Bayerisches Staatsministerium des Innern G S U N S S Z F A T E R H U T V SC CH R I B 00 E 0 2 VERFASSUNGSSCHUTZ BERICHT 20 B AY E R N 00 Bayerisches Staatsministerium des Innern Vorwort 3 Die Väter unseres Grundgesetzes haben bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland die neue Staatsordnung als eine streitbare, wehrhafte Demokratie ausgestaltet. Damit sollte die Wiederholung einer Entwicklung verhindert werden, in der Grundprinzipien der Verfassung von ihren Gegnern ausgehöhlt und schließlich beseitigt werden konnten. Rechtsextremisten treten heute immer dreister und brutaler auf und nutzen verstärkt das Internet für ihre Propaganda. Anlass zu Sorge bietet auch die Einflussnahme von Rechtsextremisten auf Jugendliche. Skinheadmusik mit häufig volksverhetzenden, rassistischen und gewaltverherrlichenden Texten findet sogar bei eher unpolitischen Jugendlichen Anklang und ist für manche von ihnen ein gefährlicher Anreiz zum Einstieg in die rechtsextremistische Szene. Militante Skinheads und Neonazis haben in letzter Zeit ihre politische Heimat in der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und ihrer Jugendorganisation gefunden. Die NPD hat mit dem von ihr propagierten "Kampf um die Straße" ihr Erscheinungsbild grundlegend gewandelt. Sie bindet in besonderer Weise junge Menschen an sich und spielt für den militanten Rechtsextremismus eine zentrale Rolle. Die Beschlüsse der zuständigen Verfassungsorgane, beim Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD zu beantragen, folgen letztlich also nur dem Verfassungsauftrag, vor Gegnern der freiheitlichen Gesellschaft nicht zurückzuweichen, sondern diese Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen. Der Bericht zeigt auch die Entwicklung der anderen Arten des politischen Extremismus auf sowie die Bedrohung durch Spionage und Organisierte Kriminalität. So sehr wir die menschenverachtenden Aktionen des Rechtsextremismus bekämpfen müssen, dürfen wir doch nicht vergessen, dass auch Linksextremisten, ausländische Extremisten und die ScientologyOrganisation unsere freiheitliche demokratische Grundordnung untergraben und das friedliche Zusammenleben in Deutschland gefährden. Bedrohungen durch Spionagetätigkeit für fremde Mächte und die Organisierte Kriminalität bedürfen ebenso staatlicher Abwehrarbeit. Die Erhaltung des demokratischen Rechtsstaats obliegt freilich nicht allein den staatlichen Behörden, sondern ist Aufgabe aller Bürger. Deren Bereitschaft, sich mit unserer Verfassungsordnung zu identifizieren, an ihrer Bewahrung aktiv mitzuwirken und den Gegnern der freiheitlichen Demokratie entschlossen entgegen zu treten, ist der beste und wirksamste Verfassungsschutz. Nur der informierte Bürger erkennt die von extremistischen Kräften angestrebte propagandistische Irreführung. Dieser Bericht soll als Teil praktizierter wehrhafter Demokratie zur Aufklärung über die unserer Verfassung drohenden Gefahren beitragen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz haben durch ihre engagierte Arbeit maßgeblichen Anteil an der Sicherung von Demokratie, Freiheit und Menschenwürde in unserem Land. Ihnen gilt unser Dank für ihre schwierige, vielfach verkannte Tätigkeit. München, im März 2001 Dr. Günther Beckstein Hermann Regensburger Staatsminister Staatssekretär 4 Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt Verfassungsschutz in Bayern 1. Gesetzliche Grundlagen ............................................ 12 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes ........................... 12 3. Informationsbeschaffung .......................................... 13 4. Kontrolle ................................................................... 14 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes ............ 15 2. Abschnitt Entwicklung des politischen Extremismus im Jahr 2000 1. Rechtsextremismus .................................................... 16 2. Linksextremismus ...................................................... 18 3. Ausländerextremismus ............................................... 19 4. Scientology-Organisation ........................................... 20 5. Graphische Darstellungen .......................................... 21 3. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines .............................................................. 23 1.1 Rechtsextremismus .................................................... 23 1.2 Entwicklung der Organisationen ................................ 24 1.3 Rechtsextremistische Gewalt ..................................... 26 2. Parteien, Organisationen und Verlage ....................... 27 2.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ...... 27 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort ................................. 27 2.1.2 Organisation .............................................................. 33 2.1.3 Teilnahme an Wahlen ................................................ 34 2.1.4 Reaktionen auf die Verbotsinitiative ........................... 35 2.1.5 Sonstige Aktivitäten .................................................. 37 2.1.5.1 Öffentliche Kundgebungen in Berlin .......................... 38 2.1.5.2 Veranstaltungen zum 1. Mai ...................................... 38 Inhaltsverzeichnis 5 2.1.5.3 Zentrale Veranstaltung in Passau ................................ 39 2.1.6 Junge Nationaldemokraten (JN) ................................. 40 2.2 Deutsche Volksunion (DVU) ....................................... 42 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort ................................. 42 2.2.2 Organisation .............................................................. 45 2.2.3 Aktivitäten ................................................................. 45 2.3 Die Republikaner (REP) ............................................... 46 2.3.1 Ideologisch-politischer Standort ................................. 47 2.3.2 Interne Richtungskämpfe ........................................... 51 2.3.3 Organisation .............................................................. 53 2.3.4 Teilnahme an Wahlen ................................................ 53 2.3.5 Aktivitäten in Bayern ................................................. 54 2.3.6 Verwaltungsgerichtsverfahren ................................... 54 2.4 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) ................ 56 2.5 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) .................. 56 2.6 Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V. .......................... 57 2.7 Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee 2000 ........... 58 2.8 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) 59 2.9 Nation Europa Verlag GmbH ..................................... 61 3. Organisationsunabhängiger Neonazismus .................. 62 3.1 Allgemeines .............................................................. 62 3.2 Annäherung von Neonazis an Linksextremisten .......... 63 3.3 Autonome Kameradschaften ..................................... 64 3.3.1 Freizeitverein Isar 96 e.V. (FZV) .................................. 65 3.3.2 Neonazikreis um Sven Schlechta (Kameradschaft Schwabach) ...................................... 65 3.3.3 Bund Frankenland ..................................................... 66 3.3.4 Aktionsbüro Nationaler Widerstand/Freilassing ........... 66 3.3.5 Katakombenakademie des Friedhelm Busse ................ 66 3.4 Informationelle Vernetzung ....................................... 67 3.5 Aktivitäten zum 13. Todestag von Rudolf Heß ............ 69 4. Skinheads .................................................................. 69 4.1 Überblick .................................................................. 69 4.2 Politische Ausrichtung ............................................... 70 4.3 Strukturen ................................................................. 72 4.4 Anziehungskraft für Jugendliche ............................... 72 4.5 Bedeutung der Skinhead-Musik ................................. 73 6 Inhaltsverzeichnis 4.6 Skinhead-Magazine ................................................... 74 4.7 Verbot der neonazistischen Skinhead-Organisation "Blood & Honour Division Deutschland" sowie deren Jugendorganisation "White Youth" ............................ 75 5. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten ................... 77 5.1 Gewalttaten ............................................................... 77 5.1.1 Sicherstellung von Waffen, Munition und Sprengstoff 78 5.1.2 Gewalttaten und Urteile im Einzelnen ........................ 