Bayerisches Staatsministerium des Innern G S U N S S Z F A T E R H U T V SC CH R I B 00 E 5 2 VERFASSUNGSSCHUTZ BERICHT 20 B AY E R N 05 Bayerisches Staatsministerium des Innern Vorwort 3 Der Islamismus, insbesondere die Terrornetzwerke, gefährdet die Innere Sicherheit der westlichen Staaten und damit auch Deutschlands stärker als jede andere extremistische Bestrebung. Trotz der Festnahme oder des Todes einiger hochrangiger al-Qaida-Funktionäre sind die islamistischen Terrornetzwerke unverändert handlungsfähig. Die Sprengstoffanschläge von London im Juli 2005 haben gezeigt, dass sich auch lange im Lande lebende Muslime radikalisieren und schwerste Straftaten begehen können. Neben aus dem Ausland agierenden Tätergruppen stehen auch islamistische Strukturen, die sich im Inland entwickeln, im Visier der Sicherheitsbehörden. Durch diese Gewalt bedrohen Islamisten unsere freiheitliche Ordnung. Sie versuchen gezielt und systematisch, geistig-politischen Einfluss auf islamische Gemeinden in Deutschland und Europa zu nehmen. Die im Oktober 2004 ins Leben gerufene Arbeitsgruppe BIRGiT, die sich aus Spezialisten der Ausländerbehörden, des Verfassungsschutzes, der Polizei und anderer Behörden zusammensetzt, hat ihre Erfolge fortgesetzt und zahlreiche Ausweisungsbescheide gegen islamistische Gefährder und Hassprediger veranlasst. 27 Extremisten wurden in ihr Heimatland abgeschoben oder haben Deutschland unter dem Druck der Strafverfolgungsbehörden und der ausländerrechtlichen Maßnahmen bereits verlassen. Am 28. Dezember 2005 hat das Bayerische Staatsministerium des Innern das "Multi-Kultur-Haus Ulm e.V." (MKH) verboten. Dort hatte sich ein Zentrum radikaler Islamisten von überregionaler Bedeutung etabliert. Die Aktivitäten Terrorverdächtiger werden weiterhin intensiv beobachtet. Rechtsextremisten sind weiterhin bestrebt, aktuelle politische Themen propagandistisch zu nutzen. Durch Verknüpfung sozialer Problemfelder mit rechtsextremistischen Theorie-Elementen hoffen Rechtsextremisten, aus den Sorgen der Bevölkerung um die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Finanzierung der Renten und die Folgen der Sozialreformen Kapital schlagen zu können. Teile des rechtsextremistischen Spektrums propagieren einen von dezidiert antikapitalistischen Elementen geprägten "volksbezogenen Sozialismus" mit dem Ziel, in sozialistisch orientierte Wählerschichten einzudringen. Mit Sorge betrachten wir einen deutlichen Anstieg der Gewalttaten mit rechtsextremistischer und linksextremistischer Motivation. Der gewaltbereite Linksextremismus stellt nach wie vor eine Gefahr für die Innere Sicherheit dar und verdient auch in Bayern Beachtung. Aufgabe des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz ist es insbesondere, zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestands und der Sicherheit des Bundes und der Länder sowie zum Schutz vor Organisierter Kriminalität Informationen zu sammeln und die Sicherheitsbehörden dadurch in die Lage zu versetzen, die notwendigen sicherheitsrechtlichen Entscheidungen zu veranlassen. Aufgabe des Landesamts und des Bayerischen Staatsministeriums des Innern ist es aber auch, die Öffentlichkeit über solche extremistischen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen und Tätigkeiten zu informieren. Diese Informationspflicht folgt aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der wehrhaften Demokratie und ist in Art. 15 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes verankert. Nur der informierte und über extremistische Bestrebungen aufgeklärte Bürger ist in der Lage, Entwicklungen in Politik und Gesellschaft sowie die dazu getroffenen staatlichen Maßnahmen und Entscheidungen richtig zu beurteilen. Dazu dient auch dieser Bericht. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der bayerischen Sicherheitsbehörden, insbesondere des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz und der bayerischen Polizei, gilt unser besonderer Dank. Durch ihren Einsatz haben sie auch im Jahr 2005 die Sicherheit der Bürger in Bayern gewährleistet und einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland geleistet. München, im April 2006 Dr. Günther Beckstein Georg Schmid Staatsminister Staatssekretär 4 Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt Verfassungsschutz in Bayern 11 1. Gesetzliche Grundlagen ................................................ 12 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes ............................... 12 3. Informationsbeschaffung .............................................. 13 4. Kontrolle ...................................................................... 14 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes ............... 15 6. Infound Beratungstelefone ......................................... 16 2. Abschnitt Entwicklung des politischen Extremismus im Jahr 2005 1. Ausländerextremismus .................................................. 17 2. Rechtsextremismus ....................................................... 19 3. Linksextremismus .......................................................... 22 4. Scientology-Organisation .............................................. 23 5. Grafische Darstellungen ................................................ 24 3. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines ................................................................ 26 1.1 Merkmale des Ausländerextremismus .......................... 26 1.2 Entwicklung in Bayern ................................................. 26 1.3 Integrationsfeindlichkeit des Islamismus ....................... 28 1.4 Gewalttaten ................................................................ 29 2. Islamistischer Terrorismus ............................................. 30 2.1 Überblick ..................................................................... 30 2.2 Islamistisch motivierte Terroranschläge ......................... 31 2.3 Terrorismus im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg ........ 33 2.4 Erklärungen des al-Qaida-Netzwerks............................... 34 2.5 Gerichtsverfahren und Exekutivmaßnahmen ................. 36 2.6 Ausblick ...................................................................... 39 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Inhaltsverzeichnis 5 3. Islamistische Gruppierungen ........................................ 40 3.1 Die internationale islamische Front - Al-Qaida ............... 40 3.2 Die Muslimbruderschaft (MB) und ihre regionalen Strömungen ................................................................ 42 3.2.1 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) ....... 44 3.2.2 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS)/ Islamischer Bund Palästina (IBP) und Al-Aqsa e.V. ........................... 46 3.2.3 Islamische Heilsfront (FIS) ............................................. 48 3.2.4 En Nahda .................................................................... 49 3.3 Hizb ut-Tahrir ............................................................... 50 3.4 Ansar al-Islam .............................................................. 52 3.5 Tablighi Jamaat (TJ) ...................................................... 54 3.6 Al-Tauhid ..................................................................... 55 3.7 Hizb Allah (Partei Gottes) ............................................. 56 3.8 Hizb al-Dawa al-Islamiya (Dawa), Islamisch-Irakische Gemeinschaft Deutschland e.V. (IIGD) .......................... 57 3.9 Hezb-i Islami Afghanistan (HIA) .................................... 58 3.10 Islamische Vereinigung in Bayern e.V. (IVB) ................... 59 3.11 Türkische islamistische Gruppierungen ......................... 60 3.11.1 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) .......... 60 3.11.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) .................................. 64 4. Verbote sonstiger islamistischer Organisationen ............ 66 4.1 Multi-Kultur-Haus Ulm e.V. (MKH) ............................... 66 4.2 Verlagsgesellschaft Yeni Akit GmbH ............................. 68 5. Sonstige ausländerextremistische Gruppierungen .......... 69 5.1 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) bzw. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ............................ 69 5.1.1 Allgemeines ................................................................. 69 5.1.2 Aktivitäten ................................................................... 72 5.1.3 Exekutivmaßnahmen und Gerichtsverfahren ................. 74 5.2 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) ................................ 75 5.3 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) ..................................................................... 78 5.4 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) .. 80 5.5 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) .............................................. 80 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 6 Inhaltsverzeichnis 5.6 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI)/Volksmudjahidin Iran (MEK) ................................................................... 81 6. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ........................................................ 84 4. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines .................................................................. 89 1.1 Merkmale des Rechtsextremismus ................................. 89 1.2 Entwicklung der Organisationen ................................... 90 2. Parteien, Organisationen und Verlage ........................... 91 2.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ......... 91 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort .................................... 91 2.1.2 Organisation ................................................................. 96 2.1.3 Teilnahme an Wahlen .................................................... 97 2.1.4 Bündnisbestrebungen ................................................... 99 2.1.5 Sonstige Aktivitäten ...................................................... 101 2.1.5.1 Landesparteitag ............................................................ 101 2.1.5.2 Kundgebungen und sonstige Aktionen ......................... 101 2.1.6 Junge Nationaldemokraten (JN) ..................................... 105 2.2 Deutsche Volksunion (DVU) .......................................... 107 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort ................................... 107 2.2.2 Organisation ................................................................ 112 2.2.3 Wahlbündnis mit der NPD ............................................ 112 2.2.4 Bundesparteitag .......................................................... 113 2.2.5 Sonstige Aktivitäten ..................................................... 114 2.3 Die Republikaner (REP) ................................................ 115 2.3.1 Ideologisch-politischer Standort ................................... 115 2.3.2 Aushöhlung des offiziellen Abgrenzungskurses ............ 118 2.3.3 Organisation ................................................................ 119 2.3.4 Teilnahme an Wahlen ................................................... 119 2.3.5 Sonstige Aktivitäten ..................................................... 120 2.4 Deutsche Partei - Die Freiheitlichen (DP) ....................... 121 2.4.1 Ideologisch-politischer Standort ................................... 121 2.4.2 Kontakte zu anderen Rechtsextremisten ....................... 123 2.4.3 Organisation ................................................................ 123 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Inhaltsverzeichnis 7 2.4.4 Landesparteitag ........................................................... 124 2.5 Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee ..................... 124 2.6 Freundeskreis Demokratie Direkt München .................. 125 2.7 Rechtsextremistische Bestrebungen im Europäischen Darstellungsverein für Lebendige Geschichte (EDLG) .... 126 2.8 Sonstige Organisationen .............................................. 127 2.9 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) .. 128 2.10 Nation Europa Verlag GmbH ....................................... 130 3. Organisationsunabhängiger Neonazismus .................... 131 3.1 Allgemeines ................................................................ 131 3.2 Neonazi-Kameradschaften ........................................... 133 3.2.1 Kameradschaft München ............................................. 133 3.2.2 Autonome Nationalisten München (ANM) .................... 134 3.2.3 Kameradschaft Asgard-Ratisbona ................................. 134 3.2.4 Kameradschaft Weiße Wölfe ........................................ 135 3.2.5 Kameradschaft Aschaffenburg ..................................... 135 3.2.6 Bund Frankenland - Staatsbürgerliche Runde ............... 135 3.2.7 Kameradschaft Augsburg ............................................. 136 3.3 Informationelle Vernetzung ......................................... 136 3.4 Aktivitäten zum 18. Todestag von Rudolf Heß .............. 138 3.5 Projekt Schulhof .......................................................... 139 4. Rechtsextremistische Skinheads .................................... 140 4.1 Überblick ..................................................................... 140 4.2 Politische Ausrichtung .................................................. 140 4.3 Strukturen ................................................................... 141 4.4 Anziehungskraft für Jugendliche .................................. 142 4.5 Skinhead-Musik ............................................................ 144 4.6 Skinhead-Magazine ...................................................... 147 5. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten ..................... 147 5.1 Gewalttaten ................................................................ 147 5.2 Sonstige Straftaten ...................................................... 151 6. Strafverfahren, Urteile und Exekutivmaßnahmen .......... 154 7. Revisionismus .............................................................. 156 7.1 Ziele ............................................................................ 156 7.2 Entwicklung und Träger der Revisionismus-Kampagne ... 157 8. Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus ... 159 9. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ......................................................... 161 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 8 Inhaltsverzeichnis 5. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines .................................................................. 163 1.1 Merkmale des Linksextremismus ................................... 163 1.2 Entwicklung der Organisationen ................................... 164 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 165 2.1 Die Linkspartei.PDS ...................................................... 165 2.1.1 Ideologische Ausrichtung ............................................. 166 2.1.2 Organisation ................................................................ 171 2.1.3 Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften ..... 172 2.1.3.1 Kommunistische Plattform (KPF) ................................... 172 2.1.3.2 Marxistisches Forum (MF) ............................................. 174 2.1.4 Jugendverband ['solid] ................................................. 174 2.1.5 Die Linkspartei.PDS Landesverband Bayern und ihre Organisationseinheiten ................................................. 176 2.1.6 Teilnahme an Wahlen .................................................. 177 2.1.7 Kommunistischer Internationalismus ............................ 178 2.1.8 Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten ............. 179 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ......................... 180 2.2.1 Ideologische Ausrichtung ............................................. 180 2.2.2 Organisation ................................................................. 181 2.2.3 Teilnahme an Wahlen ................................................... 181 2.2.4 Internationale Verbindungen ........................................ 182 2.2.5 Umfeld der DKP ........................................................... 183 2.2.5.1 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ............ 183 2.2.5.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) .............. 185 2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) ..... 187 2.4 Linksruck-Netzwerk (Sozialistische Arbeitergruppe - SAG) 189 2.5 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus ............ 190 2.6 Sonstige orthodoxe Kommunisten und andere revolutionäre Marxisten ............................................... 192 3. Gewaltorientierte Linksextremisten ............................... 192 3.1 Autonome Gruppen ..................................................... 192 3.1.1 Ideologische Ausrichtung und Aktionsformen .............. 193 3.1.2 Strukturen, informationelle Vernetzung und Publikationen 194 3.1.3 Schwerpunktthemen und Aktionen ............................. 196 3.1.3.1 Strategiedebatte - Fortsetzung der Gewaltdiskussion ... 196 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Inhaltsverzeichnis 9 3.1.3.2 Antifaschismus ............................................................ 198 3.1.3.3 Anti-Globalisierungs-Proteste ......................................... 200 3.1.3.4 Antiimperialismus ........................................................ 201 3.1.3.5 Sozialabbau ................................................................. 202 3.1.3.6 Weitere Aktionen ......................................................... 202 3.1.3.7 Einflussnahme auf die Antikernkraftbewegung ............. 203 3.2 Linksextremistisch motivierte Straftaten ....................... 204 3.2.1 Gewalttaten ................................................................ 204 3.2.2 Sonstige Straftaten ................................................... 205 4. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse .................. 207 6. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) 1. Zur Geschichte der SO ................................................. 209 2. Ideologie und Aktivitäten ............................................ 210 2.1 Schriften der SO .......................................................... 211 2.2 Errichtung einer scientologischen Gesellschaft................ 211 2.2.1 Lenkung der Regierung durch Scientology ................ 212 2.2.2 Einführung eines scientologischen Rechtssystems .......... 212 2.2.3 Bekämpfung von Kritik an Lehre und Praxis - aggressive Expansionstechnik ........................................................ 213 2.3 Aktivitäten der SO ....................................................... 213 2.3.1 Angriffe auf Repräsentanten des Staates ..................... 213 2.3.2 Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung ........ 213 2.3.3 Ausforschung und Bekämpfung von Kritikern .............. 214 2.3.4 Scientology Zeitschrift "free MIND magazin" ................ 214 2.3.5 Aktivitäten im Ausland ................................................. 215 2.4 Bewertung der Schriften und Aktivitäten ...................... 216 3. Organisationsund Kommandostruktur der SO ............ 216 3.1 Weltweite Kommandostruktur der SO .......................... 216 3.2 Organisation der SO in Deutschland ............................ 218 3.2.1 "Church"-Sektor .......................................................... 218 3.2.2 WISE-Sektor ................................................................. 218 3.2.3 ABLE-Sektor ................................................................. 220 3.2.4 Besonders aktive Tarnorganisationen der SO ................. 220 3.2.4.1 NARCONON ................................................................ 220 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 10 Inhaltsverzeichnis 3.2.4.2 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) ....................................... 221 3.2.5 Office of Special Affairs (OSA) ..................................... 221 4. Mitglieder der SO ........................................................ 223 5. Veranstaltungen und sonstige Aktivitäten der SO ......... 223 6. Verwaltungsgerichtsverfahren ...................................... 225 7. Vertrauliches Telefon und Informationsangebot im Internet .................................................................. 227 7. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage .............................................................. 228 2. Wirtschaftsspionage ..................................................... 229 3. Spionage im Bereich der Kommunikationstechnik ......... 230 4. Proliferation ................................................................. 231 5. Schutzmaßnahmen - Beratung durch den Verfassungsschutz ........................................................ 233 6. Ausblick ....................................................................... 234 8. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Ausgangslage .............................................................. 235 2. EU-Osterweiterung ....................................................... 235 3. Beobachtungsschwerpunkte ........................................ 236 3.1 GUS-Mafia ................................................................... 236 3.2 Südosteuropa-Mafia ..................................................... 238 3.3 Rockerkriminalität in Bayern ......................................... 240 3.4 Asiatische Organisierte Kriminalität .............................. 241 3.4.1 Schleusungsdelikte ...................................................... 241 3.4.2 Betäubungsmittelhandel .............................................. 242 3.4.3 Prostitution .................................................................. 242 Anhang Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) ....................... 244 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) ................ 254 Sachwortregister .................................................................... 256 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Verfassungsschutz in Bayern 11 1. Abschnitt Verfassungsschutz in Bayern Die Bundesrepublik Deutschland ist nach ihrer Verfassung eine wertWehrhafte gebundene, wachsame und wehrhafte Demokratie. Der Staat kann gegen Demokratie Bestrebungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen, die in der Verfassung vorgesehenen Abwehrmittel einsetzen, z.B. durch ein Parteioder Vereinsverbot. Dies setzt voraus, dass er solche Bestrebungen oder Aktivitäten, die als "extremistisch" oder als "verfassungsfeindlich" bezeichnet werden - diese Begriffe sind gleichbedeutend -, rechtzeitig erkennen kann. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes ein. Er dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie dem Schutz des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter der Freiheitliche freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Ordnung zu verstedemokratische hen, die unter Ausschluss jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine Grundordnung rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören mindestens: - die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, - die Volkssouveränität, - die Gewaltenteilung, - die Verantwortlichkeit der Regierung, - die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, - die Unabhängigkeit der Gerichte, - das Mehrparteienprinzip, - die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 12 Verfassungsschutz in Bayern 1. Gesetzliche Grundlagen Rechtliche Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich Grundlagen genau festgelegt. Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt die von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben. Es ist zugleich Rechtsgrundlage für die Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz. Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Ländern eigene Verfassungsschutzgesetze. In Bayern regelt das im Anhang abgedruckte Bayerische Verfassungsschutzgesetz die Aufgaben und Befugnisse des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, das seinen Sitz in München hat und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnet ist. Für das Landesamt wurden im Haushaltsplan 2005 insgesamt 447 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter ausgewiesen; das Haushaltsvolumen 2005 betrug 24,4 Millionen Euro. 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes BeobachtungsNach dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz hat das Landesamt für auftrag Verfassungsschutz im Wesentlichen den Auftrag der Beobachtung von - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, - sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht (Sabotage und Spionage), - Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, - Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), gerichtet sind und - Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität. Darüber hinaus wirkt das Landesamt für Verfassungsschutz u.a. bei Sicherheitsüberprüfungen aus Gründen des Geheimschutzes und des Sabotageschutzes mit. Rechtsgrundlage hierfür ist das Bayerische Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Das Landesamt ist fernerhin beteiligt bei der Überprüfung von Mitarbeitern in Flughäfen und Kernkraftwerken Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Verfassungsschutz in Bayern 13 nach dem Luftverkehrsgesetz bzw. Atomgesetz sowie bei einbürgerungsund ausländerrechtlichen Entscheidungen. Im Mittelpunkt der Beobachtung stehen Aktivitäten von extremistischen Organisationen. Dazu müssen zwangsläufig auch die Mitglieder und Unterstützer erfasst werden. Aber auch die Beobachtung von Einzelpersonen ist zulässig. Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland. Er informiert die politisch Verantwortlichen und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Beobachtung, vor allem über mögliche Gefahren. Er versetzt die zuständigen staatlichen Stellen des Bundes und der Länder in die Lage, verfassungsfeindlichen Kräften rechtzeitig und angemessen zu begegnen. Im Gegensatz zum Verfassungsschutz beschafft der BundesnachrichAbgrenzung zu tendienst (BND) Informationen über das Ausland, die für die BundesBND und MAD republik Deutschland außenund sicherheitspolitisch von Interesse sind. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) nimmt Verfassungsschutzaufgaben im Bereich der Bundeswehr wahr. 3. Informationsbeschaffung Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz verpflichtet, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil aus offenen Quellen gewonnen (z.B. aus Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern, Programmen, Broschüren und sonstigem Material extremistischer Organisationen sowie bei deren öffentlichen Veranstaltungen). Einen Teil der Informationen erhält der Verfassungsschutz durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel. Zu diesen Mitteln gehören im WesentNachrichtenlichen: dienstliche Mittel - der Einsatz von verdeckt arbeitenden V-Leuten ("V" steht für "Vertrauen") in extremistischen Organisationen, - das Beobachten verdächtiger Personen (Observation) sowie - verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen. Eingriffe in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis (Öffnen von BrieBriefund fen, Abhören von Telefongesprächen) sind besonders strengen rechtsTelefonkontrolle staatlichen Anforderungen unterworfen. Sie sind in einem eigenen Gesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des BriefPostund Fernmeldegeheimnisses "Artikel 10-Gesetz" (G 10) genannt wird. Ein Verfahren mit mehreren voneinander unabhängigen Kontrollinstanzen stellt Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 14 Verfassungsschutz in Bayern sicher, dass in dieses Grundrecht nur eingegriffen wird, wenn die im Gesetz genannten besonderen Gründe vorliegen. Ähnliches gilt für die seit Beginn des Jahres 2003 eingeführten Auskunftsverpflichtungen von Postund Telekommunikationsdienstleistern, Fluggesellschaften und Kreditinstituten sowie für die Verwendung des so genannten IMSI-Catchers zur Feststellung unbekannter Mobiltelefonnummern. Rechtsstaatliche Sicherungen gelten auch für den Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Art.13 des Grundgesetzes, also für den Einsatz von Abhörgeräten oder versteckten Kameras in Wohnungen und Büros. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zu entsprechenden Maßnahmen nach der Strafprozessordnung erfordert in Teilbereichen auch eine Anpassung der bisherigen Rechtslage. Keine polizeiDem Verfassungsschutz stehen keine polizeilichen Befugnisse zu. Polizeilichen Befugnisse behörden und Verfassungsschutz sind voneinander getrennt. Deshalb dürfen die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes keinerlei Zwangsmaßnahmen (wie z.B. Festnahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen usw.) durchführen. Verfassungsschutzbehörden dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Dies steht aber einer informationellen Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung nicht entgegen. Im Gegenteil sind diese unabdingbare Voraussetzungen für eine effiziente Arbeit der Sicherheitsbehörden. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Sicherheitsbehörde unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 4. Kontrolle Vielfältige Die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden unterliegt einer vielfälKontrollen tigen Kontrolle. Dazu gehört die allgemeine parlamentarische Kontrolle, die durch die Berichtspflicht des verantwortlichen Ministers gegenüber dem Landtag im Rahmen von aktuellen Stunden, Anfragen von Abgeordneten, Petitionen usw. ausgeübt wird. Eine besondere Kommission des Bayerischen Landtags, das Parlamentarische Kontrollgremium, überwacht die Arbeit des Verfassungsschutzes. Die G 10-Kommission überprüft die Maßnahmen zur Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs - deren Zahl im Jahr 2005 wie schon in der Vergangenheit im unteren zweistelligen Bereich lag -, die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Auskunftsverpflichtungen von Postund Telekommunikationsdienstleistern, Fluggesellschaften und Kreditinstituten sowie des Einsatzes des so genannten IMSI-Catchers. Die Verwaltungskontrolle Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Verfassungsschutz in Bayern 15 obliegt dem Innenminister im Rahmen der Dienstund Fachaufsicht, ferner dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz und dem Bayerischen Obersten Rechnungshof. Diese Kontrollen werden ergänzt durch eine mögliche gerichtliche Nachprüfung belastender Einzelmaßnahmen sowie durch die Öffentlichkeit in Form von Presse, Funk und Fernsehen. 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann auf Dauer nicht ohne die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus gesichert werden. Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes gewährleistet, dass Regierung und Parlament, aber auch die Bürger über Aktivitäten Aufklärungsund Absichten verfassungsfeindlicher Organisationen informiert werden. tätigkeit Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes klärt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in Fachvorträgen über aktuelle extremistische Entwicklungen auf; im Jahr 2005 lagen hierbei die Schwerpunkte bei den Themen "Rechtsextremismus" und "Islamismus". Der Verfassungsschutzbericht sowie weitere Publikationen zu den Aufgabenfeldern des Verfassungsschutzes ermöglichen es jedem Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 16 Verfassungsschutz in Bayern Bürger, sich selbst ein Urteil über die Gefahren zu bilden, die unserem Rechtsstaat durch verfassungsfeindliche Kräfte drohen. Das Informationsmaterial wird kostenlos zur Verfügung gestellt und kann beim Bayerischen Staatsministerium des Innern - Sachgebiet I D 6 -, Odeonsplatz 3, 80539 München (Telefax: 0 89 / 2 19 21 28 42) angefordert werden. Die meisten Materialien, insbesondere der jährliche VerfasInternetsungsschutzbericht und auch Informationen zur Scientology-OrganisaAngebote tion, sind zusätzlich im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.innenministerium.bayern.de/sicherheit/verfassungsschutz Das Internet-Angebot des Bayerischen Staatsministeriums des Innern wird durch die unter der Adresse http://www.verfassungsschutz.bayern.de erreichbare Homepage des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz ergänzt. 6. Infound Beratungstelefone Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ist telefonisch rund um die Uhr unter der Nummer 0 89 / 31 20 10 erreichbar. Kontakttelefone Speziell für Hinweise zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist dort unter der Nummer 0 89 / 31 20 14 80 ein Kontakttelefon eingerichtet. Im Rahmen der von Bund und Ländern erarbeiteten Aussteigerprogramme für Rechtsextremisten besteht ein Beratungsund Hinweistelefon. Das Telefon, das ebenso der Aufklärung rechtsextremistischer Aktivitäten in Bayern dienen soll, ist für Bürger und aussteigewillige Extremisten - nicht nur Rechtsextremisten - unter der Nummer 0 18 02 00 07 86 zu erreichen. Für Opfer und Aussteiger der Scientology-Organisation (SO) sowie für Angehörige von SO-Mitgliedern unterhält das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ein "vertrauliches Telefon". Das Amt nimmt Informationen und Hinweise unter der Nummer 0 89 / 31 20 12 96 entgegen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Entwicklung des politischen Extremismus 17 2. Abschnitt Entwicklung des politischen Extremismus im Jahr 2005 1. Ausländerextremismus Der islamische Extremismus (Islamismus), insbesondere die TerrornetzBedrohung durch werke, stellt weiterhin die größte Bedrohung der Inneren Sicherheit dar. islamistische Die Sprengstoffanschläge am 7. und 21. Juli in London mit 56 Toten Netzwerke und etwa 780 Verletzten zeigen nach den Anschlägen von Madrid im März 2004 erneut, dass grenzüberschreitende Strukturen des Terrornetzwerks al-Qaida weiterhin funktionsfähig sind und dass regional operierende Zellen in der Lage sind, Anschläge weitgehend auch ohne eine zentrale Vorbereitung und Steuerung durchzuführen. Auch Deutschland und Bayern sind als Aktionsraum islamistisch-terroGefährdungslage ristischer Netzwerke inzwischen nicht nur Rückzugsund Ruhegebiete, sondern sie werden auch als Vorbereitungsraum und potenzielles Anschlagsziel betrachtet. Dies zeigt nicht nur der Prozess gegen den Iraker Lokman Amin Mohammed vor dem Oberlandesgericht München wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, sondern vor allem auch der Prozess gegen Mitglieder einer deutschen Zelle der Gruppe al-Tauhid vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. In diesem Verfahren wurden die Angeklagten am 26. Oktober zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie Sprengstoffanschläge auf jüdische Einrichtungen in Berlin und Düsseldorf vorbereitet hatten. Insbesondere die anhaltend angespannte Sicherheitslage im Irak hat Auswirkungen auf die Bedrohungslage für Deutschland. So sind seit Beendigung des Irak-Kriegs einige Muslime aus Deutschland in den Irak gereist, manche von ihnen, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen. Rückkehrer aus dem Irak unterliegen der besonderen Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden. Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) als mitgliederIslamische stärkste islamistische Organisation in Deutschland bietet Islamisten eine Gemeinschaft politische und religiöse Heimat und ist gleichzeitig bemüht, ihre KonMilli Görüs takte zu der türkischen Regierungspartei AKP zu verbessern. Sie versucht, die Verbindungen zur türkisch-islamistischen Saadet Partisi (SP) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 18 Entwicklung des politischen Extremismus in der Öffentlichkeit herunterzuspielen, ohne dabei aber einen Bruch mit dem Führer der Milli Görüs-Bewegung und Vorsitzenden der SP Prof. Necmettin Erbakan zu provozieren. Die IGMG-Führungsspitze in Deutschland will mit dieser Politik die islamistischen Anhänger der Milli Görüs-Bewegung halten und gleichzeitig den Anschein einer gemäßigten, weltoffenen und auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehenden Organisation erwecken. Mit einem breiten Jugendund Angebot in der Jugendund Sozialarbeit bis hin zu eigenen KindergärSozialarbeit ten und der Veranstaltung von Sommerkorankursen versucht die IGMG, junge Türken in Deutschland an die Organisation und an ihre islamistische Ideologie zu binden. Als Teil dieses Gesamtbildungskonzepts führte die IGMG wie bereits in den Vorjahren Sommerkorankurse durch. Seit dem Verbot der Vereinigung "Kalifatsstaat" im Jahr 2001 haben umfangreiche Exekutivmaßnahmen ebenso wie die Abschiebung des früheren "Kalifen" Metin Kaplan im Jahr 2004 und seine Verurteilung in der Türkei zu einer nachhaltigen Verunsicherung der Anhänger geführt. Am 23. November wurden eine Moschee und 25 Wohnungen von Anhängern des "Kalifatsstaats" durchsucht. Gegen die Betroffenen besteht der Verdacht der strafbaren Fortführung von Vereinsaktivitäten. In den Regionen Ingolstadt und Schwabach waren 22 Wohnungen und eine Moschee betroffen. Dort konnte umfangreiches Material sichergestellt werden, so u.a. Literatur des "Kalifatsstaats", PCs, Flugblätter, Fahnen und Videos. Der organisatorische Zusammenhalt und die Aktivitäten in Bayern sind stark zurückgegangen. Tablighi Jamaat Die Tablighi Jamaat (TJ), eine 1927 in Indien als Missionierungsbewegung gegründete Gemeinschaft, vertritt eine radikalisierte Form des strenggläubigen Islam. Durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen besteht die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt werden. Von Einzelpersonen, die die Schulung der TJ durchlaufen haben, ist bekannt, dass sie sich terroristischen Gruppierungen angeschlossen haben. Ein Gremium von vier Personen leitet die TJ in Deutschland. In Bayern betreibt sie zwei Moscheen in München und Pappenheim. In weiteren Moscheen konnte die TJ an Einfluss gewinnen. Behördliche Maßnahmen und die Berichterstattung in den Medien führten zu einer Verunsicherung der deutschen Sektion. Die bayerischen Behörden haben drei Aktivisten der TJ wegen Unterstützung der TJ und Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgewiesen. Konsequentes behördliches Vorgehen machte bei der islamistischen Szene Eindruck. Die im Oktober 2004 ins Leben gerufene Arbeitsgruppe Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Entwicklung des politischen Extremismus 19 BIRGiT (Beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern AG BIRGiT aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus und Extremismus), die sich aus Spezialisten der Ausländerbehörden, des Verfassungsschutzes, der Polizei und anderer Behörden zusammensetzt, hat bis Ende 2005 gegen islamistische Gefährder und Hassprediger 47 Ausweisungsbescheide veranlasst. 27 Extremisten wurden in ihr Heimatland abgeschoben oder haben Deutschland unter dem Druck der Strafverfolgungsbehörden und der ausländerrechtlichen Maßnahmen bereits verlassen. Am 28. Dezember hat das Bayerische Staatsministerium des Innern das Verbot des MKH "Multi-Kultur-Haus Ulm e.V." (MKH) verboten. Dort hatte sich ein Zentrum radikaler Islamisten von überregionaler Bedeutung etabliert. Dem Verbot ging ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren voraus, in dessen Rahmen bereits am 23. September die Räume des MKH durchsucht wurden. Dabei wurden umfangreiche Sammlungen islamistischer Schriften mit Aufrufen zum "Djihad" sowie zur Ermordung von Juden und Christen gefunden. Der Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Gewaltverzicht Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) bzw. Arbeiterpartei Kurdistans des KONGRA GEL (PKK), hält zwar in Deutschland bisher an seinem Gewaltverzicht fest, in Deutschland die massiven Kämpfe der HPG-Guerillaeinheiten gegen türkische Sicherheitskräfte dauern jedoch unvermindert an. Der KONGRA GEL ist auch weiterhin in der Lage, für Großveranstaltungen mehrere zehntausend Anhänger zu mobilisieren. 2. Rechtsextremismus Die rechtsextremistischen Parteien konnten weder bei Landtagswahlen noch bei der Bundestagswahl 2005 an die zum Teil beachtlichen Erfolge des Vorjahrs anknüpfen. Dennoch lagen ihre Ergebnisse zum Teil erheblich über den vor 2004 bei Wahlen erreichten Stimmenanteilen. Die Mitgliederzahlen blieben weitgehend konstant. Interne Differenzen bestehen trotz erfolgreicher Bündnisbemühungen fort. Rechtsextremisten waren weiterhin bestrebt, aktuelle politische Themen Schwerpunkte propagandistisch zu nutzen. Insbesondere setzten sie ihre Agitation rechtsextremisgegen eine Reform des Sozialsystems fort. Auch bei Wahlkämpfen vertischer Agitation suchten sie durch Verknüpfung nationalistischer, fremdenfeindlicher, antisemitischer und sozialdemagogischer Thesen, die in der Bevölkerung vorhandenen Sorgen und Verunsicherungen für ihre extremistischen Ziele zu instrumentalisieren. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 20 Entwicklung des politischen Extremismus FremdenfeindDie Anschläge vom 7. und 21. Juli in London veranlassten Rechtsextreliche Propaganda misten - wie schon nach den Anschlägen vom 11. März 2004 in Madrid - zu sowohl fremdenfeindlicher als auch "antiimperialistischer" Propaganda, die sich gegen die USA und die deutsche Westorientierung richtete. Die von jugendlichen Migranten in den französischen Vorstädten initiierten Krawalle nutzten deutsche Rechtsextremisten ebenfalls für ihre fremdenfeindliche Agitation. Rassistische und Die Nahost-Problematik wurde von ihnen im Sinn ihres rassistisch motirevisionistische vierten Antisemitismus kommentiert. Darüber hinaus dienten ihnen die Agitation Osterweiterung der Europäischen Union (EU) sowie der Beginn der Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU zur Schürung von Ängsten vor sozialen Veränderungen und zunehmender Kriminalität. Schwerpunkte rechtsextremistischer Agitation waren ferner Propagandaaktionen zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und Kundgebungen zum Gedenken an die Opfer alliierter Luftangriffe auf deutsche Städte. Dabei versuchten Rechtsextremisten, die NS-Verbrechen zu relativieren und die Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands als "nationale Katastrophe" darzustellen. Wahlabsprache Nachdem es der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) zwischen NPD gelungen war, im Herbst 2004 in den Sächsischen Landtag einzuziehen, und DVU vereinbarten die Parteivorsitzenden der NPD und der Deutschen Volksunion (DVU) in einem so genannten "Deutschland-Pakt" im Januar den Verzicht auf konkurrierende Kandidaturen bei Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene bis 2009. Die Deutsche Volksunion (DVU) ist zwar die finanzstärkste rechtsextremistische Partei, aber nach wie vor zu einer sachorientierten politischen Arbeit nicht fähig. Das wenig ausgeprägte Parteileben ist nicht demokratisch organisiert und vom bedingungslosen Machtanspruch des Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey dominiert. Obwohl die Vorsitzenden von NPD und DVU ständig betonen, dass sich beide Parteien in den Grundzielen einig seien, bestehen in den bündnispolitischen Positionen nach wie vor Differenzen, insbesondere in der Frage einer Zusammenarbeit mit Neonazis. Auch nach dem Scheitern der NPD sowohl bei der Bundestagswahl als auch bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wurden Differenzen innerhalb der von der NPD propagierten "Volksfront von rechts" deutlich. Die Situation der Partei "Die Republikaner" (REP) ist seit Jahren durch interne Auseinandersetzungen über den von der Parteiführung offiziell vertretenen Abgrenzungskurs gegenüber anderen Organisationen des rechtsextremistischen Spektrums gekennzeichnet. Mehrere Funktionäre Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Entwicklung des politischen Extremismus 21 der REP traten deswegen zur NPD über und unterstützen die Bündnispolitik von NPD und DVU. Anhaltende Wahlniederlagen führten zu kontinuierlichen Mitgliederverlusten. Die seit 1993 bestehende "Deutsche Partei - Die Freiheitlichen" (DP), die bislang bei Wahlen nur marginale Ergebnisse erzielte, hat sich zu einem Sammelbecken für Rechtsextremisten entwickelt. Sie möchte das "nationale" Lager einigen und engagiert sich in Bündnissen, vor allem auf kommunaler Ebene. Die DP nahm im Jahr 2005 angesichts der Misserfolge des Vorjahrs weder an der Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl teil. Mitglieder der Partei kandidierten lediglich bei der Bundestagswahl für die NPD. Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte am 4. Mai Martin Verurteilung von Wiese und drei weitere Angehörige des "inneren Führungszirkels" der Martin Wiese ehemaligen Kameradschaft Süd-Aktionsbüro Süddeutschland (AS) und Mitgliedern wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu mehrjährides AS gen Freiheitsstrafen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Gruppe, die sich illegal Waffen und Sprengstoff beschafft hatte, zeitweise plante, einen Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums am 9. November 2003 in München zu begehen. Bereits am 5. April hatte das Gericht fünf weitere Gruppenmitglieder verurteilt. Neonazis und rechtsextremistische Skinheads haben ihre Zusammenarbeit intensiviert. Dabei dominieren die dezidiert neonazistischen Positionen gegenüber den eher diffusen rechtsextremistischen Orientierungen von Skinheads. Die Zahl neonazistisch orientierter Personen blieb mit 300 ebenso konstant wie die Zahl der dem Spektrum rechtsextremistischer Skinheads zuzurechnenden rund 800 Personen. Somit gibt es Gewaltbereite derzeit in Bayern rund 1.100 gewaltbereite Rechtsextremisten. Rechtsextremisten Der von der der deutschen Neonazi-Szene als herausragendes öffentlichkeitswirksames Ereignis konzipierte "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" in Wunsiedel konnte aufgrund einer geänderten Rechtslage verboten werden. Das koordinierte behördliche Vorgehen gegen das neonazistische "Projekt Schulhof" zeigte, dass die Pläne von Rechtsextremisten erfolgreich durchkreuzt werden können, auch wenn die Verfassungsfeinde neue Strategien anwenden. Die Zahl der Skinhead-Konzerte erhöhte sich leicht auf 17 Veranstaltungen (2004: 15). Dagegen stieg die Zahl der von Neonazis und SkinStarke Zunahme heads verübten brutalen und menschenverachtenden Gewalttaten mit der Gewalttaten Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 22 Entwicklung des politischen Extremismus 77 (2004: 42) stark an. Demgegenüber hat die Anzahl sonstiger Straftaten, insbesondere der Propagandadelikte, in Bayern nur geringfügig zugenommen. Das im Februar 2001 vom Bayerischen Landesamt für VerfassungsHinweistelefon schutz eingerichtete Hinweistelefon (0 18 02 00 07 86) wurde seither von etwa 300 Personen genutzt. Meist handelte es sich bei den Anrufern um Bürger, die Hinweise auf rechtsextremistische Bestrebungen gaben. In einigen Fällen bekundeten Rechtsextremisten ihren Willen zum Ausstieg. Darüber hinaus hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz insgesamt etwa 100 Personen angesprochen, von denen 40 inzwischen ausgestiegen sind und zehn als potenzielle Aussteiger bezeichnet werden können. 3. Linksextremismus Der gewaltbereite Linksextremismus stellt nach wie vor ebenfalls eine Gefahr für die Innere Sicherheit dar und verdient auch in Bayern Beachtung. Das linksextremistische Gewaltpotenzial wird zu 80% von Gruppen und Einzeltätern aus dem autonomen und anarchistischen Starker Anstieg Spektrum gestellt. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewaltder Gewalttaten taten in Bayern stieg von 27 im Jahr 2004 auf 107 erheblich an. Opfer waren überwiegend Polizeibeamte, die zum Schutz von Veranstaltungen (z.B. der Münchner Sicherheitskonferenz und von rechtsextremistischen Aufzügen) eingesetzt waren. Auch bei den sonstigen Straftaten in Bayern war eine deutliche Zunahme auf 181 (2004: 132) zu verzeichnen. Dass die eigentlichen Angriffsziele der Autonomen der demokratische Staat und seine Repräsentanten sind, zeigt sich insbesondere bei den Aktionen gegen die Sicherheitskonferenz. Die Thematik "Anti-Globalisierung" stellt ebenfalls ein wichtiges Aktionsfeld der Autonomen dar. Auch nach dem Ende des Irak-Kriegs ist der "Antiimperialismus" für die autonome Szene von Bedeutung. Infolge der Diskussionen um die Kürzung von sozialen Leistungen und entsprechender Gesetzesvorhaben wird auch das Thema "Sozialabbau" von Angehörigen dieses Spektrums aufgegriffen. Zur Vorbereitung der Bundestagswahl und zur Erleichterung der Kooperation mit der Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) wurde auf einer außerordentlichen Tagung des 9. Bundesparteitags der PDS am 17. Juli in Berlin beschlossen, die "ParUmbenennung tei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) in "Die Linkspartei.PDS" der PDS umzubenennen. Am 6. Dezember unterzeichneten die Vorsitzenden beider Parteien ein "Kooperationsabkommen", das "die freie VereiniVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Entwicklung des politischen Extremismus 23 gung der gesellschaftlichen Linken in der ersten wirklich gesamtdeutschen Partei" bis zum 30. Juni 2007 vorsieht. Bei der Bundestagswahl am 18. September erreichte die Linkspartei.PDS, die gemeinsam mit der WASG in einem Wahlbündnis angetreten war, bundesweit einen Stimmenanteil von 8,7 % der Zweitstimmen und zog in Wahlerfolg der Fraktionsstärke mit 54 statt bisher zwei Abgeordneten in den 16. DeutLinkspartei.PDS schen Bundestag ein. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verfehlte die Partei allerdings deutlich den von ihr angestrebten Einzug in westdeutsche Länderparlamente. Die Linkspartei.PDS ist derzeit in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern an Länderregierungen beteiligt. 4. Scientology-Organisation Die Scientology-Organisation (SO) verfolgt weiterhin das Ziel, eine weltweite scientologische Gesellschaft nach eigenen, die Grundprinzipien Missachtung der der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie Gewaltenteilung, Grundprinzipien Rechtsstaatsprinzip und Demokratieprinzip missachtenden Regeln zu unserer Verfassung schaffen und zu regieren. Ihr höchstes Ziel, die Weltherrschaft, steht im krassen Widerspruch zu ihren ständigen Beteuerungen, der Menschheit die völlige Freiheit zu bringen, weil die Verwirklichung ihres Herrschaftsprinzips tatsächlich zu einer massiven Beeinträchtigung der Menschenrechte führen würde. Bis dieses Ziel erreicht ist, steht die SO im Grunde mit allen Menschen, Gesellschaftsgruppen und Staaten, die sie ablehnen, in ständigem Konflikt. Vor diesem Hintergrund diffamierte sie auch 2005 in ihrer Propaganda die staatlichen Aufklärungsund Abwehrmaßnahmen. Dabei versucht die SO weiterhin, die Beobachtung durch den VerfasPropagandasungsschutz mit der Verfolgung der Juden im Dritten Reich gleichaktionen der SO zusetzen. Sie veranstaltet Info-Stände, Ausstellungen und andere propagandistische Aktionen, um die Öffentlichkeit über ihre verfassungsfeindlichen Absichten zu täuschen und um neue Mitglieder zu werben. Ein Schwerpunkt der Expansionsstrategie der SO ist ihr Bestreben, in ihrem "Kampf gegen die Bildungsmisere und den Analphabetismus" - beispielsweise über Nachhilfegruppen - die Studiertechnologie Hubbards zunächst unerkannt zu verbreiten. Letztendlich sollen dadurch neue Mitglieder gewonnen werden. Diese Bemühungen waren bisher jedoch wenig erfolgreich. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 24 Entwicklung des politischen Extremismus 5. Grafische Darstellungen Entwicklung Ausländische Extremisten der MitgliederRechtsextremisten zahlen extremisLinksextremisten tischer OrganiScientology-Organisation Deutschland sationen in Mitglieder Deutschland 80.000 60.000 57.300 57.420 40.000 45.300 39.000 35.200 30.600* 20.000 10.000 5.500** 0 1996 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 * Die Kurve beruht auf Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz, das von den Mitgliedern der Linkspartei.PDS nur die der Kommunistischen Plattform (KPF) erfasst. Die Linkspartei.PDS hatte im Jahr 2005 insgesamt 61.500 Mitglieder, davon 1.000 in der KPF. ** Scientology-Organisation 1998 erstmals konkret erfasst; Angaben für die Vorjahre geschätzt. Entwicklung Ausländische Extremisten der MitgliederRechtsextremisten zahlen extremisLinksextremisten tischer OrganiScientology-Organisation Deutschland sationen in Mitglieder Bayern 12.000 9.700 10.000 9.510 8.000 7.335 6.000 5.820 4.000 3.950 3.290 3.000 2.600* 2.000 0 1996 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 * Scientology-Organisation 1998 erstmals konkret erfasst; Angaben für die Vorjahre geschätzt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Entwicklung des politischen Extremismus 25 Entwicklung 2003 2004 2005 extremistisch motivierter 1000 958 Gewalttaten in 896 900 Deutschland 800 759 776 (Zahlen ohne terroristische Straftaten) 700 600 521 483 500 400 300 200 88 100 61 47 0 linksextremistisch rechtsextremistisch Gewalttaten durch motivierte motivierte ausländische Gewalttaten Gewalttaten Extremisten Entwicklung 2003 2004 2005 extremistisch 120 motivierter 107 Gewalttaten in 100 Bayern (terroristische Straftaten 80 77 vgl. Fußnoten) 60 451) 42 40 27 20 16 12) 33) 34) 0 linksextremistisch rechtsextremistisch Gewalttaten motivierte motivierte ausländischer Gewalttaten Gewalttaten Extremisten 1) zusätzlich zwei terroristische Straftaten 3) zusätzlich fünf terroristische Straftaten 2) zusätzlich eine terroristische Straftat 4) zusätzlich vier terroristische Straftaten Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 26 Ausländerextremismus 3. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Ausländerextremismus Einstufung als Ausländergruppen und ausländische Einzelpersonen werden als extreextremistisch mistisch bewertet, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Dazu gehören insbesondere die Organisationen islamischer Extremisten, die sich auch in Deutschland die Errichtung eines islamischen Gottesstaats nach dem Beispiel des Iran zum Ziel gesetzt haben und damit wesentliche Grundsätze unserer freiheitlichen Verfassung beseitigen wollen. Der gesetzlichen Beobachtung unterliegen ferner Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind bzw. Gruppierungen von Ausländern, die eine gewaltsame Änderung der politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland anstreben und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 1.2 Entwicklung in Bayern Mitgliederstärke LinksExtreme Islamische Gesamtzahl extremistischer extremisten Nationalisten Extremisten Mitglieder Ausländerorganisationen Kurden 1.800 (1.960) - - 60 (50) 1.860 (2.010) in Bayern Türken 280 (280) 1.500 (1.500) 4.900 (4.930) 6.680 (6.710) Sonstige* 280 (270) 150 (160) 540 (440) 970 (870) Gesamtzahl 2.360 (2.510) 1.650 (1.660) 5.500 (5.420) 9.510 (9.590) (in Klammern die Vergleichszahlen des Vorjahrs) * Albaner, Araber, Inder, Iraner, Srilanker u.a. Die Gesamtzahl der Mitglieder extremistischer Ausländervereinigungen Leicht gesunkene in Bayern verringerte sich geringfügig von 9.590 im Jahr 2004 auf Mitgliederzahl 9.510. Wie in den Vorjahren stellten die Organisationen extremistischer Türken (einschließlich kurdischer Volkszugehöriger) etwa 90 % aller ausländischen Extremisten in Bayern. Die Steigerung im Bereich der "sonsVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 27 tigen islamischen Extremisten" ist großteils auf ein besseres Informationsaufkommen zurückzuführen. Über die Hälfte aller ausländischen Extremisten ist dem Islamismus zuzurechnen. Ausländische Extremisten 31.950 in Deutschland 35.000 32.100 30.000 Islamische Extremisten 25.000 18.250 20.000 Linksextremisten 16.890 15.000 10.000 8.950 5.000 Extreme Nationalisten 8.430 0 2001 2002 2003 2004 2005 Ausländische Extremisten in Bayern 5.550 7.000 5.500 6.000 Islamische Extremisten 5.000 4.000 2.700 3.000 Linksextremisten 2.195 2.360 2.000 1.000 Extreme Nationalisten 1.650 0 2001 2002 2003 2004 2005 Eine isolierte Betrachtung der Mitgliederzahlen der Organisationen verdeutlicht die Bedrohungslage nicht ausreichend. Insbesondere im Bereich des Terrorismus treten im Inland fast ausschließlich organisationsunabhängige Einzelpersonen oder Anhänger von Splittergruppen ausländischer Organisationen mit Verbindungen zum islamistischen Terrorismus auf. Ihre Gesamtzahl kann nur geschätzt werden. In Bayern werden Gewaltpotenzial etwa 50 Personen Verbindungen zu terroristisch orientierten Netzwerken in Bayern zugeschrieben. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine weit größere Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 28 Ausländerextremismus Zahl islamischer Extremisten - rund 500 Personen - Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele befürwortet, dabei aber vorrangig auf ihre jeweiligen Heimatländer und nicht auf Deutschland abzielt. 1.3 Integrationsfeindlichkeit des Islamismus Der Islam als Religion und seine Ausübung werden nicht vom VerfasGesetzlicher sungsschutz beobachtet. Der Beobachtung unterliegen jedoch islamisBeobachtungstische Gruppierungen und Einzelpersonen, deren politische Bestrebungen auftrag sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand Bayerns bzw. des Bundes richten, sowie Bestrebungen, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und damit oder durch entsprechende Propaganda auch das friedliche Zusammenleben der Völker beeinträchtigen. Diese Differenzierung kann gleichwohl nicht absolut sein, da sich der Islamismus direkt aus dem Islam ableitet. Die im Bundesgebiet aktiven islamistischen Gruppierungen wollen die in ihren Heimatländern bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnungen durch ein auf dem Koran und der Scharia (islamisches Rechtssystem) basierendes islamisches Gesellschaftssystem ersetzen. Überwiegend streben sie sogar die Errichtung eines anti-laizistischen Gottesstaats auf der ganzen Welt an. Sie gehen davon aus, dass durch die Scharia eine alle Lebensbereiche umfassende islamische Gesellschaftsordnung vorgegeben sei, die es überall zu verwirklichen gelte. Nach ihrer Überzeugung entsprechen die gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Islamismus wegen ihres göttlichen Ursprungs als einziges gesellschaftliches System in allen Aspekten vollständig der menschlichen Natur. Die Trennung von Staat und Religion (Laizismus) in westlichen Staaten wird daher nicht nur als "un-islamisch" abgelehnt, sondern teilweise auch aktiv bekämpft. Der Islamismus ist geprägt von Intoleranz gegenüber Andersgläubigen, teilweise sogar gegen friedliche, moderate Muslime. Aufgrund seines Absolutheitsanspruchs fordert er einen aktiven Kampf gegen alle "Ungläubigen" und für die weltweite Islamisierung, falls nötig durch Unterwerfung aller Nichtmuslime. Westliche Demokratieund Gesellschaftsvorstellungen werden abgelehnt, sofern sie nicht im Einklang mit der von den Islamisten vorgenommenen AusÄchtung legung des Korans und der Scharia stehen. Dies bedeutet die Ächtung des demokratischer demokratischen Prinzips der Volkssouveränität und der ChancengleichPrinzipien heit der Parteien. Ferner gibt es keine Gewaltenteilung, keine demokratische Legislative, keine Kontrolle der obersten Staatsgewalt. Auch die Menschenrechte nach westlichem Verständnis werden nur anerVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 29 kannt, sofern sie nicht im Widerspruch zur Scharia stehen. Die Gleichheit der Menschen wird verneint, nur Muslime genießen volle Rechte. Die Scharia liefert zudem die Legitimation für unmenschliche Strafen. Islamistische Gruppen wenden sich infolgedessen massiv gegen eine Ablehnung von echte Integration. Sie versuchen, vor allem junge Menschen zu beeinIntegration flussen und sie zu einer Ablehnung unserer demokratischen Ordnung und unserer freiheitlichen Gesellschaft zu bewegen. Dazu dienen die privaten Koranschulen extremistischer Organisationen wie auch die Pflicht für Frauen und Mädchen, Kopftücher zu tragen, was zur bewussten Abgrenzung von westlichen Lebensgewohnheiten beiträgt. Die Haltung zur Gewalt ist differenziert zu sehen. Gewalt wird nicht Haltung zur grundsätzlich abgelehnt, sondern eher von taktischen Überlegungen Gewalt abhängig gemacht. Nach Ansicht islamistischer Theoretiker schließt der "Djihad" (wörtlich: Innerer Kampf, Anstrengung; auch bekannt als "Heiliger Krieg") als Instrument zur Verwirklichung der islamischen Gesellschaftsordnung alle zum Sieg verhelfenden Mittel ein. So befürwortet die Mehrzahl der islamistischen Gruppierungen aus dem arabischen Raum Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Die im Bundesgebiet mitgliederstärkste islamistische Gruppierung, die türkische Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG), setzt dagegen vordergründig auf politische Aktivitäten zur Veränderung der gesellschaftlichen Ordnungen in der Türkei und in Deutschland. 1.4 Gewalttaten In Deutschland betrug die Zahl der Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "politisch motivierte Ausländerkriminalität" (ohne Terrorismusdelikte) 47 gegenüber 61 im Jahr 2004. In Bayern ist die Zahl der ausländischen Extremisten zuzurechnenden Gewaltdelikte mit drei konstant geblieben. Es handelt sich dabei um ein Gewaltdelikt im Rahmen der 41. Münchner Sicherheitskonferenz am 12. Februar. Außerdem schlugen am 29. Juli in Aschaffenburg drei unbekannte Täter einen 20-jährigen US-Soldaten nach Verlassen einer Diskothek offenbar grundlos nieder. Ein weiterer unbekannter Täter stieß am 1. Oktober in Haßfurt, Landkreis Haßberge, eine 22-jährige Deutsche, die der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen ist, gegen eine Straßenlaterne. Neben diesen Gewaltdelikten ist die Zahl der Terrorismusdelikte von fünf im Jahr 2004 auf vier im Jahr 2005 gesunken. Diese vier Delikte beziehen sich auf die Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung Ansar al-Islam durch Werbung für die Ziele der Vereinigung und durch die Sammlung von Geldspenden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 30 Ausländerextremismus 2. Islamistischer Terrorismus 2.1 Überblick Bedrohung durch Der Islamismus - insbesondere die Terrornetzwerke - gefährdet die Innere Terrornetzwerke Sicherheit der westlichen Staaten und damit auch Deutschlands stärker als jede andere extremistische Bestrebung. Trotz der Festnahme oder des Todes einiger hochrangiger al-Qaida-Funktionäre sind die islamistischen Terrornetzwerke unverändert handlungsfähig. Die Aktivitäten Terrorverdächtiger werden weiterhin intensiv beobachtet. Anschläge Die Sprengstoffanschläge am 7. und am 21. Juli in London mit 56 Toten und etwa 780 Verletzten machen die erhebliche Bedrohung Europas deutlich. Britische, israelische und US-amerikanische Einrichtungen sind auch in Deutschland primär gefährdet. Ebenso können öffentlichkeitswirksame und symbolträchtige Anschläge auf andere Einrichtungen in Deutschland nicht ausgeschlossen werden. Wie der Anschlag auf deutsche Soldaten der internationalen Friedenstruppe ISAF in Afghanistan im November zeigt, ist auch deutsche Präsenz im Ausland bedroht. Ebenso weisen die Anschläge am 23. Juli in Sharm el-Scheich/Ägypten und am 1. Oktober auf Bali auf die Gefährdung beliebter Urlaubsorte hin. Exekutivmaßnahmen und Gerichtsverfahren in Deutschland verdeutlichen überdies, dass Bayern und Deutschland inzwischen nicht nur Rückzugsund Ruheraum terroristischer Gewalttäter sind, sondern auch als Vorbereitungsraum und potenzielles Anschlagsziel betrachtet werden. Separatistische und In Regionen mit überwiegend muslimischer Bevölkerung stützen sich nationalistische separatistische und nationalistische Bestrebungen vielfach auf ein zweiBestrebungen tes ideologisches Standbein, nämlich die Verbreitung des Islam und die Errichtung islamischer Gottesstaaten. Dadurch erhalten diese Bestrebungen auch einen islamistischen Charakter und finden damit weltweit Unterstützung durch islamistische Fundamentalisten und Terroristen. Diese Vermengung von Islamismus, Separatismus und Nationalismus ist bei Anschlägen in Tschetschenien, in Südostasien und - mit Einschränkungen - auch in Palästina festzustellen. Drohungen Über den arabischen Sender al-Djazira und über das Internet kündigten Führungspersönlichkeiten der al-Qaida wie der Jordanier Abu Musab al-Zarqawi, den Usama Bin Ladin als "obersten Befehlshaber der Organisation al-Qaida im Irak" bezeichnet hatte, mehrfach an, dass der "Heilige Krieg" fortgesetzt werde, bis alle "Feinde Gottes" den Irak verlassen hätten. Der al-Qaida-Angehörige Scheich Musab al-Suri stellte ausdrücklich fest, dass auch Deutschland wegen seiner Truppen in AfghaVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 31 nistan bedroht sei. Usama Bin Ladin selbst hat sich im Jahr 2005 nicht zu Wort gemeldet. 2.2 Islamistisch motivierte Terroranschläge Im Jahr 2005 setzten Anhänger des islamistischen Terrors ihre Gewaltakte weltweit fort: In Kairo stürzte sich am 30. April in der Nähe des Ägyptischen Museums Attentate in Kairo ein ägyptischer Selbstmordattentäter von einer Nilbrücke auf eine Gruppe ausländischer Touristen und zündete einen Sprengsatz. Kurz darauf beschossen die Schwester und die Verlobte des Täters einen Touristenbus. Alle drei Attentäter kamen ums Leben. Insgesamt wurden mindestens elf Menschen verletzt. Am Morgen des 7. Juli ereigneten sich in London innerhalb einer Stunde Anschläge vier Bombenexplosionen, drei davon in U-Bahn-Zügen und eine in einem in London Bus. Dabei kamen insgesamt 56 Menschen ums Leben, etwa 780 wurden verletzt. Unter den Verletzten befanden sich auch fünf Deutsche. Wenige Stunden später wurde im Internet ein Schreiben veröffentlicht, in dem sich eine "Geheime Djihad-Basis al-Qaida in Europa" zu den Anschlägen bekannte. Die Bekenner bezeichneten darin die Anschläge als Racheakt gegen die britische Regierung wegen des Militäreinsatzes im Irak und in Afghanistan. Drei der vier Selbstmordattentäter waren Briten pakistanischer Herkunft, einer ein Brite jamaikanischer Abstammung. Zumindest ein Teil von ihnen hatte in Pakistan Koranschulen besucht. Alle hatten seit Geburt oder seit früher Kindheit in Großbritannien gelebt, ohne dass eine islamistische Orientierung aufgefallen wäre. Am 21. Juli kam es in London erneut zu Anschlägen. Wieder waren drei Erneute Anschläge U-Bahn-Stationen und ein Bus betroffen. Dabei detonierten die Zünder, in London nicht aber die eigentlichen Sprengsätze, so dass keine Personen zu Schaden kamen. Die Täter stammten aus mehreren afrikanischen Ländern und hatten in Großbritannien gelebt, einer von ihnen ist britischer Staatsbürger. Die britischen Sicherheitsbehörden nahmen sowohl die Täter als auch zahlreiche mutmaßliche Unterstützer der Attentäter und weitere Terrorverdächtige fest. Einer der Attentäter gestand, an einer U-Bahn-Station einen Rucksack mit Sprengstoff abgelegt zu haben, bestritt jedoch jegliche Verbindung zu al-Qaida und zu den Attentätern vom 7. Juli. In der Nacht vom 22. auf den 23. Juli explodierten im ägyptischen Anschläge in Badeort Sharm el-Scheich mindestens drei Sprengsätze. Eine Bombe Sharm el-Scheich wurde mit einem Pkw unmittelbar in die Lobby eines Hotels gefahren Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 32 Ausländerextremismus und dort gezündet. Die weiteren Bomben detonierten auf einem Basar und vor einem Musiklokal. Bei den Anschlägen sollen nach offiziellen Angaben 64 - Pressemeldungen zufolge 89 - Personen ums Leben gekommen sein, etwa 200 wurden verletzt. Unter den Toten waren auch mindestens acht ausländische Staatsangehörige. Am 23. Juli wurde im Internet eine Erklärung der "Brigaden des Märtyrers Abdallah Assam - Organisation al-Qaida in den Sharm-Staaten und in Ägypten" veröffentlicht. Darin hieß es, die Anschläge seien die "Vergeltung für die Verbrechen gegen die Muslime im Irak, in Afghanistan, Palästina und Tschetschenien". Dieselbe Gruppe hatte bereits die Verantwortung für die Anschläge im ägyptischen Taba am 7. Oktober 2004 übernommen. SelbstmordAm Abend des 1. Oktober sprengten sich in einem Urlaubsort auf der attentate auf Bali indonesischen Insel Bali drei Selbstmordattentäter in verschiedenen Restaurants nahezu zeitgleich in die Luft; eines der Restaurants wurde von einer Deutschen betrieben. Insgesamt kamen bei den Anschlägen 25 Menschen ums Leben, über 100 Personen wurden verletzt, darunter auch deutsche Staatsbürger. Zu den Anschlägen gibt es bisher keine Bekennerschreiben, Ziele und Tathergang weisen jedoch auf die Jemaah Islamiyah (JI) hin. Die JI steht in Verbindung zur al-Qaida und war bereits für mehrere Anschläge, u.a. im Oktober 2002 auf Bali mit 202 Toten verantwortlich. Vor dem Hintergrund des weit verbreiteten islamistischen Milieus in Indonesien ist allerdings auch die Urheberschaft einer bisher unbekannten örtlichen Terrorgruppe möglich. Anschläge Am 29. Oktober detonierten in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi in Neu-Delhi innerhalb von 20 Minuten drei Sprengsätze, zwei davon auf belebten Märkten, der dritte in einem Bus. Dabei wurden mindestens 59 Menschen getötet und 210 verletzt. Zu der Anschlagsserie bekannte sich die muslimische Extremistengruppe Islami Inqalabi Mahaz (Islamische Revolutionsfront). Ihr werden Kontakte zu der in Kaschmir operierenden islamistischen Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba (Soldaten der Reinen) nachgesagt. Ein Sprecher der Islami Inqalabi Mahaz äußerte gegenüber Medien, dass es zu weiteren Anschlägen kommen werde, sollte Indien seine Soldaten nicht aus Kaschmir abziehen. Explosionen Am Abend des 9. November ereigneten sich in der jordanischen Hauptin Amman stadt Amman fast gleichzeitig drei Explosionen in Hotels, die in einem Geschäftsviertel liegen und vornehmlich von Gästen aus westlichen Staaten sowie aus Israel besucht werden. Es wurden über 60 Personen getötet und etwa 200 verletzt; die Todesopfer stammen überwiegend aus Jordanien. Am 10. November bekannte sich die "Organisation al-Qaida für den Djihad im Zweistromland" zu den Anschlägen. Wenige Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 33 Tage danach protestierten Zehntausende Jordanier gegen die Anschläge. Auf diese Proteste reagierte Abu Musab al-Zarqawi am 18. November mit einer Erklärung im Internet. Demnach sei es nicht beabsichtigt gewesen, mit dem Anschlag "unschuldige Opfer" zu treffen. Er kündigte weitere Anschläge auf Militäreinrichtungen und Tourismusgebiete Jordaniens an und drohte zudem mit der Ermordung des jordanischen Königs. Ein Selbstmordattentäter verübte am 14. November in Kabul mit einer Anschlag auf Autobombe einen Anschlag auf eine deutsche ISAF-Patrouille. Dabei deutsche kam u.a. ein deutscher Soldat ums Leben, zwei weitere wurden verletzt. ISAF-Patrouille Der neue Sprecher der Taliban, Qari Yousif Ahmadi, bekannte sich am selben Tag in einer Pressemitteilung gegenüber der Deutschen Presse Agentur in Kabul zu dem Anschlag. 2.3 Terrorismus im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg Im Irak haben die Selbstmordanschläge deutlich zugenommen. Hintergrund waren u.a. die Parlamentswahl am 30. Januar, das Verfassungsreferendum, die fortdauernde Präsenz US-amerikanischer Truppen und der Aufbau irakischer Sicherheitskräfte. Vor allem die Gruppierung des Jordaniers Abu Musab al-Zarqawi "Organisation al-Qaida für den Djihad im Zweistromland", die auch als "al-Tauhid al-Djihad" auftritt, hatte einen "gnadenlosen Krieg" gegen die Durchführung der Wahlen als zentrales Element der Demokratie angekündigt. Die Anschläge richteten sich überwiegend gegen Bewerber bei den irakischen Sicherheitskräften. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt. Ferner wurden mehrere Ausländer während ihres Aufenthalts im Irak Entführung und entführt. Die Geiselnehmer forderten meist den Rückzug von TruppenErmordung von kontingenten aus dem Irak. Sofern sich keine oder unbekannte OrganiAusländern sationen zu den Entführungen bekannten, wurden die Geiseln größtenteils nach Wochen oder Monaten freigelassen. So wurde ein Iraker, der in Deutschland Asyl beantragt hatte, nach wenigen Tagen freigelassen. In diesem Fall hatten die Geiselnehmer die Freilassung aller in Deutschland in Haft befindlichen Muslime gefordert. Bei Entführungen durch die islamistische Terrororganisation des Abu Musab al-Zarqawi oder durch Terrorgruppen wie die Ansar al-Sunna, die mit der Ansar al-Islam weitgehend identisch ist, wurden dagegen die Geiseln meistens getötet. Am 9. November trat mit einer 38-jährigen Belgierin erstmals eine EuroEuropäische päerin als Selbstmordattentäterin in Erscheinung. Nach ihrer Heirat mit Selbstmordeinem Belgier marokkanischer Herkunft war sie unter dem Einfluss attentäterin Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 34 Ausländerextremismus ihres Ehemanns zu einer radikalen Muslimin geworden. Er hatte sich einer Terrorzelle angeschlossen, die europäische Muslime für das Terrornetzwerk al-Zarqawis anwarb. Bei einer gemeinsamen Reise in den Irak sprengte sich die 38-Jährige in der Nähe einer US-Patrouille mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft. Ihr Mann wurde am selben Tag von US-Soldaten erschossen, bevor er ebenfalls einen Sprengstoffgürtel zünden konnte. 2.4 Erklärungen des al-Qaida-Netzwerks In Erklärungen des Terrornetzwerks und seiner Repräsentanten wurden erneut Terroranschläge, Selbstmordattentate und der "Heilige Krieg gegen den Westen" propagiert und gerechtfertigt. Auf einer islamistischen Internet-Seite wurde am 22. Januar eine Erklärung des al-Qaida-Angehörigen Scheich Abu Musab al-Suri veröffentlicht, die er bereits im Dezember 2004 abgegeben haben soll. Er forderte die europäischen Staaten u.a. auf, dem Beispiel Spaniens zu folgen und sich aus der "amerikanisch-zionistischen Allianz gegen die Muslime" Deutsches zurückzuziehen. Zugleich warnte er, dass allein schon das deutsche Engagement Engagement in Afghanistan und das französische Kopftuchverbot eine in Afghanistan Feindschaft dieser Staaten gegenüber den Muslimen begründeten, ungeachtet deren Position zur Palästinenserund Irak-Frage. Außerdem bedauerte al-Suri, dass am 11. September 2001 keine Massenvernichtungswaffen zum Einsatz gekommen waren, schließlich habe Washington bei der kolonialen Unterjochung der Welt solche ebenfalls eingesetzt. Er ermutigte alle Muslime und "Gegner der Cowboys", weiter nach schmutzigen Bomben bzw. Massenvernichtungswaffen zu streben und die USA mit diesen legitimen Waffen zu vernichten. In einer am 23. Januar im Internet veröffentlichten Tonbandaufzeichnung stellte sich der Sprecher als Abu Musab al-Zarqawi vor und kündigte einen "gnadenlosen Krieg" gegen die Durchführung demokratiWahlen im Irak scher Wahlen im Irak an. Er bezeichnete die Demokratie als bösartiges Herrschaftssystem, weil es die Gott zustehende Macht dem Volk übertrage. Er forderte die sunnitischen Muslime im Irak auf, sich gegen die Wahlen am 30. Januar zu stellen, denn diese seien eine Verschwörung der USA und der schiitischen Muslime im Irak, um das Land unter die Kontrolle der Schiiten zu bringen. Der Sprecher führte dazu auch sieben auf Koranzitate gestützte Thesen gegen die Demokratie an. Am 17. Februar erklärte die "Organisation al-Qaida für den Djihad im Zweistromland" des Abu Musab al-Zarqawi im Internet, ihr "Heiliger Krieg" werde nicht eher enden, als die Feinde Gottes den Irak verlassen Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 35 hätten und ein muslimischer Staat errichtet sei. Die Gruppe warf den "Medien der Kreuzfahrer" vor, ein negatives Bild der "heiligen Krieger" zu zeichnen: "Die Medien der Kreuzfahrer geben vor, dass wir Massaker begehen. Wir sagen ihnen: Ja, ... je mehr Blut von Ungläubigen fließt, desto mehr nähern wir uns Gott." Eine Gruppierung, die sich "Tanzim al-Tajdid al-Islami" (Islamische Erneuerungsbewegung) nennt, veröffentlichte am 18. März in einem als al-Qaida-Sprachrohr bekannten Internet-Forum eine Warnung an die Führer der Vereinten Arabischen Emirate. Darin wurde u.a. die Ausbildung Unterstützung der USA im Irak angeprangert, aber auch die Zusamirakischer menarbeit mit Deutschland bei der Ausbildung irakischer Polizeikräfte Polizisten verurteilt. in Deutschland Am 18. Mai erschien auf mehreren islamistischen Internet-Seiten eine al-Zarqawi zugeschriebene Audiobotschaft, in der die Kampfmethoden seiner Organisation gerechtfertigt und erneut die Schiiten scharf angegriffen wurden. Der Sprecher erklärte außerdem, dass dem Tod des Tod des Papstes Papstes eine übertriebene Aufmerksamkeit geschenkt werde. Ausführlich wurde der Einsatz von Autobomben gerechtfertigt. Der Tod unbeteiligter Muslime müsse bedauerlicherweise in Kauf genommen werden, da er einem höheren Zweck, nämlich dem "Djihad gegen die Ungläubigen", diene. Das gelte auch für Selbstmordattentate, die angesichts der scharfen Sicherheitsvorkehrungen in Bagdad das probate Kampfmittel seien. Diese Praxis werde von zahlreichen muslimischen Gelehrten ausdrücklich gebilligt. Der arabische Fernsehsender al-Djazira veröffentlichte am 17. Juni Auszüge einer Videobotschaft von Dr. Ayman al-Zawahiri. Darin lehnte Dr. al-Zawahiri friedliche Reformkonzepte ab und erklärte, dass Veränderungen in der islamischen Welt nicht mit friedlichen Mitteln herbeigeführt werden könnten. Er betonte die "Notwendigkeit des bewaffneten Djihads" für einen Wandel und forderte die Araber zum Kampf gegen die mit den USA kooperierenden Regierungen im Nahen Osten auf, wobei er ausdrücklich Pakistan, Saudi-Arabien und Ägypten erwähnte. Weiter führte er aus, dass das "Reformkonzept al-Qaidas" auf "Reformkonzept drei Hauptpunkten beruhe: al-Qaidas" - Einführung der Scharia als einzige Quelle der Rechtsprechung - Befreiung der islamischen Gebiete von Besatzungstruppen - Freiheit der islamischen Umma (muslimische Weltgemeinde), ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 36 Ausländerextremismus Schließlich ermahnte er die Mudjahidin in Palästina, ihren "Heiligen Krieg" gegen Israel nicht aufzugeben. Am 1. September veröffentlichte der arabische Fernsehsender al-Djazira wiederum Auszüge aus einer Videobotschaft von Dr. Ayman al-Zawahiri Erklärung eines sowie eine Erklärung von Mohammed Sidique Khan, einem der SelbstAttentäters mordattentäter vom 7. Juli in London. Beide waren auf dem Video nicht von London gemeinsam zu sehen. Dr. al-Zawahiri erklärte in seiner Videobotschaft, die Anschläge in London seien eine Reaktion auf die Politik des britischen Premierministers Tony Blair gewesen. Mohammed Sidique Khan, britischer Staatsangehöriger pakistanischer Herkunft, führte in seiner Erklärung aus, Usama Bin Ladin, Dr. Ayman al-Zawahiri und Abu Musab al-Zarqawi hätten ihn "inspiriert". Er sei überzeugt, nach dem Anschlag ins Paradies zu kommen. Erklärung Dr. Ayman al-Zawahiri übernahm in einer Videobotschaft, die der araal-Zawahiris bische Fernsehsender al-Djazira am 19. September ausstrahlte, auszu London drücklich die Verantwortung für die Anschläge vom 7. Juli in London. Dabei bleibt unklar, in welchem Umfang Dr. al-Zawahiri bzw. die al-Qaida tatsächlich in die Planung und Organisation des Anschlags eingebunden waren: "Der Angriff auf London ist einer der Anschläge, die die al-Qaida gegen die zionistische, britische Arroganz der Briten auszuführen die Ehre hatte, gegen die mehr als hundertjährige Aggression der kreuzfahrerischen Briten gegen die Moslems." Zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA erschien auf einer Internet-Seite, die bereits mehrmals als Forum für die Terrororganisation des Abu Musab al-Zarqawi diente, eine schriftliche Erklärung, in der mit Anschlägen nach dem Muster der Attentate in London gedroht wurde, ohne dabei ein Land namentlich zu nennen. Unterzeichnet war die Botschaft mit "Organisation der al-Qaida in Nordeuropa", die bisher nicht in Erscheinung getreten ist. 2.5 Gerichtsverfahren und Exekutivmaßnahmen Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte am 9. Mai die Ausweisungsverfügung der Stadt Regensburg gegen einen Tunesier wegen Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Dem Tunesier konnten Kontakte zu islamistischen Terrornetzwerken nachgewiesen werden. Da Abschiebungshindernisse vorlagen, wurde er verpflichtet, seinen Aufenthalt in einer Gemeinschaftsunterkunft zu nehmen. Im Juni kehrte er Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 37 von einer stationären klinischen Behandlung nicht mehr zurück. Er wurde zur Festnahme ausgeschrieben und im Januar 2006 in London festgenommen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sprach im Prozess um die UnterBestätigung des stützung der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA den Freispruchs im Marokkaner Abdelghani Mzoudi am 9. Juni frei. Er bestätigte damit den Hamburger Freispruch des Oberlandesgerichts Hamburg vom 5. Februar 2004 und Terrorprozess verwarf die Revision des Generalbundesanwalts. Am 21. Juni kehrte Mzoudi nach Marokko zurück, nachdem ihm die Hamburger Ausländerbehörde eine zweiwöchige Frist zur Ausreise gesetzt hatte. Am 18. Juli erklärte das Bundesverfassungsgericht das deutsche Gesetz zum Europäischen Haftbefehl für nichtig. Daraufhin wurde der 1990 in Deutschland eingebürgerte Syrer Mamoun Darkazanli noch am selben Tag aus der Auslieferungshaft entlassen. Der seit Oktober 2004 Inhaftierte soll laut spanischem Haftbefehl seit 1997 in Spanien, Deutschland und Großbritannien als Schlüsselfigur das al-Qaida-Netzwerk logistisch und finanziell unterstützt haben. Aufgrund einer Verfassungsbeschwerde von Darkazanli hatte das Bundesverfassungsgericht seine Auslieferung nach Spanien im November 2004 jedoch gestoppt. Am 26. Juli verurteilte ein Amsterdamer Gericht den niederländischen Verurteilung Islamisten marokkanischer Herkunft Mohammed Bouyeri wegen Mordes Mörders von des an dem niederländischen Autor und Filmemacher Theo van Gogh Theo van Gogh im November 2004 zu lebenslanger Haft. Nach Ansicht des Gerichts habe die religiöse Motivation des Mörders eine terroristische Absicht nicht ausgeschlossen. Bouyeri habe bewusst versucht, die Niederländer einzuschüchtern, indem er den Anschlag während des Berufsverkehrs auf einer belebten Straße verübte. Das Oberlandesgericht Hamburg verurteilte am 19. August den Marokkaner Mounir al-Motassadeq wegen Mitgliedschaft in einer terrorisUrteil und tischen Vereinigung zu sieben Jahren Haft. Vom Vorwurf der Beihilfe zu Freispruch im den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA wurde er allerHamburger dings freigesprochen. In erster Instanz war der Marokkaner im Februar Terrorprozess 2003 zunächst zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen verurteilt worden. Das Gericht sah es damals als erwiesen an, dass al-Motassadeq von Anfang an Mitglied der islamistischen Zelle in Hamburg gewesen war, die im Sinn von al-Qaida die Terroranschläge in New York und Washington geplant und ausgeführt hatte. Der Bundesgerichtshof hatte jedoch am 4. März das Urteil wegen Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 38 Ausländerextremismus Mängeln in der Beweiswürdigung aufgehoben. Gegen das Urteil vom 19. August legten sowohl Bundesanwaltschaft als auch Verteidigung Revision ein, über die erst im Jahr 2006 entschieden werden wird. Größter euroDer bisher größte Prozess gegen Terroristen in Europa fand von April bis päischer September in Madrid statt. Den 24 Angeklagten wurde vorgeworfen, Terror-Prozess als Angehörige einer spanischen Zelle der al-Qaida an den Anschlägen in Madrid vom 11. September 2001 in den USA beteiligt gewesen zu sein; außerdem hätten einige Angeklagte Kontakte zu den Attentätern der Anschläge vom 11. März 2004 in Madrid gehabt. Der syrische Hauptangeklagte wurde wegen terroristischen Mordes und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 27 Jahren Haft verurteilt. Die anderen Angeklagten wurden zu Strafen zwischen sechs und elf Jahren verurteilt; außerdem gab es sechs Freisprüche. Da den Beschuldigten meist keine direkte Beteiligung nachgewiesen werden konnte, blieben die Urteile weit unter den Forderungen der Anklage. