisation (SO) 201 Partei der Europäischen Linken (EL) 167 Sea Org 206 Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 84 SHARPs 127 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 151 Serxwebun 72 Partizan-Flügel (TKP/ML) 81 Skinheads 127 PKK (Arbeiterpartei Kurdistans; nunmehr SOKO 18 130 KONGRA GEL) 72 ['solid] 160 policy letters 202 Solidaritätskomitee mit den politischen POSITION 200 Gefangenen und deren Familien in der PRIDE'N PAIN 130 Türkei (TAYAD) 80 Proliferation 220 Source 201 Pro München 117 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 199 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 173 radikale Linke 181 REBELL 176 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 150 Redskins 127 Sozialistische Gruppe 179 Religious Technology Center (RTC) 205 Sozialrevolutionäre Aktion Regensburg 122 Renees 130 STIEFELJUNGS 130 Revisionismus 140 SWR (Auslandsnachrichtendienst der GUS) 216 REVOLUTIONÄRER WEG 199 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) 78 Tablighi Jamaat 50 Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB) 178 Terrornetzwerk 64 Revolutionärer Aufbau München 181 Thetan 202 Rockerkriminalität 233 TITEL - Informationsforum der LinksROJ TV 74 partei.PDS Bayern 199 Rote Armee Fraktion 192 Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) 81 Rote Fahne 199 Türkische Kommunistische Partei/MarxisRote Schulhof-CD 174 ten-Leninisten (TKP/ML) 81 ROTFÜCHSE 176 Türkische Volksbefreiungspartei-Front Rudolf-Gutachten 141 (THKP-C Devrimci Sol) 78 Rudolf Heß 125 Tugendpartei (FP) 41 Salafiyya-Gruppe für Predigt und Kampf Union islamischer Studentenvereine in (GSPC) 66 Europa (U.I.S.A.) 89 Scharia 32 Unsere Zeit (UZ) 199 Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 252 Sachwortregister Ursprung 201 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL); UTOPIE - kreativ - Diskussion sozialistischer ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Alternativen 199 Kurdistans (KADEK) bzw. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 72 Volksmudjahidin Iran-Organisation (MEK) 85 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB) 92 Volksverteidigungskräfte (HPG) 73 Verband der stolzen Frauen Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) 142 (KJB; umfasst PAJK, YJA und YJA-STAR) 90 Verein zur Rehabilitierung der wegen Watchdog Committee (WDC) 206 Bestreitens des Holocausts Verfolgten (VRBHV) 143 WEISSER RÜCKSCHLAG 130 Vereinigung der demokratischen White Power-Skinheads 127 Jugendlichen Kurdistans (KOMALEN-CIWAN) 74 Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage 217 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen WISE 206 und Antifaschisten (VVN-BdA) 171 Wunsiedler Feldpost 133 Verlag Hohe Warte - Franz von BebenWunsiedler Widerstand 133 burg KG 146 VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH 146 Yeni Özgür Politika 74 Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung (VffG) 142 Volksbefreiungsarmee (HKO) 81 Zentrum für individuelles und effektives Lernen (ZIEL) 207 Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando - (PFLP-GC) 89 Zine 133 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 89 Zusammen Aktiv Kämpfen 181 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern, Odeonsplatz 3, 80539 München Druck: Medienhaus MINTZEL-MÜNCH, Hof/Saale Gedruckt auf Recyclingpapier aus 100 % Altpapier Hinweis: Der Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 ist auch über das Internet abrufbar: http://www.innenministerium.bayern.de/sicherheit/verfassungsschutz http://www.verfassungsschutz.bayern.de Verfassungsschutzbericht Bayern 2007