80 5.2 Sonstige Straftaten ................................................... 85 6. Revisionismus ............................................................ 86 6.1 Ziele .......................................................................... 86 6.2 Entwicklung und Träger der Revisionismus-Kampagne 87 7. Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus 89 7.1 Kontakte der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) ................................................... 89 7.2 Kontakte der Deutschen Volksunion (DVU) ................ 89 7.3 Kontakte der Republikaner (REP) ................................ 89 7.4 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 90 8. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ...................................................... 91 4. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines .............................................................. 93 1.1 Merkmale des Linksextremismus ................................ 93 1.2 Entwicklung der Organisationen ................................ 94 1.3 Linksextremistische Gewalt ......................................... 96 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 96 2.1 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) .............. 97 2.1.1 Ideologische Ausrichtung ........................................... 97 2.1.2 Organisation .............................................................. 104 2.1.3 Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften .. 105 2.1.3.1 Kommunistische Plattform (KPF) ................................ 106 2.1.3.2 Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen in und bei der PDS ..................................................... 108 Inhaltsverzeichnis 7 2.1.3.3 Marxistisches Forum (MF) .......................................... 108 2.1.4 Jugendverband 'solid ................................................ 109 2.1.5 PDS Landesverband Bayern ........................................ 110 2.1.6 Teilnahme an Wahlen ................................................ 112 2.1.7 Kommunistischer Internationalismus .......................... 112 2.1.8 Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten .......... 113 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ...................... 114 2.2.1 Ideologische Ausrichtung ........................................... 115 2.2.2 Organisation .............................................................. 116 2.2.3 Teilnahme an Wahlen ................................................ 117 2.2.4 Umfeld der DKP ......................................................... 117 2.2.4.1 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ......... 117 2.2.4.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) ............ 118 2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) .. 120 2.4 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) ..... 121 2.5 Marxistische Gruppe (MG) ......................................... 122 2.6 Münchner Bündnis gegen Rassismus ......................... 122 3. Gewaltorientierte Linksextremisten ............................. 123 3.1 Autonome Gruppen .................................................. 123 3.1.1 Überblick .................................................................. 124 3.1.2 Ideologische Ausrichtung und Aktionsformen ............ 124 3.1.3 Strukturen ................................................................ 125 3.1.3.1 Autonome in Bayern ................................................. 125 3.1.3.2 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) ..................................................................... 127 3.1.4 Informationelle Vernetzung ........................................ 129 3.1.5 Autonome Publikationen ........................................... 129 3.1.6 Schwerpunktthemen und Aktionen ............................ 130 3.1.6.1 Strategiedebatte ....................................................... 131 3.1.6.2 Antifaschismus .......................................................... 133 3.1.6.3 Antifaschistische Aktionen in Bayern ......................... 135 3.1.6.4 Weitere Aktionen ...................................................... 137 3.1.6.5 Einflussnahme auf die Antikernkraftbewegung .......... 138 3.1.6.6 Einflussnahme auf die EXPO 2000 ............................. 139 3.2 Gewalttaten und sonstige Straftaten ......................... 140 3.3 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) ...................... 142 8 Inhaltsverzeichnis 3.4 Revolutionäre Zellen (RZ) ........................................... 143 4. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ............... 146 5. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines .............................................................. 149 1.1 Merkmale des Ausländerextremismus ........................ 149 1.2 Entwicklung der Organisationen ................................ 149 1.3 Integrationsfeindlichkeit des islamischen Extremismus 151 1.4 Entwicklung der Gewalttaten .................................... 153 2. Türkische Gruppen .................................................... 154 2.1 Islamische Extremisten .............................................. 154 2.1.1 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) ............. 154 2.1.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) ................................ 156 2.2 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) ................. 159 2.3 Linksextremisten ....................................................... 162 2.3.1 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) ............................. 162 2.3.2 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) ................................................................... 167 2.3.3 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 169 3. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) .................................. 170 3.1 Ideologie ................................................................... 170 3.2 Organisation ............................................................. 172 3.3 Strategie ................................................................... 174 3.4 Unterstützer der PKK ................................................ 177 3.5 PKK-interne Opposition ............................................ 177 3.6 Aktivitäten und Gewalttaten ...................................... 178 3.7 Strafverfahren und Exekutivmaßnahmen .................... 181 4. Arabische Gruppen ................................................... 184 4.1 Muslimbruderschaft (MB) in der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) ..................... 184 Inhaltsverzeichnis 9 4.2 Islamische Heilsfront (FIS) - algerischer Zweig der MB - 185 4.3 Al-Gamaa Al-Islamiya (GI) .......................................... 185 4.4 Internationale Islamische Front .................................. 186 4.5 Hizb Allah (Partei Gottes) ........................................... 187 5. Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) ....................... 188 6. Israel-Palästina-Konflikt ............................................. 190 7. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ................................... 192 6. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) 1. Zur Geschichte der SO .............................................. 196 2. Ideologie und Aktivitäten .......................................... 198 2.1 Schriften der SO ....................................................... 199 2.1.1 Errichtung einer scientologischen Gesellschaft ........... 200 2.1.2 Lenkung der Regierung durch Scientology ................. 201 2.1.3 Einführung eines scientologischen Rechtssystems ........ 201 2.1.4 Abwehr von Kritik an Lehre und Praxis - aggressive Expansionstechnik .................................................... 202 2.2 Aktivitäten der SO ..................................................... 203 2.2.1 Angriffe auf Repräsentanten des Staats ..................... 203 2.2.2 Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung .... 204 2.2.3 Ausforschung und Bekämpfung von Kritikern ........... 205 2.2.4 Kampagne gegen Schutzerklärung ............................ 206 2.2.5 Nutzung des Internets ............................................... 207 2.2.6 Aktivitäten im Ausland .............................................. 207 2.3 Bewertung der Schriften und Aktivitäten .................. 210 3. Organisationsund Kommandostruktur der SO .......... 211 3.1 Weltweite Kommandostruktur der SO ....................... 