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte am 26. Oktober drei Palästinenser wegen Mitgliedschaft in einer deutschen Zelle der islaUrteile im mistischen al-Tauhid-Bewegung zu Freiheitsstrafen zwischen sechs und al-Tauhid-Veracht Jahren, ein Algerier wurde als Unterstützer der Gruppe mit fünf fahren Jahren Freiheitsstrafe belegt. Das Gericht bestätigte damit die Existenz der terroristischen Vereinigung al-Tauhid. Es sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten auf Anweisung des international gesuchten Terroristen Abu Musab al-Zarqawi in Deutschland Anschläge gegen jüdische Einrichtungen vorbereitet hatten. Das Verfahren stützte sich vor allem auf die Aussagen eines Kronzeugen, eines Jordaniers palästinensischer Herkunft, der bereits in einem abgetrennten Verfahren im November 2003 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden war. Am 10. November wurde vor dem Oberlandesgericht Stuttgart gegen Ansar al-Islam mutmaßliche Mitglieder der Terrorgruppe Ansar al-Islam Anklage wegen eines gescheiterten Attentatversuchs auf den ehemaligen irakischen Ministerpräsidenten Dr. Ijad Allawi im Dezember 2004 erhoben. Angeklagt sind drei Iraker aus Augsburg, Berlin und Stuttgart. Der Generalbundesanwalt erhob am 1. Dezember vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage gegen drei Personen wegen Mitgliedschaft bzw. Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung Al-Qaida al-Qaida. Der Hauptbeschuldigte aus Mainz soll von Führungskadern den Auftrag erhalten haben, neue Mitglieder für Selbstmordanschläge in Europa zu rekrutieren sowie Geldmittel und sonstige logistische Unterstützung zu beschaffen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 39 Das Oberlandesgericht München verurteilte am 12. Januar 2006 den Iraker Lokman Amin Mohammed wegen Mitgliedschaft in einer auslänUrteil im dischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Lokman-Prozess Jahren. Er hatte als führendes Mitglied der Ansar al-Islam im süddeutschen Raum u.a. Spendengelder gesammelt, gewerbsmäßige Einschleusungen von Irakern nach Deutschland ermöglicht und die Einreise von "Djihad-Kämpfern" in den Irak organisiert. Damit kam es zur ersten Verurteilung nach dem in Folge des 11. September 2001 neu geschaffenen Straftatbestand. Neben den Gerichtsverfahren gab es eine Reihe von DurchsuchungsDurchsuchungsmaßnahmen, deren Schwerpunkt teilweise in Bayern lag. Dabei wurden maßnahmen zahlreiche Personen festgenommen und Beweismaterial sichergestellt. Hintergrund dieser Exekutivmaßnahmen waren z.B. der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Unterstützung islamistischer Gruppierungen wie Ansar al-Islam und al-Tauhid. Durchsuchungsmaßnahmen in Bayern und Baden-Württemberg führten zum Verbot des "Multi-Kultur-Hauses Ulm e.V." (MKH) am 28. Dezember (vgl. auch Nummer 4.1 dieses Abschnitts). 2.6 Ausblick Wie bereits die Anschläge in Madrid im März 2004 haben nunmehr auch die Sprengstoffanschläge in London im Juli 2005 deutlich gemacht, dass Europa endgültig ins Visier islamistischer Terroristen Europa im Visier gerückt ist. Auffallend ist dabei, dass ein großer Teil der Attentäter von Terroristen in Europa geboren und aufgewachsen ist. Darüber hinaus zeigen zahlreiche Exekutivmaßnahmen und Gerichtsverfahren, dass auch in Deutschland grundsätzlich mit Anschlägen gerechnet werden muss. Konkrete Hinweise auf geplante Anschläge liegen jedoch nicht vor; die islamistischen Netzwerke müssen aber weiterhin intensiv beobachtet werden. Auf die Erfolge der Sicherheitsbehörden reagierten die Terrornetzwerke mit dem Aufbau neuer Strukturen. So besteht die besondere Gefährlichkeit des Terrornetzwerks al-Qaida nicht mehr allein in der Fähigkeit zur Planung und Koordinierung von Anschlägen in der ganzen Welt, sondern auch in seiner Eigenschaft als Inbegriff des "globalisierten Djihads" "Globalisierter für kampfbereite Islamisten. Diese Ideologie des "Djihadismus" wird Djihad" gleichfalls von lokalen Gruppierungen als Rechtfertigung für eigenständig und unabhängig geplante Terrorakte herangezogen. Moderne Medien - vor allem das Internet - werden intensiv für Propaganda und Informationsaustausch genutzt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 40 Ausländerextremismus 3. Islamistische Gruppierungen 3.1 Die internationale islamische Front - Al-Qaida Internationales Das Netzwerk arabischer Mudjahidin besteht aus unabhängig voneinNetzwerk ander operierenden Organisationen und Zellen, in denen bei gemeinsamer Zielrichtung unterschiedliche Organisationsformen und Vorgehensweisen festzustellen sind. Seine Akteure handeln mit islamistischem Sendungsbewusstsein und nutzen ihre vielfach in Afghanistan gesammelten Erfahrungen. Zwischen diesen Organisationen kann es auch sich überschneidende Abhängigkeitsund Weisungsstränge geben. Eine besondere Führungsrolle innerhalb dieses Netzwerks unabhängiger Organisationen nimmt die Organisation al-Qaida ein. Das nachfolgende Schaubild versucht, dieses Netzwerk vereinfacht darzustellen. Netzwerkstruktur internationaler Terrorgruppen Internationale islamische Front des Usama Bin Ladin AL-QAIDA als ideologische Basis sog. non-alignedmit den national bzw. Mudjahidin Gründungsorganisationen: regional ausgerichunabhängige oder lose - Djihad Islami (Ägypten) tete Gruppen vernetzte Attentäter- - Al-Gamaa al-Islamiya (Ägypten) z.B. - Harakat ul-Ansar (Kaschmir) Zellen Abu Sayaff - Jihad Islami (Bangladesch) z.B. Jemaah Islamiya Al-Tauhid tschetschenische Varese-Gruppe Terroranschläge Mudjahidin "Madrid-Attentäter" Ansar al-Islam Salafiyya-Gruppe Anschläge: Anschlag: Nairobi und (GSPC) USS Cole / Jemen 12.10.2000 Daressalam 07.08.1998 Anschläge: Bombenanschläge: Madrid Anschläge: London 11.03.2004 USA 07. und 21.07.2005 11.09.2001 Anschlag: Anschlag: Casablanca / Marokko Istanbul / Türkei 12.05.2003 15.11.2003 Weltweit sind etwa 10.000 ausgebildete und kampferfahrene Afghanistan-Kämpfer in ihre Heimatoder Zufluchtsländer zurückgekehrt, wo Lokale Terrorsie sich teilweise lokalen islamistischen Gruppen angeschlossen haben. gruppen Sie genießen dort hohes Ansehen und können als Multiplikatoren fungieren. Diese lokalen terroristischen Gruppierungen (dargestellt im rechten Bereich des vorstehenden Schaubilds) streben in ihren jeweiligen Heimatländern durch bewaffneten Kampf die Beseitigung der dortigen, Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 41 aus Sicht der Täter westlich-dekadenten Gesellschaftsordnung und die Errichtung eines islamistischen Gottesstaats an. Die Ideologie von al-Qaida ist vom "Djihadismus" geprägt. Ihr Weltbild Djihad-Ideologie teilt die Menschheit in Muslime und Ungläubige. Pflicht der Muslime sei es, die Ungläubigen, so sie sich ihnen nicht anschließen, im bewaffneten Kampf zu besiegen. Zu den Ungläubigen zählen insbesondere Christen und Juden. Auch die Regierungen zahlreicher islamischer Staaten sind wegen ihrer Weigerung, die USA und Israel zu bekämpfen und eine "muslimische" Ordnung einzuführen, in den Augen von al-Qaida bloße Marionetten der USA. Zwar ist die Errichtung eines "islamischen Staates" das gemeinsame Ziel, doch über dessen konkrete Ausgestaltung gibt es nur selten Einigkeit. Feindbild ist der "dekadente Westen". Anschlagsziele sind dabei auch Staaten, die mit dem Westen kooperieren (vor allem Saudi-Arabien, Kuwait) oder Staaten, die als zu westlich gelten (Türkei). Häufig ist die Ideologie das einzige Bindeglied dieser weltweit autark operierenden Gruppierungen und Zellen. Al-Qaida ist deren "ideologische" Basis. Dieser Umstand erleichtert auch personelle Verflechtungen. Attentäter-Zellen im Sinn von al-Qaida bedürfen größtenteils nicht des zentralen Kommandos und bekommen nachträglich den "Segen" für die Anschläge (etwa über arabische Sender verkündete Audiooder Videobotschaften). Die Legitimation für ihre Aktivitäten liefern islamistische Ideologen, häufig selbst ernannte Prediger, deren persönliche Autorität weder durch ihren Tod noch durch ihr Wirken aus dem Untergrund (Usama Bin Ladin) beeinträchtigt wird. Anschläge werden langfristig geplant und oft über mehrere Jahre hinweg vorbereitet. Zur Rekrutierung und Propaganda bedient sich das Netzwerk arabischer Nutzung des Mudjahidin, allen voran al-Qaida, des Internets. So werden über das Internets Internet verdeckte Aufforderungen zu Anschlägen versandt, Bekennerbotschaften ins Netz gestellt und potenzielle Attentäter angeworben und ideologisch geschult. Über das Internet verbreitete Geiselvideos dienen zur Einschüchterung der Öffentlichkeit. Kampfplätze, auf denen Mudjahidin ihr Kriegswissen erproben können, sind hauptsächlich der Irak, Tschetschenien, Kaschmir und nach wie vor Afghanistan. Der Palästina-Konflikt mit seiner großen medialen Präsenz dient hauptsächlich der Agitation und Mobilisierung. Die Verhaftung zahlreicher Mitglieder aus der alten Führungsriege und die Zerschlagung der afghanischen Zentrale haben den Kern von al-Qaida vorübergehend geschwächt, das flexible Netzwerk jedoch nicht besiegt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 42 Ausländerextremismus Auch Deutschland ist Aktionsraum islamistisch-terroristischer Netzwerke. Dass Deutschland inzwischen nicht nur Rückzugsund Ruheraum ist, sondern auch als Vorbereitungsraum und potenzielles Anschlagsziel betrachtet wird, zeigt nicht zuletzt der Prozess gegen Mitglieder einer deutschen Zelle der Gruppe al-Tauhid vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht. Die Angeklagten wurden am 26. Oktober zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie Sprengstoffanschläge auf jüdische Einrichtungen in Berlin und Düsseldorf geplant hatten. 3.2 Die Muslimbruderschaft (MB) und ihre regionalen Strömungen Deutschland Bayern Mitglieder: 1.250 200 Gründung: 1928 in Ägypten Publikation: "Risalat ul-Ikhwan" Sunnitisch-extreDie von Hassan al-Banna in Ismailija/Ägypten gegründete sunnitisch-extremistische Ideologie mistische MB ist eine multinationale Organisation, bei der eine Unterteilung in nationale Sektionen erkennbar ist. Das von der MB angestrebte Herrschaftssystem weist deutliche Züge eines diktatorischen bzw. totalitären Herrschaftssystems auf, das die Selbstbestimmung des Volkes sowie die Prinzipien der Freiheit und Gleichheit der Menschen nicht garantiert. Die Grundideologie der MB ist auf die Errichtung islamischer Gottesstaaten ausgerichtet. Dieses Fernziel eint alle Strömungen innerhalb der MB. Ein Großteil der ideologischen Grundsätze der MB ist somit unvereinbar mit den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Prinzipien Emblem der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde der MB basierenden politischen Ordnung. Die Ideologie der MB ist in der gesamten muslimischen Welt verbreitet und hat zur Herausbildung zahlreicher militanter islamistischer Organisationen geführt (vgl. auch das Schaubild auf der Seite 43 dieses Berichts). In ihrem Ursprungsland Ägypten ist die MB verboten; sie wird jedoch inzwischen geduldet. Sie verdankt ihren Einfluss vor allem ihrem sozialen Engagement. Anfang 2004 trat Mohamed Mahdi Akef die Nachfolge des verstorbenen Führers des ägyptischen Zweigs der MB, Ma'moun al-Hudeibi, an. Akef hatte Mitte der 80er Jahre das der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) zugehörige Islamische Zentrum München (IZM) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 43 Regionale Strömungen der Muslimbruderschaft Algerien Syrien Ägypten Palästina Tunesien Islamische Islamische Al-Gamaa HAMAS En Nahda Heilsfront (FIS) Avantgarden / al-Islamiya (GI) Islamisches Bewaffnete Zentrum (IZ) Djihad Islami (JI) Islamische in Aachen Islamischer Bund Gruppe (GIA) Palästina (IBP) Föderation der Al-Aqsa e.V. Islamischen Organisation in Europa (FIOE) Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Ausländische Organisationen mit Einzelmitgliedern in Deutschland Organisationen mit Sitz in Deutschland / Europa geleitet. Er war in seiner Jugend mit dem MB-Gründer Hassan al-Banna befreundet. Später wurde er wegen eines geplanten Anschlags auf den ägyptischen Präsidenten zum Tode verurteilt und schließlich nach 20 Jahren Gefängnis begnadigt. Schon von Deutschland aus baute er seinen Einfluss auf den internationalen Zweig der MB aus. In seiner Person zeigt sich die personelle und ideologische Kontinuität der MB. In einem Interview mit der französischen Zeitschrift "Le Figaro" vom 24. März 2004 äußerte Akef: "Die USA haben aufgrund ihrer Intervention im Irak Hass geerntet. (...) Wir haben auch Demonstrationen gegen den zionistischen Feind organisiert, der Palästina besetzt." Darüber hinaus sprach er denjenigen sein Lob aus, "die ihre OperatioAkzeptanz von nen bis in die Herzen zionistischer Städte" tragen. Damit bekennt sich Gewalt die MB unmissverständlich zu Selbstmordattentaten gegen israelische Zivilisten. Nach Auskunft Akefs ist die MB besonders stolz auf ihre "Verwandtschaft" mit der palästinensischen Befreiungsbewegung HAMAS des inzwischen getöteten Scheichs Yassin. Auch der Tunesier Rachid Ghannouchi, Führer der En Nahda, der Algerier Abassi Madani, Vorsitzender der FIS, und der Türke Prof. Necmettin Erbakan, Führer der Milli Görüs-Bewegung, wurden immer als Brüder angesehen. Diese Aussage Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 44 Ausländerextremismus Akefs ist deshalb bemerkenswert, weil sie nicht nur die Nähe zu den anderen Zweigen der MB in Tunesien und Algerien betont, sondern auch eine ideologische Verbindung zum türkischen Islamismus erkennen lässt. Offiziell haben sich die meisten Zweige der MB von der Gewalt abgewandt. Aber nicht nur die Äußerung Mahdi Akefs, sondern auch die Selbstmordattentate der palästinensischen Sektion der MB "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) zeigen, dass die MB Gewalt weiterhin als legitimes politisches Mittel betrachtet. Wahlergebnis Bei den ägyptischen Parlamentswahlen im Dezember konnte die MB die in Ägypten Zahl ihrer Abgeordneten annähernd verfünffachen. Obwohl ihre Kandidaten formal als Unabhängige antreten mussten und im Vorfeld der Wahl vielfach verhaftet wurden, stellt die MB 88 von insgesamt 454 Abgeordneten. Die MB tritt in Deutschland nicht offen in Erscheinung. Personell ist sie mit der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) verflochten, die als deutsche Zentrale des ägyptischen Zweigs der MB gilt. Anhänger des syrischen Zweigs der MB gründeten Anfang der 80er Jahre die "Islamischen Avantgarden" mit organisatorischem Schwerpunkt im "Islamischen Zentrum" in Aachen. 3.2.1 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Deutschland Bayern Mitglieder: 600 120 Gründung: 1960 in Deutschland Sitz: München Präsident: Ibrahim Farouk el-Zayat Publikation: "al-Islam" (nur noch als Internet-Ausgabe) Einfluss der MB Der IGD, die als deutsche Zentrale des ägyptischen Zweigs der MB gilt, auf die IGD sind mehrere Islamische Zentren (IZ) in Deutschland nachgeordnet. In Bayern sind dies das Islamische Zentrum München (IZM) und das Islamische Zentrum Nürnberg (IZN). In ihrem Internet-Auftritt weist die IGD auf ihre Koordination mit weiteren Zentren hin, darunter in Bayern mit der Islamischen Gemeinde Erlangen. Die IGD hat ihren Sitz im Islamischen Zentrum München und ist Mitglied in der 1989 gegründeten "Föderation der Islamischen Organisationen in Europa" (FIOE). Die FIOE wurde im Rahmen einer Resolution begründet, die anLogo der IGD lässlich einer Generalversammlung von Repräsentanten der wichtigsten Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 45 Islamischen Zentren, Gesellschaften und Vereinigungen in Europa verabschiedet wurde. Seit dem 14. Februar 2002 ist Ibrahim Farouk el-Zayat Präsident der IGD. Dieser wird in der Zeitschrift "islam-online.net" vom 19. März 2004 als Vertreter der MB in Deutschland bezeichnet, was die enge Beziehung zwischen MB und IGD verdeutlicht. Die Anhänger der IGD sind bemüht, sich in der Öffentlichkeit als eine gegenüber der deutschen Rechtsordnung loyale muslimische Interessenvertretung darzustellen. Vorbehalte gegenüber den westlichen Demokratien, auch gegenüber der Staatsund Gesellschaftsordnung in Deutschland, kommen in öffentlichen Verlautbarungen nur selten zum Ausdruck. Neben dem Präsidenten der IGD stehen aber auch viele Mitglieder und Funktionäre der IGD und der Islamischen Zentren der MB und deren Zielsetzung nahe. Deshalb sind aus den Islamischen Zentren wie in den Vorjahren Verlautbarungen und Aufrufe zu vernehmen, die mit der offiziellen gemäßigten Linie der IGD nicht übereinstimmen. Ein Imam eines der Islamischen Zentren der IGD in Nürnberg, der zum "Djihad gegen Ungläubige" aufgerufen hatte, wurde deshalb aus Deutschland ausgewiesen und hat zwischenzeitlich Deutschland verlassen. Um die langfristigen Ziele besser durchsetzen zu können, wurde unter "Imam-Rat" Beteiligung der IGD ein "Imam-Rat" in Deutschland eingerichtet. Dieser unterhält Kontakte zu dem der MB nahe stehenden "Europäischen Fatwa-Rat" mit Sitz in Dublin. Dessen Vorsitzender Yusuf al-Qaradawi ist als Sympathisant der MB bekannt. Aufgabe des deutschen "Imam-Rats" ist es, die Vereinbarkeit der deutschen Rechtsordnung mit Koran und Sunna zu prüfen. Die IGD setzte ihre Bemühungen um eine Verselbständigung der ihr nachgeordneten Islamischen Zentren fort. Damit versucht sie, Vereinsstrukturen zu schaffen, deren Kontrolle durch die erhöhte Anzahl von örtlich zuständigen Behörden erschwert wird. Ferner bestünde dann für die der IGD bisher nachgeordneten Zentren die Möglichkeit, selbstänÄnderung der dig die Gemeinnützigkeit zu beantragen, welche die IGD 1999 verloren Vereinsstruktur hat. So hat sich inzwischen der "Förderverein des Islamischen Zentrums Nürnberg e.V." in "Islamische Gemeinde in Nürnberg e.V." umbenannt. Die IGD ist zudem bestrebt, nicht mehr als Ausländerverein eingestuft zu werden und behauptet deshalb fälschlich, dass die Mehrheit der IGD-Mitglieder bereits eingebürgert sei. Des Weiteren will die IGD als Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 46 Ausländerextremismus Religionsgemeinschaft anerkannt werden. In einem Rechtsstreit der IGD gegen die Landeshauptstadt München hat das Verwaltungsgericht München am 19. Oktober 2004 in einer Eilentscheidung bestätigt, dass es sich bei der IGD um einen Ausländerverein, nicht aber um eine Religionsgemeinschaft handelt. Gegen diesen Beschluss hat die IGD Rechtsmittel eingelegt. Bildungsarbeit Ein wesentliches Betätigungsfeld der IGD ist die "Erziehung und Bildung" junger Menschen, um auf diesem Weg die Gesellschaft ihren ideologischen Zielen entsprechend zu reformieren. Zu diesem Zweck betrieb die IGD u.a. die "Deutsch-Islamische Schule" in München, der ein Kindergarten angegliedert war. Die Schule wurde 1981 gegründet, 1982 als private Grundschule der Jahrgangsstufen 1 bis 4 staatlich anerkannt und entsprechend staatlich gefördert. Als die IGD 1999 die Gemeinnützigkeit und somit die Voraussetzung staatlicher Förderung verlor, war der Fortbestand der Schule gefährdet. Deshalb wurde am 23. Februar 2003 ein neuer Trägerverein, das "Deutsch-Islamische Bildungswerk e.V." (DIBW), gegründet, der die Trägerschaft der "Deutsch-Islamischen Schule" ab dem Schuljahr 2003/2004 übernahm. Da sich zwischenzeitlich die Erkenntnisse über Verbindungen des DIBW zum islamischen Extremismus verdichtet hatten, konnte die Verfassungstreue des Schulträgers als Voraussetzung für eine Genehmigung des Schließung der Weiterbetriebs der Schule nicht mehr als gegeben angesehen wer"Deutsch-Islamiden. Insbesondere aufgrund personeller und organisatorischer Verflechschen Schule" tungen zwischen DIBW und IGD sowie Unregelmäßigkeiten bei der Vereinsgründung des neuen Trägers musste davon ausgegangen werden, dass die IGD nach wie vor Einfluss auf die Bildungsarbeit des DIBW nehmen wird. Die Regierung von Oberbayern hat deshalb Anfang August entschieden, keine Genehmigung für den Weiterbetrieb der "Deutsch-Islamischen Schule" für das Schuljahr 2005/2006 zu erteilen; gleichzeitig wurde die staatliche Schulförderung eingestellt. Daraufhin musste die Schule geschlossen werden. Auch der angegliederte Kindergarten stellte seinen Betrieb ein. 3.2.2 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) / Islamischer Bund Palästina (IBP) und Al-Aqsa e.V. Deutschland Bayern Mitglieder IBP: 250 Einzelpersonen Gründung: 1981 in Deutschland Al-Aqsa e.V. ist in Deutschland seit 5. August 2002 verboten. Das Verbot wurde am 3. Dezember 2004 rechtskräftig. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 47 Seit der Gründung Israels im Jahr 1948 engagierten sich Anhänger der Muslimbruderschaft (MB) im Kampf für die Zurückgewinnung ganz Palästinas und die Etablierung einer "islamischen Herrschaft". Nach der Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens durch Israel im Jahr 1967 begann der palästinensische Zweig der MB in den besetzten Gebieten eine soziale Infrastruktur aufzubauen, was ihm rasche Popularität bei der Bevölkerung einbrachte. Am bewaffneten Kampf beteiligte er sich zunächst nicht. Erst als Reaktion auf den Ausbruch des ersten Palästinenseraufstands (Intifada) im Dezember 1987 wurde Anfang 1988 die HAMAS gegründet und der bewaffnete Kampf gegen Israel aufgenommen. Die HAMAS will Israel zerstören und auf dem gesamten Gebiet Palästinas einen islamistisch geprägten Staat errichten. Sie lehnt den israelisch-palästinensischen Friedensprozess ab und ist für eine Vielzahl terroristischer Aktionen verantwortlich, darunter zahlreiche Selbstmordattentate. Im Juni 2002 wurde deshalb der militärische Arm der HAMAS, die so genannte "Izz ad-Din al-Qassam-Brigaden" in die EU-Liste terroristischer Aufnahme in die Organisationen aufgenommen. Anfang September 2003 beschlossen EU-Terrorliste die EU-Außenminister, auch die Gesamtorganisation als terroristisch einzustufen. Nach dem Tod des Palästinenserführers Yassir Arafat im November 2004 und der Wahl seines als gemäßigt geltenden Nachfolgers Mahmoud Abbas im Januar 2005 wurde der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern wieder aufgenommen. Im Februar stimmten mehrere palästinensische Widerstandsbewegungen einem bis zum Jahresende befristeten Waffenstillstand zu. Durch das Wiederaufflammen gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen den palästinensischen Widerstandsbewegungen, insbesondere der HAMAS, und israelischen Sicherheitskräften Mitte September geriet der Fortgang des Friedensprozesses erneut ins Stocken. Im Januar 2006 erzielte die HAMAS bei den paläsWahlsieg tinensischen Parlamentswahlen einen überraschenden Sieg; sie stellt nunmehr die Mehrheitsfraktion im Parlament. Zwar scheint die HAMAS im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft zu einer Verlängerung der Waffenruhe mit Israel bereit, allerdings weist die HAMAS Forderungen nach einer Entwaffnung und der Anerkennung des Existenzrechts Israels nach wie vor zurück. In Deutschland wird die Politik der HAMAS seit Beginn der Intifada im Jahr 1987 durch den Islamischen Bund Palästina (IBP) vertreten. Der IBP wurde 1981 innerhalb des Islamischen Zentrums München gegründet, Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 48 Ausländerextremismus um die Interessen religiös orientierter Palästinenser in Deutschland zu repräsentieren. WohlfahrtsUnter dem Deckmantel der Humanität unterstützte der in Aachen organisationen ansässige Ausländerverein al-Aqsa e.V. die gewalttätige HAMAS-Orgaals Unterstützer nisation durch Spendensammlungen. Über Hilfseinrichtungen der HAMAS der HAMAS wurden diese Gelder auch an Familienangehörige von Selbstmordattentätern weitergeleitet, wodurch der al-Aqsa e.V. zur Gewalt im Palästina-Konflikt beitrug. Der Verein wurde deshalb am 5. August 2002 verboten; das Verbot ist seit dem 3. Dezember 2004 rechtskräftig. Ferner wurde am 30. August 2005 durch das Bundesministerium des Innern der Verein Yatim Kinderhilfe e.V. mit Sitz in Essen als Nachfolgeorganisation des al-Aqsa e.V. verboten. Gleichzeitig wurde gegen die Islamische Wohlfahrtsorganisation e.V. (IWO) mit Sitz in Herne ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Beiden Vereinen werden Spendensammlungen für die HAMAS vorgeworfen. Verbindungen nach Bayern sind nicht bekannt. In Bayern gibt es nur einzelne Anhänger der HAMAS. Die aktuelle Entwicklung wird bei den in Bayern lebenden Palästinensern im Rahmen politischer Gespräche diskutiert, löst aber keine nennenswerten Reaktionen aus. 3.2.3 Islamische Heilsfront (FIS) Deutschland Bayern Mitglieder: 300 45 Gründung: 1989 in Algerien Publikation: "al-Ribat" (Das Band) Die FIS ist der algerische Zweig der international tätigen Muslimbruderschaft (MB). Aufgrund des wirtschaftlichen und sozialen Niedergangs und des Ansehensverlusts der algerischen Regierung gewann die FIS im Dezember 1991 die Parlamentswahlen in Algerien. Als sie anschließend 1992 verboten wurde, gingen zahlreiche FIS-Funktionäre ins Ausland. Bis zum Sommer 2002 führte der in Deutschland lebende Rabah Kebir die "Exekutivinstanz der FIS im Ausland". Am 4. August 2002 veranstaltete die Organisation erstmals seit zehn Jahren einen Kongress. Bei dieser Veranstaltung wurde Kebir, der Flagge der FIS dem Treffen ferngeblieben war, von dem in Genf ansässigen Physiker Dr. Mourad Dhina entmachtet. Dem abgewählten Vorsitzenden wurde seine eigenmächtige Dialogbereitschaft gegenüber der algerischen Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 49 Regierung zur Last gelegt. Dr. Dhina, der zum radikalen Flügel gerechnet werden muss, lehnt den vom bewaffneten Arm der FIS mit der algerischen Regierung vereinbarten Waffenstillstand ab. Die FIS in DeutschInterne land ist hinsichtlich dieser Frage gespalten. Beide Flügel führten VerDifferenzen söhnungsgespräche durch, um zu einer gemeinsamen Linie zu gelangen und die Position der FIS-Mitglieder aus Deutschland im Gesamtverband zu stärken. Im Juni 2003 wurden der Vorsitzende des algerischen Zweigs der FIS, Abassi Madani, und sein Stellvertreter Ali Benhadj nach zwölfjähriger Haft aus dem Gefängnis entlassen. Die Freilassung war allerdings an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. So dürfen sie in Zukunft weder Versammlungen abhalten noch sich in einer Partei engagieren oder an Wahlen und Demonstrationen teilnehmen. Am 29. September wurde in Algerien die von Präsident Bouteflika vorgelegte "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit angenommen. Sie umfasst auch eine Teilamnestie für ehemalige bewaffnete islamistische Straftäter, sofern Teilamnestiesie nicht an Morden, Vergewaltigungen oder Bombenanschlägen beteiregelung ligt waren. Für eine dauerhafte nationale Aussöhnung fordert Bouteflika jedoch ein Verbot politischer Betätigung für ehemalige Akteure der FIS. 3.2.4 En Nahda Deutschland Bayern Mitglieder: 60 Wirkungsbereich: Oppositionsbewegung in Tunesien (seit 1991 in Tunesien verboten) Führung: Rachid Ghannouchi / Großbritannien Die En Nahda (Wiedergeburt) ist der tunesische Zweig der Muslimbruderschaft (MB). Die Organisation will eine Theokratie und ein weltweites Kalifat errichten. Sie ist die wichtigste Oppositionsbewegung Tunesiens. Seit 1991 wird die in Tunesien verbotene Organisation von Rachid Ghannouchi geleitet, der in seinem Heimatland zu lebenslanger Haft verurteilt ist. Ghannouchi lebt in Großbritannien und gibt sich nach außen als gemäßigter, demokratischer Politiker. Gegenüber seinen Anhängern Emblem der En Nahda äußert er sich jedoch militant und beteuert u.a., er wolle die amerikanischen Eroberer und die mit ihnen verbündeten arabischen Regierungen verjagen. Wegen des massiven Drucks der tunesischen Sicherheitskräfte Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 50 Ausländerextremismus in der Vergangenheit befindet sich ein großer Teil der En Nahda-Mitglieder im Ausland. VersöhnungsInzwischen richtete der tunesische Staatspräsident ein Versöhnungsangebot angebot an die En Nahda. Ghannouchi griff das Angebot auf und stellte zugleich folgende Bedingungen: - Freilassung aller Gefangener der En Nahda in Tunesien, - straffreie Rückkehr der im Exil lebenden En Nahda-Mitglieder, - Wiederzulassung der En Nahda in Tunesien. Bei den in Bayern lebenden En Nahda-Anhängern sind keine festen Strukturen erkennbar. Allerdings engagieren sich viele von ihnen sowohl im Islamischen Zentrum München der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) als auch in einigen tunesischen Vereinen. 3.3 Hizb ut-Tahrir Deutschland Bayern Anhänger: 150 Einzelpersonen Gründung: 1953 in Palästina Europazentrale: Großbritannien Publizistische Sprachrohre: "explizit"; "al-Khilafah"; "al-Waie" Politisches Betätigungsverbot in Deutschland seit 15. Januar 2003 Die "Partei der islamischen Befreiung" - Hizb ut-Tahrir - wurde von dem Religionsgelehrten Taqi Din an-Nabhani, einem Mitglied der MuslimWeltweite bruderschaft (MB), gegründet. Sie hat sich weltweit verbreitet; ab 1995 Verbreitung gewann sie in Zentralasien, insbesondere in den ehemaligen Sowjetrepubliken, zahlreiche Mitglieder. Anhänger der Hizb ut-Tahrir versuchten von Beginn an, militärische Institutionen und Einrichtungen in arabischen Ländern zu unterwandern und Mitglieder aus den Reihen des Militärs zu rekrutieren. In den Jahren 1968 und 1969 scheiterten Putschversuche in Amman/Jordanien und in Bagdad/Irak. Ebenso schlugen Bestrebungen zur Machtübernahme 1974 in Kairo/Ägypten und 1976 in Damaskus/Syrien fehl. Inzwischen ist die Hizb ut-Tahrir in der gesamten arabischen Welt und Zentralasien verboten. Das Ziel der Hizb ut-Tahrir ist die Errichtung eines "rechtgeleiteten" weltumspannenden Kalifats, das die Länder und Völker der Muslime in einem einzigen Staat eint und die Botschaft des Islam in die gesamte Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 51 Welt trägt. Weitere erklärte Ziele sind die Wiedereinführung der Scharia als Strukturprinzip der islamischen Ordnung, die Auslöschung des Staates Israel und die Befreiung der muslimischen Welt von westlichen Einflüssen. Unausweichlich sei dabei ein "Kampf der Kulturen", insbesondere zwischen Islam und Christentum. Ein Dialog zwischen den Kulturen, geprägt vom Prinzip der Gleichheit und Toleranz, sei mit dem Islam unvereinbar. Der Kampf sei sowohl auf ideologischer, wirtschaftlicher und politischer als auch auf militärischer Ebene zu führen. Der militärische Kampf gegen die Ungläubigen sei im Sinn eines "aktiven Djihads" für jeden Muslim verpflichtend. Die Gliederung der Hizb ut-Tahrir in Europa orientiert sich an den GrenSignet der zen der Nationalstaaten. Innerhalb der einzelnen Regionen operiert die Hizb ut-Tahrir Hizb ut-Tahrir in voneinander unabhängigen Gruppen, überwiegend in Universitätsstädten. Die Hizb ut-Tahrir verbreitete in Deutschland Flugblätter und Broschüren in Deutsch, Arabisch, Türkisch sowie in Urdu. Struktur und Ihre Anhänger verteilten die Publikationen insbesondere an UniversiAktivitäten in täten sowie im Umfeld von Moscheen und islamischen Zentren. Die Deutschland Hizb ut-Tahrir betrieb eine deutschsprachige Homepage und gab von 1993 bis zum Betätigungsverbot 2003 die deutschsprachige Zeitschrift "explizit" heraus. Das Bundesministerium des Innern verbot am 15. Januar 2003 die Betätigung der Hizb ut-Tahrir, da sich die Gruppierung gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete und Gewalt zur Durchsetzung politischer Belange befürwortete. Das Bundesverwaltungsgericht wies am 8. August die von den Anhängern der Hizb ut-Tahrir am 12. Februar 2003 erhobene Klage gegen das Betätigungsverbot ab Betätigungsverbot und bestätigte damit die Verbotsgründe. Im Tenor der Begründung hieß es, die Tätigkeit der Hizb ut-Tahrir richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die Organisation könne sich nicht auf den verfassungsrechtlichen Schutz einer Religionsbzw. Weltanschauungsgemeinschaft berufen. Wegen ihrer weltweiten Struktur, ihres ausgeprägten konspirativen Verhaltens und des möglichen Zugangs zu militärischen Waffenarsenalen stellt die Hizb ut-Tahrir ein nicht unbedeutendes Sicherheitsrisiko dar. In Bayern waren nur wenige Anhänger von Hizb ut-Tahrir ansässig. Bekannt wurden Gruppen in Erlangen und München. Inzwischen verließen einige Aktivisten aufgrund der restriktiven Handhabung des Ausländerrechts Bayern und verlegten ihren Wohnsitz in andere Bundesländer oder ins Ausland. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 52 Ausländerextremismus 3.4 Ansar al-Islam Deutschland Bayern Anhänger: 100 60 Anführer: bis Mitte 2002 Mullah Krekar ab Mitte 2002 Abu Adullah al-Shafi Gründung: September 2001 im Nordirak Islamistische Die Ansar al-Islam (Unterstützer des Islam) vereinigte ursprünglich Kurdenorganisaislamistische Kurden aus dem Nordirak mit dem Ziel, dort einen islamition aus dem schen Staat Kurdistan nach dem Beispiel der Taliban-Herrschaft in Nordirak Afghanistan zu errichten. Die Ansar al-Islam wurde im September 2001 gegründet und nannte sich anfangs Djund al-Islam. Im Dezember 2001 übernahm der Iraker Najm al-Deen Faraj Ahmed Mahmoud, genannt Mullah Krekar, die Führung der Djund al-Islam und änderte den Namen der Gruppierung in Ansar al-Islam. Krekar scheint innerhalb der Ansar al-Islam keine Führungsrolle mehr zu spielen, dürfte aber weiterhin als spirituelle Leitfigur wirken. Als Nachfolger Krekars gilt sein früherer Stellvertreter Abu Adullah al-Shafi. Inzwischen ist die Ansar al-Islam durch ihr Zusammenwirken mit der irakischen Terrorgruppe um al-Zarqawi und deren Eingliederung in die al-Qaida-Bewegung Bestandteil des internationalen Terrornetzwerks. Sie hat sich deshalb auch für Islamisten anderer Volkszugehörigkeiten geöffnet. Ihre langfristige Strategie setzt auf den weltweiten "Djihad". Verbindungen Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida bestanden schon früher. So zur al-Qaida hielten sich führende Mitglieder der Ansar al-Islam in den 90er Jahren in Afghanistan auf. Dort wurden sie in Trainingslagern militärisch ausgebildet und kamen mit dem Terrornetzwerk al-Qaida in Berührung. Der Kontakt blieb auch nach der Rückkehr aus Afghanistan bestehen. Nach der US-Intervention in Afghanistan nahm die Ansar al-Islam Kämpfer von Bin Ladin auf und unterstützte sie. Zu dem Usama Bin Ladin-Vertrauten al-Zarqawi bestehen seither besonders gute Kontakte. Die Bindungen und persönlichen Verflechtungen zwischen al-Qaida, al-Zarqawi und Ansar al-Islam sind vor allem durch den gemeinsamen bewaffneten Kampf gegen die westlichen Truppen im Irak enger und intensiver geworden. Die Gruppierung mit ursprünglich rund 600 bewaffneten Kämpfern konnte ab etwa 2001 ein Taliban-ähnliches Regime in einem kleinen Teil des irakischen Kurdengebiets errichten. Zu Beginn des Irak-Kriegs 2003 wurde dieses Gebiet von den USA aus der Luft angegriffen und dann von kurdischen Truppen der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) einVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 53 genommen. Viele Kämpfer der Ansar al-Islam entkamen in den nahe gelegenen Iran, sickerten nach Kriegsende jedoch wieder in den Irak ein und reorganisierten sich. Die Ansar al-Islam ist für eine Vielzahl von Terroranschlägen im Irak mit Hunderten von Toten und Verletzten verantwortlich. Nach einer Entscheidung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 24. Februar 2003 wurde die Ansar al-Islam deshalb als terroristische Vereinigung eingestuft. In Europa gibt es Anhänger in Skandinavien, Großbritannien, FrankLogistik in Europa reich, Italien, Deutschland und in den Niederlanden. In Bayern sind in München, Nürnberg, Augsburg und Regensburg Anhänger bekannt, die die Organisation u.a. durch Beschaffung von Geld und Ausrüstung unterstützen. Seit Kriegsende reisten auch mehrere Mitglieder aus Bayern in den Irak; ein Teil von ihnen ist zwischenzeitlich wieder nach Bayern zurückgekehrt. Am 14. Juni durchsuchte die Polizei 24 Objekte in ganz Deutschland, davon elf in Bayern. Dabei wurden drei Iraker festgenommen, zwei von ihnen in Bayern. Sie sind verdächtig, vom Bundesgebiet aus Gelder für Exekutivmaßdie Ansar al-Islam gespendet, gesammelt oder Hilfstätigkeiten wie etwa nahmen und Kurierund Fahrerdienste für die Vereinigung ausgeführt zu haben. Gerichtsverfahren Wegen ihrer Zugehörigkeit zur terroristischen Ansar al-Islam wurden bislang 20 Iraker ausgewiesen; 13 von ihnen haben zwischenzeitlich Deutschland verlassen. Weitere Ausweisungen gegen Ansar al-Islam-Anhänger sind in Vorbereitung. Gegen zwei inhaftierte Ansar al-Islam-Anhänger wurde inzwischen Anklage wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung erhoben. Am 10. November wurde vor dem Oberlandesgericht Stuttgart gegen mutmaßliche Mitglieder der Terrorgruppe Ansar al-Islam Anklage wegen eines gescheiterten Attentatversuchs auf den ehemaligen irakischen Ministerpräsidenten Dr. Ijad Allawi im Dezember 2004 erhoben. Angeklagt sind drei Iraker aus Augsburg, Berlin und Stuttgart. Als bundesweit ersten Fall verurteilte das Oberlandesgericht München am 12. Januar 2006 den Iraker Lokman Amin Mohammed wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Er hatte als führendes Mitglied der Ansar al-Islam im süddeutschen Raum u.a. Spendengelder gesammelt, gewerbsmäßige Einschleusungen von Irakern nach Deutschland ermöglicht und die Einreise von "Djihad-Kämpfern" in den Irak organisiert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 54 Ausländerextremismus 3.5 Tablighi Jamaat (TJ) Deutschland Bayern Anhänger: 150 Gründung: 1927 bei Delhi (Indien) Europazentrale: Dewsbury/Großbritannien Die TJ wurde von dem Religionsgelehrten Mawlana Muhammad Ilyas als pietistische Missionierungsbewegung gegründet. Seit ihren Ursprüngen ist sie eng mit der Islamischen Hochschule von Deoband/Indien verbunden. Die Gemeinschaft vertritt eine radikalisierte Form des strenggläubigen Islam indischer Prägung. Ziel der TJ ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die EtabRadikal-islamische lierung eines islamischen Staates zu erreichen. Sie hat den Charakter Massenbewegung einer internationalen islamischen Massenbewegung, deren Anhänger sich nicht einer festen Gruppierung zugehörig fühlen, sondern sich als konsequente Muslime mit missionarischem Auftrag ansehen. Ihre Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung des Korans und der Sunna, die Ausgrenzung der Frau und eine Abgrenzungspolitik gegenüber Nicht-Muslimen. Diese Bestrebungen wirken in nicht-muslimischen Gesellschaften zwangsläufig desintegrierend, so dass eine dauerhafte und ernsthafte Hinwendung zu westlichen Gesellschaftsordnungen, Wertvorstellungen und Integrationsmodellen nicht möglich ist. Das Tragen von traditioneller Gebetskleidung und die bis in Details verbindlichen Verhaltensregeln im Alltag sollen die absolute Hinwendung zum Propheten Mohammed ausdrücken. "MissionierungsCharakteristisch für die Anhänger der TJ ist eine missionarische Reisereisen" tätigkeit, bei der sie Moscheen in ganz Europa aufsuchen. Die Missionierung dient der Rekrutierung neuer Mitglieder. Zur Ausbildung der Anhänger gehört eine vier Monate dauernde Schulung, die vornehmlich in Koranschulen in Pakistan absolviert wird. Zur Missionierung nutzen ihre Anhänger auch Moscheen, die keinen unmittelbaren Bezug zu TJ haben. Dazu dienen Veranstaltungen, bei denen die Anhänger über Tage oder Wochen hinweg beten, den Koran studieren und indoktriniert werden. Direkte Aufrufe zum "Djihad" werden dabei vermieden, jedoch drängt sich bei den Teilnehmern der "Djihad" als konsequente Umsetzung des Islam auf. Die wenigsten Missionare verfügen über eine theologische Ausbildung. Durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen besteht die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 55 von terroristischen Netzwerken genutzt werden. Von Einzelpersonen, die die Schulung der TJ durchlaufen haben, ist bekannt, dass sie sich terroristischen Gruppierungen angeschlossen haben. Ein Gremium von vier Personen leitet die TJ in Deutschland. Unter Leitung dieses Gremiums findet jährlich ein Deutschlandtreffen der TJ Deutschlandtreffen statt. Am diesjährigen Treffen vom 15. bis 17. April in Hamburg beteiligten sich rund 1.000 TJ-Anhänger. Dabei wurden die Ziele für die weitere Missionsarbeit vorgegeben. Die Anhänger wurden in doktrinärer Art und Weise darauf eingeschworen, Menschen zum Islam zu bekehren, um den Einfluss des Islam zu vergrößern. Die Organisation betreibt in Bayern zwei Moscheen in München und Pappenheim. In mehreren Moscheen konnte die TJ an Einfluss gewinnen. Aufenthaltsrechtliche Maßnahmen bayerischer Behörden und die verstärkte Medienberichterstattung führten zu einer Verunsicherung der deutschen TJ-Anhänger. 3.6 Al-Tauhid Deutschland Bayern Anhänger: Einzelpersonen Ideologie: aggressiv-militante Forderung des "Djihads" Aufbau: keine Organisationsstruktur/ Zellenaufbau Der Name al-Tauhid ("Bekenntnis zur Einheit und Einzigartigkeit Gottes") steht nicht für eine spezifische Gruppierung, sondern ist ein Synonym für eine Bewegung von Aktivisten mit gleichartigem Gedankengut und bedeutet "jeder, der an den einzigen, wahren Gott glaubt". Al-Tauhid ist somit eine ideologisch-religiös ausgerichtete Bewegung Gleichgesinnter, die auf der Grundlage eines aggressiv-gewaltbereiten Aggressive Islamismus den weltweiten "Djihad" aller Glaubensbrüder fördert und islamische unterstützt. Sitz der Bewegung al-Tauhid in Europa soll Großbritannien Bewegung sein. Ihr geistiger Führer Abu Qutada mit Wohnsitz in London/Großbritannien wurde 2002 in London verhaftet. Die Londoner Moschee von Abu Qutada war in der Vergangenheit Anlaufstelle für mutmaßliche "Gotteskrieger" aus ganz Europa. Al-Tauhid tritt auch im Gefolge von mutmaßlich terroristischen Bewegungen in Erscheinung, beispielsweise der ägyptisch-terroristischen DjiVerbindung zu had Islami. Auch wurden Kontakte von al-Tauhid-Anhängern zu andeTerrorgruppen ren Djihad-Gruppen, wie z.B. der Ansar al-Islam (vgl. auch Nummer 3.4 dieses Abschnitts), festgestellt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 56 Ausländerextremismus Spätestens im September 2001 hatte sich in Deutschland eine selbständige, nach außen abgeschottete, konspirativ arbeitende Zelle der al-Tauhid gebildet. Deren Anführer hatte sich von Dezember 1999 bis Mai 2001 in Afghanistan zu einer militärischen Ausbildung aufgehalten. Danach hatte er zusammen mit vier Angehörigen seiner Zelle Anschläge gegen jüdische Einrichtungen in Deutschland vorbereitet. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte ihn deswegen am 26. November 2003 wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung al-Tauhid zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Gegen die vier Mittäter verhängte das Gericht am 26. Oktober 2005 Haftstrafen zwischen fünf und acht Jahren (vgl. auch Nummer 2.5 dieses Abschnitts). 3.7 Hizb Allah (Partei Gottes) Deutschland Bayern Mitglieder: 900 Einzelpersonen Gründung: 1982 im Libanon Publikation: "al-Intiqad" (Die Kritik) Die Hizb Allah (auch: Hisbollah/Hizbollah) ist eine auf Initiative des Irans gegründete schiitische Partei, die seit 1992 im libanesischen Parlament vertreten ist. Sie wird vom Iran finanziell, materiell und ideologisch unterstützt. Zu ihr gehören verschiedene Wohlfahrtsorganisationen sowie der "Islamische Widerstand" (Muqawame Islamiya), der als militärischer Arm der Organisation insbesondere den bewaffneten Kampf gegen israelische Militäreinheiten im libanesisch-israelischen Grenzgebiet führte. Auch nach dem Rückzug der israelischen Truppen aus der Sicherheitszone im Libanon im Mai 2000 kam es noch zu Signet der vereinzelten Gefechten. Hizb Allah Das langfristige Ziel der Hizb Allah ist die Zerstörung des Staates Israel und die "Herrschaft des Islam" über Jerusalem. Kurswechsel Die von der Hizb Allah früher geforderte Errichtung einer "Islamischen Republik" im Libanon nach dem Beispiel des Irans genießt heute keine Priorität mehr. Vielmehr bekundet die Organisation ihre Bereitschaft, sich in das politische System des Libanon zu integrieren, um dort durch politische Aktivitäten gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. So konnte bei den libanesischen Parlamentswahlen 2005 die prosyrische Allianz aus Hizb Allah und Amal im Süden des Landes alle Mandate für sich erringen. Diesen Wahlsieg wertete die Hizb Allah als klares Votum der Bevölkerung für den Widerstand gegen Israel und die USA sowie Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 57 gegen die UN-Resolution vom September 2004, die die Entwaffnung aller libanesischen Milizen fordert. In einer am 22. Januar 2006 im libanesischen Fernsehen ausgestrahlten Rede betonte deshalb der Generalsekretär der Hizb Allah, Scheich Hassan Nasrallah, dass der "Islamische Widerstand" seine Waffen niemals und unter keinen Umständen abgeben werde. Die Waffen seien ihnen "heilig". Er drohte, gegen jeden, der eine Entwaffnung wünsche, mit allen zur Verfügung stehenden Ablehnung der Mitteln bis zum letzten Blutstropfen vorzugehen. Der bewaffnete Kampf Entwaffnung gegen Israel zur Verteidigung des Libanon müsse fortgeführt werden. Die Aktivitäten der in Deutschland lebenden Hizb Allah-Anhänger erreichten auch 2005 nicht mehr die Intensität früherer Jahre. Das Interesse an aktiver Mitarbeit in Moscheevereinen oder der Teilnahme an Veranstaltungen hat seit den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 laufend abgenommen. Selbst der Jahrestag des Abzugs der israelischen Armee aus dem Südlibanon ("Tag der Befreiung", 23. Mai) fand bei den in Bayern lebenden Schiiten libanesischer Herkunft nur noch wenig Beachtung. In Bayern sind nur einzelne Anhänger der Hizb Allah bekannt. 3.8 Hizb al-Dawa al-Islamiya (Dawa), Islamisch-Irakische Gemeinschaft Deutschland e.V. (IIGD) Deutschland Bayern Mitglieder/Anhänger: 150 30 Gründung: Dawa 1958 im Irak; IIGD 1997 in Köln Die schiitische Dawa ("Partei des islamischen Rufs / der islamischen MisIslamistische Opposion") war die älteste und bedeutendste Oppositionsbewegung im Irak. sitionsbewegung Sie forderte den Sturz des Hussein-Regimes und strebte ein islamisim Irak tisches Staatsund Gesellschaftssystems an. Ihre Anhänger haben sich in Deutschland in der IIGD zusammengeschlossen. Die IIGD, die nach außen lediglich religiöse Ziele verfolgt, wird maßgeblich durch die Dawa beeinflusst. Hauptaufgabe der IIGD in Deutschland ist es, möglichst viele, auch unpolitische, Mitglieder aus den Reihen der irakischen Schiiten zu gewinnen. Mehrere ranghohe Dawa-Funktionäre sind nach Kriegsende aus ihrem europäischen Exil in den Irak zurückgekehrt. In der Folge entstanden mehrere Fraktionen der Dawa, die unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft des Iraks und vor allem über die Zusammenarbeit mit den USA vertreten. Das Spektrum reicht von der Forderung nach enger Kooperation bis zur Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit. Ehemalige und aktive Mitglieder Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 58 Ausländerextremismus der Dawa arbeiteten in der Übergangsregierung mit, die von Juni 2004 bis Januar 2005 bestand. Am 30. Januar fanden im Irak die ersten freien Wahlen seit dem Sturz Saddam Husseins statt. Das von Großajatollah Ali al-Sistani unterstützte schiitische Wahlbündis "Vereinigte Irakische Allianz" unter maßgeblicher Beteiligung der Dawa ging mit knapp Wahlerfolg 48 % der Stimmen als Sieger aus den Wahlen hervor, verfehlte jedoch die absolute Mehrheit. Die Schiiten stellen mit 13 von insgesamt 25 Mitgliedern die stärkste Fraktion im Regierenden Rat. Im Anschluss an die Wahlen wurde Dr. Ibrahim al-Dschafari, der ehemalige Europa-Verantwortliche der Dawa, zum Ministerpräsidenten gewählt. Nach Jahrzehnten der Unterdrückung hat die schiitische Mehrheit, die rund 60 % der irakischen Bevölkerung ausmacht, nun erstmals politischen Einfluss. Die neue Verfassung bezeichnet den Islam als Staatsreligion und Hauptquelle der Rechtsschöpfung. Kein Gesetz darf zu den "unbestrittenen Regeln des Islam" im Widerspruch stehen. Bei einem Referendum am 15. Oktober wurde die Verfassung mit 79 % der abgegebenen Stimmen angenommen. Die in Bayern lebenden Anhänger und Sympathisanten der islamistischen Dawa bzw. der IIGD lehnen gewaltsame Aktionen ab und treten öffentlich kaum in Erscheinung. 3.9 Hezb-i Islami Afghanistan (HIA) Deutschland Bayern Anhänger: 250 Einzelpersonen Anführer: Gulbuddin Hekmatyar Gründung: 1973 in Afghanistan Die HIA ist eine Gruppierung überzeugter Islamisten, die im Zusammenwirken mit verbliebenen Talibanund al-Qaida-Kämpfern die von der westlichen Allianz gestützte afghanische Regierung bekämpft. Sie will Islamistisches in Afghanistan einen islamischen Staat errichten und die Scharia einStaatswesen führen. Hekmatyar, der 1996 für kurze Zeit Regierungschef Afghanisals Ziel tans war, rief in einer Erklärung gegenüber einer Nachrichtenagentur am 23. Februar 2003 zu Selbstmordanschlägen gegen Amerikaner auf. Er sagte, er sei stolz darauf, von den USA als Terrorist bezeichnet zu werden. Weiter führte er aus: "Ich fordere alle Muslime der Welt auf, einen Guerillakrieg mit Selbstmordangriffen zu führen. (...) Jetzt ist nicht die Zeit von Gruppenangriffen in großem Stil, sondern eher die individueller Attacken." Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 59 Die HIA war zu den afghanischen Parlamentswahlen im September nicht zugelassen. 3.10 Islamische Vereinigung in Bayern e.V. (IVB) Anhänger/Besucher: bis zu 300 - vorwiegend iranischer, irakischer und libanesischer Nationalität Vorsitzender: Mahmoud Khalilzadeh Gründung: 1994 in München Sitz: München Eigentümer: Islamisches Zentrum Hamburg (IZH) seit Oktober 2003 Bis heute ist die Bewahrung der einst vom iranischen Revolutionsführer Ajatollah Khomeini propagierten Idee der "Islamischen Revolution" im Iran sowie deren internationale Verbreitung wesentlicher Bestandteil Iranischer "Revoluder iranischen Politik. Der Iran unterstützt daher eine Vielzahl islamitionsexport" scher und islamistischer Bewegungen und Organisationen vor allem im Nahen und Mittleren Osten. Der "Export der Revolution" in diese Länder, die zu lernen hätten, "mit der Hilfe Gottes zur Revolution zu gelangen", ist in der iranischen Verfassung vorgeschrieben. Auch islamische Zentren und Moscheen in Deutschland dienen im Sinn dieses "Revolutionsexports" als Foren für Versuche der Einflussnahme durch den Iran. Eines dieser Zentren ist die IVB. Die IVB ist Trägerin der schiitisch-iranischen Moschee in München und gehört zu den bedeutendsten schiitisch-extremistischen Zentren iranischer Prägung in Süddeutschland. Sie ist dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) unmittelAnbindung der bar nachgeordnet. Das IZH gilt europaweit als hochrangige VerbinIVB an das IZH dungsstelle der Islamischen Republik Iran. Die IVB dient als Multiplikator schiitischen islamistischen Gedankenguts innerhalb muslimischer Gemeinschaften in Bayern. Wichtigstes Ziel ist es, im Auftrag der iranischen Führung in deren Sinn auf Besucher einzuwirken und deren politische und religiöse Einstellung zu beeinflussen. Da der Iran keine Trennung von Staat und Religion kennt, hat die religiöse Arbeit des Vereins auch eine politische Komponente. Die Interpretation des Korans im Sinn der Ideologie Khomeinis wird in Veranstaltungen wie z.B. Freitagsgebeten, religiösen Feiern sowie Vorträgen von Mullahs aus den Heimatländern verbreitet. Der Verein gilt als Anlaufstelle für Anhänger islamistischer Organisationen wie z.B. der irakischen Hizb al-Dawa al-Islamiya bzw. der Islamisch-Irakischen Gemeinschaft Deutschland e.V. oder der libanesischen Hizb Allah. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 60 Ausländerextremismus 3.11 Türkische islamistische Gruppierungen 3.11.1 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) Deutschland Bayern Mitglieder: 26.000 4.800 Vorsitzender: Osman Döring genannt Yavuz Celik Karahan Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT); 1995 Aufteilung in die beiden unabhängigen juristischen Personen "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) und "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft" (EMUG) Sitz: Kerpen Publikationen: "Milli Görüs & Perspektive"; als Sprachrohr dient auch die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung) Die IGMG ist ein Sammelbecken von Anhängern der in der Türkei verbotenen Tugendpartei (FP) und deren Nachfolgeorganisation, der islamistischen Glückseligkeitspartei (SP). Sie verfügt über rund 500 Ortsgruppen in Deutschland. In Bayern ist der Verband mit 70 Ortsgruppen vertreten. Die Schwerpunkte liegen in Nürnberg und München. Die Milli Görüs-Bewegung will trotz vieler offizieller gegenteiliger Äußerungen die laizistische Staatsordnung in der Türkei durch eine islamische Staatsund Gesellschaftsordnung mit dem Koran als Emblem Grundlage des Staatsaufbaus und als Verhaltenskodex des gesellschaftder IGMG lichen Zusammenlebens ablösen. Ihr Fernziel ist die weltweite Islamisierung. Sie orientierte sich an der Politik der am 22. Juni 2001 vom türkischen Verfassungsgericht wegen "anti-laizistischer Aktivitäten" verbotenen FP. Aus der FP gingen zwei Nachfolgeorganisationen hervor: Im Juli 2001 gründeten die Anhänger des früheren türkischen Ministerpräsidenten Prof. Necmettin Erbakan die SP, an der sich die IGMG jetzt ideologisch orientiert und die sie bei der Parlamentswahl 2002 massiv unterstützte. Im August 2001 wurde von Recep Tayyip Erdogan die Gerechtigkeitsund Aufschwungpartei (AKP) in der Türkei gegründet. Der frühere Bürgermeister von Istanbul macht für sich eine Abkehr vom Islamismus geltend. Seinen Verlautbarungen zufolge soll die AKP keine islamische Partei im traditionellen Sinn sein, sondern eine konservative Gruppierung. Verhältnis zur AKP Die IGMG-Führung unter Leitung des im Dezember 2002 gewählten Vorsitzenden Karahan ist seit der Niederlage der SP bei den türkischen Parlamentswahlen 2002 und der Regierungsbildung durch die AKP Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 61 bemüht, sich gegenüber der türkischen Regierung als wichtige Organisation zur Wahrung türkischer Interessen in Deutschland darzustellen. So bot im Dezember 2002 der IGMG-Generalsekretär Oguz Ücüncü dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Abdullah Gül und dem AKP-Gründer Recep Tayyip Erdogan Unterstützung an. Die IGMG sei eine wichtige Brücke zwischen der Türkei und Europa. Der Weg zur EU führe über Milli Görüs. Die türkische Regierung griff dieses Angebot auf und strich die IGMG von einer Liste von staatsfeindlichen Organisationen. Es gelte, die Extremisten in der IGMG zu beobachten und die Masse der Mitglieder, die ihrem Staat verbunden sind, nicht zu entfremden. In der Folgezeit verstärkten sich die Beziehungen zwischen der IGMG und Repräsentanten der AKP sowie regierungsnahen Einrichtungen und Organisationen. Gleichwohl ist weiterhin eine starke ideologische Orientierung der IGMG an der islamistischen Programmatik der SP festzustellen. Die IGMG versucht, den Eindruck einer bloßen Religionsgemeinschaft Taktisch bedingte und einer verfassungstreuen Organisation zu erwecken, die sich ausZurückhaltung schließlich um die religiösen und sozialen Bedürfnisse der türkischen Muslime in Deutschland kümmert. Im Gegensatz zu anderen islamistischen Organisationen ist die IGMG schon seit Jahren um ein rechtlich unangreifbares Erscheinungsbild bemüht. Sie gibt vor, nur verfassungskonforme Ziele zu verfolgen und sucht den interreligiösen Dialog. Die Beziehungen der IGMG zur SP werden in der Öffentlichkeit bagatellisiert und nur gelegentlich sichtbar. Wie eng die Beziehungen tatsächlich sind, lässt sich jedoch an Hand von Unterlagen belegen, die bei einer Durchsuchung im September 2004 in der IGMG-Gebietszentrale Südbayern gefunden wurden. Auf einem dabei sichergestellten Plakat aus dem Jahr 2003 wirbt der Gebietsvorsitzende der IGMG Südbayern für sich als Bürgermeisterkandidat der SP in der türkischen Stadt Gürün. In einem Flugblatt behauptet die SP, die einzige Vertreterin der Milli Görüs-Bewegung zu sein. Ziel sei die Schaffung einer Großtürkei bzw. Gründung einer neuen Welt. Das Bemühen der IGMG um gesellschaftliche Akzeptanz führte bei Loslösung von mehreren Ortsvereinen zur Annahme von neutralen Bezeichnungen, die Ortsvereinen die Zugehörigkeit der Vereine zur IGMG nicht mehr erkennen lassen. Solche Vereine geben sich Satzungen, die formal keine Rückschlüsse auf die IGMG mehr zulassen. So erklärte ein Vereinsvertreter der bisherigen IGMG Alzenau im Jahr 2004, sein Verein sei frei und ungebunden. Vor den Büroräumen des Ortsvorstands befanden sich jedoch zum selben Zeitpunkt ein Werbeplakat der Tageszeitung "Milli Gazete", Broschüren des IGMG-Bestattungsfonds Cenaze Fonu und eine Übersicht Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 62 Ausländerextremismus der Vorstandsmitglieder in türkischer Sprache, die die Moschee des Vereins als eine Filiale des IGMG-Gebiets Hessen auswies. Auch der Fürstenfeldbrucker Verein "Deutsch-Türkisches Kulturzentrum e.V." behauptet, sich schon seit mehreren Jahren von der IGMG gelöst zu haben. 1999 war der Ortsverein der IGMG in Fürstenfeldbruck aufgelöst worden und ein neuer Verein mit dem Namen "Deutsch-Türkisches Kulturzentrum e.V." gegründet worden, wobei die Vorstandsmitglieder des aufgelösten IGMG-Vereins in den Vorstand des neuen Vereins übernommen wurden. "Familientag" der Am 14. und 15. Mai veranstaltete die IGMG auf dem Gelände ihrer IGMG Europazentrale in Kerpen/Nordrhein-Westfalen den diesjährigen "Familientag", zu dem mehr als 15.000 Besucher erschienen. Das Programm wurde von türkischer Folklore und osmanischer Musik umrahmt. Im Mittelpunkt standen Vorträge über die Rolle des Islam in Europa, die Familie und soziale Themen. Der Generalsekretär der IGMG Oguz Ücüncü referierte über die Geschichte und Zukunft der IGMG. Er sprach sich für den verstärkten Bau von Moscheen aus und unterstrich die Bedeutung der IGMG für die Bewahrung und Pflege der Religion. Der IGMG-Vorsitzende Yavuz Celik Karahan betonte den Stellenwert des Korans sowie der Prophetenüberlieferung und distanzierte sich vom islamistischen Terrorismus. Ein einflussreicher türkischer Funktionär kritisierte den Kurs des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, da dessen Politik ausschließlich an den USA orientiert sei und er Kontakte zu Israel unterhalte. An Informationsständen wurden Flugblätter, Broschüren und Bücher der IGMG und ihrer Nebenorganisationen angeboten. Am 17. Dezember veranstaltete die IGMG in der Saturn-Arena in Ingolstadt eine Koranlesung, die etwa 4.000 bis 5.000 Personen aus Deutschland besuchten. Neben Mitgliedern und Funktionären der IGMG nahmen auch Anhänger des verbotenen "Kalifatsstaats" und Vertreter des Verbands Islamischer Kulturzentren e.V. (VIKZ) teil. Die Hälfte aller Besucher waren Jugendliche. Sowohl bei den Einund Ausgängen als auch innerhalb der Halle herrschte strikte Geschlechtertrennung. Der IGMG-Generalsekretär Oguz Ücüncü warb in seiner Rede für die Ziele der IGMG. Nach den Auftritten namhafter Rezitatoren aus der Türkei, Deutschland, Ägypten und Afrika wurde zu Spenden aufgerufen. Daneben wurden Bücher, Kassetten und CDs zum Verkauf angeboten. Haltung zum Nach wie vor ist die IGMG bemüht, in der Öffentlichkeit eindeutige AusDjihad sagen zum "Djihad" zu vermeiden. Bei internen Veranstaltungen der Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 63 IGMG wird dieser Grundsatz jedoch nicht immer eingehalten, wie die Predigt eines Gastredners am 8. Juli zeigt: "Diejenigen, die den Koran aufmerksam lesen, werden verstehen, dass sie keine Armseligen sind, die unter der Macht der Ungläubigen leben. Denn der Koran verlangt von ihnen eine unabhängige freie Verwaltung. Er verlangt sogar, dafür sein Leben zu opfern. Um ein Muslim zu sein, genügt es nicht, den Titel Muslim zu tragen. (...) Der Muslim muss sich bemühen, die Religion Allahs an die Macht zu bringen." Die IGMG bestreitet immer wieder, dass die "Milli Gazete" ihr publizis"Milli Gazete" tisches Sprachrohr sei. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte jedoch als Sprachrohr am 9. Juli 2004 bestätigt, dass sich Programm und Zielsetzung von der IGMG "Milli Gazete" und IGMG decken. Dies machte die "Milli Gazete" in ihrer Ausgabe vom 1. März erneut deutlich. Sie bekräftigte ihr Bekenntnis zur Milli Görüs-Bewegung, indem sie erklärte, dass sie für die "gerechte Wirtschaftsordnung" eintrete. Die Befreiung der gesamten Menschheit hänge u.a. von der Wiedererrichtung einer "Groß-Türkei" und einer "neuen Welt" unter Führung von Milli Görüs ab. Vereinzelt distanziert sich zwar die IGMG von Artikeln der Zeitung, jedoch führen IGMG und "Milli Gazete" gemeinsame Veranstaltungen durch, auf denen für das Blatt geworben wird. Die Nähe von IGMG und "Milli Gazete" zeigt sich nach wie vor am Gesamtbild der Berichterstattung. So erschienen nach dem Tod der Ehefrau von Prof. Necmettin Erbakan in der "Milli Gazete" vom 24. Oktober großformatige Traueranzeigen, in denen der IGMG-Vorstand und der IGMG-Vorsitzende Yavuz Celik Karahan dem Führer der Milli Görüs-Bewegung ihr Beileid bekundeten. Dies belegt die enge Verbindung der IGMG zu Prof. Erbakan und zur "Milli Gazete" erneut. Auch Kinder der IGMG-Mitglieder werden bereits in Lehrbüchern auf die "Milli Gazete" hingewiesen. Am 30. September 2004 und am 14. April 2005 durchsuchte die Polizei Durchsuchungsdie IGMG-Zentrale Südbayern in München. Vorangegangen waren bei der aktionen Durchsuchung im September 2004 Ermittlungen wegen Volksverhetzung gegen einen noch unbekannten Imam, der im Februar 2004 zur Tötung von Juden und Christen aufgerufen haben soll. Bei der Durchsuchung am 14. April war nicht nur die IGMG-Zentrale Südbayern betroffen, sondern auch Objekte des Islamischen Zentrums München (IZM) und der Islamischen Gemeinde Nürnberg (IGN). Anlass dieser Exekutivmaßnahmen waren die Ermittlungen gegen zwei Personen wegen des Verdachts der Geldwäsche. Die IGMG ist in diesem Verfahren nicht beschuldigt. Bei der Durchsuchung am 30. September 2004 wurden mehrere Computer sowie zahlreiche Bücher, Videokassetten und CDs beschlagnahmt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 64 Ausländerextremismus Darunter befanden sich Veröffentlichungen über Prof. Necmettin Erbakan, die islamistischen Parteien der Türkei und die Milli Görüs-Bewegung. In den beschlagnahmten Büchern wird die Feindschaft gegen Juden, Freimaurer und Christen sowie die Ablehnung des Westens und der Demokratie sichtbar. Weitere beschlagnahmte Publikationen betonen die Bedeutung des "Djihads" und die Allgemeingültigkeit des Islam. Das Medienangebot der IGMG-Südbayern belegt, dass die Führung des Verbands der Ideologie Prof. Erbakans und dessen Saadet Partisi (SP) treu ergeben ist. Medienangebot Neben einem umfangreichen Buchsortiment wurden auch Videokassetder IGMG ten zur Verbreitung vorrätig gehalten. Beispielhaft ist hier der auf Kinder zugeschnittene Zeichentrickfilm "Kücük Mücahid" (Der kleine Glaubenskämpfer) zu nennen, der Kindern den (bewaffneten) Guerillakampf gegen "Besatzer" vermittelt; derselbe Zeichentrickfilm wurde auch bei Anhängern des verbotenen "Kalifatsstaats" aufgefunden. Bemerkenswert ist, dass die IGMG-Zentrale Südbayern auch ein Propagandavideo der palästinensischen Widerstandsbewegung HAMAS vorrätig hielt. Mit einem breiten Angebot in der Jugendund Sozialarbeit versucht die IGMG, junge Türken in Deutschland an die Organisation zu binden. So führte die IGMG wie bisher Sommerkorankurse durch. Diese so genannten "Sommerschulen" sind eingebettet in ein von der IGMG-Zentrale verabschiedetes Bildungsprogramm. Dazu gehört auch Islamunterricht ab dem Kindergarten bis zur 8. Klasse. Bei einer Veranstaltung am 25. Juli 2004 in Neu-Ulm zum Thema "SituaKinderund tion muslimischer Kinder im deutschen Bildungssystem" warb die IGMG Jugendarbeit sogar für eigene muslimische Kindergärten. Durch diese Angebote sollen Kinder und Jugendliche aus dem "Sumpf der westlichen Lebensweise" herausgehalten und nach "islamischen" Wertmaßstäben erzogen werden. 3.11.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) Deutschland Bayern Anhänger: 800 120 früherer Vorsitzender: Metin Kaplan Gründung: 1984 Sitz: Köln Publizistisches Sprachrohr: "Barika-I Hakikat" (Aufleuchten der Wahrheit) In Deutschland seit 12. Dezember 2001 verboten Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 65 Der "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti) war eine am Führerprinzip orientierte, streng hierarchisch gegliederte Organisation. Das Endziel dieses "Staates ohne Staatsgebiet" war die Weltherrschaft des Islam unter dem Kalifat seines Anführers Metin Kaplan. Als erste Stufe auf dem Vereinsverbot Weg zu diesem Ziel erstrebte der "Kalifatsstaat" den gewaltsamen Sturz des laizistischen Regierungssystems in der Türkei. Er lehnte Demokratie und jede Trennung von Politik und Religion strikt ab. Damit richtete er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung und gefährdete die Innere Sicherheit in Deutschland. Das Bundesministerium des Innern verbot deshalb am 12. Dezember 2001 die Vereinigung "Kalifatsstaat" mit 17 ihrer Teilorganisationen, darunter alle vier bayerischen Verbände. Am 19. September 2002 wurden weitere 16 Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" vom Bundesministerium des Innern verboten. Das Bundesverwaltungsgericht bestäEmblem des tigte am 27. November 2002 die Verbote. Kalifatsstaats Der als "Kalif von Köln" bekannt gewordene Islamistenführer und frühere Vorsitzende des "Kalifatsstaats" Metin Kaplan, der wegen Mordaufrufs eine vierjährige Gefängnisstrafe in Deutschland verbüßt hatte, wurde 2004 in die Türkei abgeschoben. Dort wurde er am 20. Juni wegen Landesverrats und versuchter Terroranschläge von einem Gericht in Istanbul zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Am 2. Dezember hob das zuständige Berufungsgericht in Istanbul das Urteil auf und verwies den Fall zur Neuverhandlung zurück. Ungeachtet der Verbotsverfügungen versuchten ehemalige Mitglieder des "Kalifatsstaats", sowohl organisatorische Zusammenhänge aufrecht zu erhalten als auch die Lehren des "Kalifen" weiterhin zu verbreiten. Zu diesem Zweck wurden nach 2002 die Publikationen "Asr-I Saadet" Publikationen und "D.I.A." (Die Islamische Alternative) herausgegeben, die nach Inhalt und Diktion dem verbotenen "Kalifatsstaat" zuzuordnen waren. Beide Zeitungen haben ihr Erscheinen inzwischen eingestellt. Die Nachfolgepublikation "Barika-I Hakikat" (Aufleuchten der Wahrheit) beschäftigt sich vor allem mit der "politischen Vorherrschaft Israels und der USA" sowie mit dem Palästina-Konflikt. Am 23. November wurden eine Moschee und 25 Wohnungen von Anhängern des "Kalifatsstaats" durchsucht. Gegen die Betroffenen besteht der Verdacht der strafbaren Fortführung von Vereinsaktivitäten. In den Regionen Ingolstadt und Schwabach waren 22 Wohnungen und eine Moschee betroffen. Dort konnte umfangreiches Material sicherVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 66 Ausländerextremismus gestellt werden, so u.a. Literatur des "Kalifatsstaats", PCs, Flugblätter, Fahnen und Videos. Die auch nach dem Verbot durchgeführten umfangreichen Exekutivmaßnahmen gegen Anhänger des "Kalifatsstaats" sowie die Abschiebung des früheren "Kalifen" Metin Kaplan und seine Verurteilung in der Türkei haben den organisatorischen Zusammenhalt in Bayern nachhaltig geschwächt. Die Aktivitäten der Anhänger sind stark zurückgegangen. 4. Verbote sonstiger islamistischer Organisationen 4.1 Multi-Kultur-Haus Ulm e.V. (MKH) Bayern Mitglieder: 40 Vorsitzender: Ramez Aly Gründung: 21.06.1996 Sitz: Neu-Ulm Publizistisches Sprachrohr: "Denk mal Islamisch" (DmiZ) Seit 28. Dezember 2005 verboten Am 28. Dezember wurde das MKH vom Bayerischen Staatsministerium Vereinsverbot des Innern verboten, das Vereinsvermögen beschlagnahmt und ein zugehöriges Grundstück eingezogen. Vom MKH gingen Bestrebungen aus, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten. Das MKH war ein vorwiegend in Bayern tätiger und in Baden-Württemberg vereinsrechtlich eingetragener Verein. Die Szene im Umfeld des MKH war bereits seit längerer Zeit im Blickfeld der bayerischen und baden-württembergischen Sicherheitsbehörden. Am 12. Januar führte eine länderübergreifende Ermittlungsgruppe polizeiliche Durchsuchungen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung durch. Am 18. Februar folgten Durchsuchungen u.a. des MKH im Rahmen eines gewerberechtlichen Ermittlungsverfahrens. Im Februar und Hassprediger im Juni wurden Hassprediger des MKH von Bayern und Baden-Württemim MKH berg nach Ägypten abgeschoben. Am 23. September schließlich wurden die Räumlichkeiten des Vereins, der Vereinssitz in Neu-Ulm sowie fünf Privatwohnungen von maßgeblich Verantwortlichen des Vereins in Baden-Württemberg und Bayern im Rahmen eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens durchsucht. Es bestand der Verdacht, dass im Umfeld des MKH islamistisches Gedankengut verbreitet und für den Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 67 "bewaffneten Djihad" geworben wird. Dieser Verdacht bestätigte sich bereits nach Auswertung eines nur kleinen Teils des am 23. September sichergestellten Materials in vollem Umfang. Neben umfangreichem Schriftgut wurden auch zahlreiche verfassungsfeindliche Inhalte in Bild, Ton und Film sichergestellt. Die im MKH zu Unterrichtszwecken eingesetzten Lehrbücher und verbreiteten Publikationen, die in der Bibliothek des MKH zum Verleih oder Verkauf an Mitglieder und Besucher vorgehaltenen Medien, die bei Funktionären sichergestellten Medien, die öffentlichen Äußerungen von Funktionären sowie die Freitagsgebete im MKH waren geprägt von einer massiven, gebetsmühlenartigen Hetze gegen die parlamentarische Demokratie, gegen Andersgläubige, gegen Juden und den Staat Israel und beinhalteten offene Aufrufe zur Bekämpfung bzw. Tötung Antisemitismus Andersgläubiger und zur Vernichtung der Juden bzw. des Staates Israel. und Djihadismus Der "Djihad" wurde durchwegs als individuelle Pflicht jedes Muslim im MKH propagiert. Die folgenden Beispiele geben hierzu einen exemplarischen Einblick: In einem in der Bibliothek aufliegenden Taschenbuch "Glaubenslehre Medienangebot der sunnitischen Gemeinschaft" wurden Christen und Juden als Feinde präsentiert, die hinzurichten seien, wenn sie nicht bereuten und zum Islam überträten. Ähnliche Aussagen fanden sich auch in dem Schulbuch "Der Djihad für die Sache Gottes", das im so genannten Frauengebetsraum sichergestellt wurde. Auf Audiokassetten, die ebenfalls in der Bibliothek sichergestellt wurden, wurde offen zur Tötung von Juden aufgerufen: "Oh Würdiger, oh Liebesfreundlicher, schicke uns Bomben, die Juden umzubringen!" Eine in der Teeküche des MKH gefundene CD mit dem Titel "Iraq" enthielt folgende Aussage: "Siegen heißt nicht nur, die Ungläubigen zu töten, sondern sich selbst zu töten, um die Ungläubigen zurückzuschlagen! (...) Wer die Christen, Juden, ihre Verbündeten ... bekämpft ist ein Märtyrer!" Bei einem früheren Verantwortlichen des MKH stellte die Polizei eine CD mit dem Titel "Tor der Trauer" sicher, auf der der Märtyrertod glorifiziert und unmissverständlich zum "Djihad gegen Ungläubige" aufgerufen wurde: " ... der Kampf in Tschetschenien ist ein wundervolles Beispiel islamischer Einheit durch Meldungen von Glaubensbrüdern aus aller Welt zum Djihad." Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 68 Ausländerextremismus Dass sich einzelne Islamisten von einem derartigen Aufruf zum "Djihad" und Verherrlichung des Märtyrertums auch angesprochen fühlen können, zeigt der Tod von zwei aus der Region stammenden Extremisten in Tschetschenien, darunter ein zum Islam konvertierter gebürtiger Schwabe. 4.2 Verlagsgesellschaft Yeni Akit GmbH Das Bundesministerium des Innern verfügte am 22. Februar ein vereinsVereinsverbot rechtliches Verbot der Verlagsgesellschaft Yeni Akit GmbH mit Sitz in Hessen. Gegenstand des Unternehmens war der Handel und Vertrieb von türkischen Zeitungen und Illustrierten in Deutschland. Seit Ende 2001 gab die Yeni Akit GmbH als einzige Publikation die türkischsprachige islamistische Tageszeitung "Anadoluda Vakit" (Stimme Anatoliens) heraus. Bei der Zeitung handelte es sich um die Europa-Ausgabe der gleichnamigen in der Türkei hergestellten Zeitung. Die "Anadoluda Vakit" ist in der Vergangenheit u.a. durch Antisemitismus, Verharmlosung des Nationalsozialismus und durch antiamerikanische Inhalte bekannt geworden. Das Verbot stellt fest, dass Zweck und Tätigkeit der Yeni Akit GmbH durch Herausgabe der Zeitung "Anadoluda Vakit" den Strafgesetzen zuwiderliefen und gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet seien. In der Verbotsbegründung heißt es, die Geschäftsleitung des Verlags und ihre Mitarbeiter verbreiteten in der "Anadoluda Vakit" Volksverhetzung volksverhetzende Inhalte. Diese hätten sich vor allem gegen den Staat Israel, gegen Juden und gegen die westliche Gesellschaftsordnung gerichtet. So habe ein Kolumnist in der "Anadoluda Vakit" vom 5. November 2004 die "Feinde des Islam" bedroht und damit den gewaltsamen Tod des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh durch einen Marokkaner gerechtfertigt: "Nicht alle Tötungsdelikte sind auch Morde, wenn die Tötung für etwas geschah, für das man selber bereit ist zu sterben. Angreifer, Besatzer und Provokateure sollten in den Filmen, die sie drehen, in Büchern, die sie schreiben, und in Kolumnen, die sie verfassen, darauf achten, dass die Geduld der Menschen ... eine feine Grenze hat. Sie sollten darauf achten, dass die Geduld der Menschen nicht platzt. Und wenn sie das trotzdem tut, dann sollten sie Folgendes sehen: Es gibt etwas wie legale Selbstverteidigung! Es gibt keine Regel, die sagt: 'Ich schlage darauf los und die anderen müssen stillhalten.'" Ein Verbreitung der "Anadoluda Vakit" in Bayern konnte nur in Einzelfällen festgestellt werden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 69 5. Sonstige ausländerextremistische Gruppierungen 5.1 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) bzw. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Deutschland Bayern Anhänger: 11.500 1.800 Vorsitzender: Zübeyir Aydar Kurd. Volksführer: Abdullah Öcalan Leitung: Führungsfunktionäre der "Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa"(CDK) (in Abhängigkeit vom Vorsitzenden des KONGRA GEL bzw. KHK, dem kurdischen Volksführer Abdullah Öcalan und dem Exekutivkomitee des KONGRA GEL) Gründung: 1978 in der Türkei Publikation: "Serxwebun" (Unabhängigkeit) In Deutschland seit 26. November 1993 verboten Der Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) ist identisch mit der mehrfach umbenannten, in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die PKK hatte sich im April 2002 in Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) umbenannt. Weder bei dieser Umbenennung noch bei der Namensänderung am 15. November 2003 in KONGRA GEL erfolgten wesentliche Veränderungen in Organisation, Struktur und Ideologie. Das gegen die PKK erlassene vereinsrechtliche Betätigungsverbot aus dem Jahr 1993 erstreckt sich deshalb auch auf den KONGRA GEL. Der Rat der Europäischen Union hat am 2. April EU-Terrorliste 2004 beschlossen, den KONGRA GEL und seine Vorgängerorganisation KADEK - wie bereits mit der PKK am 2. Mai 2002 geschehen - als Terrororganisation einzustufen. Der Bundesgerichtshof stellte am 21. Oktober 2004 fest, dass die Führungsspitze des KONGRA GEL auch weiterhin als kriminelle Vereinigung einzustufen ist. Die Führungsebene der ehe"Kriminelle maligen PKK sei schon wegen ihres Bestrafungssystems als kriminelle Vereinigung" Vereinigung zu bewerten; daran habe sich auch durch den angeblichen Kurswechsel der Organisation nichts Wesentliches geändert. 5.1.1 Allgemeines Der KONGRA GEL ist eine gut organisierte, straff geführte, ursprünglich marxistisch-leninistisch geprägte Kaderorganisation, dessen Ziele aus einer Mischung von sozialistischem und nationalistischem Gedankengut bestehen. Im Mittelpunkt stand über zwei Jahrzehnte der aktive Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 70 Ausländerextremismus "revolutionäre Kampf" für ein freies und unabhängiges Kurdistan. Nach der Festnahme des damaligen PKK-Führers Abdullah Öcalan im Jahr 1999 kam es zu einer taktisch bedingten Mäßigung. Die Organisation verzichtete auf ihr ursprüngliches Ziel, durch bewaffneten Kampf einen eigenen kurdischen Staat durchzusetzen. Nach Aufkündigung des "Friedenskurses" durch den KONGRA GEL zum 1. Juni 2004 haben allerdings die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den "Volksverteidigungskräften" (HPG) - den Guerillaeinheiten des KONGRA GEL - und türkischen Sicherheitskräften wieder zugenommen. Anspruch auf Der KONGRA GEL hält wie früher die PKK an seinem Anspruch fest, im Führungsrolle im Kampf der Kurden die Führungsrolle einzunehmen. In der VergangenKampf der Kurden heit kam es deshalb wiederholt zu Auseinandersetzungen auch militärischer Art mit konkurrierenden Kurdenorganisationen. Der KONGRA GEL versteht sich auch als die alleinige Vertretung der in Deutschland lebenden rund 500.000 türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit, obwohl sich nur etwa 10 % dieser Volksgruppe zum KONGRA GEL bekennen. Abdullah Öcalan wurde in der Satzung des KONGRA GEL erstmals als kurdischer Volksführer bezeichnet. Vorsitzender des KONGRA GEL ist der ehemalige Führungsfunktionär des KONGRA GEL-dominierten "Kurdischen Nationalkongresses" (KNK) Zübeyir Aydar. Konspirative Die hauptamtlichen Kader des KONGRA GEL leben äußerst konspirativ Betätigung an häufig wechselnden Orten. Die KONGRA GEL-Anhängerschaft ist in zahlreichen, der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) angegliederten örtlichen Vereinen organisiert. Diese Vereine, die sich nach außen als reine Kulturvereine darstellen, haben die Aufgabe, Ziele und Politik des KONGRA GEL unter den Anhängern zu verbreiten und zu fördern. Darüber hinaus bedient sich der KONGRA GEL zahlreicher vom Betätigungsverbot nicht erfasster Nebenorganisationen ("Y-Gruppen"), die verschiedene Zielgruppen innerhalb der kurdischen Bevölkerung für den KONGRA GEL gewinnen sollen. Finanzierung Der KONGRA GEL finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen, dem Verkauf von Publikationen und den Einnahmen aus Veranstaltungen. Den größten Anteil der Einnahmen erbringt die jeweils von September bis Januar durchgeführte Spendenkampagne. Es gibt Hinweise, dass der KONGRA GEL auch vom Rauschgifthandel profitiert, indem er beispielsweise kurdische Drogenhändler abschöpft. Der KONGRA GEL bemüht sich weiterhin, über den "Internationalen Kurdischen Arbeitgeberverband" (KARSAZ) das Wirtschaftspotenzial der in Europa lebenden Kurden zu kontrollieren. KARSAZ unterhält Niederlassungen in Frankfurt am Main und in Berlin. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 71 Ein wichtiges Propagandamedium ist der KONGRA GEL-nahe FernsehPropagandasender ROJ TV, der vom KONGRA GEL als Plattform zur Darstellung seimedien ner politischen Ziele genutzt wird. Die Beiträge gleichen in wesentlichen Punkten der Berichterstattung seines Vorgängers MEDYA-TV. Als weiteres Agitationsinstrument diente dem KONGRA GEL die türkischsprachige Tageszeitung "Özgür Politika" (Freie Politik), in der führende KONGRA GEL-Funktionäre regelmäßig Stellungnahmen publizierten. Die Zeitschrift versuchte, im Sinn des KONGRA GEL Einfluss auf die Politik im Mittleren Osten und besonders in den kurdischen Siedlungsgebieten zu nehmen. Darüber hinaus ist der KONGRA GEL mit einer eigenen Homepage im Internet präsent, deren Inhalte in deutscher, englischer, kurdischer und türkischer Sprache abgerufen werden können. Auch die "Volksverteidigungskräfte" des KONGRA GEL unterhalten eine eigene Internet-Seite in türkischer und kurdischer Sprache mit aktuellen Informationen über die HPG. Am 21. März wurde der Öffentlichkeit das von Abdullah Öcalan entwickelte Projekt des "Demokratischen Konföderalismus Kurdistans" (Koma Komalen Kurdistans - KKK) vorgestellt, dessen neue ideologische Ausrichtung als "Grundgesetz der kurdischen Demokratie" bezeichnet wird. Welches Ziel der KKK tatsächlich verfolgt, blieb bisher unklar. Ende März/Anfang April fand in den Bergen Kurdistans ein Kongress "Neue PKK" zum Wiederaufbau der "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan - PKK) statt, in dessen Verlauf die Gründung einer "neuen PKK" verkündet wurde. Einer Erklärung der "neuen PKK" zur Gründung zufolge sei dies als offizielle zweite Geburt der Organisation zu verstehen. Die "neue PKK" wird von Murat Karayilan geleitet, der schon den Führungsgremien von PKK, KADEK und KONGRA GEL angehörte. In der "Özgür Politika" vom 9. April erklärte Karayilan, dass die "neue PKK" nicht an die Stelle des KONGRA GEL trete, sondern sich innerhalb des KONGRA GEL etablieren werde. Sie betrachtet sich als politische und vor allem ideologische Avantgarde und zeichnet sich durch eine besondere Nähe zu Abdullah Öcalan aus. Die Gründung der "neuen PKK" entspricht dem Programm und der Satzung des KONGRA GEL, allerdings sind die tatsächlichen Aufgaben und Ziele bislang unklar. Der Wiederaufbau ist als Reaktion auf eine erhebliche Verunsicherung in der Gesamtorganisation zu werten. Die "neue PKK" lehnt nach eigenen Angaben Gewalt grundsätzlich ab, behält sich aber weiterhin das Recht Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 72 Ausländerextremismus auf legitime Selbstverteidigung vor. Insbesondere soll die militärische Komponente innerhalb des KONGRA GEL wieder gestärkt werden. Gegenwärtig liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die bisher festgestellten Veränderungen Auswirkungen auf einen möglichen Strategiewechsel der Organisation in Deutschland haben werden. In Bayern wurden bislang keine Aktivitäten der "neuen PKK" festgestellt. Mehrere KONGRA GEL-Nebenorganisationen haben sich erneut umbenannt bzw. neu organisiert. So erfolgte auf Anregung von Abdullah Öcalan die Gründung der Organisation "Verband der stolzen Frauen" (Koma Jinen Bilind - KJB). Sie umfasst die "Freiheitspartei der Frauen Kurdistans" (PAJK), die "Freien Frauenverbände" (YJA) sowie die Frauenguerilla (YJA-STAR). Ferner benannte sich die "Bewegung der freien Jugend Kurdistans" (TECAK) in "Vereinigung der demokratischen Jugendlichen Kurdistans" ("Koma Komalen Ciwanen Demokratik a Kurdistan" - KOMALEN-CIWAN) um; sie tritt bislang in Deutschland jedoch weiterhin unter der Bezeichnung TECAK auf. Aus der Jugendorganisation, welche die Zeitschrift "ÖZGÜR GENCLIK" (Freie Jugend) herausgibt, rekrutiert sich ein Teil der Guerilla des KONGRA GEL. Nicht selten wurden dabei in der Vergangenheit Jugendliche gegen den Willen ihrer Eltern zwangsverpflichtet und in Ausbildungslagern im benachbarten Ausland geschult, bevor sie zum Kampfeinsatz in die Türkei geschleust wurden. Eine weitere KONGRA GEL-Jugendorganisation wurde nach kurdischen Medienberichten im Mai unter der Bezeichnung "Demokratische Jugend" (Demokratik Genclik - DEM-GENC) gegründet. Aus ihr sollen die künftigen KOMALEN-CIWAN-Funktionäre gewonnen werden. In Bayern wurden bislang keine Aktivitäten der DEM-GENC festgestellt. Am 19. August 2005 verkündete der KONGRA GEL erneut einen einWaffenstillstand seitigen Waffenstillstand, der zunächst bis zum 20. September befristet war. Dieser wurde anschließend nochmals bis zum 3. Oktober, dem Beginn der Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei, verlängert. 5.1.2 Aktivitäten Trotz des PKK-Verbots im Jahr 1993 führten KONGRA GEL-Anhänger erneut eine Reihe von Veranstaltungen mit teilweise mehreren zehntausend Teilnehmern durch, zu denen auch Hunderte Personen aus Bayern anreisten. Die Polizei musste mehrfach wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz einschreiten. Die Veranstaltungen zeigen, dass die OrgaVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 73 nisation unverändert in der Lage ist, mehrere zehntausend Anhänger zu mobilisieren. Am 22. Januar nahm die Polizei aufgrund eines Festnahmeund Auslieferungsersuchens der Türkei den stellvertretenden Vorsitzenden des KONGRA GEL, Remzi Kartal, in der Nähe von Würzburg fest (vgl. auch Nummer 5.1.3 dieses Abschnitts). Dies rief bei KONGRA GEL-Anhängern europaweite Protestaktionen hervor. So verurteilten u.a. KNK und YEK-KOM die Haltung Deutschlands und stellten die Inhaftierung als Kriminalisierung im Exil lebender kurdischer Politiker dar. Dem deutschen Staat wurde Unterstützung der Türkei bei der Verletzung elementarer Menschenrechte vorgeworfen, außerdem wurde erklärt, dass man als in Deutschland lebender Kurde in Zukunft auf jeden Angriff eine klare und deutliche Antwort geben werde. Auch in München kam es zu Protestaktionen. Am 29. Januar demonstrierten rund 360 Personen in Nürnberg für die Freilassung Remzi Kartals. Redner übten Kritik an der Politik der Bundesrepublik Deutschland und vor allem an der Haltung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern. An den deutschlandweiten Feierlichkeiten zum kurdischen Neujahrsfest Newroz nahmen insgesamt etwa 16.000 Menschen teil. Das Newroz-Fest Newroz-Fest ist aus Sicht der Anhänger des KONGRA GEL ein Tag der Freiheit und des Widerstands und deshalb untrennbar mit der Geschichte des kurdischen Kampfs gegen Fremdherrschaft verbunden. Schwerpunkte der Newroz-Veranstaltungen in Bayern waren wie in den Vorjahren die Städte Nürnberg und München. Neben einem Aufzug des "Mesopotamischen Kulturzentrums Nürnberg e.V." am 20. März in Nürnberg fand am selben Tag in München eine von einem deutschen Linksextremisten angemeldete Newroz-Veranstaltung statt. Am 12. Mai rügte die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg den seinerzeitigen Prozessverlauf gegen Abdullah Öcalan in der Türkei als unfair, erkannte aber in Öcalans Festnahme im Februar 1999 in Kenia, seiner anschließenden Inhaftierung und seinen Haftbedingungen keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention und bestätigte damit die Entscheidung der Prozessverlauf Kleinen Kammer vom 12. März 2003. Sowohl der KONGRA GEL als gegen Öcalan auch die "Konföderation kurdischer Vereine in Europa" (KON-KURD), eine Nebenorganisation des KONGRA GEL, hatten zu europaweiten Protestveranstaltungen aufgerufen, an denen sich auch Demonstranten aus Deutschland beteiligten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 74 Ausländerextremismus Die KON-KURD startete am 14. Juli erneut eine Solidaritätskampagne für Abdullah Öcalan. Auch in Bayern wurde für die Aktion geworben. Ferner veranstalteten der KONGRA GEL bzw. ihm nahestehende Organisationen u.a. eine Kundgebung am 12. Februar in Straßburg/Frankreich anlässlich des sechsten Jahrestags der Festnahme Abdullah Öcalans, ein "2. Internationales ZILAN-Frauenfestival" am 18. Juni in Gelsenkirchen, ein "Mazlum Dogan Jugend-, Kulturund Sportfestival" am 15./ 16. Juli in Köln und das "13. Internationale Kurdistan-Kulturfestival" am 3. September in Köln. 5.1.3 Exekutivmaßnahmen und Gerichtsverfahren Neben verschiedenen Festnahmen und Gerichtsverfahren u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung, Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung, erpresserischen Menschenraubs, räuberischer Erpressung, Verabredung zum Mord und versuchten Mords im Auftrag der PKK bzw. des KONGRA GEL waren insbesondere folgende Gerichtsentscheidungen und Exekutivmaßnahmen von Bedeutung: Am 22. Januar wurde der stellvertretende Vorsitzende des KONGRA GEL, Remzi Kartal, in der Nähe von Würzburg auf dem Weg zu einer Veranstaltung des KONGRA GEL aufgrund eines Festnahmeund Auslieferungsersuchens der Türkei wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Am 1. März hob das Oberlandesgericht Bamberg den Haftbefehl auf, da das belastende Material nicht ausreichte. Die Ausländerbehörde erließ einen Ausweisungsbescheid gegen Kartal, der daraufhin nach Belgien ausreiste. Eine legale Rückkehr nach Deutschland ist damit für Kartal nicht möglich. Verlagsverbot Am 5. September verbot das Bundesministerium des Innern die in Neu-Isenburg/Hessen ansässige E. Xani-Presseund Verlags GmbH als Herausgeberin der Tageszeitung "Özgür Politika" und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die E. Xani-Presseund Verlags GmbH ist in die Organisationsstruktur des KONGRA GEL eingebunden. Durch die Art der Berichterstattung versorgt die "Özgür Politika" die Anhänger mit Informationen über den KONGRA GEL und gibt Vorgaben der Führung weiter. Das Bundesministerium des Innern leitete auch gegen die Organisationen "Mezopotamisa Haber Ajansi" (MHA), "ROJ Online/Welat Presseund Verlag GmbH/Welat GmbH", "Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH" und "MIR Musik-Verlag" ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Die Organisationen sind verdächtig, in die StruktuVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 75 ren des KONGRA GEL eingebunden zu sein. Die Polizei durchsuchte an rund 60 Orten in acht Bundesländern Geschäftsräume und Privatwohnungen, stellte zahlreiches Beweismaterial sicher und beschlagnahmte Bargeld. In Bayern wurde bei einem Journalisten der "Özgür Politika" in Nürnberg sowie beim Leiter der "Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH" in Aschaffenburg umfangreiches Propagandamaterial des KONGRA GEL sichergestellt. Das Verbot und die damit verbundenen Exekutivmaßnahmen lösten bei der europäischen Anhängerschaft des KONGRA GEL zahlreiche Protestaktionen aus, die nicht immer gewaltfrei verliefen. Am 8. Oktober gab das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dem Antrag der E. Xani-Presseund Verlags GmbH auf einstweiligen Rechtsschutz statt, womit die "Özgür Politika" wieder erscheinen durfte. In Umsetzung dieses Beschlusses machte das Bundesministerium des Innern sämtliche auf die sofortige Vollziehbarkeit gestützte Maßnahmen rückgängig; insbesondere wurden die einstweilen beschlagnahmten Gelder und Sachen zurückgegeben. Am 12. Januar Aufhebung der 2006 gab das Bundesverwaltungsgericht der Klage auf Aufhebung der Verbotsverfügung Verbotsverfügung statt. Mit Datum vom 16. Januar 2006 ist die Tageszeitung unter der Bezeichnung "Yeni Özgür Politika" (Neue Freie Poli"Yeni Özgür tik) wieder erschienen. Herausgeber ist nach eigenen Angaben eine am Politika" 7. Oktober 2005 gegründete "Medya Presseund Werbeagentur GmbH", deren Zentralbüro seinen Sitz in Neu-Isenburg hat. Vertretungen befinden sich laut Impressum in mehreren deutschen Städten, aber auch in der Schweiz, in Frankreich und in den Niederlanden. Im Dezember fanden mehrere Exekutivmaßnahmen im Umfeld des KONGRA GEL statt. So durchsuchte die Polizei in Bayern am 13. Dezember sowohl die Privatwohnung des 1. Vorsitzenden des Vereins "Internationales Kulturzentrum e.V." in Aschaffenburg als auch die Vereinsräume und stellte Beweismaterial sicher. 5.2 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Deutschland Bayern Mitglieder: 800 120 Gründung: 1978 in der Türkei Die Organisation ist gespalten in: * Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) * Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C Devrimci Sol) Die Devrimci Sol ist in Deutschland seit 1983 verboten, ihre beiden Spaltergruppen seit 1998. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 76 Ausländerextremismus Die 1978 gegründete und 1983 in Deutschland verbotene revolutionär-marxistische Devrimci Sol versteht sich als eine an den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus ausgerichtete Volksbewegung. Sie zählt zu den militantesten türkischen Extremistengruppen, die mit Hilfe einer Revolutionäre bewaffneten Revolution auf die Zerschlagung des türkischen Staates Zielsetzung zielen und in der Türkei terroristisch aktiv sind. Seit 1993 ist die Devrimci Sol in den "Karatas-Flügel", aus dem die 1994 in Syrien gegründete Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) hervorging, und den "Yagan-Flügel", aus dem sich die Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C Devrimci Sol) entwickelte, gespalten. Das Bundesministerium des Innern verfügte am 13. August 1998 gegen die DHKP-C als Ersatzorganisation der Devrimci Sol ein Vereinsverbot und gegen die THKP-C Devrimci Sol ein Betätigungsverbot. Beide Verbote sind bestandskräftig. Mit Beschluss vom 2. Mai 2002 nahm die Europäische Union die DHKP-C in die EU-Terrorliste auf. Örtliche Schwerpunkte der DHKP-C mit insgesamt rund 110 Anhängern in Bayern bestehen in Aschaffenburg, München, Neu-Ulm, Regensburg und Nürnberg; für die THKP-C Devrimci Sol sind in Bayern nur einzelne Mitglieder aktiv. Die Agitation und der Kampf gegen den "Imperialismus", gegen die NATO, die USA sowie die türkische Staatsund Gesellschaftsordnung sind zentrale Elemente der Ideologie der türkischen linksextremistischen Gruppierungen. Einige von ihnen, wie die DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP), sehen ihr Heimatland Türkei als Kampfgebiet an, in dem auch terroristische Anschläge zur Erreichung politischer Ziele als legitimes Mittel betrachtet werden. Der mutmaßliche DHKP-C-Tarnverein "Anatolische Föderation e.V." führte im Februar und März in Deutschland und den angrenzenden Staaten die Kampagne "Gemeinsam gegen Rechtsraub" durch. Diese richtete sich vorgeblich gegen Sozialabbau, gegen "Hartz IV" und gegen Ausländerfeindlichkeit. Zu diesen Themen wurden einige Demonstrationen sowie mehrere "Info-Tische" durchgeführt. Anlässlich des Selbstmords eines Anhängers der türkischen "Revolutionären Volksbefreiungsfront" (DHKC), des militärischen Arms der DHKP-C, protestierten am 30. Mai etwa ein Dutzend mutmaßlicher DHKP-C-Sympathisanten vor den türkischen Generalkonsulaten in Düsseldorf und Frankfurt am Main. Der Selbstmord geschah aus Protest gegen den Bau neuer Gefängnisse in der Türkei, in denen anstelle der bisherigen Großraumzellen Einzelzellen eingerichtet werden. Im November 2000 hatten linksextremistische Häftlinge in der Türkei aus Protest gegen die Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 77 Gefängnisreform ein "Todesfasten" begonnen. Seit Mai 2002 ist die DHKP-C die einzige Organisation, die noch daran festhält. Insbesondere das der DHKP-C nahe stehende "Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei" (TAYAD) thematisierte u. a. mit kleinen Kundgebungen vor türkischen Generalkonsulaten in Deutschland weiterhin das "Todesfasten". Mit einer Erklärung "Unsere Stimme zur Bundestagswahl 2005 gilt den Linken" vom 28. August rief die "Anatolische Föderation e.V." u.a. auf ihrer Homepage dazu auf, bei der Bundestagswahl am 18. September "Parteien zu wählen, die gegen ,Hartz IV', Agenda 2010 und sozialen Abbau sind". Außerdem forderte sie das sofortige Ende der Abschiebungen, die Aufhebung des neuen Zuwanderungsgesetzes sowie das Verbot aller faschistischen und rassistischen Parteien. Am 27. Juni wurde ein Funktionär der DHKP-C von den Niederlanden an Deutschland ausgeliefert. Die am 26. Juli vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erhobene Anklage wirft ihm u.a. die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung vor. Er soll in der Zeit von Februar 1996 bis Juli 1997 als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C im Raum Köln und Hamburg an Spendengelderpressungen beteiligt gewesen sein. Als Märtyrer verehrt die DHKP-C Eyüp Beyaz, der am 1. Juli einen Sprengstoffanschlag auf das Justizministerium in der türkischen Hauptstadt Ankara begehen wollte. Er wurde von Sicherheitskräften erschossen, was die DHKP-C als "Beweis für die Willkür des türkischen Staates" wertet. Auch von Anhängern in Bayern wurde die angebliche "Hinrichtung" diskutiert, sie war auch Thema beim alljährlichen Picknick der DHKP-C am 16. Juli in der Nähe von Stuttgart-Echterdingen, an dem etwa 300 Personen - auch aus Bayern - teilnahmen. Rund 90 türkische Linksextremisten protestierten am 1. Oktober mit einem Demonstrationszug durch die Kölner Innenstadt gegen die geplanten Beitrittsgespräche zwischen der Europäischen Union und der Türkei. In deutscher Sprache bezeichnete ein Redner die EU als "Bedrohung für die demokratischen Rechte und Freiheiten" und als "aggressives imperialistisches Bündnis". Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 78 Ausländerextremismus 5.3 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Deutschland Bayern Mitglieder: 1.800 120 Gründung: 1972 in der Türkei Die Organisation ist gespalten in: * Maoistische Kommunistische Partei (MKP), ehemals Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) * Partizan-Flügel (TKP/ML) Die Entwicklung der TKP/ML ist seit dem Ende der 70er Jahre durch eine Vielzahl von Fraktionsbildungen und Abspaltungen geprägt. Im Jahr 1994 spaltete sich das Ostanatolische Gebietskomitee (DABK) vom so genannten Partizan-Fügel der TKP/ML ab. Dies führte zur Bildung von zwei neuen unabhängig voneinander existierenden Organisationen, die sich beide als Nachfolgeorganisation der ursprünglichen TKP/ML sehen. Während der Partizan-Fügel nach wie vor die Bezeichnung TKP/ML verwendet, hat sich das DABK im Jahr 2002 in Maoistische Kommunistische Partei (MKP) umbenannt. Beide Organisationen vertreten die Ideologie des Marxismus-Leninismus, ergänzt um die Ideen Mao Tse-tungs, befürworten den bewaffneten Kampf als Grundform ihres Handelns und propagieren den bewaffneten Bürgerkrieg mit anschließender Bildung einer Volksregierung. Mit der Türkischen Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) auf Seiten der TKP/ML und der Volksbefreiungsarmee (HKO) auf Seiten der MKP unterhalten beide Gruppierungen in der Türkei bewaffnete Guerillagruppen. Organisation In Deutschland organisierten sich die Anhänger der TKP/ML (Partizan-Flüin Deutschland gel) in der 1976 gegründeten Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) und der Ende 1986 gebildeten Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK). Beide Vereinigungen präsentieren sich als Massenorganisationen und tarnen ihre Verbindungen zur TKP/ML weitgehend. Die Anhänger der MKP sind seit Sommer 1997 in den beiden Basisorganisationen Föderation für demokratische Rechte in Deutschland (ADHF) bzw. Konföderation für demokratische Rechte in Europa (ADHK) organisiert. Der Partizan-Flügel der TKP/ML gab anlässlich der Demonstration am 9. Januar in Berlin zum 85. Jahrestag des Todes von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht eine Flugschrift in deutscher und türkischer Sprache heraus. Darin äußerte die Organisation die Hoffnung, dass "die bitteren Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 79 Ergebnisse des Globalisierungsmärchens...die gesellschaftlichen Massenbewegungen weiterhin auf die Straßen bringen" werden. Eine derartige Massenbewegung könne auch als historische Gelegenheit für die Revolution ausgenutzt werden. Voraussetzung sei aber, dass die deutsche revolutionäre Arbeiterbewegung sich von ihrer unbeweglichen Faulheit befreie. Man könne nur hoffen, dass die langsam erwachende Arbeiterklasse in Europa auch bald in Deutschland aus ihrem Winterschlaf erwache und sich von den Klassenkämpfen in anderen Teilen der Welt beeinflussen lasse. Das Näherrücken einer "revolutionären Phase" sei jedoch auch davon abhängig, dass es eine "neue Rosa" (Luxemburg) und einen "neuen Karl" (Liebknecht) gäbe, die jedoch in Deutschland ebenso wenig in Sicht seien wie eine "echte kommunistische Partei". Damit nahm die TKP/ML erstmals zur politischen Situation in Deutschland Stellung; bisher hatte sie in ihren Schriften nur gegen die Türkei agitiert. Die ATIK führte vom 25. bis 27. März in Frankfurt am Main ihren Jahreskongress durch, an dem etwa 300 Personen teilnahmen. Eines der zentralen Agitationsthemen der Veranstaltung richtete sich gegen "Hartz IV". Zum Gedenken an den 32. Todestag von Ibrahim Kaypakkaya, Gründer der TKP/ML, organisierten die MKP-Fraktion und der Partizan-Flügel im Mai in mehreren deutschen Städten Veranstaltungen, an denen insgesamt rund 5.000 Anhänger aus dem gesamten Bundesgebiet und dem westlichen Ausland teilnahmen. Nach Presseberichten sollen am 18. Juni in der Provinz Tunceli im Südosten der Türkei 17 Anhänger der MKP - darunter ein früher in Deutschland aktiver Funktionär - von der Armee getötet sowie drei Anhänger verhaftet worden sein. In mehreren deutschen Städten protestierten daraufhin linksextremistische türkische Gruppen (darunter MKP, MLKP, DHKP-C und KONGRA GEL) gegen dieses "Massaker". Die Proteste wurden zum Teil von deutschen linksextremistischen Gruppen unterstützt. In einer Erklärung der MKP hieß es: "Wir werden nicht aufgeben und resignieren! (...) Unsere Antwort auf diese Massaker wird die Volksrevolution sein." Vor der Bundestagswahl am 18. September forderten türkische LinksAufruf zur extremisten, so auch die TKP/ML, auf ihren Internet-Seiten zur Wahl Bundestagswahl deutscher linksextremistischer Parteien auf. Vordergründig wurden dabei die "bürgerlichen/etablierten Parteien" angegriffen, ohne die eigenen ideologischen Ziele, nämlich Marxismus, Leninismus oder Maoismus, erkennen zu lassen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 80 Ausländerextremismus 5.4 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Deutschland Bayern Mitglieder: 600 40 Gründung: 1994 in der Türkei Publikation: "Yeniden Atilim" (Neuer Vorstoß) Die in der Türkei verbotene und terroristisch operierende MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Wie die TKP/ML und die Devrimci Sol erstrebt sie die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Errichtung einer kommunistischen Diktatur. Ihre Basisorganisation ist die Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V. (AGIF) mit Sitz in Köln. Am 16. und 17. April wurde in Duisburg als Dachorganisation der AGIF die "Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa" (Avrupa Ezilen Göcmen Konfederasyonu - AvEG-Kon) gegründet. Am Gründungskongress nahmen etwa 500 Personen aus ganz Europa teil. Thematische Schwerpunkte der MLKP waren - wie bei der TKP/ML und MKP - der Konflikt im Irak, Imperialismus, NATO und "Hartz IV". Auch in diesem Jahr beteiligte sich die MLKP in Deutschland wieder an der alljährlichen Luxemburg-Liebknecht-Gedenkdemonstration am 9. Januar in Berlin, zu der Anhänger der Organisation aus dem gesamten Bundesgebiet anreisten. Des weiteren nahmen MLKP-Anhänger am 12. Februar in München anlässlich der Sicherheitskonferenz an einer Anti-NATO-Demonstration und am 8. März an Demonstrationen zum Internationalen Frauentag teil. 5.5 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) Deutschland Bayern Mitglieder: 8.000 1.500 Vorsitzender: Cemal Cetin Gründung: 1978 Sitz: Frankfurt am Main Publikation: "Türk Federasyon Bülteni" Die nationalistische ADÜTDF vertritt eine extreme Variante des türkischen Nationalismus, die in der Türkei seit längerer Zeit durch die "ParVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 81 tei der Nationalen Bewegung" (MHP) vertreten wird. Die Führung der Organisation verehrt nach wie vor offen Alparslan Türkes, den 1997 verstorbenen langjährigen MHP-Vorsitzenden. In Bayern sind dem Verband etwa 30 Vereine zuzurechnen. Die Anhänger der ADÜTDF werden häufig auch als "Graue Wölfe" bezeichnet. Ihr "Graue Wölfe" Erkennungszeichen ist ein mit fünf Fingern stilisierter Wolfskopf. Das Ziel der ADÜTDF war bisher, die größte türkische Einrichtung in Westeuropa zu werden. Sie war deshalb auch ein Sammelbecken von Anhängern der MHP, die eine Großtürkei nach osmanischem Vorbild propagierte. Dieses Streben der ADÜTDF nach Dominanz stand einer echten Integration der Türken wie auch der Muslime in die deutsche Gesellschaft entgegen. Türkischen Jugendlichen wurde die Überlegenheit der Türken suggeriert, so dass viele von ihnen ein Gruppenbewusstsein entwickelten, das sich gegen die deutsche Gesellschaft richtete. Zwar riet der Verband den Mitgliedern, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, Motiv hierfür waren aber nur die damit verbundenen größeren Einflussmöglichkeiten. Seit einiger Zeit bemüht sich die Parteiführung der MHP unter Devlet Bahceli, der Partei ein konservatives und europafreundliches Erscheinungsbild zu geben. Dies findet jedoch nicht die ungeteilte Zustimmung aller Mitglieder, weshalb sich ein Teil der "wahren Idealisten" zurückzieht. Dennoch gibt es weiterhin Anhaltspunkte für nationalistische und rassistische Einstellungen in der ADÜTDF. Festzustellen sind auch Aktivitäten der ADÜTDF und ihrer Mutterpartei gegen den Gedanken der Völkerverständigung, vor allem gegen das friedliche Zusammenleben der Völker. Vereinzelt finden sich auch islamistische Ansätze. 5.6 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) / Volksmudjahidin Iran (MEK) Deutschland Bayern Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Mitglieder: 900 200 Gründung: 1981 in Paris (in Deutschland vertreten seit 1994) Sitz: Berlin Deutschlandvertreterin: Dr. Bolourchi Massoumeh Volksmudjahidin Iran (MEK) Gründung: 1965 im Iran Leitung: Massoud Radjavi Publikation: "Mojahed" (Glaubenskämpfer) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 82 Ausländerextremismus Der NWRI ist ein Zusammenschluss iranischer Oppositionsgruppen und Einzelpersonen. Im August 1993 bildete der NWRI ein Exilparlament und rief die Generalsekretärin der MEK, Maryam Radjavi, zur "künftigen Präsidentin des Irans" aus. Zu den Aufgaben der im westlichen Ausland tätigen MEK-Organisationen gehören umfangreiche Propaganda-Aktivitäten und Maßnahmen zur Geldbeschaffung. Der NWRI und die MEK wollen das iranische Regime stürzen und halten dafür den bewaffneten Kampf für notwendig. Der NWRI ist der weltweit politisch agierende Arm der MEK. Die MEK galt bis zur Besetzung des Iraks durch amerikanische und britische Truppen als stärkste und Militante iranische militanteste Oppositionsgruppe, die vom Irak aus im Iran operierte. Zu Oppositionsgruppe diesem Zweck unterhielt die MEK in der Vergangenheit ihren bewaffneten Arm "National Liberation Army" (NLA) im Irak, der für zahlreiche terroristische Anschläge im Iran verantwortlich war. Der Oberbefehlshaber dieser "Nationalen Befreiungsarmee" ist Massoud Radjavi, der Ehemann von Maryam Radjavi. Nach dem Sturz des irakischen Regimes im April 2003 schloss die NLA einen Waffenstillstand mit den US-Streitkräften; die rund 4000 Mitglieder wurden im Lager "Ashraf" im Irak unter US-Aufsicht gestellt und entwaffnet. Mittlerweile haben diese MEK-Angehörigen den Status "geschützter Personen" nach der Vierten Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten erhalten. Aufnahme der Die MEK, nicht jedoch der NWRI, wurde am 2. Mai 2002 in die Liste der MEK in die als terroristisch eingestuften Organisationen der Europäischen Union EU-Terrorliste aufgenommen. In Deutschland ist keine Abgrenzung zwischen der MEK und dem NWRI zu erkennen. Die Volksmudjahidin sind innerhalb der iranischen Exilopposition seit Jahren isoliert, da sie für sich in Anspruch nehmen, die "einzige demokratische Alternative" zum iranischen Regime zu sein. Tatsächlich ist die Organisation jedoch von innerparteilicher Demokratie weit entfernt. Darauf deuten die streng hierarchisch ausgerichtete Kaderstruktur und der sektenartige Führerkult um das Ehepaar Massoud und Maryam Radjavi hin. Die Organisation ist auch in hohem Maße gewaltbereit. ÖffentlichkeitsDie MEK-Anhänger versuchen, mit öffentlichen Aktionen wie Konzerarbeit ten und Informationsveranstaltungen Aufmerksamkeit zu erwecken und für ihre Ziele zu werben. Dazu nutzen sie Themen wie "Menschenrechtsverletzungen im Iran", "Protest gegen das iranische Atomwaffenprogramm", "Protest gegen den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad" und fordern die Streichung der Volksmudjahidin aus der Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 83 EU-Terrorliste. Derartige Veranstaltungen fanden am 10. Februar und am 9. Mai in Berlin, am 14. September in New York und am 19. September in Wien statt. Spenden werden nicht nur bei Anhängern und Sympathisanten, Finanzierung sondern auch öffentlich - in Bayern in Form von Haussammlungen - für angeblich humanitäre Zwecke gesammelt. Mit der Wahl des neuen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad erwartet der NWRI zukünftig eine verstärkte Unterdrückung des iranischen Volkes, den Export von Terrorismus und religiösem Fundamentalismus und das Streben nach Atomwaffen. Der NWRI fordert die westlichen Regierungen auf, die bisherige Politik gegenüber dem Iran zu ändern und den iranischen Widerstand zu unterstützen. Als Reaktion auf die Äußerung des iranischen Präsidenten zur Vernichtung Israels organisierte der NWRI am 7. November eine Protestdemonstration in Brüssel. Auch in einigen deutschen Städten protestierten Anhänger des NWRI gegen die Äußerungen Ahmadinedschads und forderten die Streichung der MEK aus der EU-Terrorliste. Die MEK und der NWRI versuchen nach wie vor, Politiker für ihre Ziele sowie für die Teilnahme an Veranstaltungen zu gewinnen, um sich in der Öffentlichkeit als freiheitsliebende und "demokratische" Exilbewegung darzustellen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 84 Ausländerextremismus 6. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) 1. Afghanische, arabische und maghrebinische Gruppen Al-Qaida und internationale islamische Front sunnitisch-extremistisch Muslimbruderschaft (MB) Risalat ul-Ikhwan sunnitisch-extremistisch - wöchentlich - Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Al-Islam - nur als Internet-Ausgabe - Al-Gamaa al-Islamiya (GI) sunnitisch-extremistisch Djihad Islami (JI) sunnitisch-extremistisch Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) Islamischer Bund Palästina (IBP) Al-Aqsa e.V. (in Deutschland rechtskräftig verboten seit 03.12.2004) sunnitisch-extremistisch Islamische Heilsfront (FIS) Al-Ribat (Das Band) sunnitisch-extremistisch - wöchentlich - Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) sunnitisch-extremistisch En Nahda sunnitisch-extremistisch Hizb ut-Tahrir Al-Khilafah (Das Kalifat) (in Deutschland seit 15.01.2003 verboten) - unregelmäßig - schiitisch-extremistisch Al-Waie Explizit - vierteljährlich - Hezb-i Islami Afghanistan (HIA) sunnitisch-extremistisch Ansar al-Islam sunnitisch-extremistisch Tablighi Jamaat (TJ) sunnitisch-extremistisch Al-Tauhid sunnitisch-extremistisch Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 85 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Hizb Allah (Partei Gottes) Al-Intiqad (Die Kritik) schiitisch-extremistisch - wöchentlich - Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) Al-Hourriah (Die Freiheit) marxistisch-leninistisch - wöchentlich - Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) Al-Hadaf (Das Ziel) marxistisch-leninistisch - wöchentlich - Democratic Palestine - zweimonatlich - Volksfront für die Befreiung Palästinas Ila-al-Amam (Vorwärts) - Generalkommando - (PFLP-GC) - wöchentlich - marxistisch-leninistisch Hizb al-Dawa al-Islamiya (Dawa) (Partei des islamischen Rufs / der islamischen Mission) schiitisch-extremistisch Islamisch-Irakische Gemeinschaft Deutschland e.V. (IIGD) schiitisch-extremistisch 2. Iranische Gruppen Islamische Vereinigung in Bayern e.V. (IVB) islamisch-extremistisch Union islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A) Qods (Jerusalem) islamisch-extremistisch - unregelmäßig - Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) Hambastegi (Solidarität) marxistisch - unregelmäßig - Volksmudjahidin Iran (MEK) Mojahed (Glaubenskämpfer) islamisch-extremistisch - wöchentlich - Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Sitz: Berlin islamisch-extremistisch 3. Kurdische Gruppen Volkskongress Kurdistans Serxwebun (Unabhängigkeit) (KONGRA GEL bzw. KHK) - monatlich - vormals: Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistan Report Kurdistans (KADEK) - zweimonatlich - davor: Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) marxistisch-leninistisch (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Teilorganisationen des KONGRA GEL: Volksverteidigungskräfte (HPG) vormals: Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 86 Ausländerextremismus Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa (CDK) vormals: Kurdische Demokratische Volksunion (YDK) davor: Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdischer Nationalkongress (KNK) Nebenorganisationen des KONGRA GEL: Kurdistan-Komitee e.V., Köln (seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informationsbüro in Deutschland (KIB) (seit 02.03.1995 verboten) Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) (seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) Haus der kurdischen Künstler e.V. vormals: HUNERKOM Verband der stolzen Frauen (Koma Jinen Bilind - KJB) umfasst: Freiheitspartei der Frauen Kurdistans (PAJK) Newaya Jin (Freie Frauen) vormals: Partei der Freien Frauen (PJA) - monatlich - davor: Union der freien Frauen aus Kurdistan (YAJK) bisher: Jina Serbilind (Die stolze Frau) Freie Frauenverbände (YJA) Frauenguerilla (YJA-STAR) Union der Journalisten Kurdistans (YRK) Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) Union zur Pflege der kurdischen Kultur und Kunst (YRWK) Welate Me (Unsere Heimat) Vereinigung der demokratischen Jugendlichen Kurdistans ÖZGÜR GENCLIK (Freie Jugend) (KOMALEN-CIWAN) vormals: Sterka Ciwan (Stern der Jugend) vormals: Bewegung der freien Jugend Kurdistans (TECAK) - zweimonatlich - davor: Union der Jugendlichen aus Kurdistan (YCK) Demokratische Jugend (DEM-GENC) Verband der StudentInnen aus Kurdistan (YXK) Ronahi (Licht) - dreimonatlich - Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Ausländerextremismus 87 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Demokratische Aleviten-Föderation (FEDA) Semah vormals: Föderation der Demokratischen Aleviten (DAV) vormals: Zülfikar davor: Union der Aleviten aus Kurdistan (KAB) - monatlich - Islamische Bewegung Kurdistans (KIH) Baweri (Glaube) Kurdischer Roter Halbmond (HSK) Roja Kurdistane (Sonne Kurdistans) 4. Türkische Gruppen 4.1 Linksextremisten Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-LeniIsci-Köylü Kurtulusu nisten (TKP/ML) (Arbeiter-Bauern-Befreiung) - zweimonatlich - Partizan-Flügel (TKP/ML) Devrim Yolunda Isci Köylü (Arbeiter und Bauern auf dem Weg der Revolution) - vierzehntägig - Maoistische Kommunistische Partei (MKP) Devrimci Demokrasi vormals: DABK (Ostanatolisches Gebietskomitee) (Revolutionäre Demokratie) Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) Frontorganisation des Partizan-Flügels (TKP/ML) Volksbefreiungsarmee (HKO), militärischer Arm der MKP Basisorganisationen der TKP/ML: Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) Sitz: Duisburg (Partizan-Flügel) Föderation für demokratische Rechte in Deutschland (ADHF) (DABK-Flügel) Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) Mücadele (Kampf) (Partizan-Flügel) - unregelmäßig - Konföderation für demokratische Rechte in Europa (ADHK) (DABK-Flügel) Bolschewistische Partei Nordkurdistan/Türkei Bolsevik Partizan (BP-KK/T) (Bolschewistischer Partisan) (Abspaltung von der TKP/ML) - monatlich - Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 88 Ausländerextremismus Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) in Deutschland seit 09.02.1983 verboten; 1993 in zwei Fraktionen (Karatasbzw. Yagan-Flügel) zerfallen Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) Ekmek ve Adalet aus dem Karatas-Flügel der Devrimci Sol hervorgegangen (Brot und Gerechtigkeit) (in Deutschland seit 13.08.1998 verboten) - wöchentlich - Yürüyüs (Marsch) - wöchentlich - (seit Mai) Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C Devrimci Sol) aus dem Yagan-Flügel der Devrimci Sol hervorgegangen (in Deutschland seit 13.08.1998 verboten) Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Yeniden Atilim (Neuer Vorstoß) - wöchentlich - Bewaffnete Einheiten der Armen und Unterdrücker (FESK) - militärischer Arm der MLKP - Basisorganisation der MLKP: Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa (AvEG-Kon) Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei AGIF Bülteni in Deutschland e.V. (AGIF) - zweimonatlich - 4.2 Extreme Nationalisten Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine Türk Federasyon Bülteni in Europa e.V. (ADÜTDF) - monatlich - Sitz: Frankfurt am Main 4.3 Islamische Extremisten Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) Verbandszeitschrift: Sitz: Kerpen Milli Görüs & Perspektive Publizistisches Sprachrohr: Milli Gazete (Nationale Zeitung) Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) Publizistisches Sprachrohr: vormals: Verband der islamischen Vereine und Barika-I Hakikat (Aufleuchten der Gemeinden e.V. (ICCB) mit Sitz in Köln Wahrheit) (in Deutschland seit 12.12.2001 verboten) Front der islamischen Kämpfer des Furkan (Die Rettung) großen Ostens (IBDA-C) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 89 4. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus weist keine gefestigte einheitliche Ideologie Ablehnung der auf. Die Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen in DeutschGrundlagen der land sind im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass sie die GrundDemokratie lagen der Demokratie ablehnen und stattdessen - aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt - eine totalitäre Regierungsform unter Einschluss des Führerprinzips anstreben, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist. Bestimmende Merkmale des organisierten Rechtsextremismus sind vor allem - die pauschale Überbewertung der Interessen der "VolksgemeinKollektivismus schaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die zu einer Aushöhlung der Grundrechte führt (völkischer Kollektivismus), - ein den Gedanken der Völkerverständigung missachtender NationaNationalismus lismus, - die offene oder verdeckte Wiederbelebung rassistischer Thesen, u.a. Rassismus des Antisemitismus, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, - immer wiederkehrende Versuche, die nationalsozialistische GewaltRelativierung des herrschaft unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des NS-Unrechts Dritten Reichs zu rechtfertigen, die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige VerunVerunglimpfung glimpfung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten. Ziel der Demokratie dieser Angriffe ist es, die eigene Organisation und ihre Repräsentanten als die alleinigen Wahrer der Interessen von Staat und Bürgern darzustellen, was im Ergebnis auf die Ablehnung des Mehrparteienprinzips und des Rechts auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition hinausläuft. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 90 Rechtsextremismus Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen Rechtsextremisten zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Strategie des Kampfs gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. Seit einigen Jahren treten in der Propaganda von Rechtsextremisten Sozialpolitische sozialund wirtschaftspolitische Themen zunehmend in den Vordergrund. Themen Durch Verknüpfung sozialer Problemfelder mit rechtsextremistischen Theorie-Elementen hoffen Rechtsextremisten, aus den Sorgen der Bevölkerung um die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Finanzierung der Renten und die Folgen der Sozialreformen Kapital schlagen zu können. Teile des rechtsextremistischen Spektrums propagieren einen von dezidiert antikapitalistischen Elementen geprägten "volksbezogenen Sozialismus" mit dem Ziel, in sozialistisch orientierte Wählerschichten einzudringen. Schwerpunkte rechtsextremistischer Agitation waren Propagandaaktionen zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und Kundgebungen zum Gedenken an die Opfer alliierter Luftangriffe auf deutsche Städte. Dabei waren Rechtsextremisten bestrebt, die NS-VerbreRevisionistische chen zu relativieren und die Befreiung Deutschlands vom NationalsoziaAgitation lismus als nationale Katastrophe darzustellen. So versuchten sie, die jeweiligen Jahrestage der Bombardierung deutscher Städte propagandistisch zu nutzen, indem sie z.B. eine Aufrechnung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten vornahmen oder ein Ende der Entschädigungszahlungen an Juden und Zwangsarbeiter forderten. Im Vordergrund stand dabei die Absicht, auch das deutsche Volk vor allem als Opfer erscheinen zu lassen. 1.2 Entwicklung der Organisationen Die Entwicklung der Zahl rechtsextremistischer Organisationen in Bayern und deren jeweilige Mitgliederstärke ist aus der auf der Seite 91 dieses Berichts abgedruckten Übersicht zu ersehen. Bei erkannten Mehrfachmitgliedschaften wurde die Person nur bei einer Organisation mitgezählt. RechtsextremisDer Wahlerfolg in Sachsen im Herbst 2004 brachte der NPD bundesweit tische Parteien einen mäßigen Aufwärtstrend; in Bayern blieb die Zahl der Mitglieder konstant. Nummerisch stärkste rechtsextremistische Partei im Bundesgebiet ist wie bisher die DVU, allerdings mit abnehmender Tendenz, da sie den durch Überalterung bedingten Mitgliederschwund nicht aufhalten kann. In Bayern blieben die REP die mitgliederstärkste Partei des rechtsextremistischen Spektrums, hatten aber wie die DVU sowohl bundesweit als auch in Bayern deutliche Mitgliederverluste zu verzeichnen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 91 Zahl und 2003 2004 2005 Mitgliederstärke Anzahl der Organisationen 39 40 40 rechtsextremisMitgliederstärken tischer Organisationen in Die Republikaner (REP) 2.800 2.800 2.300 Bayern NPD mit JN und NHB 900 900 900 Deutsche Volksunion (DVU)* 1.200 1.200 1.100 Neonazistische Organisationen 120 160 160 Sonstige Organisationen 350 420 420 5.370 5.480 4.880 Neonazistische Einzelaktivisten 180 140 140 Rechtsextremistische Skinheads 800 800 800 Rechtsextremisten insgesamt 6.350 6.420 5.820 * Die Zahlen umfassen die Mitglieder der Partei und des gleichnamigen Vereins. Die Nürnberger Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA), die vorwiegend nur im Internet präsent war, wird voraussichtlich erst anlässlich der Kommunalwahl 2008 wieder öffentlich in Erscheinung treten. 2. Parteien, Organisationen und Verlage 2.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Deutschland Bayern Mitglieder: 6.000 850 Vorsitzender: Udo Voigt Ralf Ollert Gründung: 1964 Sitz: Berlin Publikation: "Deutsche Stimme" (DS) 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort Neonazistische und nationalrevolutionäre Thesen sind fester Bestandteil des ideologischen Spektrums der NPD und haben deren Erscheinungsbild nachhaltig verändert. Die NPD hat sich mittlerweile zu einem Sammelbecken gewaltbereiter Skinheads und Neonazis entwickelt. Die ParSammelbecken teiführung intensivierte die Zusammenarbeit mit den "Freien Nationavon Neonazis und listen". Das von der Partei vertretene Staatsund Menschenbild steht in Skinheads krassem Gegensatz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Für die NPD resultiert die Würde des Einzelnen nicht aus dem freien Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 92 Rechtsextremismus Willen des Individuums, sondern sie ist von biologisch-genetischer Teilhabe an der "Volksgemeinschaft" abhängig. Völkischer Mit ihrer Forderung nach Schaffung einer "Volksgemeinschaft" verwenKollektivismus det die NPD einen zentralen Begriff des Nationalsozialismus, der darunter insbesondere eine Schicksalsgemeinschaft verstand, in der die Interessen des Einzelnen bedingungslos der Gemeinschaft der Volksgenossen untergeordnet wurden: "Volksherrschaft setzt die Volksgemeinschaft voraus. (...) Der Staat hat dabei über den Egoismen einzelner Gruppen zu stehen und die Gesamtverantwortung wahrzunehmen." (Parteiprogramm, Abschnitt 3) "Das deutsche Volk ist für uns Nationaldemokraten der größte Wert an sich! (...) Es kann also nicht darum gehen, die Überfremdung steuern zu wollen, ... sondern nur noch darum, wie zur Volksgemeinschaft zurückgefunden werden kann. (...) Nur in der Volksgemeinschaft ... wird unser Volk eine Zukunft haben." (Deutsche Stimme, August 2005, Seite 4) "Die Weimarisierung der BRD hat begonnen, und man kann den Menschen im Lande nur klar machen, daß nach dem Parteiengeklüngel der großen Volksparteien eine wirkliche souveräne Volksherrschaft stehen kann." (Deutsche Stimme, September 2005, Seite 1) Rassismus und Eine mit dem Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes unvereinbare, rasNationalismus sistisch und nationalistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit ist elementarer Bestandteil der Parteiideologie vom "lebensrichtigen Menschenbild", das sich insbesondere gegen "Fremdbestimmung" und "Überfremdung" wendet: "Im Zusammenspiel von Großkapital, Regierung und Gewerkschaften wurden Millionen von Ausländern wie Sklaven der Neuzeit nach Deutschland geholt. Diese Politik wird durch eine menschenund völkerverachtende Integration fortgesetzt. Ausländer und Deutsche werden gleichermaßen ihrer Heimat entfremdet und entwurzelt, ihnen droht der Verlust ihrer Identität, ... . In zahlreichen Städten bilden sich Ausländerghettos, in denen die deutsche Restbevölkerung zur Minderheit im eigenen Land wird. (...) Ein grundlegender politischer Wandel muß die menschenfeindliche Integrationspolitik beenden sowie die deutsche Volkssubstanz erhalten." (Parteiprogramm, Abschnitt 8) "Wer glaubt denn wirklich, daß es bei jährlich Zehntausenden Asylschwindlern allein aus Afrika keine Gefahr für die deutsche Volksgesundheit gibt? Wer will denn ernsthaft in Zweifel ziehen, daß viele unter ihnen nicht nur Aids, sondern auch exotische Krankheiten im Reisegepäck haben, die hier weitergegeben werden? (...) Auch zur Aids-Bekämpfung mußdie Losung endlich lauten: 'Grenzen dicht!' " (Deutsche Stimme, Januar 2005, Seite 15) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 93 Unter der Überschrift "Volksgemeinschaft statt 'kontrollierte' Zuwanderung" äußerte der Vorsitzende der sächsischen NPD-Landtagsfraktion Holger Apfel: "Für volkserhaltende Kräfte kann es nur darum gehen, nach Ablösung des absterbenden Systems die weitestgehende Ausländerrückführung in Gang zu setzen und die Kräfte des eigenen Volkes neu zu wecken.(...) Schließlich dürfte inzwischen auch dem allerletzten Glied der Informationskette bekannt sein, daß die sog. 'multikulturelle Gesellschaft' in Wirklichkeit eine multikriminelle Verfallsgesellschaft ist. Tatsache ist, daß jeden Tag in der realexistierenden BRD drei bis vier Menschen von Ausländern ermordet werden. Nur findet dies kaum Beachtung, denn die Verausländerungsextremisten samt Medien hüten sich gehörig davor, dies zu thematisieren." (Deutsche Stimme, August 2005, Seite 4) Als konträr zu ihren völkischen Idealen betrachtet die NPD das GesellAntiamerikanismus schaftsmodell der "liberalistischen" USA: "Wir vergessen nicht, daß Amerika wegen nackter Wirtschaftsinteressen in die beiden Weltkriege eintrat und diese gegen Deutschland entschied. Wir wissen, daß die Amerikaner die ideologischen Schöpfer und gewalttätigen Exekutoren von Multikulturalismus und Globalismus sind. (...) Außerdem sehen wir, daß Amerika die ganze Welt in ein postnationales Disney-Land mit infantilisierten Konsumidioten verwandeln will. Sein und Nichtsein der Deutschen, Europäer und aller anderen Völker hängt davon ab, ob sie den Willen und die Kraft haben, sich zu entamerikanisieren und zu renationalisieren." (Deutsche Stimme, Juni 2005, Seite 17) Für die NPD gehört Revisionismus nach wie vor zum Bestandteil ihrer Revisionismus Ideologie. Allerdings argumentiert sie dabei zurückhaltender als bisher, wobei sie auch versucht, das Geschichtsbild über die Zeit des Nationalsozialismus zugunsten einer wohlwollenden bis rechtfertigenden Betrachtung zu korrigieren: "Zunächst dürfte nicht alles, was in früheren Generationen auf Grund langer Erfahrungen geachtet und geschätzt wurde, allein aus dem Grund abgelehnt werden, daß es auch zur Zeit des Dritten Reiches etwas galt." (Deutsche Stimme, Juni 2005, Seite 3) "Durch den Dauereinsatz der Auschwitz-Keule ... kamen die Deutschen in eine Schuldknechtschaft, die es inund ausländischen Kreisen bis heute ermöglicht, die Deutschen moralisch zu demütigen, wirtschaftlich auszunehmen und politisch zu bevormunden." (Deutsche Stimme, Juni 2005, Seite 17) "Nachkriegsgeborenen anzudienen, sich an 'NS-Verbrechen' zu 'erinnern', ist der Versuch, eine unmittelbare Mitverantwortung (= Mitschuld) durch ein verbales Hintertürchen zu installieren. Bekanntlich zahlt nur der, der sich schuldig Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 94 Rechtsextremismus fühlt. Und der Faktor 'Geld' ist das letztlich Entscheidende bei der ganzen 'Vergangenheitsbewältigung'." (Deutsche Stimme, Mai 2005, Seite 10) "Über der gelebten Schuldkultur in unserem Land steht die Annahme von der 'Einzigartigkeit' der den Deutschen angelasteten Verbrechen. (...) Allerdings finden sich in der Geschichte nicht wenige einzigartige Vorgänge, wenn es um die Ausrottung von Menschen durch Menschen geht. (...) Bedrückend einzigartig ist auch, daß ein militärisch besiegtes Volk sich auch 60 Jahre nach Kriegsende kaum mit den Verbrechen beschäftigt, die ihm selbst von den Siegermächten angetan worden sind." (Deutsche Stimme, Juni 2005, Seite 12) Antisemitismus Bei der Verbreitung antisemitischer Propaganda nutzt die NPD aktuelle politische Ereignisse, um Ressentiments gegen Juden zu fördern. So polemisierte ein im Parteiorgan veröffentlichter Beitrag mit der Überschrift "Erbhof jüdischer Kapitallenker" gegen die Berufung eines Juden an die Spitze der Weltbank: "Um die schwindelerregende Überrepräsentanz von Juden in den Entscheidungsetagen des Weltkapitalismus zu erkennen ... reicht die Lektüre der Systemblätter. (...) Der identitätsund gemeinschaftslose Bundesbürger findet an der internationalen Machtstellung des kleinen Volkes nichts Bedenkliches. (...) Deshalb existieren die Erbhöfe der Ostküste in Institutionen der Weltwirtschaft weder zufällig noch sind sie ungefährlich. Hier laufen die Fäden einer völkerfeindlichen Oligarchie zusammen." (Deutsche Stimme, Mai 2005, Seite 2) Diffamierung Das politische System in Deutschland wurde häufig als "Regime" diffademokratischer miert; seine Repräsentanten seien Betrüger und Versager: Institutionen "Die politische Klasse ist inzwischen derartig korrupt und inkompetent geworden, daß man sich wünscht, sie würde endlich ihre verhängnisvollste Nebentätigkeit aufgeben, zum Wohle des Volkes: ihre politischen Posten." (Deutsche Stimme, Februar 2005, Seite 2) "Die Etablierten sind ausgelaugt, perspektivlos und haben abgewirtschaftet. (...) Sie alle verbindet eines: Sie sind gleichermaßen konzeptlos und haben Deutschland längst dem internationalen Großkapital ausgeliefert." (Deutsche Stimme, April 2005, Seite 2) "Das System lässt die Maske fallen. Das Altparteienkartell meint es nicht gut mit den Deutschen im eigenen Land. (...) Wir werden regiert von Versagern, Unfähigen und Überzeugungstätern." (Deutsche Stimme, Juli 2005, Seite 1) "Wir müssen den Menschen klarmachen, daß es egal ist, ob Union oder SPD unser Land regieren. Der Untergang des dahinsiechenden Systems wird durch diese Parteien nur hinausgezögert." (Deutsche Stimme, Juli 2005, Seite 9) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 95 "Leider spricht alles dafür, dass am Wahltag nur die einen Volksbetrüger durch die anderen ersetzt werden." (Deutsche Stimme, August 2005, Seite 16) "Die Weimarisierung scheint das augenscheinliche Ziel einer politischen Klasse zu sein, die sich demokratisch nicht mehr messen kann." (Deutsche Stimme, September 2005, Seite 10) Diese diffamierende Polemik zeigt deutlich, dass die NPD die Prinzipien des Mehrparteiensystems und der Chancengleichheit der Parteien trotz ihres formalen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen GrundWesensverwandtordnung ablehnt. Darüber hinaus offenbart die Diktion der NPD, insschaft mit der besondere der häufige Gebrauch der Begriffe "System", "System-Parteien" NS-Terminologie oder "Systempolitiker", die bereits von der NSDAP zur Diffamierung der Weimarer Republik instrumentalisiert wurden, eine Wesensverwandtschaft mit der Ideologie der NSDAP. NPD und JN betrachten die Wertordnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in der bestehenden Form als "überholt und handlungsunfähig" und wollen sie deshalb beseitigen. Um dem Ziel der politischen Machtergreifung näher zu kommen, hat die Partei zur Verfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen 1997 ein auf drei "Drei-Säulen"strategische Säulen" gestütztes Konzept entwickelt, nämlich Konzept" - Programmatik: Kampf um die Köpfe, - Massenmobilisierung: Kampf um die Straße, - Wahlteilnahme: Kampf um die Parlamente. Mit dem im Herbst 2004 noch als vierte Säule eingefügten "Kampf Neue vierte Säule um den organisierten Willen" erstrebt die NPD eine Bündelung aller nationalen Kräfte, ohne dabei programmatische Inhalte zu definieren. Im Grunde handelt es sich um eine Aktionseinheit von NPD und Teilen des rechtsextremistischen Lagers. Die NPD bezieht hierin auch die DVU mit ein. Seit Mitte der 90er Jahre hat die NPD ihre Agitation zur "sozialen Frage" Zunehmende kontinuierlich erweitert. Sie erklärte dieses Thema zum Drehund AnKonzentration auf gelpunkt nationaler Politik. Mit einer Orientierung hin zum "Nationalen soziale Themen Sozialismus", einer Verknüpfung von "Nation" und "Sozialismus", wirbt die NPD vor allem in den neuen Bundesländern um Anhänger. Insbesondere in Wahlkämpfen schürt die NPD Ängste vor Arbeitslosigkeit, Fremdbestimmung oder Überfremdung. Damit soll eine Krisenstimmung geschaffen werden, die den Angriff gegen den sozialen Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen soll. So forderte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 96 Rechtsextremismus bei einer Wahlkampfrede am 28. August 1998 in Greifswald dazu auf, die "Waffe in die Hand" zu nehmen, um das Vaterland gegen etablierte Politiker zu verteidigen. Das Landgericht Stralsund verurteilte ihn deswegen am 25. August wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung. Aggressiver Im Rahmen ihres aggressiven Bestrebens, über den außerparlamentaAktionismus im rischen Kampf politische Macht in Deutschland zu erringen, veranstal"Kampf um die tete die NPD seit dem Amtsantritt des Bundesvorsitzenden Voigt im Jahr Straße" 1996 bundesweit rund 760 Demonstrationen und öffentliche Aktionen mit teilweise bis zu 5.000 Teilnehmern. Die Partei versteht sich als Anführerin einer breiten sozialen Protestbewegung, die in öffentlichen Aufmärschen auf der Straße gemeinsam mit Neonazis und Skinheads ihre auf die Überwindung des "Systems" gerichteten Ziele verfolgt. Sie bietet der Neonazi-Szene ein "legales" organisatorisches Dach und ist somit mitverantwortlich für ein geistiges Klima, das den Boden für Übergriffe von Rechtsextremisten auf Ausländer und andere Minderheiten bereitet. 2.1.2 Organisation Anstieg der Die Partei mit Sitz in Berlin zählt bundesweit annähernd 6.000 (2004: Mitgliederzahl 5.300). Mitglieder. Sie gliedert sich in 16 Landesverbände, die wiederum in Bezirksund Kreisverbände unterteilt sind. Bundesvorsitzender ist seit März 1996 Udo Voigt; seine Stellvertreter sind Holger Apfel, Peter Marx und der Generalsekretär der Partei Ulrich Eigenfeld. Redaktion und Anzeigenabteilung des Parteiorgans "Deutsche Stimme" (DS) befinden sich in Riesa/Sachsen. Dem aus 19 Personen bestehenden Bundesvorstand gehören nach wie vor mehrere ehemalige Aktivisten verbotener neonazistischer Gruppierungen an. Darüber hinaus betrachtet die NPD Skinheads als natürliche Bündnispartner. Landesverband Dem Landesverband Bayern mit derzeitiger Adresse in Bamberg gehören Bayern wie bisher rund 850 Mitglieder an, darunter zahlreiche Angehörige der Neonaziund Skinhead-Szene. Er gliedert sich in sieben Bezirksund rund 35 Kreisverbände, von denen aber rund ein Drittel nicht aktiv ist. Der Landesverband wird von Ralf Ollert geleitet, seine Stellvertreter sind Franz Salzberger und Sascha Roßmüller, ein ehemaliger Aktivist des 1993 verbotenen neonazistischen Nationalen Blocks (NB). Nach wie vor Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 97 sind im bayerischen Landesvorstand neben Anhängern der orthodoxen Linie der NPD auch Funktionäre mit einer überwiegend neonazistisch ausgerichteten Ideologie vertreten; ebenso bestehen Verbindungen zur Skinhead-Szene. Die NPD verfügt mittlerweile über das umfassendste Angebot aller Nutzung des rechtsextremistischen Parteien im Internet. Ihre Homepage enthält Internets mehrere Diskussionsforen sowie ein eigenes Textarchiv mit Schlagwortsuchmodus, über den alle bislang von der NPD veröffentlichten Texte abrufbar sind. Einige NPD-Landesverbände verfügen über eigene Internet-Seiten. Über eine Linkliste sind Angebote von Untergliederungen der NPD und ihrer Jugendorganisation zugänglich. Die NPD und ihre Jugendorganisation unterhalten Verbindungen zu Auslandskontakte gleich gesinnten Personen und Organisationen im westeuropäischen Ausland, insbesondere nach Spanien, Österreich und Italien. Allerdings ist die NPD ihrem Ziel der Bildung einer nationalistischen nordeuropäischen Allianz nicht näher gekommen. 2.1.3 Teilnahme an Wahlen Die NPD nahm als einzige Partei aus dem rechtsextremistischen Spektrum an der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 20. Februar teil. Landtagswahl in Nach dem amtlichen Endergebnis erreichte sie einen Stimmenanteil von Schleswig-Holstein 1,9 %. Damit konnte sie ihr Ergebnis im Vergleich zur Landtagswahl im Jahr 2000 zwar um 0,9 % verbessern; dennoch blieb sie weit von ihrem erklärten Ziel - dem Einzug in das Landesparlament - entfernt. Offensichtlich ist der NPD die Mobilisierung des Protestwählerpotenzials nicht in dem gleichen Maße wie bei der Landtagswahl 2004 in Sachsen gelungen. Hinzu kam die strukturelle Schwäche des NPD-Landesverbands Schleswig-Holstein. Auch dürfte ein von der NPD im Sächsischen Landtag inszenierter Eklat (vgl. auch Nummer 2.1.5.2 dieses Abschnitts) potenzielle Wähler abgeschreckt haben. Zur Landtagswahl am 22. Mai in Nordrhein-Westfalen trat die NPD mit Landtagswahl in einer 34 Personen umfassenden Landesliste - angeführt vom BundesNordrhein-Westvorsitzenden Udo Voigt - sowie mit Direktkandidaten in 109 der 128 falen Wahlkreise an. Drei Neonazis kandidierten auf den Listenplätzen acht, zehn und dreizehn. Die DVU hatte gemäß der mit der NPD getroffenen Wahlabsprache wiederum auf eine Kandidatur verzichtet. Dem amtlichen Endergebnis zufolge erreichte die NPD einen Stimmenanteil von 0,9 % (2000: 0,0 %). Zwar konnte sie damit das Ergebnis der letzten Landtagswahl deutlich verbessern und auch mehr Stimmen als die REP Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 98 Rechtsextremismus erreichen. Sie verfehlte jedoch ihr zentrales Wahlziel - den Einzug in den Landtag - bei weitem und kann auch keine Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung beanspruchen. In einer Pressemitteilung vom 24. Mai begrüßte die NPD-Parteiführung die Entscheidung der Bundesregierung, den Weg zu vorgezogenen Bundestagsneuwahlen freizumachen. Die lange Serie von Wahlniederlagen zeige, dass "Rotgrün endgültig abgewirtschaftet hat und ein Fall für den Politkompost ist". Im Herbst 2005 würden die Deutschen "nicht allein die Wahl zwischen Pest und Cholera haben". Die nationale Opposition werde sich in den kommenden Monaten "als glaubwürdige Alternative zum herrschenden Parteienkartell präsentieren und deutlich machen, daß die Marktfundamentalisten von CDU und FDP noch stärker als Rotgrün für eine systematische Aushöhlung des Sozialstaats stehen". Nach dem amtlichen Endergebnis erzielte die NPD am 18. September Bundestagswahl bei der Wahl zum Deutschen Bundestag mit 748.568 Zweitstimmen einen Stimmenanteil von 1,6 % (2002: 0,4 %). Zwar verfehlte sie ihr nach außen propagiertes Minimalziel, nämlich die Erringung von mindestens einem Direktmandat; gleichwohl konnte sie ihren Stimmenanteil gegenüber der letzten Bundestagswahl vor allem in den östlichen Bundesländern teilweise erheblich steigern. Der damit erlangte Anspruch auf Mittel aus der staatlichen Teilfinanzierung dürfte ihre finanziell angespannte Lage deutlich entschärfen. Die Kandidatur der Linkspartei.PDS, die einen Teil der potenziell auch für die NPD relevanten Protestwähler für sich gewinnen konnte, hat offensichtlich ein besseres Abschneiden der NPD verhindert. Im früheren Bundesgebiet und in Berlin-West stimmten durchschnittlich 1,1 % der Wähler für die NPD, in den neuen Ländern und in Berlin-Ost 3,6 %. Ihr bestes Landesergebnis mit 4,9 % (2002: 1,4 %) erreichte die Partei in Sachsen, gefolgt von Thüringen mit 3,7 % und Mecklenburg-Vorpommern mit 3,5 %. Ihr schlechtestes Ergebnis erzielte sie in Nordrhein-Westfalen mit 0,8 %. In Bayern gelang der NPD eine Steigerung auf 1,3 % (2002: 0,2 %); auf der Landesliste hatten auch Mitglieder der Deutschen Volksunion (DVU) und der Deutschen Partei - Die Freiheitlichen (DP) kandidiert. Den größten Zuwachs verzeichnete die NPD in der Oberpfalz (von 0,2 % auf 1,9 %), den geringsten in Oberbayern (von 0,2 % auf 0,9 %). Der NPD-Vorsitzende Voigt wertete das Wahlergebnis als Erfolg und sieht bei den im Herbst 2006 anstehenden Landtagswahlen in MeckVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 99 lenburg-Vorpommern eine Chance für den Einzug der NPD in den dortigen Landtag. Ihren Wahlkampf hatte die Partei insbesondere mit Plakatund Flugblattaktionen, Wahlwerbespots in Rundfunk und Fernsehen, einigen Saalveranstaltungen und Kundgebungen sowie der Verbreitung ihrer "Schulhof-CD" (vgl. auch Nummer 2.1.5.2 dieses Abschnitts) geführt. Zentrale Agitationsfelder waren die Themen Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, "Überfremdung" und der EU-Beitritt der Türkei. Mit Parolen wie ",Fremdarbeiter' stoppen!", "Arbeit für Deutsche!", "Schnauze voll? Lügner abstrafen!" und "Deutschland den Deutschen - gegen multikulturelle Extremisten" warb die NPD um Stimmen. Unterstützung leisteten partiell "freie Kameradschaften" oder Angehörige von "Nationalen Stammtischen", aber auch die DVU und Neonazis im Rahmen der Bündnispolitik. In Bayern stellte der Landesvorstand den einzelnen Organisationseinheiten mehr als 20.000 Plakate, rund 200.000 Flugblätter und 150.000 Wahlzeitungen kostenlos zur Verfügung. Um ein breiteres Interesse zu wecken, traten bei Wahlveranstaltungen zusätzlich Skinhead-Bands auf (vgl. auch Nummer 4.5 dieses Abschnitts). 2.1.4 Bündnisbestrebungen Die NPD bemüht sich schon seit längerer Zeit um Absprachen mit anderen rechtsextremistischen Parteien, um ihre Chancen bei Wahlen zu steigern. Mit dem aktuellen Konzept einer "Volksfront von rechts" ver"Volksfront von folgt die Partei Bündnisbestrebungen in zwei unterschiedliche Richtunrechts" gen: Zum einen intensiviert sie ihre bündnispolitische Orientierung zur Neonazi-Szene. Zum anderen wird die Kooperation mit den "derzeitigen nationalen Parteien in der BRD" angestrebt, da aufgrund der Zersplitterung dieser Parteien keine in der Lage sei, "wirksamen politischen Einfluß und gestalterische Macht zu entfalten". Ziel der Bündnispolitik ist die "Konzentration aller nationalen Kräfte" bzw. die Einheit des "nationalen Lagers". Auf dem DVU-Bundesparteitag am 15. Januar in München vereinbarten der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt und der DVU-Bundesvorsitzende Dr. Gerhard Frey in einem "Deutschland-Pakt" ihre weitere Zusammenarbeit für die Europa-, Bundestagsund Landtagswahlen bis "Deutschland-Pakt" 2009. Bei den Landtagswahlen 2004 in Brandenburg und Sachsen hatte der Verzicht auf Konkurrenzkandidaturen zu den Erfolgen von DVU bzw. NPD beigetragen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 100 Rechtsextremismus Dementsprechend trat die NPD bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen als "einzige nationale Kraft" an. Auch an der Bundestagswahl 2005 beteiligte sich nur die NPD, wobei sie auch DVU-Funktionären Listenplätze einräumte. Im Gegenzug soll die DVU Listenführerin bei der Europawahl 2009 mit NPD-Kandidaten auf der DVU-Liste sein. Verstärkte AnEine verstärkte Annäherung zwischen der NPD und den "Freien Nationäherung an die nalisten" hatte sich bereits seit Jahresbeginn 2004 abgezeichnet. So Neonazi-Szene gab es anlässlich der Maikundgebung 2004 in Berlin einen gemeinsamen Aufruf von Teilen der Neonazi-Szene und der NPD. Anschließend propagierte der bekannte Neonazi Thomas Wulff in einem im NPD-Parteiorgan veröffentlichten Beitrag die Schaffung einer "Volksfront von rechts". Ein Jahr später zogen die führenden Neonazis Thomas Wulff, Ralph Tegethoff und Torsten Heise auf einer rechtsextremistischen Internet-Seite unter der Überschrift "Ein Jahr im Zeichen der Volksfront" eine positive Bilanz der aktuellen Bündnisbemühungen im rechtsextremistischen Lager und verwiesen dabei auf die Wahl von Heise und Wulff in den NPD-Bundesvorstand. Andererseits erfährt die von der NPD propagierte "Volksfront" bei den "Freien Nationalisten" nicht nur Zustimmung. Bei diesen ist die Zusammenarbeit vielfach rein taktisch motiviert, oft von Eigeninteressen geprägt und - bei ausbleibendem Erfolg - sehr instabil. So kritisierte der Hamburger Neonazi Christian Worch nach der Wahlniederlage der NPD in Schleswig-Holstein die zu geringe Kooperationsbereitschaft der NPD gegenüber Neonazis. Letztlich werde sich wohl erst bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern zeigen, "ob hinter der 'Volksfront' mehr steckt als ein Wahlhelferverein für die NPD und eine berufsfördernde Maßnahme für einzelne vormals parteifreie Nationalisten". Die NPD nutzt die Anziehungskraft der Skinheads gezielt für ihre Wahlkampfveranstaltungen und Rekrutierungsmaßnahmen. Sie hat sehr Kontakte zu früh den hohen Stellenwert der rechtsextremistischen Skinhead-Musik Skinheads erkannt und ist bestrebt, bei eigenen Skinhead-Konzerten jugendliche Besucher für NPD-Aktivitäten zu mobilisieren und letztlich für die Ziele der Partei zu gewinnen. Daher bieten die NPD bzw. deren Aktivisten, die wie beispielsweise Norman Bordin enge Verbindungen zur Skinhead-Szene besitzen, rechtsextremistischen Skinhead-Bands ein Forum für Auftritte bei Parteiveranstaltungen. Obwohl sich einzelne Skinheads bzw. kleinere Skinhead-Gruppierungen eher unpolitisch geben, sich von der NPD distanzieren und eine Politisierung durch Schulungsund Vortragsveranstaltungen kategorisch ablehnen, halten andere Gruppierungen nach wie vor engen Kontakt zu NPD-Verbänden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 101 Die Parteimitgliedschaft führender Neonazis erleichtert der NPD die Personelle Mobilisierung und Integration von Skinheads im Großraum München und Verflechtungen Nürnberg. Die auffällige Präsenz von rechtsextremistischen Skinheads in den mittelfränkischen NPD-Strukturen hat weiter zugenommen. Dort rekrutiert sich inzwischen ein Großteil der Vorstandsmitglieder aus der örtlichen Neonaziund Skinhead-Szene. Auch Angehörige der Skinhead-Szene aus dem Großraum Würzburg suchen die Nähe zur NPD und nehmen bayernweit an NPD-Veranstaltungen teil. Neben Skinhead-Bands gewinnen rechtsextremistische Liedermacher Rechtsextremiszunehmend an Bedeutung. Sie treten mitunter bei Skinhead-Treffen, tische Liedermacher häufiger aber bei Veranstaltungen rechtsextremistischer Parteien wie der NPD auf. Dabei steht die Verherrlichung der ihnen vorschwebenden "deutschen Ideale" im Vordergrund: Kameradschaft, Frau als Mutter in der Familie, Gehorsam, Heldentum, Tapferkeit, Solidarität, Treue und Ordnungssinn. Darüber hinaus werden in den Liedern auch die angeblich positiven Seiten des NS-Regimes betont. Zwei bekannte Liedermacher in der bayerischen Szene sind Michael und Annett Müller. Beide treten bundesweit bei Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene auf. 2.1.5 Sonstige Aktivitäten 2.1.5.1 Landesparteitag Der NPD-Landesverband Bayern führte am 3. Juli in Postbauer-Heng, Landesparteitag Landkreis Neumarkt i.d. OPf., seinen 39. Parteitag durch. An der Verin Postbauer-Heng anstaltung unter dem Motto "Deutsche Volkswirtschaft statt Kapitalismus!" nahmen etwa 100 Delegierte teil. Im Vordergrund stand die Wahl der NPD-Listenbewerber zur vorgezogenen Bundestagswahl am 18. September. Als Spitzenkandidat wurde der Landesvorsitzende Ralf Ollert gewählt, gefolgt von Bruno Wetzel (DVU), Franz Salzberger (NPD), Dr. Thomas Mehnert (DVU), Sascha Roßmüller (NPD), Uwe Meenen (NPD) und Wolfgang Bukow (DP). Auf Platz 10 der Landesliste kandidierte der NPD-Funktionär und Anführer der neonazistischen Kameradschaft München Norman Bordin. 2.1.5.2 Kundgebungen und sonstige Aktionen Seit dem Einzug der NPD in den Sächsischen Landtag im September 2004 konzentriert sich die Partei darauf, dieses Gremium medienwirksam als "Bühne" für ihre auch revisionistisch geprägte Propaganda zu nutzen. Als der Landtagspräsident am 21. Januar die Abgeordneten bat, sich Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 102 Rechtsextremismus Eklat im Sächzum Gedenken an den bevorstehenden 60. Jahrestag der Befreiung des sischen Landtag Konzentrationslagers Auschwitz (27. Januar 1945) für eine Schweigeminute zu erheben, verließen die zwölf Abgeordneten der NPD-Fraktion geschlossen den Saal. In einer am selben Tag veranstalteten "Aktuellen Stunde" im Sächsischen Landtag bezeichneten der Fraktionsvorsitzende der NPD Holger Apfel und der NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel die alliierten Luftangriffe auf Dresden im Zweiten Weltkrieg als "Bomben-Holocaust". Politischer Am traditionellen Aschermittwochstreffen der bayerischen NPD am Aschermittwoch 9. Februar in Deggendorf beteiligten sich rund 150 (2004: 70) Mitgliein Deggendorf der und Sympathisanten, darunter auch der Landesvorsitzende der DP Ulrich Pätzold. Der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbands Bayern Sascha Roßmüller referierte in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag über deren Arbeit. Pätzold bot in seinem Gastbeitrag der NPD die Zusammenarbeit in Bezug auf die Bundestagswahl 2005 an. Der bayerische NPD-Vorsitzende Ralf Ollert prophezeite in seiner Rede den gemeinsamen Einzug von NPD, DP und "freien Kameraden" in den Bayerischen Landtag im Jahr 2008. Weiter erklärte er, die NPD wende sich mit ihrem "Kampf gegen das System" nicht gegen die freiheitliche Grundordnung, sondern gegen das etablierte Machtkartell aus Parteien und ihren Helfershelfern; diese hätten sich den Staat zur Beute gemacht und wollten eine Opposition in den Parlamenten mit allen Mitteln verhindern. Trauermarsch Am 13. Februar beteiligten sich rund 5.200 Personen an einem Traueram 13. Februar marsch durch die Dresdner Innenstadt zum Gedenken an die Zerstöin Dresden rung Dresdens im Jahre 1945. Wie in den Vorjahren wirkte die NPD bei der Organisation der Veranstaltung maßgeblich mit; zusätzlich hatte der NPD-Fraktionsvorsitzende im Sächsischen Landtag Holger Apfel die Schirmherrschaft übernommen. Anmelderin des seit Mitte der 90er Jahre alljährlich stattfindenden Aufzugs war die rechtsextremistische "Junge Landsmannschaft Ostpreußen" (JLO). Der zur NPD gehörende "Deutsche Stimme"-Verlag führte vom 18. bis 20. März in Bayreuth seinen "3. Freiheitlichen Kongress" durch. Daran nahmen rund 300 Personen teil, darunter der Parteivorsitzende Udo Voigt, seine Stellvertreter Holger Apfel und Peter Marx, der DVU-Pressesprecher Bernd Dröse und der inzwischen verstorbene rechtsextremistische Publizist und frühere REP-Bundesvorsitzende Franz Schönhuber, der die NPD seit Anfang des Jahres in medienund europapolitischen Fragen beraten hatte. Die Teilnehmer stimmten darin überein, die BündnisVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 103 bestrebungen im nationalen Lager fortzusetzen und bekannten sich "3. Freiheitausdrücklich zu dem am 15. Januar zwischen NPD und DVU geschloslicher Kongress" senen "Deutschland-Pakt". Angesichts der krisenhaften Entwicklung könne sich Deutschland eine zersplitterte nationale Opposition nicht länger leisten. Voigt erklärte in seiner Rede, es gelte die erfolgreiche "Volksfront-Politik" fortzusetzen. Ziel sei es, 2006 in den "Reichstag" einzuziehen. Die Verschärfung des Versammlungsrechts sei Zeichen einer ansteigenden Nervosität der politischen Klasse. In Zeiten wirtschaftlicher Probleme versuche man das nationale Lager zu stigmatisieren, um von den gravierenden Problemen, insbesondere der Massenarbeitslosigkeit, abzulenken. Am 1. Mai veranstaltete die NPD in Nürnberg zum Thema "Das Volk sind wir - weg mit Hartz IV" eine Kundgebung, an der sich rund 380 Personen beteiligten. Der NPD-Aufzug begann verzögert, da eine starke Rauchentwicklung in einem U-Bahn-Tunnel zu Störungen des U-Bahn-Verkehrs führte. Ein Teil der Veranstaltungsteilnehmer gelangte deshalb verspätet zum Aufstellungsort. Die autonome Szene wertete dies als erfolgreiche Störung des zeitlichen Ablaufs des Aufmarsches. Ein Großteil der Gegendemonstranten versuchte mehrfach, den Aufzug zu stoppen. So Kundgebung zum blockierten etwa 230 Personen eine Unterführung, weitere 300 Gegen1. Mai in Nürnberg demonstranten drangen in den Hauptbahnhof ein und verteilten sich in Kleingruppen. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung kam es zu zahlreichen Auseinandersetzungen mit den Einsatzkräften, wobei ein Polizeibeamter schwere Verletzungen erlitt. Auch die Schlusskundgebung der NPD war von verbalen Protesten begleitet. Die Polizei nahm 23 Personen fest, davon 20 aus dem linksextremistischen Spektrum. Unter dem Motto "Kriminellen keine Plattform bieten! JZ Dorfen schließen!" demonstrierten am 4. Juni rund 130 Personen des rechtsextreDemonstration am mistischen Spektrums in Dorfen, Landkreis Erding, gegen das örtliche 4. Juni in Dorfen Jugendzentrum. Anmelder der Veranstaltung war der NPD-Funktionär und Neonazi Norman Bordin. Bei der Auftaktkundgebung wandte sich Bordin gegen linksautonome Gewalt und Drogenmissbrauch und behauptete, im Jugendzentrum werde linksextremistisches Gedankengut verbreitet. Die Einrichtung müsse geschlossen werden, da Jugendliche dort zu Straftaten und Drogenmissbrauch verleitet würden. Die NPD werde in Dorfen solange demonstrieren, bis dieses Ziel erreicht sei. Gegen die NPD-Veranstaltung protestierten bis zu 800 politische Gegner, darunter zwischen 250 und 300 gewaltbereite Aktivisten der linksextremistischen autonomen Szene. Die Polizei löste Blockaden der Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 104 Rechtsextremismus Gegendemonstranten auf und nahm insgesamt 20 Personen fest, davon drei Rechtsextremisten. Die erste Veranstaltung dieser Art hatte am 11. Dezember 2004 in Dorfen stattgefunden. Damals hatten 80 Rechtsextremisten unter dem Motto "Kriminellen Banden keine Plattform bieten, schützt die Jugend vor linksfaschistischer Gewalt" demonstriert. "Schulhof-CD" im Zur Bundestagswahl 2005 ließ die NPD eine CD mit Liedern bekannter Bundestagswahlnationaler Interpreten und Rockgruppen in hoher Auflage produzieren. kampf Der auch als "Schulhof-CD" bezeichnete Tonträger trug den Titel "Die NPD rockt in den Reichstag" mit dem Hinweis "Hier kommt der Schrecken aller linken Spießer und Pauker!" und war eines der wichtigsten Werbemittel der Partei im Wahlkampf. Eine ähnliche CD mit der Bezeichnung "Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag!" hatte die Partei bereits im Jahr 2004 anlässlich der Landtagswahlen in Sachsen und Schleswig-Holstein kostenlos verbreitet. Die Neuauflage von 2005 wandte sich wiederum vor allem an Jungund Erstwähler. Wie der NPD-Bundeswahlkampfleiter Peter Marx ankündigte, wollte die Partei außerdem 200.000 CDs bundesweit in der Nähe von Schulen verteilen. Eine Verbreitung der Tonträger wurde seit Mitte September u.a. in Mittelfranken sowie in Oberund Niederbayern bekannt. Skinhead-Bands Der NPD-Bezirksverband Niederbayern führte am 10. September in Mitbei NPD-Veranterskirchen, Landkreis Rottal-Inn, eine Wahlkampfveranstaltung mit staltungen anschließendem Skinhead-Konzert durch. Im Anschluss an die Rede des Neonazis und NPD-Funktionärs Norman Bordin verfolgten etwa 250 Personen die Auftritte der Bands "CALSLAGEN" und "BRIGADE M"aus den Niederlanden, "ARMCO" aus Italien, "INDIZIERT" aus der Schweiz, "KONFRONTATION" aus Sachsen, "AUFMARSCH" aus Bayern und "BREAKDOWN" aus Rheinland-Pfalz. Ein ähnliches Skinhead-Konzert unter dem Deckmantel der NPD mit rund 300 Besuchern hatte am 23. Juli ebenfalls in Mitterskirchen stattgefunden. Am 22. Oktober veranstaltete der NPD-Bezirksverband Niederbayern in Mitterskirchen erneut ein als "Vergnügung mit Live-Bands" angemeldetes Skinhead-Konzert mit Norman Bordin als Redner. Dabei traten vor rund 450 Zuhörern u.a. die Skinhead-Bands "BURNING HATE", "ACT OF VIOLENCE" und "SPREEGESCHWADER" auf. Wegen Verwendens der Parole "For the Blood & Honour" durch bisher nicht identifizierte Mitglieder dieser Gruppen leitete die Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ein. Kundgebung Am 6. November (Volkstrauertag) fand in Gräfenberg, Landkreis Forcham Volkstrauertag heim, eine vom NPD-Landesvorsitzenden Ralf Ollert angemeldete und in Gräfenberg geleitete Kundgebung zum "Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege" Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 105 statt. Die rund 150 Teilnehmer der alljährlich von der NPD durchgeführten Versammlung zeigten Transparente mit Parolen wie "Ehre unseren tapferen Soldaten beider Weltkriege! NPD", "Sie waren die besten Soldaten der Welt", und "Tot sind nur jene, die vergessen werden - NPD Franken". Gegen die Veranstaltung protestierten lautstark rund 100 politische Gegner, darunter etwa 40 Angehörige des regionalen linksextremistischen Spektrums. Am 9. November beteiligten sich in München rund 40 RechtsextremisVeranstaltung ten an einer Kundgebung zum Thema "16. Jahrestag des Mauerfalls". am 9. November Versammlungsleiter war der Vorsitzende des NPD-Bezirksverbands Oberin München bayern Roland Wuttke. Gegen 21.00 Uhr wurden Fackeln entzündet. Danach verlas der Führer der Kameradschaft München und NPD-Funktionär Norman Bordin die Namen derjenigen Hitler-Gefolgsleute, die am 9. November 1923 beim "Marsch auf die Feldherrnhalle" ums Leben gekommen waren. Die Staatsanwaltschaft München I prüfte die Strafbarkeit dieser Aktion. Bordin hatte die Veranstaltung bereits 2004 angemeldet. Die Landeshauptstadt München bestätigte die Anmeldung, erließ jedoch Auflagen: Zum einen verlegte sie die Kundgebung vom Marienplatz auf den Karlsplatz, zum anderen wurde Bordin als Versammlungsleiter abgelehnt. An einer nicht angemeldeten Gegenkundgebung beteiligten sich etwa 250 Personen, darunter auch Angehörige der linksextremistischen Szene. Der NPD-Landesverband Bayern veröffentlichte im Dezember als Reaktion auf einige unter dem Deckmantel der NPD veranstaltete Skinhead-Konzerte ein Rundschreiben mit folgender "Dienstanweisung": "Dienstanweisung" "Die Untergliederungen der Partei haben nicht als Veranstalter von 'Rechtsrock-Konzerten' mit Skinhead-Musikgruppen o.ä. aufzutreten. Dies gilt nicht für Liederabende etc. Im Zweifelsfall ist die Genehmigung des Landesverbands einzuholen." 2.1.6 Junge Nationaldemokraten (JN) Deutschland Bayern Mitglieder: 300 50 Vorsitzender: Stefan Rochow Stefan Winkler Gründung: 1969 Sitz: Riesa/Sachsen Mit den JN verfügt die NPD als einzige rechtsextremistische Partei über eine Jugendorganisation. Die JN bekennen sich in Ideologie und ZielVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 106 Rechtsextremismus Ideologische setzung zum Programm ihrer Mutterpartei. In ihrem beim BundeskonAusrichtung gress 2002 als "Perspektive für ein besseres Deutschland" verabschiean der NPD deten "Manifest der nationalistischen Jugend" stellen sie das als grundlegendes Prinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geltende Mehrparteiensystem insofern in Frage, als sie eine "konstruktive parlamentarische Mitarbeit" erst nach der "eigentlichen Entscheidung" dulden wollen. Bedeutungsverlust Angesichts der fortdauernden Dominanz der Mutterpartei und ihrer intensivierten bündnispolitischen Orientierung zur Neonazi-Szene sind die JN bemüht, ihre Eigenständigkeit sowie ihre Bedeutung als Nahtstelle zwischen der NPD und den neonazistischen Organisationen zurückzugewinnen. Zwar blieb ihre Mitgliederzahl konstant. Auch fanden ihre Aktionen in der Öffentlichkeit größere Resonanz als im Vorjahr. Ihrem Anspruch, die "Speerspitze des nationalen Widerstands" zu bilden, genügen die JN aber seit längerem nicht mehr. Rechtsextremistische Jugendliche organisieren sich zunehmend in unabhängigen Kameradschaften. Die von den JN im Februar bzw. Juni 2004 beschlossenen Konzepte für eine Schülerzeitungskampagne und eine Schuloffensive wurden in Bayern bisher nur in Form vereinzelter Flugblattaktionen im Februar/März in Nürnberg und Vaterstetten, Landkreis Ebersberg, umgesetzt. Kundgebung am Anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes führten Rechtsextremis8. Mai in Berlin ten am 8. Mai in mehreren deutschen Städten Veranstaltungen durch. In Berlin nahmen an einer von den JN unter dem Motto "60 Jahre Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkult" angemeldeten Veranstaltung rund 3.300 Personen teil. Unter ihnen befanden sich der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt, sein Stellvertreter Holger Apfel sowie die Neonazis und NPD-Bundesvorstandsmitglieder Thomas Wulff (Versammlungsleiter) und Thorsten Heise. Aus Bayern waren etwa 600 Rechtsextremisten nach Berlin gereist. Auch Delegationen befreundeter rechtsextremistischer Organisationen aus dem Ausland waren anwesend. Der JN-Bundesvorsitzende Stefan Rochow bezeichnete in seiner Rede den 8. Mai als ein "Symbol der Gefangenschaft". Das deutsche Volk sei bis heute unterdrückt und befinde sich in einer "Schuldknechtschaft". Holger Apfel forderte ein Ende der Vergangenheitsbewältigung und verunglimpfte die Bundesrepublik Deutschland als "Canossa-Republik" und "Lügenrepublik", der man nur abgrundtiefen Abscheu entgegenbringen könne. Voigt erklärte in seiner Rede, der 8. Mai 2005 diene den Regierenden dazu, von nicht mehr lösbaren sozialen Problemen abzulenken. Am Brandenburger Tor werde derzeit eine absurde "Schuldkult-Show" Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 107 aufgeführt, um den Prozess der von den Siegern eingeleiteten Umerziehung mit Macht fortzusetzen. In einem Anfang August im Internet veröffentlichten Beitrag, wonach Kritik an der das "nationale Spießbürgertum" für politische Revolutionen nicht zu Bündnispolitik gebrauchen sei, kritisierte der JN-Bundesvorsitzende Stefan Rochow die der NPD Bündnispolitik der NPD: "Die so genannte rechte Volksbewegung aus NPD und DVU ist sicherlich auf den ersten Blick ein unterstützungswürdiger Ansatz, weil man glauben könnte, hier entsteht eine starke nationale Kraft, welche die Probleme der Zukunft bewältigen kann (...). Leider ist dieses Ziel schon im Ansatz gescheitert. Das Rechtsbündnis stellt sich aus meiner Sicht als ein rechts-reaktionäres, nationalund sozialdemagogisches Bündnis dar, welches mir seit längerem Bauchschmerzen bereitet." Am 35. Bundeskongress der JN am 26. November in Chemnitz/Sachsen Bundeskongress beteiligten sich rund 130 Personen. Zu den Gästen der Tagung zählten u.a. der stellvertretende NPD-Parteivorsitzende Holger Apfel, der Bundespressesprecher der DVU Bernd Dröse sowie der ehemalige Rechtsterrorist und jetzige Mitarbeiter der sächsischen NPD-Fraktion Peter Naumann. Der mit großer Mehrheit wieder gewählte Bundesvorsitzende Stefan Rochow erklärte zur Rolle der JN - offenbar vor dem Hintergrund seiner früheren Kritik am "Volksfront"-Konzept der Mutterpartei -, die JN seien einerseits "integraler Bestandteil der NPD", andererseits müssten sie aber auch jungen Menschen einen geschützten Raum bieten, in dem eigene Politik betrieben werden könne. Nur auf diese Weise würden die JN "nicht nur als sprachloses Anhängsel der NPD wahrgenommen". 2.2 Deutsche Volksunion (DVU) Deutschland Bayern Mitglieder: 9.000 1.100 Vorsitzender: Dr. Gerhard Frey Bruno Wetzel Gründung: 1987 Sitz: München Publizistisches Sprachrohr: "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort In ihrem Programm bekennt sich die DVU formal zur freiheitlichen Extremistische demokratischen Grundordnung, doch will sie einige für alle Menschen Grundhaltung gültige Grundrechte, beispielsweise den Schutz der Familie, zu BürgerVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 108 Rechtsextremismus rechten reduzieren, die ausschließlich Deutschen zustehen sollen. Die rechtsextremistische Grundeinstellung der Partei wird in Äußerungen führender Funktionäre sowie im Inhalt der im Verlag des Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey erscheinenden National-Zeitung deutlich. Rassismus und Die rassistisch und nationalistisch geprägte Propaganda der Partei richNationalismus tet sich insbesondere gegen die Ausländerpolitik der Bundesregierung und die Europäische Union (EU). Bereits Mitte Oktober 2004 startete die DVU gemeinsam mit der NPD eine Unterschriftenaktion gegen einen Beitritt der Türkei zur EU. Dabei stellte die DVU einerseits die angeblich drohende Massenzuwanderung aus der Türkei und andererseits die finanziellen Belastungen für Deutschland in den Vordergrund. Ein in der NZ abgedruckter Spendenaufruf mit der Überschrift "Das Abendland darf nicht untergehen" warnte vor den Folgen eines Zustroms von "noch mehr Millionen Türken": "Es käme zur Entdeutschung Mitteleuropas und zu Verhältnissen, wie sie heute schon in manchen Bereichen Berlins herrschen." (NZ vom 25. März, Seite 9) Unter der Überschrift "Wie die EU Deutschland ruiniert - Rumänien und Bulgarien geben uns den Rest" verwies die NZ auf den zu erwartenden Zuzug der in beiden Staaten lebenden "Millionen Zigeuner": "Jetzt ist die EU endgültig zu einem Abzockerverein missraten, in den nur noch die ärmsten Staaten Europas hineindrängen und mit ihrem riesigen Finanzbedarf insbesondere Deutschland, den mit Abstand größten Nettozahler der Gemeinschaft, in den Ruin zu treiben drohen. (...) Das beschert dem deutschen Sozialstaat nicht nur weitere enorme Lasten, es wäre nach allen Erkenntnissen auch mit einem unerträglichen Kriminalitätsschub verbunden." (NZ vom 22. April, Seite 1) FremdenAusländer werden häufig pauschal als Kriminelle oder Wirtschaftsflüchtfeindlichkeit linge diffamiert, die eine Gefahr für die Innere Sicherheit darstellten: "Wenn aber nun in Zeiten der Diktatur des Rotstiftes bei öffentlichen Sozialleistungen noch mehr Ausländer kommen, wie es der Fall ist und wie es insbesondere durch die EU-Erweiterung zusätzlich herausgefordert wird, rückt der Zeitpunkt sozialer Unruhen bedenklich nahe. Mit verheerenden Folgen sowohl für Einheimische wie für Zuwanderer. (...) Das Ergebnis der herrschenden Zuwanderungspolitik könnte sein, dass beide Seiten, Einheimische und Zuwanderer, in den Strudel eines Bürgerkrieges um die Sozialkassen geraten." (NZ vom 1. April, Seite 2) "Millionen Ausländer leben illegal in Deutschland und Hunderttausende von ihnen werden gegen Recht und Gesetz von Behörden geduldet. Diese illegalen Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 109 Ausländer sind abzuschieben und die Grenzen für Wirtschaftsflüchtlinge wie für kriminelle Banden zu schließen. Deutschland braucht sein Geld für die eigenen Armen." (NZ vom 21. Januar, Seite 3) "Auf gut deutsch heißt das nichts anderes als die bewusste Unterschlagung der Tatsache, dass sich insbesondere unter den in Deutschland ihr Unwesen treibenden zahlreichen Trickdieben, deren Opfer in aller Regel alte und hilflose Deutsche sind, überproportional viele Zigeuner befinden." (NZ vom 12. August, Seite 11) Die DVU vermeidet offenen Antisemitismus, doch wird ihre antisemitiLatenter sche und antiisraelische Grundhaltung in ihrem publizistischen SprachAntisemitismus rohr deutlich, in dem sie beispielsweise gegen den Zustrom jüdischer Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion polemisierte: "Dass diese Milliarden Euro verschlingende Massenimmigration von Personen, die keinerlei Bezug zum deutschen Volk, der deutschen Kultur oder der deutschen Sprache haben, den Nutzen unseres Vaterlandes nicht mehrt, ist ohnedies klar. Man wundert sich, welche Wege einer absurden 'Wiedergutmachung' die in der Bundesrepublik herrschenden Parteien suchen." (NZ vom 7. Januar, Seite 4) Zu den Selbstmordanschlägen im Nahen Osten vertritt die DVU die These, der Terror islamistischer Extremisten speise sich "zum einen aus dem völkerrechtswidrigen US-Krieg gegen den Irak und zum andern aus der brutalen Unterdrückung und Entrechtung der Palästinenser durch die israelische Besatzungsmacht. Dass sich Israel das nur mit amerikanischer Rückendeckung leisten kann, weiß man ebenfalls." (NZ vom 18. November, Seite 4) In der Agitation gegen den Staat Israel klingen mitunter auch revisionistische Tendenzen an: "So will Israel gar überhaupt nichts hören von dunklen Kapiteln eigener Geschichte, lehnt jede Selbstkrümmung entschieden ab, sondern stolziert durch die Welt, als hätte es einen Ladestock zwischen Genick und Steißbein. Und das parteipolitische Spektrum fängt, was Nationalismus betrifft, in Israel erst da richtig an, wo es hierzulande längst aufhört. Legt man die Maßstäbe an, die in Bundesrepublikanien obwalten, ist 'rechtsextrem' gar nichts im Vergleich zu dem, was so alles in der Knesset sitzt." (NZ vom 11. Februar, Seite 1) Wie bisher zählt die revisionistische Kritik an der "extrem einseitigen Revisionismus Vergangenheitsbewältigung" zu den Schwerpunkten der Programmatik: "Die Erinnerung an den Holocaust, ein beweisbares Unrecht an Juden, ewig gegenwärtig zu halten, ist für Israel und internationale jüdische Dachorganisationen sozusagen die Grundlage, um die Vorstellung eines 'zweiten HoloVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 110 Rechtsextremismus caust' selbst unter Nichtjuden zu verbreiten. (...) Daher werden mehr und pompösere Mahnmale denn je gebaut, wird lauter denn je getrommelt, und jedermann, vom kleinen Kind bis zum Eskimo, die damaligen Verbrechen an Juden vor Augen zu halten." (NZ vom 4. Februar, Seite 12) "Auf den Betrachter wirkt es wie ein Faustschlag aus Beton: das am vergangenen 10. Mai in Berlin eingeweihte Zentrale Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, ... (...). Die etablierten Politiker jedenfalls sehen durch das Mahnmal ihr Ziel verwirklicht, auch die heutige und selbst kommende deutsche Generationen in Haftung für längst vergangenes Unrecht zu nehmen und daraus eine 'besondere Verantwortung' gegenüber Israel abzuleiten, die Deutschland ungeachtet von dessen Unrechtsakten gegenüber den Palästinensern zu leisten habe." (NZ vom 20. Mai, Seite 5) Die Verbrechen der Nationalsozialisten werden zwar nicht ausdrücklich Relativierung der geleugnet, doch wird versucht, diese durch wiederholte Hinweise auf NS-Verbrechen Verbrechen anderer Völker zu relativieren. Hierzu griff die DVU unter der Überschrift "Dresdens ungesühnte Vernichtung" den 60. Jahrestag der Bombardierung Dresdens auf: "Am 13. Februar jährt sich das zum Himmel schreiende alliierte Terror-Bombardement auf Dresden zum 60. Male. Etablierte Politiker und Massenmedien werden nicht müde, die schrecklichen Ereignisse des 13. Februar 1945 zu verharmlosen. Vielmehr bereitet man sich auf bombastische 'Befreiungs'-Feierlichkeiten zum 8. Mai vor. (...) Hunderttausende Tote, Hunderttausende Einzelschicksale. Der Feuersturm von Dresden hatte eine verheerende Auswirkung. Die anglo-amerikanischen Bomber richteten ein wirkliches Menschheitsverbrechen an. (...) Das Grauen von Dresden sprengt unsere Vorstellungskraft." (NZ vom 4. Februar, Seite 6) "Es schreit zum Himmel, dass die etablierten Parteien alles unternehmen, um selbst zum 60. Jahrestag der Auslöschung Dresdens eine angemessene Würdigung des Massenmords zu verhindern. (...) Es gibt keine Moral, die die heute Mächtigen darin rechtfertigen könnte, dem deutschen Volk und kommenden Generationen unseres Volkes Kollektivverantwortung aufzubürden. (...) Es gibt auch keine moralische Rechtfertigung für das sich steigernde System in der Meinungsindustrie, von den Untaten unserer Zeit abzulenken, indem alles Unrecht des vergangenen Jahrhunderts der deutschen Seite angelastet wird. (...) Wir prangern an, dass die ständige extrem einseitige Darstellung der deutschen Geschichte kein einziges Problem unserer Zeit wie insbesondere die Arbeitslosigkeit und die Armut von immer mehr Millionen Deutschen lösen kann." (NZ vom 11. Februar, Seite 1) Zur Befreiung Deutschlands von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft am 8. Mai 1945 bemerkte die NZ: "Bundesdeutsche Meinungsmacher bejubeln vor allem US-Amerikaner als 'Befreier Deutschlands'. (...) Kein Staat der Erde hat auf seinem Weg zur WeltVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 111 macht ein vergleichbar großes Blutbad angerichtet wie die USA. Während man in den USA mit Museen, Denkmälern, Bibliotheken usw. ausgerechnet deutsche Schuld beschwört und eine Holocaust-Gedenkstätte nach der anderen einweiht, sucht man vergebens nach einem Mahnmal zu Ehren der vielen Millionen ausgerotteten Indianer oder aber nach einem Denkmal, das in irgendeiner Weise die barbarische Negersklaverei aufbereiten würde." (NZ vom 15. April, Seite 3) "Die miese Kampagne gegen deutsche Soldaten, die wir heute erleben, ist jedenfalls nicht 'vom Ausland' verordnet, wie manchmal behauptet wird. Die Niederträchtigkeiten sind Ausdruck von Nationalmasochismus, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat. Je länger die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges zurückliegen, desto aggressiver tritt uns die Bewältigungsindustrie entgegen, desto schamloser werden die Fälschungen, desto skandalöser die Soldaten-Hetze." (NZ vom 22. April, Seite 3) Nach wie vor ist die Partei bestrebt, rechtsextremistisch motivierte GeRelativierung walt zu relativieren: rechtsextemis"Das Wahnsinnstreiben von V-Leuten und Narren in der so genannten 'Kametischer Gewalt radschaft Süd' in München und im irrwitzigen 'Freikorps' in Brandenburg bereitet für einen gewissenlosen Schweinejournalismus ein ideales Klima, um Deutschland im Allgemeinen und die deutsche Rechte im Besonderen zu verteufeln und der deutschen Sache den größtmöglichen Schaden zuzufügen." (NZ vom 18. März, Seite 3) Diffamierung Häufig werden demokratische Institutionen und ihre Repräsentanten demokratischer diffamiert. Auf diese Weise soll das Vertrauen in diese Institutionen und Institutionen den von ihnen getragenen Rechtsstaat untergraben werden. Die Wortwahl macht deutlich, dass es sich dabei nicht um Kritik an einzelnen Entscheidungen oder Entscheidungsträgern handelt, sondern am System der parlamentarisch repräsentativen Demokratie: "Seit Jahrzehnten machen Volksvertreter in der Bundesrepublik eine Politik, die keineswegs mehr auf den Nutzen des eigenen Volkes ausgerichtet ist und Deutschland in den Ruin führt, während sich gleichzeitig Bonzen die Taschen im Übermaß mit Staatsgeldern füllen und zusätzlich von der Großindustrie sich finanzieren lassen." (NZ vom 21. Januar, Seite 3) "Machen wir uns nichts vor: Korrupte sind es, die unsere Republik immer wieder in Affären treiben, die verantwortlich sind für Filz und Bestechung, Mauscheleien und Lügen. Schwarze Koffer, Panzer-Affäre, Leuna-Deal, Barschel-Sumpf und Möllemann-Kampagne. Wenige Stichworte genügen, um zu umreißen, wie verkommen die politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland bereits ist." (NZ vom 04. Februar, Seite 1) "Der Ende vergangenen Jahres vom Amt des CDU-Generalsekretärs zurückgetretene Laurenz Meyer ist der Prototyp des geldgierigen und überversorgten Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 112 Rechtsextremismus bundesdeutschen Berufspolitikers. (...) Was zudem auffällt: die gleichen Politiker, die sich die Taschen voll stopfen, erklären ungerührt, mit der Hartz-IV-Versorgung von 345 Euro im Monat könne man in Deutschland doch ganz gut leben ..." (NZ vom 18. März, Seite 11) "Es scheint, dass man eher ein warmes Plätzchen in der Antarktis findet als einen führenden deutschen Politiker mit finanzpolitischem Sachverstand. Das einzige Finanzielle, das diese Leute bestens geregelt haben, ist ihre fürstliche Versorgung auf Steuerzahlers Kosten ..." (NZ vom 8. Juli, Seite 5) 2.2.2 Organisation Die Mitgliederzahl der DVU liegt bundesweit bei 9.000 (2004: 11.000). Rückläufige In Bayern verlor die Partei etwa 100 Mitglieder, so dass der derzeitige Mitgliederzahl Mitgliederstand 1.100 Personen beträgt. Seit 1994 hat die Partei damit 11.000 Mitglieder verloren. Die DVU hat keine Jugendorganisation und betreibt keine Jugendarbeit. Sie verfügt in allen Bundesländern nominell über Landesverbände, die jedoch öffentlich kaum in Erscheinung treten. Auf Bezirks-, Kreisund Ortsebene ist die DVU organisatorisch ebenfalls kaum vertreten. Der bedingungslose Machtanspruch des Vorsitzenden Dr. Gerhard Frey lässt den Unterorganisationen keinen Handlungsspielraum. Im Verlag des Parteivorsitzenden erscheint die "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) als Werbeträger und publizistisches Sprachrohr der DVU. Nach wie vor ist die DVU bei ihrem Vorsitzenden verschuldet. Die Personalunion von Vorsitzendem und Kreditgeber verleiht Dr. Frey eine ungewöhnliche Machtfülle. 2.2.3 Wahlbündnis mit der NPD Die Vorsitzenden von DVU und NPD, Dr. Gerhard Frey und Udo Voigt, hatten nach den Wahlerfolgen in Brandenburg und Sachsen im Jahr 2004 beschlossen, dass beide Parteien auch bei der folgenden Bundestagswahl und der Europawahl 2009 kooperieren werden. Künftig solle möglichst nur eine "nationale Liste" aufgestellt werden. Am 15. Januar "Deutschschrieben die Parteivorsitzenden in einer als "Deutschland-Pakt" beland-Pakt" zeichneten Vereinbarung ihre weitere Zusammenarbeit für die Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene bis 2009 fort. Absprachegemäß verzichtete die DVU daraufhin zu Gunsten der NPD auf die Teilnahme an den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie an der Bundestagswahl 2005. Trotz des Wahlbündnisses zwischen NPD und DVU kritisierte Dr. Frey das schlechte Abschneiden der NPD bei der Landtagswahl in SchlesVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 113 wig-Hostein. In einem Artikel in der NZ vom 25. Februar brachte er Kritik an der unter der Überschrift "Kein Signal aus Kiel" noch einmal seine AblehBündnispolitik des nung von Skinheads und Neonazis zum Ausdruck. Man müsse nach "patriotischen" den Auswirkungen auf die Wähler fragen, wenn Demonstrationen Lagers unter Beteiligung martialisch wirkender Skinhead-Gruppen durch das Brandenburger Tor zögen. Neonazismus sei das Allerletzte, was das patriotische Lager brauche. Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bemängelte der DVU-Vorsitzende den Abgrenzungskurs des REP-Vorsitzenden Schlierer gegenüber NPD und DVU und bemerkte dazu in der NZ vom 27. Mai, die "Rechten" hätten sich den seltsamen "Luxus" geleistet, wieder einmal gegeneinander anzutreten. Alle Appelle der DVU und der NPD an die REP-Führung, das "Kriegsbeil zu begraben und mit an Bord zu kommen", seien vergebens geblieben. Die REP hätten auf dem Stimmzettel mit der NPD konkurriert und damit dem potenziellen Rechtswähler ein Bild der Zerstrittenheit geliefert. Bei der Bundestagswahl wurden DVU-Angehörige auf Landeslisten der Kandidaturen auf NPD nominiert, so der DVU-Vorsitzende Dr. Gerhard Frey als SpitzenNPD-Landeslisten kandidat auf der NPD-Landesliste in Nordrhein-Westfalen. In Bayern kandidierten die DVU-Funktionäre Bruno Wetzel und Dr. Thomas Mehnert auf der NPD-Landesliste. Zum Wahlergebnis nahm die DVU am 19. September im Internet unter der Überschrift "Ein Aufwind war's - ein Sturm (noch) nicht" Stellung. Hierin erklärte die DVU zum weiteren Vorgehen, die Zusammenarbeit von DVU und NPD werde gemäß dem von beiden Parteien geschlossenen Deutschland-Pakt fortgesetzt. Hierbei seien Wahlen in den neuen Bundesländern von "ganz besonderer Bedeutung", da dort das "rechte Potenzial weit überdurchschnittlich hoch" sei. Im Frühjahr 2006 werde die DVU in Sachsen-Anhalt und im Herbst 2006 die NPD in Mecklenburg-Vorpommern bei den Landtagswahlen antreten. 2.2.4 Bundesparteitag Am 15. Januar veranstaltete die DVU in München ihren Bundesparteitag mit rund 300 Teilnehmern. Bei der Wahl des Bundesvorstands wurde Wiederwahl des der Bundesvorsitzende Dr. Gerhard Frey in seiner Funktion bestätigt. Einen Parteivorsitzenden der beiden Stellvertreterposten besetzt wie bisher der Vorsitzende des Landesverbands Bayern Bruno Wetzel. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Planung und Koordination der bevorstehenden Wahlkämpfe. Die Parteivorsitzenden der NPD und DVU Udo Voigt und Dr. Gerhard Frey legten in einem "Deutschland-Pakt" ihre weitere Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 114 Rechtsextremismus Zusammenarbeit fest. In der Vereinbarung heißt es, der Bruderkampf sei eingestellt; es werde nun ausschließlich gegen die wirklichen GegWahlabsprache ner gefochten. So würden beide Parteien bis zum 31. Dezember 2009 mit der NPD bei Bundestags-, Europaund Landtagswahlen nicht gegeneinander kandidieren. Dr. Frey erklärte, die NPD sei der "ideale Partner" für die DVU; zwischen beiden Parteien herrsche "größte Harmonie". Sowohl Voigt als auch Dr. Frey betonten, dass es zu keinerlei Verhandlungen mit anderen Parteien kommen werde. Diese sollten sich entweder der NPD oder der DVU anschließen. Voigt zeigte sich zuversichtlich, dass künftig auch Anhänger der REP der "neuen Volksfront" beitreten, obwohl der REP-Vorsitzende Dr. Rolf Schlierer ein Bündnis mit NPD und DVU weiterhin ablehne. Zur Finanzlage gab Bruno Wetzel bekannt, dass die Partei 1.021.000 Euro an Einnahmen, 741.000 Euro an Ausgaben und damit einen Gewinn von 280.000 Euro für das Jahr 2004 ausweisen konnte. 2.2.5 Sonstige Aktivitäten Kundgebung am Der DVU-Kreisverband Augsburg führte am 25. Februar eine Kund25. Februar in gebung zum "Gedenken an die Bombardierung Augsburgs im Jahr Augsburg 1944" durch. Die rund 60 Teilnehmer zeigten Transparente mit Aufschriften wie "Mord verjährt nicht! In stillem Gedenken - JN München", "Opfer des alliierten Bombenterrors wir vergessen Euch nicht! Kameradschaft Augsburg" und "Wir gedenken: 25. Februar 1944 britisch-amerikanischer Bombenterror über Augsburg". Rund 150 Gegendemonstranten störten die Reden des Augsburger DVU-Vorsitzenden Walter Baur und des DVU-Pressesprechers Bernd Dröse mit Trillerpfeifen, Trommeln und lautstarken Rufen. Gemeinsamer Die DVU-Landesverbände Bayern und Baden-Württemberg veranstalteLandesparteitag ten am 23. Oktober in Augsburg einen gemeinsamen Landesparteitag. am 23. Oktober An der Veranstaltung nahmen rund 250 Mitglieder und Sympathisanin Augsburg ten teil, davon etwa 180 Personen aus Bayern. Bei der anstehenden Neuwahl wurde der Vorsitzende des Landesverbands Bayerns Bruno Wetzel in seiner Funktion bestätigt, ebenso sein Stellvertreter Dr. Thomas Mehnert. Als Hauptredner trat der DVU-Bundesvorsitzende Dr. Gerhard Frey auf. Er bezeichnete die Landtagswahl 2006 in Sachsen-Anhalt als "Schicksalswahlen für Deutschland" und betonte, er habe mit dem NPD-Vorsitzenden Udo Voigt beschlossen, den "Deutschland-Pakt" aufrechtzuerhalten. Zugleich kritisierte er indirekt die NPD bzw. deren Strategie-Element "Kampf um die Straße", indem er sich gegen "wilde Demonstrationen" aussprach, die mehr Schaden als Nutzen anrichteten und den Wähler eher erschreckten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 115 2.3 Die Republikaner (REP) Deutschland Bayern Mitglieder: 6.500 2.300 Vorsitzender: Dr. Rolf Schlierer Johann Gärtner Gründung: 1983 Sitz: Berlin Publikation: "Zeit für Protest!" 2.3.1 Ideologisch-politischer Standort Die Partei weist weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextreAnhaltspunkte mistische Bestrebungen auf. Zwar verfolgt nicht jedes Parteimitglied für rechtsverfassungsfeindliche Ziele, jedoch lassen maßgebliche Kräfte - insbesonextremistische dere unterhalb der Ebene des Parteivorstands bzw. dessen unmittelBestrebungen barer Einflusssphäre - mehr oder weniger offen ihre Gegnerschaft zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung erkennen. Die Art der Kritik an bestehenden Verhältnissen findet in unterschiedlicher Dichte ihre Ausprägung in Ressentiments gegen Ausländer in Verbindung mit einem übersteigerten Nationalismus, in der Agitation gegen das Demokratieprinzip sowie in der Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten. Hinweise auf eine gegen die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot gerichtete Zielsetzung der REP finden sich insbesondere in der zum Standardrepertoire gehörenden fremdenfeindlichen Agitation. FremdenDie Partei versucht, in Deutschland lebende Ausländer pauschal für gefeindlichkeit sellschaftliche Kontroversen und Probleme verantwortlich zu machen. Einwanderer werden undifferenziert und ausschließlich als bedrohender Faktor für die deutsche Bevölkerung dargestellt: "Die seit Jahren anhaltende Masseneinwanderung führt nicht nur zu untragbaren wirtschaftlichen Lasten und innerem Unfrieden, sondern zur Veränderung und letztlich Auflösung unseres Volkes. Das ist Hochverrat." (Landesprogramm der REP Berlin) " ... keiner wagt es, das Tabu zu brechen: Den fortschreitenden Ruin unserer Staatsfinanzen und Sozialkassen durch die anhaltende Massenzuwanderung auf unseren Arbeitsmarkt und in unsere Sozialsysteme." (Zeit für Protest! Nummer 8-9/2005, Seite 4) Unter der Überschrift "Hundert Prozent deutschenfrei: erste 'national befreite Schule' in Berlin" hieß es im Parteiorgan: "Noch ist diese Kreuzberger Realschule ein Extremfall; doch bis die Ausnahme zur Regel wird, ist angesichts der anhaltenden Zuwanderung durch den Kreißsaal, per Familienzusammenführung oder über Visaund Asylmißbrauch absehbar. (...) Multikulti schadet so nicht nur der Bildung, sondern nimmt Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 116 Rechtsextremismus auch den Einheimischen die Chancengleichheit, die man für Einwanderer so gerne fordert." (Zeit für Protest! Nummer 6-7/2005, Seite 4) Nationalismus In Artikeln mit der Überschrift "Unser Volk zuerst" und "Arbeit für uns" verbanden sich nationalistische Forderungen mit fremdenfeindlichen Tendenzen: "Nationale Interessen müssen in der Politik wieder Vorfahrt haben. Arbeit schaffen - für die eigenen Bürger. (...) Durchsetzen unserer Leitkultur - wer sich nicht assimilieren will, soll nach Hause gehen." (Zeit für Protest! Nummer 8-9/2005, Seite 1) "Wir müssen unser gesundes nationales Eigeninteresse wieder zur Geltung bringen - nicht nur in Europa. (...) Die überzogenen Nettozahlungen an die EU müssen reduziert werden. Und statt die EU auf weitere Armenhäuser wie Rumänien und die Türkei auszudehnen, müssen wir endlich die Rückführung dauerarbeitsloser Ausländer anpacken." (Zeit für Protest! Nummer 3-5/2005, Seite 1) In weiteren Beiträgen "Das Volk wird ausgewechselt" und "Integration - wer wen?" beschwor das Parteiorgan die Gefahr, dass Deutsche "Fremde im eigenen Land" werden: "Die Ersetzung des deutschen Staatsvolkes durch eine 'multikulturelle' Mischbevölkerung hat unter Rot-Grün rasante Fortschritte gemacht." (Zeit für Protest! Nummer 6-7/2005, Seite 4) "Dann geben in den Einwanderervierteln eben die Imame den Ton an, und sie werden nicht so feinfühlig gegenüber den paar Restdeutschen sein wie unsere alles umarmenden Multikulti-Apostel zu ihnen." (Zeit für Protest! Nummer 6-7/2005, Seite 4) Der Bundesvorsitzende Dr. Rolf Schlierer nahm die Terroranschläge von London zum Anlass, diffuse Ängste zu schüren und pauschal die "Assimilation" anstatt Integration von Einwanderern zu fordern: "Wer grenzenlos islamische Einwanderung duldet, holt sich den potentiellen Feind ins eigene Haus - und wer diese Einwanderer unkontrolliert gewähren läßt, ohne sie zur Assimilation zu veranlassen, spielt mit dem Leben der Bürger." (Pressemitteilung 44/05 vom 8. Juli) Revisionismus Ausgangspunkt revisionistischer Argumentation war die Leugnung der Singularität der NS-Verbrechen. So wurde in einem Beitrag mit der Überschrift "Volk am Nasenring" den Deutschen empfohlen, "Nationalmasochismus und Selbsthaß" zu überwinden: "Die NS-Verbrechen waren furchtbar, aber nicht 'einzigartig'. Der Versuch, Schuld dauerhaft nur bei einem, dem deutschen Volk zu monopolisieren, ist gefährlich für Freiheit und Demokratie." (Zeit für Protest! Nummer 1-2/2005, Seite 1) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 117 Auf der Aschermittwochsveranstaltung der Partei in Geisenhausen bezeichnete der Bundesvorsitzende Dr. Rolf Schlierer das "Dogma von der Einzigartigkeit deutscher Verbrechen" als "historische Lüge", die ebenso wie der Popanz der "rechtsextremistischen Bedrohung" benutzt werde, um die Deutschen dauerhaft emotional und moralisch unter Druck zu setzen. Verbrechen der Sieger könnten nicht mit vorangegangenen Verbrechen gerechtfertigt werden. Die Deutschen dürften nicht länger zulassen, dass ihre ganze Geschichte "in ein Verbrecheralbum umgewandelt" werde. Anlässlich des 60. Jahrestags der deutschen Kapitulation wurde die revisionistische Ausrichtung der Partei erneut deutlich. So wandte sich der Bundesvorsitzende Dr. Rolf Schlierer in einem Beitrag "Die Befreiungslüge" gegen den "Zynismus der Umerzieher": "Kein Tag vergeht, an dem uns nicht im Zusammenhang mit dem Kriegsende vor 60 Jahren weisgemacht wird, daß die Deutschen 1945 durch die aufrechten Alliierten von den Nazis befreit worden seien. Der Krieg richtete sich angeblich nicht gegen die Deutschen, sondern nur gegen die Nazis." (Zeit für Protest! Nummer 3-5/2005, Seite 11) "Der 8. Mai ist für die Deutschen kein Tag der Befreiung (...). Die Teilnahme eines deutschen Bundeskanzlers an den Siegesfeiern der damaligen Alliierten kommt einer Verhöhnung der Opfer gleich." (Pressemitteilung 27/05 vom 7. Mai) Die Partei betrachtet das parlamentarische System als unfähig, korrupt Diffamierung und gegen die Interessen des Volkes gerichtet. demokratischer "Klammheimlich ... hat unsere politische Klasse den Staat zum SelbstbedieInstitutionen nungsladen gemacht ... ." (Zeit für Protest! Nummer 1-2/2005, Seite 12) Der Landesvorsitzende Gärtner bezeichnete auf einer Veranstaltung am 9. Februar den Bayerischen Ministerpräsidenten und den Bundeskanzler als "Lügenbarone, bei denen Münchhausen vor Neid erblassen würde". (Zeit für Protest! Nummer 1-2/2005, Mitgliederbeilage) Im Vorfeld der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen behauptete der REP-Bundesvorsitzende, die "rot-grünen Machthaber" hätten mit illegalen und illegitimen Methoden versucht, Bürger einzuschüchtern und zu kriminalisieren, die für die REP Unterstützungsunterschriften geleistet hätten. Dazu erklärte er: "Jetzt schwimmen den Genossen die Felle trotz der Primitiv-Agitprop-Kampagne des Vorsitzenden Müntefering davon. (...) Und das ist gut so - auch wenn die Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 118 Rechtsextremismus künftige Regierung kaum einen inhaltlichen Wechsel bringen wird. Aber schon die Aussicht, daß die Rotfilzgenossen, die sich den Staat längst zur Beute gemacht hatten, aus ihren Erbhöfen verjagt werden, tut der Demokratie gut. Allein schon die Vorstellung, daß der eine oder andere rot-grüne Tagedieb künftig nicht mehr üppig vom Staat alimentiert werden wird, muß einen versöhnlich stimmen." (Zeit für Protest! Nummer 3-5/2005, Mitgliederbeilage) 2.3.2 Aushöhlung des offiziellen Abgrenzungskurses Ein bereits 1990 gefasster Parteitagsbeschluss, wonach bei den REP niemand eine Funktion übernehmen darf, der in extremistischen und verfassungsfeindlichen Organisationen eine aktive Rolle gespielt hat, gilt innerparteilich als grundsätzliche Abgrenzungserklärung gegenüber allen anderen Organisationen des rechtsextremistischen Spektrums. Hauptsächliches Motiv ist das Bestreben, sich als national-konservativ Interne Gegner ausgerichtete Partei präsentieren zu können. Allerdings tragen regiodes offiziellen nale Gliederungen der REP und einzelne Parteifunktionäre diesen AbgrenzungsBeschluss nicht mit. Dennoch hielt die Parteiführung um Dr. Schlierer kurses trotz innerparteilicher Kritik, zahlreicher Austritte führender Funktionäre und ausbleibender Wahlerfolge bisher unbeirrt an ihrem Abgrenzungskurs fest. Dies zeigte sich beispielsweise daran, dass die Parteiführung im Vorfeld der Bundestagswahl 2005 mehrmaligen Versuchen, die REP in die "Volksfrontstrategie" der NPD einzubinden, widerstand und eine Beteiligung an einem von der NPD dominierten Wahlbündnis ablehnte. Der in Teilbereichen der REP nach wie vor erkennbare Widerstand gegen Kontakt zu die Position der Parteiführung wurde an Kontakten zu anderen rechtsanderen Rechtsextremistischen Organisationen sowie in deren Unterstützung deutlich. extremisten So war auf dem Neujahrsempfang der Mainzer REP-Stadtratsfraktion neben dem Bundesvorsitzenden Dr. Schlierer auch ein Vertreter der den REP nahe stehenden rechtsextremistischen Partei "Vlaams Belang" aus Belgien als Ehrengast anwesend. Dieser trat außerdem bei einer Wahlkampfveranstaltung der REP am 10. April in Gelsenkirchen als Redner auf. Am 23. Januar nahmen in München-Pasing bei einem "politischen Neujahrstreffen" von Rechtsextremisten neben NPDund DVU-Mitgliedern sowie Neonazis auch Mitglieder der REP teil. Am 12. Februar trafen sich im Vorfeld des von der rechtsextremistischen Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) organisierten Trauermarsches in Dresden u.a. Vertreter von NPD und DVU zu einer VortragsVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 119 veranstaltung, an der auch der stellvertretende REP-Bundesvorsitzende Björn Clemens teilnahm. Ein REP-Kreistagsmitglied trug im Dezember bei der Jahresabschlusssitzung des Würzburger Kreistags ein T-Shirt mit der Aufschrift "Nationaler Widerstand Kist/Altertheim". Mit dem Begriff "Nationaler Widerstand" propagieren Rechtsextremisten, insbesondere Anhänger der NPD und Teile der Neonazi-Szene, eine gemeinsame und organisationsübergreifende Protestbewegung gegen den demokratischen Verfassungsstaat. 2.3.3 Organisation Der seit Jahren anhaltende Abwärtstrend der Partei hat sich vor dem Anhaltende Hintergrund der wieder entfachten internen Differenzen um den vom Mitgliederverluste Parteivorsitzenden vertretenen Abgrenzungskurs gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen fortgesetzt. Sie wurden insbesondere durch die zum Teil deutlich besseren Wahlergebnisse der NPD ausgelöst. Der Versuch des Parteivorstands, eine eher gemäßigte Position innerhalb der Gesamtpartei durchzusetzen, bewirkte vor allem an der Parteibasis Resignation und führte zu weiteren Mitgliederverlusten. Während die Partei 1994 bundesweit über rund 20.000 Mitglieder verfügte, waren es im Jahr 2005 nur noch etwa 6.500 (2004: 7.500). Die meisten Anhänger zählt die Partei in den Landesverbänden Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Parteivorsitzender ist seit Ende 1994 Dr. Rolf Schlierer. Seine Stellvertreter sind Björn Clemens, Johann Gärtner, Haymo Hoch und Ursula Winkelsett. Der von Johann Gärtner geführte Landesverband Bayern zählt noch etwa 2.300 Mitglieder (2004: 2.800). Der Bundesverband, der Landesverband Bayern und weitere REP-Gliederungen sind mit eigenen Homepages im Internet vertreten. 2.3.4 Teilnahme an Wahlen Zur Landtagswahl am 22. Mai in Nordrhein-Westfalen kandidierten die Landtagswahl in REP mit Direktbewerbern in allen 128 Wahlkreisen. Nach dem amtNordrhein-Westlichen Endergebnis erreichte die Partei einen Stimmenanteil von 0,8 % falen (2000: 1,1 %) und schnitt damit noch schlechter als die NPD ab, obwohl sie im Gegensatz zu dieser flächendeckend angetreten war. Wie die NPD können auch die REP aufgrund dieses Ergebnisses keine Mittel aus Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 120 Rechtsextremismus der staatlichen Parteienfinanzierung beanspruchen. Im Wahlkampf hatten sich die REP - wie bei vorangegangenen Wahlen - als Protestwählerpartei präsentiert und soziale Themen in den Mittelpunkt gestellt. Mit Plakaten wie "Das Boot geht unter" oder "mehr als 5.000.000 Arbeitslose - STOP - Protest wählt REP" warben sie um Stimmen, entwickelten insgesamt aber nur geringe Aktivitäten. Bundestagswahl Bei der Bundestagswahl am 18. September, bei der die REP in nur neun Bundesländern zur Wahl antraten, erzielte die Partei wie im Jahr 2002 einen Stimmenanteil von 0,6 %. Bei der Europawahl im Jahr 2004 hatten die REP bundesweit noch 1,9 % der Stimmen erhalten. Ihre besten Ergebnisse erreichte die Partei mit jeweils 1,1 % in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In Bayern, wo die REP einen Stimmenanteil von 1,0 % (2002: 0,6 %) erzielten, schnitten sie am besten in den Wahlkreisen Würzburg (2,4 %) und Schweinfurt (2,1 %) ab. Programm zur Im Wahlprogramm hatten die REP Forderungen wie die Abschaffung Bundestagswahl von Fremdrenten etwa für Flüchtlinge und Aussiedler, die Wiedereinführung der Deutschen Mark, den Schutz deutscher Unternehmen vor feindlichen Übernahmen aus dem Ausland, die Kürzung der Entwicklungshilfe und der EU-Beiträge, die Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Ausweisung aller Islamisten, die Einbürgerung nur bei voller sprachlicher und kultureller Integration, die Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft der Türkei, die Abschaffung der Homound Lesbenehe und die Förderung deutscher Familien statt Zuwanderung erhoben. Nur mit einer geistig-moralischen Wende könne der Ruin Deutschlands in Form von Massenarbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Überalterung verhindert werden. Wahlwerbung Im Bundestagswahlkampf stand das Thema Arbeitslosigkeit im Vordergrund. Mit ausländerfeindlichen Slogans wie "Arbeit für Wojciech - Hartz IV für Deutsche?" und pauschalen Versprechungen wie "4 Millionen neue Arbeitsplätze - wir sorgen dafür" sollten Protestwähler angesprochen werden. Letztere Parole war auch der Titel einer Broschüre, in der die REP zehn Maßnahmen zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit präsentierten. Dazu zählten die Forderung nach der Einführung eines Rückführungsgesetzes für ausländische Langzeitarbeitslose und die Kündigung der Sozialabkommen mit Drittländern. 2.3.5 Sonstige Aktivitäten Politischer An der traditionellen Aschermittwochsveranstaltung der REP am 9. FebAschermittwoch ruar in Geisenhausen, Landkreis Landshut, nahmen knapp 300 (2004: 200) Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teil. Der bayerische LandesVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 121 vorsitzende Johann Gärtner kritisierte die "Schönrednerei der Altparteien" in der Wirtschaftsund Sozialpolitik. Mit einer Gedenkminute erinnerte der Bundesvorsitzende Dr. Rolf Schlierer an die "Opfer von Bombenterror, Flucht und Vertreibung". Als Hauptredner wandte er sich gegen den "offiziellen Denkbetrieb 60 Jahre nach Kriegsende" und forderte die "geistige Befreiung" der Deutschen aus der Situation eines besiegten Landes. 1945 sei für Deutschland kein Jahr der Befreiung, sondern "ein Jahr der katastrophalen Niederlage" gewesen. Im Rahmen eines Informationstags unter dem Motto "Republikaner Wahlparteitag zum Anfassen" führte der REP-Landesverband Bayern am 4. Juni in Inin Ingolstadt golstadt einen "Kleinen Parteitag" mit rund 200 Mitgliedern und Gästen durch. Während der Veranstaltung wurden langjährige Parteimitglieder geehrt und 18 Bewerber für die Bundestagswahl 2005 nominiert. Der Bundesvorsitzende Dr. Rolf Schlierer betonte in seiner Rede, dass die REP keineswegs nur eine "Ein-Thema-Partei" seien; sie hätten nicht nur im Bereich ihrer Kernkompetenz, der Inneren Sicherheit, Konzepte anzubieten, sondern seien auch in der Arbeitsmarkt-, Sozial-, Wirtschaftsund Finanzpolitik durchaus ernst zu nehmende Ansprechpartner. 2.4 Deutsche Partei - Die Freiheitlichen (DP) Deutschland Bayern Mitglieder: 500 70 Vorsitzende: Claudia Wiechmann, Ulrich Pätzold Ulrich Pätzold Gründung: 1993 Sitz: Erfurt Publikation: "Deutschland-Post" 2.4.1 Ideologisch-politischer Standort Seit ihrer Gründung im Jahr 1993 versuchte die DP mit anderen kleinen Sammelbecken "konservativ und national" ausgerichteten Parteien eine gemeinsame enttäuschter politische Einheit zu bilden. Unter dem im Jahr Rechtsextremisten 2001 gewählten Bundesvorsitzenden Dr. Heiner Kappel gelang es der DP, sich enttäuschten Mitgliedern von Parteien aus dem "rechten Lager", u.a. ehemaligen REP-Funktionären, als Alternative anzubieten. Diese Offenheit gegenüber anderen "patriotisch" gesonnenen Parteien wurde vom Parteivorstand am 31. August 2003 als Nicht-Abgrenzungsabschluss formuliert: "Die Deutsche Partei bewertet jedwede politische Ausgrenzung und Abwertung als inhuman, intolerant und undemokratisch. Für die DP lebt die DemoVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 122 Rechtsextremismus kratie von der Vielfalt der politischen Meinungen und dem Wettstreit um den besten Weg. Deshalb ist die Deutsche Partei gegenüber jeder politischen Gruppierung - von der PDS bis zur NPD - gesprächsund diskussionsbereit." Fusion mit rechtsAuf dem Bundesparteitag am 4. Oktober 2003 in Fulda fusionierte die extremistischer DP mit der "Freiheitlichen Deutschen Volkspartei" (FDVP), einer als AbSplitterpartei spaltung der DVU in Sachsen-Anhalt gegründeten Splitterpartei. Mit dem Zusammenschluss wurde die FDVP aufgelöst; die Bezeichnung "Deutsche Partei" erhielt den Zusatz "Die Freiheitlichen". RechtsextremisIn ihren öffentlichen Verlautbarungen vermied die DP bisher weittische Grundgehend Aussagen mit eindeutig rechtsextremistischer Zielsetzung. Die haltung Tendenz zu übersteigertem Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Ressentiments gegen Minderheiten ist jedoch unverkennbar. "Ein Asylbewerber steht meist besser da als mancher Bundesbürger (laut Statistik leben in der BRD 13 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze). Wo sind denn bei uns die 'kleinen Leute', die sich im 'Netto-Zustand' eine schöne Wohnung, beste Verpflegung, modernste Kleidung, erstklassige medizinische Versorgung ohne Zuzahlung und Jahreskarten für alle Nahverkehrsmittel leisten können, um dann noch zusätzlich Taschengeld zu empfangen? Asylbewerber leben gratis auf Kosten der fleißigen Bevölkerung." (Deutschland-Post, Oktober 2005, Seite 8) Rassismus Auf der Internet-Seite des Landesverbands Baden-Württemberg wandte und Fremdensich der DP-Jugendbeauftragte gegen die "krankhaft geschaffene feindlichkeit Multikulturelle Gesellschaft": "Wenn sich nicht bald etwas ändert, wird sich unser Volk weiter zu einer verkommenen, überfremdeten und kulturlosen Gesellschaft entwickeln (...), es kann für kriminelle Ausländer, Asylbewerber und Scheinasylanten nur eine Antwort geben, direkt zum nächsten Flughafen und ... ab in die Heimat. In Deutschland wird die Abschiebung Fremder so gut wie nie vollzogen, auch nicht wenn Ausländer im großen Stil die deutschen Sozialversicherungssysteme betrügen und ausbeuten, mit Drogen gehandelt wird oder Gewalttaten gegenüber Deutschen begangen werden." In einem weiteren Internet-Beitrag stellte sich die DP als politische Kraft zur Rettung des Abendlandes dar: "Das Mittelalter ist zurück in Europa. (...) Unsere muslimischen Mitbürger scheint das Grundgesetz der BRD nicht zu interessieren. (...) Das von den Muslimen angestrebte Gesellschaftssystem ist mit modernen rechtsstaatlichen Strukturen ... unvereinbar. (...) Deutschland braucht keine Politiker, die diese wichtigen Fragen als Tabuthema abstempeln, sondern eine politische Kraft, die neben der nationalen Modernisierung auch unsere Kultur vor dem Untergang des Abendlandes schützt. Die Deutsche Partei ist bereit dazu." Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 123 2.4.2 Kontakte zu anderen Rechtsextremisten Am 23. Januar fand in München-Pasing ein "politisches Neujahrstreffen" mit rund 300 Personen aus dem gesamten rechtsextremistischen Spektrum statt. Leiter des Treffens waren der DP-Funktionär Wolfgang Bukow und ein inzwischen verstorbener REP-Stadtrat. An der Veranstaltung beteiligten sich neben Mitgliedern der DP, NPD, DVU und REP auch Angehörige der Neonazi-Szene. Als Ordner fungierten Mitglieder der neonazistischen Kameradschaft München. Hauptredner war der NPD-Fraktionschef im Sächsischen Landtag Holger Apfel, der auf erfolgreiche Sammlungsbestrebungen des rechtsextremistischen Spektrums in Sachsen verwies. Bei der Veranstaltung wurden Unterschriften für ein "Münchner Bekenntnis" gesammelt. Darin erklärten die Unterzeichner, "Münchner der Weg zum politischen Erfolg, gerade auch bei Wahlen, sei nur geBekenntnis" meinsam möglich. Ziel sei "eine große nationale Volksbewegung, die Deutschland in eine neue Zeit führen wird". Am 13. August veranstaltete die DP gemeinsam mit dem rechtsextremistischen Schutzbund für das deutsche Volk (SdV) einen so genannten "Bodenseetag", der als parteiübergreifendes Freizeittreffen bezeichnet "Bodenseetag" wurde und der Kontaktpflege rechtsnationaler Parteien diente. Unter den Teilnehmern der Schiffsreise befand sich auch der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt. Bei der Bundestagswahl am 18. September kandidierten in Bayern fünf DP-Mitglieder für die NPD. 2.4.3 Organisation Mit der Gründung der Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein im Herbst wurde der Aufbau der Partei auf Landesebene abgeschlossen. Größte regionale Untergliederung ist der Landesverband Landesverband Bayern. Er gliedert sich derzeit in die Bezirksverbände Oberbayern, Bayern Niederbayern, Oberpfalz, Schwaben und das "Gebiet Franken". Landesvorsitzender in Bayern ist Ulrich Pätzold. Der Bundesvorsitzende Dr. Kappel wurde nach internen Streitigkeiten Amtsenthebung um die Bündnispolitik der Partei auf einer außerordentlichen Bundesdes Bundesvorvorstandssitzung am 22. Januar seiner Ämter enthoben. Er hatte im sitzenden Gegensatz zur Mehrheit des DP-Bundesvorstands eine Zusammenarbeit mit der NPD ausgeschlossen. Die kommissarische Leitung der Partei übernahmen die bisherigen drei Stellvertreter Claudia Wiechmann, Eberhard Lehmann und Ulrich Pätzold. Auf dem Bundesparteitag der DP am 29. Mai in Rehau, Landkreis Hof, wurden Claudia Wiechmann Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 124 Rechtsextremismus Neuer und Ulrich Pätzold zu gleichberechtigten Bundesvorsitzenden gewählt. Bundesvorstand Die neue Doppelspitze will die DP als eigenständige Partei auf einem "abgrenzungsfreien" Kurs halten. Auf einem Parteitag am 11. Dezember in Oberhof/Thüringen verabschiedeten die Delegierten ein vom Bundesvorstand entworfenes "Deutschland-Manifest", das als Grundlage für ein neues Parteiprogramm dienen soll. In einer Pressemitteilung vom 12. Dezember hieß es, die Partei habe damit "zum ersten Mal eine in sich geschlossene Weltanschauung auf den Weg gebracht, die nun in den einzelnen Punkten mit detaillierten Programmaussagen 'lebendig' für den Wähler werden muss." 2.4.4 Landesparteitag Beim Landesparteitag am 16. Oktober in Schweitenkirchen, Landkreis Pfaffenhofen a.d. Ilm, wurde der Landesvorstand durch Nachwahlen auf nunmehr elf Personen erweitert. Der Landesvorsitzende Ulrich Pätzold skizzierte in seinem Rechenschaftsbericht den Weg der DP als "Deutschnationale Partei", die im klaren Gegensatz zu den "Altparteien des BRD-Systems" stehe. Für eine Partei mit einem bewusst nationalen Politikansatz verbiete sich schon aus Gründen der Selbstachtung jeder Gedanke an eine Kooperation mit "Lizenzparteien des Ancien regime". In Bayern wolle die Partei in den nächsten Jahren mindestens 1.000 Mitglieder gewinnen, um die dortige Landtagswahl 2008 personell bestehen zu können. Zudem werde sich die DP in Bayern konsequent an "nationalen Wahlbündnissen" auf regionaler Ebene beteiligen. Nach der guten und erfolgreichen Zusammenarbeit im Bundestagswahlkampf werde dabei die "Volksbewegung" von NPD und DVU erster Ansprechpartner sein. 2.5 Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee Deutschland Bayern Mitglieder: 100 50 Vorsitzender: Dr. Alfred Mechtersheimer Gründung: 1990 Sitz: Starnberg Publikationen: "Pressespiegel" mit "Frieden 2000 - Nachrichten für die Deutschland-Bewegung" Die 1990 gegründete Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee mit Sitz in Starnberg besteht aus lokalen Kleingruppen. Die Aktivitäten beschränken sich auf Treffen einiger weniger Mitglieder. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 125 Dr. Mechtersheimer arbeitet mit bekannten rechtsextremistischen FunkÜberparteiliche tionären bzw. Aktivisten verschiedenster Parteien und Gruppen zusamSammlungsbemen. Mit der Auflösung der als Teilorganisation der Deutschland-Bewewegung gung gegründeten Deutschen Aufbau-Organisation (DAO) im Jahr 2002 scheiterte der Versuch, die zahlreichen Strömungen des rechtsextremistischen Lagers zu einer Sammlungspartei zusammenführen. Dr. Mechtersheimer setzt dennoch weiterhin auf das aus seiner Sicht bewährte "Zwei-Säulen-Modell", nämlich "Bewegung und Partei". Ohne "parteiunabhängige Aufklärungsarbeit", welche die Deutschland-Bewegung leiste, könne es keine neue erfolgreiche Partei in Deutschland geben. Im Jahr 2004 hatte sich Dr. Mechtersheimer noch für ein Bündnis der rechtsextremistischen Parteien eingesetzt. Angesichts des schlechten Distanzierung von Abschneidens der NPD bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen der NPD distanzierte er sich wieder von der NPD: "Die Wahl vom Sonntag hat unsere frühzeitige Einschätzung über die Selbstzerstörung der Partei auf Bundesebene bestätigt. Die katastrophale Fehlentscheidung der Berliner Führung, die Partei nicht für die bürgerliche Mitte, sondern für Kameradschaften und Neo-Nazis (und damit auch für noch mehr V-Leute) zu öffnen, beantwortet der verzweifelte Wähler mit 0,X Prozent und mancher Hoffnungsträger hat sich durch die Nähe zur NPD verbrannt. Auch im nächsten Bundestag wird ein Großteil der Bevölkerung nicht vertreten sein." (Pressespiegel 7/8-2005 vom 25. Mai, Seite 5) Die politische Position der Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee ergibt sich aus der regelmäßig erscheinenden Publikation "Pressespiegel" und aus Flugblättern, die u.a. einen übersteigerten Nationalismus propagieren. Im Vorwort einer Studie des Vereins "Unser Land - Wissenschaftliche Stiftung für Deutschland e.V." zum Thema "Berlin zwischen Paris und Moskau" erklärte der Vereinsvorsitzende Dr. Mechtersheimer: "Beide Seiten sollten von der Überzeugung ausgehen, daß es bei den Menschen ein Grundbedürfnis Nation gibt, das respektiert und durch Zuwanderung und multikulturelle Konzepte nicht straflos beschädigt werden darf." (Pressespiegel 11-2005 vom 13. Juli, Seite 14) 2.6 Freundeskreis Demokratie Direkt München Bayern Anhänger: 15 Leiter: Roland Wuttke Gründung: 2004 Sitz: München Publikation: "München Direkt" Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 126 Rechtsextremismus Umbenannter Ende 2003 hatte sich die rechtsextremistische Vereinigung "DemokraZusammenschluss tie Direkt München e.V." selbst aufgelöst. Ihr ehemaliger Leiter Roland von RechtsWuttke setzte seine Aktivitäten unter der Bezeichnung "Freundeskreis extremisten Demokratie Direkt München" fort. Im Jahr 2004 organisierte er mit seiner umbenannten Gruppierung im Raum München zahlreiche Mahnwachen, Informationsstände und Demonstrationen. Hierbei arbeitete er sowohl mit Aktivisten der Kameradschaft München als auch mit der NPD zusammen. Seit seiner Wahl zum Vorsitzenden des NPD-Kreisverbands München im Februar und seiner anschließenden Wahl zum Vorsitzenden des NPD-Bezirksverbands Oberbayern im April konzentriert sich Wuttke vorwiegend auf die Parteiarbeit; so betreut er die Internet-Präsenz des NPD-Bezirksverbands Oberbayern. Im Jahr 2005 veranstaltete der "Freundeskreis Demokratie Direkt München" nur zwei Mahnwachen am 13. Februar und 25. April in München, an denen sich zwischen 30 und 40 Personen beteiligten. Wuttke publiziert regelmäßig auf der Internet-Seite des "FreundesFremdenkreises Demokratie Direkt München". In einem Beitrag "Die Lage im feindlichkeit Herbst 2005" agitierte er dort pauschal gegen Ausländer in Deutschland: "Das massenhafte Hereinholen unqualifizierter oder gar krimineller Fremder ('im Zweifel für die Reisefreiheit'), das Bemühen abgelehnte Asylbewerber im Lande zu behalten und weitere anzulocken, das Dulden der schleichenden Verdrängung der Deutschen in den Großstädten, die millionenfache Abtreibung deutscher Kinder, die demografische Katastrophe, das unablässige Verteilen von Milliarden von Steuergeldern an das Ausland - all das sind Kennzeichen eines tiefsitzenden Selbsthasses, der von den Herrschenden schon gar nicht mehr wahrgenommen wird." Diffamierung In einem weiteren Internet-Beitrag "Raffgier außer Kontrolle" verundemokratischer glimpfte er den demokratischen Staat und dessen Repräsentanten: Institutionen "Das Regime der 'Anständigen' entpuppt sich immer mehr als ein Staat kapitalistischer Parasiten (...). Die wirtschaftlichen Nebentätigkeiten der Abgeordneten (trotz großer Ankündigungen ist bis heute noch keine Regelung über deren Begrenzung in Sicht) sind typisch für den kapitalistischen Parteienstaat, weil die Parteien hier nichts anderes als Agenturen des Globalkapitals darstellen. (...) Am Ende wird aber alles so bleiben, denn das ist System: Eigennutz geht vor Gemeinnutz." 2.7 Rechtsextremistische Bestrebungen im Europäischen Darstellungsverein für Lebendige Geschichte (EDLG) Der 1995 in Nordrhein-Westfalen gegründete EDLG versteht sich als Mitgliedsorganisation der globalen "Re-Enactment Bewegung", deren Ziel es ist, mit möglichst originalgetreuen Uniformen und AusrüstungsVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 127 gegenständen historische Schlachten nachzustellen. Der Verein hat sich Waffen-SS insbesondere die Waffen-SS zum Vorbild genommen und trat vorzugsals Vorbild weise als die 1. Kompanie des 3. Panzergrenadier-Regiments der Division "Leibstandarte SS Adolf Hitler" (LAH) auf. Da es in Deutschland strafbar ist, Uniformen mit SS-Emblemen in der Übungen Öffentlichkeit zu tragen, führten Vereinsangehörige ihre "Darstellungsim Ausland übungen" überwiegend im Ausland - insbesondere in Tschechien und in der Slowakei, aber auch in den Niederlanden - durch. Der nicht eingetragene Verein hat in elf Bundesländern sowie im benachbarten Ausland insgesamt etwa 100 Mitglieder. Davon sind etwa 20 bis 30 Personen einer "rechtsextremistischen Plattform" zuzurechnen, die neonazistisches Gedankengut vertritt und versucht, dieses auch zu verbreiten. Wegen des Verdachts von Verstößen gegen das KriegswaffenkontrollExekutivmaßgesetz durchsuchte die Polizei am 27. April in drei Bundesländern und nahmen in Österreich mehrere Wohnungen von EDLG-Mitgliedern, davon sechs Objekte in Bayern. Aufgrund der ersten Ergebnisse erfolgten in Bayern am selben Tag Anschlussdurchsuchungen in zwei weiteren Objekten und am 28. April in einem größeren Waffendepot im Landkreis Augsburg. Die Polizei nahm insgesamt vier Personen fest und stellte umfangreiches Beweismaterial sicher, darunter funktionsfähige Waffen, Munition und Sprengstoff (etwa 1 kg TNT) sowie Uniformen und Propagandamaterial. Bereits am 25. November 2004 hatte die Polizei bei EDLG-Mitgliedern in Nordrhein-Westfalen und Hamburg Waffen und Munition in großem Umfang beschlagnahmt. Die weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg führten nunmehr zu einer Anklageerhebung gegen 44 Personen wegen unerlaubten Besitzes von Waffen und Sprengstoff. 2.8 Sonstige Organisationen Die teils regional, teils bundesweit tätigen sonstigen rechtsextremistischen Organisationen sind vielfach nur publizistisch aktiv. Etwaige Aktivitäten beschränken sich im Allgemeinen auf interne Veranstaltungen, die kaum Außenwirkung entfalten. Zu nennen sind hier insbesondere die Gruppierungen - Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) - Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) - Freundeskreis Ulrich von Hutten - Deutsches Kolleg (DK). Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 128 Rechtsextremismus Weitere rechtsextremistische Organisationen sind unter Nummer 9 dieses Abschnitts aufgeführt. 2.9 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) Der 1958 gegründete, von Dr. Gerhard Frey geleitete DSZ-Verlag in Bedeutendstes München ist weiterhin das bedeutendste rechtsextremistische Proparechtsextremisgandainstrument in Deutschland. Die wöchentliche Auflage der im Vertisches Propaganlag erscheinenden "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) dainstrument beträgt rund 40.000 Exemplare. Als publizistisches Sprachrohr der DVU vertritt die NZ deren nationalistische, rassistische und revisionistische Grundhaltung. Die Beiträge sind geprägt von Vereinfachung, Schematisierung und dem Aufbau von Freund-Feind-Bildern. "Es liegt auf der Hand, dass schon die Menge der bereits in die Bundesrepublik Deutschland zum dauerhaften oder gar immerwährenden Aufenthalt durch die herrschende Politik hereingelassenen Ausländer die Gefahr schwerwiegender gesellschaftlicher Verwerfungen heraufbeschwört. Eine sich verschärfende Konkurrenz Hiesiger mit Fremden um die knapper werdenden sozialen Ressourcen des Staates ist absehbar." (NZ vom 1. April, Seite 1/2) Nationalismus Unter der Überschrift "Zermalmt uns die türkische Lawine?" hieß es: und Fremden"Selbst verheerende Lawinen entwickeln sich oft aus kleinen Schneebällchen, feindlichkeit die absolut nicht bedrohlich wirken. Für genauso harmlos halten wahrscheinlich manche Europäer den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. (...) Was aber hinzukäme: die Türkei als bald bevölkerungsreichster Staat der EU wäre damit auch ihr einflussreichstes Land. Man stelle sich vor: mit der Türkei würde die Europäische (!) Union nicht nur ein nichteuropäisches und islamisches Land aufnehmen, sondern auch noch eines, das die politische Führungsmacht wäre, also auf kaltem Wege verwirklichen könnte, was in den Türkenkriegen der Geschichte auf Dauer nicht gelang, nämlich Europa unter die türkische Fuchtel zwingen. Dieser Hang zur Selbstentmachtung und Unterwerfung ist offenbar typischer Ausfluss eines an schwerer Dekadenz erkrankten Europas." (NZ vom 7. Oktober, Seite 5) Nationalistische und fremdenfeindliche Bestrebungen kamen auch in einem Beitrag "Überfrisst sich die Europäische Union?" zum Ausdruck: "Wie ein gefräßiges Raubtier stopft die Europäische Union einen neuen Mitgliedsstaat nach dem andern in sich hinein und droht an Überfettung zu kollabieren. Noch liegen die unverdauten Brocken der jüngsten osteuropäischen Erweiterungsrunde im aufgeblähten EU-Magen, da giert der Blick der Brüsseler Kommission nach Rumänien und Bulgarien. Dabei handelt es sich um besondere 'Leckerbissen': das Durchschnittseinkommen beider Staaten liegt Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 129 bei rund 25 Prozent des EU-Durchschnitts. (...) Was Schröder ebenfalls übergeht, ist der Umstand, dass in Rumänien und Bulgarien Millionen Zigeuner auf gepackten Koffern sitzen und es kaum erwarten können, ihren in Deutschland bereits heimisch gewordenen Sippengenossen nachzueilen. Womit nicht wenige von ihnen ihren Lebensunterhalt bestreiten, soll hier nicht näher erörtert werden, da allgemein bekannt." (NZ vom 18. März, Seite 5) Eine antisemitische Grundhaltung wurde in mehreren Artikeln über den Antisemitismus Zustrom jüdischer Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion deutlich: "Die von Kohl bewirkte Masseneinwanderung von heute schon 200.000 GUS-Juden in Deutschland führt einerseits zu einer Vielzahl von Konflikten und bürdet andererseits dem deutschen Steuerzahler bisher schon Dutzende Milliarden Euro an Kosten für Menschen auf, die mit dem deutschen Volk, der deutschen Kultur oder der deutschen Sprache keinerlei Verbindung aufwiesen." (NZ vom 14. Januar, Seite 1) "Im Unterschied zu den Vorgängen der Visaaffäre handelt es sich bei der Judenmigration im Wesentlichen um eine Zuwanderung in die Sozialsysteme, bei der schätzungsweise 80 Prozent der eingereisten Migranten auf Sozialhilfe angewiesen sind. (...) Ein weiteres Tätigkeitsfeld eröffnet sich allerdings so genannten Sozialingenieuren. Hierbei handelt es sich um Fachleute, die sich darauf verstehen, dem Sozialsystem maximale Wohltaten abzupressen." (NZ vom 29. April, Seite 12) In einem Kommentar "NS-Bewältigungszentrum für München" wurde Revisionismus die Thematik der Vergangenheitsbewältigung aufgegriffen: "Offensichtlich braucht Deutschland zusätzlich zu den wohl bereits 10.000 Mahnmalen deutscher Schuld und Sühne immer weitere nationalmasochistische Gedenkstätten, da der Staat ja Geld im Überfluss hat und es auch keine dringend zu lösenden Probleme wie die Rekordarbeitslosigkeit, Massenarmut etc. gibt ..." (NZ vom 8. April, Seite 13) Wie in den Vorjahren wurden demokratische Institutionen und ihre Diffamierung Repräsentanten häufig diffamiert: demokratischer "Die Pervertierung des Demokratie-Begriffs erfolgt durch Politiker, die alle Institutionen Hände voll zu tun hätten, den Saustall in den eigenen Reihen auszumisten. Bekanntlich wimmelt es in den etablierten Parteien auf allen Ebenen von korrupten Subjekten, die nicht die Interessen ihrer Wähler im Auge haben, sondern sich als Lobbyisten von Unternehmen ihre ohnehin schon märchenhaften Diäten und Aufwandsentschädigungen noch kräftig aufpolstern lassen." (NZ vom 11. Februar, Seite 5) "Die heute Herrschenden sind dabei nicht nur Symbolfiguren für das angerichtete Polit-Chaos, sondern darüber hinaus für Selbstbereicherung, Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 130 Rechtsextremismus Diäten-Wucher, Steuergeldverschwendung, Korruption und Filz. Die Kluft zwischen Bürgern und Polit-Bonzen wird immer und immer größer." (NZ vom 11. März, Seite 3) "Dieses Gepöbel ist vor allem deswegen so unverschämt, weil die angeprangerte Raffgier-Haltung nirgendwo sonst so dreist vorgelebt wird wie in Kreisen bundesdeutscher Polit-Bonzen. Während Millionen Bürger unter den Folgen der gegenwärtigen Asozial-Politik leiden, sahnen Etablierte nach allen Regeln der Kunst ab." (NZ vom 11. März, Seite 3) "Wenn sich schon die deutschen Politiker nicht aufraffen, den Niedergang Deutschlands zu stoppen, dann wird es höchste Zeit, dass die Wähler sie zum Teufel jagen." (NZ vom 8. April, Seite 3) Typisches Kennzeichen der NZ ist ihr ständig betonter Wahrheitsanspruch, mit dem sie alle anderen Informationen und Meinungen indirekt als falsch bezeichnet: "Informieren Sie sich Woche für Woche über die wahren Hintergründe des politischen und historischen Geschehens aus der NATIONAL-ZEITUNG. NATIONAL-ZEITUNG-Leser wissen die Wahrheit." (NZ vom 8. April, Seite 1) 2.10 Nation Europa Verlag GmbH Der Nation Europa Verlag in Coburg wurde 1953 gegründet. Ein Jahr später konstituierte sich der mit den politischen Interessen des Verlags Bedeutendes eng verbundene Verein Nation-Europa-Freunde e.V., dem derzeit etwa rechtsextremis200 Mitglieder angehören. Herausgeber der im Verlag erscheinenden tisches TheorieMonatsschrift "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" sind die organ Rechtsextremisten Peter Dehoust und Harald Neubauer. Die Zeitschrift bietet Rechtsextremisten eine publizistische Plattform. Mit einer Auflage von 18.000 Exemplaren gehört sie zu den wichtigsten rechtsextremistischen Theorieorganen. "Nation & Europa" (NE) verbreitet Beiträge, die in einer Gesamtschau Revisionismus eine revisionistische, rassistische, und antisemitische Grundhaltung erund Rassismus kennen lassen. "Je länger der zweite Weltkrieg zurückliegt, desto penetranter und unverschämter - so scheint es - wird die historische Wahrheit in eine politisch korrekte 'Wahrheit' umfrisiert. Aus der Niederlage Deutschlands ist eine 'Befreiung' geworden; aus den Opfern amerikanischer Kriegsverbrechen werden 'Opfer Hitlers'; und wer sich für die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen eingesetzt hat, gilt weiterhin als 'Pazifist' und 'Humanist'." (NE vom September 2005, Seite 48) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 131 "Es hat nichts mit Diskriminierung zu tun, an der Tatsache der natürlichen Ungleichheit von Menschen festzuhalten. Geradezu absurd ist es, wenn naturwissenschaftliche Erkenntnisse als 'rechtsextrem' hingestellt werden. (...) Man hält lieber an seinen eigenen ideologischen Fixiertheiten fest, anstatt schwarzen Kindern mit einer artgerechten Förderung zu helfen." (NE vom April 2005, Seite 20) In einem Artikel mit dem Titel "Parteienfilz statt Gemeinsinn" sprach sich der rechtsextremistische Publizist und Mitarbeiter der sächsischen NPD-Landtagsfraktion Karl Richter für die Abschaffung des parlamentarischen Systems aus. Bundestag und Länderparlamente zeigten die entartete Form des Parlamentarismus, die jedoch einen unbestreitbaren Vorteil habe: "Verbrauchte, überlebte Regime können ungleich schneller und im Normalfall auch 'unblutiger' entsorgt werden als unter totalitären Vorzeichen. Die bundesdeutsche Altparteienkaste zeigt alle Symptome einer unreformierbaren, unbeweglichen Schicht, ... deren Zeit abgelaufen ist. (...) Höchste Zeit also, für Abhilfe zu sorgen - zunächst in den Parlamenten, dann in der Regierung." (NE vom Februar 2005, Seite 9) 3. Organisationsunabhängiger Neonazismus 3.1 Allgemeines Der Neonazismus umfasst alle Aktivitäten und Bestrebungen, die ein offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und auf die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären bzw. totalitären Staates gerichtet sind. Schwerpunktthemen waren wie Agitationsin den Vorjahren die angebliche staatliche Verfolgung des "nationalen schwerpunkte Lagers", die Ausländerund Asylpolitik der Bundesregierung sowie rassistische und antisemitische Agitation. Seit 2004 werden vermehrt sozialpolitische Themen, insbesondere die als negativ empfundenen Folgen von "Hartz IV", diskutiert. Die Gewinner der seit den Verboten neonazistischer Organisationen einsetzenden Ideologieund Strategiedebatte des "nationalen Lagers" Ideologische sind die NPD und die JN bzw. deren aus der neonazistischen Szene Durchdringung stammende Führungskader. Deren neonazistische und nationalrevoluder NPD tionäre Gedankenelemente sind inzwischen integraler Bestandteil des ideologischen Spektrums der NPD geworden und haben das Erscheinungsbild der Partei nachhaltig verändert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 132 Rechtsextremismus Schulterschluss Die Verzahnung des rechtsextremistischen Spektrums kommt in verdes rechtsschiedenen Regionen im Schulterschluss zwischen der NPD, neonazistiextremistischen schen Kameradschaften und politisch agierenden rechtsextremistischen Spektrums Skinhead-Szenen immer deutlicher zum Ausdruck. Grund für diese Entwicklung ist nach Ansicht der Initiatoren der ungeheure staatliche Druck auf alle "Nationalen", dem man nur mit Geschlossenheit begegnen könne, um weitere Verbote von Parteien und Organisationen zu verhindern. Trotz vieler Gemeinsamkeiten gibt es aber auch Spannungen zwischen den einzelnen Lagern. Einige Neonazis stehen dem Angebot einer Zusammenarbeit mit der NPD abwartend bis ablehnend gegenüber. Andere konkurrieren mit der NPD lediglich um eine Führerschaft im "Kampf um die Straße". Einzelne Protagonisten, die sich als "autonome Nationalisten" bezeichnen, fordern militantere Aktionsformen. Dabei lehnen sie sich stark an linksextremistische Aktionsmuster an und teilen mit nationalrevolutionären Zirkeln die strikte Ablehnung des Parlamentarismus. Den Kameradschaften gehören nicht mehr ausschließlich Neonazis an. Vermehrt werden auch rechtsextremistische Skinheads eingebunden, die aufgrund ihrer politischen Aktivitäten den Bereich der losen Szenen verlassen haben. So wurden in den vergangenen Jahren zunehmend Örtliche "Misch-Szenen" aus Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads "Misch-Szenen" festgestellt. Dazu gehören beispielsweise die Kameradschaft Asgard-Ratisbona in Regensburg und die Division Oberland im Raum Weilheim/Murnau. Mit dem Eintritt von führenden "freien Nationalisten" in die NPD im Annäherung an Herbst 2004 erreichte die Annäherung zwischen beiden Seiten einen die NPD Höhepunkt. Dies zeigte sich bei zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen der NPD. In Bayern kandidierten bei der Bundestagswahl mehrere bekannte Neonazis als Wahlkreisbewerber für die NPD, z.B. Norman Bordin (seit 2004 NPD-Mitglied) in München. Neonazistisches Dem neonazistischen Lager in Bayern werden wie im Jahr 2004 rund Potenzial 300 Personen zugerechnet; davon betätigen sich etwa 160 in neonazistischen Organisationen. Dem Spektrum rechtsextremistisch orientierter Skinheads gehören wie bisher rund 800 Personen an. Damit zählt das gewaltbejahende rechtsextremistische Potenzial in Bayern insgesamt etwa 1.100 Personen. In Bayern wurde am 12. Oktober in Weiden i.d. OPf. erstmals eine neue rechtsextremistische Schülerzeitung mit dem Titel "[i*n'vers]" verbreitet. Initiator des Projekts ist ein Neonazi aus Dresden; bundesweit erschien die Zeitschrift in einer Auflage von 20.000 Exemplaren. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 133 3.2 Neonazi-Kameradschaften Nach dem Verbot zahlreicher rechtsextremistischer Organisationen seit Strukturlose 1992 entwickelten führende Neonazis das Konzept strukturloser ZusammenZusammenschlüsse. Dadurch sollten staatliche Gegenmaßnahmen schlüsse erschwert werden. Bei diesen Kameradschaften gibt es weder eine formelle Mitgliedschaft noch Vorstandspositionen. Anführer ist meist ein aktiver Rechtsextremist, der es versteht, seinen Gefolgsleuten die den ideologischen Zusammenhalt stärkenden "Feindbilder" zu vermitteln. In Bayern sind folgende neonazistische Kameradschaften erwähnenswert: 3.2.1 Kameradschaft München Die seit Frühsommer 2004 unter der Bezeichnung "Kameradschaft Neuer München" aktive Gruppe zählt rund 30 Anhänger. Diese rekrutierten Zusammenschluss sich zum Teil aus Mitgliedern der im Herbst 2003 durch Exekutivmaßvon Neonazis nahmen zerschlagenen "Kameradschaft Süd-Aktionsbüro Süd" (AS). Ihr Leiter ist der Neonazi Norman Bordin, der Ende 2001 das AS gegründet hatte, bis März 2004 eine Freiheitsstrafe verbüßte und danach wieder die Führung der verbliebenen Mitglieder des AS übernahm. Die Gruppierung organisierte zahlreiche Demonstrationen, Mahnwachen und Info-Stände; auch beteiligte sie sich an Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Organisationen. So fand am 2. April in München unter dem Motto "Nur ein Esel glaubt Kundgebung in noch an den Sozialstaat in der BRD - Gegen soziale Ungerechtigkeit zur München Wehr setzen!" eine von Norman Bordin angemeldete Kundgebung statt, an der sich rund 300 Personen des rechtsextremistischen Spektrums beteiligten. Ansprachen hielten neben den Münchner Neonazis Norman Bordin und Hayo Klettenhofer auch Christian Worch aus Hamburg und der Vorsitzende des NPD-Bezirksverbands Oberbayern Roland Wuttke. Im Rahmen des musikalischen Programms traten neben der rechtsextremistischen Skinhead-Band "ACT OF VIOLENCE" die Liedermacher Anett Moeck und Michael Müller auf. Gegen den Aufzug der Rechtsextremisten protestierten rund 6.000 Personen. Nach Abschluss der Gegenkundgebung versuchten etwa 2.500 Teilnehmer, darunter rund 150 gewaltbereite Linksextremisten, den Aufmarsch der Rechtsextremisten zu stören. Die Polizei nahm über 100 Personen, darunter zwölf Rechtsextremisten, vorübergehend fest. Am 8. Mai beteiligten sich in München an einer von Norman Bordin anRevisionistische gemeldeten Mahnwache unter dem Motto "Tag der Ehre, nicht Tag der Mahnwache Befreiung" rund 65 Rechtsextremisten, darunter Aktivisten der Kameradschaften Augsburg, München und Asgard-Ratisbona aus RegensVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 134 Rechtsextremismus burg. Etwa 1.100 politische Gegner, darunter auch Anhänger des regionalen autonomen Spektrums, störten die Veranstaltung durch lautstarke Proteste und Wurfgegenstände. Gegendemonstranten versuchten mehrmals, die polizeiliche Absperrung zu durchbrechen. Insgesamt wurden 29 Personen in Gewahrsam genommen, darunter zwei aus dem rechtsextremistischen Spektrum. Protestaktionen Unter den Bezeichnungen "AGENDA Dorfen" und "Initiative Schöner in Dorfen Leben in Dorfen" betätigen sich seit Ende 2004 Personen aus dem Umfeld der Kameradschaft München und der NPD. Ihre Aktivitäten bestehen in der Koordination von rechtsextremistischen Protestkundgebungen gegen das Jugendzentrum Dorfen. Derartige Versammlungen wurden in Dorfen seit Dezember 2004 wiederholt durchgeführt und fanden im Jahr 2005 größere Resonanz in der Öffentlichkeit. Überregionale Das überregionale Engagement der Kameradschaft München zeigt sich Kontakte an intensiven Kontakten zu anderen bayerischen Neonazi-Gruppen. Die Verbindungen zur NPD wurden seit dem Parteieintritt von Norman Bordin im Herbst 2004 weiter intensiviert. Durch seine Rolle als "informeller Führer" der Kameradschaft München bindet er die Neonaziund Skinhead-Szene enger an die NPD. 3.2.2 Autonome Nationalisten München (ANM) Die Autonomen Nationalisten München (ANM), die sich auch "Munich Allstars" nennen, wurden im Sommer 2005 von Dissidenten der Spaltergruppe der "Kameradschaft München" gegründet. Ursache der Abspaltung war vor Kameradschaft allem ein Machtkonflikt zwischen Bordin und seinem Stellvertreter Hayo München Klettenhofer. Bordins angeblich zu wenig gewaltorientierter Kurs war innerhalb der Kameradschaft München nach mehreren Übergriffen linksextremistischer Aktivisten zunehmend umstritten. Erstmals traten die ANM unter Führung von Klettenhofer am 2. Juni in Bayern öffentlich auf. Die einheitlich schwarz gekleideten elf Aktivisten trugen zur Tarnung Sonnenbrillen und schwarze Baseballmützen. Angehörige der ANM erschienen in dieser "Aufmachung" zu mehreren rechtsextremistischen Veranstaltungen im Bundesgebiet. Dabei traten sie auch als Anmelder und Redner, insbesondere bei Demonstrationen in Baden-Württemberg, in Erscheinung. 