211 3.2 Organisation der SO in Deutschland .......................... 211 3.2.1 "Scientology Kirchen" (Church-Sektor) ...................... 211 3.2.2 WISE-Sektor .............................................................. 213 3.2.3 ABLE-Sektor .............................................................. 215 3.2.4 Office of Special Affairs (OSA) ................................... 215 10 Inhaltsverzeichnis 4. Mitglieder der SO ...................................................... 216 5. Veranstaltungen der SO ............................................ 216 5.1 Ausstellung "Was ist Scientology?" ........................... 217 5.2 Veranstaltung der International Association of Scientologists (IAS) "Kreuzzug für völlige Freiheit" ..... 217 5.3 PR-Veranstaltung ....................................................... 218 5.4 Weitere Veranstaltungen ........................................... 218 6. Verwaltungsgerichtsverfahren .................................... 218 7. Vertrauliches Telefon und Informationsangebot im Internet ................................................................ 219 7. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage ........................................................... 220 2. Wirtschaftsspionage - Ausforschung von Wissenschaft und Technik .............................................................. 221 3. Proliferation .............................................................. 222 4. Spionage im Bereich der Kommunikationstechnik ..... 222 5. Schutzmaßnahmen - Beratung durch den Verfassungsschutz ..................................................... 223 6. Ausblick .................................................................... 224 8. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Ausgangslage ........................................................... 225 2. Beobachtungsschwerpunkte ...................................... 225 3. Ausblick .................................................................... 231 Anhang Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) ....................... 232 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) ................ 240 Sachwortregister .................................................................... 242 Verfassungsschutz in Bayern 11 1. Abschnitt Verfassungsschutz in Bayern Die Bundesrepublik Deutschland ist nach ihrer Verfassung eine wertWehrhafte gebundene, wachsame und wehrhafte Demokratie. Der Staat kann Demokratie gegen Bestrebungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen, die in der Verfassung vorgesehenen Abwehrmittel einsetzen, z.B. durch ein Parteioder Vereinsverbot. Dies setzt voraus, dass er solche Bestrebungen oder Aktivitäten, die als "extremistisch" oder als "verfassungsfeindlich" bezeichnet werden - diese Begriffe sind gleichbedeutend -, rechtzeitig erkennen kann. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes ein. Er dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie dem Schutz des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter Freiheitliche der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Ordnung zu demokratische verstehen, die unter Ausschluss jeglicher Gewaltund WillkürherrGrundordnung schaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören mindestens: - die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, - die Volkssouveränität, - die Gewaltenteilung, - die Verantwortlichkeit der Regierung, - die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, - die Unabhängigkeit der Gerichte, - das Mehrparteienprinzip, - die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. 12 Verfassungsschutz in Bayern 1. Gesetzliche Grundlagen Rechtliche Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzGrundlagen lich genau festgelegt. Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt die von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben. Es ist zugleich Rechtsgrundlage für die Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz. Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Ländern eigene Verfassungsschutzgesetze. In Bayern regelt das im Anhang abgedruckte Bayerische Verfassungsschutzgesetz die Aufgaben und Befugnisse des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, das seinen Sitz in München hat und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnet ist. Für das Landesamt wurden im Haushaltsplan 2000 insgesamt 412 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter ausgewiesen; das Haushaltsvolumen 2000 betrug 38,5 Millionen DM. 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes BeobachtungsNach dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz hat das Landesamt für auftrag Verfassungsschutz im Wesentlichen den Auftrag der Beobachtung von - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, - sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht (Sabotage und Spionage), - Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und - Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität. Darüber hinaus wirkt das Landesamt für Verfassungsschutz u.a. bei Sicherheitsüberprüfungen mit. Rechtsgrundlage hierfür ist das Bayerische Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Im Mittelpunkt der Beobachtung stehen Aktivitäten von extremistischen Organisationen. Dazu müssen zwangsläufig auch die Mitglieder und Unterstützer erfasst werden. Aber auch die Beobachtung von Einzelpersonen ist zulässig. Verfassungsschutz in Bayern 13 Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland. Er informiert die politisch Verantwortlichen und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Beobachtung, vor allem über mögliche Gefahren. Er versetzt die zuständigen staatlichen Stellen des Bundes und der Länder in die Lage, verfassungsfeindlichen Kräften rechtzeitig und angemessen zu begegnen. Die Erkenntnisse bilden die Grundlage für Exekutivmaßnahmen wie beispielsweise Verbote von Vereinen, Verbotsanträge gegen Parteien - wie sie jetzt von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) beschlossen wurden -, Verbote von Versammlungen, Verhinderung finanzieller oder sonstiger Förderung, Verweigerung erforderlicher Erlaubnisse (z.B. für Sammlungen, Info-Stände). Im Gegensatz zum Verfassungsschutz beschafft der BundesnachrichAbgrenzung zu tendienst (BND) Informationen über das Ausland, die für die BundesBND und MAD republik Deutschland außenund sicherheitspolitisch von Interesse sind. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) nimmt Verfassungsschutzaufgaben im Bereich der Bundeswehr wahr. 3. Informationsbeschaffung Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz verpflichtet, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil aus offenen Quellen gewonnen (z.B. aus Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern, Programmen, Broschüren und sonstigem Material extremistischer Organisationen sowie bei deren öffentlichen Veranstaltungen). Nur etwa 20% der Informationen erhält der Verfassungsschutz durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel. Zu diesen Mitteln Nachrichtengehören im Wesentlichen: dienstliche Mittel - der Einsatz von verdeckt arbeitenden V-Leuten ("V" steht für "Vertrauen") in extremistischen Organisationen, - das Beobachten verdächtiger Personen (Observation) sowie - verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen. Eingriffe in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis (Öffnen von Briefund Briefen, Abhören von Telefongesprächen) sind besonders strengen Telefonkontrolle rechtsstaatlichen Anforderungen unterworfen. Sie sind in einem eigenen Gesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses "Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz" (G 10) 14 Verfassungsschutz in Bayern genannt wird. Ein Verfahren mit mehreren voneinander unabhängigen Kontrollinstanzen stellt sicher, dass in dieses Grundrecht nur eingegriffen wird, wenn die im Gesetz genannten besonderen Gründe vorliegen. Rechtsstaatliche Sicherungen gelten auch für den Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes, also für den Einsatz von Abhörgeräten oder versteckten Kameras in Wohnungen und Büros. Keine polizeiDem Verfassungsschutz stehen keine polizeilichen Befugnisse zu. lichen Befugnisse Polizeibehörden und Verfassungsschutz sind voneinander getrennt. Deshalb dürfen die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes keinerlei Zwangsmaßnahmen, wie z.B. Festnahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen usw., durchführen. Verfassungsschutzbehörden dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Dies steht aber einer informationellen Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung nicht entgegen. Im Gegenteil sind diese unabdingbare Voraussetzungen für eine effiziente Arbeit der Sicherheitsbehörden. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Sicherheitsbehörde unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 4. Kontrolle Vielfältige Die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden unterliegt einer vielfälKontrollen tigen Kontrolle. Dazu gehört die allgemeine parlamentarische Kontrolle, die durch die Berichtspflicht des verantwortlichen Ministers gegenüber dem Landtag im Rahmen von aktuellen Stunden, Anfragen von Abgeordneten, Petitionen usw. ausgeübt wird. Eine besondere Kommission des Bayerischen Landtags, das Parlamentarische Kontrollgremium, überwacht die Arbeit des Verfassungsschutzes. Die G 10-Kommission überprüft die Maßnahmen zur Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs. Die Verwaltungskontrolle obliegt dem Innenminister im Rahmen der Dienstund Fachaufsicht, ferner dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz und dem Bayerischen Obersten Rechnungshof. Diese Kontrollen werden ergänzt durch eine mögliche gerichtliche Nachprüfung belastender Einzelmaßnahmen sowie durch die Öffentlichkeit in Form von Presse, Funk und Fernsehen. Verfassungsschutz in Bayern 15 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann auf Dauer nicht Aufklärungsohne die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus tätigkeit gesichert werden. Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes gewährleistet, dass Regierung und Parlament, aber auch die Bürger über Aktivitäten und Absichten verfassungsfeindlicher Organisationen informiert werden. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes werden der Verfassungsschutzbericht sowie weitere Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Das Informationsmaterial erhalten Sie kostenlos beim Bayerischen Staatsministerium des Innern - Sachgebiet Verfassungsschutz -, Odeonsplatz 3, 80539 München (Telefax: 0 89 / 2 19 21 28 42). Die meisten Materialien, insbesondere der jährliche Verfassungsschutzbericht und auch Informationen zur Scientology-Organisation, sind zusätzlich im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.innenministerium.bayern.de Das Internet-Angebot des Bayerischen Staatsministeriums des Innern wird durch die unter der Adresse http://www.verfassungsschutz.bayern.de erreichbare Homepage des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz ergänzt. 16 Entwicklung des politischen Extremismus 2. Abschnitt Entwicklung des politischen Extremismus im Jahr 2000 1. Rechtsextremismus Die öffentliche Diskussion um die menschenverachtenden Gewalttaten von Neonazis und Skinheads sowie die Forderung nach einem Verbot der NPD gaben auch innerhalb des rechtsextremistischen Keine einheitliche Spektrums Anlass zur Erörterung von Gegenstrategien. Eine einheitIdeologie liche Position wurde jedoch nicht erreicht, da es dem ideologisch und personell zerstritten rechtsextremistischen Lager nach wie vor an einer Führungsperson mit Ausstrahlungskraft mangelt. Der organisierte Rechtsextremismus wird von den Parteien Die Republikaner (REP), Deutsche Volksunion (DVU) und Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) geprägt. Während die REP sowohl bundesweit als auch in Bayern einen leichten Mitgliederrückgang zu verzeichnen hatten, konnte sich die DVU auf ihrem VorAufwärtstrend jahresniveau halten. Die NPD erzielte sogar einen leichten Mitgliederder NPD zuwachs. Die rechtsextremistischen Parteien griffen in ihrer Agitation aktuelle Agitationsthemen politische Probleme auf, so zum Beispiel die Frage nach der Rolle Deutschlands in der Europäische Union (EU), die Einführung des EURO als Zahlungsmittel und die Erweiterung der EU. Weitere Themen waren die Problematik der Zuwanderung von Ausländern und die zwischenzeitlich beendeten Maßnahmen der EU gegen Österreich wegen der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Durch Verknüpfung dieser Politikfelder mit nationalistischen Parolen suchten die rechtsextremistischen Parteien Erfolge bei Wahlen, jedoch ohne nennenswerte Ergebnisse. Die NPD hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Sie ist wegen ihrer Öffnung gegenüber Neonazis und Skinheads Nahtstelle zum gewaltbereiten rechtsextremistischen Spektrum geworden und verfolgt in letzter Zeit ihre gegen die freiheitliche demokratische Ordnung gerichteten Ziele in aggressiv-kämpferischer Weise. Diese Entwicklung des politischen Extremismus 17 Entwicklung, insbesondere die wachsende Bedeutung der Partei als Anziehungsund Kristallisationspunkt für militante Rechtsextremisten, veranlassten die zuständigen Verfassungsorgane, VerbotsVerbotsanträge anträge gegen die Partei beim Bundesverfassungsgericht zu beschliegegen die NPD ßen. Der Zerfall der DVU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt zeigt, Politikunfähigkeit dass die Partei zu einer sachlich orientierten politischen Arbeit nicht der DVU fähig ist. Ursache ist der bedingungslose Machtanspruch des Parteivorsitzenden Dr. Gerhard Frey, der eine innerparteiliche demokratische Willensbildung nicht duldet und Andersdenkende als "Verräter und Agenten" ausgrenzt. Nach wie vor ist die DVU von der von ihr angestrebten Führungsrolle im rechtsextremistischen Parteienspektrum weit entfernt. Dr. Frey kann weder charismatische Führungseigenschaften vorweisen noch auf das ideologisch, politisch und personell zerstrittene Lager integrierend einwirken. Die Situation der REP ist maßgeblich durch anhaltende RichtungsUmstrittener kämpfe um den 1990 beschlossenen Abgrenzungskurs gegenüber Abgrenzungskurs anderen Rechtsextremisten sowie durch Niederlagen in verwaltungsder REP gerichtlichen Verfahren wegen der Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln gekennzeichnet. Die Prozessniederlagen veranlassen die Funktionäre offenbar, ihre taktische Zurückhaltung in der Formulierung ihrer politischen Position aufzugeben. Die organisierte neonazistische Szene in Bayern entfaltete wiederum nur relativ geringe Aktivitäten. Die Zahl der von Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads gegen Ausländer, Farbige, "Linke" und andere Feindbilder verübten Gewalttaten ist insgesamt gestiegen; Zunahme der die dabei demonstrierte Brutalität und Menschenverachtung sind Gewalttaten nach wie vor erschreckend. Die Anzahl sonstiger Straftaten, insbesondere der Propagandadelikte, hat deutlich zugenommen. Vereinzelt sind auch in Bayern Ansätze einer Diskussion erkennbar, bei der nicht der Wille einer Gesellschaftsänderung mit Waffengewalt, sondern der Gedanke an Gegenwehr im Vordergrund steht. Die Waffenfunde, mehrere Fälle der Schusswaffenverwendung in Bayern und die Ansätze einer Gewaltdiskussion zeigen die Notwendigkeit der weiteren intensiven flächendeckenden Beobachtung dieser Szene. Diese Beobachtung gestaltet sich zunehmend schwieriger, da sich alle rechtsextremistischen Gruppierungen, auch Skinheads und Neonazis, immer konspirativer verhalten und enger zusammenrücken. 18 Entwicklung des politischen Extremismus Ein neu eingerichtetes Hinweistelefon beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, das der Aufklärung rechtsextremistischer Aktivitäten in Bayern dienen soll, nimmt unter Nummer 0 18 02 00 07 86 Informationen von Bürgern und von aussteigewilligen Rechtsextremisten entgegen. 2. Linksextremismus Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten in Bayern ist von 25 auf 39 gestiegen Das linksextremistische Gewaltpotenzial wird zu 80 % von Gruppen und Einzeltätern aus dem autonomen und anarchistischen Spektrum gestellt. Ihre Gewalttaten richten sich Gewalttätige in Bayern fast ausschließlich gegen tatsächliche oder vermeintliche Antifa Rechtsextremisten im Rahmen des Antifa-Kampfs. Ihr eigentliches Angriffsziel ist jedoch der demokratische Staat, der die Freiheit Andersdenkender wie auch das verfassungsrechtlich gesicherte Versammlungsrecht von Rechtsextremisten zu schützen hat und sich in Form der Polizei und anderer Sicherheitskräfte als "Repressionsapparat" der gewaltsamen Verfolgung ihrer kommunistischen und anarchistischen Ziele entgegenstellt. Entgegen den ursprünglichen Planungen konnten linksextremistische Aktionen die EXPO 2000 in Hannover nicht ernsthaft gefährden. Mit der Verabschiedung der Resolution "Nein zu UN-Militäreinsätzen - Internationale Krisen und Konflikte friedlich lösen" auf ihrem Parteitag vom 7. bis 9. April in Münster/Nordrhein-Westfalen verschärften sich bestehende Spannungen zwischen der Parteiführung und der Kommunistischen Plattform der PDS (KPF). Der politische Rückzug der "Reformer", des Parteivorsitzenden Prof. Dr. Lothar Bisky und des Fraktionsvorsitzenden der PDS im Deutschen Bundestag Dr. Gregor Gysi, war die Folge. Mit der Wahl der thüringischen Neue PDS-Landesvorsitzenden Gabriele Zimmer zur neuen ParteivorsitzenParteivorsitzende den bei der 1. Tagung des 7. Parteitags vom 14. bis 15. Oktober in der PDS Cottbus gelang es der Partei, bei den Mitgliedern wieder Aufbruchstimmung zu vermitteln. Gabriele Zimmer machte deutliche Koalitionsangebote an die Sozialdemokraten in den neuen Bundesländern. Die Wahl des Mitglieds des Bundeskoordinierungsrats der KPF, Sahra Wagenknecht, in den Parteivorstand ließ zugleich deutlich werden, dass kommunistische Positionen in der Partei weiterhin als unverzichtbar gesehen werden. Nach wie vor unterhält die PDS Kontakte zu fast allen anderen linksextremistischen und linksextremistisch Entwicklung des politischen Extremismus 19 beeinflussten Gruppierungen sowie zu gewaltbereiten Autonomen und arbeitet mit ihnen zusammen. 3. Ausländerextremismus Während noch im Vorjahr die Gewaltbereitschaft der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eine erhebliche akute Bedrohung der Inneren Sicherheit in Deutschland darstellte, hat sich die Lage mittlerweile trotz des von einem türkischen Staatssicherheitsgericht gegen den PKK-Generalvorsitzenden Abdullah Öcalan verhängten Todesurteils beruhigt. Die derzeit von der PKK demonstrierte Haltung als politisch "kämp"Friedenskurs" fende" Bewegung dürfte zumindest bis zu einer endgültigen Entder PKK scheidung über die Vollstreckung des Todesurteils gegen Öcalan anhalten. Die Beschlüsse des "Präsidialrats" der PKK vom Januar 2000, sich künftig nur noch um eine politische Lösung der Kurdenfrage zu bemühen, setzten die im Vorjahr nach der Inhaftierung Öcalans eingeleitete Trendwende fort. Öcalan selbst nannte die Abkehr von der Gewalt unumkehrbar. Jedoch artikuliert bzw. entwickelt sich in den Reihen der PKK-Anhänger eine noch schwache Opposition zur eingeschlagenen Friedenspolitik. Die Aktivitäten türkischer Linksextremisten konzentrierten sich auf europaweite Solidaritätsaktionen für rund 800 inhaftierte Gesinnungsgenossen in der Türkei, die am 20. Oktober aus Protest gegen ihre bevorstehende Verlegung in kleinere Zellen neu erbauter Gefängnisse einen Hungerstreik begonnen hatten. Das Wiederaufflammen des Palästinakonflikts führte auch in Deutschland zu Demonstrationen von Arabern. Während diese Kundgebungen friedlich verliefen, verübten in der Nacht zum 3. Oktober zwei Männer arabischer Herkunft einen Brandanschlag auf die jüdische Synagoge in Düsseldorf. In der Anhängerschaft der extrem nationalistischen Föderation der Latente GewaltTürkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) bereitschaft gibt es ein latentes Gewaltpotenzial, das vor allem auf politische Gegtürkischer ner zielt. Bei einer Auseinandersetzung mit linksextremistischen Nationalisten Landsleuten in Rotterdam töteten türkische Nationalisten eine Person und verletzten eine weitere Person schwer. Eine zwar weniger spektakuläre, langfristig aber größere Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung stellt der islami- 20 Entwicklung des politischen Extremismus sche Fundamentalismus dar, insbesondere im Hinblick auf seine weltExpansiver weiten Expansionsbestrebungen. Zu ihm bekennen sich in Bayern islamischer neben einigen Angehörigen arabischer Gruppen vor allem etwa Fundamentalismus 5.000 Mitglieder der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG). Zwar ist diese ständig bemüht, öffentliche extremistische Aussagen zu vermeiden. Ihr Fernziel bleibt aber die Islamisierung Europas und die Bildung einer weltweiten Union islamischer Staaten. Der islamische Fundamentalismus ist überaus integrationsfeindlich, da er auf die Errichtung einer islamischen Parallelgesellschaft abstellt. In seinen extremen Formen ist er zudem äußerst gewaltbereit. Deutlicher RückDie Zahl der Gewalttaten ausländischer Extremisten, insbesondere gang der Gewaltvon PKK-Anhängern, hat im Vergleich zum Vorjahr erheblich abgetaten nommen. 4. Scientology-Organisation Die Scientology-Organisation (SO) will die Staaten der Welt letztlich nach eigenen Regeln beherrschen und regieren. Diese Regeln missMissachtung der achten insbesondere die Grundprinzipien der freiheitlichen demokraGrundprinzipien tischen Grundordnung wie Gewaltenteilung, Rechtsstaatsprinzip und unserer Verfassung Demokratieprinzip. Ihre Verwirklichung würde darüber hinaus auch zu einer massiven Beeinträchtigung der Menschenrechte führen, da Nicht-Scientologen im Rechtssystem der SO rechtlos wären. Die SO in Deutschland verfolgt deshalb nach übereinstimmender Auffassung der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder verfassungsfeindliche Ziele. Auch im Jahr 2000 versuchte die SO, Aufklärungsund Abwehrmaßnahmen des Staats zu diffamieren und mit der Verfolgung der Juden im Dritten Reich gleichzusetzen, jedoch stoßen diese Aktionen in der internationalen Öffentlichkeit wie bereits in den Vorjahren auf zunehmende Ablehnung. Entwicklung des politischen Extremismus 21 5. Graphische Darstellungen Rechtsextremisten Entwicklung Linksextremisten der MitgliederAusländische Extremisten zahlen extremisMitglieder Scientology-Organisation Deutschland tischer Organi80.000 sationen 60.000 58.800 50.900* 42.980 40.000 39.800 33.500** 31.500 20.000 Deutschland 10.000 5.500*** 0 1991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 * Die Republikaner 1994 erstmals erfasst. ** Die Kurve beruht auf den Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz, das von den Mitgliedern der PDS nur die der Kommunistischen Plattform (KPF) erfasst. Die PDS hatte im Jahr 2000 bundesweit 88.600 Mitglieder, davon 2.000 in der KPF. *** Scientology-Organisation 1998 erstmals konkret erfasst; Angaben für die Vorjahre geschätzt. Rechtsextremisten Linksextremisten Ausländische Extremisten Mitglieder Scientology-Organisation 12.000 10.470 10.000 8.000 8.120* 6.660 6.000 5.000 4.000 4.900 4.060 3.000 2.600** 2.000 Bayern 0 1991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 * Die Republikaner 1994 erstmals erfasst. ** Scientology-Organisation 1998 erstmals konkret erfasst; Angaben für die Vorjahre geschätzt. 22 Entwicklung des politischen Extremismus Entwicklung politisch 1998 1999 2000 motivierter 998 Gewalttaten 1000 in Deutschland 900 827 783 800 746 711 708 700 600 500 391 400 300 258 200 116 100 0 linksextremistisch rechtsextremistisch Gewalttaten durch motivierte motivierte ausländische Gewalttaten Gewalttaten Extremisten Entwicklung politisch 1998 1999 2000 motivierter 60 Gewalttaten 60 56 in Bayern 50 39 40 40 30 25 25 20 20 8 10 3 0 linksextremistisch rechtsextremistisch Gewalttaten durch motivierte motivierte ausländische Gewalttaten Gewalttaten Extremisten Rechtsextremismus 23 3. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines 1.1 Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus weist keine gefestigte einheitliche Ideologie Ablehnung der auf. Die Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen in Grundlagen der Deutschland sind im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass sie Demokratie die Grundlagen der Demokratie ablehnen und statt dessen - aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt - eine totalitäre Regierungsform unter Einschluss des Führerprinzips anstreben, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist. Bestimmende Merkmale des organisierten Rechtsextremismus sind vor allem - die pauschale Überbewertung der Interessen der "VolksgemeinKollektivismus schaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die zu einer Aushöhlung der Grundrechte führt (völkischer Kollektivismus), - ein den Gedanken der Völkerverständigung missachtender NatioNationalismus nalismus, - die offene oder verdeckte Wiederbelebung rassistischer Thesen, Rassismus unter anderem des Antisemitismus, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, - immer wiederkehrende Versuche, die nationalsozialistische GewaltRelativierung des herrschaft unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des NS-Unrechts Dritten Reichs zu rechtfertigen, die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige VerunVerunglimpfung glimpfung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten. der Demokratie Ziel dieser Angriffe ist es, die eigene Organisation und ihre Repräsentanten als die alleinigen Wahrer der Interessen von Staat und Bürgern 24 Rechtsextremismus darzustellen, was im Ergebnis auf die Ablehnung des Mehrparteienprinzips und des Rechts auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition hinausläuft. Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen Rechtsextremisten zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Strategie des Kampfs gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. Seit einigen Jahren treten in der Propaganda von Rechtsextremisten Sozialpolitische sozialund wirtschaftspolitische Themen zunehmend in den VorderThemen grund. Durch Verknüpfung sozialer Problemfelder mit rechtsextremistischen Theorie-Elementen hoffen Rechtsextremisten, aus den Fragen der Bevölkerung nach der Sicherheit des Arbeitsplatzes, des Wettbewerbs und der Finanzierung der Renten Kapital schlagen zu können und in der politischen Auseinandersetzung akzeptiert zu werden. Teile des rechtsextremistischen Spektrums bedienen sich immer offensiver des "Antikapitalismus". Sie propagieren einen "volksbezogenen Sozialismus" mit dem Ziel, in das PDS-Wählerpotenzial einzudringen. Organisierte und unorganisierte Rechtsextremisten sind sich einig in Antiamerikanismus der Ablehnung der "One-World-Ideologie" der Weltmacht USA. Ihr lagerübergreifendes, im Antiamerikanismus begründetes Feindbild ist die westliche Werteordnung. Sie empfinden diese als wesensfremd, da sie den Deutschen von der "amerikanischen Fremdherrschaft" aufgezwungen worden sei. Ebenso ablehnend stehen sie dem freien Welthandel und der zunehmenden Globalisierung gegenüber, die sie als Einebnung nationaler Vielfalt verstehen und somit als eine Gefahr für die nationalstaatlichen Strukturen erachten. 1.2 Entwicklung der Organisationen Die Entwicklung der Zahl rechtsextremistischer Organisationen in Bayern und deren jeweilige Mitgliederstärke ist aus den nachfolgenden Übersichten zu ersehen. Bei erkannten Mehrfachmitgliedschaften wurde die Person nur bei einer Organisation mitgezählt. Die REP sind in Bayern wie im Vorjahr trotz rückläufiger Mitgliederzahlen die personell größte Partei mit rechtsextremistischer Zielsetzung. Einen leichten Mitgliederzuwachs hatte nur die NPD aufgrund des Zulaufs von rechtsextremistischen Skinheads und Neonazis zu verzeichnen. Rechtsextremismus 25 Zahl und Mit1998 1999 2000 gliederstärke rechtsextremisAnzahl der Organisationen 27 30 33 tischer Organisationen in Mitgliederstärken Bayern Die Republikaner (REP) 4.300 4.200 4.000 NPD mit JN und NHB 870 950 1.050 Deutsche Volksunion (DVU)* 2.000 1.800 1.800 Neonazistische Organisationen 110 60 60 Sonstige Organisationen 250 250 330 7.530 7.260 7.240 Neonazistische Einzelaktivisten 70 60 100 Rechtsextremistische Skinheads 600 650 780 Rechtsextremisten insgesamt 8.200 7.970 8.120 * Die Zahlen umfassen die Mitglieder der Partei und des gleichnamigen Vereins. Mitglieder 70.000 Deutschland * 60.000 50.000 50.900 40.000 39.800 30.000 20.000 Bayern * 10.000 8.120 4.900 0 1991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 * Republikaner 1994 erstmals erfasst. 26 Rechtsextremismus Bei Wahlen übte die DVU Abstinenz. Den übrigen rechtsextremistischen Parteien gelang es durchwegs wiederum nicht, an die Ergebnisse des Vorjahrs anzuknüpfen. Ein formelles Bündnis zwischen Erfolglose Bündnisrechtsextremistischen Parteien kam auch im Jahr 2000 nicht zustanbemühungen de. Die NPD richtet ihre Parteiarbeit auf Eigenständigkeit aus. Sowohl die Führung der REP als auch der DVU lehnen die NPD als Bündnispartnerin ab. Ebenso blieben Bemühungen einer Anfang 2000 gegründeten Deutschen Aufbau-Organisation (DAO) um ein Bündnis mit "patriotischen und nationalen Parteien" erfolglos. Der weitgehend inaktive organisierte Neonazismus sucht nach einem Konzept zur Überwindung der eigenen politischen Isolation und Ohnmacht. Sozialistische Ideologiemerkmale wurden erneut stärker Zunahme der betont. Der Freiheitliche Volks Block (FVB) trat nicht mehr in ErscheiAnzahl der nung. Die Skinhead-Szene ist zwar strukturell nicht gefestigt, die Zahl Skinheads ihrer Anhänger aber erheblich gestiegen. 1.3 Rechtsextremistische Gewalt Zunehmende Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten in Deutschland Gewalt ist mit 998 gegenüber 746 im Jahr 1999 gestiegen. In Bayern stieg die Zahl der Gewalttaten auf 60 (1999: 56). Im Vergleich der Bundesländer weist Bayern unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahl die geringste Belastung auf. Die Gewalttäter waren ganz überwiegend Skinheads. In Bayern waren als besonders schwerwiegende Straftaten der Mordversuch eines Skinheads am 5. Februar in Aichach und drei Brandanschläge zu verzeichnen. Die anderen 56 Gewaltdelikte sind Körperverletzungen. Insgesamt 45 der Gewalttaten waren fremdenfeindlich motiviert. Sicherstellung In letzter Zeit wurden im Rahmen von Exekutivmaßnahmen bei von Waffen Rechtsextremisten vermehrt Waffen sichergestellt. Rechtsextremisten neigen von jeher zum Besitz bzw. der Verherrlichung von Waffen. Hinweise auf die Gründung bzw. Existenz organisierter terroristischer Strukturen sind in Bayern bislang nicht erkennbar. Ebenso wenig haben sich in Bayern Hinweise auf eine zielgerichtete Verwendung von Waffen ergeben. Im Bundesgebiet gelang es den Sicherheitsbehörden durch rechtzeitige Exekutivmaßnahmen, mehrere Gruppen, die Ansätze für rechtsterroristische Strukturen zeigten, bereits in der Entstehungsphase zu zerschlagen. Rechtsextremismus 27 Die Beschaffung und der Besitz von Schusswaffen durch gewaltbereite Rechtsextremisten sind unübersehbare Warnsignale. Entsprechenden Hinweisen muss deshalb besonders intensiv nachgegangen werden. Exemplarisch hierfür sind die Waffenfunde am 28. September in Garching, Landkreis München, und am 23. November im Raum Dachau. Bei Durchsuchungen im Rahmen des "Blood & Honour"-Verbots ergaben sich zudem in Nordbayern Hinweise, die auf die Existenz einer Wehrsportgruppe hindeuten. Die Ermittlungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. 2. Parteien, Organisationen und Verlage 2.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Deutschland Bayern Mitglieder: 6.500 975 Vorsitzender: Udo Voigt Ralf Ollert Gründung: 1964 Sitz: Berlin Publikationen: Deutsche Stimme (DS), Deutsche Stimme EXTRA 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort Neonazistische und nationalrevolutionäre Thesen sind inzwischen integraler Bestandteil des ideologischen Spektrums der NPD geworden und haben deren Erscheinungsbild nachhaltig verändert. Die bereits seit mehreren Jahren erkennbare und in den Verfassungsschutzberichten dokumentierte Entwicklung der NPD zu einem SammelSammelbecken becken gewaltbereiter Skinheads und Neonazis hat sich fortgesetzt. Das militanter Neonazis von der Partei vertretene Staatsund Menschenbild steht in krassem und Skinheads Gegensatz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Für die NPD resultiert die Würde des Einzelnen nicht aus dem freien Willen des Individuums, sondern sie ist von biologisch-genetischer Teilhabe an der "Volksgemeinschaft" abhängig. Dementsprechend ist das Allgemeinwohl - so die NPD - stets und bedingungslos höher zu bewerten als das Wohl des Einzelnen: "Volksherrschaft setzt die Volksgemeinschaft voraus. (...) Der Staat hat Völkischer dabei über den Egoismen einzelner Gruppen zu stehen und die GesamtKollektivismus verantwortung wahrzunehmen." (Parteiprogramm, Abschnitt 3) 28 Rechtsextremismus "Wir ... setzen uns ... für eine neue Gemeinschaftsordnung ein, die in nationaler Solidarität vorhandene Gruppenegoismen überwindet und zu sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit führt." (Parteiprogramm, Abschnitt 7) Eine mit dem Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes unvereinbare, rassistisch und nationalistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit ist elementarer Bestandteil der Parteiideologie vom "lebensrichtigen Menschenbild", das sich insbesondere gegen "Fremdbestimmung" und "Überfremdung" wendet: "Im Kampf gegen die zunehmende rassische Überfremdung sollten uns die Nibelungen Warnung und Vorbild zugleich sein." (Deutsche Stimme Nummer 6/2000, Seite 13) "Obwohl das Ausländerproblem in Deutschland ein großes Tabu darstellt, sind die Zusammenhänge für jeden, der sehen möchte, offenkundig. Die Rassismus und Zahl der zehn Millionen wirtschaftlich und sozial ausgegrenzten DeutNationalismus schen entspricht auffälligerweise ziemlich genau der Zahl der hier lebenden Ausländer, von denen nicht einmal 1,5 Millionen einer steuerund sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen. Die anderen lassen es sich im wesentlichen auf Kosten des deutschen Steuerzahlers gut gehen, dessen Staatsfinanzen nicht zuletzt durch sie zerrüttet