3.2.3 Kameradschaft Asgard-Ratisbona In Regensburg besteht seit Herbst 2004 die von einem NPD-Aktivisten gegründete und geleitete Kameradschaft Asgard-Ratisbona. Die GrupVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 135 pierung, die sich überwiegend aus Skinheads und Neonazis der rechtsextremistischen Szenen in Abensberg, Kelheim und Regensburg rekrutiert, zählt etwa 20 Personen. Sie trat in Regensburg und der näheren Umfangreiche Umgebung mit umfangreichen Aktivitäten in Form von InformationsAktivitäten ständen, Flugblattaktionen und Mahnwachen in Erscheinung. So forderte sie am 18. August bei einer Spontandemonstration "Rudolf Hess in die Walhalla". Des Weiteren beteiligte sie sich an öffentlichen Versammlungen der NPD in Regensburg sowie an sonstigen rechtsextremistischen Veranstaltungen in München und Nürnberg. 3.2.4 Kameradschaft Weiße Wölfe Der seit 2002 bekannten Kameradschaft Weiße Wölfe in Roding, Landkreis Cham, gehören rund 20 Personen an. In ihrem Internet-Auftritt solidarisierte sich die Gruppe "mit allen Strukturen, egal ob freie oder parteigebundene Kräfte, die den Nationalen Widerstand verkörpern und aufrecht im Kampf gegen die Lügenherrschaft stehen". Seit 2004 waren Personen aus dem Umfeld der Kameradschaft vermehrt in die Organisation von Skinhead-Konzerten eingebunden. Angehörige der Gruppierung unterstützten im Bundestagswahlkampf die NPD, zum Teil sogar durch Kandidaturen für die NPD. 3.2.5 Kameradschaft Aschaffenburg Bei der Kameradschaft Aschaffenburg handelt es sich um eine Gruppe von etwa 15 Neonazis aus dem Raum Aschaffenburg, die enge Verbindungen zu außerbayerischen Rechtsextremisten unterhält. So nahmen Angehörige der Kameradschaft Aschaffenburg am 1. Mai an einer vom rechtsextremistischen "Aktionsbüro Rhein-Neckar" organisierten "Doppeldemonstration" in Worms und Frankenthal/Rheinland-Pfalz teil. Dabei zeigten sie ein Transparent mit der Aufschrift "Widerstand Aschaffenburg - die Kraft aus Franken". 3.2.6 Bund Frankenland - Staatsbürgerliche Runde Der im Januar 1992 als eingetragener Verein registrierte Bund Frankenland (BF) erstrebte die Beseitigung des Grundgesetzes und der parlaAntiparlamenmentarischen Demokratie sowie die Schaffung eines "Vierten Deuttarische Zielschen Reichs" nationalistisch-rassistischer Prägung. Im September 2001 setzung entschlossen sich der BF und die seit 1999 bestehende überparteiliche "Staatsbürgerliche Runde" um den Rechtsextremisten Jürgen Schwab, ihre Kräfte unter der Bezeichnung "Bund Frankenland - StaatsVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 136 Rechtsextremismus bürgerliche Runde" zu bündeln. Der aus etwa zehn Personen beMahnwache in stehende Gesprächszirkel organisierte im Januar in Nürnberg eine MahnNürnberg wache zum Thema "Gegen US-amerikanische und israelische Kriegsverbrechen im Nahen Osten!". Daran beteiligten sich etwa 80 Rechtsextremisten aus dem regionalen und südbayerischen Raum. Zwei Mitwirkende stellten die bekannte Szene nach, in der eine amerikanische Soldatin einen irakischen Gefangenen an einem Hundehalsband führt. Ferner wurden Transparente mit der Aufschrift "USraelischen TERROR ÄCHTEN" und ein Transparent in den Farben der Palästinenserfahne gezeigt. 3.2.7 Kameradschaft Augsburg Die seit 2004 bekannte Kameradschaft Augsburg zählt etwa 15 Personen. Sie nahm an rechtsextremistischen Großveranstaltungen wie beispielsweise an dem "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch 2004" und dem Aufzug des Norman Bordin am 2. April in München (vgl. auch Nummer 3.2.1 dieses Abschnitts) teil. Außerdem beteiligten sich mehrere Kameradschaftsangehörige an einer nicht angemeldeten Demonstration am 20. August in Ingolstadt. Die Aktion von etwa 65 Rechtsextremisten, die sich gegen das Verbot der Rudolf-Heß-Veranstaltung in Wunsiedel am selben Tag richtete, wurde von der Polizei aufgelöst. Die Kameradschaft unterhält enge Kontakte zum "Augsburger Bündnis - Nationale Opposition e.V." und zur Kameradschaft München. 3.3 Informationelle Vernetzung Seit mehreren Jahren nutzen Rechtsextremisten auch moderne Kommunikationstechniken, insbesondere um die nach den Verboten neonazistischer Organisationen weggefallenen Kontaktmöglichkeiten zu ersetzen. Nutzung des Der Zugriff auf das Internet bietet Rechtsextremisten eine willkommene Internets Plattform zur Verbreitung verfassungsfeindlicher Ziele. Zunehmend setzen Rechtsextremisten im Rahmen ihrer Internet-Aktivitäten technische Sicherheitsprogramme ein, die Schutz vor unerwünschter Einsichtnahme Dritter in ihren Datenbestand und -verkehr gewährleisten sollen. So bieten die Betreiber einer Internet-Domain die Software "Steganos Security Suite" zum Downloaden an. Mit diesem Programm kann der Anwender beliebige Dateien und Verzeichnisse mittels Steganografie verschlüsseln, aber auch seinen E-Mail-Verkehr schützen und mit Hilfe eines "Internet-Spurenvernichters" sämtliche Fährten, die durch Internet-Aktivitäten entstanden sind, löschen. Insbesondere die Einschaltung ausländischer Provider vermindert das Risiko der Strafverfolgung. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 137 Die Zahl der von Deutschen betriebenen Homepages mit rechtsextreKonstante Zahl mistischen Inhalten blieb in den vergangenen drei Jahren mit durchrechtsextremistischnittlich etwa 950 konstant. Dabei nutzen die Homepage-Betreiber scher deutscher den Vorteil, dass sie auf Speicherplatzanbieter ausweichen können, die Homepages sich Appellen staatlicher und privater Einrichtungen sowie einer Selbstkontrolle verschließen. Darunter befinden sich etliche Provider, die der rechtsextremistischen Szene angehören. Deutsche Rechtsextremisten werben für ihre verfassungsfeindlichen Ziele mit immer anspruchsvollerer Technik. So binden sie aufwendige Grafiken ein und bieten Skinhead-Musik über Tondateien an. Dem Internet kommt daher bei der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts sowie bei der Koordinierung von Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene eine weiterhin steigende Bedeutung zu. Rechtsextremisten, die ihre politischen Inhalte über Dienste in DeutschStrafbare Inhalte land anbieten, halten sich im Allgemeinen an die deutschen Gesetze. bei ausländischen Bei Nutzung ausländischer Anbieter, beispielsweise in Übersee, geben Providern sie ihre Zurückhaltung auf. Es werden rassistische, revisionistische und volksverhetzende Aufrufe verbreitet, etwa aus den USA durch den - inzwischen in Deutschland inhaftierten - deutschen Revisionisten Ernst Zündel, dessen Propaganda auch mit Tonund Videosequenzen abrufbar ist (vgl. auch Nummer 7. 2 dieses Abschnitts). Zum rechtsextremistischen Internet-Spektrum zählen ferner detaillierte Anleitungen zur Herstellung von Sprengund Brandsätzen sowie sonstiger Sabotagemittel, aber auch gezielte Aufforderungen zur Gewaltanwendung gegen politische Gegner bis hin zu Mordaufrufen. Allerdings sind selbst anonyme Homepage-Benutzer identifizierbar, wenn auch mit großem Aufwand. Wegen der wachsenden Bedeutung des Internets spielen die NationaNationale len Info-Telefone (NIT) in den letzten Jahren innerhalb der rechtsextreInfo-Telefone mistischen Szene kaum noch eine Rolle. Das von dem Neonazi Norman Bordin sporadisch betriebene "NIT Süddeutschland" wird seit Frühjahr 2004 durch eine Homepage des "Nationalen Widerstands Süddeutschland" ergänzt. Auf dieser Seite findet sich neben Veranstaltungshinweisen und politischen Kommentaren das Forum "Nationales Infoportal Bayern" (NIB). Nach eigenen Angaben aus dem Jahr 2004 handelt es sich dabei um ein gemeinsames Projekt von "Aktionsbüro Süd, Kameradschaft München, JN München, Kameradschaft Weiße Wölfe, NFD (Nationale Freunde Deutschland), NPD-Bayern, Liedermacher Michael und der Band Edelweiss" mit dem Ziel, die "Zersplitterung der nationalen Bewegung in Bayern" zu überwinden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 138 Rechtsextremismus Mobiltelefone Mobiltelefone (Handys) werden insbesondere zur Steuerung von Anreisen zu konspirativen Treffen oder nicht angemeldeten Versammlungen genutzt. Das Short-Message-System (SMS) der Handy-Betreiber dient daneben vielfach der Verbreitung von volksverhetzenden und antisemitischen Texten. 3.4 Aktivitäten zum 18. Todestag von Rudolf Heß Anlässlich des 18. Todestags von Hitlers ehemaligem Stellvertreter Rudolf Heß meldete der Neonazi und Rechtsanwalt Jürgen Rieger für den 20. August eine zentrale Gedenkveranstaltung in Wunsiedel an. In den Vorjahren hatten versammlungsrechtliche Verbote keinen Bestand Versammlungsgehabt. Diesmal stützte das Landratsamt Wunsiedel seinen Verbotsverbot aufgrund bescheid insbesondere auf die am 1. April in Kraft getretene Vorschrift geänderter des SS 130 Abs. 4 StGB, wonach sich derjenige strafbar macht, der in Rechtslage einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewaltund Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Riegers Antrag beim Bundesverfassungsgericht, das in zweiter Instanz durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigte Versammlungsverbot außer Vollzug zu setzen, blieb erfolglos. Verunsicherung Das Verbot der zentralen Heß-Gedenkveranstaltung verunsicherte die der Szene rechtsextremistische Szene, so dass die Mobilisierung insgesamt deutlich schwächer als im Vorjahr ausfiel. Bundesweit beteiligten sich an dezentralen Aktionen etwa 2.000 Rechtsextremisten; davon 600 in Berlin, 500 in Niedersachsen und 300 in Sachsen-Anhalt. 2004 hatten an dem Aufzug in Wunsiedel noch rund 3.800 Rechtsextremisten teilgenommen. Mahnwache in In München führten Rechtsextremisten am 17. August eine MahnMünchen wache unter dem Motto "Rudolf Heß - Märtyrer des Friedens" durch. An der von dem Neonazi und NPD-Funktionär Norman Bordin angemeldeten Versammlung beteiligten sich rund 50 Personen, darunter Angehörige der Münchener und Regensburger Neonazi-Szene. Die Teilnehmer trugen Plakate, zeigten Fahnen der NPD und JN und verteilten Flugblätter mit Heß-Bezug. Aufzug In Nürnberg fand am 20. August zum Thema "Arbeit für Deutsche - keine in Nürnberg Stimme den Kriegsparteien" eine als Wahlkampfveranstaltung angemeldete Kundgebung mit rund 350 Teilnehmern statt. Als Redner traten Jürgen Rieger, der ehemalige NPD-Anwalt Horst Mahler sowie die NPD-Funktionäre Ralf Ollert, Thomas Wulff und Holger Apfel auf. Sie befassten sich aber kaum mit der anstehenden Bundestagswahl, sonVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 139 dern wandten sich vorwiegend gegen das Versammlungsverbot in Wunsiedel und die "Schergen der Gesinnungsjustiz". Der NPD-Funktionär Uwe Meenen hatte die Versammlung zunächst unter dem Motto "Gegen Repression und Verfolgung - Freiheit für die politischen Gefangenen in der BRD!" angemeldet. Der Aufzug sollte an dem Gerichtsgebäude der Nürnberger Prozesse vorbeiführen. Nach dem Verbot des zentralen Gedenkmarsches in Wunsiedel erwartete Meenen die zehnfache Anzahl der ursprünglich genannten 150 Teilnehmer. Deswegen versuchte die Stadt Nürnberg bis zuletzt, die Demonstration als Ersatzveranstaltung des in Wunsiedel verbotenen Aufzugs zu verhindern. Das Verbot wurde jedoch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. Nach der Demonstration in Nürnberg führten 65 Rechtsextremisten, daSpontanaktion runter Mitglieder der Kameradschaften Augsburg und München sowie in Regensburg Personen aus Österreich und Italien, auf ihrem Heimweg eine "Spontandemonstration" in Ingolstadt durch. Die Rechtsextremisten marschierten in Dreierreihe in Richtung Fußgängerzone und riefen dabei "Die Straße frei der deutschen Jugend" und "Redefreiheit und Meinungsfreiheit". Sie führten Transparente und schwarze Fahnen mit. Ein Teilnehmer versuchte, mit einer Fahnenstange einen Polizisten anzugreifen. 3.5 Projekt Schulhof Rechtsextremisten aus mehreren Bundesländern initiierten im Jahr 2004 Neuartige eine neuartige Werbekampagne unter der Bezeichnung "Projekt SchulWerbekampagne hof". Dazu ließen sie 50.000 Exemplare einer CD mit dem Titel "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" mit rechtsextremistischer Musik produzieren, die bundesweit kostenlos an Jugendliche verteilt werden sollte. Der Tonträger enthielt ein Vorwort, das Ängste vor Überfremdung, Kriminalität und Arbeitslosigkeit schürte, und 19 Musikstücke verschiedener Stilrichtungen (Balladen, Rock, Hardcore, Heavy Metal). Daneben befanden sich auf der CD Internetund Kontaktadressen der mitwirkenden rechtsextremistischen Musikgruppen und von Unterstützern der Aktion. Dazu zählten außer den rechtsextremistischen Bands sowie inund ausländischen Produzenten und Vertrieben auch neonazistische Kameradschaften und Einzelaktivisten. Mit dieser Initiative versuchten Rechtsextremisten erstmals, offensiv und in großer Zahl außerhalb der Szene stehende Jugendliche anzusprechen, um bei diesen Interesse an rechtsextremistischer Musik und darüber hinaus auch an der entsprechenden Ideologie zu wecken. Das Amtsgericht Halle ordnete am 4. August 2004 die bundesweite BeschlagnahmeEinziehung und Beschlagnahme der CD wegen Verstoßes gegen das beschluss Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 140 Rechtsextremismus Jugendschutzgesetz an. Dadurch wurde die rechtsextremistische Szene erheblich verunsichert und die Verbreitung der CD zunächst gestoppt. Eine erste Verteilaktion wurde Mitte Dezember 2004 in Cottbus/Brandenburg bekannt. Seit Anfang August 2005 kam es sodann in mehreren Bundesländern erneut zur Verbreitung der im Juli 2004 produzierten CD. In Bayern verteilten am 6. August 2005 in Lohr a. Main, Landkreis Main-Spessart, zwei Rechtsextremisten die CD an geparkten Fahrzeugen. Weitere Exemplare wurden am 9. August in einem Getränkemarkt in Marktheidenfeld zur kostenlosen Mitnahme ausgelegt. Die Tonträger wurden ferner mit fingierten Absenderangaben auf dem Postweg - auch unverlangt - an "vertrauenswürdige" Rechtsextremisten versandt mit der Bitte, die Verteilung im örtlichen Bereich zu übernehmen. Angesichts des konsequenten Vorgehens der Justizund Sicherheitsbehörden empfahlen die Initiatoren dabei unter Hinweis auf den strafbaren Inhalt der CDs ein vorsichtiges und konspiratives Verhalten. Inzwischen konnten bundesweit rund 4.000 CDs sichergestellt werden. 4. Rechtsextremistische Skinheads 4.1 Überblick Die Skinhead-Bewegung entstand Ende der 60er Jahre in Großbritannien und trat erstmals Ende der 70er Jahre in der Bundesrepublik Jugendliche Deutschland in Erscheinung. Sie war ursprünglich eine jugendliche SubSubkultur kultur, die durch ihr Auftreten eine extreme Ablehnung der bürgerlichen Gesellschaft signalisierte. Äußerlichkeiten wie Kleidung oder Haarschnitt lassen heute keine eindeutigen Schlüsse auf eine Zuordnung zur Skinhead-Szene mehr zu, da mittlerweile auch viele unpolitische Jugendliche ein entsprechendes Aussehen zeigen. Die Beachtung, die rechtsextremistischen Skinheads in der Öffentlichkeit und in den Medien zuteil wird, ist auf ihre brutalen und menschenverachtenden Gewalttaten zurückzuführen, die sich gegen Ausländer, Asylbewerber und soziale Randgruppen, aber auch gegen "Linke" richten. 4.2 Politische Ausrichtung Die politischen Ansichten der Skinhead-Subkultur reichen von den so genannten Redskins (linksextremistisch beeinflusste Skinheads) über die so genannten SHARPs (Skinheads against racial prejudice - Skinheads gegen rassistische Vorurteile) und die Oi-Skinheads ("unpolitische SkinVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 141 heads") bis hin zur Mehrheit der rechtsextremistischen Skinheads einschließlich der so genannten White Power-Skinheads. Die entsprechende politische Überzeugung bildet sich je nach Einzelfall nicht selten erst nach Beitritt in die Szene stärker aus. Skinheads sind deshalb zunächst zu einer rational bestimmten politischen Meinungsbildung kaum fähig und an einer fundierten politischen Auseinandersetzung nicht interessiert. In ihren Kreisen hat sich eine vom organisierten Rechtsextremismus unabhängige diffuse rechtsextremistische Weltanschauung herWeltanschauung ausgebildet. Sie ist von rassistisch motivierter Fremdenfeindlichkeit sound Politikverwie übersteigertem Nationalbewusstsein geprägt und knüpft insofern ständnis an wesentliche Elemente des Nationalsozialismus an. Diese Einstellung spiegelt sich in meist spontanen Gewalttaten wider. Opfer sind nach wie vor Ausländer, aber auch Personen aus sozialen Randgruppen sowie "Linke", also alle zu ihren Feindbildern zählenden Menschen. Skinheads dienen rechtsextremistischen Organisationen vor allem als Mobilisierungspotenzial für öffentlichkeitswirksame Aktionen. Frühere Vorbehalte der Skinheads gegenüber diesen Organisationen haben stark abgenommen. Aktionen der NPD und JN werden von Skinheads Unterstützung von massiv unterstützt; ein Großteil der Besucher von NPD-GroßkundNPD und JN gebungen gehört der Skinhead-Szene an. Enge Kontakte bestehen nach wie vor insbesondere in Nürnberg/Erlangen sowie in Ingolstadt zwischen den dortigen Skinhead-Szenen und den JN bzw. der NPD. Versuche von Neonazis, Skinheads für eine längerfristige ernsthafte politische Tätigkeit zu gewinnen, waren bislang wenig erfolgreich, da diese einer intensiven ideologischen Schulung kaum zugänglich sind. Inzwischen ist jedoch eine zunehmende Zusammenarbeit zwischen Skinheads und Neonazis feststellbar. 4.3 Strukturen Die Skinhead-Szene unterliegt einer starken Fluktuation und kennt in der Regel weder feste Organisationsstrukturen noch formelle Mitgliedschaften. Die Bindungen zur Gruppe reichen von losen gelegentlichen Kontakten über regelmäßige Beteiligung an Aktionen bis zur vollen sozialen Integration oder der Wahrnehmung von Führungsfunktionen. Diese informellen Führer wandern später zum Teil in andere rechtsextremistische Gruppierungen ab. In Bayern sind wie im Jahr 2004 rund 800 Skinheads mit rechtsextremistischem Hintergrund bekannt. Neue Szenen wurden u.a. in Hof und Strukturelle in Oberammergau/Unterammergau bekannt. Vereinzelt entwickelten Änderungen sich weitere Brennpunkte rechtsextremistischer Aktivitäten wie im Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 142 Rechtsextremismus unterfränkischen Lohr a. Main, wo 20 bis 30 jugendliche Anhänger der rechtsextremistischen Skinhead-Szene durch ihr aggressives Auftreten und durch zahlreiche politisch motivierte Strafund Gewalttaten auffielen. Die Sicherheitsbehörden konnten die Gruppierung jedoch durch Präventionsund Repressionsmaßnahmen schwächen. Im Raum Regensburg war für kurze Zeit die Skinhead-Gruppierung Kameradschaft Niederbayern/Oberpfalz aktiv; polizeiliche Ermittlungen und Exekutivmaßnahmen führten zur Zerschlagung der Gruppe. Schwerpunkte im Skinhead-Spektrum stellen in Bayern nach wie vor die Großräume München und Nürnberg dar; dort liegen auch die Schwerpunkte der Gewalttaten. Während das Personenpotenzial der Skinhead-Szene unverändert blieb, Leichter Anstieg ist derzeit ein leichter Anstieg der Aktivitäten festzustellen. Dabei sind der Aktivitäten die Skinheads kommunikativ sehr mobil und können in kürzester Zeit gemeinsam Aktionen bzw. Veranstaltungen durchführen. Nach wie vor besteht seitens des Staates ein intensiver Überwachungsdruck auf die Skinhead-Szene. 4.4 Anziehungskraft für Jugendliche Die Anziehungskraft der Skinhead-Szene, insbesondere auf männliche Mögliche Jugendliche, hält an. Die Beweggründe, die junge Menschen in diese Einstiegsmotive Subkultur treiben, sind vielfältig: jugendliche Protesthaltung, Provokation und Tabubruch, sowie die gesamtgesellschaftliche Entwicklung mit den häufigen Folgen einer Entwurzelung und einer zunehmenden Entfremdung vom Elternhaus, Perspektivlosigkeit in Verbindung mit wirtschaftlichen Problemen und einem begonnenen oder befürchteten sozialen Abstieg. Hinzu kommt das durch die Szene vermittelte Gemeinschaftserlebnis und das daraus folgende Gefühl eigener Stärke und Anerkennung in einer sozialen Gruppe. Den Jugendlichen werden einfache Erklärungen und einfache Lösungen für komplexe Probleme angeboten. Altersstruktur Skinheads entstammen zu einem erheblichen Teil, aber nicht ausschließlich, den unteren sozialen Schichten. Die meisten Skinheads finden sich in der Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren, ältere Szene-Angehörige sind die Ausnahme. Der Anteil der unter 16 Jahre alten Skinheads wächst dagegen ständig; die so genannten Jungglatzen sind erst 12 bis 13 Jahre alt. Auch Mädchen, die Renees, gehören dieser Subkultur an, sind jedoch zahlenmäßig in der Minderheit. Ihr Anteil beträgt je nach Szene bis zu 20 %. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 143 Rechtsextremistische Skinhead-Szenen Raum in Bayern 2005 Raum Aschaffenburg/ Coburg Coburg Raum Lohr a. Main Bayreuth/Hof/ ca. 20 Wunsiedel ca. 40 ca. 40 Aschaffenburg Raum Bayreuth Würzburg Bamberg ca. 20 Raum Würzburg Raum Erlangen Raum Amberg/ ca. 50 Schwandorf/Weiden ca. 25 Nürnberg ca. 40 Großraum Ansbach Nürnberg Raum ca. 50 Cham/Roding Raum Ansbach/ ca. 20 Schwabach ca. 15 Regensburg Angehörige der Raum Skinhead-Szenen Ingolstadt Raum Regensburg ca. 30 ca. 30 Ingolstadt Raum Augsburg/ Raum Passau Friedberg/Aichach Landshut Landshut Raum Passau/ ca. 10 ca. 10 Deggendorf/ Neu-Ulm Straubing Augsburg Raum Raum Neu-Ulm/ Erding ca. 30 Raum Altötting/ Dillingen Tüßling ca. 40 ca. 35 Raum Landsberg/ Fürstenfeldbruck München ca. 10 Raum Krumbach/ ca. 20 Großraum Raum Memmingen München Traunstein ca. 30 ca. 125 ca. 20 Großraum Rosenheim Oberallgäu/ Raum Unterallgäu Raum Weilheim/ Rosenheim ca. 50 Oberund Unterammergau ca. 15 ca. 40 Die rechtsextremistische Skinhead-Szene erfährt zudem seit Jahren verstärkt Zulauf durch Jugendliche, die sich für Skinhead-Musik als Stilrichtung der Rockmusik interessieren. Zunächst kommen eher unpolitische Jugendliche über Konzerte oder das gemeinsame Musikhören mit der Skinhead-Szene in Kontakt. Daneben finden manche Jugendliche Gefallen an dem in der Skinhead-Szene üblichen exzessiven Lebensgenuss einschließlich des enormen Alkoholkonsums unter dem Motto "Fun & Froide". Die Grenzen zur eindeutig rechtsextremistisch geprägten Skinhead-Szene sind deshalb vielfach fließend. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 144 Rechtsextremismus 4.5 Skinhead-Musik Skinhead-Musik vermittelt die subkulturellen Botschaften der Skinhead-Szene. In den Liedern werden Eigenverständnis und Abgrenzung der Szene gegenüber der Gesellschaft beschrieben, Kritik am Establishment formuliert und andere politische Themen aufgegriffen. Rechtsextremistische Skinhead-Bands verbreiten in ihren Liedtexten neonazistische Ideologiefragmente und rufen zum Hass gegen Skinhead-Feindbilder wie Ausländer, "Linke" und Juden auf. In Bayern sind derzeit sieben Musikgruppen aktiv, die teilweise bei Konzerten im Inund Ausland auftreten. Es handelt sich hierbei um die Gruppen "ARYAN REBELS" aus Lichtenfels, "AUFMARSCH" aus Ingolstadt, "FADENKREUZ" aus dem Raum Cham/Roding, "FELDHERREN" und "ENDSIEG" aus München, die neu formierte Band "FAUSTRECHT" aus Mindelheim und "DAMAGE INCORPORATED" aus Aschaffenburg. Skinhead-Musik wird daneben von acht rechtsextremistischen Tonträgervertrieben angeboten. Im Jahr 2005 wurde von einer bayerischen Skinhead-Band ein neuer Tonträger kommerziell aufgenommen. Allerdings handelt es sich hierbei um Aufnahmen bereits veröffentlichter Lieder. Die Zahl der Skinhead-Konzerte in Bayern stieg gegenüber dem Vorjahr um zwei auf 17 Konzerte. Ein Grund für den Anstieg der Musikveranstaltungen im Jahr 2005 war u.a. der Bundestagswahlkampf. So tarnte die NPD einige Skinhead-Konzerte als "Wahlkampfveranstaltung mit anschließender Musikdarbietung für die Jugend" (vgl. auch Nummern 2.1.4 und 2.1.5.2 dieses Abschnitts). Black Metal Neben der Skinhead-Musik ist Black Metal eine weitere Musikrichtung, in der - wenn auch nur in kleinen Bereichen - rechtsextremistisches Gedankengut an Bedeutung gewinnt und die innerhalb der Skinhead-Szene immer mehr Akzeptanz findet. Bei Black Metal handelt sich um eine aggressivere Variante des Heavy Metal. Inhaltlich setzt sich Black Metal mit antichristlichen bzw. satanistischen Themen auseinander. Ferner werden Krieg, Hass, Vernichtung und Tod besungen. Musikalisch wird Black Metal schneller und härter gespielt als Skinhead-Musik. Teilweise ist der Text akustisch nicht mehr zu verstehen, die Texte können aus den CD-Booklets entnommen werden. Einen Kultstatus innerhalb der Black Metal-Szene genießt die Thüringer Band "ABSURD". Der Sänger dieser Band, Hendrik Möbus, beging am 29. April 1993 einen satanistisch motivierten Mord an einem 15-jährigen Mitschüler. 1994 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 145 wurde er zu acht Jahren Jugendhaft verurteilt. Durch den Einfluss der NS-Ideologie hat sich als kleiner Teil des Black Metal die Stilrichtung NS Black Metal (NSBM) etabliert; diese ist dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen. Für Skinhead-Konzerte besteht weiterhin eine große Nachfrage. Meist Skinhead-Konzerte werden diese Veranstaltungen äußerst konspirativ vorbereitet, um ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden zu erschweren. Dabei werden Hunderte von Skinheads in eine vorher bestimmte Region gelotst. Erst unmittelbar vor Veranstaltungsbeginn wird die konkrete Örtlichkeit, zum Teil über Mobiltelefone, bekannt gegeben. Außerdem werden die Veranstaltungen beispielsweise auch als private Tanzabende bzw. Plattenpartys oder als Geburtstagsfeiern ausgegeben. In Erbendorf, Landkreis Tirschenreuth, besuchten am 12. Februar etwa 300 Skinheads ein Skinhead-Konzert, auf dem die Skinhead-Bands "AUFMARSCH", "BLUTSTAHL" und "CONFIDENT OF VICTORY" auftraten. Die Veranstaltung verlief ohne besondere Vorkommnisse. In Gremsdorf, Landkreis Erlangen-Höchstadt, fand am 26. Februar in einer Gaststätte ein Black Metal-Konzert mit Bezug zur rechtsextremistischen Szene statt. Es spielten die Black Metal-Bands "ABSURD", "BLUTAAR" und "MORRIGAN". An dem Konzert, das störungsfrei verlief, nahmen etwa 140 Personen teil, von denen gut die Hälfte dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen war. Die Einladungen wurden per E-Mail oder SMS versandt. Ein am 12. März in einer Gaststätte in Abenberg, Landkreis Roth, durchgeführtes Skinhead-Konzert wurde als Geburtstagsfeier getarnt. Den etwa 300 Teilnehmern wurde zunächst per SMS ein Treffpunkt mitgeteilt, von dem aus sie dann zum eigentlichen Veranstaltungsort weitergeleitet wurden. Das Konzert, bei dem u.a. die Skinhead-Bands "OIDOXIE" und "RAZOR'S EDGE" auftraten, verlief störungsfrei. Am Ostersonntag, dem 27. März, fand in Oberaurach, Landkreis Haßberge, ein Konzert der Hooligan-Band "KATEGORIE C" aus Bremen statt. Diese ist überregional dafür bekannt, dass an ihren Veranstaltungen Fußballfans, Rocker und Skinheads teilnehmen. Sie bezeichnet sich zwar als unpolitische Gruppe, der es nur um Fußball, Schlägereien und Alkoholkonsum gehe. Veranstalter des Konzerts Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 146 Rechtsextremismus mit rund 210 Teilnehmern war aber ein bekannter Rechtsextremist, der die Veranstaltungsräumlichkeiten in einer Gaststätte für eine Geburtstagsfeier angemietet hatte. In der Skinhead-Szene wurde für das Konzert konspirativ mobilisiert. Die Mehrzahl der Besucher waren Skinheads, der kleinere Teil war der Hooligan-Szene zuzurechnen. Die Veranstaltung verlief störungsfrei. In einer Gaststätte in Untermeitingen, Landkreis Augsburg, trat am 16. April u.a. die Gruppe "ACT OF VIOLENCE" auf einem äußerst konspirativ vorbereiteten Skinhead-Konzert auf. Die Räumlichkeiten wurden für die private Geburtstagsfeier der Ehefrau eines bekannten Rechtsextremisten angemietet. Die Veranstaltung verlief mit 120 Teilnehmern störungsfrei. Am 28. Mai fand wiederum in Gremsdorf, Landkreis Erlangen-Höchstadt, in derselben Gaststätte wie am 26. Februar eine als Black Metal-Konzert deklarierte Veranstaltung statt. Tatsächlich spielten drei Skinhead-Bands, darunter die bekannten Gruppen "PROPAGANDA" und "RADIKAHL". An dem Konzert nahmen 200 bis 250 Personen teil, von denen viele ein typisches Skinhead-Outfit trugen. Da deren Fahrzeuge im gesamten Ortsbereich abgestellt waren, wurde der starke Zulauf von der Bevölkerung wahrgenommen und die Veranstaltung heftig diskutiert. Das Konzert verlief im Übrigen störungsfrei. Ein Rechtsextremist beantragte beim Markt Breitenbrunn, Landkreis Neumarkt i.d. OPf., für den 24. und 25. September die Errichtung eines Zeltlagers. Er gab an, dass der Auftritt einer Schülerband geplant sei. Das Vorhaben wurde vom Markt Breitenbrunn jedoch aus Gründen des Naturschutzes nicht genehmigt. Ein anderer Veranstalter plante deshalb, das eigentlich beabsichtigte Skinhead-Konzert als Geburtstagsparty getarnt am 24. September in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Diskothek im Markt Reichertshofen, Landkreis Pfaffenhofen a.d. Ilm, mit etwa 200 bis 400 Teilnehmern durchzuführen. Dies wurde jedoch u.a. wegen fehlender gaststättenrechtlicher Erlaubnis untersagt. Dennoch wurde der geplante Vortreffort an einer Autobahn-Tankstelle von der Polizei überwacht und gegen alle eintreffenden Personen der rechtsextremistischen Szene Platzverweise ausgesprochen. Diese begaben sich daraufhin nach Lampertshofen, Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, wo der Veranstalter in einer Gaststätte eine Ersatzveranstaltung organisiert hatte; diese verlief störungsfrei. Ein Rechtsextremist ließ für den 26. November in Gammelsdorf, Landkreis Freising, in einer Gaststätte einen Saal für die Feier seines 30. Geburtstags reservieren und dort die Tontechnik für drei angebliche RockVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 147 bands aufbauen. Kurz vor Beginn der Veranstaltung zog der Wirt seine Zusage zurück, da ihm aufgrund mitgebrachter Baseballschläger, CDs und Szene-Blätter der Verdacht kam, dass es sich um ein Skinhead-Konzert handle. Die anwesenden Skinheads verließen nach Aufforderung durch die Polizei den Saal. Etwa 100 Teilnehmer wurden später in einer Gaststätte in Sandelzhausen, Landkreis Kelheim, festgestellt. 4.6 Skinhead-Magazine Die Fan-Magazine der Skinhead-Szene, auch "Fanzines" oder "Zines" genannt, beschäftigen sich mit den Aktivitäten rechtsextremistischer Skinhead-Bands und enthalten ausführliche Rezensionen sowie Bestelladressen für Tonträger, andere Fanzines und diverse Szene-Artikel, wie z.B. T-Shirts, Buttons oder Aufkleber. Im Jahr 2005 wurden erstmals die Fanzines "Indiziert" und "Der Alkomat" im mittelfränkischen Raum herausgegeben. Ob sich die beiden Neuerscheinungen in der Szene etablieren können, ist derzeit nicht absehbar. Die Fanzines werden auch im Internet veröffentlicht. 5. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 5.1 Gewalttaten Bundesweit waren von insgesamt 1.901 (2004: 1.358) extremistischen Gewalttaten 958 (2004: 776) rechtsextremistisch motiviert. In Bayern stieg die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten auf 77 Deutlicher (2004: 42) deutlich an. Davon waren 23 fremdenfeindlich und 49 allAnstieg der gemein neonazistisch motiviert. Fünf Gewalttaten lag eine antisemitiGewalttaten sche Motivation zugrunde; dabei wurden die Opfer jeweils zunächst beschimpft und dann geschlagen bzw. getreten. Die deutliche Erhöhung der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ist insbesondere auf 35 der 49 allgemein neonazistisch motivierten Gewalttaten zurückzuführen, die sich gegen politische Gegner richteten; im Vorjahr waren lediglich elf Gewalttaten gegen politische Gegner zu verzeichnen. So waren im Jahr 2005 neben den unten dargestellten Einzelfällen Gewalttaten im Zusammenhang mit Veranstaltungen im rechtsextremistischen Spektrum - beispielsweise anlässlich des Verbots des "Heß-Gedenkmarsches" am 20. August in Wunsiedel sowie der Bundestagswahl im September - auffällig. Zu diesen Veranstaltungen wurden zahlreiche Gegendemonstrationen auch aus dem linksextremistischen Spektrum organisiert, in deren Zusammenhang es zu Gewalttätigkeiten mit rechtsextremistischer Motivation kam. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 148 Rechtsextremismus Die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten waren überwiegend der äußerst gewaltbereiten Skinhead-Szene zuzurechnen. Von 129 ermittelten Tatverdächtigen gehörten 89 der Skinhead-Szene an. 86 der ermittelten Tatverdächtigen waren zur Tatzeit jünger als 21 Jahre. Der Anteil der erstmals in Erscheinung getretenen Gewalttäter lag bei 54 % (70 Tatverdächtige). Die Gewalttaten wurden größtenteils nicht von Einzeltätern, sondern mit anderen gemeinsam begangen. Dabei entstand der Tatentschluss vielfach spontan aus gruppendynamischen Prozessen, gefördert durch Alkohol und Musik mit rechtsextremistischen Texten. Räumliche Schwerpunkte waren die Großstadtregionen München und Nürnberg. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttäter sind überwiegend nicht in politischen Gruppen oder Parteien organisiert. Eine überregionale Steuerung durch rechtsextremistische Organisationen konnte in keinem Fall festgestellt werden. Das typische Ablaufmuster für rechtsextremistisch motivierte Gewalt ist gleich geblieben: Nach gezielten anfänglichen Provokationen der Angreifer kommt es bei geringstem Anlass zu Tätlichkeiten und massiver Gewaltanwendung gegen die Opfer. Einzelfälle Beispiele für die im Berichtszeitraum verübten Gewalttaten sind folgende Vorfälle: Ein 22-jähriger Skinhead rief am 24. Januar in der Bahnhofshalle in Dießen a. Ammersee mehrmals "Heil Hitler!". Als er von einem Passanten auf sein Fehlverhalten angesprochen wurde, schlug der Skinhead diesem mit der Faust ins Gesicht; einer weiteren Passantin, die schlichtend eingreifen wollte, versetzte er eine Ohrfeige. Ebenfalls im Januar wechselte ein Mitglied der Kameradschaft Niederbayern/Oberpfalz zur Kameradschaft Asgard-Ratisbona. Da dies einigen Mitgliedern der Kameradschaft Niederbayern/Oberpfalz missfiel, führten sie in bandenartiger Manier eine "Bestrafungsaktion" durch. Unter Einsatz von Schlägen und eines Schlagstocks raubten sie in der Wohnung des Betroffenen mehrere persönliche Gegenstände wie Springerstiefel und szene-übliche Fahnen und zerschlugen Einrichtungsgegenstände. Der Angegriffene wurde mit den Worten "Hurensohn", "Drecksau" und "kommunistisches Judenschwein" beschimpft und mit dem Tode bedroht, falls er den Vorfall der Polizei melde (vgl. auch Nummer 6 dieses Abschnitts). Ein 20-jähriger Sympathisant der Skinhead-Szene im Raum Aschaffenburg geriet am 5. Februar in Schneeberg, Landkreis Miltenberg, in alkoholisiertem Zustand in einer Gaststätte mit dem griechischen Gastwirt in Streit. Er stieß den Wirt gegen einen Tisch, so dass sich dieser Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 149 erheblich verletzte. Dann zeigte der Täter den Hitlergruß, rief "Sieg Heil!" und beschimpfte das Wirtsehepaar mit ausländerfeindlichen Parolen. Am 8. Februar unterhielt sich in Höchstadt a.d. Aisch ein 23-jähriger Rechtsextremist lautstark mit einer weiteren männlichen Person. Als ein 26-jähriger Deutscher auf dem Heimweg hinzukam, wurde er in ein Gespräch verwickelt. Daraufhin kam es zu einer Rangelei, in deren Verlauf der Passant mit "Judensau" beleidigt und von beiden Tätern geschlagen wurde. Eine Passantin konnte durch ihr Eingreifen die Schlägerei beenden. In Steinhöring, Landkreis Ebersberg, schlugen am 11. Februar zwei 15-jährige Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene gemeinsam auf einen gleichaltrigen deutschen Schüler ein. Danach äußerten sie, dass der Schüler die Schläge verdient habe, da er kein Nazi sei. Im Rahmen einer Tanzveranstaltung in Waischenfeld, Landkreis Bayreuth, traf ein Besucher am 27. Februar in der Herrentoilette auf zwei dem äußeren Erscheinungsbild nach der Skinhead-Szene zugehörige Männer. Dort wurde er von einem der beiden Männer mit den Worten "Du bist so eine langhaarige Zecke, du hast doch mit Sicherheit etwas gegen uns!" angesprochen und sofort mit Fäusten ins Gesicht geschlagen. Danach versuchte der Täter, den Kopf des Opfers in die Toilettenschüssel zu drücken und ließ erst von ihm ab, als der Geschädigte stark aus der Nase blutete. Im U-Bahnhof Münchner Freiheit packte am 15. März ein 21-jähriger Skinhead einen ebenfalls 21-jährigen Angehörigen der Punker-Szene an der Kleidung und versetzte ihm einen Kopfstoß. Der Punker stürzte zu Boden und zog sich Kopfverletzungen zu. Während des Angriffs wurde er angeblich von einem weiteren Beschuldigten als "Kommunistenschwein" beschimpft. Täter und Opfer waren zur Tatzeit alkoholisiert. Am 26. Mai wurde in Nürnberg ein aus Nigeria stammender 25-Jähriger mit deutscher Staatsbürgerschaft von mehreren vor einem Kiosk stehenden Personen im Alter von 24 bis 32 Jahren mit den Worten "Ihr Neger, ihr habt in Deutschland nichts zu suchen!" beschimpft. Als er weitergehen wollte, wurde er von fünf Personen verfolgt und von einem der Verfolger mit einer herumstehenden Warnbake geschlagen. Des Weiteren wurde er von einem der Täter mit den Worten "Nigger, ich werde dich umbringen! Dein Leben ist in Deutschland nichts wert!" beschimpft und mit einem Fußtritt in den Bauch attackiert. In Neustadt a.d. Donau, Landkreis Kelheim, beschimpften am 13. Juni zwei 14bzw. 15-jährige Mädchen ein 12-jähriges Mädchen brasilianischer Herkunft wegen dessen dunkler Hautfarbe u.a. mit den AusVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 150 Rechtsextremismus drücken "Hi Neger", "Scheiß Neger, ihr seid ja nur Dreck!" und "Geh wieder zurück nach Afrika!". Eine der beiden Täterinnen spuckte in das Gesicht des Mädchens, außerdem traktierten beide ihr Opfer mit Händen und Füßen. Als die 12-Jährige den Vorfall ihrer Mutter erzählte, wollte diese die beiden Täterinnen zur Rede stellen. Diese fingen sofort an zu schreien, beschimpften die Mutter mit "Neger" und schlugen auf die Frau ein. Die beiden Täterinnen wurden nach kurzer Flucht von der Polizei gestellt. Eine von ihnen ist Mitglied in der Kameradschaft Niederbayern/Oberpfalz und hat an den Fingern der rechten Hand das Wort "Hass" eintätowiert, wobei die Buchstaben "S" als SS-Runen dargestellt sind. Als am 27. Juni eine 16-jährige Gymnasiastin in Nürnberg allein auf dem Nachhauseweg war, wurde sie von zwei unbekannten jungen Männern im Alter von etwa 15 bis 18 Jahren von hinten festgehalten. Die beiden Täter ritzten auf ihren linken Oberarm ein Hakenkreuz mit einer Kantenlänge von jeweils drei Zentimetern ein. Als mögliches Tatmotiv nannte die 16-Jährige ihre "linke" Einstellung, an entsprechenden Demonstrationen habe sie teilgenommen. In den Sommermonaten 2005 kam es in Mühldorf a. Inn immer wieder zu gewalttätigen Aufeinandertreffen von Punkern und Angehörigen der Antifa Mühldorf einerseits und Angehörigen der rechtsextremistischen Szene andererseits. So schlug am 21. Juli ein 21-jähriger Rechtsextremist mit seiner Hand, an der er einen Gipsverband trug, auf die Köpfe von drei Punkern ein. Diese erlitten dadurch zum Teil Platzwunden. Eine Viertelstunde später versetzte derselbe Täter einem weiteren Punker mit seiner Gipshand einen Stoß an den Kopf und einen Hieb ins Gesicht. Einem 35-Jährigen, der eingreifen wollte, versetzte der 21-Jährige einen Kniestoß in die Rippengegend und einen Schlag mit seiner Gipshand auf den Kopf. Als der Geschädigte zu Boden ging, trat ihm der Täter mit Springerstiefeln ins Gesicht. Das Opfer verlor einen Zahn und erlitt eine Platzwunde am Kopf. Zunächst unbekannte Täter warfen am 27. Juli in der Marktgemeinde Manching, Landkreis Pfaffenhofen a.d. Ilm, mehrere Molotowcocktails gegen einen Döner-Imbissstand. Bei dem Brandanschlag entstand ein Sachschaden von etwa 500 Euro. Die Polizei konnte im September als Täter vier Skinheads im Alter von 15 bis 24 Jahren ermitteln. Dabei stellte sich heraus, dass die vier Rechtsextremisten am 29. Juli in Manching in der Gaststätte eines Griechen u.a. eine Statue beschädigt und Biertische und Stühle in einen Fluss geworfen haben. Der Sachschaden belief sich auf etwa 2.000 Euro. Beide Straftaten waren ausländerfeindlich motiviert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 151 Nach an einem Lokalbesuch am 12. August in Weilheim i. OB, Landkreis Weilheim-Schongau, griff ein 20-jähriger Skinhead einen 22-jährigen somalischen Staatsangehörigen mit einer abgeschlagenen Flasche an und fügte ihm u.a. eine Schnittwunde über einem Auge zu. An der Tat beteiligte sich ein 25-jähriger Freund des Skinheads, der den Geschädigten mit der Faust ins Gesicht schlug und ihn mit den Worten "Scheiß Neger" und "Kaffer" beschimpfte. Eine Gruppe Skinheads verfolgte am 26. November in der Münchner Fußgängerzone einen von zwei Freundinnen begleiteten 19-Jährigen. Einer der Skinheads deutete auf einen am Rucksack einer Begleiterin angebrachten Aufnäher, der den Schriftzug "Gegen Nazis" sowie ein von einer Faust zerschlagenes Hakenkreuz zeigte, und fragte "What's this?" Als der 19-Jährige antwortete "I don't like Nazis", versetzte ihm der Skinhead mehrere Faustschläge ins Gesicht. Vor dem letzten Schlag fragte er den Geschädigten, der zur Tatzeit kurze Haare und schwarze Springerstiefel trug, "Are you Skinhead?" Der Täter konnte unerkannt flüchten. Der Geschädigte bezeichnete sich bei seiner Vernehmung als Skinhead mit "linker Einstellung" und äußerte die Vermutung, der Täter habe ihn möglicherweise für einen"Sharp-Skin" gehalten. 5.2 Sonstige Straftaten Die Gesamtzahl der in Bayern bekannt gewordenen sonstigen neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Straftaten beträgt 1.540 (2004: 1.468), darunter 176 (2004: 218) fremdenfeindlich motivierte Delikte. Dabei handelte es sich vielfach um Sachbeschädigung, Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung (insgesamt 318 Delikte) und insbesondere um das Verbreiten von Propagandamitteln bzw. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (insgesamt 1.130 Delikte). So wurden Hakenkreuze auf Wände und Fahrzeuge gesprüht bzw. geritzt, Parolen wie "Heil Hitler" und "Sieg Heil" gerufen und zahlreiche antisemitische Pamphlete mit strafbaren Texten verbreitet. Des Öfteren verwendeten Neonazis auf dem Display ihres Mobiltelefons NS-Symbole als Standard-Einstellung. Wie auch im Jahr 2004 bedienten sich Rechtsextremisten wiederholt des Short-Message-Systems (SMS) der Mobilfunkbetreiber, um neonazistische Propaganda an andere Handy-Besitzer zu übermitteln. So versandte ein 19-jähriger Skinhead am 17. Mai in Saaldorf-Surheim, Landkreis Berchtesgadener Land, eine SMS mit folgendem volksverhetzenden Text: "Mit jedem Öffnen dieser SMS stirbt ein Türke! Also verschicke diese SMS an möglichst viele Leute! Heil Hitler" Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 152 Rechtsextremismus Durch rechtsextremistisch motivierte Ausschreitungen und Schmierereien entstanden Sachschäden von rund 257.000 Euro (2004: etwa 500.000 Euro). Beispiele für die im Berichtszeitraum verübten Straftaten sind auch folgende Vorfälle: Am 15. Januar trafen sich rund 60 Skinheads in einer Gaststätte in Amberg. Die Polizei nahm drei Teilnehmer wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorübergehend fest. Ein Beschuldigter hatte ein T-Shirt mit aufgedruckter "Wolfsangel" (Kennzeichen der verbotenen "Jungen Front"), ein weiterer ein T-Shirt mit der Aufschrift "Stop the Holocaust Industry" getragen. Darunter befand sich die Abbildung eines männlichen Kopfs mit jüdischer Kopfbedeckung (Kippa) sowie einer Pistole mit dem Text "9 mm for reparation". Unbekannte Täter beschmierten am 20. Januar in einem Mietshaus in München die Wand eines Aufzugs mit den Worten "Nur ein toter Jude ist ein guter Jude". Am 21. März durchsuchte die Polizei in Gerolzhofen, Landkreis Schweinfurt, die Wohnung von zwei Rechtsextremisten und stellte eine an der Wand angebrachte, von der Straße aus sichtbare Hakenkreuzfahne sicher. Unbekannte Täter beschmierten Mitte Mai in München eine Schaufensterscheibe mit einem Davidstern und der Parole "Kauft nicht bei Juden". Anfang Juni erhielten mehrere bayerische Polizeidienststellen E-Mails aus den USA in englischer Sprache unter dem Betreff "Stop Coddling The Jews" (Stoppt die Verhätschelung der Juden). Der unter einem Pseudonym auftretende Verfasser bezeichnete den Holocaust als eine von Deutschland vollstreckte Strafe Gottes für Verfehlungen des jüdischen Volks. Hitler habe zutreffend erklärt, dass ein Sieg der Juden das Ende der Humanität bedeuten würde. In der Nacht zum 12. Juni nahm die Polizei in München vier Rechtsextremisten fest, die "Sieg Heil" gerufen und den Hitlergruß gezeigt hatten. Die Beschuldigten gehörten zu einer Gruppe von rund 60 Neonazis, die zuvor in Wolfratshausen den Geburtstag eines Kameraden gefeiert hatten und dann mit der S-Bahn nach München gefahren waren. Unter den aggressiv auftretenden Teilnehmern der Feier befanden sich zahlreiche Mitglieder der neonazistischen Kameradschaft München und deren Anführer Norman Bordin. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 153 In Holzkirchen, Landkreis Miesbach, wurden am 9. Juli in einem Getränkemarkt acht Bierflaschen festgestellt, die mit einem Hitlerbildnis und der Parole "Sieg Heil" etikettiert waren. Zwei Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr Coburg traten am 12. August bei einem Zeltlager jugendlicher Nachwuchskräfte durch Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Erscheinung. Einer trug eine Mütze mit einem SS-Totenkopfsymbol, der andere eine Tarnjacke mit einem SS-Dienstgradabzeichen. In der Nacht zum 5. September wurden in Manching, Landkreis Pfaffenhofen a.d. Ilm, Hakenkreuze und Parolen wie "Nigger I hate you", "Ein Volk, ein Reich, ein Führer", "Deutschland den Deutschen" und "Ausländer raus" gesprüht. Als Täter ermittelte die Polizei vier Rechtsextremisten, die Ende Juli in Manching neben fremdenfeindlich motivierten Sachbeschädigungen auch einen Brandanschlag auf einen Döner-Imbissstand verübt hatten. Während des Münchner Oktoberfests trafen sich am 23. September 16 Personen, darunter acht Gäste aus Österreich, zu einer Feier in den Räumen der Münchner Burschenschaft Danubia. Ein Bediensteter einer benachbarten Klinik, der wegen ruhestörenden Absingens von Liedern die Polizei rief, gab dabei an, dass ein Teilnehmer des Treffens "Sieg Heil" gerufen habe. Eingesetzte Beamte stellten ferner fest, dass in einem der Lieder der Name Adolf Hitler gegrölt wurde. Unter den Teilnehmern der Veranstaltung befanden sich drei ehemalige Funktionäre der Burschenschaft Danubia. Am 14. Oktober sprühte ein Jugendlicher auf den Kunstrasen einer Sportstätte in Iphofen, Landkreis Kitzingen, mit einem Deospray mehrere Hakenkreuze und zündete diese an. Dadurch entstand ein Sachschaden in Höhe von 10.000 Euro. Drei Skinheads im Alter von 17, 21 und 22 Jahren brachen am 23. Oktober am Bahnhof in Erding in einen Döner Kebab-Imbissstand ein und verwüsteten den Innenraum. Der Sachschaden betrug etwa 1.000 Euro. Unbekannte Täter beschmierten am 23. November eine Tiefgarage in Pfarrkirchen, Landkreis Rottal-Inn, mit Hakenkreuzen und Parolen wie "Scheiß Ausländer - Wir Deutschen haben keine Arbeit" und "Ein Hitler muss wieder her und alle Kanaken vergasen". Am 3. Dezember zeigte ein 19-jähriger Sympathisant der rechtsextremistischen Szene in einer Günzburger Gaststätte ein auf seinem Oberarm eintätowiertes Hakenkreuz. Dabei grölte er "Hoch dem Führer - es lebe das Reich". Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 154 Rechtsextremismus 6. Strafverfahren, Urteile und Exekutivmaßnahmen Verurteilung Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte am 4. Mai Martin von Martin Wiese Wiese und drei weitere Angehörige des "inneren Führungszirkels" der und Mitgliedern ehemaligen Kameradschaft Süd-Aktionsbüro Süddeutschland (AS) wegen der AS Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Wiese erhielt wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie wegen mehreren Waffendelikten eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Die drei anderen Angeklagten wurden zu Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und drei Monaten und fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Hier bildete das Gericht aufgrund früherer Delikte eine Gesamtstrafe; einer der Beschuldigten wurde nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die vier Verurteilten einer terroristischen Vereinigung angehörten, deren Ziel es war, eine gewaltsame Revolution herbeizuführen. Neben Billigung und Unterstützung eines geplanten Sprengstoffanschlags auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums am 9. November 2003 in München hätten sie sich auch illegal Waffen und Sprengstoff beschafft. Während Wiese und ein weiterer Verurteilter im Laufe des mehr als fünfmonatigen Prozesses lediglich Waffendelikte einräumten, den Anschlagsplan indessen bis zum Ende des Prozesses bestritten, legten die beiden anderen Verurteilten Geständnisse ab. Bereits am 5. April hatte das Bayerische Oberste Landesgericht gegen fünf Mitglieder des ehemaligen AS Freiheitsstrafen auf Bewährung zwischen 16 und 22 Monaten verhängt. Drei Frauen und ein Mann wurden nach Jugendstrafrecht wegen Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung verurteilt, deren Ziel es war, eine gewaltsame Revolution herbeizuführen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie den geplanten Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums gebilligt und unterstützt hatten. Das Gericht betonte, dass die Angeklagten zwar an der Gesamtwillensbildung beteiligt waren, die Führerschaft des in einem weiteren Verfahren beschuldigten Neonazi Martin Wiese aber unumstritten gewesen sei. Ein weiterer Angeklagter aus Brandenburg wurde wegen Beihilfe zum unerlaubten Erwerb sowie Besitzes von Waffen und Sprengstoff schuldig gesprochen. Sowohl die Entscheidungen vom 5. April als auch vom 4. Mai sind rechtskräftig. Das Landgericht Berlin verurteilte am 12. Januar den Rechtsextremisten Horst Mahler wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten ohne Bewährung. Mahler hatte im September 2002 während einer Pressekonferenz in den Räumen der NPD-Parteizentrale in BerVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 155 lin-Köpenick einen Schriftsatz an Journalisten verteilen lassen, in dem er als Prozessvertreter der NPD im Rahmen des Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht den Hass auf Juden als "untrügliches Zeichen eines intakten spirituellen Immunsystems" bezeichnete. Das Gericht befand, Mahler habe die Menschenwürde jüdischer Mitbürger verletzt. Sein Verhalten sei gefährlich, weil es die "intellektuelle Rechtfertigung für dumpfe Gemüter der rechtsextremen Szene" biete. Darüber hinaus habe er auch im Prozess "verbohrt und uneinsichtig" an seiner Ideologie festgehalten. In dem seit Februar 2004 anhängigen Prozess hatte Mahler ebenfalls antisemitische und revisionistische Hetze betrieben, so dass die Staatsanwaltschaft eine weitere Anklage wegen Volksverhetzung vor dem Landgericht Berlin erhoben hat. Der Bundesgerichtshof bestätigte am 10. März das Urteil des Kammergerichts Berlin gegen die Skinhead-Band "LANDSER", gegen das der Bandführer und Sänger Michael Regener alias Lunikoff Revision eingelegt hatte. Das Berliner Gericht hatte am 22. Dezember 2003 drei Mitglieder der Gruppe "LANDSER" u.a. wegen Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der rechtsextremistischen Musikgruppe um eine kriminelle Vereinigung, da deren Zweck auf das Begehen von Straftaten wie Volksverhetzung, Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Verunglimpfung des Staates ausgerichtet gewesen sei. Michael Regener ist in der rechtsextremistischen Musik-Szene weiterhin aktiv und außerdem seit Herbst 2004 Mitglied der NPD. Am 12. März wurde in Kochel a. See, Landkreis Bad Tölz-WolfratshauDurchsuchung sen, das Vereinsheim der Skinhead-Kameradschaft Division Oberland durchsucht. Dort wollten 37 Skinheads aus Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und der Schweiz an einem Skinhead-Konzert teilnehmen. Die Polizei stellte u.a. Tonträger mit rechtsextremistischen Inhalten, Bekleidungsstücke mit strafrechtlich relevanten Aufnähern, umfangreiches NPD-Werbematerial sowie eine Hakenkreuzfahne sicher und leitete Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte am 6. April den Neonazi Gerhard Ittner in Abwesenheit wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Staates und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei JahVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 156 Rechtsextremismus ren und neun Monaten. Ittner hatte bei einer von ihm selbst organisierten Demonstration am 6. September 2003 in Nürnberg gegen die Bundesrepublik Deutschland gehetzt sowie den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Nürnberg und den Rechtsreferenten der Stadt Nürnberg beleidigt. Der über die Neonazi-Szene hinaus bekannte Ittner ist ein fanatischer Hitler-Verehrer, der aufgrund seiner überaus aggressiven Fremdenfeindlichkeit aus der DVU und später auch aus der NPD ausgeschlossen wurde. Er trat bei einer Vielzahl von Veranstaltungen der NPD sowie der Neonazi-Szene als Referent auf. In seinen zahlreichen Veröffentlichungen leugnete er den im Dritten Reich begangenen Völkermord an Juden und verunglimpfte mehrmals staatliche Institutionen. Er war seit dem 29. März nicht mehr zu den Verhandlungsterminen erschienen und ist seitdem flüchtig. Kameradschaft Am 10. Mai durchsuchte die Polizei in der Stadt und im Landkreis Niederbayern/ Regensburg, in den Landkreisen Amberg und Kelheim sowie in DornOberpfalz stadt/Baden-Württemberg die Wohnungen von 13 Mitgliedern der neonazistischen Kameradschaft Niederbayern/Oberpfalz. Hintergrund für diese Durchsuchungsaktion waren drei Haftbefehle und 14 Durchsuchungsbeschlüsse, die wegen schweren Raubs bzw. Verstößen gegen das Versammlungsgesetz erlassen worden waren. Dabei wurden neben dem Raubgut auch nach dem Waffengesetz verbotene Gegenstände und Devotionalien gefunden, die eine rechtsextremistische Gesinnung belegen. Bei dem zugrunde liegenden schweren Raub handelte es sich um eine "Bestrafungsaktion" gegen ein früheres Mitglied der Kameradschaft, das sich einer anderen Gruppierung angeschlossen hatte (vgl. auch Nummer 5.1 dieses Abschnitts). Ein 17-jähriger Skinhead wurde am 26. September vom Amtsgericht Würzburg wegen mehrerer, u.a. fremdenfeindlich motivierter, gefährlicher Körperverletzungsdelikte und anderer rechtsextremistisch motivierter Straftaten aus den Jahren 2004 und 2005 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. 7. Revisionismus 7.1 Ziele Der Revisionismus, der die Geschichtsschreibung über die Zeit des Dritten Reichs ändern will, ist zu einem Bindeglied zwischen den unterschiedlichsten rechtsextremistischen Strömungen geworden. Seinen Repräsentanten geht es allerdings nicht um die Gewinnung neuer Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 157 wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern gezielt um die mittelbare Versuch einer Rechtfertigung bzw. Aufwertung der nationalsozialistischen GewaltRehabilitierung herrschaft durch einseitige, relativierende oder verharmlosende Darsteldes Nationallung des NS-Regimes. Im Mittelpunkt der revisionistischen Agitation sozialismus stehen die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmords an europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager während des Zweiten Weltkriegs (Holocaust) sowie die Behauptung, Deutschland trage keine Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Auf diese Weise soll das auf seriöser Forschung beruhende Geschichtsbild propagandistisch untergraben werden, um die Deutschen von einem vermeintlich aufgezwungenen "Schuldkomplex" zu befreien. 7.2 Entwicklung und Träger der Revisionismus-Kampagne Revisionismus war von Anfang an eine internationale Erscheinung, wobei der Anstoß zunächst aus Frankreich und den USA kam. Seit Beginn der 50er Jahre erschien eine große Anzahl von Büchern, die den historischen Nachweis führen wollten, dass es entgegen der Feststellung seriöser Forscher und Zeitzeugen keine Tötung von Juden in Gaskammern gegeben habe. Hervorzuheben ist hierbei das 1989 veröffentlichte "Gutachten" des Amerikaners Fred A. Leuchter, wonach es in "Leuchter-Bericht" Auschwitz und einigen anderen Konzentrationslagern aufgrund der technischen Gegebenheiten nicht möglich gewesen sei, Menschen in Gaskammern zu töten. Dieselbe These verbreitete der Diplomchemiker Germar Scheerer, geb. Rudolf, ein ehemaliges REP-Mitglied, in seinem "Rudolf-Gutach1994 veröffentlichten, 2001 in Zweitauflage erschienenen und inten" zwischen indizierten "Gutachten über die Bildung und Nachweisbarkeit von Zyanidverbindungen in den 'Gaskammern' von Auschwitz". Die international aktivsten Revisionisten leben heute meist in Ländern, in denen Strafbestimmungen gegen das Verbreiten und die Veröffentlichung revisionistischen Gedankenguts fehlen. So setzte sich der deutsche Revisionist Germar Scheerer im Frühjahr 1996 nach einer Verurteilung (u.a. wegen Volksverhetzung) ins Ausland ab, wo er seine Agitation fortsetzte. Über seinen Verlag "Castle Hill Publishers Ltd." in Großbritannien vertrieb er mehrere revisionistische Schriften. In den USA stellte er einen Antrag auf politisches Asyl, der im Juni 2003 abgelehnt wurde. Am 15. November wurde er aufgrund eines internationalen HaftFestnahme befehls der Staatsanwaltschaft Mannheim von den USA an die deutschen Scheerers Strafverfolgungsbehörden überstellt. Unmittelbar nach seiner Ankunft auf dem Frankfurter Flughafen wurde er festgenommen und später in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg/Baden-Württemberg inhaftiert. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 158 Rechtsextremismus David Irving Der wohl bekannteste Vertreter des Revisionismus ist der international agierende britische Schriftsteller David Irving, der 1993 wegen Leugnung des Holocausts verurteilt und aus Deutschland ausgewiesen wurde. Gegen ihn bestehen Einreiseverbote in Australien, Deutschland, Kanada, Österreich und Südafrika. Zuletzt residierte Irving hauptsächlich in Key West/Florida. Am 11. November wurde er in der Steiermark/Österreich festgenommen. Gegen ihn liegt seit November 1989 ein vom Landgericht Wien erlassener Haftbefehl wegen Verdachts der NS-Wiederbetätigung vor. Ein weiterer Protagonist des Revisionismus ist der deutsche StaatsangeErnst Zündel hörige Ernst C. F. Zündel, der 1958 nach Kanada übersiedelte. Dort verfasste und versandte er zahlreiche Publikationen, darunter den "Germania"-Rundbrief, der neonazistische und antisemitische Thesen enthielt und über das Internet abrufbar war. Im Internet erschien ferner der Beitrag "Good morning from the Zündelsite", der - so Zündel - monatlich von mehr als 1,2 Millionen Interessenten eingesehen wurde. Dort waren u.a. Bücher, die in Deutschland der Beschlagnahme unterliegen bzw. von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert wurden, mit vollem Text eingestellt, darunter "Der Holocaust auf dem Prüfstand" von Jürgen Graf und "Starben wirklich sechs Millionen?" von Richard Harwood. In Deutschland führt die Staatsanwaltschaft Mannheim gegen Zündel seit 1996 ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung und anderer Straftaten. Zündels Antrag auf Verleihung der kanadischen Staatsbürgerschaft wurde zweimal abgelehnt. 2001 löste er seinen Verlag "Samisdat Publishers Ltd." in Toronto auf und verlegte seinen Wohnsitz in die USA, da er - nach eigenen Angaben - in Kanada wegen der Einstellung der "Zündelsite" ins Internet strafrechtlich verfolgt wurde. Anfang Februar 2003 wurde Zündel wegen illegalen Aufenthalts in den USA verhaftet und nach Kanada ausgeliefert. Aufgrund einer Entscheidung des Bundesgerichts in Ottawa schoben ihn die kanadischen Behörden am 1. März nach Deutschland ab. Zündel wurde dort nach seiner Ankunft Festnahme und aufgrund eines Haftbefehls vom 17. Februar 2003 festgenommen und Strafverfahren am 2. März dem Haftrichter vorgeführt. Seit dem 8. November muss er sich vor dem Landgericht Mannheim wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verantworten. Der Prozess wurde mittlerweile ausgesetzt, nachdem das Gericht Zündels Verteidigerin ablehnte. Diese hatte sich in einem Antrag auf Einstellung des Verfahrens möglicherweise selbst volksverhetzende Ausführungen zu eigen gemacht und zudem den mit einem Berufsverbot belegten Rechtsextremisten Horst Mahler als ihren Assistenten vorgestellt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 159 Die 1985 in Antwerpen gegründete, in Berchem/Belgien ansässige OrgaVrij Historisch nisation Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) ist eine der bedeutenden Onderzoek Lieferantinnen von revisionistischem Propagandamaterial. Sie verfügt über (V. H. O.) weltweite Kontakte zu führenden Revisionisten und bietet nahezu alle wichtigen, in Deutschland teilweise beschlagnahmten oder indizierten revisionistischen Veröffentlichungen an. Seit Anfang 1997 gibt die V.H.O. die revisionistische Zeitschrift "Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung" (VffG) heraus. Der Mitbegründer der V.H.O. Siegfried Verbeke, der zusammen mit seinem Bruder Herbert die V.H.O. betreibt, wurde nach seiner Festnahme am 26. November 2004 in Belgien am 14. April vom Berufungsgericht in Antwerpen u.a. wegen Verstoßes gegen das belgische Antirassismusgesetz zu einer einjährigen Haftstrafe sowie einer Geldstrafe von 2.500 Euro verurteilt. Am 4. August wurde er aufgrund eines von der deutschen Justiz beantragten europäischen Haftbefehls auf dem Amsterdamer Flughafen erneut festgenommen. Das zuständige niederländische Gericht beschloss am 25. Oktober, dass Siegfried Verbeke nach Deutschland ausgeliefert werden kann. Am 1. November wurde der belgische Revisionist, der u.a. im Internet den Massenmord an Juden während der NS-Zeit geleugnet hatte, an die deutschen Behörden überstellt und in der Justizvollzugsanstalt Heidelberg inhaftiert. Der Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Revisionistische Verfolgten (VRBHV) wurde am 9. November 2003 auf Initiative von Vereinigung Horst Mahler, eines führenden Aktivisten des rechtsextremistischen Intellektuellenzirkels "Deutsches Kolleg", gegründet. In der Gründungserklärung heißt es: "Es war der Beginn der großen Lüge, die endgültig zu Fall zu bringen Anliegen unseres Vereins sein wird: Der Auschwitz-Lüge." Dem Verein haben sich zahlreiche Revisionisten angeschlossen. Seit Anfang 2004 existieren die beiden Homepages "Aufstand für die Wahrheit" und "Reichsbürgerbrief". Auf letzterer Seite ruft Mahler zum Volksaufstand gegen die von einer Fremdmacht ausgeübte, "talmudisch" getarnte Gewaltund Willkürherrschaft in Deutschland auf, die jegliche Politik zum Wohle des deutschen Volkes und zur Wahrung seiner Würde verhindere. Das Landgericht Berlin verurteilte ihn am 12. Januar wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten ohne Bewährung. 8. Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus Der amerikanische Neonazi und Propagandaleiter der NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) Gary Rex Lauck tritt nach Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 160 Rechtsextremismus Neonazistische wie vor durch den Versand neonazistischer Propagandamittel in ErscheiPropaganda nung. Seine deutschsprachige Schrift "NS Kampfruf" erscheint in unregelmäßigen Abständen. Sie besteht derzeit größtenteils aus einer Preisliste mit Angeboten für nationalsozialistische Devotionalien. Auch auf der Homepage der NSDAP-AO überwiegen inzwischen Offerten für NS-Propagandamaterial die politischen Inhalte. Dort können Hakenkreuzaufkleber, Fahnen und Abzeichen des Dritten Reichs, Filme und Bücher aus der NS-Zeit (z.B. "Der ewige Jude", "Mein Kampf") sowie CDs mit Marschmusik und Hitler-Reden bestellt werden. Das Angebot enthält ferner Computerspiele wie "KZ-Rattenjagd" und "Der SA-Mann" zum kostenlosen Herunterladen. Für deutsche Rechtsextremisten ist Lauck kaum von Bedeutung; sie stehen ihm reserviert gegenüber, da er den kommerziellen Aspekt offenbar immer stärker in den Vordergrund rückt. Weiteres rechtsextremistisches Propagandamaterial aus dem Ausland gelangt überwiegend über das Internet (vgl. auch Nummer 3.3 dieses Abschnitts) nach Deutschland. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Rechtsextremismus 161 9. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2005 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Parteien einschließlich integrierter Vereinigungen Die Republikaner (REP) 2.300 6.500 Zeit für Protest! 26.11.1983, Berlin zweimonatlich, 10.000 Nationaldemokratische Partei 850 6.000 Deutsche Stimme (DS) Deutschlands (NPD) monatlich, 20.000 28.11.1964, Stuttgart (nach Eigenangaben) Junge Nationaldemokraten (JN) 50 300 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) Funktionärs1967, Nürnberg gruppe Deutsche Volksunion (DVU) 1.100 9.000 (Publizistische Sprachrohre: 05.03.1987, München siehe DSZ-Verlag) Deutsche Volksunion e.V. (siehe DVU) einschließlich Aktionsgemeinschaften 16.01.1971, München Deutsche Partei - Die Freiheitlichen (DP) 70 500 Deutschland-Post 1993, Bad Soden (geschätzt) unregelmäßig 2. Neonazistische Organisationen und Zusammenschlüsse Hilfsorganisation für nationale politische 75 600 Nachrichten der HNG Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) monatlich, 600 02.07.1979, Frankfurt am Main Kameradschaft München 30 2004, München Kameradschaft Aschaffenburg 15 Aschaffenburg Bund Frankenland - Staatsbürgerliche Runde 10 1992, Würzburg Kameradschaft Augsburg 15 2004, Augsburg Kameradschaft Asgard-Ratisbona 20 2004, Regensburg Kameradschaft Weiße Wölfe 20 2002, Roding Autonome Nationalisten München 10 2005, München NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation NS Kampfruf (NSDAP-AO) unregelmäßig 1972, Lincoln/USA Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 162 Rechtsextremismus Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2005 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 3. Sonstige Organisationen Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 60 500 (Inoffizielles Organ: siehe 03.10.1991, Berlin Nation Europa Verlag GmbH) Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 40 450 Das Freie Forum 1960, München vierteljährlich, 1.500 Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V. 30 280 Huttenbriefe - für Volkstum, Februar 1982, Starnberg Kultur, Wahrheit und Recht zweimonatlich, 4.000 Schutzbund für das Deutsche Volk e.V. (SDV) 200 September 1981, München Deutsches Kolleg (DK) Funktionärs1994, Berlin / Würzburg gruppe Deutschland-Bewegung /Friedenskomitee 50 100 Pressespiegel mit "Frieden 1990, Starnberg 2000 - Nachrichten für die Deutschland-Bewegung" Europäischer Darstellungsverein für 100 Lebendige Geschichte (EDLG) 1995 Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) Einzel2001, Nürnberg personen Freundeskreis Demokratie Direkt München 15 2004 Aktivitas der Burschenschaft Danubia 15 Danubenzeitung 1848, München unregelmäßig Augsburger Bündnis - Nationale FunktionärsNeues Schwaben Opposition e.V. (ABNO) gruppe unregelmäßig 2001, Augsburg 4. Skinheads 800 10.400 5. Verlage Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH National-Zeitung/Deutsche (DSZ-Verlag), München Wochen-Zeitung (NZ), wöchentlich, 40.000 Nation Europa Verlag GmbH Nation & Europa - 1953, Coburg Deutsche Monatshefte monatlich, 18.000 Verlag Hohe Warte - Franz von Bebenburg KG Mensch und Maß 1949, Pähl zweimal monatlich, 2.000 Denk mit!-Verlag Denk mit! Nürnberg unregelmäßig, 1.000 VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH Deutsche Geschichte Stegen zweimonatlich Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 163 5. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Linksextremismus Das ideologische Spektrum der Linksextremisten reicht von Anhängern Ideologisches des "wissenschaftlichen Sozialismus/Kommunismus" in seiner klassiSpektrum schen Form über Sozialrevolutionäre mit unterschiedlichen diffusen Konzeptionen bis hin zu Anarchisten. Theoretische Grundlagen bilden im Wesentlichen die Werke von Marx und Lenin, aber auch von Trotzki, Stalin, Mao Tse-tung und anderen. Die Bestrebungen der Linksextremisten sind darauf gerichtet, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung zu beseitigen, die sie als kapitalistisch, rassistisch und imperialistisch ansehen. An deren Stelle solle eine sozialistisch-kommunistische Diktatur oder die Anarchie, eine Gesellschaft frei von jeglicher Herrschaft, treten. Diese Bestrebungen sind verfassungsfeindlich, weil die Ziele und oft auch die Mittel, mit denen sie erreicht werden sollen, gegen die grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen. Die Aktionsformen der Linksextremisten sind breit gestreut: Sie umfasAktionsformen sen öffentliche Veranstaltungen, offene Agitation mittels Zeitungen, der LinksextreFlugblättern, elektronischen Kommunikationsmitteln, ferner Versuche misten der Einflussnahme in "bürgerlichen" Institutionen bis hin zur Beteiligung an Wahlen. Darüber hinaus gibt es Linksextremisten, die politische Gewalt als ein legitimes und geeignetes Mittel sehen, ihre extremistischen Vorstellungen durchzusetzen. In ihrer Propaganda stellen sich Linksextremisten als Vertreter einer hohen Moral, als Kämpfer gegen Unterdrückung und Verfechter von Frieden und sozialer Gerechtigkeit dar. Ihre politische Praxis zeigt jedoch etwas anderes. Sie missachten demokratische Mehrheitsentscheidungen und das Gewaltmonopol des Staates. Sie setzen sich über das Recht der Menschen auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit hinweg, wenn dieses Recht ihren Interessen entgegensteht. Einige der linksextremistischen Gruppierungen bekennen offen, dass ihre Ziele nur unter Anwendung von Gewalt zu erreichen sind. Teilweise Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 164 Linksextremismus verüben sie Gewalttaten oder arbeiten zur Erreichung ihrer Ziele mit Gewalttätern zusammen. Dies verstößt gegen den Grundsatz des Ausschlusses jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft und verletzt, wenn sich die Gewalt gegen Personen richtet, das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Agitationsthemen Die wahren Ziele werden oftmals in Aktionsfelder und Themen eingebunden, die für sich betrachtet nicht extremistisch sind. Durch gewandte Agitation gelingt es Linksextremisten teilweise, den notwendigen Konsens aller Demokraten in der Ablehnung jeder Art politischen Extremismus zu durchbrechen. Für ihre Agitation und Mobilität bei Demonstrationen oder anderen Aktionen nutzen Linksextremisten auch die Vorteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten wie Handy und Internet. Zentrale Agitationsthemen der Linksextremisten waren Neonazismus/Faschismus, Globalisierung, Imperialismus, Auslandseinsätze der Bundeswehr, Rassismus, Asylund Abschiebeproblematik, Arbeitslosigkeit und Sozialversorgung. Im Mittelpunkt der Arbeit von Linksextremisten stand ferner die Unterstützung sozialrevolutionärer Bewegungen im Ausland. 1.2 Entwicklung der Organisationen Rückgang der Die Gesamtzahl der Mitglieder linksextremistischer und linksextremisMitgliederzahlen tisch beeinflusster Parteien und Gruppierungen in Bayern verringerte sich. Die Zahl der Linkspartei.PDS-Mitglieder sowie die Mitgliederzahl der DKP nahmen sowohl bundesals auch bayernweit ab. Zahl und 2003 2004 2005 Mitgliederstärke Anzahl der Organisationen 37 38 38 linksextremistischer OrganiMarxisten-Leninisten und sationen in andere revolutionäre Marxisten Bayern Die Linkspartei.PDS 700 700 500 DKP 600 600 500 Marxistische Gruppe (MG) 700 700 700 weitere Kernorganisationen 300 250 240 Nebenorganisationen 80 80 100 beeinflusste Organisationen 1.080 840 850 Autonome, Anarchisten und Sozialrevolutionäre 400 400 400 Linksextremisten insgesamt 3.860 3.570 3.290 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 165 Die Zahl der Anhänger autonomer Gruppen blieb konstant. Sie werden von anderen linksextremistischen Organisationen als Bündnispartner für Aktionen akzeptiert. Die Entwicklung der Zahl linksextremistischer und linksextremistisch beeinflusster Organisationen in Bayern und ihrer Mitgliederstärken ist aus der auf der Seite 164 dieses Berichts abgedruckten Übersicht zu ersehen. Erkannte Mehrfachmitgliedschaften sind jeweils nur bei einer Organisation erfasst. 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Marxistisch-leninistisch ausgerichtete Organisationen und andere revolutionäre Marxisten bemühen sich weiterhin, durch massive Kritik an den "herrschenden Verhältnissen" und Forderungen nach "Fundamentalopposition" ihren sozialistischen und kommunistischen Zielen näher zu kommen. Dabei gelang es nur begrenzt, die unterschiedlichen Ideologien und Strömungen zu bündeln. Die Linkspartei.PDS, die nach dem Zusammenbruch des SED-Unrechtsregimes einen neuen Weg des Versuch der "demokratischen Sozialismus" zu beschreiten vorgibt, versucht, LinksBündelung extreextremisten aller Richtungen zu integrieren. mistischer Kräfte 2.1 Die Linkspartei.PDS Deutschland Bayern Mitglieder: 61.500 500 Vorsitzende(r): Prof. Dr. Lothar Bisky Eva Bulling-Schröter; Reinhold Rückert Umbenennung der SED: 16./17.12.1989 Gründung: 11.09.1990 Sitz: Berlin München Publikationen: "DISPUT"; "TITEL" "Die Linke.PDS-Pressedienst; "UTOPIE-kreativ"; "Mitteilungen der KPF" Die ehemals in der DDR herrschende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hat sich nach der friedlichen Revolution und dem Zusammenbruch ihres Unrechtsregimes nicht aufgelöst. Sie beschloss Hinweis: Im diesjährigen Verfassungsschutzbericht werden erstmals auch ältere Sachverhalte im Zusammenhang mit der PDS unter dem neuen Parteinamen "Die Linkspartei.PDS" dargestellt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 166 Linksextremismus auf ihrem Sonderparteitag am 16./17. Dezember 1989 in Berlin-Weißensee, sich in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Umbenannte SED Demokratischen Sozialismus (SED-PDS)" umzubenennen. Auf einer Tagung des Parteivorstands der SED-PDS am 4. Februar 1990 wurde der Parteiname endgültig in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) geändert. Der 1. Parteitag der PDS am 24./25. Februar 1990 bestätigte diese Namensänderung. Anlässlich einer außerordentlichen Tagung des 9. Parteitags am 17. Juli 2005 in Berlin wurde beschlossen, sich in "Die Erneute Linkspartei.PDS" umzubenennen. Den Landesverbänden wurde es gleichUmbenennung zeitig freigestellt, die Zusatzbezeichnung "PDS" zu führen. Im Parteistatut wurde als Kurzbezeichnung "Die Linke" ebenfalls mit dem Zusatz "PDS" festgelegt. 2.1.1 Ideologische Ausrichtung Strömungspartei Die Linkspartei.PDS versteht sich als linke "Strömungspartei" für sozialislinker Kräfte tische Gruppen und Personen, die die bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland kritisieren und ablehnen. Das auf der 2. Tagung des 8. Parteitags der Linkspartei.PDS am 25. und 26. Oktober 2003 in Chemnitz beschlossene - mittlerweile dritte - Parteiprogramm stellt fest, die Linkspartei.PDS sei ein Zusammenschluss unterschiedlicher linker Kräfte, die - bei allen Meinungsverschiedenheiten - darin übereinstimmten, dass die Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums überwunden werden müsse. Im Programm heißt es dazu weiter: "In ihr (Anmerkung: in der Linkspartei.PDS) haben sowohl Menschen einen Platz, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen und die die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu verändern und schrittweise zu überwinden." Gegen Die Beseitigung des Kapitalismus, die Überwindung des mit ihm Kapitalismus verbundenen politischen Systems der Freiheit und der Demokratie im Sinn unseres Grundgesetzes sowie die Errichtung einer neuen "sozialistischen Gesellschaft" gehören somit, auch wenn die Revolutionsrhetorik des Marxismus-Leninismus vermieden wird, zu den Zielen der Partei, die vor allem außerparlamentarisch erreicht werden müssten. Das Bekenntnis der Partei zum außerparlamentarischen Kampf und zum Widerstand gegen die "Herrschenden" und die "gegebenen Verhältnisse" ist mit der Grundidee der parlamentarischen repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes unvereinbar. Das programmatische Ziel der Linkspartei.PDS ist nach wie vor eine über die Grenzen der bestehenden Gesellschaftsform hinausweisende sozialistische Ordnung. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 167 Die Linkspartei.PDS vertritt einen konsequenten Internationalismus und ist dem Erbe von Marx und Engels, den vielfältigen Strömungen der Bekenntnis zu revolutionären und internationalen Arbeiterbewegung sowie anderen Marx und Engels revolutionären und "volks-demokratischen" Bewegungen verbunden und dem Antifaschismus verpflichtet. Die Berufung auf Marx und Engels, die historische Entwicklung der Partei sowie die politische Herkunft ihrer Mitglieder aus kommunistischen Organisationen, insbesondere der SED, müssen auch bei der Auslegung ihrer programmatischen Äußerungen berücksichtigt werden. Die Linkspartei.PDS verwendet Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte, die sie auch schon als SED gebraucht hat. Die Realität der DDR bewies jedoch, dass diese Begriffe dort anders, nämlich freiheitsund demokratiefeindlich, definiert waren. Ursache für die andere Interpretation politischer Begriffe ist deren Umwidmung bewusste Umwidmung im Lehrgebäude des Marxismus-Leninismus, in von Begriffen dessen Denkschule die Mehrheit der Mitglieder der Linkspartei.PDS erzogen wurde. Deshalb besitzen die in ihrer Programmatik verwendeten Begriffe eine Doppeldeutigkeit. Das 2003 in Chemnitz verabschiedete Parteiprogramm verfolgt weiterhin dieselbe ideologische Zielsetzung - eine über die Grenzen der bestehenden Gesellschaftsform hinausweisende sozialistische Ordnung - und hält am "Manifest der Kommunistischen Partei", der Lehre von Marx und Engels, sowie an Rosa Luxemburg fest. Obwohl im neuen Programm auf die Erwähnung der bolschewistischen Oktoberrevolution von 1917 verzichtet wird, stellt sich die Linkspartei.PDS weiterhin ausdrücklich in die Tradition der revolutionären kommunistischen Arbeiterbewegung und wendet sich "aus historischer Erfahrung" entschieden gegen jegliche Form von "Antikommunismus". Sie ist auch vom gescheiterten Sozialismusversuch der früheren DDR nach wie vor überzeugt. Der Unrechtsgehalt des SED-Regimes wird relativiert; es wird betont, dass der "Aufbau einer besseren Gesellschaftsordnung" für den Osten keiner "Entschuldigung" bedürfe und die "antifaschistisch-demokratischen Veränderungen im Osten Deutschlands und das spätere Bestreben, eine sozialistische Gesellschaft zu gestalten" in "berechtigtem Gegensatz zur Weiterführung des Kapitalismus in Westdeutschland" gestanden hätten. Im Bestreben um das gesellschaftliche Endziel Überwindung kämpft die Linkspartei.PDS für die Überwindung der als "Kapitalismus" der bestehenden diffamierten bestehenden Gesellschaftsordnung. Das Programm führt Gesellschaftsdazu aus: ordnung "Die Politik der PDS soll dazu beitragen, die Vorherrschaft der Kapitalverwertungsinteressen abzuschwächen, schließlich zu überwinden und die ihr zu Grunde liegenden Machtund Eigentumsverhältnisse zu verändern. (...) Ein Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 168 Linksextremismus selbstbestimmtes Leben, eine von Entfremdung befreite Arbeitswelt und eine gerechte Verteilung des Reichtums bedürfen alternativer Gesellschaftsstrukturen, die von der Verwirklichung gemeinschaftlicher Interessen geprägt sind und die Dominanz privatkapitalistischen Eigentums überwunden haben." Die strikt antikapitalistische Grundausrichtung bleibt die Grundidee der Linkspartei.PDS. So wird bereits in der Präambel betont: "Wir wollen, dass diese gesellschaftlichen Strukturen zurückgedrängt und schließlich überwunden werden, damit die Menschheit einen Ausweg aus dieser zerstörerischen Entwicklungslogik findet. In diesem Sinne sind wir konsequent antikapitalistisch." Anlässlich einer außerordentlichen Tagung des 9. Parteitags am 17. Juli Umbenennung in Berlin stimmten 74,6 % der gewählten Delegierten der Umbenenin "Die Linksnung in "Die Linkspartei" zu, wobei die Partei auf Bundesebene und in partei.PDS einzelnen Landesverbänden die Zusatzbezeichnung "PDS" führt. Im Parteistatut wurde als Kurzbezeichnung für die Linkspartei "Die Linke" ebenfalls mit dem Zusatz "PDS" festgelegt. Die nach dem Statut notwendige Mehrheit von zwei Dritteln der gewählten Delegierten wurde Angestrebtes übertroffen. Dadurch war der Weg frei für das angestrebte LinksbündBündnis mit der nis mit der Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" WASG (WASG), deren Mitglieder am 15. Juli in einer Urabstimmung mit 81,8 % dem Bündnis und somit dem gemeinsamen Auftreten auf Linkspartei.PDS-Listen bei der vorgezogenen Bundestagswahl zugestimmt hatten. Der Linkspartei.PDS-Vorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky hatte die Delegierten des Sonderparteitags zuvor aufgerufen, die Chance zu einem "zweiten Aufbruch der Partei" zu nutzen. Der "großen Koalition des Abbaus von Demokratie und Sozialstaatlichkeit" müsse eine starke linke Kraft entgegengestellt werden. Mehrere Redner, darunter auch Sahra Wagenknecht - Linkspartei.PDS-Europaabgeordnete, Mitglied des Parteivorstands und des Bundeskoordinierungsrats der Kommunistischen Plattform der PDS (KPF) -, hatten verlangt, das Kürzel PDS als festen Bestandteil und nicht nur als Zusatz beizubehalten. Delegierte aus westlichen Landesverbänden dagegen bestätigten, dass es für den Wahlkampf hilfreich wäre, wenn man auf die in Westdeutschland schwer vermittelbare Bezeichnung PDS verzichten und nur als Linkspartei antreten könnte. Am 27. August veranstaltete die Linkspartei.PDS in Berlin ihre als WahlBundestagswahlparteitag angekündigte 2. Tagung des 9. Parteitags. Zentraler Punkt des programm Treffens war die Verabschiedung des Wahlprogramms zur Bundestagswahl. In dem von den Delegierten mit großer Mehrheit bei nur zwei Gegenstimmen und zehn Enthaltungen fast unverändert angenommeVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 169 nen Entwurf des Parteivorstands "Für eine neue soziale Idee" stellte sich die Linkspartei.PDS - in Anlehnung an das zentralistische Blockparteienverständnis der SED in der DDR - als einzige demokratische Alternative dar: "SPD, Grüne, CDU/CSU und FDP bieten nicht die Möglichkeit, zwischen verschiedenen politischen Richtungen zu wählen. Sie vertreten lediglich unterschiedliche Varianten einer Politik des Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben. (...) Es waren stets Schröder und Merkel, es war das große Kartell der sozialen Kälte aus SPD und CDU/CSU, Grünen und FDP, das im Bundesrat gemeinsam durchbrachte, was den Menschen als 'Reformen' zugemutet worden ist. (...) Dem demokratischen Sozialismus verpflichtet, streiten wir für eine bessere Gesellschaft. Eine, in der Schwache nicht länger schwach, Einzelne nicht länger allein, Arbeitssuchende nicht länger arbeitslos, Fremde nicht länger fremd und Abhängige nicht länger wehrlos bleiben." Ausdrücklich fordert die Linkspartei.PDS in ihrem beschlossenen WahlInhalte des programm die forcierte, repressive Bekämpfung des RechtsextreWahlprogramms mismus. Dabei sollen linke und linksextremistische Organisationsstrukturen gefestigt, gefördert und ausgebaut werden: "Die Linkspartei.PDS setzt sich auch in Zukunft für breite Bündnisse zur Bekämpfung der extremen Rechten ein. Wir werden uns weiter aktiv daran beteiligen und an unserer Forderung nach besserer öffentlicher Unterstützung antifaschistischer und antirassistischer Gruppen festhalten, um damit zivilgesellschaftliche Strukturen gegen Rechtsextremismus aufund auszubauen." Ihr pazifistisches Profil will die Partei schärfen und Deutschland zugleich aus seiner Verantwortung in der militärischen Bündnispolitik nehmen: "Deutsche Soldaten in aller Welt sind keine Botschafter des Friedens. Und Bereitstellung von militärischem Gerät, von Überflugund Landegenehmigungen für kriegsführende Mächte befördern keineswegs friedliche Verhältnisse. (...) Wir wollen, dass Deutschland und Europa zu einer friedlichen Alternative gegenüber dem Streben der USA nach Weltherrschaft werden. Deshalb sind Bestrebungen einer strategischen Vereinnahmung durch die USA konsequent abzuwehren. (...) Deutschland beteiligt sich nicht mehr an Kriegseinsätzen in aller Welt und holt die Soldaten aus solchen Einsätzen zurück." Der Wahlparteitag diente vor allem der Selbstvergewisserung und dem Aufruf zur Geschlossenheit. Strittige und offene Fragen wurden weitAufruf zur gehend ausgeklammert. Die Zeit für die Debatte zum Wahlprogramm Geschlossenheit wurde sehr kurz gehalten. Zu deren Abschluss betonte der Spitzenkandidat der Berliner Landesliste der Linkspartei.PDS, Dr. Gregor Gysi, dass der Staatssozialismus zu Recht gescheitert sei; der Kapitalismus habe jedoch nicht gesiegt, er sei nur übrig geblieben. Dagegen habe Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 170 Linksextremismus die Linkspartei.PDS die Vision des demokratischen Sozialismus, das heiße, dass keine Kapitalverwertungsinteressen ausgeschlossen würden, wohl aber die Dominanz der Kapitalverwertungsinteressen. Am 6. Dezember unterzeichneten der Parteivorsitzende der Linkspartei.PDS Prof. Dr. Lothar Bisky und der geschäftsführende Vorstand der WASG Klaus Ernst in Berlin ein "Kooperationsabkommen", das "die freie Vereinigung der gesellschaftlichen Linken in der ersten wirklich gesamtdeutschen Partei" bis zum 30. Juni 2007 vorsieht. Ein Name für die neue Partei wurde noch nicht festgelegt. In der "Rahmenvereinbarung zum ParteibildungsKooperationsprozess zwischen Linkspartei.PDS und WASG" verzichteten beide abkommen mit Parteien darauf, bei künftigen Wahlen konkurrierend anzutreten. der WASG Doppelmitgliedschaften sollen erlaubt werden. Über den Abschluss des Parteibildungsprozesses haben in beiden Parteien Bundesparteitage und Urabstimmungen der Mitglieder zu entscheiden. Laut dem "Kooperationsabkommen" strebt die neue Partei als Ziel eine Gesellschaft an, "in der die freie Entwicklung einer und eines jeden die Bedingung der freien Entwicklung aller ist." Diese Definition geht offenkundig auf eine Formulierung im "Manifest der Kommunistischen Partei" von Karl Marx und Friedrich Engels zurück. Zur Charakterisierung der neu zu bildenden Partei werden Aussagen bekräftigt, die zum Teil wortgleich dem geltenden Parteiprogramm der Linkspartei.PDS vom Oktober 2003 entnommen sind. So wird in der Rahmenvereinbarung betont: "Zur Politik der neu gebildeten Partei sollen Widerstand und Protest ebenso zählen wie der Anspruch auf Mitund Umgestaltung und die Entwicklung über den Kapitalismus hinaus weisender gesellschaftlicher Alternativen. (...) In der pluralistischen Partei sollen alle Menschen einen Platz haben, die gegen die gegenwärtigen Verhältnisse in der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand leisten, sie verändern und schrittweise überwinden wollen." Die Vereinbarung zeigt deutlich, dass die Linkspartei.PDS weiterhin an Festhalten an der Lehre von Marx und Engels festhält. Dogmatische Marxisten haben Marx und Engels in der Partei weiterhin ihr Forum. Die rund 400 Delegierten der 3. Tagung des 9. Parteitags der Linkspartei.PDS stimmten am 10. und 11. Dezember in Dresden dem "Kooperationsabkommen mit der WASG" mehrheitlich zu. Viele Teilnehmer kritisierten, dass das Abkommen bereits am 6. Dezember von den Parteivorsitzenden unterzeichnet worden war und somit nur noch zustimmend zur Kenntnis genommen werden konnte. Umstritten war auch eine ÄnÄnderung des derung des Parteistatuts, wonach bis zur geplanten Fusion DoppelmitParteistatuts gliedschaften für Mitglieder der WASG ermöglicht werden sollten. Der Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 171 entsprechende Antrag des Parteivorstands fiel zunächst durch; erst in einer zweiten Abstimmung erreichte er die nötige Zweidrittelmehrheit. Der Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky kündigte in seiner Rede an, auf der vorgezogenen 1. Tagung des 10. Parteitags am 29. und 30. April 2006 erneut für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Zum neuen Bundesgeschäftsführer der Linkspartei.PDS wurde der Bundestagsabgeordnete Dr. Dietmar Bartsch gewählt, der dieses Amt bereits von 1997 bis 2002 innehatte. Bei der Wahl des Bundesschatzmeisters war es zu einem weiWahl des Bundesteren Eklat gekommen: Trotz Bedenken der WASG wählten die Deleschatzmeisters gierten Bernhard Walther mit 68,5 % der Stimmen in das vierthöchste Parteiamt. Vor seiner Wahl hatte dieser eingeräumt, 1981 eine Verpflichtungserklärung als "Inoffizieller Mitarbeiter" (IM) des früheren Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR unterschrieben zu haben. Angesichts der Proteste von Delegierten erklärte Bernhard Walther, seine neue Aufgabe bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen zu lassen. Die Debatte offenbarte, dass die Mehrheit der Linkspartei.PDS immer noch zu keinem offenen Umgang mit der Stasi-Vergangenheit bereit ist. Am 14. Januar 2006 trat Bernhard Walther von seinem Amt als Schatzmeister zurück. Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine trat Ende Dezember in die Linkspartei.PDS im Saarland ein. Im Gegenzug trat Dr. Gregor Gysi der WASG Berlin bei. Die beiden Vorsitzenden der Fraktion der Linkspartei.PDS im Deutschen Bundestag wollten mit ihren DoppelDoppelmitgliedschaften "ein klares Signal für den Prozess der Bildung einer mitgliedschaften neuen Linken in ganz Deutschland geben". 2.1.2 Organisation Die Linkspartei.PDS ist eine auf Bundesebene organisierte Partei mit Sitz in Berlin. Sie gliedert sich in 16 Landesverbände, deren Gebiete mit den Ländern identisch sind, mit Kreisverbänden und Basisorganisationen. Die Partei verfügt bundesweit über nahezu 61.500 Mitglieder (2004: Bundesweit 65.500), davon - wie 2004 - rund 4.400 in den alten Bundesländern. rückläufige Die Mitgliederentwicklung ist insgesamt rückläufig. Etwa zwei Drittel der Mitgliederzahl Parteimitglieder sind 60 Jahre und älter; nur rund 3 % sind jünger als 30 Jahre. Nach Angaben der Parteiführung stammen 70 bis 80 % der Mitglieder aus der ehemaligen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR, darunter auch Mitarbeiter des ehemaligen MfS. Seit Jahren nutzt die Linkspartei.PDS die Kommunikationsmöglichkeiten Nutzung des im Internet. Verschiedene Gliederungen der Partei, wie die LinksparInternets tei.PDS-Delegation in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) im Europäischen ParlaVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 172 Linksextremismus ment, die Linkspartei.PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag, Linkspartei.PDS-Fraktionen in den Bundesländern, der Bundesvorstand, Landesund Kreisverbände sowie Einzelpersonen sind neben einer so genannten Startseite der Linkspartei.PDS mit eigenen Homepages vertreten. Auch in Bayern nehmen Kreisverbände und Basisorganisationen das Internet in Anspruch. Der Linkspartei.PDS-nahe Jugendverband ['solid] nutzt bundesweit ebenfalls das moderne Kommunikationsmedium. 2.1.3 Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften sowie ähnliche innerparteiliche Zusammenschlüsse sind wesentlich für die Bündnisund Integrationspolitik der Linkspartei.PDS. Sie wirken im Rahmen des Statuts in der Partei, können sich eigene Satzungen geben und können Integrale ihre politischen Ziele in der Partei offen vertreten. Sie sind integrale Bestandteile der Bestandteile der Linkspartei.PDS. Die Partei muss sich deshalb die Linkspartei.PDS Tätigkeit der Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften wie auch das Wirken der sonstigen innerparteilichen Zusammenschlüsse sowie die Äußerungen ihrer Mitglieder als Gesamtpartei zurechnen lassen. Plattformen sind in der Regel Zusammenschlüsse mit gemeinsamer Ideologie, während Arbeitsund Interessengemeinschaften themenbezogen auf wichtigen Aktionsfeldern tätig werden. 2.1.3.1 Kommunistische Plattform (KPF) Die am 30. Dezember 1989 gegründete KPF der Linkspartei.PDS - ihr sind etwa 1.000 Mitglieder zuzurechnen - ist eine marxistisch-leninistische Organisation. Sie betrachtet die DKP als natürliche Verbündete und arbeitet auch mit der noch in der DDR gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen. Innerhalb der Linkspartei.PDS ist die KPF die Gruppierung, die sich am deutlichsten zum Bekenntnis zum Kommunismus bekennt. Sie strebt die Fortsetzung marxistischer und Marxismus-Lenileninistischer Politik, also die Diktatur des Proletariats, an. In ihren nismus Gründungsthesen betonte sie: "Die revolutionäre Arbeiterbewegung mit dem Wissenschaftlichen Kommunismus, mit dem Marxismus-Leninismus, zu verbinden, aufgrund der marxistisch-leninistischen Analyse der realen Gesellschaftsentwicklung Strategie und Taktik zu bestimmen und Politik zu organisieren - ist vornehmste Aufgabe der Kommunisten und sie bleibt es." Nach einer programmatischen Erklärung vom Februar 1994, verfasst von drei Sprechern der KPF, bildet der Wissenschaftliche Kommunismus, wie er durch Lenin, Luxemburg, Gramsci, Trotzki, Bucharin oder Mao Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 173 Tse-tung weiterentwickelt worden ist, die Grundlage für die Politik der KPF. Ziel der KPF sei die revolutionäre Transformation der alten, der Klassengesellschaft, in eine neue, klassenlose Gesellschaft. Die KPF strebt eine enge Zusammenarbeit mit anderen kommunistischen Parteien und Organisationen an und sucht die Beteiligung an außerparlamentarischen Initiativen, insbesondere in dem von ihr in kommunistischer Ideologie verstandenen Antifaschismus. Am 12. März veranstaltete die KPF in Weimar die 3. Tagung ihrer 12. Bundeskonferenz, in deren Mittelpunkt die Verabschiedung der Resolution "Zu aktuellen Aspekten des Antifaschismus" stand. Auf der Grundlage dieses Beschlusses soll der "60. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus" vorbereitet werden. In der Entschließung wird betont, dass linke Kräfte, die außerparlamentarisch und parlamentarisch über Einfluss verfügen und als konsequenter Oppositionsfaktor wahrnehmbar sind, der entschiedenste Schutz vor der Ausbreitung der Nazis, ihrer Ideologie und Strukturen seien. Vor allem werde gemäß Art. 139 des Grundgesetzes die Auflösung der NPD und anderer nazistisch orientierter Parteien und Organisationen gefordert. Die antifaschistischen und antirassistischen Aktivitäten müssten nicht zuletzt durch entsprechende Mitarbeit in Bündnissen verstärkt werden. In Berlin führte die KPF am 9. Oktober die 4. Tagung der 12. Bundes4. Tagung konferenz durch. Einem in den "Mitteilungen der KPF" Heft 11 vom der 12. BundesNovember veröffentlichten Bericht des Bundessprecherrats der KPF ankonferenz lässlich dieser Tagung zufolge befinden sich die Kommunisten in der Linkspartei.PDS seit der außerordentlichen Tagung des 9. Parteitags der Linkspartei.PDS am 17. Juli "in der kompliziertesten Situation seit Ende 1989". Die Fusion von Linkspartei.PDS und WASG sei nicht ein bevorstehendes Ereignis, sondern ein laufender Prozess. Man werde sich letztlich "nicht außerhalb dieser ablaufenden Prozesse" stellen, sondern sich im "Interesse sozialistischer Politik" weiter aktiv am Parteileben der Linkspartei.PDS beteiligen". In nächster Zukunft wolle man sich vor allem mit Fragen der Gestaltung des Zusammenwirkens mit außerparlamentarischen Bewegungen, des "antifaschistischen Kampfs", des Umgangs mit der Geschichte, des Pazifismus, des Internationalismus in der Partei sowie des sozialistischen Ziels, der "antikapitalistischen Ansätze" sowie des Stellenwerts von Kommunisten und Marxisten im Rahmen der Fusionsbestrebungen auseinander setzen. Eine weitere wichtige Aufgabe sei es, die Zusammenarbeit mit anderen marxistisch-kommunistisch Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 174 Linksextremismus orientierten Kräften innerhalb und außerhalb der Partei, insbesondere mit dem Marxistischen Forum (MF) und mit der DKP, zu intensivieren. In Bayern ist die KPF nicht mehr aktiv. 2.1.3.2 Marxistisches Forum (MF) Am 6. Juni 1995 konstituierte sich in Berlin das orthodox-kommunistisch ausgerichtete MF. Es will die soziale, ökonomische und politische Situation mit den Mitteln des Marxismus analysieren, die marxistische WeiterentwickTheorie weiterentwickeln und zur theoretischen Fundierung der Politik lung der marxisder PDS beitragen. Dazu gehöre neben der marxistischen Aufarbeitung tischen Theorie der Geschichte der DDR und des Sozialismus auch die Untersuchung der Dialektik von systemimmanenten und systemüberwindenden Reformen. Außerdem solle auf die notwendige Verstärkung des antimilitaristischen Kampfes aufmerksam gemacht werden. Dem Zusammenschluss innerhalb der Linkspartei.PDS gehören rund 60 Personen an, darunter Parteimitglieder sowie Personen des Staatsapparats, des Kulturund Wirtschaftsbereichs der ehemaligen DDR. Das Forum übt Einfluss in der Partei u.a. über die Mitgliedschaft in verschiedenen Parteigremien aus. So gehört mit Dorothee Menzner eine Aktivistin des MF zugleich dem Parteivorstand der Linkspartei.PDS an. 2.1.4 Jugendverband ['solid] Am 19. Juni 1999 wurde in Hannover der Jugendverband ['solid] - die sozialistische Jugend gegründet. Der Name steht für "sozialistisch, links und demokratisch". Ziel des Jugendverbands ist es nach der im "Die Linke.PDS-Pressedienst" Nummer 25 vom 25. Juni 1999 abgedruckten GründungsGründungserklärung, in organisierter Form der "rechten Hegemonie in erklärung der Gesellschaft" entgegenzutreten. Man wolle keine "Kampfreserve" der Linkspartei.PDS werden, sondern strebe "eine gleichberechtigte Zusammenarbeit auch mit den regionalen und lokalen Jugendstrukturen in und bei der PDS" an; ['solid] sei nicht die Jugendorganisation der Linkspartei.PDS. Anlässlich der 1. Tagung des 8. Parteitags vom 12. bis 13. Oktober 2002 in Gera erklärte der Parteivorstand der Linkspartei.PDS in seinem Tätigkeitsbericht: "Der Parteivorstand erkannte per Beschluss ['solid] als den PDS-nahen bundesweiten Jugendverband an und unterstützte ihn materiell und ideell." Organ der Jugendorganisation ist "Die Ware"; das Magazin erscheint vierteljährlich. Dem Jugendverband ['solid] gehören in 14 Landesverbänden zwischenzeitlich etwa 1.500 Mitglieder (davon rund 100 in Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 175 Bayern) an. Er verfügt in Bayern über einen Landesverband mit Ortsgruppen in München, Passau, Regensburg, Nürnberg, Bayreuth, Ingolstadt, Aschaffenburg und Coburg. Im August wurde eine Ortsgruppe in Weißenburg, im Oktober in Würzburg und im Dezember in Bamberg gegründet. Als Organ der bayerischen Jugendorganisation erscheint der Landesmitgliederrundbrief "['ROTFRONT!]". An der 6. Bundesdelegiertenkonferenz des Jugendverbands ['solid] vom Bundesdelegier11. bis 13. März in Frankfurt am Main nahmen nahezu 100 Delegierte tenkonferenz aus 15 Landesverbänden teil. Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Neuwahl des achtköpfigen Bundessprecherrats für eine Amtszeit von einem Jahr, dem auch künftig die bayerische Aktivistin Barbara Paech angehört, die zugleich Mitglied in den bayerischen Landesverbänden von ['solid] und der Linkspartei.PDS ist. Die Delegierten verabschiedeten den Leitantrag "Gegen den Strom! Aufmucken gegen rechte Zustände! Für eine junge, radikale Offensive von links". Die Teilnehmer betonten ihr "antifaschistisches und antikapitalistisches Engagement", das bereits im CD-Projekt "aufmucken gegen rechts" - einer Verteilaktion von antifaschistischen CDs vor Schulen - sowie in anderen Beschlüssen zum Ausdruck gekommen war. Einen weiteren Themenschwerpunkt bildete der Verfassungsentwurf der EU. Als Gast der Konferenz sprach sich der auf der Linkspartei.PDS-Liste gewählte Europaabgeordnete Tobias Pflüger für eine Ablehnung des EU-Verfassungsvertrags aus, da dieser von Neoliberalismus und Militarismus geprägt sei. Die Konferenz forderte die Linkspartei.PDS auf, bei ihrer Ablehnung des Entwurfs zu bleiben. Die Landesmitgliederversammlung von ['solid] Bayern fand vom 5. bis Landesmitglieder6. Februar in Nürnberg statt. Zentrale Punkte der Veranstaltung waren versammlung die Neuwahl des Landesvorstands, die Festlegung der Arbeitsschwerpunkte sowie die weitere Beteiligung an der bundesweiten Kampagne von ['solid] "aufmucken gegen rechts". Mit Presseerklärung vom 15. September bot ['solid] Nürnberg eine kostenlose CD-Tauschaktion für die so genannte Schulhof-CD der NPD gegen CD-Tauschaktion die von ['solid] produzierte antifaschistische CD "AufMUCKEn gegen Rechts" an, nachdem an Schulen im Ballungsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen die NPD mit der Verteilaktion ihrer Propaganda-CD mit Liedern einschlägig bekannter Bands aus der rechten Szene begonnen hatte. Einen politischen Arbeitsschwerpunkt von ['solid] Bayern stellte auch im Hinblick auf eine kostenlose Bildung die Mitwirkung an Protesten unter dem Motto "Bildet die Rettung!" dar. Anlass war die geplante Einführung von Studiengebühren und Büchergeld an deutschen Schulen und Universitäten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 176 Linksextremismus Der Jugendverband startete Ende des Jahres eine Gegenkampagne zu "Du bist Deutschland". Auf einer Internet-Seite wurde unter dem Motto "Deutschland raus aus den Köpfen!" gegen die von verschiedenen Verlagen und Prominenten initiierte "hurra-patriotische Medienkampagne" aufgerufen. In dem Aufruf wurde kritisiert, dass den Menschen eingeredet werde, Deutschland sei "eine tolle Sache", bei der es sich lohne mitzumachen, und zwar für Freiheit und Selbstverwirklichung. Das Gegenteil sei jedoch der Fall, denn innerhalb des "kapitalistischen Systems" könne es keine wirkliche Freiheit geben. 2.1.5 Die Linkspartei.PDS Landesverband Bayern und ihre Organisationseinheiten Organisation Die in Bayern seit dem 11. September 1990 bestehende Linkspartei.PDS in Bayern setzt sich aus dem Landesverband, dreizehn Kreisverbänden und 34 Basisorganisationen zusammen. Am 8. Dezember war der Kreisverband Landshut-Kelheim neu gegründet worden. Der Sitz des Landesverbands Bayern befindet sich in München. Für einige örtliche Strukturen bestehen Kontaktund Anlaufadressen. In Bayern blieb die Zahl der LinksKonstante partei.PDS-Anhängerschaft mit knapp 500 beitragspflichtigen MitAnhängerschaft gliedern annähernd konstant. Die Linkspartei.PDS Landesverband Bayern veranstaltete am 9. Februar Politischer zwei Politische Aschermittwochstreffen, nämlich in Passau und IngolAschermittwoch stadt. Während in Ingolstadt der Linkspartei.PDS-Landesvorsitzende von Niedersachsen Dr. Dieter Dehm als Gastredner auftrat, sprach in Passau der Vorsitzende der Linkspartei.PDS-Landtagsfraktion in Sachsen Prof. Dr. Peter Porsch. Letzterer polemisierte in erster Linie gegen die Sparpolitik in Bund und Ländern und plädierte für die Abschaffung der Wehrpflicht. Landesparteitage Drei Landesparteitage berief der Landesverband ein. Auf dem Landesparteitag der Linkspartei.PDS am 26. Februar in Regensburg wurden Reinhold Rückert und Eva Bulling-Schröter in ihren Ämtern als gleichberechtigte Sprecher des Landesverbands bestätigt. Am 23. Juli beschloss die Landesmitgliederversammlung in Ingolstadt, sich in "Die Linkspartei.PDS Landesverband Bayern" umzubenennen. An diesem Landesparteitag nahmen im Hinblick auf die Aufstellung einer gemeinsamen bayerischen Kandidatenliste für die vorgezogene Bundestagswahl auch Mitglieder der WASG als nicht stimmberechtigte Gäste teil. Auf den Spitzenplatz der Landesliste "Linkspartei" wurde das Mitglied des Bundesvorstands der WASG Klaus Ernst aus Schweinfurt gewählt. Auf Platz 2 der Liste wurde die Landessprecherin und LinksVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 177 partei.PDS-Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter ohne Gegenkandidaten mit 73 von 81 Stimmen berufen. Platz 3 sicherte sich die Linkspartei.PDS-Aktivistin Kornelia Möller aus Erding. Der Landesparteitag der Linkspartei.PDS am 3. Dezember in Nürnberg stand im Zeichen der beabsichtigten Fusion mit der WASG. Vor rund 80 Mitgliedern und Sympathisanten führte der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei.PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag und Sonderbeauftragte für den Fusionsprozess von Linkspartei.PDS und WASG, Bodo Ramelow, aus, dass der Grundsatz des demokratischen Sozialismus in einem künftigen Parteiprogramm der fusionierten Parteien nicht mehr explizit festgeschrieben werden soll, gleichwohl dieser aber die Grundlage für weitere Diskussionen in der Partei sei. Marxistische Strömungen seien in der Linkspartei.PDS weiterhin gewollt. Ein Antrag auf Unterstützung von Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz im Februar 2006 in München wurde von den Landesdelegierten bei zwei Enthaltungen angenommen. Die angekündigten Neuwahlen des Landesvorstands wurden auf den nächsten Landesparteitag verschoben. 2.1.6 Teilnahme an Wahlen Die Linkspartei.PDS musste bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein Landtagswahl in am 20. Februar Stimmenverluste hinnehmen. Nach dem amtlichen EndSchleswig-Holstein ergebnis erzielte die Partei landesweit 0,8 % der Zweitstimmen (= 11.392 Wählerstimmen) gegenüber 1,4 % (= 20.066 Stimmen) bei der Landtagswahl im Jahr 2000. Bei den Erststimmen verzeichnete die Linkspartei.PDS hingegen einen Zugewinn auf 0,5 % (= 6.826 Wählerstimmen) gegenüber 0,3 % (= 3.868 Stimmen) im Jahr 2000. Sie verfehlte damit wiederum deutlich den von ihr angestrebten Einzug in ein westdeutsches Landesparlament. Auch bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai verlor Landtagswahl in die Linkspartei.PDS deutlich an Stimmen. So errang sie lediglich 72.989 Nordrhein-WestWählerstimmen, was einem Anteil von 0,9 % entspricht. Bei der letzfalen ten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai 2000 hatte sie noch 79.934 Wählerstimmen (= 1,1 %) erhalten. Die Partei führte ihr schlechtes Ergebnis einerseits auf die hohe Wahlbeteiligung zurück, andererseits sei es der WASG als konkurrierender Partei gelungen, linksorientierte Wähler für sich zu gewinnen. Bei der Bundestagswahl am 18. September konnte die Linkspartei.PDS, die in einem Wahlbündnis gemeinsam mit der WASG antrat, dagegen Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 178 Linksextremismus Bundestagswahl einen deutlichen Wahlerfolg erzielen. Dem Bündnis gelang es, bundesweit 4.118.194 Zweitstimmen zu erringen, was einem Stimmenanteil von 8,7 % entspricht. Bezogen auf das Abschneiden der Linkspartei.PDS bei der Bundestagswahl 2002 (1.916.702 Zweitstimmen entsprachen einem Stimmenanteil von 4,0 %) konnte sie ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. Die Partei, die zuletzt nur mit zwei direkt gewählten Abgeordneten im Parlament vertreten war, zog daraufhin mit 54 Mandaten (darunter zehn Vertreter der WASG) in Fraktionsstärke in den 16. Deutschen Bundestag ein. Zu gleichberechtigten Vorsitzenden wählte die Fraktion Dr. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. In Bayern vereinte die Linkspartei.PDS bei dieser Wahl 244.701 Zweitstimmen auf sich, was einem Zweitstimmenanteil von 3,4 % entspricht. Sie verfünffachte damit nahezu das von ihr bei der Bundestagswahl 2002 erreichte Zweitstimmenergebnis (49.515 Wählerstimmen = 0,7 %). Die ersten drei Landeslistenkandidaten Klaus Ernst (WASG), die bayerische Linkspartei.PDS-Vorsitzende Eva Bulling-Schröter sowie die Linkspartei.PDS-Aktivistin Kornelia Möller konnten in den neu gewählten Bundestag einziehen. Eva Bulling-Schröter hatte bereits von 1994 bis 2002 dem Parlament angehört. 2.1.7 Kommunistischer Internationalismus Im Rahmen der so genannten internationalen Solidarität unterhält die Linkspartei.PDS vielfältige Verbindungen und Kontakte zu ausländischen kommunistischen Parteien und anderen ausländischen LinksextremisInternationalismus ten. Das Parteiprogramm der Linkspartei.PDS nennt dies "Internationalismus" und orientiert sich damit an der Idee des Weltkommunismus. Die vormalige Parteivorsitzende Gabi Zimmer leitet den Koordinierungsrat für Internationale Politik beim Parteivorstand. Mit der kubanischen Revolution fühlt sich die Linkspartei.PDS solidarisch eng verbunden, was nicht zuletzt auch in Aufrufen zu SpendenAuslandskontakte aktionen für das kommunistische Kuba zum Ausdruck kommt. Die Partei unterhält zudem ausgeprägte Kontakte zu Funktionären im sozialistisch regierten Venezuela. Eine seit jeher ideologisch motivierte internationalistische Solidarität gibt es auch für ausländische "Befreiungsbewegungen", so für die kolumbianische Guerillaorganisation FARC-EP, die Aufnahme in die EU-Liste der terroristischen Vereinigungen gefunden hat. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 179 Die Partei der Europäischen Linken (EL), an deren Gründung die Linkspartei.PDS maßgeblich beteiligt war, veranstaltete am 29. und 30. Oktober in Athen ihren ersten ordentlichen Kongress. Delegierte von allen 17 Kongress der kommunistischen und linksextremistischen Mitgliedsparteien sowie von Partei der Europäneun Beobachterorganisationen nahmen daran teil. Ziele des Kongresischen Linken ses waren neben der Neuwahl der Führungsgremien - der bisherige EL-Vorsitzende Fausto Bertinotti wurde mehrheitlich in seinem Amt bestätigt - die Verständigung über das weitere Agieren der EL in der Europapolitik. Klargestellt wurde vor allem, dass die EL anstelle eines neoliberalen ein demokratisches und soziales Europa anstrebe. 2.1.8 Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten Die Linkspartei.PDS pflegt Kontakte zu fast allen anderen inländischen linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Gruppierungen sowie zu gewaltbereiten Autonomen und arbeitet mit ihnen zusammen. Am 8. Januar fand aus Anlass des 86. Jahrestags der Ermordung der Veranstaltung Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Rosa Luxemin Berlin burg und Karl Liebknecht, zum zehnten Mal in Folge die Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin statt. An der Konferenz mit Podiumsdiskussion zum Thema "Krieg global - Widerstand lokal?" nahmen etwa 1.600 politisch Interessierte aus dem Inund Ausland teil. Am 9. Januar legten Funktionäre der PDS traditionell Kränze am Denkmal der ermordeten Kommunisten in Berlin-Friedrichsfelde nieder. Rund 14.000 Menschen, darunter vorwiegend Angehörige der Linkspartei.PDS und revolutionär-marxistischer Organisationen, beteiligten sich an dem Gedenkmarsch. Unter den teilnehmenden Vertretern von europäischen Linksparteien befand sich auch der Vorsitzende der italienischen Partei der kommunistischen Wiedergründung (PRC), Fausto Bertinotti, zugleich Vorsitzender der EL. An einem etwa zeitgleich durchgeführten weiteren Demonstrationszug eines Bündnisses aus "linken" Parteien, Gruppen und Einzelpersonen vom Frankfurter Tor in Berlin-Friedrichshain zur "Gedenkstätte der Sozialisten" beteiligten sich bis zu 4.000 Personen, unter ihnen rund 300 Aktivisten der linksautonomen Szene. Im Rahmen dieser Demonstration kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, da einige Teilnehmer entgegen den Auflagen verknotete Transparente als seitlichen Sichtschutz mitführten. Am 16. September fand in Nürnberg eine Podiumsund DiskussionsAktivitäten in veranstaltung zum Thema "Was wählt links? Das Wahlschlachtfinale" Bayern statt, an der die Sprecherin des Linkspartei.PDS-Kreisverbands NürnVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 180 Linksextremismus berg, Kristina Hadeler, und der Vorsitzende des MLPD-Kreisverbands Nürnberg, Johannes Rupprecht, teilnahmen. Angehörige der Linkspartei.PDS beteiligten sich am 24. September in München am Fest der Solidarität. Zu den Veranstaltern zählten auch DKP, SDAJ und VVN-BdA. 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Deutschland Bayern Mitglieder: 4.300 500 Vorsitzender: Heinz Stehr Gründung: 26.09.1968 Sitz: Essen Nürnberg und München Publikationen: "Unsere Zeit" (UZ); "Rundbrief" "Marxistische Blätter" 2.2.1 Ideologische Ausrichtung Die bis zur Wende von der SED der DDR ideologisch und materiell abhängige DKP bestätigte ihre gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung in den auf dem 12. Parteitag am 16./17. Januar 1993 in Mannheim beschlossenen "Thesen zur programmatischen Orientierung der DKP". In der Einleitung zu den "TheBekenntnis sen" heißt es, die DKP kämpfe für eine Politik, die im Sozialismus die zu Sozialismus Zukunft, im Klassenkampf die zentrale Triebkraft der Geschichte und in und Klassender Arbeiterklasse die entscheidende soziale Kraft für den gesellschaftkampf lichen Fortschritt sehe. Sie stütze sich auf die materialistische Wissenschaft, die von Marx und Engels begründet und von Lenin weiterentwickelt worden sei. Ihre unveränderte ideologische Ausrichtung dokumentiert die DKP auch in dem zuletzt am 1. Dezember 2002 geänderten Parteistatut. Die DKP bezeichnet sich darin als marxistische Partei sowie politische Organisation der Arbeiterklasse und anderer werktätiger Schichten. Auf dem Weg zum Kommunismus sei der Sozialismus die historische Übergangsperiode zur neuen Gesellschaft. Auf der 1. Tagung des 17. Parteitags am 12. und 13. Februar in Duisburg 17. Parteitag wurden sowohl der Parteivorsitzende Heinz Stehr als auch seine Stellvertreter Rolf Priemer und Prof. Dr. Nina Hager in ihren Ämtern bestäVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 181 tigt. Auf der konstituierenden Tagung des neu gewählten Parteivorstands am 5. und 6. März in Essen wurde der von einer Kommission erstellte Entwurf einer Diskussionsgrundlage für das von der DKP schon seit 1993 verfolgte Ziel, ein neues Parteiprogramm zu erarbeiten, einstimmig verabschiedet. In diesem Programmentwurf wird die Zerstörung des Sozialismus in Osteuropa als "die bisher tiefste, bis heute nicht überwundene Niederlage für die internationale Arbeiterbewegung" bezeichnet. Zugleich wird daran festgehalten, dass der Sozialismus "das unverFortführung der rückbare Ziel der DKP" sei. Die Programmdebatte soll bis zur 2. Tagung Programmdebatte des 17. Parteitags weitergeführt werden. Die Agitation der DKP richtete sich vorrangig auf die Themenbereiche AgitationsAntifaschismus, Anti-Globalisierung, Antimilitarismus sowie "Demokraschwerpunkte tieund Sozialabbau". So griff die DKP den "60. Jahrestag zur Befreiung der Konzentrationslager und des Endes des Zweiten Weltkrieges" propagandistisch auf. In Bayern wurden hierzu Verlautbarungen veröffentlicht, parteiinterne Versammlungen sowie eine Festveranstaltung am 10. Mai in München durchgeführt. Einzelne Mitglieder beteiligten sich auch an Aktivitäten anderer Organisationen, insbesondere an Veranstaltungen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). 2.2.2 Organisation Die DKP ist eine bundesweit organisierte Partei mit Sitz in Essen. Sie ist in 18 Bezirksorganisationen - 13 in den westlichen Bundesländern soOrganisationswie eine in Berlin und vier in ostdeutschen Ländern - gegliedert, die strukturen weiter in 87 Kreisund 280 Grundorganisationen sowie 14 Betriebsgruppen unterteilt sind. Die Zahl der Mitglieder ist bei fortschreitender Überalterung auf 4.300 zurückgegangen. Dem nunmehr auf 40 Mitglieder vergrößerten Parteivorstand gehören neben dem DKP-Vorsitzenden Heinz Stehr und den beiden stellvertretenden Vorsitzenden Prof. Dr. Nina Hager und Rolf Priemer auch weiterhin vier Funktionäre aus Bayern an. In Bayern bestehen zwei Bezirksorganisationen (Nordund Südbayern), zwölf Kreisverbände, eine Betriebsgruppe sowie ein Rückgang der "Betriebsaktiv". Die Mitgliederzahl in Bayern verringerte sich auf rund Mitgliederzahl in 500. Die DKP wird überwiegend von Altkommunisten repräsentiert. Bayern 2.2.3 Teilnahme an Wahlen Auf der 3. Tagung des Parteivorstands am 9. und 10. Juli wurde im Hinblick auf die vorgezogene Bundestagswahl 2005 die Herausbildung eines linken Wahlbündnisses, das alle linken Kräfte zur Bundestagswahl Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 182 Linksextremismus bündelt, begrüßt. Es wurde beschlossen, keine Landeslisten in Konkurrenz zu der Linkspartei.PDS aufzustellen. Zum Stellenwert der DKP stellte der Parteivorsitzende Heinz Stehr fest: "Die DKP ist eine Partei des wissenschaftlichen Sozialismus. Sie (ist) orientiert auf die Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt zur Durchsetzung einer sozialistischen/kommunistischen Zukunft. Eine hoffentlich bald stärkere und einflussreichere Kraft wird dringend benötigt, sowohl als Partner in der Linken, aber auch als Kraft, die für eine Zukunft jenseits des Kapitalismus, im Sozialismus, kämpft." Aus Bayern kandidierten auf Landeslisten der Linkspartei.PDS vier Mitglieder der DKP für den 16. Deutschen Bundestag, wovon keines ein Mandat errang. Bei der am 20. Februar in Schleswig-Holstein durchgeführten LandtagsLandtagswahlen wahl bekam die DKP landesweit 1.279 Zweitstimmen, was einem Anteil von 0,1 % entspricht. Wahlkreiskandidaten hatte die DKP nicht aufgestellt. An der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai beteiligte sich die DKP nicht. 2.2.4 Internationale Verbindungen Auf der Grundlage des kommunistischen Internationalismus unterhält die DKP eine Vielzahl von Kontakten zu kommunistischen Parteien und Bewegungen. Am 11. Februar, dem Vortag der 1. Tagung des 17. Parteitags der DKP, kamen Vertreter von 18 internationalen kommunistischen Parteien aus Internationale Europa, Asien und Amerika in der Duisburger Rheinhausenhalle zur Konferenz in zweiten von der DKP organisierten internationalen Konferenz zusamDuisburg men, um über den gemeinsamen Kampf gegen Sozialund Demokratieabbau sowie Schritte gegen die imperialistische Kriegspolitik zu diskutieren. Der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr sprach sich in seiner Eröffnungsrede für die Bildung eines Netzwerks der europäischen kommunistischen Parteien aus. Er hob hervor, dass nach dem Zusammenbruch und der Zerschlagung des realen Sozialismus die Kräfte neu definiert werden müssten, die mit durchsetzungsfähigen Kampfformen Veränderungen erreichen könnten. Die entscheidende Kraft bleibe die internationale Arbeiterbewegung. Die DKP und die sozialistische Wochenzeitung "Unsere Zeit" (UZ) veranstalteten unter dem Motto "Solidarisch kämpfen! Sozial'is'muss!" UZ-Pressefest vom 24. bis 26. Juni in Dortmund ihr 14. UZ-Pressefest - Volksfest der DKP. Das Programm umfasste zahlreiche Diskussionsforen und GeVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 183 sprächsrunden. Zu der Veranstaltung erschienen während der drei Tage rund 20.000 Gäste. Aus dem Ausland waren Vertreter von 22 kommunistischen und anderen revolutionären Parteien angereist, darunter die Vorsitzenden der Arbeiterpartei Ungarns, der KP Luxemburgs und der NKP der Niederlande. Am 3. Juli nahmen "im Rahmen des Alternativ-Gipfels zu G8" zwei Kontakte zu DKP-Vertreter auf Einladung der britischen kommunistischen Partei an ausländischen Diskussionsrunden in Edinburgh teil. kommunistischen Parteien Die DKP hat seit 2004 zusammen mit der Neuen Kommunistischen Partei der Niederlande und der Kommunistischen Partei Luxemburgs eine regelmäßige Zusammenarbeit entwickelt. Anfang Oktober besuchten Vertreter der DKP in einer Gruppe mit Mitgliedern der SDAJ und der Linkspartei.PDS einige Projekte der so genannten argentinischen Befreiungsbewegung Movimiento Territorial Liberacion (MTL) und die mit der MTL verbundene Kommunistische Partei Argentiniens. 2.2.5 Umfeld der DKP 2.2.5.1 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Deutschland Bayern Mitglieder: 8.000 700 Vorsitzende: Prof. Dr. Heinrich Fink; Werner Pfennig Gründung: 15.-17.03.1947 Sitz: Berlin (Bundesgeschäftsstelle) Publikation: "antifa" Die VVN-BdA bleibt die bundesweit größte Organisation im linksextreZahlenmäßig mistischen Spektrum des Antifaschismus. Der erste reguläre Bundesstärkste Organisakongress der VVN-BdA nach der Vereinigung im Oktober 2002 fand am tion im Spektrum 28. und 29. Mai in Frankfurt am Main statt. Die 180 Delegierten des Antifaschiswählten Prof. Dr. Heinrich Fink aus Berlin und Werner Pfennig aus Stuttmus gart zu gleichberechtigten Vorsitzenden der VVN-BdA. Der Kongress berief acht Bundessprecher, darunter die DKP-Aktivisten Ulrich Sander und Peter Gingold. Seit August 2003 erscheint die Zeitschrift "antifa" in zweimonatigem Rhythmus. Im Landesverband Bayern der VVN-BdA ist auf Landeswie auf Kreisebene der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 184 Linksextremismus maßgeblich. Der Landesverband unterstützte auch weiterhin aus dem Agitationsschwerlinksextremistischen Spektrum initiierte Aktionen. Schwerpunkt der punkte Agitation der VVN-BdA war der 60. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg. Weitere Themen waren Neofaschismus, Rechtsextremismus und die Zwangsarbeiterentschädigung. In Mittenwald, Landkreis Garmisch-Partenkirchen, beteiligten sich Linksextremisten an Protesten gegen die traditionelle, alljährlich an Pfingsten stattfindende so genannte Brendten-Feier des "Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.". Die Demonstrationsveranstaltungen fanden vom 13. bis 15. Mai unter dem Motto "Kriegsverbrecher unter dem Edelweiß - das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald - Endlich weg damit!!!" statt. Hauptinitiator der Gegenveranstaltungen war der "Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege", hinter dem maßgeblich die VVN-BdA steht. Eine zentrale Rolle spielte bei der Mobilisierung und Durchführung der Protestveranstaltungen der Landessprecher der ProtestveranstalVVN-BdA Nordrhein-Westfalen, Ulrich Sander, der bei den Gegentungen in Bayern demonstrationen in Mittenwald auch als Redner auftrat. Sowohl die Auftaktveranstaltungen am 13. Mai in Geretsried, Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen mit jeweils bis zu 100 Teilnehmern als auch die Demonstrationen am 14. Mai in und um Mittenwald verliefen weitgehend störungsfrei. Bei den Protestveranstaltungen wurden Transparente mit Aufschriften wie "Gebirgsjäger Yetifutter", "Die Wehrmacht marschiert" und "NS-Renten stoppen, NS-Offiziere enteignen, Zwangsarbeiter entschädigen jetzt" sowie Fahnen der VVN-BdA gezeigt. Am 15. Mai versuchten Demonstrationsteilnehmer, auf verschiedenen Wegen auf den "Hohen Brendten" zu gelangen, um den dort stattfindenden Gedenkgottesdienst des "Kameradenkreises Gebirgstruppe e.V." zu stören. Die Polizei erteilte Platzverweise; 147 Personen wurden in Gewahrsam und 14 Demonstrationsteilnehmer festgenommen. In der Ausgabe vom September/Oktober der Zeitschrift "antifa", dem Magazin für antifaschistische Politik und Kultur der VVN-BdA, wurde unter der Überschrift "Etappensieg mit Widersprüchen - Verbot wurde bestätigt: Wunsiedel bleibt in diesem Jahr nazifrei" ein Beitrag einer DKP-Aktivistin veröffentlicht. Darin heißt es: "Auf dem Jugendkongress der VVN-BdA im Januar rief Peter Gingold die antifaschistische Jugend Europas auf, gemeinsam in Wunsiedel für ein Europa ohne Faschismus und Rassismus zu demonstrieren. (...) Das Fest der Demokratie fand ohne Nazis statt, denn in diesem Jahr hatte das BVerfG das Verbot des Landratsamtes von Wunsiedel bestätigt und sich auf die neue Strafrechtsvorschrift des SS 130 gestützt, wonach sich strafbar macht, wer den Nationalsozialismus verherrlicht oder rechtfertigt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 185 (...) Der diesjährige Erfolg darf aber nicht über eine Reihe von Widersprüchen und Problemen hinwegtäuschen. Die örtliche Mobilisierung war von Anfang an 'gegen Extremismus in jeder Form' gerichtet. (...) Die Tatsache, dass Peter Gingold, Prof. Dr. Heinrich Fink und Martin Löwenberg, der auf der Kundgebung für die VVN-BdA sprach, an der örtlichen Veranstaltung teilnahmen, hatte im Vorfeld noch für Kopfschmerzen und lange Debatten im Bürgerbündnis gesorgt. Die Akzeptanz von Antifaschistinnen und Antifaschisten aus VVN-BdA, DKP und autonomer Antifa ist aber insgesamt gewachsen." Darüber hinaus beteiligte sich die VVN-BdA an einer Gedenkveranstaltung zum Oktoberfestattentat in München am 26. September, an der demokratische und auch linksextremistische Gruppen wie der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB), die DKP, die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) teilnahmen. 2.2.5.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Deutschland Bayern Mitglieder: 300 80 Vorsitzender: Kollektiver Bundesvorstand mit 29 Personen Gründung: 04./05.05.1968 Sitz: Essen Publikationen: "POSITION" "KONTRA!" Die mit der DKP eng verbundene SDAJ versteht sich als eigenständige Ideologischer Organisation von Schülerinnen und Schülern, Studentinnen und StuGleichklang mit denten, Auszubildenden und jungen Arbeitenden, die in der Bundesder DKP republik Deutschland leben, unabhängig von ihrer Herkunft. Die SDAJ kämpft nach eigener Darstellung für eine Welt ohne Ausbeutung und Rassismus, für eine Welt, in der die Menschen und nicht die Konzerne das Sagen haben. Als ihre Alternative, für die sie sich im Kampf einsetzt, benennt die SDAJ den Sozialismus. Dieser könne nur durch einen Bruch mit dem kapitalistischen System erreicht werden, nicht allein durch Verbesserungen der bestehenden Verhältnisse. Deshalb sei sie eine antikapitalistische und revolutionäre Organisation. Schwerpunkte der Agitation der SDAJ sind die Forderung nach VerbesArbeitsschwerserung der Bildungsund Arbeitspolitik für die Jugend sowie der Kampf punkte gegen den Militarismus in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Die kommunistische Jugendorganisation unterhält Kontakte zu linksextremistischen Ausländerorganisationen und unterstützt zusammen Auslandskontakte Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 186 Linksextremismus mit anderen kommunistischen Jugendverbänden aus Europa und Nordamerika Solidaritätsprojekte vor allem auf Kuba. So fand am 29. Januar in München eine "Kuba-Solidaritäts-Party" mit 450 Besuchern statt, bei der die SDAJ für die Universität in Matanzas insgesamt 2.400 Euro einnehmen konnte. Rund 60 Mitglieder der SDAJ nahmen an den vom 7. bis 15. August in Caracas/Venezuela unter dem Motto "Für Frieden und Solidarität! Wir kämpfen gegen Imperialismus und Krieg!" durchgeführten 16. Weltfestspielen der Jugend und Studierenden teil. Aktivitäten In München beteiligte sich die SDAJ an den Protestaktionen gegen die in Bayern vom 11. bis 13. Februar veranstaltete 41. Konferenz für Sicherheitspolitik. Die SDAJ-Bayern organisierte vom 13. bis 16. Mai ein "dezentrales Pfingstcamp" bei Forchheim. Dieses traditionelle Pfingstcamp wurde für Bayern, Hessen und Baden-Württemberg ausgerichtet und von nahezu 120 Personen aus dem linksextremistischen Spektrum besucht. Zum Abschluss der bundesweiten Kampagne "Ausbilden statt Ausbeuten" rief die SDAJ zu einem "Tribunal gegen Ausbildungsplatzkiller" am 1. und 2. Oktober in Nürnberg auf. Unter dem Motto "Tage der Abrechnung - Ausbilden statt Ausbeuten!" wurden von etwa 150 Jugendlichen die "Verantwortlichen für Ausbildungsplatzmangel und deren Profiteure in Wirtschaft, Politik und Militär" symbolisch angeklagt und verurteilt. In Arbeitsgruppen wurde diskutiert, wie die Interessen der Jugendlichen gegenüber den Konzernen und der Politik durchgesetzt werden können, um mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Im Rahmen einer Antimilitaristischen Runde "Keine Ausbildung/Fit for gun" referierte auch der Bundessprecher der VVN-BdA Ulrich Sander. Verurteilung Das Münchner Jugendgericht verurteilte am 10. Oktober zwei Mitgliedes Sprechers der der SDAJ, darunter den Sprecher der SDAJ-Bayern, wegen gefährder SDAJ-Bayern licher Körperverletzung zu Jugendarreststrafen. Die Angeklagten hatten am 10. November 2004 in München zwei Rechtsextremisten tätlich angegriffen. Nach eigenen Angaben ist die SDAJ-Bayern in einem "finanziell sehr desolaten Zustand"; dies begründet sie mit der kostenintensiven Aufbauphase nach 1999. Bei - entgegen dem Bundestrend - leicht ansteigenden Mitgliederzahlen sollen gleichwohl geordnete finanzielle Verhältnisse über Spenden erreicht werden. Die SDAJ-Bayern ist Herausgeber der zweimonatlich erscheinenden Zeitung "KONTRA!" und Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 187 bezeichnet diese als "Schülerzeitung der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) Bayern". 2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Deutschland Bayern Mitglieder: 2.300 100 Vorsitzender: Stefan Engel Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen München, Nürnberg Publikationen: "Rote Fahne" (Zentralorgan); "REVOLUTIONÄRER WEG" (Theorieorgan); "REBELL" (Jugendmagazin); Galileo - streitbare Wissenschaft" (Zeitung der MLPD-Hochschulgruppen) Die MLPD wurde 1982 in Bochum gegründet; sie ging durch Umbenennung aus dem im August 1972 gegründeten Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD) hervor. In der Präambel des Statuts der MLPD wird festgestellt, dass sich die Partei als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland" versteht. Ihr grundlegendes Ziel sei "der revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und Extremistische die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des SoziaGrundhaltung lismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Weiter wird in der Präambel betont: "Die MLPD ist eine Partei neuen Typs. Sie ist im Kampf gegen den Verrat am Sozialismus und die Verfälschung des Marxismus-Leninismus durch den modernen Revisionismus entstanden und arbeitet auf der Grundlage der proletarischen Denkweise. (...) Die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tse-tung und ihre lebendige Anwendung auf die konkreten Verhältnisse der fortschreitenden gesellschaftlichen Wirklichkeit bilden die entscheidende Grundlage für einen Aufschwung des Kampfs für den Sozialismus." Die maoistisch-stalinistisch ausgerichtete MLPD sieht sich selbst als "Teil der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung, Erbe der revolutionären Tradition der KPD, der deutschen Arbeiterklasse und ihrer großen Führer Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Ernst Thälmann". Auf ihrem VI. Parteitag im Dezember 1999 in Gelsenkirchen beschloss die MLPD nach einer über zehn Monate dauernden Diskussion ein neues Parteiprogramm, das sich erstmals auf das wiedervereinigte Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 188 Linksextremismus Deutschland bezog. Es sei aus der Erfahrung der fast dreißigjährigen Geschichte des Parteiaufbaus der MLPD verfasst worden. Im Vorwort dieses Programms kommt zum Ausdruck, dass es den allgemeinen Maoistisch-stalinisAnspruch habe, die "marxistisch-leninistische Partei neuen Typs protische Ausrichtung grammatisch auszurichten und insbesondere der Arbeiterklasse und den breiten Massen aufzuzeigen, welche Schlussfolgerungen die MLPD aus der Geschichte der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung zieht". OrganisationsDie zentralistisch geführte MLPD ist in Betriebszellen, Ortsund Kreisstrukturen gruppen, Bezirke und vereinzelt in Landesverbände gegliedert. Ihre Zentrale und ihren Aktionsschwerpunkt hat sie in Nordrhein-Westfalen. Laut eigener Ausssage ist die Partei zusammen mit ihrem Jugendverband "REBELL", dem nach ihrer Ansicht stärksten linken Jugendverband in Deutschland, in über 450 Orten in allen Bundesländern Deutschlands vertreten. Die Mehrzahl der Parteimitglieder seien Arbeiter und einfache Angestellte. 80 % der Mitglieder seien in Gewerkschaften organisiert; der Frauenanteil liege bei etwa 40 %. Die MLPD habe Beziehungen zu 470 Parteien und Organisationen der "internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung" in 78 Ländern. NachwuchsBesonderes Augenmerk legt die MLPD auf die Rekrutierung von Nachorganisationen wuchskadern im Kinderund Jugendbereich. Hierzu bedient sie sich der Jugendorganisation "REBELL" und deren Kinderorganisation "ROTFÜCHSE", die mit altersgerechten Freitzeitangeboten locken. Sommercamps mit Freizeitund Bildungsangeboten vermitteln mit jugendnah konzipierten Schulungen eine "proletarische Denkweise". Im linksextremistischen Spektrum ist die "sektenhaft führerzentrierte und autoritär beherrschte" MLPD isoliert. Erklärte Hauptgegner sind die als revisionistisch bezeichnete DKP und die Linkspartei.PDS. Stefan Engel ist seit der Parteigründung im Jahre 1982 amtierender Vorsitzender; er gilt als unumstrittener Vordenker und Idol. Zwischenzeitlich sind aber auch Ansätze von Kritik an ihm laut geworden, die jedoch seitens der Parteiführung als "Kampagne von außen" abgetan werden. Seit August 2004 versucht die Partei, steuernden Einfluss auf die Montagsdemonstrationengegen den Sozialabbau und "Hartz IV" zu nehmen. Parteiintern wurden die Gliederungen aufgefordert, so genannte "überÜbernahme der parteiliche Bündnisse" zu initiieren und dort die Meinungsführerschaft Meinungsführerzu übernehmen. Aus strategischen Überlegungen leugnete die MLPD schaft öffentlich den Versuch der Instrumentalisierung der Montagsdemonstranten. Mit dem Rückgang des allgemeinen Interesses an regionalen Demonstrationen gegen "Hartz IV", die auch in Bayern teilweise von der Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 189 MLPD initiiert und gesteuert wurden, ging zugleich das Engagement der MLPD in dieser Bewegung zeitweilig zurück. Seit Oktober 2005 strebt die MLPD jedoch eine Wiederbelebung der Montagsdemonstrationen an. Mit der Wahlkampfzeitung "MLPD - Die sozialistische Alternative" eröffnete die MLPD im August die "heiße Phase des Bundestagswahlkampfs". In dem Blatt wurden Spitzenkandidaten und ausgewählte Einzelrepräsentanten aus verschiedenen Bundesländern vorgestellt. Die MLPD versuchte mit Kampagnenarbeit und verstärkten öffentlichen Auftritten, in der Bevölkerung bekannt zu werden. Nach dem Scheitern der Einbeziehung der MLPD in das Wahlbündnis der Linkspartei.PDS mit der WASG nahm die MLPD mit eigenen Landeslisten in allen Bundesländern sowie mit Direktkandidaten in ausgewählten Wahlkreisen an der Bundestagswahl teil. Bundesweit erreichte Erfolglose sie einen Zweitstimmenanteil von 0,1 %. In Bayern konnte die MLPD Teilnahme an der 3.448 Zweitstimmen verzeichnen, was einem Stimmenanteil von 0,0 % Bundestagswahl entspricht. Damit blieb die MLPD auch in Bayern bedeutungslos. Der Vorsitzende der MLPD Stefan Engel beurteilte in einem am 21. September dem Zentralorgan "Rote Fahne" gegebenen Interview das Wählervotum hingegen als "vorläufigen Höhepunkt der Loslösung der Massen von den bürgerlichen Parteien, dem Parlamentarismus und seinen Institutionen". 2.4 Linksruck-Netzwerk (Sozialistische Arbeitergruppe - SAG) Deutschland Bayern Mitglieder: 300 10 Gründung: 1993 Sitz: Berlin Publikation: "Linksruck" Die bundesweit als Linksruck-Netzwerk auftretende trotzkistische Gruppierung SAG bezeichnet sich in ihren auch im Internet veröffentlichten "Politischen Grundsätzen" selbst als "Strömung der revolutionären Ideologische Sozialisten". Die Abschaffung des Kapitalismus und die Einführung einer Ausrichtung Rätedemokratie sieht das Netzwerk als Voraussetzung für eine "endgültige Beseitigung jeder Unterdrückung". Der freien Marktwirtschaft, die sich als unfähig erwiesen habe, stellt das Netzwerk in seinen Leitsätzen eine auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmte "demokratische Planung der Wirtschaft" entgegen. Bundesweite Organe des Netzwerks sind die jährlich stattfindende Mitgliederversammlung, die dort gewählte Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 190 Linksextremismus Bundesleitung sowie die in unregelmäßigen Abständen durchgeführte Delegiertenkonferenz "Organisationsrat". Stadtgruppen wählen auf ihren Mitgliederversammlungen die Gruppenleiter. Unter der Überschrift "WAS WIR WOLLEN" betonte das Netzwerk anlässlich der Bundestagswahl 2005 in einer Sonderausgabe der Zeitung "Linksruck": "Linksruck ist Teil der globalen Bewegung, die angetreten ist, die Macht der Konzerne zu brechen. Wir arbeiten mit vielen anderen zusammen, um eine Bewegung gegen die neoliberale Politik zu schaffen. Wir bauen die Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) mit auf und beteiligen uns an den Diskussionen um ein neues Linksbündnis. Aktivität ist die Grundlage unserer Organisation, die Selbstaktivität der ausgebeuteten Mehrheit der Bevölkerung der Schlüssel zu einer anderen Welt." In einem auch im Internet abgedruckten Beitrittsformular "mitmachen bei Linksruck" heißt es: "Wir denken, dass wirkliche Veränderung nur von unten kommen kann. Veränderung kommt nicht durch das Parlament - die wirkliche Macht liegt bei ungewählten Managern, Bankern und Richtern, nicht bei Politikern. Wir denken, dass der Kapitalismus nicht reformiert werden kann, sondern gestürzt werden muss." Aktivitäten Der Schwerpunkt des in Bayern nur wenige Personen umfassenden in Bayern Linksruck-Netzwerks befindet sich in München. Die Gruppierung organisierte dort eine Reihe von Informationsständen zur Darstellung ihrer Politik und Unterstützung der Linkspartei.PDS zur Bundestagswahl. Weitere Themenschwerpunkte waren der Sozialabbau bzw. der Kampf gegen "Hartz IV". 2.5 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus Im März 2003 gründete sich als Nachfolgeorganisation des Münchner Bündnisses gegen Rassismus das linksextremistisch beeinflusste Bündnis Umbenennung München gegen Krieg. Am 14. Juni 2005 benannte sich dieses Bündnis in Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus um. Am umbenannten Bündnis sind sowohl demokratische als auch linksextremistische Gruppierungen wie die Linkspartei.PDS, die DKP, die Sozialistische Bündnisbeteiligte Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), der Revolutionär Sozialistische Bund (RSB) und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) beteiligt. Das Bündnis fungierte als Träger oder Unterstützer einer Vielzahl von Aktivitäten wie Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen und Informationsveranstaltungen, insbesondere zum Thema "Krieg". Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 191 Mit weiteren Gruppierungen, beispielsweise dem Münchner Friedensbündnis, schloss sich die Vorgängerorganisation zum Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz zusammen. Das Aktionsbündnis mobilisierte gegen die 41. Konferenz für Sicherheitspolitik, an der vom 11. bis 13. Februar in München etwa 250 hochrangige Regierungsund Militärvertreter sowie Rüstungsexperten - überwiegend aus den NATO-Staaten - teilnahmen. An den Protestaktionen gegen diese Konferenz beteiligten sich neben Demonstranten aus dem demokratischen Spektrum auch zahlreiche Linksextremisten. Die Teilnehmerzahlen an den Protesten mit insgesamt rund 4.300 Personen - im Vorjahr waren etwa 6.000 Teilnehmer gezählt worden - blieben erneut hinter den Erwartungen der im Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz vereinten Gruppierungen zurück. Höhepunkt der Proteste war am 12. Februar ein Aufzug unter dem Motto "Gegen die NATO-Kriegspolitik und das Treffen der Kriegsstrategen", den der Linksextremist und maßgebliche Aktivist des AktionsProteste gegen bündnisses Claus Schreer angemeldet hatte. Hieran beteiligten sich die 41. Münchner nahezu 3.500 Personen. An der Spitze und in der Mitte des DemonstKonferenz für rationszugs bildeten insgesamt rund 500 Autonome einen "internationaSicherheitspolitik listischen Block". Der vordere Block führte entgegen den Auflagen Seitentransparente mit sich und bewarf die Polizei aus dem Aufzug heraus mit Flaschen und Feuerwerkskörpern. Als die Polizei Demonstrationsmittel sicherstellte, wurden die Demonstrationsteilnehmer über ein mitfahrendes Lautsprecherfahrzeug aufgefordert, die Maßnahmen der Polizei zu unterlaufen. Es erfolgten 54 freiheitsentziehende bzw. freiheitsbeschränkende Maßnahmen - darunter 46 Festnahmen - durch die Polizei. Als Reaktion auf den in autonomen Kreisen als "Bullenwillkür" titulierten Polizeieinsatz meldete ein Linksextremist eine Spontandemonstration "Gegen Polizeigewalt und die Militarisierung der Gesellschaft" für den 13. Februar in München an. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 160 Personen, die mehrheitlich dem autonomen Spektrum zuzuAktionseinheit mit ordnen waren. Ein Teil der linksextremistischen Demonstranten zog angewaltbereiten schließend zum Münchner Marienplatz, um dort eine Mahnwache der Autonomen rechtsextremistischen Gruppierung "Freundeskreis Demokratie Direkt München" zu stören. Die massive Präsenz der Polizei verhinderte Ausschreitungen. Im Verlauf der Protesttage führte die Polizei insgesamt 66 freiheitsentziehende bzw. freiheitsbeschränkende Maßnahmen - davon 49 FestVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 192 Linksextremismus nahmen - durch. Hintergrund waren überwiegend Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, aber auch Körperverletzungsdelikte, Widerstandshandlungen und versuchte Gefangenenbefreiungen. 2.6 Sonstige orthodoxe Kommunisten und andere revolutionäre Marxisten Die teils bundesweit, teils regional tätigen sonstigen linksextremistischen Parteien, Organisationen und Bündnisse entfalteten in Bayern kaum Marxistische Außenwirkung. Dies gilt insbesondere für die Marxistische Gruppe (MG), Gruppe die trotz ihres bislang nicht widerrufenen Auflösungsbeschlusses vom Mai 1991 bundesweit mit rund 10.000 Anhängern fortbesteht. Sie verfügt in Bayern über etwa 4.200 Anhänger, von denen nahezu 700 aktiv sind. Öffentlich trat die MG nur bei regelmäßigen "GEGENSTANDPUNKT"-Diskussionsveranstaltungen in München, Nürnberg und Regensburg in Erscheinung; die Bezeichnung dieser Veranstaltungen geht auf die seit 1992 von führenden MG-Funktionären herausgegebene Zeitschrift "GEGENSTANDPUNKT" zurück. Die an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen aktive SOZIALISTISCHE GRUPPE ist ebenfalls der MG zuzurechnen. AB Der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) beteiligte sich in Bayern an Demonstrationen und Diskussionsveranstaltungen. Unter Mitwirkung der Ortsgruppe München führte der AB vom 6. bis 8. Mai in Berlin Kundgebungen und Aktionen im Zusammenhang mit dem Projekt "Das Begräbnis oder DIE HIMMLISCHEN VIER" durch, zu dessen Vorstellung der AB als "internationale Aktion zu Lande und in der Luft" bundesweit mobilisiert hatte. Weitere linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen, die dem Bereich "Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten" zuzurechnen sind, werden in Nummer 4 dieses Abschnitts aufgeführt. 3. Gewaltorientierte Linksextremisten 3.1 Autonome Gruppen Deutschland Bayern Angehörige: rund 5.500 400 erstmaliges Auftreten: Ende der 70er Jahre Struktur: meist themenbezogene Gruppen, die überwiegend lokalen Charakter aufweisen Publikationen: Szene-Blätter wie "INTERIM" (Berlin); auf lokaler Ebene u. a. "barricada" (Nürnberg) Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 193 3.1.1 Ideologische Ausrichtung und Aktionsformen Gewaltbereite Autonome stellen nach wie vor eine Bedrohung für die Innere Sicherheit in Deutschland dar. Autonome haben kein einheitliches ideologisches Konzept, sie folgen vielmehr anarchistischen und anarcho-kommunistischen Vorstellungen. Die einzelnen Gruppen bilden sich meist über Aktionsthemen. Einig sind sich die Autonomen in ihrem Ziel der gewaltsamen Zerschlagung des Staates und seiner Einrichtungen sowie der Errichtung einer "herrschaftsfreien Gesellschaft". Um diesem Ziel näher zu kommen, nutzen sie aktuelle politische Fragen für ihre Zwecke. Durch geschickte Agitation versuchen sie, auch demokratische Protestbewegungen für ihren Kampf gegen den Staat zu mobilisieren. Das provozierende Auftreten der Autonomen in der Öffentlichkeit, ihre staatsfeindliche Haltung, die Ablehnung gesellschaftlicher Normen und Werte, aber auch das Bejahen von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Forderungen und Ziele kommen der Protesthaltung mancher junger Menschen entgegen, vor allem, wenn diese mit Problemen im Elternhaus, in der Schule oder der Ausbildung konfrontiert sind. Die Autonomen unterscheiden sich soziologisch kaum von anderen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Sie sind in der Regel Schüler, Studenten oder Auszubildende. Autonome machen den Ablauf ihrer Aktionen primär von der Einschätzung der Durchsetzbarkeit und ihrem Kräfteverhältnis gegenüber der Polizei abhängig. Rechtsextremistischen Versammlungen begegnen sie nach wie vor mit einer hohen Aggressivität und Gewaltbereitschaft. Autonome führen dabei meist keine eigenen öffentlichen Veranstaltungen durch, sondern mischen sich stattdessen unter die Teilnehmer anderer Gegenveranstaltungen. Die Formierung von so genannten "Schwar"Schwarze Blöcke" zen Blöcken" bei Demonstrationen als Symbol für militanten Antifaschismus ist nur noch vereinzelt festzustellen. Die zeitweilige Differenzierung zwischen "Gewalt gegen Personen" und "Gewalt gegen Sachen" wird zunehmend aufgegeben. Körperverletzungsdelikte von Linksextremisten gegen "Rechte" oder vermeintlich "Rechte" machen deutlich, dass Autonome Gewaltanwendung gegen Unverminderte politische Gegner als legitimes Mittel ansehen. Wie in den Vorjahren Gewaltbereitwaren Autonome für die meisten der linksextremistisch motivierten schaft Gewalttaten verantwortlich. Besorgnis erregend ist nach wie vor eine Strategiedebatte um terroristische Gewalt vor allem in Kreisen Berliner Autonomer. In Bayern sind linksextremistische Strukturen mit terroristischer Zielsetzung derzeit nicht feststellbar. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 194 Linksextremismus 3.1.2 Strukturen, informationelle Vernetzung und Publikationen Strukturen Insgesamt gehören den autonomen Strukturen in Bayern unverändert knapp 400 Personen an. Im Jahr 2005 traten in Bayern besonders die autonomen Gruppierungen "Organisierte Autonomie" (Nürnberg), "Autonome Jugend Antifa" (Nürnberg), "Sozialistische Aktion München", "Antifaschistische Aktion München" und "a.l.d.e.n.t.e. - autonome gruppe mit biss" (Augsburg) in Erscheinung. Örtliche Örtliche Schwerpunkte der Autonomen in Bayern sind nach wie vor die Schwerpunkte Großräume Nürnberg/Erlangen/Fürth und München. Die Zahl der Autonomen in Nürnberg/Erlangen/Fürth ist mit etwa 150 und in der Landeshauptstadt München mit etwa 120 Anhängern konstant geblieben. Die autonome Szene in Nürnberg formiert sich um das "Stadtteilzentrum Schwarze Katze" und die Anlaufstelle "DESI". Für Münchner Autonome spielen der autonome "Info-Laden" in der Breisacher Straße und das "Cafe Marat" im ehemaligen "Tröpferlbad" in der Thalkirchner Straße eine wesentliche Rolle. Weitere autonome Gruppierungen sowie autonome Kleinund Kleinstgruppen sind in der Karte auf der Seite 195 dieses Berichts dargestellt. Informationelle Für den lokalen, überregionalen und internationalen InformationsausVernetzung tausch verwenden Autonome Szene-Publikationen, Info-Läden, Szene-Lokale sowie verdeckte informelle Strukturen wie Telefonketten. Info-Läden dienen dem autonomen Spektrum nicht nur als zentrale Infomations-, Kommunikationsund Anlaufstellen, sondern tragen auch zur Verbreitung und Koordinierung autonomer Aktivitäten bei und haben wesentlichen Einfluss auf die Mobilisierungsfähigkeit der Szene. In Bayern bestehen Info-Läden u. a. in München, Nürnberg, Augsburg und Landshut. Bei bundesweiten Info-Läden-Vernetzungstreffen wird über "Konzepte und Perspektiven", aber auch über "Kämpfe und Widerstandsformen" diskutiert. Um die Vernetzung und den Austausch der Info-Läden untereinander zu fördern, wurden "zentrale Internet-Seiten" eingerichtet. Die autonome Szene nutzt intensiv das Internet als Kommunikationsmittel und sieht in den entsprechenden Verschlüsselungssystemen ein geeignetes Instrument gegen staatliche Kontrolle. Zum Teil werden über ausländische Anbieter aktuelle Termine, Nachrichten, Diskussionsbeiträge und Publikationen mit teilweise strafbarem Inhalt verbreitet. Die Beiträge umfassen auch Selbstdarstellungen autonomer Zusammenschlüsse, wie z.B. der Gruppierungen "Organisierte Autonomie", "AntiVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 195 Autonome in Bayern 2005 Coburg* (Schwerpunkte) Aschaffenburg* Bayreuth* Würzburg* Nürnberg/ Erlangen/ Fürth Sulzbach-Rosenberg ca. 20 ca. 150 - Organisierte Autonomie - Autonome Jugend Antifa Angehörige der autonomen Szenen Regensburg* autonome Personenzusammenhänge (nicht abschließend) Ingolstadt* Passau* *) Landshut* autonome Neu-Ulm* Kleinstgruppen Augsburg ca. 25 a.l.d.e.n.t.e. München ca. 120 - Antifaschistische Aktion München - Sozialistische Aktion München Rosenheim* faschistische Aktion Ulm/Neu-Ulm", "Antifaschistische Aktion München" und "Sozialistische Aktion München". Trotz der steigenden Attraktivität der modernen elektronischen Medien haben die klassischen Publikationen nach wie vor große Bedeutung für Publikationen die autonome Szene. Im Bundesgebiet gibt es über 50 dieser Szene-Publikationen, in denen Diskussionspapiere, Aufrufe zu Veranstaltungen, Selbstbezichtigungsschreiben und andere Beiträge veröffentlicht werden. Bundesweite Bedeutung haben dabei nur wenige Schriften, darunter insbesondere die in Berlin erscheinende "INTERIM". Die Mehrzahl der Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 196 Linksextremismus Publikationen hat einen vorrangig regionalen Verbreitungskreis, so auch die in Bayern herausgegebenen Druckwerke. Erwähnenswert sind regelmäßig erscheinende Schriften wie "barricada - zeitung für autonome politik und kultur" (Nürnberg), "Grossraumzeitung Nürnberg/Erlangen/Fürth", "Pro.K - Zeitung des revolutionären Aufbau München" und "Wenz - Unter sticht Ober" (München). Die Publikationen werden oft konspirativ hergestellt und verbreitet. Sie enthalten teilweise unverhohlene Aufforderungen und Anleitungen zu Gewalttaten, u.a. gegen Rechtsextremisten und deren Einrichtungen. Im Juli erschien wieder eine neue Ausgabe der Untergrundzeitschrift "radikal", in der u.a. eine "Handlungsanleitung zur Vorbereitung und Durchführung von Aktionen" sowie eine Anleitung zum Bau von Brandsätzen abgedruckt waren. 3.1.3 Schwerpunktthemen und Aktionen Für die Autonomen in Bayern ist "Antifaschismus" nach wie vor ein vorrangiges Agitationsund Aktionsfeld. Zusätzlich beschäftigen sie sich mit den Themenfeldern "Anti-Globalisierung" und "Antiimperialismus". Im Zuge der Diskussionen um einen Abbau sozialer Leistungen und entsprechender Gesetzesvorhaben rückten auch die Themen "Arbeitslosigkeit" und "Sozialversorgung" bzw. "Sozialabbau" in den Vordergrund. Auch die "Antirepression" wurde in der autonomen Szene wieder stärker thematisiert. Dagegen spielten andere Themenfelder wie die Asyl-, Ausländerund Flüchtlingspolitik ("Antirassismus") und die Kernenergie ("Anti-Atomkraft") eine eher untergeordnete Rolle. Die Debatte über eine Neuorientierung der autonomen Szene in Deutschland wurde fortgeführt. 3.1.3.1 Strategiedebatte - Fortsetzung der Gewaltdiskussion In der gewaltbereiten linksextremistischen Szene dauert die "Militanzdebatte" an. Seit Jahren diskutieren unterschiedliche autonome Gruppierungen mit dem Ziel, die bisher im autonomen Spektrum weitgehend vorherrschende Trennung zwischen der akzeptierten "Gewalt gegen Sachen" und der außerhalb der antifaschistisch orientierten GrupGewaltdiskussion pen eher abgelehnten "Gewalt gegen Personen" zu überwinden. Hauptdiskussionsforum ist das autonome Szene-Blatt "INTERIM" aus Berlin. "Verantwortliche des Herrschaftssystems" wie Polizisten, Politiker, Militärangehörige und führende Repräsentanten von Wirtschaftsund Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 197 Finanzunternehmen sollen wieder Ziel von Angriffen werden. Die theoretische Diskussion wird auch von Gewalttaten zumeist in Form von Brandanschlägen begleitet. Diese - schwerpunktmäßig weiterhin im Berliner Raum begangenen - Straftaten richteten sich meist gegen staatliche Gebäude und Fahrzeuge von Großunternehmen. In der Berliner Szene-Publikation "INTERIM" erschienen wieder einige Diskussionspapiere autonomer Gruppen, aus denen eine überwiegend positive Reaktion auf die bis dahin publizierten Papiere und die begangenen Anschläge deutlich wurde. Teilweise fordern die Autoren die Überwindung der bisherigen "autonomen Kleingruppenmilitanz" und den langfristigen Aufbau einer "neuen militanten Organisierung" in Deutschland als organisatorischen Rahmen für gewaltbereite Gruppen. Nach dem Beispiel der ehemaligen linksterroristischen Strukturen "Revolutionäre Zellen" (RZ) und "Bewegung 2. Juni" soll ein Organisationsgeflecht autonomer Gruppen entstehen, das eigenständig militante Aktionen durchführt. Entscheidend für Anschläge soll dabei die Vermittelbarkeit der Aktionen sein. Die in Berlin aktive und maßgeblich an dieser Diskussion beteiligte "milimilitante gruppe tante gruppe (mg)" übernahm in einem am 1. Mai bei einem Berliner (mg) Presseverlag eingegangenen Selbstbezichtigungsschreiben die Verantwortung für zwei koordinierte, in den frühen Morgenstunden des 29. April verübte Brandanschläge auf Fahrzeuge in Potsdam und Berlin. Die "militante gruppe (mg)" propagierte ihre Anschläge als Beiträge zum diesjährigen "Revolutionären 1. Mai" und stellte sie in Zusammenhang mit der Kampagne gegen den "sozialtechnokratischen Klassenangriff von oben": "Die zahlreichen militanten Aktionen gegen Arbeitsund Sozialämter sind richtige und notwendige Bausteine des Widerstandes gegen den umfangreichen Angriff auf die letzten sozialen Grundrechte gesellschaftlicher Unterklassen. Neben den ausführenden Institutionen müssen wir aber auch dazu kommen, verantwortliche Machtstrukturen aus kapitalistischer Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ins Visier unseres Widerstandes zu nehmen." In der "INTERIM", Nummer 618 vom 16. Juni, äußert sich die "militante gruppe (mg)" in einem Diskussionspapier zu der Frage nach Sinn und Zweck von "Liquidationen": "Wir müssen uns beispielsweise an die Beantwortung herantasten, ob mit einer Liquidation ein (herbeigewünschter) Aufruhr zu befördern ist, der vermeintlich oder tatsächlich unter der Oberfläche schlummert und dem nur durch ein Fanal zum Durchbruch verholfen werden müßte." Als Beitrag zur "Militanzdebatte" ist auch das Erscheinen einer neuen Ausgabe der Untergrundzeitschrift "radikal" mit dem Untertitel "Möge die Nacht mit Euch sein!" im Juli zu werten. Sie enthält u.a. eine "HandVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 198 Linksextremismus lungsanleitung zur Vorbereitung und Durchführung von Aktionen", eine Bauanleitung für Brandsätze sowie ein "schriftliches Interview" mit der "militanten gruppe (mg)". Diese bilanziert darin die von ihr angestoßene "Militanzdebatte" grundsätzlich als Erfolg und bezieht dies in erster Linie auf die fast vierjährige Dauer der Diskussion. Perspektivisch äußert sie sich: "Die aktuelle Militanzdebatte langsam aber sicher in die Zielgerade zu führen, auch wenn wichtige, vor allem organisatorische Resultate (vorläufig) nicht erreichbar sind, muß aus unserer Sicht die Maßgabe sein. Der 'Wert' der Militanzdebatte wird sich darin zeigen, ob es mittelfristig gelingt, die herausgearbeiteten und vermittelten Ergebnisse in praktische Politik der revolutionären Linken umzumünzen. Wir setzen darauf, daß sich dieser Diskurs um Militanz in unseren Strukturen (und darüber hinaus!) materialisiert." 3.1.3.2 Antifaschismus Im Mittelpunkt der Aktivitäten autonomer Gruppen in Bayern standen wie im Vorjahr Proteste und Aktionen gegen rechtsextremistische Veranstaltungen, aber auch gezielte Angriffe gegen einzelne tatsächliche Hauptmotiv der oder vermeintliche Rechtsextremisten. Von den 107 in Bayern verübten Gewalttaten Gewalttaten entfallen 82 auf diesen Bereich. Linksextremisten spähen ihre politischen Gegner ebenso wie Rechtsextremisten gezielt aus und veröffentlichen entsprechende "Steckbriefe" in ihren Publikationen und im Internet. Gerade im Rahmen des Antifaschismus betreiben Autonome eine nach Bündnispolitik wie vor rege Bündnispolitik. Neben kontinuierlich arbeitenden "Aktionsbündnissen" auf zumeist lokaler bzw. regionaler Ebene überwiegend mit linksextremistischen Gruppierungen und Parteien wie in Nürnberg gibt es auch anlassbezogene Bündnisse, in denen häufig auch demokratische Gruppen und Institutionen mitarbeiten. Diese anlassbezogenen Bündnisse dienen primär der Vorbereitung und Koordinierung von Demonstrationen, Versammlungen, Mahnwachen, Informationsständen und anderen Veranstaltungen gegen rechtsextremistische Aktivitäten. Der autonomen antifaschistischen Szene gelingt es jedoch weiterhin nur schwer, derartige Bündnisveranstaltungen zu dominieren. Aktionen Autonome beteiligten sich u.a. an folgenden gegen den Rechtsextrein Bayern mismus gerichteten Aktivitäten in Bayern: Am Morgen des 15. Januar verübten zwei unbekannte Täter einen Brandanschlag Brandanschlag mit einem Molotowcocktail auf eine Münchner Gaststätte. Da sich der Brandsatz nicht vollständig entzündete, entstand verhältnismäßig geringer Sachschaden. In Tatortnähe wurde ein Plakat aufgefunden, das sich gegen den am selben Tag in diesem Lokal durchVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 199 geführten Bundesparteitag der rechtsextremistischen DVU richtete und mit dem Aufruf "Kommt und verhindert diese Nazi-Veranstaltung!!" endete. Am Rande des DVU-Parteitags kam es zu Protesten und Störaktionen, an denen sich auch Angehörige des regionalen linksextremistischen Spektrums beteiligten. Am 5. März führten Linksextremisten in Nürnberg, Fürth und Zirndorf im Rahmen einer so genannten Antifa-Kaffeefahrt Kundgebungen "Antifa-Kaffeegegen Rechtsextremisten durch. Die Veranstaltungsorte befanden sich fahrt" dabei überwiegend in der Nähe von Wohnungen bekannter Rechtsextremisten. Die etwa 50 Teilnehmer aus dem linksextremistischen Spektrum lieferten sich an einer Nürnberger Gaststätte, die als Treffpunkt für die neonazistische Szene dient, mit ebenfalls etwa 50 Rechtsextremisten einen verbalen Schlagabtausch. Die Polizei konnte eine Eskalation der Auseinandersetzungen verhindern. Neben einer Kundgebung mit Teilnehmern des demokratischen Spektrums fanden am 19. März in Würzburg auch zwei Demonstrationen Würzburg unter Beteiligung von Angehörigen der linksextremistischen Szene statt, die sich gegen einen zeitgleich von der NPD durchgeführten Aufzug anlässlich des 60. Jahrestags der Bombardierung von Würzburg richteten. Die Antifa Würzburg veranstaltete einen Aufzug mit bis zu 1.000 Demonstranten, darunter auch gewaltbereiten Autonomen. Viele Teilnehmer dieser Protestveranstaltung wechselten zu der Versammlung des Würzburger Friedensbündnisses, zu der sich insgesamt etwa 500 Personen einfanden. Aus diesem Personenkreis bildeten sich Splittergruppen, die immer wieder Störaktionen gegen die NPD-Demonstration durchführten. Es erfolgten 23 freiheitsentziehende Maßnahmen durch die Polizei, davon 17 gegen Gegendemonstranten wegen Vermummung, Widerstands, gefährlicher Körperverletzung und Mitführens von Wurfsternen. Über 6.000 Personen demonstrierten am 2. April gegen eine Veranstaltung des Rechtsextremisten Norman Bordin in München, darunter München wiederum Linksextremisten. Insbesondere etwa 150 bis 200 Autonome versuchten mehrfach, den Aufmarsch der Rechtsextremisten zu stören bzw. zu verhindern. Dabei wurden vereinzelt Flaschen und Steine geworfen sowie Verstöße gegen das Versammlungsgesetz begangen. Nach dem Ende der rechtsextremistischen Veranstaltung kam es im Hauptbahnhof zu Auseinandersetzungen zwischen insgesamt etwa 150 Personen des linksund des rechtsextremistischen Spektrums. Der Polizei gelang es, die beiden Gruppen zu trennen. Insgesamt wurden 94 Personen festund drei in Gewahrsam genommen, davon 89 aus dem Spektrum der Gegendemonstranten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 200 Linksextremismus Auch die diesjährige "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" in Nürnberg stand in Zusammenhang mit antifaschistischen Aktionen (vgl. auch Nummer 3.1.3.6 dieses Abschnitts). Nach einer antifaschistischen Kundgebung am 2. Juni in München drang eine Gruppe von etwa 20 vermummten Personen in ein Münchner Lokal Tätliche ein. Sie warfen mit Stühlen und Aschenbechern nach dort anwesenden Übergriffe Rechtsextremisten; bei dem Angriff wurde niemand verletzt. 