werden." (Deutsche Stimme Nummer 7/2000, Seite 2) Antisemitismus Der Antisemitismus der NPD wurde insbesondere bei Angriffen gegen Repräsentanten jüdischer Institutionen deutlich: "Um dem Alptraum einer ewigen Schuldund Büßerrolle entrinnen zu können, brauchen wir Politiker, die bereit sind, den ständig wiederkehrenden Forderungen der jüdischen Lobby friedlich, aber dennoch entschlossen entgegenzutreten und zu sagen: 'Jetzt ist Schluß!' " (Deutsche Stimme Nummer 2/2000, Seite 2) Auf einer Protestdemonstration gegen den Bau des Holocaust-Mahnmals am 29. Januar in Berlin agitierte der Parteivorsitzende Voigt gegen das geplante "Schandmal" in der Mitte Berlins. Revisionismus Die NPD verfolgt auch geschichtsrevisionistische Ziele, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten: "Keine Bundesregierung war bisher in der Lage, den ewigen Ausbeutungsversuchen und antideutschen Machenschaften auch einmal ein klares Nein entgegenzusetzen. Die etablierten Parteien haben weder die Kraft noch den Willen, primär deutsche Interessen zu vertreten, weil mit Rechtsextremismus 29 der verlogenen, auslandsgefälligen 'Vergangenheitsbewältigung' jedes natürliche Nationalbewußtsein systematisch zerstört wurde." (Deutsche Stimme Nummer 6/2000, Seite 1) In besonderer Weise bekämpft die Partei die Volkssouveränität und Diffamierung die parlamentarische Demokratie. Dabei tritt an die Stelle konstruktiver Kritik an einzelnen Missständen eine bewusst entstellende und überspitzt verallgemeinernde Form der Darstellung: "Wie lange wird sich der Wähler noch von den etablierten Parteien 'an der Nase' herumführen lassen und erkennen, daß er von den Helfershelfern der Besatzer seit 50 Jahren umerzogen, belogen, betrogen und getäuscht wird." (Deutsche Stimme Nummer 5/2000, Seite 2) "In den guten alten Zeiten waren die Politiker in den Parlamenten und die Verbrecher in den Gefängnissen. Heute ist es gerade umgekehrt. Die Politiker sitzen in den Gefängnissen und die Verbrecher in den Parlamenten." (Der JN-Bundesvorsitzende Roßmüller auf dem "2. Tag des nationalen Widerstandes" am 27. Mai in Passau) Diese diffamierende Polemik lässt darauf schließen, dass die NPD die Prinzipien des Mehrparteiensystems und der Chancengleichheit der Parteien trotz ihres formalen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt. Darüber hinaus offenbart die Diktion der NPD, insbesondere der häufige Gebrauch des Begriffs "System", den bereits die NSDAP zur Diffamierung der Weimarer Republik eingesetzt hatte, eine Wesensverwandtschaft mit der Terminologie der NSDAP: "Mit der NPD könnte das deutsche Volk eine sozial gerechte und gesicherte Zukunft haben. Unter der weiteren Herrschaft der Systemparteien allerdings steht zu befürchten, daß es im Sumpf von Korruption und Spekulation untergehen wird." (Deutsche Stimme Nummer 2/2000, Seite 2) Die NPD nimmt in letzter Zeit zunehmend eine aktiv-kämpferische, Aktiv-kämpferische aggressive Haltung gegen die freiheitliche demokratische Grundordaggressive Grundnung bei der Verfolgung ihrer Ziele und bei ihren Aktivitäten ein. So haltung erklärte der Vorsitzende des NPD-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Hans Günter Eisenecker, dass nur die NPD in Deutschland dem inzwischen für alle sichtbaren "Fäulnisprozess des Bonner 30 Rechtsextremismus Systems" eine glaubwürdige Alternative entgegenstellen könne und betonte: "Wir wollen nicht bewahren, wir wollen dieses System überwinden, weil davon das Überleben unseres Landes abhängt." ("Zündstoff - Mitteilungsblatt des NPD-Landesverbands Berlin-Brandenburg" Nummer 1/2000, Seite 2) Schon im November 1999 hatte ein hoher JN-Funktionär die "Demokratie in der bestehenden Form" als "überholt und handlungsunfähig" abgelehnt; es sei nicht Aufgabe von NPD und JN, "sich durch dieses System nach oben zu mogeln", sondern "diese Demokratie zu bekämpfen und zu beseitigen". Zur Verfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen hat die "Drei-SäulenPartei ein auf drei "strategische Säulen" gestütztes Konzept entKonzept" wickelt, nämlich - Programmatik: Schlacht um die Köpfe, - Massenmobilisierung: Schlacht um die Straße, - Wahlteilnahme: Schlacht um die Wähler. Für den Kampf um die politische Macht werden "Zwischenschritte" und "Etappenziele" definiert. Ausdruck der an Etappenzielen ausgerichteten aggressiven Strategie der NPD ist auch das Konzept der "Nationalen Außerparlamentarischen Opposition" (NAPO). Der NPD-Vorsitzende Voigt umschrieb dies als Synonym für den "Nationalen Widerstand" und erklärte, die Partei habe den "Kampf um die Straße" als "Speerspitze der Nationalen Außerparlamentarischen Opposition" aufgenommen. "Kampf um die Innerhalb ihres "Drei-Säulen-Konzepts" räumt die NPD dem "Kampf Straße" um die Straße" Priorität ein. Dabei zielt sie insbesondere auf Jugendliche, die sie als Aktionspotenzial nutzen kann. Wie umfangreich das strategische Konzept "Kampf um die Straße" in die Praxis umgesetzt werden konnte, zeigt die Tatsache, dass seit Voigts Amtsantritt im November 1996 die Zahl der von der NPD getragenen Versammlungen erheblich zunahm. So fanden inzwischen fast 300 - zunehmend mit Neonazis und Skinheads durchgeführte - Demonstrationen und öffentliche Aktionen mit bis zu 5.000 Teilnehmern statt. Nach dem äußeren Erscheinungsbild waren dabei kaum noch Unterschiede zwischen Neonazis und Angehörigen der NPD auszumachen. Insbesondere die Präsenz von Neonazis und Skinheads prägt häufig die Veranstaltungen von NPD und JN. Sie wollen - nach NS-Vorbildern - mit massiver Rechtsextremismus 31 Häufung uniform auftretender, kahlgeschorener sowie schwarz gekleideter Demonstrationsteilnehmer einen martialischen, aggressiven und Furcht einflößenden Eindruck vermitteln. Mit Parolen wie "Arbeit nur für Deutsche", "Ausländerrückführung statt Integration", "Hier marschiert der Nationale Widerstand" und "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus" werden Ängste vor Arbeitslosigkeit, Fremdbestimmung oder Überfremdung verstärkt und ausgenutzt. Damit soll eine Krisenstimmung geschürt werden, die den Angriff gegen den sozialen Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen soll. Die Demonstrationen der NPD, verstärkt durch militante Skinheads und Neonazis, sind deshalb äußerer Ausdruck des aggressiven Bestrebens der NPD, über den außerparlamentarischen Kampf politische Macht in Deutschland zu erringen. Mit dem aus Sicht der NPD erfolgreichen "Kampf um die Straße" Öffnung gegensetzt sich die Partei über einen formal bestehenden Unvereinbarkeitsüber Neonazis beschluss faktisch hinweg. Als Konsequenz der völligen Aufgabe dieser strategisch-taktischen Position entwickelte sich die NPD zu einem bevorzugten Beitrittsobjekt für ehemalige Mitglieder verbotener neonazistischer Organisationen. Voigts Strategie ist es, die NPD auf eine möglichst breite Basis zu stellen und unterschiedlichste Strömungen des "Nationalen Widerstands" zu bündeln. Hierbei genießt die themenund aktionsbezogene Zusammenarbeit mit Neonazis Priorität. Dem aus 20 Personen bestehenden NPD-Bundesvorstand gehören derzeit drei ehemalige Aktivisten verbotener neonazistischer Gruppierungen an. Eine entsprechende politische Vergangenheit weist auch der Vorsitzende des NPD-Bundesschiedsgerichts auf. In den NPD-Landesverbänden sind rund 60 Personen mit neonazistischem Vorlauf bekannt, die zum Teil herausgehobene Funktionen ausüben. Darüber hinaus betrachtet die NPD Skinheads als natürliche Bündnispartner. Ihre Nähe zur gewaltbereiten Skinhead-Szene korrespondiert mit ihrem eigenen Verhältnis zur Gewalt. Die aktiv-kämpferische und aggressive Grundhaltung der Partei spiegelt sich auch in ihrer Rhetorik wider. Ihrem Sprachgebrauch ist eine Aggressive Rhetorik an Militanz grenzende Härte eigen, die nichts mit dem allgemein üblichen politischen Schlagabtausch gemein hat: "Wenn die Medien und das korrupt-verkommende Regime gegen uns hetzen, dann gibt es nur ein Gegenmittel: Die Wut auf die Straße tragen! (...) Festigen wir unsere Reihen, bauen wir die Bewegung zu einer Festung aus!" ("Sachsen-Stimme" Januar - April 2000, Seiten 4 ff.) 32 Rechtsextremismus Wachsende Mitglieder und Anhänger der NPD schrecken ferner nicht davor zuGewaltbereitschaft rück, ihre politischen Ziele auch mit Gewalt zu verfolgen. So griffen am 9. Juli vermummte Rechtsextremisten mit Schlagstöcken und Steinwürfen die Teilnehmer einer Gedenkveranstaltung am Mahnmal der KZ-Gedenkstätte Kemna/Nordrhein-Westfalen an. Als Anstifter des Überfalls wurde inzwischen ein NPD-Funktionär zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt; gegen neun Mittäter verhängte das