14 Tatverdächtige konnten im Rahmen einer Sofortfahndung vorläufig festgenommen werden. Am 19. Oktober wurde eine Durchsuchungsund Festnahmeaktion bei weiteren ermittelten Tatverdächtigen durchgeführt, bei der acht Personen vorläufig festgenommen wurden. Das diesjährige Verbot des rechtsextremistischen "Heß-Gedenkmarsches" am 20. August in Wunsiedel und das dadurch bedingte dezentrale Auftreten der Rechtsextremisten an diesem Tag in verschiedenen deutschen Städten haben zur Zersplitterung der linksextremistischen Gegenaktivitäten geführt. In Wunsiedel beteiligten sich mehrere Hundert Linksextremisten an verschiedenen Versammlungen, die sie teilweise auch selbst organisiert hatten, und feierten das diesjährige Ausbleiben Verbot des "Heßdes rechtsextremistischen Aufmarsches als "Sieg über die Nazis". In der Gedenkmarsches" Öffentlichkeit wurde die NPD-Wahlkampfkundgebung am 20. August in Nürnberg als "offizielle" rechtsextremistische Ersatzveranstaltung für den verbotenen "Heß-Gedenkmarsch" angesehen. Dementsprechend gab es neben Demonstrationen des demokratischen Spektrums auch Aktivitäten des linksextremistischen Spektrums, wobei auch Sachbeschädigungen an Fahrzeugen verübt, ein Müllcontainer in Brand gesetzt und ein Altglasbehälter umgeworfen wurden. 3.1.3.3 Anti-Globalisierungs-Proteste Globalisierung ist zwar in Kreisen gewaltbereiter Linksextremisten noch immer ein Thema, die Beteiligung deutscher Autonomer an Aktionen im Ausland war jedoch wieder deutlich geringer als in den Vorjahren. Beispielsweise gab es auch in diesem Jahr wieder mehrere ProtestverWeltwirtschaftsanstaltungen gegen das Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum forum in Davos - WEF -), das vom 26. bis 30. Januar in Davos/Schweiz stattfand. Innerhalb des globalisierungskritischen Spektrums, insbesondere in der Schweiz, hat sich das Treffen in den letzten Jahren zu einer Veranstaltung mit hohem Symbolcharakter entwickelt, bei der friedliche Proteste von gewalttätigen Ausschreitungen überschattet werden. Allerdings blieben dieses Jahr die Gegenveranstaltungen weit hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück. Schwerpunkt der GegenaktiviVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 201 täten waren zwei internationale Großdemonstrationen, bei denen es teilweise zu kleineren Ausschreitungen mit geringen Sachschäden kam. Größere Sachbeschädigungen waren dagegen im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums zu verzeichnen. Durch eine Brandstiftung einer der autonomen Szene zuzurechnenden Gruppe entstand an einer Ausbildungsanlage der Kantonspolizei in Zürich ein Sachschaden von mehr als 250.000 Schweizer Franken. Außerdem waren in mehreren schweizerischen Städten Schäden von insgesamt mehr als 60.000 Schweizer Franken zu verzeichnen, nachdem unbekannte Täter Gebäudefassaden von international tätigen Konzernen mit Farbbeuteln beworfen bzw. ein Bankgebäude mit Pyrotechnik beschossen hatten. In Deutschland waren die Mobilisierungsbemühungen im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums nur sehr zaghaft, so dass keine organisierten Reisebewegungen aus Deutschland zu beobachten waren, sondern lediglich Einzelanreisen. Das diesjährige G8-Gipfeltreffen, das vom 2. bis 8. Juli im schottischen G8-Gipfeltreffen Gleneagles stattfand, war von massiven Protesten begleitet, an denen sich auch Aktivisten aus Deutschland beteiligten. An verschiedenen, größtenteils friedlich verlaufenen Großdemonstrationen zu Beginn des Gipfels nahmen auch bis zu 500 Personen eines international zusammengesetzten "Schwarzen Blocks" teil. Zudem versuchten mehrere Hundert militante Globalisierungsgegner, Zufahrtswege nach Gleneagles zu blockieren und in die weiträumig um das Tagungsgelände errichtete Absperrung einzudringen. Innerhalb der linksextremistischen Szene werden schon die nächsten G8-Gipfeltreffen 2006 in St. Petersburg/Russland und 2007 in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern thematisiert. Insbesondere über Protestaktionen gegen den Gipfel im Juli 2007 in Deutschland erscheinen erste Informationsund Mobilisierungsbeiträge in Publikationen und im Internet. Darin sprechen sich Linksextremisten für die rasche Bildung eines möglichst großen und gesellschaftlich breiten Aktionsbündnisses aus. 3.1.3.4 Antiimperialismus Auch nach dem Ende des Irak-Kriegs der USA im Jahr 2003 blieb der Antiimperialismus ein Thema gewaltbereiter autonomer Gruppen. Die Autonomen lehnten dabei das Vorgehen der USA und anderer Staaten gegen den Irak als Ausdruck einer kapitalistischen und imperialistischen Machtpolitik ab. Sie versprachen sich von ihrer Beteiligung an den Friedensdemonstrationen vor allem eine Einflussnahme auf Teile der gesellschaftlich breiten Friedensbewegung und sahen besonders im SchülerVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 202 Linksextremismus und Studentenbereich ein großes Mobilisierungsund Rekrutierungspotenzial für die eigenen Ziele. Beispiel für das massive Engagement der Autonomen in diesem Themenfeld waren ihre Aktivitäten gegen die 41. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik vom 11. bis 13. Februar. Gegen dieses Treffen protestierten in einer Reihe von Veranstaltungen mehrere tausend Menschen, darunter etwa 500 gewaltbereite Autonome aus dem ganzen Bundesgebiet. Diese Kundgebungen wurden wie im Vorjahr maßgeblich vom Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz organisiert. Als Bindeglied zum autonomen Spektrum fungierte dieses Jahr das Aktionsbündnis "Stadtplenum München", in dem sich anlassbezogen vor allem autonome Gruppen zur Vorbereitung von Protestaktionen gegen die Münchner Sicherheitskonferenz zuProteste gegen sammengeschlossen hatten. Höhepunkt der Proteste war ein Aufzug die 41. Münchner am 12. Februar, an dessen Spitze und in dessen Mitte insgesamt rund Konferenz für 500 Autonome jeweils einen "internationalistischen Block" bildeten. Sicherheitspolitik Aus dem vorderen Block wurde die Polizei mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen (vgl. auch Nummer 2.5 dieses Abschnitts). 3.1.3.5 Sozialabbau Die mit der "Agenda 2010" eingeleiteten sozialpolitischen Reformen, insbesondere die Einführung des so genannten Arbeitslosengelds II, lösten bei den Betroffenen massiven Widerstand aus. Linksextremisten vermuteten darin ein neues Mobilisierungsund Rekrutierungspotenzial und sind seitdem bestrebt, die Proteste gegen den Sozialabbau agitatorisch und aktionistisch für ihre Ziele zu nutzen. Allerdings erfuhr die autonome Szene zu Beginn des Jahres 2005 mit diesem Thema einen Rückschlag. Bei dem von Linksextremisten vorbereiteten dezentralen Aktionstag am 3. Januar fiel die Beteiligung bundesweit wesentlich geringer als erhofft aus. Das Nürnberger Sozialforum und die "Organisierte Autonomie" mobilisierten für eine Demonstration am 29. Oktober in Nürnberg, bei der bis zu 800 Teilnehmer, davon etwa die Hälfte Linksextremisten, gegen staatliche Kürzungen im Sozialbereich protestierten. Aufgrund der starken Polizeipräsenz blieben Störungen weitgehend aus. 3.1.3.6 Weitere Aktionen Aktionen zum Besondere Aufmerksamkeit bei den gewaltbereiten Linksextremisten in 1. Mai in Bayern Bayern fand die "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" in Nürnberg. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 203 An dieser Kundgebung, die von der linksextremistischen "Initiative Neue ArbeiterInnenbewegung" unter dem Motto "Kapitalismus abschaffen! Faschismus bekämpfen! - Das alles und noch mehr ... für die soziale Revolution!" veranstaltet wurde, beteiligten sich etwa 1.800 Personen, darunter auch Hunderte Autonome. Die Demonstration war eine Reaktion der linksextremistischen Szene auf einen Aufzug der rechtsextremistischen NPD. Die Nürnberger Linksextremisten hatten daher gemäß ihrem Veranstaltungs-Motto im Vorfeld nicht nur zu ihrer traditionellen, sozialrevolutionär ausgerichteten Demonstration aufgerufen, sondern auch zu Aktionen gegen den Neonazi-Aufmarsch. Mehrmals kam es zu Versuchen, die Rechtsextremisten zu stoppen. Bei einer von zahlreichen kleineren Auseinandersetzungen wurde ein Polizeibeamter schwer verletzt. Etwa 150 gewaltbereite Linksextremisten mischten sich außerdem unter die rund 4.500 Teilnehmer der vom demokratischen Spektrum (u.a. der Stadt Nürnberg) unter dem Motto "Nürnberg - Bunt statt braun" durchgeführten Großveranstaltung gegen den NPD-Aufmarsch. Insgesamt nahm die Polizei 23 Personen fest, davon 20 aus dem linksextremistischen Spektrum. Im Gegensatz zu den Vorjahren war der "Revolutionäre 1. Mai 2005" in Berlin von deutlich weniger Gewaltaktionen begleitet. Der Hauptgrund dafür dürfte neben dem flexiblen und konsequenten Polizeikonzept in der "Aufsplitterung" der Aktivitäten des gewaltbereiten Personenpotenzials liegen. Obwohl die Einsatzkräfte wiederholt mit Steinen und Flaschen attackiert sowie mit Feuerwerkskörpern beschossen wurden, konnten durch massive Polizeipräsenz weitere Ausschreitungen verhindert werden. Die Sachschäden und die Anzahl der Verletzten waren deutlich geringer als im Vorjahr. 3.1.3.7 Einflussnahme auf die Antikernkraftbewegung Auch 2005 beteiligten sich Linksextremisten am Protest gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie, der im Wesentlichen von nicht extremistischen Bürgerund Umweltschutzinitiativen getragen wird. Dabei versuchten die Linksextremisten, dem Protest eine staatsfeindliche Ausrichtung zu geben. In Bayern blieb die linksextremistische Einflussnahme auf die Anti-Atom-Bewegung gering. Unbekannte Täter verübten in der Nacht zum 28. September in Woltersdorf/Niedersachsen einen Brandanschlag auf 130 Wohncontainer, die Brandanschlag der Polizei bei Castor-Transporten als Unterkunft dienten. Die Container Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 204 Linksextremismus brannten vollständig aus, es entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa drei Millionen Euro. Das Tatziel sowie die zeitliche Nähe zum Castor-Transport im November nach Gorleben/Niedersachsen deuten auf militante Täter aus der Anti-Atom-Szene hin. Anschläge beim Anfang November ereigneten sich im Vorfeld des Castor-Transports Castor-Transport weitere Brandsowie Hakenkrallenanschläge schwerpunktmäßig im norddeutschen Raum. Gegen den eigentlichen Transport nach Gorleben vom 19. bis 22. November protestierten rund 3.500 Personen, darunter etwa 200 Linksextremisten. Dabei kam es auch zu einzelnen Gewalttätigkeiten. Einem im Vergleich zum Vorjahr leichten Rückgang militanter Aktionen während der Transportphase steht eine Zunahme von Hakenkrallenund Brandanschlägen durch mutmaßlich linksextremistische Gewalttäter im Vorfeld des Transports gegenüber. 3.2 Linksextremistisch motivierte Straftaten 3.2.1 Gewalttaten Bundesweit wurden 896 Gewalttaten mit linksextremistischer Motivation gegenüber 521 Gewalttaten im Jahr 2004 erfasst. In Bayern stellten im Jahr 2005 nicht mehr Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation den größten Teil der politisch motivierten Gewalttaten, sondern Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Motivation. Die Zahl der Gewalttaten Massiver Anstieg von Linksextremisten ist mit 107 gegenüber 27 im Jahr 2004 massiv der Gewalttaten angestiegen. Die Erhöhung ist insbesondere auf 82 antifaschistisch motivierte Gewaltdelikte zurückzuführen; im Jahr 2004 waren es 15. Weitere 14 Gewalttaten standen im Zusammenhang mit Anti-Globalisierungs-Motiven, sechs waren antimilitaristisch motiviert, vier anarchistisch und ein Gewaltdelikt richtete sich gegen politische Gegner. Auffällig ist, dass die Gewalttaten überwiegend in Verbindung mit Demonstrationen und Kundgebungen standen und sich in diesem Zusammenhang größtenteils massiv gegen Polizeibeamte richteten. Neben Gewaltdelikten im Zusammenhang mit der 41. Münchner Sicherheitskonferenz im Februar wurden die Gewalttaten zum größten Teil bei Aktionen gegen von Rechtsextremisten organisierte Veranstaltungen begangen, insbesondere am 2. April in München. Zwei unbekannte Täter verübten am Morgen des 15. Januar mit einem Molotowcocktail einen Brandanschlag auf eine Münchner Gaststätte, in der am selben Tag der Bundesparteitag der DVU stattfand (vgl. auch Nummer 3.1.3.2 dieses Abschnitts). Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 205 Bei einer vom Rechtsextremisten Norman Bordin organisierten Veranstaltung am 2. April in München sprang ein Gegendemonstrant einem Veranstaltungsteilnehmer mit den Beinen gegen den Brustkorb. Beim Sturz knickte der Angegriffene um und brach sich eine Zehe. Als der Rechtsextremist am Boden lag, versuchte der mit Springerstiefeln bekleidete Täter nochmals zuzutreten, wurde jedoch von Einsatzkräften der Polizei weggezogen und festgenommen. Bei derselben Veranstaltung versuchte ein weiterer Gegendemonstrant, einen Polizeibeamten zu würgen, der sich jedoch aus dem Würgegriff befreien konnte. Anschließend legte der Täter einer Polizeibeamtin seinen Unterarm um den Hals und drückte so fest gegen ihren Kehlkopf, dass der Beamtin schwarz vor Augen wurde. Bei seiner Festnahme leistete er zudem Widerstand. Bei Protesten gegen eine rechtsextremistische Kundgebung am 20. August in Nürnberg schlugen etwa fünf teils vermummte Linksextremisten mit einem Schirm auf den Kopf eines Rechtsextremisten ein, so dass dieser eine Kopfplatzwunde erlitt. 18 der 107 Gewalttaten standen im Zusammenhang mit der 41. MünchGewalttaten ner Konferenz für Sicherheitspolitik im Februar. Es handelte sich hierbei im Rahmen der um Körperverletzungsdelikte und Widerstandshandlungen gegen VollSicherheitsstreckungsbeamte. Beispielsweise wurde einem am 12. Februar gegen konferenz einen "Schwarzen Block" eingesetzten Polizeibeamten der Schutzhelm vom Kopf gerissen. Anschließend schlugen ihn die Täter mit einem Holzstock auf den Hinterkopf und traten ihn gegen Beine und Genitalbereich. 3.2.2 Sonstige Straftaten Die Gesamtzahl der in Bayern bekannt gewordenen sonstigen linksextremistisch motivierten Straftaten beträgt 181 (2004: 132). Dabei handelte es sich vor allem um Sachbeschädigungen, aber auch um Delikte wie Beleidigung oder Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole. Wenige Tage vor der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" in Nürnberg bewarfen unbekannte Täter in der Nacht zum 27. April die Fassade einer Zeitarbeitsfirma mit mehreren mit roter Farbe gefüllten Eiern. Außerdem wurden mehrere Schlösser verklebt und der Schriftzug "Sklaventreiber" in roter Farbe gesprüht. Durch Farbspritzer wurden zwei abgestellte Fahrzeuge eines benachbarten Autohändlers lädiert. Es entstand ein Sachschaden von etwa 24.000 Euro. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 206 Linksextremismus In der Nacht zum 23. November warfen unbekannte Täter einen Pflasterstein gegen die verglaste Eingangstür einer Filiale eines Lebensmitteldiscounters in München und besprühten die Hauswand mit Parolen. In einer Erklärung bekannten sich "militante Zellen" zu dieser Tat und begründeten ihr Vorgehen mit "miesen und kriminellen Ausbeutungsbedingungen" dieses "kapitalistischen" Handelskonzerns. Die Erklärung endete mit der Aufforderung, eine "militant-illegale Ebene" zu schaffen und den "revolutionären Kampf um eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung" organisiert voranzutreiben. Im Zusammenhang mit den Bundestagswahlen 2005 kam es im August und September zu einer Vielzahl von Sachbeschädigungen und Diebstählen von Wahlplakaten. Betroffen waren vor allem die rechtsextremistischen Parteien NPD und REP, aber auch Plakate demokratischer Parteien. Hier wurden teilweise Schmierschriften oder NS-Symbole angebracht, mit denen die abgebildeten demokratischen Politiker und die jeweiligen Parteien als "Faschisten" diffamiert werden sollten. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Linksextremismus 207 4. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2005 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 1.1 Kernorganisationen: Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 500 4.300 Unsere Zeit (UZ) 18 Bezirksorganisationen, aufgeteilt wöchentlich, 6.300 in Kreisund Grundorganisationen Marxistische Blätter sowie Betriebsgruppen, 26.09.1968, Essen zweimonatlich, 2.500 Rundbrief monatlich Die Linkspartei.PDS 61.500 Neues Deutschland (ND) (neuer Name beschlossen auf außerordent- - parteinahe Zeitung - lichem PDS-Parteitag am 17.07.2005) werktäglich, 53.600 16 Landesverbände mit KreisverDISPUT bänden und Basisorganisationen, monatlich, 11.000 Berlin Die Linke.PDS-Pressedienst wöchentlich, 2.200 UTOPIE-kreativ-Diskussion sozialistischer Alternativen monatlich, 800 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der Linkspartei.PDS monatlich, 1.000 Die Linkspartei.PDS Landesverband Bayern 500 TITEL (Informationsforum mit 13 Kreisverbänden und der Linkspartei.PDS Bayern) 34 Basisorganisationen, unregelmäßig, 500 11.09.1990, München Arbeiterbund für den Wieder100 150 Kommunistische aufbau der KPD (AB) Arbeiterzeitung (KAZ) 1973, München vierteljährlich Marxistisch-Leninistische 100 2.300 Rote Fahne Partei Deutschlands (MLPD) wöchentlich, 7.500 10 Parteibezirke, über 100 Ortsgruppen und Stützpunkte, REVOLUTIONÄRER WEG 17./18.06.1982, Gelsenkirchen unregelmäßig Linksruck-Netzwerk 10 300 Linksruck, zweiwöchentlich (Sozialistische Arbeitergruppe - SAG) 1993, Berlin Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 208 Linksextremismus Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2005 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) Marxistische Gruppe (MG) München 700 10.000 GEGENSTANDPUNKT 1969/70 AK Rote Zellen, München (Aktive) Herausgeber: ehemalige ("aufgelöst" zum 01.06.1991) Funktionäre der MG vierteljährlich, 7.000 1.2 Nebenorganisationen: Nebenorganisation der DKP: Sozialistische Deutsche 80 300 POSITION Arbeiterjugend (SDAJ) unregelmäßig, 1.500 Landesverbände, Kreisverbände und Ortsgruppen, KONTRA! 04./05.05.1968, Essen Nebenorganisationen der MLPD: Jugendverband REBELL 20 70 REBELL - Beilage zur Roten Fahne - MLPD-Hochschulgruppen Galileo - streitbare Wissenschaft 1.3 Beeinflusste Organisationen: DKP-beeinflusst: Vereinigung der Verfolgten des 700 8.000 antifa Naziregimes - Bund der Antifaschiszweimonatlich, 9.000 tinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Landesvereinigungen mit Kreisund Ortsvereinigungen, 15.-17.03.1947, Berlin 2. Autonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten Autonome etwa rund zum Teil unregelmäßig 400 5.500 erscheinende Szene-Blätter wie: radikal, INTERIM; auf lokaler Ebene u.a. barricada 3. Von mehreren Strömungen des Linksextremismus beeinflusst Münchner Bündnis gegen Krieg 25 und Rassismus München Antifaschistisches Aktionsbündnis 20 Nürnberg Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Scientology-Organisation 209 6. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) International Deutschland Bayern Mitglieder: 125.000 bis 150.000* 5.000 bis 6.000 etwa 2.600 Vorsitzender: David Miscavige Helmuth Blöbaum Gerhard Böhm Gründung: Los Angeles 1952 München 1972 Nürnberg 1982 (Church of Scientology (Scientology Kirche (Scientology Kirche International - CSI -) Deutschland e.V.) Bayern e.V.) Sitz: Los Angeles, USA München München/Nürnberg (in Deutschland unselbständige Teilorganisationen) Publikationen: "Freiheit"; "Impact"; "Ursprung"; "Source" u.a. * geschätzte bzw. hochgerechnete Zahlenangaben, die auf Mitgliederbzw. Aussteigerinformationen basieren 1. Zur Geschichte der SO Im Jahre 1950 veröffentlichte der amerikanische Science-Fiction-Autor PersönlichkeitsL. Ron Hubbard (1911 bis 1986) in den USA das Buch "Dianetik - Die manipulation als moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit". Darin stellte er seine neue Therapie "Technologie" zur "Heilung psychosomatischer Krankheiten und geistiger Störungen" vor. In den folgenden Jahren wurden so genannte "Dianetik-Zentren" eingerichtet und schließlich die SO gegründet und aufgebaut. 1952 gründete er die "Hubbard Association of Scientologists International" (HASI), die noch nicht den Anspruch erhob, eine Kirche oder angewandte religiöse Philosophie zu sein. Hubbard erkannte jedoch bald die wirtschaftlichen und steuerlichen Vorteile einer Umwandlung seiner Organisation in eine Kirche. Deshalb erklärte er sein von ihm erdachtes Verfahren der Psychomanipulation, das er zusamEtikettenmen mit einer totalitären Organisationslehre und -technik in Form eines Schwindel Kommandosystems ("Admintech") entwickelt hatte, zur Religion und gründete 1954 die erste "Kirche". Die Leiter der örtlichen Niederlassungen in den USA nennen sich seitdem "Geistliche", tragen kirchliche Kleidung und fügen ihrem Namen den Titel "Reverend" hinzu. Im Jahre 1957 wurde die SO in den USA als gemeinnützige Organisation (charitable organisation) anerkannt und somit von der Steuer befreit. Nachdem die oberste amerikanische Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) fragwürdige persönliche Bereicherungstatbestände bei Hubbard und vielen seiner Funktionäre aufgedeckt hatte, widerrief sie Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 210 Scientology-Organisation 1967 die Steuerbefreiung aller Scientology-Einrichtungen. In der Begründung hierzu hieß es: "Die Führungskräfte von Scientology profitieren vom Status einer ,gemeinnützigen Kirche'. (...) Die Aktivitäten von Scientology sind kommerziell. (...) Die Scientology-Kirche dient den privaten Interessen des Gründers L. Ron Hubbard." Die SO wehrte sich gegen diese Entscheidung und wurde 1993 nach einem Vergleich mit der IRS wieder als gemeinnützig anerkannt. Nach einem Bericht der "The New York Times" setzte die SO dabei "schmutEinschüchterungszige Methoden der Einschüchterung und Erpressung" ein. Mitarbeiter und Erpressungsder IRS wurden bis in die Privatsphäre hinein ausspioniert und zum Teil methoden wegen erfundener Behauptungen mit über 2.000 Prozessen überzogen. Die Anleitung für dieses Vorgehen ist in einem Richtlinienbrief Hubbards vom 15. August 1960 über die Einrichtung eines "Department of Government Affairs" enthalten, der Methoden beschreibt, mit denen Regierungen gefügig gemacht werden sollen. Darüber hinaus liegt Scientology seit Jahrzehnten im Konflikt mit den Rechtsordnungen demokratischer Staaten. Die Vorwürfe lauten z.B. auf Betrug und Wucher gegenüber Kunden, Bedrohung und Nötigung von Kritikern, auf Verschwörung gegen die Regierung, Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. In diesem Zusammenhang kam es in den USA zu zahlreichen Verfahren und Verurteilungen von Funktionären der SO. Seit Mitte der 80er Jahre, nach dem Tode Hubbards und intrigenreichen Machtkämpfen innerhalb der Organisation, übernahm David Miscavige die Führung der SO. 2. Ideologie und Aktivitäten Anhaltspunkte Nach Feststellung der Konferenz der Innenminister von Bund und Länfür Verfassungsdern (IMK) vom 5./6. Juni 1997 liegen tatsächliche Anhaltspunkte für feindlichkeit verfassungsfeindliche Bestrebungen der SO vor. Die SO wehrt sich gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz seit Jahren mit polemischer, herabsetzender Kritik in der Öffentlichkeit und mit dem Hinweis auf ihre angebliche Religionseigenschaft. Die Ideologie der SO stützt sich ausschließlich auf die Schriften von L. Ron Hubbard, die nach eigenen Aussagen unveränderliche Gültigkeit besitzen. Vor allem seine programmatischen Äußerungen werden in den so genannten "policy letters" (Richtlinienbriefen) den Mitgliedern und Mitarbeitern als verbindliche Orientierung vorgegeben. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Scientology-Organisation 211 Der ideologische Überbau der SO beruht auf drei Säulen: der Dianetik, Die "drei Säulen" der Lehre Scientology und der scientologischen Ethik. Dianetik richtet der SO sich vordergründig an den Einzelmenschen, dogmatisiert aber tatsächlich gesellschaftliche und politische Grundsätze und Forderungen. In der Lehre Scientology, die sich an das "Geistwesen" des Menschen, den so genannten "Thetan", mit seinen verschiedenen Stufen der Befreiung richtet, prophezeit Hubbard, er kehre auf die Erde zurück nicht als religiöser, sondern als politischer Führer des Universums. Die scientologische Ethik beschreibt die Disziplinierungstechnologie für Mitglieder, Mitarbeiter und die gesamte Gesellschaft. 2.1 Schriften der SO Die Analyse zahlreicher Schriften der SO zeigt den generellen Anspruch auf absolute Gültigkeit der scientologischen Ideologie. Den Mitgliedern wird suggeriert, dass Scientology das Universalinstrument sei, mit dem alle politischen und gesellschaftlichen Probleme gelöst werden könnten. Das Wertesystem der SO erhebt daher nicht nur den Anspruch auf die Richtigkeit seiner Inhalte, sondern erklärt diese für absolut, nicht mehr hinterfragbar und für universell gültig. Darüber hinaus erfasst die SO den Menschen in all seinen persönlichen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlich-politischen Lebensbereichen, sobald er in das KonVeränderung der trollsystem der Organisation eingebunden ist. Die SO propagiert nicht Gesellschaft mit nur eine verfassungsfeindliche Wertordnung, sondern will sie als verSO-Techniken bindlichen Ordnungsfaktor für Staat und Gesellschaft etablieren. Die SO in Deutschland bekennt sich auch in ihren aktuellen Veröffentlichungen ausdrücklich zu ihrem Gründer und seiner unveränderbaren politischen Programmatik. Verschiedene Aussagen der SO deuten sogar darauf hin, dass sie ihre Ziele kämpferisch-aggressiv verwirklichen will. Von Mitgliedern erwartet sie einer Werbebroschüre der International Association of Scientologists (IAS) zufolge, dass sie "die Zerschlagung von Gruppen unterstützen, die den Zweck verfolgen, die Anwendung der Scientology-Technologie zu verhindern". Eine Änderung der Ideologie ist nicht erkennbar; vielmehr werden weiter Schriften in diesem Sinn veröffentlicht. Auch hält die SO strikt an den internen Richtlinien und den grundsätzlich zeitlich unbegrenzt gültigen "policy letters" fest. 2.2 Errichtung einer scientologischen Gesellschaft Schon in seinem grundlegenden Buch "Dianetik" hatte Hubbard auf die Politische politische Relevanz und die Reichweite seiner Lehre und Technik hingeZielsetzung Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 212 Scientology-Organisation wiesen. Mit der Entwicklung seiner totalitären "Admintech", die in elf Bänden niedergelegt ist, hat sich Hubbard ein sozialtechnisches Instrumentarium geschaffen, um sich Gruppen gefügig zu machen. Es soll eine ausschließlich nach scientologischen Richtlinien funktionierende Welt geschaffen werden. Eine neue "wahre Demokratie" soll an die Stelle der bisherigen Demokratien treten, die Scientologen als Produkt einer "aberrierten", d.h. von der Vernunft abweichenden, geisteskranken Gesellschaft ansehen. Alle gesellschaftlichen Probleme sollen dadurch gelöst werden, dass zunächst 10 bis 15 % der politischen Meinungsführer, dann 80 bis 98 % der Bevölkerung "geklärt" werden und die Gesellschaft schließlich nur noch aus den so genannten "Nichtaberrierten", den "Clears", besteht, wobei die "Unfähigen" oder "Unwilligen" nach Hubbard "abseits der Gesellschaft in Quarantäne" geschafft werden können. Gleichzeitig soll die "Admintech" weltweit zur Organisation aller gesellschaftlichen Gruppen und der Regierungen eingesetzt werden. 2.2.1 Lenkung der Regierung durch Scientology Projekt Bereits am 20. März 1964 stellte Hubbard in einem Vortrag das Projekt Weltregierung "International City" vor und erhob darin den Anspruch, weltweit die Regierungen zu beherrschen. Dazu dient auch die Hubbard-Anweisung vom 13. März 1961. Danach soll ein "Department für Behördenangelegenheiten" u.a. "ständigen Druck auf Regierungen ausüben, um Gesetzgebung von Gruppen zu verhindern, die der Scientology entgegenstehen". Behörden und unabhängige Gerichte werden von der SO als "Gefahr" gesehen, der man begegnet, indem "immer ausreichend Drohungen gegen sie gesucht oder erfunden werden". 2.2.2 Einführung eines scientologischen Rechtssystems Die SO lehnt die bestehenden Rechtsordnungen ab. Der Kreis der Rechtsträger wird auf die "Ehrlichen" beschränkt, also nur auf diejenigen, die sich der SO verschrieben haben. "Handbuch des Im bereits 1959 erschienenen "Handbuch des Rechts" äußert sich Rechts" L. Ron Hubbard zur Funktion des scientologischen Rechtssystems. Danach wird es im scientologischen Gesellschaftssystem keine Menschenund Grundrechte mehr geben, wie sie im Grundgesetz definiert sind. Im scientologischen Rechtssystem sind auch keine unabhängigen Gerichte vorgesehen. Vielmehr erforscht ein nicht an Recht und Gesetz gebundener Nachrichtendienst (vgl. auch Nummer 3.2.5 dieses Abschnitts) Sachverhalte und ergreift Maßnahmen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Scientology-Organisation 213 2.2.3 Bekämpfung von Kritik an Lehre und Praxis - aggressive Expansionstechnik In einem Grundlagenwerk fordert Hubbard "totale Disziplin". Um die Totale Macht zu behalten - so offenbar der Gedanke von Hubbard in seinem Disziplinierung Werk "Einführung in die Ethik der Scientology"müsse man kaltblütig, der Anhänger skrupellos, hemmungslos, gegebenenfalls auch heimtückisch, hinterlistig und mit Gewalt gegen die eigenen Feinde vorgehen, ansonsten werde man die Macht verlieren. Die im "Handbuch des Rechts" empfohlenen Operationen zur "Abwehr" von "Unterdrückern" lassen erkennen, dass die SO gewillt ist, die im Grundgesetz konkretisierten Grundrechte abzuschaffen oder deren Schutzbereich verfassungswidrig einzuschränken und dadurch eine totale Kontrolle des Einzelnen durch die SO zu erreichen. 2.3 Aktivitäten der SO 2.3.1 Angriffe auf Repräsentanten des Staates Alle Aktivitäten der SO sind auf die Expansion der Organisation ausgelegt. In diesem Zusammenhang sind auch Maßnahmen gegen Kritiker zu sehen. Kritiker sind alle Personen und Institutionen, die den Zielen der SO nicht zustimmen und ihrer Verwirklichung entgegenstehen. Für deren "Handhabung" gibt es detaillierte Anweisungen, wie zu verfahren ist. Aus diesem Grund verunglimpft, beschimpft und verleumdet die SO Verunglimpfung entsprechend dem immer noch gültigen HCO-Richtlinienbrief vom von Politikern 11. Mai 1971 seit mehreren Jahren Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus verunglimpft die SO die jetzige deutsche Verfassungsordnung, indem sie diese mit der des nationalsozialistischen Deutschlands gleichsetzt. Seit 2004 veröffentlicht das so genannte Menschenrechtsbüro der SO im Internet die schon 1999 erschienene Hetzschrift "Verfassungsschutz als Rufmordinstrument" in englischer Sprache. In den Vorbemerkungen dazu wird behauptet, dass die Hauptmerkmale des deutschen Verfassungsschutzes von Beginn an Korruption, Verrat und Kriminalität gewesen seien, und dass heutzutage viele Deutsche glaubten, der Verfassungsschutz sei ein Instrument zur Ausspähung und Hetze gegen Minderheiten. 2.3.2 Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung Durch effiziente Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung, der "Technologie", werden die Mitarbeiter, aber auch die einfachen aktiven Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 214 Scientology-Organisation Mitglieder in manipulativer Weise unter ständigen Verhaltenszwang gesetzt, damit sie nach dem internen Sprachgebrauch des ManageFabrikation der ments wie "Maschinen" neue Kunden werben und zu Anhängern des Mensch-Maschine Systems machen. Der Leistungsdruck des Systems auf die Mitarbeiter und Mitglieder ist dabei so stark, dass sie sich dem technokratischen Regelwerk der "Admintech" und den Befehlen der Funktionsträger in der Regel ohne Widerspruch fügen, selbst wenn sie unter Umständen sogar Normen und Dienstpflichten verletzen. 2.3.3 Ausforschung und Bekämpfung von Kritikern Personen, die berechtigte Kritik üben, sollen mit schikanösen bis diffamierenden Attacken als "Feinde" bekämpft werden. Ziel ist es dabei, die Gegner der SO, die als "unterdrückerische Personen" bezeichnet werden, mundtot zu machen, um die Expansion des Systems nicht von ihnen gefährden zu lassen. Kritiker werden wegen ihrer Gegnerschaft zur SO diffamiert, öffentlich bloßgestellt, angezeigt und verklagt, bisPsychofolterweilen bedroht, belästigt und zur Zermürbung auch psychisch gequält. methoden In einer nach wie vor gültigen Führungsanweisung Hubbards zum Umgang mit "Unterdrückern" von 1966 heißt es dazu: "Leute, die Scientology angreifen sind Verbrecher." "Wenn man Scientology angreift, wird man auf Verbrechen hin untersucht." "Man ist sicher, wenn man Scientology nicht angreift, auch wenn man nicht auf ihrer Seite ist." In den USA scheuen sich daher manche Medien, offen gegen Scientology Stellung zu nehmen. Auch in Deutschland spionierte die SO ihre Kritiker durch verdeckt arbeitende Mitarbeiter und Privatdetektive bis in ihre Intimsphäre aus, um sie mit ehrenrührigen Behauptungen in der Öffentlichkeit bloßzustellen (vgl. auch Nummer 3.2.5 dieses Abschnitts). 2.3.4 Scientology Zeitschrift "free MIND magazin" Mehrere Ausgaben der SO-Zeitschrift "free MIND magazin" aus den Jahren 2003 und 2004 sind im regulären Zeitschriftenhandel in deutscher Sprache erhältlich. Im Berichtsjahr ist nach bisherigen Erkenntnissen keine weitere Ausgabe des "free MIND magazin" erschienen. Das professionell gestaltete Magazin warb in der ersten Ausgabe Mitte 2003 mit Schlagzeilen wie "Die Reise zum Ich" und "Alles, was Sie über sich selbst und andere schon immer wissen wollten". Das Layout Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Scientology-Organisation 215 erscheint geeignet, eine breite Bevölkerungsschicht mit esoterischen Ambitionen anzusprechen, ohne dabei auf den ersten Blick erkennen zu lassen, dass es sich um eine Scientology-Publikation handelt. Der Begriff Scientology wird weder auf der Titelseite noch im Textteil der Publikation erwähnt. Erst beim Lesen des Hefts wird die Scientology-Herkunft offensichtlich. Insgesamt beschäftigt sich das Magazin fast ausschließlich mit Dianetik und mit deren Begründer L. Ron Hubbard, dessen Leben und Werk verklärend beschrieben werden. 2.3.5 Aktivitäten im Ausland Zwar bezeichnet die SO Deutschland immer wieder als wichtigstes Expansionsgebiet in Europa, doch sind ihre Verbreitungsbemühungen in vielen anderen europäischen Staaten nicht unerheblich und werden dort von Bürgern und Behörden nicht ohne Besorgnis registriert. Zahlreiche Verfahren gegen Scientologen in Frankreich, Belgien, Spanien und Italien zeigen, dass die SO auch Verstöße gegen die Rechtsordnungen dieser Länder in Kauf nimmt. Zudem werden - wie in Deutschland - in den genannten Staaten, insbesondere in Frankreich, Kampagnen gegen die angebliche religiöse Diffamierung durchgeführt. Am Aufbau neuer Organisationsstrukturen im Ausland beteiligten sich Osteuropa auch deutsche Scientologen. Besonders bei der Expansion der SO in Osteuropa spielt die Münchener Niederlassung der SO, die so genannte Org München, seit Jahren eine bedeutende Rolle. In Kursen der Org München werden zahlreiche Osteuropäer ausgebildet. Im September 2003 eröffnete die SO unter großem Medienaufwand in Brüssel/Belgien ein "Menschenrechtsbüro", das mit Mitteln der "Internationalen Vereinigung von Scientologen" (IAS) finanziert wurde. Die SO will damit an einem wichtigen und einflussreichen Politikund VerVersand von waltungszentrum Präsenz zeigen und Lobbyarbeit leisten. Zu diesem InformationsbroZweck verschickte die SO auch im Jahr 2005 Informationsbroschüren schüren "Scientology - Antworten und Lösungen" zu den verschiedensten Themen an führende Persönlichkeiten Europas. Mit jeder der in acht Sprachen verfassten Broschüren will die Organisation 56.000 Persönlichkeiten in ganz Europa als Multiplikatoren erreichen. Insgesamt sollen nach eigenen Angaben bereits 620.000 Broschüren verteilt worden sein. In Bayern sind bereits zahlreiche Kommunen, Schulen und Sicherheitsbehörden als Adressaten bekannt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 216 Scientology-Organisation 2.4 Bewertung der Schriften und Aktivitäten Gutachten Nach einem Gutachten des Instituts für Therapieforschung (IFT) aus dem Jahre 2002 kommt die SO mit der objektiven Wertordnung der Verfassung in vielfacher Hinsicht in Konflikt, weil sie nicht nur ein internes Normensystem habe, das die Organisationsinteressen ausnahmslos über die Belange des Einzelnen stelle, sondern auch Feindbilder in Form von willkürlich erklärten "Unterdrückern" aufgebaut habe. Die interne Organisation sowie die Methoden der Überwachung und Instrumentalisierung, die gegen Mitglieder und Mitarbeiter angewendet werden, verstoßen dem Gutachten zufolge gegen die Menschenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und gegen die Meinungsfreiheit. Darüber hinaus werde von der Organisation das herrschende Gesellschaftssystem, vor allem das Sozialstaatsprinzip, massiv kritisiert und negiert. Ziel: Abschaffung Die SO biete nicht nur Einzelpersonen ihre Dienstleistungen an, sondern der freiheitlichen ziele über die Persönlichkeitsveränderung des Menschen auf die Errichdemokratischen tung einer scientologischen Gesellschaftsund Staatsordnung, die im Grundordnung Widerspruch zu zentralen Prinzipien unserer Rechtsordnung stehe. Das Gutachten bestätigt die bisherige Bewertung der SO durch die bayerischen Sicherheitsbehörden. Auch das Verwaltungsgericht Köln hat 2004 im Rechtsstreit zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und der SO bestätigt, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolge, die darauf gerichtet sind, die Grundrechte, insbesondere die Menschenwürde, zu beseitigen. Das Gutachten ist unter der ISBN 3-936142-40-8 beim Pabst Science Publishers Verlag unter dem Titel "Gesundheitliche und rechtliche Risiken bei Scientology" erschienen. 3. Organisationsund Kommandostruktur der SO 3.1 Weltweite Kommandostruktur der SO Die Einrichtungen der SO in Deutschland erscheinen zwar nach außen als rechtlich selbständig, sind jedoch der strikten Befehlsund Disziplinargewalt des Internationalen Managements in den USA unterworfen und daher unselbständige Teile. Befehlszentrale Das Religious Technology Center (RTC) unter David Miscavige hat die der SO oberste Befehlsgewalt in der SO. Unterhalb des RTC ist das Internationale Management der SO angesiedelt. Dieses hat die Aufgabe, für jeden Sektor der SO Strategien und taktische Pläne zu entwickeln. Hier wird auch die Führung der verschiedenen Sektoren koordiniert. Derartige Sektoren sind u.a. die Bereiche "Church", WISE, ABLE und OSA. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Compilations Unit; Translations ns Unit; Cine Org Audio Division (Tapes, Music); Systemss M Manufacturing Division Projection Systems, s, Cassette Decks)] Scientology-Organisation 217 218 Scientology-Organisation Das Internationale Management besteht demzufolge aus mehreren Gruppen, von denen jede eine ganz bestimmte Verantwortung trägt. Die oberste Stufe dieser Führungsebene ist das Watchdog Committee (WDC). Hierbei handelt es sich um eine "Inspektionsund Überwachungsorganisation", welche die eigentlichen Management-Gruppen inspiziert und für deren Funktionieren sorgen soll. 3.2 Organisation der SO in Deutschland 3.2.1 "Church"-Sektor Derzeit existieren im Bundesgebiet zehn "Kirchen" (Orgs) und "Celebrity Centres" (CC), und zwar jeweils eine Org und ein CC in München, Düsseldorf und Hamburg, sowie jeweils eine Org in Berlin, Stuttgart, Frankfurt am Main und Hannover. Außerdem gibt es in Deutschland insgesamt 14 "Missionen", davon neun in Baden-Württemberg, je eine in Bremen und Hessen sowie drei in Bayern, nämlich in München, Nürnberg und Augsburg. Daneben sind noch einige so genannte "Feldauditorengruppen" aktiv. Die genannten Einrichtungen der SO sind in Deutschland überwiegend als eingetragene Vereine organisiert. Als Dachverband fungiert die "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD). Diese Vereine sind jedoch Scheinselbstännur scheinbar selbständig; sie haben im weltweiten, aus den USA gedige Teilorganisteuerten System kaum eigenständige Funktionen. Faktisch werden die sation SO-Einrichtungen nicht durch die jeweiligen Vereinsvorstände geleitet, sondern durch die Executive Directors und die sonstigen Funktionsinhaber in den USA über die jeweiligen Verbindungsstellen. Dies ist in den Lizenzverträgen über die Nutzung der Dianetikund Scientology-Warenzeichen zwischen der Konzernspitze in den USA und den örtlichen "Kirchen", "Missionen" usw. in aller Welt geregelt. So wurden beispielsweise Mitglieder der Eliteorganisation Sea-Org aus den USA und dem Kontinentalen Verbindungsbüro in Kopenhagen in deutsche Einrichtungen der SO abgeordnet, um dort Befehle zu erteilen und für die richtige "Handhabung" der scientologischen Technologie zu sorgen. 3.2.2 WISE-Sektor Das 1979 von der SO gegründete World Institute of Scientology Enterprises (WISE) besteht aus Geschäftsleuten oder Firmen aus allen Bereichen der Wirtschaft. Zweck von WISE ist es, Geld für die SO zu beWirtschaftliche schaffen und durch die Verbreitung der auf L. Ron Hubbard beruhenund politische den "Technologie" Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Damit Bedeutung kommt WISE auch eine führende politische Bedeutung zu. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Scientology-Organisation 219 Organisationen der SO Hof in Bayern Aschaffenburg Würzburg KVPM - Schlüsselfeld Nürnberg Scientology Mission Nürnberg Regensburg Scientology Mission Ingolstadt Augsburg Passau Augsburg Scientology Mission München München Celebrity Center München Lindau WISE Scientology Scientology KVPM - Starnberg Kirche Kirche Bundesleitung Deutschland e.V. Bayern e.V. Department of Department of KVPM Special Affairs Special Affairs München GER MUC Schwerpunkte in Deutschland und Bayern sind die Immobilienbranche sowie die Unternehmens-, Führungsund Personalberatung. Darüber hinaus ist die IT-Branche aufgrund ihrer globalen Vernetzung und ihrer technischen Möglichkeiten ins Blickfeld von Scientologen geraten, da sie den Zugang in sensibelste Unternehmensbereiche eröffnen kann. In besonderem Maße bemüht sich die SO seit einiger Zeit, in Osteuropa (Russland, Ungarn) zu expandieren. Kontinentale WISE-Büros finden sich für Europa in Kopenhagen, Mailand, Budapest und Moskau. Über so genannte Hubbard Colleges of Administration wird versucht, Hubbards Verwaltungstechnologie als vorgeblich erfolgreiches westliches Know-how in Unternehmen WISE-Logo und in der Verwaltung zu etablieren. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 220 Scientology-Organisation 3.2.3 ABLE-Sektor Umwandlung des Die Association for better Living and Education (ABLE) versucht, für die Sozialbereichs SO den sozialen Bereich der Gesellschaft zu durchdringen und scientologische Lösungsansätze zu realisieren. Zu den dem ABLE-Bereich zuzuordnenden Organisationen gehören vor allem * das "Zentrum für individuelles und effektives Lernen" (ZIEL), * "Applied Scholastics" (Ausbildungsprogramm; u.a. Englisch-Fernkurse), * "NARCONON", ein angebliches Drogenrehabilitationsprogramm, * "CRIMINON", angeblich ein Programm zur Rehabilitation von Strafgefangenen. Mit diesen Organisationen versucht die SO, sich als humanitäre, karitative und sozial verantwortliche Organisation darzustellen. Die Wahl von Ausbildung, Gefangenenund Drogenrehabilitation als weiteren Schwerpunkten lässt den Schluss zu, dass die gerade bei diesen Personengruppen gegebene Möglichkeit der leichteren Einflussnahme benutzt wird, um diese für die SO zu werben. 3.2.4 Besonders aktive Tarnorganisationen der SO 3.2.4.1 NARCONON Im Jahr 2003 gründeten Mitglieder der SO in München einen neuen Proteste gegen Verein "NARCONON Bayern e.V.". Dieser Verein versuchte, im LandNARCONON-Cenkreis Cham ein NARCONON-Rehabilitationszentrum zu errichten. Proter teste aus der örtlichen Bevölkerung verhinderten das Vorhaben. Stattdessen mietete der Verein Ende 2004 ein ehemaliges Alpengasthaus im österreichischen Ellmau/Tirol, um dort Anfang 2005 ein Drogenrehabilitationszentrum, "Europas größtes" NARCONON-Center, zu eröffnen. Mittlerweile kam es aber auch dort zu Protesten in der Öffentlichkeit gegen diese Einrichtung. Es bleibt abzuwarten, ob Logo von NARCONON sich diese SO-Einrichtung in Tirol auf Dauer etablieren kann. Zur Gründung einer NARCONON-Einrichtung empfiehlt die SO Folgendes: "Jeder, der daran interessiert ist, als Pionier ein NARCONON-Zentrum auf der Grundlage der Technologie L. Ron Hubbards zu eröffnen, sollte als erstes mit dem nächstgelegenen NARCONON-Zentrum oder mit einem Repräsentanten von NARCONON International Kontakt aufnehmen, der ihm dabei helfen wird. NARCONON International wird anschließend mit Rat, Anleitung und Materialien zur Verfügung stehen, die für einen Start benötigt werden." (Auszug aus "Was ist Scientology?", Seite 514) Die Teilnehmer an einem "NARCONON-Entzug" durchlaufen u.a. eine "Trainings-Routine", was in den "Kirchen" zum Vorbereitungsprogramm Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Scientology-Organisation 221 der Ausbildung zum Auditor gehört. Teil des Kurses ist ferner ein "Reinigungsprogramm", das in den "Kirchen" vor Beginn des Auditings zu absolvieren ist. 1995 verurteilte das Amtsgericht Miesbach einen Verantwortlichen von NARCONON wegen Verstößen gegen das Heilpraktikergesetz. Damals wurde festgestellt, dass weder der angeklagte Vorsitzende des Vereins "NARCONON-Schliersee" noch die Betreuer zur Ausübung eines Heilberufs befähigt oder berechtigt waren. 3.2.4.2 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) Die KVPM ist eine mit der SO verbundene Organisation und im Bereich "Sozialreformen" tätig. Sie wurde 1972 von Mitgliedern der SO gegründet. Als ihr Ziel bezeichnet sie, Missbräuche und Menschenrechtsverletzungen der Psychiatrie zu untersuchen und aufzudecken. Nach internen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Publikationen soll sie jedoch dazu beitragen, eine neue Zivilisation, eine scientologische Gesellschaft zu schaffen. Angesiedelt ist die KVPM im Office of Special Affairs (OSA) der SO. KVPM-Logo 3.2.5 Office of Special Affairs (OSA) OSA ist die Nachfolgeorganisation einer bereits in den 60er Jahren unter dem Namen Guardian Office (GO) aufgebauten Abteilung, die nach eigenem Selbstverständnis auch Nachrichtendienstund SpionageGeheimdienst der funktionen hatte. Zahlreiche Grundlagenpapiere für das GO, z.B. für SO nachrichtendienstliche Schulung, wurden für den neuen Dienst als OSA-Network Orders übernommen. Im Gegensatz zur rigiden und direkten Vorgehensweise des GO, die in der Vergangenheit international zu einem Ansehensverlust der SO geführt hatte, operiert das OSA heute erkennbar vorsichtiger, ohne seine Ziele im Wesentlichen geändert zu haben. Die für Deutschland zuständige OSA-Einheit ist das Department of SpeDeutsche OSAcial Affairs (DSA) mit Sitz in München. Nach außen tritt das DSA unter Zentrale der Bezeichnung "Scientology-Kirche Deutschland, Beichstraße 12, 80802 München" auf; der inoffizielle Sitz befindet sich in München in der Nordendstraße 3. Dem DSA-Deutschland nachgeordnet sind die lokalen DSA-Büros in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, München und Ulm, Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 222 Scientology-Organisation angesiedelt bei den dortigen "Scientology Kirchen" oder den "Celebrity Centres". Die SO selbst stellt ihre OSA-Einrichtung für Deutschland mit Sitz in Presseund München als Büro für öffentliche Angelegenheiten oder als Presseund Rechtsamt Rechtsamt dar. Teile des OSA sind das Deutsche Büro für Menschenrechte und die Citizens Commission on Human Rights (CCHR). Da das CCHR weisungsgebend für die Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) ist, kann dieses öffentlichkeitswirksame Aushängeschild zur Bekämpfung der Psychiatrie ebenfalls dem Bereich OSA zugerechnet werden. Auch die im August 2001 gegründete "Aktion Transparente Verwaltung München" (ATV), betrieben von einem DSA-Unterabteilungsleiter, ist dem OSA zuzurechnen. Die ATV unterhält eine eigene Homepage; ein Hinweis auf Scientology ist dort nicht erkennbar. Das Engagement im Bereich angeblicher Menschenrechtsverletzungen gegen Scientologen durch feindliche Staaten und ihre Behörden ist wesentlicher Bestandteil der Expansionsbemühungen, ebenso der von Hubbard betriebene Kampf gegen die Psychiater als "Quelle allen Übels in der Welt". Gemäß der Hubbard-Anweisung (HCO-PL) vom 13. März 1961 soll in den OSA-Akten die jeweilige Ausgangslage für Maßnahmen von OSA bzw. DSA gegen "Feinde" (der SO kritisch begegnende Personen) gesammelt werden. Der HCO-PL beschreibt als Ziel der Abteilung: " ... Behörden und ihnen entgegen gesetzte Denkmodelle oder Gesellschaften in einen Zustand völliger Übereinstimmung mit den Zielen der SO zu bringen. (...) Dies geschieht durch die hochrangige Fähigkeit zur Steuerung und - falls sie nicht gegeben ist - durch die weiter unten angesiedelte Fähigkeit zur Überwältigung." Arbeitsweise des Das DSA-Deutschland setzt diese Anweisung um, sammelt InformatioDSA-Deutschland nen über Kritiker, Politiker, Behördenangehörige und andere Gegner, wertet sie aus und verwendet sie für eigene operative Maßnahmen. Durch Recherchen unter Falschnamen und andere Maßnahmen verschafft sich das DSA-Deutschland interne Unterlagen deutscher Einrichtungen. Seine Außendienstmitarbeiter observieren als "Feinde" bezeichnete Gegner der SO und beziehen, um Rückschlüsse auf ihre Organisation zu verhindern, Privatdetektive in ihre Arbeit ein. Das DSA arbeitet abgeschottet gegenüber anderen SO-Strukturen. Die Informationen an übergeordnete Einrichtungen werden verschlüsselt oder durch konspirativen Botenverkehr übermittelt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Scientology-Organisation 223 4. Mitglieder der SO Die SO hat in Deutschland zwischen 5.000 und 6.000 Mitglieder, wobei Mitgliederzahlen die Organisation selbst eine deutlich höhere Zahl angibt. Früher behauptete die SO, dass die "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD) über 30.000 Mitglieder habe; im Rechtsstreit der SO gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (vgl. auch Nummer 6 dieses Abschnitts) gab der Präsident der SKD im Jahr 2004 an, die SKD habe etwa 12.000 Mitglieder. Der Mitgliederstand in Bayern ist mit etwa 2.600 konstant geblieben. Als Mitglieder werden solche Personen verstanden, die ihre Mitgliedschaft in einem SO-Verein oder einer sonstigen SO-Gliederung, z.B. im WISEoder ABLE-Bereich, schriftlich erklärt haben oder durch die Belegung von Kursen in einem SO-Verein verdeutlichen. 5. Veranstaltungen und sonstige Aktivitäten der SO Schwerpunkt der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der SO in Bayern waren Informationsstände vor allem in München, vereinzelt auch in Info-Stände Nürnberg und Augsburg. Wie 2004 hat die SO wesentlich mehr öffentliche Veranstaltungen abgehalten als in den Jahren zuvor. Die etwa 200 öffentlichen Veranstaltungen in Bayern waren größtenteils als Informationsstände in Form von Versammlungen organisiert. Als Veranstalter traten meist die "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD) und ihre Tarnorganisation Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte (KVPM) auf. Die SKD warb einerseits wie in den Vorjahren mit dem Thema "Sag JA zum Leben - Sag NEIN zu Drogen" um Aufmerksamkeit; andererseits sollte das Thema "Für den Frieden auf der Welt - Dianetik führt zum Frieden" Interesse für die SO in der Öffentlichkeit wecken. Die SO-Tarnorganisation KVPM hingegen versuchte, mit Berichten über angebliche Missbräuche der Psychiatrie Aufsehen zu erregen. Darüber hinaus wurde die bundesweite Informationskampagne über die so genannten "Ehrenamtlichen Geistlichen" (Volunteer Ministers) der SO fortgesetzt. Diese Themen dienen nur vordergründig dazu, angebliche Missstände anzuprangern. Bei einigen Veranstaltungen wurden Listen ausgelegt, in die sich Betroffene oder interessierte Bürger eintragen konnten. Diesen wird dann, wie SO selbst im Internet berichtete, Informationsmaterial zugesandt, um sie für SO zu gewinnen. Die Resonanz in der Öffentlichkeit war jedoch gering. Daneben führte die SO zahlreiche Postwurfaktionen durch, wobei FlugFlugblattaktionen blätter und die Publikation "Freiheit" in großer Anzahl verteilt wurden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 224 Scientology-Organisation Mehrere Straßenwerber wurden nach der nicht erlaubten Verteilung von Werbematerialien auf öffentlichen Straßen wegen Verstoßes gegen das Bayerische Straßenund Wegegesetz angezeigt. Anti-DrogenWie in den Jahren zuvor verteilten Scientologen die Broschüre "Die FakKampagne ten über den Joint! Sag NEIN zu Drogen" an Polizeidienststellen. Die SO sandte diese Publikation auch an Schulen und Behörden. Mit der Propagierung von scientologischen Lösungsansätzen in der Drogenproblematik sollen betroffene Personen veranlasst werden, kostenpflichtige Angebote der SO (Bücher, Kurse, so genannte Reinigungsrundowns usw.) anzunehmen. Nach Ansicht der SO ist das derzeitige Bildungsund Schulsystem nicht imstande, den Schülern und Studenten "wahre Fertigkeiten und geistige Fähigkeiten" beizubringen. In diesem Zusammenhang heißt es bereits im Klappentext aus dem Jahr 1992 zum "grundlegenden Studierleitfaden" von Hubbard: "Erlangen Sie die Fertigkeiten, die Ihnen das Schulsystem niemals beibrachte - und beginnen Sie wirklich anzuwenden, was Sie lernen!" Bei der Feier zum 19. Jahrestag der International Association of Scientologists (IAS) Ende 2003, in der die Expansionsziele für das Jahr 2004 bekannt gegeben wurden, forderte David Miscavige, der Vorsitzende des Religious Technology Center (RTC), in seiner Rede zu diesem Thema: "Die Studiertechnologie muss überall sein. (...) So schaffen wir die Mittel, um die Tech in jede Schule einzuführen und das Problem auf globaler Ebene zu lösen." Schülerund Die Organisationen und alle Scientologen weltweit wurden auch für das StudentennachJahr 2005 aufgefordert, die scientologische Studiertechnologie in die hilfegruppen Gesellschaft einzubringen. Dazu sollen Scientologen im Umfeld ihrer "Kirchen" und "Missionen" zahlreiche Schülernachhilfegruppen ins Leben rufen, um die Studiertechnologie Hubbards zu verbreiten und neue Mitglieder zu rekrutieren. Sowohl das Werbematerial der von Scientologen geführten Lernstudios als auch der Firmenname enthalten dabei keine Hinweise auf die Organisation. So tragen die Firmen neutrale Namen, wie z. B. Lernstudio oder Lerncenter. Die Umsetzung im Bereich der Schülernachhilfe war jedoch bisher wenig erfolgreich. Im Bereich der Studentennachhilfe hat sich allerdings schon seit Jahren in München im Umfeld der Universität München ein Mitglied der SO-Tarnorganisation "I help" etabliert und bietet dort Studierhilfen nach der Hubbard-Studiertechnologie an, wobei den Absolventen meist verschwiegen wird, dass die "Hubbard-Tech" zur Anwendung kommt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Scientology-Organisation 225 Die angebliche Menschenrechtsorganisation "Alert International Inc." mit Sitz in Florida/USA wandte sich seit Anfang Juni schriftlich an bisher etwa einhundert bayerische Behördenmitarbeiter mit der Aufforderung, Korruption und sonstige Gesetzesverstöße in der Verwaltung aufzuKorruptionsvordecken. Die Empfänger wurden aufgefordert, "Alert" entsprechende würfe gegen die Hinweise auf derartige Vorkommnisse vertraulich mitzuteilen, damit Verwaltung diese wieder "Recht und Ordnung" Geltung verschaffen könne. Mit diesem Aufruf, Behördeninterna an "Alert" zu melden, sollen offenbar Behördenmitarbeiter zu Dienstvergehen angestiftet werden. Die Art und Weise dieses Vorgehens lässt darauf schließen, dass es der SO gelungen ist, diese angebliche Menschenrechtsorganisation für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Schon in den vergangenen Jahren trat "Alert" an bayerische Unternehmen heran, um die Verwendung der Schutzerklärung gegen Scientology, von ihr "Sektenfilter" genannt, anzuprangern. In diesem Zusammenhang wurden auch zahlreiche Schreiben an bayerische Behörden gesandt, in denen behauptet wurde, das Bayerische Staatministerium des Innern diskriminiere Angehörige von so genannten Minderheitsreligionen. 6. Verwaltungsgerichtsverfahren Die SO hat am 2. Mai gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. November 2004 Berufung eingelegt. Mit diesem Urteil hatte das Verwaltungsgericht Köln die Klage der SO auf Unterlassung der BeobachBeobachtung der tung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in vollem SO durch BfV Umfang zurückgewiesen (Az. 20 K 1882/03). Das Gericht führte zur rechtens Begründung aus, es sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Beobachtung der "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD) und der "Scientology Kirche Berlin e.V." (SKB) durch das BfV sowohl mit offenen als auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln rechtmäßig sei, weil deutliche tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Kläger verfassungsfeindliche Ziele verfolgten. Das Urteil stellte auch klar, dass Scientology seine verfassungsfeindlichen Ziele nicht nur theoretisch verfolgt, sondern auch praktisch umsetzt, wenn es ausführt, dass "tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die von den Klägern verfolgten Verhaltensweisen zielund zweckgerichtet darauf gerichtet sind, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen". Der Hinweis des Gerichts, dass "Kämpfer für Scientology" geworben werden sollen und dass die Kläger letztendlich das "Konzept verfolgen, die verfassungsmäßige Ordnung zu untergraben", deutet in Richtung auf eine Betätigungsweise, die als aggressiv-kämpferisch bezeichnet wird. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 226 Scientology-Organisation In seiner Klageerwiderung vom 15. August 2003 hat der Prozessbevollmächtigte des BfV eine ausführliche Darstellung der vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche und teilweise sogar Aggressiv-kämpaggressiv-kämpferische Bestrebungen der SO gegen die freiheitliche ferische Ansätze demokratische Grundordnung und darüber hinaus für Straftaten wie Betrug und Nötigung gegeben. Hierzu einige Zitate: "Scientology sieht sich in einem Kampf auf Leben oder Tod mit dem Rest der Welt, und hieraus wird erklärlich, weshalb dieser Kampf nach Auffassung von Scientology ohne Rücksicht, ohne Grenzen und mit allen Mitteln geführt werden muß und geführt werden darf." "Es ist offensichtlich, dass eine Gruppierung mit diesem Verständnis, sollte sie je bestimmenden oder gar beherrschenden Einfluß in einem Staat erringen, eine Schreckensund Terrorherrschaft errichten würde, die auf die Unterdrückung, wenn nicht gar vollständige Vernichtung aller ihrer Gegner gerichtet wäre." "Scientology ist stets, überall und jederzeit, bemüht, alles in Erfahrung zu bringen, was sich in irgendeiner Weise gegen seine Kritiker verwenden ließe. Dies wird eingesetzt, um Kritiker mit der Drohung der Veröffentlichung einzuschüchtern. Dabei handelt es sich um systematische strafbare Nötigung im Sinn des SS 240 StGB, weil die zur öffentlichen Diskreditierung der Kritiker eingesetzten Informationen nichts mit der Kritik an Scientology zu tun haben." Beobachtung der Das Oberverwaltungsgericht des Saarlands entschied in einer BerufungsSO im Saarland verhandlung am 27. April, dass die Beobachtung der SO im Saarland durch den Verfassungsschutz zwar zulässig sei, aber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln fortgesetzt werden dürfe. Als Begründung war angeführt, dass im Saarland weniger als zwanzig Scientologen ihren Wohnsitz hätten und diese zudem von der "Scientology Kirche Frankfurt e.V." betreut würden. An der Verfassungsfeindlichkeit der SO hatte das Gericht keine Zweifel. "CCM-EntscheiDer Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschied am 2. Novemdung" ber, dass der Verein "Celebrity Center Scientology Kirche München e.V." (CCM) weiterhin als "eingetragener Verein" tätig sein darf (Az.: 4 B 99.2582). Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Die Landeshauptstadt München hatte mit Bescheid vom 13. November 1995 dem eingetragenen Verein die Rechtsfähigkeit entzogen, weil er entgegen seiner Satzung keine ideellen Ziele verfolge. Das Verwaltungsgericht München hatte die Klage des Vereins gegen den Entzug der Rechtsfähigkeit mit Urteil vom 2. Juni 1999 abgewiesen. Der BayVGH hat nun der Berufung des Vereins stattgegeben und den Bescheid der Landeshauptstadt München aufgehoben, weil der Verein seinen Mitgliedern Leistungen anbiete, in denen sich die Vereinsmitgliedschaft verwirkliche und die unabhängig von den "mitgliedschaftVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Scientology-Organisation 227 lichen Beziehungen" nicht von anderen Anbietern erbracht werden könnten. Für die Mitglieder würden die Leistungen des CCM von einer gemeinsamen scientologischen Überzeugung getragen, von der sie nicht gelöst werden könnten, ohne ihren Wert für die einzelnen Mitglieder zu verlieren. Das Urteil hat unmittelbar nur Geltung für das CCM und nicht für andere SO-Vereine. Unberührt bleibt von dieser Entscheidung auch die Bewertung eines SO-Vereins als Gewerbebetrieb, da die Begriffe "wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb" im Sinn des Vereinsrechts und "Gewerbe" im Sinn des Gewerberechts nach Ansicht des BayVGH wegen unterschiedlicher Schutzzwecke nicht identisch sind. 7. Vertrauliches Telefon und Informationsangebot im Internet Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz unterhält ein "vertrauliches Telefon" unter der Nummer 0 89 / 31 20 12 96. Opfer, Aussteiger und Angehörige von Scientology-Mitgliedern können dort Hinweise über die SO geben. Für Beratungen stehen die anerkannten Beratungsstellen zur Verfügung. Das Bayerische Staatsministerium des Innern informiert im Internet über die Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung, über Pressemitteilungen und Gerichtsentscheidungen unter folgender Adresse: http://www.innenministerium.bayern.de/scientology Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 228 Spionageabwehr 7. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage Die Notwendigkeit für die internationale Staatengemeinschaft, die VerProliferation breitung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation) bei Krisenländern und terroristischen Organisationen zu verhindern, und die Beobachtung der Wirtschaftsspionage stehen - neben den nachrichtendienstlichen Aktivitäten vor allem Chinas und der GUS-Staaten - weiter im Mittelpunkt des Auftrags des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz in der Spionageabwehr. Die zunehmenden Bemühungen von hoch technisierten deutschen - insbesondere auch mittelständischen - Unternehmen, sich auf den Wirtschaftsmärkten in Russland und Fernost zu etablieren, sind für den Schutz von Know-how nicht ohne Gefahren. Aktivitäten fremder Nachrichtendienste zur Erlangung von Spezialwissen belegen das nach wie vor bestehende Interesse an deutscher Entwicklungsarbeit. Die Volksrepublik China versucht mit Nachdruck, den technologischen Abstand zu den führenden Industriestaaten zu verringern. Mit dem Zielobjekte der aggressiven Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel werden vor allem VR China Informationen zu den Bereichen Militär, Wirtschaft und Forschung gesammelt. Sowohl Aussagen von Überläufern chinesischer Nachrichtendienste als auch erkannte Spionagefälle im Jahr 2005 belegen diese Entwicklung. Darüber hinaus versucht die VR China weiterhin, oppositionelle Gruppierungen im Ausland zu beobachten und zu unterwandern. Vor allem die in China verbotene buddhistisch-taoistische Falun-Gong-Bewegung sowie die in Deutschland lebenden organisierten Angehörigen der uigurischen Minderheit, aber auch Anhänger der taiwanesischen Souveränität stehen im Blickfeld der chinesischen Nachrichtendienste. Aktivitäten Die hohe Zahl der in russischen diplomatischen Vertretungen in russischer NachDeutschland beschäftigten nachrichtendienstlichen Mitarbeiter lässt richtendienste einen Rückschluss auf den Aktivitätsgrad des russischen Auslandsaufklärungsdienstes SWR bzw. des militärischen Dienstes GRU in Deutschland zu. Während sich der SWR in erster Linie um Informationen zu politischen und wirtschaftlichen Bereichen und Zielobjekten bemüht, ist Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Spionageabwehr 229 der GRU primär an klassischen Militärobjekten und -technologien interessiert. Die Erweiterung von NATO und EU, die Haltung Deutschlands zu Tschetschenien, die Handelsbeziehungen zu Russland sowie der angestrebte schnellere Zugang zu westlichem Know-how für die Modernisierung der Wirtschaft Russlands sind Basis und Gegenstand der Aufträge der Staatsführung an die Nachrichtendienste. Auch Angehörige des russischen Inlandsnachrichtendienstes FSB betreiben in Deutschland Aufklärung. Nach wie vor werden Agentenoperationen aus getarnten Stützpunkten in diplomatischen Vertretungen, so genannten Residenturen, geführt. So wurde ein russischer Konsul aus Hamburg abberufen, der rund 20 Treffen mit einem Bundeswehrangehörigen, u.a. auch in Bayern, durchgeführt hatte. Die Nachrichtendienste der Länder Syrien und Iran legen einen SchwerRegimekritiker punkt ihrer Auslandsaktivitäten im Westen auf die Aufklärung und im Visier Infiltration regimekritischer Organisationen. Vor dem Hintergrund terroristischer Anschläge im Irak sind auch nachrichtendienstliche Bestrebungen irakischer Geheimdienste zu beobachten, in Deutschland agierende Strukturen des internationalen islamistischen Terrorismus zu erkennen und aufzuklären. 2. Wirtschaftsspionage Nicht nur Großunternehmen, sondern auch kleine und mittelständische Firmen verfügen vielfach über technisches Know-how, das für Know-how im die Nachrichtendienste anderer Länder von Interesse ist. Allerdings Blickfeld der lässt das Bestreben deutscher Unternehmen, an den florierenden AbsatzNachrichtendienste märkten der Russischen Föderation und Asiens teilzuhaben, oftmals die Sensibilität für den Schutz dieses Wissens in den Hintergrund rücken. Auch die geplante Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland bringt unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsspionage weitere Gefahren mit sich. Der wachsende internationale Wettbewerb führt ferner zu zunehmenden Aktivitäten fremder Nachrichtendienste gegen deutsche Unternehmen. Besonders in China bestehen speziell für Investoren der ausländischen Wirtschaft Vorschriften, die darauf abzielen, an das Know-how der Firma zu gelangen. So ist für Produkte bzw. Branchen, die für die chinesische Wirtschaft besonders wichtig sind, ein Joint Venture mit einem chinesischen Geschäftspartner gesetzlich vorgeschrieben. Durch das so gewonnene Know-how kann das Produkt von anderen chinesischen Firmen nachgebaut werden. Auch durch den Kauf deutscher Firmen gelangt die VR China an westliche Technologie. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz unterstützt und berät bayerische Unternehmen zum Schutz gegen WirtVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 230 Spionageabwehr schaftsspionage. Diese Maßnahmen entfalten auch präventive Wirkung gegen Ausspähungsversuche fremder Unternehmen, so genannte Konkurrenzspionage. Nachrichtendienste fremder Staaten versuchen, neben dem konkreten Produkt auch den technischen Entwicklungsvorsprung bayerischer Unternehmen und Universitäten, betriebswirtschaftliche Aspekte und auch die allgemeine Entwicklung der bayerischen Wirtschaft auszuforschen. Diese strategische Wirtschaftsaufklärung stellt heute den Kern des Informationsinteresses fremder Nachrichtendienste dar. Folgender Beispielsfall der Wirtschaftsspionage verdeutlicht die Vorgehensweise ausländischer Nachrichtendienste: Ein asiatischer Angestellter eines mittelständischen Unternehmens gewann sehr schnell das Vertrauen der Geschäftsleitung. Er erhielt einen Generalschlüssel, konnte sich so ungehindert in den Räumen der Firma bewegen und bekam Zugang zu allen Dateien. Nach seinem überraschenden Ausscheiden wurde festgestellt, dass er große Datenmengen elektronisch in sein Heimatland versandt hatte. Außerdem hatte er alle persönlichen Dateien gelöscht, um eine Überprüfung seiner Aktivitäten zu verhindern. Von einem nachrichtendienstlich gesteuerten Know-how-Abfluss ist auszugehen. 3. Spionage im Bereich der Kommunikationstechnik Parallel zur wachsenden Bedeutung der Informationstechnik (IT) für die öffentliche Verwaltung und die Wirtschaft hat sich auch die Technik zur Ausforschung von Kommunikationswegen rasch weiterentwickelt. BeAbhöranfälligkeit sonders betroffen ist die zunehmend eingesetzte drahtlose Wireless-Techder Telekommunik, die zwar für den Anwender den Komfort erhöht, aber das unernikation wünschte Abhören und Erfassen von Mitteilungen jedweder Art erleichtert. Veröffentlichte Tests haben gezeigt, dass sich technisch Versierte problemlos in Verbindungen einloggen können, ohne dass die Betroffenen hiervon Kenntnis erlangen. Die modernen Kommunikationstechniken haben die Bandbreite der Angriffsmethoden deutlich erweitert. So birgt die Bluetooth-Funktion in Handys kritische Sicherheitslücken in sich. Um einen erfolgreichen Angriff zu starten und Daten auszulesen sowie Telefonanrufe mitzuhören, genügt bereits ein anderes Mobiltelefon. Prinzipiell lassen sich so auch E-Mails, Fotos und PIN-Codes ausspähen, sofern sie auf dem Handy hinterlegt sind. Der Einsatz von Bluetooth in sicherheitsempfindlichen Bereichen sollte deshalb unterbleiben. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Spionageabwehr 231 Vor dem "Abhören" der Kommunikationsverbindungen sind weder Schwachstellen Telefon, SMS, E-Mail noch Fax sicher. Insbesondere können Handys und der InformationsLaptops durch Manipulationen zu "Wanzen" umfunktioniert werden, technik um damit alle Gespräche in einem Raum zu belauschen. Auch das Ausspähen geheimer Informationen über gefälschte E-Mails und Internet-Seiten, das so genannte Phishing und Pharming, stellt ein neues, bedeutendes Sicherheitsrisiko dar. Firmen sind gezwungen, ihre Produkte im Internet weltweit darzustellen, was allerdings auch die Gefahr eines Hacker-Angriffs mit sich bringt. Der Versuch, IT-Schwachstellen zu beseitigen, wird durch die ständig wachsende Komplexität der Software erschwert; zudem erhöhen an die Informationsnetze angeschlossene mobile Geräte das Sicherheitsrisiko erheblich. Im Zeitalter internationaler Kommunikation ist eine räumliche Nähe zum Spionageziel nicht mehr erforderlich; Hacking kann mit geringem Aufwand von jedem Ort der Welt betrieben werden. Dabei erleichtern mangelnder Systemschutz und fahrlässiger Umgang mit Passwörtern dem Angreifer die Arbeit. Bei aller Notwendigkeit, die moderne KomAbsicherung von munikationstechnik zu nutzen, kommt es entscheidend darauf an, die Speicherung und wesentlichen Kernbereiche der geheim zu haltenden Informationen Übertragungsdurch weitgehend sichere Speichermöglichkeiten und Übertragungswegen wege zu schützen. In jüngster Zeit wurden in mehreren westlichen Staaten massive elektronische Angriffe aus China vordringlich auf Computernetze öffentlicher Einrichtungen, aber auch auf private IT-Netze festgestellt. Die Angriffe erfolgen durch E-Mails, die einen "Trojaner" enthalten, der ein Schadprogramm auf dem Empfangsgerät installiert. 4. Proliferation Unter Proliferation versteht man die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte einschließlich der dazu erforderlichen Kenntnisse sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen. Nach wie vor belegen die Beschaffungsaktivitäten verschiedener Krisenländer deren Absicht, sich in den Besitz atomarer, biologischer und chemischer Waffen bzw. der benötigten Trägersysteme zu bringen. Unveränderte Schwerpunkte in der Beobachtung der Proliferation sind die Proliferation durch Länder Iran, Nordkorea und Pakistan. Derzeit wird beobachtet, dass Krisenländer russische Firmen, die Verträge zum Bau von Atomanlagen mit dem Iran abgeschlossen haben, als Käufer sensibler Waren auftreten und diese Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 232 Spionageabwehr dann - ohne Kenntnis des Verkäufers - im Rahmen einer Umweglieferung in den Iran weiterleiten. Als problematisch stellt sich auch die verstärkt festgestellte Weitergabe von Schlüsseltechnologien zwischen proliferationsrelevanten Staaten dar. Diese so genannte "Horizontale Proliferation" ist für die westlichen Nachrichtendienste besonders schwer aufzuklären und zu verhindern. In mehreren Fällen konnten Beschaffungsbemühungen proliferationsrelevanter Staaten im Rahmen eines neuen Bearbeitungskonzepts, des so genannten "Produktansatzes", offen gelegt werden. Hierbei werden geeignete Firmen in Bayern, die spezielle Technologien und Waren liefern können, sensibilisierend angesprochen. Eine weitere Möglichkeit, an proliferationsrelevante Technologien zu gelangen, stellt die Entsendung von Gastwissenschaftlern dar. In einer vom Auswärtigen Amt und deutschen Sicherheitsbehörden initiierten "Arbeitsgemeinschaft Gastwissenschaftler" werden Deutschlandaufenthalte von Wissenschaftlern aus bestimmten Staaten auf eine mögliche Proliferationsgefahr hin geprüft und im Bedarfsfall auch die aufnehmende Universität in Deutschland zu einem Sensibilisierungsgespräch kontaktiert. Verstöße gegen Im Berichtszeitraum wurden mehrere Verstöße gegen das Verbot der das Ausfuhrverbot Ausfuhr bestimmter Technologien bekannt. Ein Beispiel hierfür ist: Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtete bis Anfang 2004 eine Münchener Firma im Zusammenhang mit Lieferungen an das illegale pakistanische Atomwaffenprogramm. Über die so gewonnenen Erkenntnisse wurde die zuständige Zollfahndung informiert. Deren Ermittlungen führten schließlich zur Festnahme des Geschäftsführers und zur Anklageerhebung. Dem Angeklagten konnten insgesamt 21 Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz nachgewiesen werden. Ihm wurde zur Last gelegt, von 2000 bis 2004 Material im Gesamtwert von rund 400.000 Euro an pakistanische Firmen geliefert zu haben, die am Atomwaffenprogramm des Landes beteiligt sind. Die Produkte sind für eine Nutzung in einer Gasultrazentrifuge (GUZ) geeignet. Mit der GUZ wird Uran für die Verwendung in kerntechnischen Anlagen und - bei entsprechend höherem Anreicherungsgrad - auch zum Bau der Atombombe nutzbar gemacht. Der Geschäftsführer wurde am 24. November wegen Unterstützung des pakistanischen Atomwaffenprogramms durch unerlaubte Waffenlieferungen zu sieben Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Spionageabwehr 233 5. Schutzmaßnahmen - Beratung durch den Verfassungsschutz Das Sensibilisierungsprogramm des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz soll präventiv zur Verhinderung der Wirtschaftsspionage beitragen. Mittelständische Unternehmen werden dabei für Gefahren Sensibilisierung sensibilisiert und ein Sicherheitsbewusstsein für notwendige Schutzder Firmenmaßnahmen gegen die Ausspähung von Firmengeheimnissen geweckt. verantwortlichen Die angesprochenen Firmenverantwortlichen werden so in die Lage versetzt, die Schwachstellen im Know-how-Schutz selbst zu erkennen und Sicherheitskonzepte zu entwickeln. Im Jahr 2005 gab es positive Reaktionen bei den beratenen Unternehmen. Firmen, die als Lieferanten sensibler Güter mit Einsatzmöglichkeiten bei ABC-Waffensystemen infrage kommen, haben eine besondere Verantwortung, dies zu verhindern. Sie können sich im Verdachtsfall vertrauensvoll an das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wenden. Der Verfassungsschutz ist keine Strafverfolgungsbehörde und unterliegt somit nicht dem Strafverfolgungszwang. Er kann auch die Interessenlage der Personen und Firmen berücksichtigen, die ihm Informationen zur Verfügung stellen. Die Verbände und Organisationen, wie der Bayerische Verband für Sicherheit in der Wirtschaft (BVSW) oder die Industrieund Handelskammern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Unternehmen und vorrangig auch mittelständische Betriebe gegenüber diesen Gefahren der Spionage zu sensibilisieren, arbeiten sehr eng mit Zusammenarbeit dem Verfassungsschutz zusammen. Dabei geht es neben der gemeinder Wirtschaft mit samen Erstellung von Informationsbroschüren um gemeinsame Infordem Verfassungsmationsveranstaltungen und vor allem um den Erkenntnisaustausch schutz unter dem Motto: Informationen aus der Wirtschaft für die Wirtschaft. Ein vom BVSW mit Unterstützung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz erstellter Leitfaden zum Schutz vor illegaler InformationsLeitfaden beschaffung hat zum Ziel, die Führung mittelständischer Unternehmen auf die Risiken durch Wirtschaftsund Konkurrenzspionage aufmerksam zu machen, ihnen das notwendige Problembewusstsein zu vermitteln und Ansätze bzw. Ansprechpartner zur Lösung der Probleme aufzuzeigen. In einem Faltblatt für die Wirtschaft wird durch das Landesamt für VerFaltblatt für die fassungsschutz außerdem auf die Gefahren der Proliferation hingewieWirtschaft sen und eine eigens eingerichtete Telefonnummer (0 89 / 31 20 15 00) genannt, unter der die Firmen Kontakt zum Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz aufnehmen können. Der Text ist auch im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.verfassungsschutz.bayern.de Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 234 Spionageabwehr 6. Ausblick Obwohl die Verfassungsschutzbehörden mit einer Vielzahl von ausländischen Nachrichtendiensten gegen den Terrorismus zusammenarbeiten, geht die Ausspähung politischer, wirtschaftlicher und militärischer Geheimnisse durch diese Nachrichtendienste unvermindert weiter. Eine besondere Wachsamkeit gilt der Verhinderung der Proliferation. Die Beobachtung der stark zunehmenden Aktivitäten chinesischer Nachrichtendienste hat nicht nur in Deutschland, sondern in vielen westlichen Staaten hohe Priorität. Spionageabwehr Um die wirtschaftliche Stabilität, die auch Garant für die politische Stazur Standortbilität ist, zu erhalten, bleibt es für unsere Gesellschaft unabdingbar, sicherung international wettbewerbsfähig zu sein. Gerade deshalb dürfen notwendige Schutzmaßnahmen nicht außer Acht gelassen werden. Vorhandene Know-how-Vorteile in Forschung und Produktion müssen gesichert und Aktivitäten fremder Nachrichtendienste unterbunden werden. Staat, Wirtschaft und Forschung sind aufgrund der fortschreitenden Globalisierung und des steten Fortschritts der Kommunikationstechnik verstärkt der Gefahr der Ausspähung ausgesetzt. Sie sind schutzbedürftiger geworden. Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, dies bewusst zu machen und vor diesen Gefahren zu schützen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Organisierte Kriminalität 235 8. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Ausgangslage Die durch die Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes im OK-Beobachtung Jahr 1994 ermöglichte, langfristig angelegte Beobachtung krimineller in Bayern Strukturen und Personen im Vorfeld konkreter Straftaten durch das seit 1994 Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz stellt eine wichtige Ergänzung der polizeilichen Arbeit beim Vorgehen gegen die Organisierte Kriminalität (OK) dar. Die Beobachtung der OK durch den Verfassungsschutz muss auf eine breite Basis in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern gestellt werden. Nach Bayern haben auch die Bundesländer Hessen, Saarland, Thüringen und Sachsen die gesetzliche Grundlage für diese Aufgabe des Verfassungsschutzes geschaffen. Infolge einer Gerichtsentscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs wird im Freistaat Sachsen derzeit die Rechtsgrundlage überarbeitet. Ziel bleibt weiterhin die bundesweite Beobachtung der OK durch den Verfassungsschutz. Die im Jahr 2004 herausgegebene Broschüre "10 Jahre Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz" berichtet über die Arbeit des Verfassungsschutzes in diesem Bereich. Die Broschüre ist abrufbar unter folgenden Internet-Adressen: http://www.innenministerium.bayern.de/service/publikationen http://www.verfassungsschutz.bayern.de 2. EU-Osterweiterung Mit der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten in die Europäische Union haben sich durch die Verschiebung der EU-Außengrenzen in Richtung Osten neue Ausgangslagen ergeben. Es war absehbar, dass europaweit agierende Kriminelle diese neuen Marktund Machtchancen nutzen und ihre bereits bestehenden Netzwerke weiter ausbauen. Zur Bewältigung dieses Problems bedarf es einer engen Zusammenarbeit der euroEuropaweite päischen Sicherheitsbehörden. Die Beitrittsländer haben frühzeitig der Zusammenarbeit wachsenden Bedrohung durch die OK Rechnung getragen und die BeobVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 236 Organisierte Kriminalität achtung und Bekämpfung der OK ihren jeweiligen Nachrichtendiensten übertragen. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz unterhält gute Kontakte zu den Nachrichtendiensten der angrenzenden Länder. 3. Beobachtungsschwerpunkte Die Erkenntnisse im Bereich der OK werden vorwiegend durch den Einsatz geheimer Mitarbeiter, aus der Anwendung anderer nachrichtendienstlicher Mittel sowie aus der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten, die in Europa fast ausnahmslos mit der BekämpErkenntnismittel fung der OK beauftragt sind, gewonnen. Weitere Informationen ergeben des Verfassungssich aus der Zusammenarbeit mit den polizeilichen Dienststellen zur schutzes Bekämpfung der OK und erschließen sich aus der Analyse von offen zugänglichem Material sowie aus dem Berichtsaufkommen anderer Aufgabenbereiche, insbesondere aus der Spionageabwehr und der Beobachtung ausländischer extremistischer Organisationen. Die Ergebnisse der Strukturermittlungen münden oft in polizeiliche Ermittlungen. Die Schwerpunkte der Bearbeitung liegen weiterhin auf der Beobachtung der OK aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), aus Asien und aus Südosteuropa. Auch die Beobachtung von Rockergruppierungen wie etwa der "Hells Angels" oder der "Bandidos" mit den Deliktsschwerpunkten Rotlichtmilieu sowie Drogenund Waffenhandel wurde in Ergänzung der polizeilichen Arbeit fortgesetzt. AufklärungsNeben deutschen Staatsangehörigen stellen Täter aus der GUS und schwerpunkte Asien sowie aus südosteuropäischen Ländern den größten Teil des zu beobachtenden Personenkreises dar. Auffällig waren sie vor allem in den Deliktsbereichen der Prostitution und Zuhälterei, bei Waffendelikten, beim Menschenhandel und bei Schleusungen, beim internationalen Drogenhandel, bei Fälschungsdelikten und bei der im Zusammenhang mit diesen Straftaten stehenden Geldwäsche. Erkenntnisse aus der OK-Beobachtung werden aber auch zur Bekämpfung des internationalen islamischen Extremismus und des islamistischen Terrorismus genutzt. Insbesondere in den Deliktsbereichen Schleusung und Geldwäsche gibt es Verflechtungen, die zur illegalen Einreise islamischer Extremisten und zur Finanzierung ihrer Aktivitäten aufgrund der teilweise gleichen Ethnie der Täter genutzt werden. 3.1 GUS-Mafia Schwerpunkte der Bearbeitung der russischen OK waren die Strukturermittlungen zu russlanddeutschen Aussiedlern und die durch diesen Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Organisierte Kriminalität 237 Personenkreis begangenen Straftaten. Außerdem wurden bereits erkannte kriminelle Gruppierungen und deren Mitglieder in Bayern beobachtet, um bereits im Vorfeld von Straftaten Erkenntnisse zu gewinnen und notwendige Maßnahmen einzuleiten. Ermittlungen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz führten in den Bereich von illegalen Erdöltransfers. Als strafrechtliche TatIllegaler bestände berühren illegale Erdöltransfers neben dem Diebstahl und der Erdöltransfer Unterschlagung des Rohöls aus der GUS auch internationale Betrugsdelikte und Geldwäsche. So wurde bekannt, dass Personen aus der GUS gestohlenes bzw. unterschlagenes Rohöl im Wert von mehreren Millionen Euro über Makler auf dem Weltmarkt verkaufen wollten. Dazu wurden in Deutschland und dem benachbarten Ausland geschäftliche Kontakte geknüpft und vertragliche Vorverhandlungen geführt. Russische Staatsangehörige organisierten die Beschaffung, Lagerung sowie den Transport des Rohöls. Für die Ölgeschäfte wurden im Ausland mehrere Firmen gegründet bzw. genutzt. Die Ermittlungen zu den involvierten Personen ergaben, dass diese früher zum größten Teil führende Positionen in militärischen, meistens nachrichtendienstlichen Einheiten in der GUS innehatten. Aufgrund der internationalen Strukturen fand ein intensiver Informationsaustausch sowohl mit inund ausländischen Polizeidienststellen als auch mit befreundeten Nachrichtendiensten statt. Ein weiterer Ermittlungskomplex bezog sich auf russische SicherheitsRussische Sicherunternehmen in Bayern. Das Sicherheitsgewerbe stellt sich als ein heitsunternehmen expandierender Geschäftsbereich dar. Russische Kriminelle nutzen teilweise die gewerblichen Strukturen von Security-Firmen, um Straftaten zu begehen, z.B. Handel mit Betäubungsmitteln, Verstöße gegen das Waffengesetz, Schutzgelderpressungen und damit einhergehende Gewaltdelikte. Die Tätergruppierungen sind hierarchisch organisiert und agieren mit teilweise überregionalen Bezügen. Russische Türsteher sind stark im Gaststättengewerbe vertreten. Insbesondere werden sie in Diskotheken eingesetzt, die vorwiegend von Personen aus der GUS und russlanddeutschen Aussiedlern besucht werden. Die Geschädigten verzichten häufig auf eine Strafanzeige. Ursachen dafür sind die Angst vor Repressalien durch die Täter sowie die eigene Beteiligung an Straftaten. Auch überlieferte Traditionen, nach denen Russen Auseinandersetzungen untereinander regeln, ohne dabei staatliche Organe in Anspruch zu nehmen, spielen eine Rolle. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtete die betroffenen Security-Firmen und unterrichtete die Polizei über geplante oder durchgeführte Straftaten. So konnten durch Hinweise des Landesamts für Verfassungsschutz bei einem Ermittlungsverfahren der Polizei wegen eines Brandanschlags auf eine Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 238 Organisierte Kriminalität Diskothek weitere Ermittlungsansätze gewonnen werden. In einem anderen Fall konnte die Polizei aufgrund von Informationen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen zum Teil bewaffneten Personen verhindern. 3.2 Südosteuropa-Mafia Kriminelle Gruppierungen aus Bosnien, Mazedonien, Serbien, dem Schwerpunkte der Kosovo und Albanien sind häufig deliktsübergreifend aktiv. Die SchwerAktivitäten punkte ihrer Aktivitäten liegen im internationalen Drogenhandel, in Eigentumsund Fälschungsdelikten sowie im illegalen Glücksspiel bzw. Wettgeschäften. Nach wie vor ist die illegale Beschäftigung besonders im Gebäudereinigungsund Baugewerbe sowie in Gaststätten weit verbreitet. Die daraus resultierenden Gewinne aus Steuerund Abgabenhinterziehungen sind erheblich und werden auf vielfältige Art und Weise gewaschen. Gruppierungen aus Die kriminellen Gruppierungen aus dem ehemaligen Jugoslawien sind dem ehemaligen in ihren Strukturen oftmals in sich abgeschlossen; Personen anderer Jugoslawien Nationalitäten werden in der Regel nicht akzeptiert. Die einschlägige Szene trifft sich bevorzugt in Gaststätten, die von Landsleuten geführt werden. Dort fühlt sie sich hinreichend sicher und ungestört, um Straftaten verschiedenster Art zu verabreden. Zur Vorbereitung der Straftaten werden im kriminellen Milieu gefälschte Pässe und geeignete Handys, aber auch Pkws angeboten, die keinen Rückschluss auf den eigentlichen Nutzer zulassen. Die kriminellen Gruppierungen gehen professionell vor und nutzen dabei den neuesten Stand der Technik. Neue Verbrechensmethoden werden untereinander regelmäßig weitergegeben. Allerdings schließt die gegenseitige Unterstützung und die Weitergabe von Tipps nicht aus, dass sich die kriminellen Personen gegenseitig betrügen. Besonders wichtig für die kriminelle Szene sind die sozialen und regionalen Verbindungen in die Heimatländer, die sowohl als Rückzugsgebiet als auch als Stützpunkt organisierter Banden dienen können. Von dort aus wird agiert, wobei man bei Bedarf Personen einsetzt, die wiederum in Bayern eng in der Szene verwurzelt sind. Drogenhandel und Diese Konstellationen wurden wiederholt bei Ermittlungen gegen den Kfz-Diebstähle internationalen Drogenhandel und im Bereich der Eigentumsdelikte festgestellt. So konnte in Zusammenarbeit mit der Polizei eine größere Diebesbande ermittelt werden, deren Mitglieder sich zur fortgesetzten Begehung von Diebstählen hochund neuwertiger Kraftfahrzeuge zusammengeschlossen hatten und von Polen aus gesteuert wurden. Ihr Abnehmerkreis reichte dabei auch nach Litauen und in die Ukraine. Die Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Organisierte Kriminalität 239 logistische Unterstützung leisteten Kriminelle aus Ex-Jugoslawien. Im Bereich des Rauschgifthandels ergaben die Ermittlungen gegen einen in Nordbayern lebenden Jugoslawen, dass dieser den Rauschgifthandel von Bosnien nach Bayern organisierte. Hierbei bediente er sich grenzüberschreitender Strukturen. Die Gewinne aus den Drogengeschäften wurden zum Teil in millionenschwere Immobilien in Bosnien investiert. In beiden Fällen war die Ermittlungsarbeit nur aufgrund der intensiven Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst und ausländischen Nachrichtendiensten erfolgreich. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtete im BeKriminelle richtsjahr kriminelle türkische Strukturen. Dabei wurden neben den bistürkische herigen Schwerpunkten Rauschgiftund Glücksspielkriminalität verStrukturen stärkt Schutzgelderpressung und gewaltsame Eintreibung von Schulden (Inkasso-Geschäfte) festgestellt. Die beiden Deliktsphänomene Schutzgelderpressung und Geldeintreibung treten häufig in Verbindung miteinander auf. Dabei kassiert die Straftätergruppierung sowohl bei dem Gläubiger als auch bei dem Schuldner. Im Bereich von SchutzgeldSchutzgelderpressungen gegen türkische Geschäftsinhaber zeichnet sich eine neue Erpressungen Strategie der Täter ab. Sie tarnen ihre Forderungen als legale Geschäfte, indem sie bespielsweise unaufgefordert die doppelte Menge der bestellten Waren liefern, deren Qualität jedoch minderwertig bis unbrauchbar ist. Verweigert ein Geschäftsmann die Zahlung, wird er mittels Anwendung oder Androhung von Gewalt gefügig gemacht. So wurde z.B. bei einem Zahlungsunwilligen eine Exekution simuliert. Neben Geldzahlungen forderten die Straftäter u.a. auch die Überlassung hochwertiger Fahrzeuge. Die Inhaber wurden zur Unterschrift von bereits vorgefertigten "Nutzungsüberlassungserklärungen" gezwungen, um somit polizeilichen Maßnahmen entgegenzuwirken. Ähnlich verhielt es sich bei einer anderen Gruppierung, die so genannte Inkasso-Geschäfte betrieb. Die Geldeintreiber forderten aber darüber Inkasso-Delikte hinaus von den Schuldnern zusätzliche Beträge. Dabei erweckte man den Anschein, dass z.B. eine "kurdische Organisation" im Hintergrund stehe. Als Druckmittel wurden die in Deutschland verübten Tötungsdelikte an türkischen Geschäftsmännern als drohende Konsequenz aufgezeigt. Die Sicherheitsbehörden stellten bislang noch in keinem Fall Bezüge zwischen den Geldeintreibungen und den Tötungsdelikten fest. Einige Geschädigte machten zwar gegenüber dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz Angaben, weigerten sich jedoch aus Angst vor Repressalien strikt, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Die Geschädigten sehen nicht nur eine Gefahr für sich selbst, sondern auch für ihre in der Türkei lebenden Familienmitglieder und Verwandten. Eine Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 240 Organisierte Kriminalität weitere mögliche Ursache für die Nichterstattung von Anzeigen durch Geschädigte könnte die eigene Beteiligung an kriminellen Geschäften, wie z.B. dem Rauschgifthandel, sein. Im vergangenen Jahr wurde durch die enge Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz eine türkische Gruppierung zerschlagen, die gewaltsam Geldeintreibungen sowie Schutzgelderpressungen durchgeführt hatte. Die Haupttäter konnten festgenommen werden, was nach Polizeiangaben zur Folge hatte, dass Nachahmungstäter abgeschreckt wurden. 3.3 Rockerkriminalität in Bayern Das Phänomen der Rockerkriminalität war lange Zeit vorwiegend aus Übersee bekannt, wo einzelne Rockerclubs bereits seit 50 Jahren bestehen. Die "Hells Angels" waren einer der ersten Clubs, der sich bereits vor 30 Jahren in Hamburg etablierte und mittlerweile deutschlandweit über eine große Anzahl von Niederlassungen, auch in Bayern, verfügt. Typische Um Organisierte Kriminalität (OK) bei Rockern handelt es sich, wenn Indikatoren typische Indikatoren wie ein interner Ehrenkodex, hierarchischer innerer Aufbau, Expansionsstreben und Durchsetzung von Gebietsansprüchen, Machtund Gewinnstreben sowie spezifische Delikte wie beispielsweise illegaler Waffenhandel, Betäubungsmittelkriminalität, Menschenhandel, Körperverletzungsdelikte, Schutzgelderpressungen und deren arbeitsteilige Begehung erkennbar sind. Die Rockergruppierungen verfügen über weltweite Kontakte und Verflechtungen mit international agierenden Tätern und sind bei der Durchsetzung ihrer Clubinteressen gewaltbereit. Derartige OK-typische Verhaltensweisen bzw. Straftaten konnten immer wieder bei Mitgliedern der bekanntesten Rockergruppierungen wie den "Hells Angels", den "Bandidos", dem "Gremium MC" oder dem "Outlaws MC" festgestellt werden. Diese verfügen bundesweit über etwa 60 "Ortsgruppen", die so genannten Chapter bzw. Charter. Enge Verbindungen bestehen zur internationalen Rocker-Szene. Rockergruppen Die "Hells Angels", die "Bandidos", der "Gremium MC" sowie der in Bayern "Outlaws MC" sind auch in Bayern aktiv. Während die "Hells Angels" Charter in München und Nürnberg unterhalten, verfügen die "Bandidos" über fünf Chapter in Passau, München, Ingolstadt und Allersberg. Der "Gremium MC" wiederum ist in Bayern mit vier Chaptern in München, Zwiesel und Hof organisiert. Dem "Outlaw MC", der sich im Jahr 2001 bundesweit aus verschiedenen Rockergruppierungen formierte, werden bayernweit fünf Chapter zugerechnet. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Organisierte Kriminalität 241 Auseinandersetzungen im Ausland zwischen Rockergruppen, wie z.B. der Mord an einem Rocker in Italien 2004, können jederzeit Auswirkungen auch auf die bayerische Szene haben. Im Vorfeld Organisierter Kriminalität beschafft das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse zu Strukturen, Aufbau, Organisation, strategischen Zielsetzungen und Vorgehensweisen der Rockergruppierungen und stellt sie den Exekutivbehörden zur Verfügung. 3.4 Asiatische Organisierte Kriminalität Bei der OK aus dem südostasiatischen Raum, hier mit den Schwerpunkten Vietnam und China, ist in verschiedenen Deliktsbereichen eine zunehmende Vernetzung und Zusammenarbeit von zuvor überwiegend Zunehmende unabhängig voneinander agierenden ethnischen Gruppierungen festVernetzung zustellen. Die Hauptverantwortlichen für den Bereich der vietnamesischen OK halten sich in den neuen Bundesländern und den ehemaligen Ostblockstaaten auf. Dies lässt sich u.a. damit erklären, dass in der Vergangenheit viele Gastarbeiter aus Vietnam in diesen Ländern rekrutiert wurden. Nach dem Zusammenbruch der damaligen Regime sind sie dort geblieben. Die Beobachtung der OK aus dem Bereich der Chinesen erbrachte vorwiegend Hinweise auf den Deliktsbereich der Schleusungskriminalität. Dabei wurde Bayern bzw. Deutschland meist nur als Transitland in Richtung Skandinavien und die USA genutzt. 3.4.1 Schleusungsdelikte Illegale Migration ist eine Begleiterscheinung der zunehmenden Globalisierung und gewinnt dadurch auch auf europäischer Ebene zunehmend an Bedeutung. Die Einschränkungen der legalen Zuwanderungsmöglichkeiten, u.a. durch Festlegung von Zuwanderungsquoten in verschiedenen EU-Ländern, führten dazu, dass vermehrt der Versuch unternommen wird, auf illegalem Wege nach Europa zu gelangen. Eine Person bezahlt insgesamt 10.000 bis 15.000 Dollar, wenn sie etwa von China nach Europa geschleust werden will. Dabei kassieren die Lukrative Schleuserorganisationen vom Geschleusten pro "Etappenziel" etwa Einnahmequelle 1.000 bis 3.000 Euro ab. Die Zahlung des Gesamtbetrags ist auch im Heimatland möglich, beispielsweise durch Verwandte in China. Die Schleuserorganisation übernimmt dann die Weiterverteilung der Mittel. Infolge geringer Risiken und hoher Profite ist die Beihilfe zur illegalen Zuwanderung ein lukratives Geschäft. Sie wurde zu einer der Haupteinnahmequellen für OK-Gruppierungen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 242 Organisierte Kriminalität Bevorzugte Zu den bevorzugten Schleusungsrouten zählen die Reisewege von RussSchleusungsrouten land über Tschechien, Ungarn, Rumänien oder Polen. Zielländer sind vorwiegend Großbritannien, Frankreich oder die USA. Bayern bzw. Deutschland wird weiterhin als Transitland für illegale Migration genutzt. Erkenntnisse des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz deuten darauf hin, dass Wohnungen als Zwischenstationen im nordbayerischen Raum eingerichtet wurden, von denen die anschließende Weiterschleusung in andere EU-Staaten erfolgte. Organisiert werden die Schleusungen von lokal ansässigen Koordinatoren der gleichen Ethnie (z.B. Chinesen). Aufgrund der Weitergabe von Hinweisen an tschechische und deutsche Exekutivbehörden kam es zu mehreren Festnahmen und Durchsuchungen sowie zur Zerschlagung von Schleuserorganisationen. In einem Fall nahm die Grenzpolizei mehrere Schleuser in Untersuchungshaft, durchsuchte Wohnungen und beschlagnahmte Beweismittel. Auffällig im Bereich der vietnamesischen und chinesischen Ethnie war die steigende Anzahl von Scheinehen, mit denen versucht wird, in Deutschland einen legalen Aufenthalt zu begründen bzw. einer drohenden Abschiebung zu entgehen. Für eine Scheinehe werden bis zu 20.000 Euro bezahlt. 3.4.2 Betäubungsmittelhandel Intensivierung des Im Bereich der vietnamesischen OK sind Bestrebungen zu erkennen, Rauschgifthandels den Rauschgifthandel zu intensivieren und bestehende Strukturen weiter zu festigen. In bayerischen Großstädten sind konkrete Personen bekannt, die zuständig für die Beschaffung und Verteilung des Rauschgifts an Zwischenhändler sind. Hierzu bedienen sie sich der bestehenden Verbindungen und der Lieferwege in die neuen Bundesländer, hauptsächlich in die Städte Leipzig, Dresden und Erfurt. Nach der Festnahme von wichtigen Drogenhändlern in Bayern ermittelte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz diverse Nachfolger. Erkenntnisse über deren Strukturen und Lieferanten wurden an die entsprechenden Strafverfolgungsbehörden weitergegeben. Die Staatsanwaltschaft fordert für einen Hauptbeschuldigten eine Haftstrafe zwischen zehn und zwölf Jahren. In einem anderen Fall kam es zur Sicherstellung einer größeren Menge Heroin in München. 3.4.3 Prostitution Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz stellte fest, dass Vietnamesen und Chinesen auf Wohnungsprostitution ausweichen, um Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Organisierte Kriminalität 243 eine ethnische Abschottung zu erreichen, aber auch, um anonym zu bleiben. Des Weiteren wurden junge Frauen zur Wohnungsprostitution gezwungen, um ihre "Schleusungsschulden" abzuarbeiten. Der Betrieb eines solchen illegalen Bordells konnte innerhalb Bayerns nicht beobachtet werden. Jedoch konnten Erkenntnisse gewonnen werden, dass außerhalb Bayerns solche illegalen Bordelle betrieben werden. Deren Adressen werden innerhalb der vietnamesischen und chinesischen Ethnie verbreitet. Auch in diesem Bereich führten Erkenntnisse aus den Strukturermittlungen zur Einleitung weiterer Exekutivmaßnahmen. Die Polizei durchsuchte unter Beteiligung von anderen Behörden wie Zoll und Gewerbeaufsichtsamt aufgrund von Informationen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz ein illegales Bordell, wobei der weitere Geschäftsbetrieb nach Festnahme mehrerer Personen vorläufig unterbunden wurde. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 244 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl S. 70, BayRS 12-1-I) Geändert durch SS 2 des Gesetzes zur Anpassung des Bayerischen Landesrechts an Art. 13 des Grundgesetzes vom 10. Juli 1998 (GVBl S. 383), Art. 4 Abs. 1 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40) und SS 1 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz, des Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 24. Dezember 2002 (GVBl S. 969) I. Abschnitt erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, Organisation und Aufgaben durch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder des Verfassungsschutzes unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden - unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnArt. 1 licher Strukturen oder Organisation des Verfassungsschutzes, Verhältnis zur Polizei - unter Anwendung von Gewalt oder durch entsprechende Drohung oder (1) 1 Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des - unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Bundes und der Länder besteht in Bayern ein LandesMedien oder Wirtschaft. amt für Verfassungsschutz. 2 Es dient auch dem Schutz vor Organisierter Kriminalität. (4) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar (2) 1 Freiheitliche demokratische Grundordnung nachgeordnete Behörde. 2 Das Landesamt und Dienstnach Absatz 1 ist eine Ordnung, die unter Ausschluss stellen der Polizei dürfen einander nicht angegliedert jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtswerden. 3Dem Landesamt für Verfassungsschutz staatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der steht ein Weisungsrecht gegenüber Dienststellen der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der Polizei oder die Befugnis zu polizeilichen Maßnahmen jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit nicht zu. darstellt. 2 Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung gehören mindestens: Die Achtung vor den im Art. 2 Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem Zuständigkeit vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßiggesetzlich festgelegten Aufgaben zu erfüllen. 2 Dazu gekeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, hört auch die Zusammenarbeit Bayerns mit dem Bund das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für und den anderen Ländern in Angelegenheiten des Veralle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsfassungsschutzes. mäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. (2) Verfassungsschutzbehörden der anderen Länder (3) Organisierte Kriminalität ist die von Gewinndürfen in Bayern nur im Einvernehmen mit dem Lanoder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung desamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von Gesetzes tätig werden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 245 Art. 3 haltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Aufgaben Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, 2. an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder 1. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetverteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt zes, die gegen die freiheitliche demokratische sind oder beschäftigt werden sollen, Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine 3. an technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen, verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsLandes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, bedürftig sind, gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes mitzuwirken. für eine fremde Macht, (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des GrundgesetAufgabe, amtliche Auskünfte zu erteilen zes, die durch Anwendung von Gewalt oder 1. im Rahmen der Überprüfung der Verfassungstreue darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärvon Personen, die sich um Einstellung in den öffenttige Belange der Bundesrepublik Deutschland lichen Dienst bewerben, gefährden, 2. nach Maßgabe des Art. 14, insbesondere in Einbür4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetgerungsund Ordensverfahren zur Verleihung des zes, die gegen den Gedanken der VölkerverständiVerdienstordens der Bundesrepublik Deutschland gung (Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz), insbesondere - mit Ausnahme der Verdienstmedaille - und des gegen das friedliche Zusammenleben der Völker Bayerischen Verdienstordens, sowie nach Art. 15. (Art. 26 Abs. 1 Grundgesetz), gerichtet sind, 5. Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes II. Abschnitt Allgemeine Befugnisse und Datenverarbeitung zu beobachten; solche Bestrebungen und Tätigkeiten können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausArt. 4 gehen. 2 Das Landesamt hat in Erfüllung dieser Aufgabe Allgemeine Befugnisse Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über sol(1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur che Bestrebungen oder Tätigkeiten zu sammeln und Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz die dazu auszuwerten. 3 Die notwendige Koordinierung mit den erforderlichen Informationen einschließlich personenanderen Sicherheitsbehörden und den Strafverfolgungsbezogener Daten auch ohne Kenntnis der betroffenen behörden wird in Richtlinien des Staatsministeriums Gruppierung oder Person erheben und in Akten und des Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium Dateien verarbeiten, diese Informationen nutzen sowie der Justiz geregelt. 4 Über diese Richtlinien wird das aus Akten und Dateien übermitteln, soweit nicht nachParlamentarische Kontrollgremium gemäß Art. 3 Abs. 3 folgend besondere Bestimmungen gelten. 2Das LandesSatz 1 des Gesetzes zur parlamentarischen Kontrolle amt für Verfassungsschutz darf personenbezogene der Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach Daten auch für die Vorgangsverwaltung nutzen und verArt. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigarbeiten. 3Ist zum Zweck der Datenerhebung die Überkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (Parlamittlung personenbezogener Daten erforderlich, so darf mentarisches Kontrollgremium-Gesetz - PKGG) vom ein entsprechendes Ersuchen des Landesamts für Ver10. Februar 2000 (GVBl S. 40) unterrichtet. fassungsschutz nur diejenigen personenbezogenen Daten enthalten, die für die Erteilung der Auskunft uner(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die lässlich sind. 4Schutzwürdige Interessen des BetroffeAufgabe, nen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. 1. nach Maßgabe des Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes an der Sicherheitsüberprüfung von (2) 1 Die Befugnisse des Landesamts für VerfasPersonen, denen im öffentlichen Interesse geheimsungsschutz bei der Mitwirkung nach Art. 3 Abs. 2 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 246 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) Nrn. 1 und 2 sind im Bayerischen Sicherheitsüberprü(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perfungsgesetz vom 27. Dezember 1996 (GVBl S. 509, sonenbezogene Daten nach Art. 5 durch Anwendung BayRS 12-3-I)), zuletzt geändert durch SS 6 des Gesetzes nachrichtendienstlicher Mittel erheben, wenn vom 24. April 2001 (GVBl S. 140), in der jeweils gel1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder tenden Fassung geregelt, soweit sie nicht in besonderen Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder auf Gesetzen geregelt sind; Art. 6 Abs. 1 Satz 4 bleibt undiese Weise Erkenntnisse über Nachrichtenzugänge berührt. 2Das Landesamt für Verfassungsschutz darf, gewonnen werden können oder soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an einer Überprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 2 nur mitwirken 2. das zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, und nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 nur Auskunft erteilen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamts wenn die betroffene Person der Durchführung der für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende Überprüfung zugestimmt hat; werden der Ehegatte oder oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. die Person, mit der die betroffene Person in eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft lebt, in die (3) 1 Personenbezogene Daten dürfen durch AnwenÜberprüfung mit einbezogen, so ist auch deren Zustimdung nachrichtendienstlicher Mittel nur erhoben wermung erforderlich. den, wenn die Daten nicht auf eine andere geeignete Weise gewonnen werden können, die die betroffene (3) 1 Sind für die Erfüllung einer Aufgabe verschiePerson weniger beeinträchtigt. 2 Die Anwendung nachdene Maßnahmen geeignet, so hat das Landesamt für richtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die die betrofVerhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverfene Gruppierung oder Person voraussichtlich am halts stehen. 3 Sie ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr wenigsten beeinträchtigt. 2 Eine Maßnahme unterbleibt, Zweck erreicht ist oder sich ergibt, dass er nicht oder wenn sie einen Nachteil herbeiführt, der erkennbar nicht auf diese Weise erreicht werden kann. außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. (4) Die Zulässigkeit von Maßnahmen nach dem Art. 5 Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz bleibt unberührt. Erhebung personenbezogener Daten Art. 6 a 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf persoEinsatz besonderer technischer Mittel nenbezogene Daten erheben, soweit das zur Erfüllung im Schutzbereich des Art. 13 Grundgesetz seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. 2 Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 Abs. 3 (1) 1 Der Einsatz besonderer technischer Mittel zur Nr. 1 darf das Landesamt für Verfassungsschutz persoInformationsgewinnung im Schutzbereich des Art. 13 nenbezogene Daten jedoch nur im Rahmen von Nachdes Grundgesetzes ist als nachrichtendienstliches Mitermittlungen erheben, soweit das zur Überprüfung von tel im Sinn des Art. 6 Abs. 1 unter besonderer BerückInformationen erforderlich ist, die bei den Verfassungssichtigung des Grundsatzes der Verhaltnismäßigkeit schutzbehörden bereits vorliegen. nach Art. 6 Abs. 3 nur zulässig, wenn Art. 6 1. die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel in das Brief-, Postoder Fernmeldegeheimnis nach SS 1 Abs. 1 und SS 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschrän(1) 1 Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem kung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Gesetz darf das Landesamt für Verfassungsschutz auch vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1254) in der jeweils nachrichtendienstliche Mittel anwenden. 2 Sie dienen geltenden Fassung vorliegen, oder der verdeckten Informationsgewinnung und der Sicher2. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vorlieheit des Landesamts für Verfassungsschutz und seiner gen, dass jemand Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 Mitarbeiter. 3Nachrichtendienstliche Mittel sind MaßSatz 1 Nrn. 1, 3 oder 4 durch die Planung oder Benahmen zur Tarnung, der Einsatz geheimer Mitarbeiter gehung von Straftaten nach SSSS 129, 129 a, 129 b, 130 und andere Maßnahmen, die verbergen sollen, dass das oder 131 des Strafgesetzbuchs (StGB) in der jeweils Landesamt für Verfassungsschutz Informationen ergeltenden Fassung verfolgt, oder hebt. 4 Bei Sicherheitsüberprüfungen (Art. 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2) darf das Landesamt für Verfassungs3. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht besteschutz nur das nachrichtendienstliche Mittel der Tarhen, dass jemand Bestrebungen oder Tätigkeiten nung von Mitarbeitern anwenden. nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 durch die Planung Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 247 oder Begehung von Straftaten nach SS 100 a der StrafBetroffenen nach Absatz 5 oder für eine gerichtliche prozessordnung (StPO) in der Fassung der BekanntNachprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme nach machung vom 7. April 1987 (BGBl I S. 1074, 1319), Absatz 1 von Bedeutung sein können. 7In diesem Fall zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom sind die Daten zu sperren und dürfen nur zu diesen 22. August 2002 (BGBl I S. 3390), SSSS 261, 263 bis Zwecken verwendet werden. 265, 265 b, 266, 267 bis 273, 331 bis 334 StGB oder SSSS 92 a, 92 b des Ausländergesetzes (AuslG) vom (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten an 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1353), zuletzt geändert durch andere öffentliche Stellen gemäß Art. 14 Abs. 1 bis 3 ist Art. 11 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl I nur zulässig zur Abwehr von erheblichen Gefahren für S. 361), in der jeweils geltenden Fassung verfolgt die öffentliche Sicherheit, insbesondere zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Personen und zur Verund die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise folgung von in Absatz 1 oder in SS 138 StGB genannten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2Der verStraftaten. deckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich nur gegen den Verdächtigen oder gegen Personen rich(5) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz teilt dem ten, von denen auf Grund von Tatsachen anzunehmen Betroffenen Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 nach ist, dass sie für den Verdächtigen bestimmte oder von ihrer Einstellung, frühestens jedoch dann mit, wenn eine ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen weitergeben, oder dass der Verdächtige sich in ihrer werden kann. 2Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn das Wohnung aufhält. nach Absatz 7 zuständige Gericht festgestellt hat, dass (2) 1 Der Einsatz besonderer technischer Mittel nach 1. die Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach BeenAbsatz 1 bedarf einer richterlichen Anordnung. 2Bei digung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist, Gefahr im Verzug kann der Präsident des Landesamts 2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für Verfassungsschutz oder dessen Vertreter die Anordauch in Zukunft nicht eintreten wird und nung treffen; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. 3Die Anordnungen sind auf längs3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei tens drei Monate zu befristen; Verlängerungen um jeder erhebenden Stelle als auch beim Empfänger der weils nicht mehr als drei weitere Monate sind auf AnDaten vorliegen. trag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. 4Liegen die Voraussetzungen nicht (6) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes Mittel nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unausschließlich zum Schutz der für den Verfassungsverzüglich zu beenden. schutz in diesem Bereich tätigen Personen bedarf der Anordnung des Präsidenten des Landesamts für Verfas(3) 1 Ein Bediensteter des Landesamts für Verfassungsschutz oder eines von ihm bestellten Beauftragsungsschutz mit Befähigung zum Richteramt beauften. 2Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangsichtigt den Vollzug der Anordnung. 2Die nach Absatz 1 ten Erkenntnisse ist nur zulässig, wenn zuvor die erhobenen Daten dürfen nur zur Erforschung und VerRechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt folgung von dort genannten Bestrebungen und Tätigist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheikeiten, sowie für Datenübermittlungen nach Absatz 4 dung unverzüglich nachzuholen. 3Soweit Erkenntnisse verwendet werden. 3Das Landesamt für Verfassungsverwertet werden, gelten für die Datenverarbeitung, die schutz prüft unverzüglich und sodann in Abständen von Löschung der Daten und die Mitteilung des Betroffenen sechs Monaten, ob die durch Maßnahmen nach Absatz 1 die Absätze 3 bis 5 entsprechend. 4Im Übrigen sind sie erhobenen personenbezogenen Daten allein oder zuunverzüglich zu löschen. sammen mit bereits vorliegenden Daten für die Verfolgung und Erforschung der dort genannten Bestrebun(7) 1Zuständiges Gericht zur Entscheidung nach den gen oder Tätigkeiten erforderlich sind. 4Soweit diese Absätzen 2, 5 und 6 ist das Amtsgericht am Sitz des Daten dafür nicht erforderlich sind und nicht für eine Landesamts für Verfassungsschutz. 2Für das Verfahren Übermittlung an andere Stellen benötigt werden, sind gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelesie unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der genheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit - FGG - die Befähigung zum Richteramt hat, zu löschen. 5Die (BGBl III 315-1), zuletzt geändert durch Art. 26 des Löschung ist zu protokollieren. 6Die Löschung unterGesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl I S. 2850), entsprebleibt, soweit die Daten für eine Mitteilung an den chend. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 248 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) (8) 1Die Staatsregierung unterrichtet den Landtag (2) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im jährlich über die in Absatz 1, und soweit richterlich Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgabe nach Art. 3 überprüfungsbedürftig, nach Absatz 6 angeordneten Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, sofern die dort genannten BestreMaßnahmen. 2Ein vom Landtag ausgewähltes Gremium bungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentariausgerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt wersche Kontrolle aus. den, sowie zur Erfüllung seiner Aufgabe nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 Auskünfte entsprechend SS 8 Abs. 5 bis 8 Art. 6 b BVerfSchG einholen. 2Absatz 1 gilt entsprechend. Datenerhebung bei Kreditinstituten, Fluggesellschaften, sowie Post-, Telekommuni(3) 1Das Staatsministerium des Innern unterrichtet im kationsund Teledienstgesellschaften Abstand von höchstens sechs Monaten das Parlamentarisowie Einsatz des IMSI-Catchers sche Kontrollgremium nach dem Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetz über die Durchführung der (1) 1Auskünfte nach SS 8 Abs. 5 bis 8 des Gesetzes Absätze 1 und 2; dabei ist insbesondere ein Überblick über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und des BunBerichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den desamts für Verfassungsschutz (BundesverfassungsAbsätzen 1 und 2 zu geben. 2Das Gremium erstattet dem schutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 Bayerischen Landtag jährlich einen Bericht über die (BGBl I S. 2954), zuletzt geändert durch Art. 9 des Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe Gesetzes vom 16. August 2002 (BGBl I S. 3202), in der der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2; dabei sind jeweils geltenden Fassung dürfen nur auf Antrag eingedie Grundsätze des Art. 2 Abs. 1 PKGG zu beachten. holt werden. 2Der Antrag ist durch den Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz oder seinen Vertreter (4) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im schriftlich zu stellen und zu begründen. 3Über den Antrag Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 entscheidet das Staatsministerium des Innern. 4Es unterAbs. 1 Satz 1 Nr. 1, sofern die dort genannten Bestrerichtet monatlich die nach Art. 2 des Gesetzes zur Ausbungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, vom 11. Dezember 1984 (GVBl S. 522, BayRS 12-2-I), sowie zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 Abs. 1 zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes vom Satz 1 Nrn. 2 bis 5 unter den Voraussetzungen des SS 3 10. Februar 2000 (GVBl S. 40), gebildete Kommission Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes auch technische Mittel über die beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. 5Bei zur Ermittlung des Standorts eines aktiv geschalteten Gefahr im Verzug kann das Staatsministerium des Innern Mobilfunkendgeräts und zur Ermittlung der Geräteund den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der UnKartennummern einsetzen. 2Die Maßnahme ist nur zuterrichtung der Kommission anordnen. 6Die Kommission lässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des prüft von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von wesentlich erschwert wäre. 3Personenbezogene Daten Auskünften. 7 SS 15 Abs. 5 des Artikel l0-Gesetzes vom eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur 26. Juni 200l (BGBl I S. 1254), zuletzt geändert durch erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 22. August 2002 (BGBl I zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar S. 3390), ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenist. 4Über den Datenabgleich zur Ermittlung der gesuchden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf ten Geräteund Kartennummer hinaus dürfen sie nur die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten im Sinn nach SS 8 Abs. 5 bis 8 BVerfSchG erlangten personenbedes SS 138 StGB verwendet werden. 5Nach Beendigung zogenen Daten erstreckt. 8Entscheidungen über Auskünfder Maßnahme sind sie unverzüglich zu löschen. te, die die Kommission für unzulässig oder nicht not- 6 Absätze 1 und 3 gelten entsprechend. wendig erklärt, hat das Staatsministerium des Innern unverzüglich aufzuheben. 9Für die Verarbeitung der nach (5) Das Staatsministerium des Innern erstattet dem SS 8 Abs. 5 bis 8 BVerfSchG erhobenen Daten ist SS 4 des Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundes jährArtikel l0-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 10Das lich einen Bericht nach SS 8 Abs. 11 BVerfSchG über die Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen Durchführung des Absatzes 1; dabei ist insbesondere dem Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis mitgeteilt werden. 11SS12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Geund Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten setzes finden entsprechende Anwendung. Maßnahmen nach Absatz 1 zu geben. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 249 Art. 7 Art. 8 Speicherung und Veränderung Berichtigung und Löschen von Daten personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur 1 Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz persoberichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten, die nenbezogene Daten in Dateien speichern und veränzu einer bestimmten Person geführt werden, ist dies zu dern, wenn vermerken. 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrelöschen, wenn ihre Speicherung nach Art. 7 unzulässig bungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 erforderwar oder ihre Kenntnis für die Erfüllung seiner gesetzlich ist oder lich festgelegten Aufgaben nicht mehr erforderlich ist; 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach Art. 3 Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, Abs. 2 Nrn. 2 und 3 an Überprüfungen mitwirkt. sind unter diesen Voraussetzungen zu vernichten. 2 Ob die Voraussetzungen der Löschung und Vernichtung 2 In den Fällen des Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 dürfen personennach Satz 1 vorliegen, ist bei jeder Einzelfallbearbeibezogene Daten in Dateien nur gespeichert werden, tung und nach festgesetzten Fristen zu entscheiden. wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder 3 Die Löschung oder Vernichtung unterbleibt, wenn Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen. 3Das Recht der Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzNutzung und Verabeitung personenbezogener Daten würdige Interessen der betroffenen Person beeinträchnach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 zur Vorgangsverwaltung bleibt tigt würden. 4 In diesem Fall sind die Daten zu sperren; unberührt. sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. (2) 1Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person vor Vollendung des 14. Lebensjahres dür(3) 1 Für die Archivierung gelten die Vorschriften fen nicht in Dateien gespeichert werden. 2 Personenbedes Bayerischen Archivgesetzes. 2 Die Anbietungszogene Daten über das Verhalten einer Person nach pflicht bestimmt sich nach Maßgabe der nach Art. 6 Vollendung des 14. und vor Vollendung des 16. LebensAbs. 2 BayArchivG abzuschließenden Vereinbarung. jahres sind zwei Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, dass weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 9 Art. 3 Abs. 1 angefallen sind. 3 Personenbezogene Daten Errichtungsanordnung über das Verhalten einer Person nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres sind zwei (1) 1 Für den erstmaligen Einsatz einer automatisierJahre nach dem Verhalten auf die Erforderlichkeit der ten Datei, in der personenbezogene Daten verarbeitet Speicherung in Dateien zu überprüfen und spätestens werden, hat das Landesamt für Verfassungsschutz in fünf Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, einer Errichtungsanordnung, die der Zustimmung des dass weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Staatsministeriums des Innern bedarf, festzulegen: angefallen sind über ein Verhalten nach Eintritt der Volljährigkeit. 4 Für Akten, die zu einer minderjährigen 1. Bezeichnung der Datei, Person geführt werden, gelten die vorstehenden Prü2. Zweck der Datei, fungsund Löschungsfristen entsprechend. 3. betroffener Personenkreis, (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die 4. Art der zu speichernden Daten, Dauer der Speicherung in Dateien und in Akten, die zu 5. Eingabeberechtigung, einer bestimmten Person geführt werden, auf das Maß 6. Zugangsberechtigung, festzulegen, das zur Erfüllung seiner Aufgabe nach diesem Gesetz erforderlich ist. 7. regelmäßige Übermittlungen, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, (4) Werden Bewertungen über Betroffene gespei9. Protokollierung des Abrufs. chert, muss erkennbar sein, wer die Bewertung vorgenommen hat und wo die Informationen gespeichert 2 Nach der Zustimmung des Staatsministeriums des sind, die der Bewertung zugrunde liegen. Innern ist die Errichtungsanordnung dem LandesbeaufVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 250 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) tragten für den Datenschutz unverzüglich mitzuteilen. 4. die Information oder die Tatsache der Speicherung 3 Entsprechendes gilt für wesentliche Änderungen des nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen Verfahrens. nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehal(2) Die Zustimmung des Staatsministeriums des ten werden muss. Innern darf nur erteilt werden, wenn die Speicherung personenbezogener Daten auf das erforderliche Maß (4) 1 Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf beschränkt ist. keiner Begründung. 2 Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, angemessenen Abständen die Notwendigkeit der Weidass er sich hinsichtlich der Verarbeitung personenterführung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. bezogener Daten an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. 3 Dem Landesbeauftragten Art. 10 für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu Geltung des Bayerischen Datenschutzgesetzes erteilen, soweit nicht das Staatsministerium des Innern im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bei der Erfüllung der gesetzlich festgelegten AufBundes oder eines Landes gefährdet würde. 4 Mitteilungaben durch das Landesamt für Verfassungsschutz fingen des Landesbeauftragten an den Betroffenen dürfen den die Art. l0 bis 13, 15 bis 23 und 26 bis 28 des keine Rückschlüsse auf den Kenntnisstand des LandesBayerischen Datenschutzgesetzes keine Anwendung. amts für Verfassungsschutz zulassen, sofern dieses nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Art. 11 Auskunftserteilung III. Abschnitt (1) Ein Anspruch auf Auskunft über die beim 1 Übermittlungsregelungen Landesamt für Verfassungsschutz in Dateien oder Akten gespeicherten Informationen besteht nicht. 2 Hat Art. 12 eine Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft Informationsübermittlung über die zu ihrer Person gespeicherten Daten, so entan das Landesamt für Verfassungsschutz scheidet das Landesamt für Verfassungsschutz nach ohne Ersuchen pflichtgemäßem Ermessen über das Auskunftsbegeh(1) Die Behörden, Gerichte hinsichtlich ihrer Regisren. ter, Gebietskörperschaften und andere der staatlichen Aufsicht unterstehenden juristischen Personen des (2) Soweit eine Person einer Sicherheitsüberprüöffentlichen Rechts sowie sonstige öffentliche Stellen fung nach Art. 3 Abs. 2 unterzogen wird oder zu einer des Freistaats Bayern haben von sich aus dem LandesPerson Auskunft nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 erteilt wird, amt für Verfassungsschutz die ihnen bei Erfüllung ihrer hat diese Person abweichend von Absatz 1 einen Aufgaben bekannt gewordenen Informationen zu überAnspruch auf Auskunft über die Daten des Landesamts mitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestefür Verfassungsschutz, die es im Rahmen der Erfüllung hen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufdieser Aufgaben übermittelt hat. gaben des Landesamts für Verfassungsschutz nach Art. 3 Abs. 1 oder entsprechender Aufgaben auf Grund eines (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des 1. eine Gefährdung der Erfüllung der Aufgaben nach Grundgesetzes erforderlich sein kann. Art. 3 durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die 2. durch die Auskunftserteilung nachrichtendienstliche übermittelten Informationen nach ihrem Eingang unZugänge gefährdet sein können oder die Ausforverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie für die Erfülschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitslung seiner in Absatz 1 genannten Aufgaben erforderweise des Landesamts für Verfassungsschutz zu lich sind. 2 Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderbefürchten ist, lich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernich3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden ten. 3 Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung Nachteile bereiten würde oder der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 251 vertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall Art. 14 dürfen die nicht erforderlichen Informationen nicht verPersonenbezogene Datenübermittlung wendet werden. durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perArt. 13 sonenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, Informationsübermittlung wenn das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem an das Landesamt für Verfassungsschutz Gesetz erforderlich ist oder wenn die öffentliche Stelle auf Ersuchen die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen (1) 1 Die in Art. 12 Abs. 1 genannten öffentlichen Sicherheit einschließlich der Strafverfolgung benötigt; Stellen haben dem Landesamt für Verfassungsschutz das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittauf dessen Ersuchen die ihnen bei Erfüllung ihrer Auflung aktenkundig zu machen. 2 Gleiches gilt, wenn der gaben bekannt gewordenen Informationen zu übermitEmpfänger die personenbezogenen Daten zur Erfüllung teln, soweit das zur Erfüllung der Aufgaben des Lananderer ihm zugewiesener Aufgaben benötigt, sofern er desamts für Verfassungsschutz nach diesem Gesetz dabei auch zum Schutz der freiheitlichen demokratischen erforderlich ist. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz Grundordnung beizutragen oder Gesichtspunkte der darf Ersuchen nach Satz 1 nur stellen, wenn die Inforöffentlichen Sicherheit oder auswärtige Belange zu mation auf andere Weise nur mit übermäßigem Aufwürdigen hat. 3 Der Empfänger darf die übermittelten wand oder nur durch eine die betroffene Gruppierung Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, oder Person stärker belastende Maßnahme gewonnen nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermitwerden kann. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz telt wurden, es sei denn, dass das Landesamt für Verfashat Ersuchen zu begründen, es sei denn, dass eine Besungsschutz einer anderen Verwendung für Zwecke gründung dem Schutz der betroffenen Gruppierung nach den Sätzen 1 und 2 zugestimmt hat. 4 Satz 1 gilt oder Person zuwiderläuft oder den Zweck der Maßnahauch für die Übermittlung personenbezogener Daten inme gefährden würde. 4 Es hat die Ersuchen aktenkundig nerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz. zu machen. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen Akten anderer öffentlicher Stellen und amtlich geführte von Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen Dateien unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 einzwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über sehen, soweit das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der diesem Gesetz erforderlich ist und die sonstige ÜberBundesrepublik Deutschland stationierten ausländimittlung von Informationen aus den Akten oder den schen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl II 1961 Dateien den Zweck der Maßnahme gefährden, einen S. 1183) personenbezogene Daten übermitteln; das Lanübermäßigen Aufwand erfordern oder das Persönlichdesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung keitsrecht des Betroffenen unnötig beeinträchtigen würaktenkundig zu machen. 2 Der Empfänger ist darauf hinde. 2 Über die Einsichtnahme in amtlich geführte Dateien zuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen NachZweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm überweis zu führen, aus dem der Zweck und die eingesehene mittelt wurden. Datei hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern (3) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perund am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer sonenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb Erstellung folgt, zu vernichten. des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an überoder zwischenstaatliche öffentliche Stellen über(3) 1 Hält eine in Art. 12 Abs. 1 genannte öffentliche mitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Stelle das Ersuchen nach Absatz 1 oder die EinsichtAufgaben nach diesem Gesetz oder zur Wahrung nahme nach Absatz 2 für unzulässig, so teilt sie das erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erfordem Landesamt für Verfassungsschutz mit. 2 Besteht derlich ist; das Landesamt für Verfassungsschutz hat dieses auf dem Ersuchen oder der Einsichtnahme, so die Übermittlung aktenkundig zu machen. 2 Die Überentscheidet darüber die oberste fachliche Aufsichtsmittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bunbehörde, die für die ersuchte Stelle zuständig ist. desrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen. (4) Art. 12 Abs. 2 gilt entsprechend. 3 Sie ist aktenkundig zu machen. 4 Der Empfänger ist Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 252 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur 1. erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie der Informationen und ihrer Erhebung das schutzihm übermittelt wurden. würdige Interesse der Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegt, oder (4) 1Personenbezogene Daten dürfen außer in den 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern. Fällen des Art. 4 Abs. 1 Satz 3 an andere Empfänger als öffentliche Stellen nur übermittelt werden, wenn dies (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationszum Schutz vor den in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 bezeichneübermittlungen zulassen oder verbieten, bleiben unten Bestrebungen, Gefahren und Tätigkeiten erforderberührt. lich ist. 2Die Übermittlung nach Satz 1 bedarf der vorherigen Zustimmung des Staatsministeriums des Innern; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl von gleichartigen Fällen vorweg erteilt werden. 3Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung IV. Abschnitt aktenkundig zu machen. 4Der Empfänger darf die überParlamentarische Kontrolle mittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 5Das Landesamt für VerfasArt. 18 sungsschutz hat den Empfänger darauf hinzuweisen. Parlamentarisches Kontrollgremium Die parlamentarische Kontrolle der Staatsregierung (5) 1 Übermittlungspflichten nach bundesrechtlichen hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für VerfasVorschriften bleiben unberührt. 2 Das Landesamt für sungsschutz erfolgt nach den Bestimmungen des GesetVerfassungsschutz kann andere Verfassungsschutzbehörzes zur parlamentarischen Kontrolle der Staatsregieden auch dadurch unterrichten, dass es diesen den Abruf rung hinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 von Daten im automatisierten Verfahren ermöglicht, bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landessoweit deren gesetzliche Aufgaben identisch sind. amts für Verfassungsschutz - Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - vom 10. Februar 2000 (GVBl Art. 15 S. 40, BayRS 12-4-I) in der jeweils geltenden Fassung. Unterrichtung der Öffentlichkeit 1 Das Staatsministerium des Innern und das LandesArt. 19 und 20 (aufgehoben) amt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. l. 2 Dabei dürfen der Öffentlichkeit personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn das Interesse V. Abschnitt der Öffentlichkeit an der Unterrichtung das schutzSchlussvorschriften würdige Interesse der betroffenen Person an der Wahrung ihrer Anonymität überwiegt. Art. 21 Erfüllung bundesrechtlicher Aufgaben Art. 16 Nachberichtspflicht Zur Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Art. 73 Nr. l0 Buchst. b und c des GrundErweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer gesetzes stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz Übermittlung durch das Landesamt für Verfassungsdie Befugnisse zu, die es zur Erfüllung der entsprechenschutz als unvollständig oder unrichtig, sind sie unverden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. züglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, wenn das zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Art. 22 betroffenen Person erforderlich ist. Einschränkung von Grundrechten Art. 17 Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht Übermittlungsverbote der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 des Grundgesetzes und Art. l06 Abs. 3 der Verfassung und (1) Die Übermittlung von Informationen durch das das Grundrecht des Brief-, Postund FernmeldegeheimLandesamt für Verfassungsschutz nach den Art. 4 und nisses nach Art. 10 des Grundgesetzes und Art. 112 der 14 hat zu unterbleiben, wenn Verfassung eingeschränkt werden. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 253 Art. 23 Art. 24 Änderung des Gesetzes zur Ausführung In-Kraft-Treten des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz 1 Dieses Gesetz tritt am 1. November 1990 in Kraft.* Das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 2 Gleichzeitig treten außer Kraft: Grundgesetz (AGG 10) vom 11. Dezember 1984 (GVBl 1. Das Gesetz über die Errichtung eines Landesamts S. 522, BayRS 12-2-I) wird wie folgt geändert: für Verfassungsschutz (BayRS 12-1-I), 1. Art. 2 Abs. 3 Satz 6 erhält folgende Fassung: 2. Art. 8 Abs. 2 Nr. 5 des Bayerischen Datenschutz"6 Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, gesetzes (BayRS 204-1-I). die der Zustimmung der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes bedarf." 2. In Art. 3 werden die Worte "den für Sicherheitsfragen zuständigen Ausschuss des Landtags" durch * Diese Vorschrift betrifft das In-Kraft-Treten des Gesetzes in der die Worte "die Parlamentarische Kontrollkommission ursprünglichen Fassung vom 24. August 1990 (GVBl S. 323). für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" Der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der späteren Änderungen ersetzt. ergibt sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 254 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - PKGG) Vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40, BayRS 12-4-I) Geändert durch SS 4 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz, des Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 24. Dezember 2002 (GVBl S. 969), SS 1 Nr. 6 des Dritten Gesetzes zur Aufhebung von Rechtsvorschriften vom 7. August 2003 (GVBl S. 497) und SS 2 des Gesetzes zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 24. Dezember 2005 (GVBl S. 641) Art. 1 (3) 1 Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiParlamentarisches Kontrollgremium ner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium; Absatz 4 bleibt (1) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium übt die unberührt. 2Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein parlamentarische Kontrolle gemäß Art. 13 Abs. 6 Satz 3 neues Mitglied zu wählen; das Gleiche gilt, wenn ein des Grundgesetzes zum Vollzug der Maßnahmen nach Mitglied aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes nach Maßgabe ausscheidet. 3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für der Art. 48 a des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsdie stellvertretenden Mitglieder. verfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (AGGVG), Art. 34 Abs. 9 des Polizeiaufgaben(4) Das Parlamentarische Kontrollgremium übt seine gesetzes (PAG) und Art. 6 a Abs. 8 des Bayerischen Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des LandVerfassungsschutzgesetzes (BayVSG) in der Fassung tags hinaus solange aus, bis der nachfolgende Landtag ein der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl S. 70, neues Parlamentarisches Kontrollgremium gewählt hat. BayRS 12-1-I), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40), aus. Art. 2 2 Dem Parlamentarischen Kontrollgremium obliegt ferGeheimhaltung ner die Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz; die (1) 1 Die Beratungen des Parlamentarischen KontrollRechte des Landtags und seiner Ausschüsse bleiben ungremiums sind geheim. 2Die Mitglieder und stellvertreberührt. tenden Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im (2) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium besteht Parlamentarischen Kontrollgremium bekannt geworden aus fünf Mitgliedern. 2Die Mitglieder des Parlamentarisind. 3Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheischen Kontrollgremiums werden zu Beginn jeder neuen den aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium. Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte gewählt. 3In gleicher Weise wird für jedes Mitglied ein stellvertreten(2) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium tritt des Mitglied gewählt. 4Gewählt ist, wer die Stimmen der mindestens einmal im Jahr zusammen. 2Jedes Mitglied Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint. kann die Einberufung des Parlamentarischen KontrollVerfassungsschutzbericht Bayern 2005 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) 255 gremiums verlangen. 3Das Parlamentarische KontrollArt. 4 gremium gibt sich eine Geschäftsordnung. 4Ferner obÄnderung von Gesetzen liegt ihm die Wahl seiner bzw. seines Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden. (1) Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl S. 70, BayRS 12-1-I), geändert Art. 3 durch SS 2 des Gesetzes vom 10. Juli 1998 (GVBl Rechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums S. 383), wird wie folgt geändert: und Berichtspflichten der Staatsregierung 1. Art. 18 erhält folgende Fassung: (1) Das Staatsministerium der Justiz erstattet dem "Art. 18 Parlamentarischen Kontrollgremium jährlich Bericht Parlamentarisches Kontrollgremium nach Art. 48 a AGGVG. Die parlamentarische Kontrolle der Staatsregie(2) 1 Das Staatsministerium des Innern erstattet dem rung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Parlamentarischen Kontrollgremium jährlich Bericht Verfassungsschutz erfolgt nach den Bestimmungen nach Art. 34 Abs. 9 PAG und Art. 6 a Abs. 8 BayVSG. des Gesetzes zur parlamentarischen Kontrolle der 2 Die Berichterstattung nach diesen Vorschriften kann Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach gesondert erfolgen. Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (3) 1 Das Staatsministerium des Innern unterrichtet - Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - vom das Parlamentarische Kontrollgremium ferner regel10. Februar 2000 (BayRS 12-4-I)." mäßig umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz und über Vorgänge 2. Art. l9 und 20 werden aufgehoben. von besonderer Bedeutung. 2Darüber hinaus berichtet es zu einem konkreten Thema aus dem Aufgabenbereich (2) In Art. 3 des Gesetzes zur Ausführung des des Landesamts für Verfassungsschutz, sofern das ParGesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) vom lamentarische Kontrollgremium dies verlangt. 3Zeit, Art 11. Dezember 1984 (GVBl S. 522, BayRS 12-2-I), und Umfang der Unterrichtung des Parlamentarischen geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 24. August Kontrollgremiums werden unter Beachtung des not1990 (GVBl S. 323), werden die Worte "die Parlamenwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die tarische Kontrollkommission für Angelegenheiten des politische Verantwortung der Staatsregierung bestimmt. Verfassungsschutzes" durch die Worte "das Parlamentarische Kontrollgremium" ersetzt. (4) 1 Das Staatsministerium des Innern erstattet dem Parlamentarischen Kontrollgremium ferner Bericht Art. 5 nach Maßgabe des Art. 3 des Gesetzes über die AufIn-Kraft-Treten, Übergangsvorschrift gaben der G 10-Kommission im Bayerischen Landtag und zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes (G 10) (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 2000 in Kraft.* und nach Maßgabe des Art. 6 b Abs. 3 und 4 BayVSG. 2 Art. 2 AGG 10 bleibt unberührt. (2) (aufgehoben). * Diese Vorschrift betrifft das In-Kraft-Treten des Gesetzes in der ursprünglichen Fassung. Der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der späteren Änderungen ergibt sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 256 Sachwortregister Sachwortregister ABLE 220 Black Metal 144 ABSURD 144 BLUTAAR 145 Abu Sayaff 40 BLUTSTAHL 145 ACT OF VIOLENCE 146 Bolschewistische Partei Nordkurdistan/Türkei (BP-KK/T) 87 ADÜTDF 80 BREAKDOWN 104 Aktion Transparente Verwaltung München (ATV) 222 BRIGADE M 104 Al-Aqsa e.V. 46 Bündnis München gegen Krieg 190 a.l.d.e.n.t.e. - autonome gruppe mit biss 194 Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) 91 Al-Gamaa al-Islamiya (GI) 40 Bund Frankenland - Staatsbürgerliche Runde 135 Al-Qaida 40 BURNING HATE 104 Al-Tauhid 55 Burschenschaft Danubia 153 Anadoluda Vakit 68 Ansar al-Islam 52 CALSLAGEN 104 antifa 208 Castle Hill Publishers Ltd. 157 Antifaschistische Aktion München 194 Celebrity Centres (CC) 218 Antifaschistisches Aktionsbündnis Nürnberg 208 Church of Scientology International (CSI) 209 Antikernkraftbewegung 203 Citizens Commission on Human Rights (CCHR) 222 Applied Scholastics 220 Clears 212 Arabische Mudjahidin 41 CONFIDENT OF VICTORY 145 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 192 Continental Liaison Office (CLO) 217 Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) 85 CRIMINON 220 ARMCO 104 ARYAN REBELS 144 D.I.A. (Die islamische Alternative) 65 Asiatische Organisierte Kriminalität 241 DAMAGE INCORPORATED 144 Asr-I Saadet 65 Das Freie Forum 162 AUFMARSCH 144 Dawa 57 Augsburger Bündnis - Nationale Demokratie Direkt München e.V. 126 Opposition e.V. 136 Demokratische Front für die Befreiung Autonome 192 Palästinas (DFLP) 85 Autonome Jugend Antifa 194 Denk mit! 162 Autonome Nationalisten München (ANM) 134 Denk mit!-Verlag 162 Department of Special Affairs (DSA) 221 barricada - zeitung für autonome Der Alkomat 147 politik und kultur 196 Deutsche Aufbau-Organisation (DAO) 125 Betäubungsmittelhandel 242 Deutsche Geschichte 162 Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) 43 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 180 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Sachwortregister 257 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 162 Föderation kurdischer Vereine in Deutsche Partei - Die Freiheitlichen (DP) 121 Deutschland e.V. (YEK-KOM) 70 Deutsche Stimme (DS) 161 free MIND magazin 214 Deutsche Volksunion (DVU) 107 Freie Deutsche Jugend (FDJ) 185 Deutsche Volksunion e.V. 161 Freie Nationalisten 91 Deutsches Büro für Menschenrechte 222 Freiheit 209 Deutsches Kolleg (DK) 162 Freiheitliche Deutsche Volkspartei (FDVP) 122 Deutsch-Islamisches Bildungswerk e.V. (DIBW) 46 Freundeskreis Demokratie Direkt München 125 Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee 124 Freundeskreis Ulrich von Hutten 162 Deutschland-Pakt 112 Frieden 2000 - Nachrichten für die Deutschland-Bewegung 162 Deutschland-Post 161 Friedenskomitee 124 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 75 Front der islamischen Kämpfer des Ostens Dianetik nach L. Ron Hubbard 209 (IBDA-C) 88 Die Republikaner (REP) 91 FSB (Inlandsnachrichtendienst der GUS) 229 Die Linke.PDS-Pressedienst 207 Die Linkspartei.PDS 165 Galileo - streitbare Wissenschaft 187 Die Ware 174 GEGENSTANDPUNKT 192 DISPUT 207 Gerechtigkeitsund Aufschwungpartei Djihad 29 (AKP) 60 Djihad Islami (JI) 43 "Germania"-Rundbrief 158 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 162 (DSZ-Verlag) 128 Glückseligkeitspartei (SP) 60 Grossraumzeitung - Nürnberg/Erlangen/ Edelweiss 137 Fürth 196 ENDSIEG 144 GRU (Militärischer Nachrichtendienst der GUS) 228 En Nahda 49 GUS-Mafia 236 Europäischer Darstellungsverein für Lebendige Geschichte (EDLG) 126 HAMAS 46 FADENKREUZ 144 Hezb-i Islami (HIA) 58 Fanzine 147 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) 64 FAUSTRECHT 144 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. FELDHERREN 144 (HNG) 161 FIS 48 Hizb al-Dawa al-Islamiya (Dawa) 57 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) 78 Hizb Allah (Partei Gottes) 56 Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Hizb ut-Tahrir 50 Türkei in Deutschland e.V. Huttenbriefe 162 (AGIF) 88 Föderation der Islamischen Organisationen in Europa (FIOE) 44 Impact 209 Föderation der Türkisch-Demokratischen Indiziert 147 Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) 80 INDIZIERT 104 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 258 Sachwortregister Info-Läden der Autonomen 194 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 172 INTERIM 195 Kommunistische Plattform (KPF) 172 International Association of Scientologists Kommunistischer Arbeiterbund (IAS) 215 Deutschlands (KABD) 187 International City 212 Konföderale Fraktion der Vereinten Internationale islamische Front 40 Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) 171 Internationaler Kurdischer Arbeitgeberverband (KARSAZ) 70 KONFRONTATION 104 [in'vers] 132 KONGRA GEL (Volkskongress Kurdistans) 69 Islamische Bewegung Kurdistans (KIH) 87 KONTRA! 186 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) 44 Landser 155 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. Leuchter-Bericht 157 (IGMG) 60 Linksruck 207 Islamische Heilsfront (FIS) 48 Linksruck-Netzwerk 189 Islamische Vereinigung in Bayern e.V. (IVB) 59 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) 46 Maoistische Kommunistische Partei (MKP) 78 Islamischer Bund Palästina (IBP) 46 Marxistische Blätter 207 Islamischer Widerstand (Muqawame Islamiya) 56 Marxistische Gruppe (MG) 192 Islamisches Zentrum München 44 Marxistisches Forum (MF) 174 Islamisch-Irakische Gemeinschaft Deutschland e.V. (IIGD) 57 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 80 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands Jemaah Islamiya 40 (MLPD) 187 Jugendverband REBELL 188 Mensch und Maß 162 Jugendverband ['solid] 174 militante gruppe (mg) 197 Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) 102 Militanzdebatte 196 Junge Nationaldemokraten (JN) 105 Milli Gazete 63 Mitteilungen der Kommunistischen Kalifatsstaat 64 Plattform der Linkspartei.PDS 207 Kameradschaft Aschaffenburg 135 MORRIGAN 145 Kameradschaft Asgard Ratisbona 134 Mudjahidin 40 Kameradschaft Augsburg 136 Münchner Bekenntnis 123 Kameradschaft München 133 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus 190 Kameradschaft Niederbayern-Oberpfalz 156 Münchner Bündnis gegen Rassismus 190 Kameradschaft Süd - Aktionsbüro Süddeutschland (AS) 154 Multi-Kultur-Haus Ulm e.V. (MKH) 66 Kameradschaft Weiße Wölfe 135 Muslimbruderschaft (MB) 42 KATEGORIE C 145 Kinderorganisation ROTFÜCHSE 188 Nachrichten der HNG 161 Kommission für Verstöße der Psychiatrie NARCONON 220 gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) 221 Nationaldemokratische Partei Deutschlands Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) 207 (NPD) 91 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 Sachwortregister 259 Nationaldemokratischer Hochschulbund RADIKAHL 146 (NHB) 161 radikal 196 Nationale Info-Telefone (NIT) 137 RAZOR'S EDGE 145 Nationaler Block (NB) 96 REBELL 188 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 81 Redskins 140 Nationaler Widerstand Süddeutschland 137 Religious Technology Center (RTC) 216 Nationales Infoportal Bayern (NIB) 137 Renees 142 National Liberation Army (NLA) 82 Revisionismus 156 National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung REVOLUTIONÄRER WEG 207 (NZ) 162 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front Nation-Europa-Freunde e.V. 130 (DHKP-C) 75 Nation Europa Verlag GmbH 130 Revolutionäre Zellen (RZ) 197 Nation & Europa - Deutsche Monatshefte 130 Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB) 190 Neonazi-Kameradschaften 133 Rockerkriminalität 240 Neue PKK 71 ROJ TV 71 Neues Deutschland 207 Rote Fahne 207 Neues Schwaben 162 ['ROTFRONT!] 175 Newroz 73 ROTFÜCHSE 188 Nichtaberrierte 212 Rudolf-Gutachten 157 NS Black Metal (NSBM) 145 Rudolf-Heß-Aktionen 138 NS Kampfruf 161 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation Salafiyya-Gruppe für die Mission und den (NSDAP-AO) 159 Kampf (GSPC) 40 Scharia 28 Office of Special Affairs (OSA) 221 Schleusungsdelikte 241 OIDOXIE 145 Schulhof-CD 104 Oi-Skinheads 140 Schutzbund für das Deutsche Volk e.V. (SDV) 162 Organisierte Autonomie 194 Schwarzer Block 193 Organisierte Kriminalität (OK) 235 Scientology Kirche Bayern e.V. 209 Scientology Kirche Deutschland e.V. (SKD) 209 Partei der Europäischen Linken (EL) 179 Scientology-Organisation (SO) 209 Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 81 SHARPs 140 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 166 Skinheads 140 Partizan-Flügel (TKP/ML) 78 ['solid] 174 PKK (Arbeiterpartei Kurdistans; nunmehr Source 209 KONGRA GEL) 69 Sozialistische Aktion München 194 POSITION 208 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 189 Projekt Schulhof 139 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend Pro.K - Zeitung des revolutionären Aufbau (SDAJ) 185 München 196 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Proliferation 231 (SED) 165 PROPAGANDA 146 Sozialistische Gruppe 192 Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 260 Sachwortregister SPREEGESCHWADER 104 Vereinigung der Verfolgten des Staatsbürgerliche Runde 135 Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) 183 Südosteuropa-Mafia 238 Verlag Hohe Warte - Franz von BebenSWR (Auslandsnachrichtendienst der GUS) 228 burg KG 162 VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH 162 Tablighi Jamaat 54 Vierteljahreshefte für freie GeschichtsTITEL - Informationsforum der Linksforschung (VffG) 159 partei.PDS Bayern 207 Vlaams Belang 118 Türkische Kommunistische Partei/MarxisVolksfront für die Befreiung Palästinas ten-Leninisten (TKP/ML) 78 - Generalkommando - (PFLP-GC) 85 Türkische Volksbefreiungspartei-Front Volksfront für die Befreiung Palästinas (THKP-C Devrimci Sol) 75 (PFLP) 85 Tugendpartei (FP) 60 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL; vormals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans - KADEK - bzw. Arbeiterpartei Union islamischer Studentenvereine in Kurdistans - PKK -) 69 Europa (U.I.S.A.) 85 Volksmudjahidin Iran-Organisation (MEK) 81 Unsere Zeit (UZ) 207 Volksverteidigungskräfte (HPG) 70 Ursprung 209 Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) 159 UTOPIE - kreativ - Diskussion sozialistischer Alternativen 207 Watchdog Committee (WDC) 218 Verband der islamischen Vereine und Wenz - Unter sticht Ober 196 Gemeinden e.V. (ICCB) 64 White Power-Skinheads 141 Verband der stolzen Frauen Wirtschaftsspionage 229 (KJB; umfasst PAJK, YJA und YJA-STAR) 72 WISE 218 Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten Yeni Akit GmbH 68 (VRBHV) 159 Vereinigung der demokratischen Zeit für Protest! 161 Jugendlichen Kurdistans (KOMALEN-CIWAN; vormals Bewegung der freien Jugend Zentrum für individuelles und effektives Kurdistans - TECAK ) 72 Lernen (ZIEL) 220 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern, Odeonsplatz 3, 80539 München Druck: Druckerei Neubert, Bayreuth Gedruckt auf Recyclingpapier aus 100 % Altpapier Hinweis: Der Verfassungsschutzbericht Bayern 2005 ist auch über das Internet abrufbar: http://www.innenministerium.bayern.de/sicherheit/verfassungsschutz http://www.verfassungsschutz.bayern.de Verfassungsschutzbericht Bayern 2005