Gericht Freiheitsstrafen zwischen 18 und sieben Monaten. Am 4. August versuchte ein NPD-Mitglied, ein leer stehendes, von Obdachlosen genutztes Gebäude in Wismar/Mecklenburg-Vorpommern in Brand zu setzen. Das Amtsgericht Wismar erließ Haftbefehl u.a. wegen versuchten Mordes und versuchter Brandstiftung. Ein ehemaliges JN-Mitglied verübte am 10. August in Eisenach/Thüringen einen Sprengstoffanschlag auf einen türkischen Imbisswagen. Der Täter wurde inzwischen zu einer Jugendstrafe von acht Monaten mit Bewährung verurteilt. Gewalttaten Auch in Bayern wendeten Aktivisten und Anhänger der NPD Gewalt in Bayern an oder trafen hierfür Vorbereitungen. So misshandelten fünf Skinheads am 29. April in Nürnberg einen Ausländer und verletzten ihn schwer. Ein unter den Tätern befindlicher NPD-Aktivist versuchte, auch den Begleiter des attackierten Ausländers mit Füßen zu treten. Am 1. Juli warf derselbe NPD-Aktivist zusammen mit einem weiteren Skinhead unter anderem Glasscherben auf Ausländer; dabei erlitt ein Kind Verletzungen. Ein Betroffener, der die Skinheads zur Rede stellte, erhielt von dem NPD-Aktivisten einen Faustschlag ins Gesicht. Dabei riefen beide Täter ausländerfeindliche Parolen. Bei der Durchsuchung der Wohnung eines NPD-Aktivisten aus Unterfranken wegen Verdachts der Volksverhetzung am 12. August fand die Polizei umfangreiches rechtsextremistisches Propagandamaterial, indizierte rechtsextremistische Tonträger, eine Grundsubstanz zur Herstellung von Sprengstoff sowie ein "Anarchisten-Handbuch", in dem auch die Herstellung von Sprengstoff und der Bau von Bomben beschrieben sind. Am 17. Oktober verübte ein jugendlicher Sympathisant der NPD einen Brandanschlag auf eine Unterkunft für Asylbewerber in Grainet, Landkreis Freyung-Grafenau. Nur einem glücklichen Umstand war es zu verdanken, dass das Feuer einer von ihm im Hauseingang in Brand gesetzten Papiertonne nicht auf das gesamte Anwesen übergriff. Rechtsextremismus 33 Ein alkoholisierter Skinhead, der Mitglied der NPD ist, beleidigte am 28. Oktober in Ansbach zwei türkische Staatsangehörige und verletzte einen von ihnen durch einen Fußtritt. In der Wohnung des Täters wurden zehn Gewehrpatronen sichergestellt. Die NPD hat damit in den vergangenen Jahren eine bedeutende Wandlung erfahren. Ihr Schwerpunkt liegt nicht mehr in der organisierten Form einer Wahlpartei. Vielmehr sieht sie sich als Anführerin einer breiten sozialen Protestbewegung, als Bewegung, die mit Neonazis und Skinheads zur Verfolgung ihrer auf die Überwindung des Systems ausgelegten Ziele Aktionsbündnisse auf vornehmlich außerinstitutionellem Wege eingeht. Sie bekennt sich zunehmend zu den Zielen des historischen Nationalsozialismus und ist mitverantwortlich für ein geistiges Klima, das den Boden für gewaltsame Übergriffe von Rechtsextremisten auf Ausländer und andere Minderheiten schafft. Die NPD hat sich zudem in den letzten Jahren in erschreckendem Maße radikalisiert und zur Speerspitze des aggressiven Kampfes gegen die Demokratie entwickelt. Ganz offen verlangt sie die Beseitigung des - wie sie abfällig sagt - "Systems". Angesichts dieser Entwicklung beschlossen die Bundesregierung, der Bundesrat und der Bundestag, beim Bundesverfassungsgericht Verbotsanträge gegen Verbotsanträge die Partei zu stellen. 2.1.2 Organisation Nach einem im Vorjahr vorübergehend stagnierenden Zulauf hat sich die Aufwärtsentwicklung der Partei vor allem in den neuen Ländern Aufwärtsentfortgesetzt. Auch die Verbotsdiskussion löste im rechtsextremistiwicklung schen Spektrum einen Solidarisierungseffekt aus und brachte der NPD neuen Zulauf. Ende 2000 zählte die NPD bundesweit rund 6.500 (1999: 6.000) Mitglieder. Die Partei gliedert sich in 15 Landesverbände, die wiederum in Bezirksund Kreisverbände unterteilt sind. Der seit März 1996 amtierende Bundesvorsitzende Udo Voigt wurde auf dem Bundesparteitag am 18./19. März in Mühlhausen, Landkreis Neumarkt i.d.OPf., wieder gewählt, desgleichen seine Stellvertreter Holger Apfel, Jürgen Schön und Dr. Hans-Günther Eisenecker. Im Januar verlegte die NPD ihre Parteizentrale nach Berlin, während sich Redaktion und Anzeigenabteilung des ParteiParteiorgan organs "Deutsche Stimme" (DS) weiterhin in Riesa/Sachsen befinden. 34 Rechtsextremismus Landesverband Der Landesverband Bayern mit derzeitigem Sitz in Salching, Landkreis Bayern Straubing, der zahlreiche Angehörige der Neonaziund SkinheadSzene an sich binden konnte, zählt rund 975 (1999: 950) Mitglieder. Er gliedert sich in sieben Bezirksund rund 50 Kreisverbände, von denen aber mehr als die Hälfte nicht aktiv ist. Auf dem Landesparteitag am 18. November in Rudelstetten, Landkreis Donau-Ries, wurde der bisherige stellvertretende Landesvorsitzende Ralf Ollert zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Seine Stellvertreter sind der vormalige Landesvorsitzende Franz Salzberger sowie die bisherigen Beisitzer im Landesvorstand Sascha Roßmüller und Axel Michaelis. Zwei Beisitzer haben Verbindungen zur Skinhead-Szene, zwei weitere sind der parteiinternen oppositionellen "Revolutionären Plattform - Aufbruch 2000" (RPF) zuzurechnen. Nutzung des Die NPD verfügt mittlerweile über das umfassendste Angebot aller Internets rechtsextremistischen Parteien im Internet. Sie bietet als Provider über eine Domain "npd.net" in Bochum einen eigenen Zugangsservice in das Internet an und verbreitet aktuelle Informationen zu besonders bedeutenden Veranstaltungen. Die Netzseite verfügt über mehrere Diskussionsforen sowie ein eigenes Textarchiv mit Schlagwortsuchmodus, über den alle bislang von der NPD veröffentlichten Texte verfügbar sind. Alle 15 NPD-Landesverbände verfügen über eigene Internetseiten. Über die Linkliste sind alle Angebote von Untergliederungen der NPD und ihrer Jugendorganisation zugänglich. 2.1.3 Teilnahme an Wahlen Die vom Parteivorsitzenden eingeleitete Öffnung gegenüber Neonazis und dem rechtsextremistischen Teil der Skinhead-Szene hat der Partei erhöhte Medienaufmerksamkeit und teilweise einen Reputationsgewinn im rechtsextremistischen Spektrum verschafft. Gleichwohl blieb die NPD bei Wahlen selbst dann erfolglos, wenn ihr keine Konkurrenz aus diesem Lager gegenüberstand. Dies zeigte sich bei der Landtagswahl am 27. Februar in Schleswig-Holstein, an der die NPD als einzige rechtsextremistische Partei teilnahm. Mit einem Stimmenanteil von 1 % erreichte die NPD allerdings die Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai nominierte die NPD nur elf Direktkandidaten. Offenbar ging es ihr vor allem darum, dort Präsenz zu demonstrieren, wo sie bereits auf kommu- Rechtsextremismus 35 naler Ebene vertreten war. Sie erzielte lediglich etwa 2.300 Stimmen (0,0 %). Beide Landtagswahlergebnisse belegen die anhaltende Erfolglosigkeit der NPD als Wahlpartei. Darüber können auch vereinzelte örtliche Gewinne bei Kommunalwahlen, insbesondere in den neuen Bundesländern, nicht hinwegtäuschen. 2.1.4 Reaktionen auf die Verbotsinitiative Die in letzter Zeit feststellbare Wandlung der NPD zu einer am Neonazismus orientierten Partei und ihre Öffnung für gewaltbereite Rechtsextremisten führten im Sommer 2000 zur öffentlichen Diskussion eines Parteiverbots. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe von Verfassungsschutzund Verfassungsrechtsexperten kam im Herbst zu dem Ergebnis, dass die Verbotsvoraussetzungen vorliegen. In der Folge beschlossen sowohl die Bundesregierung als auch der Bundesrat und Verbotsanträge der Bundestag, jeweils eigene Anträge auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD beim Bundesverfassungsgericht zu stellen. Die NPD-Führung begegnete anfangs der Forderung nach einem Parteiverbot äußerlich gelassen, unterschätzte aber offenbar die Dynamik der öffentlichen Diskussion und die Ernsthaftigkeit der Verbotsüberlegungen. Die eigene Gefolgschaft reagierte dagegen mit zunehmender Verunsicherung. Um nicht weitere Argumente für ein Verbot zu liefern, erklärte die Partei Mitte August, bis auf weiteres auf öffentlichkeitswirksame Auftritte und Versammlungen mit Neonazis und Skinheads zu verzichten. Außerdem startete der NPD-Parteivorstand Anfang September unter dem Motto "Argumente statt Verbote - Nein zum NPD-Verbot" eine breit angelegte Werbekampagne, die aber kaum Resonanz fand. Der Verzicht auf Demonstrationen und eine "Abgrenzungserklärung" gegenüber der Neonazi-Szene führten alsbald zu Spannungen. VerInterne schiedene neonazistische, bisher mit der NPD verbündete KameradDifferenzen schaften warfen ihr vor, sie habe sich durch die aktuelle Medienkampagne einschüchtern lassen und weiche vor dem "Feind" zurück, weil sie ein Parteiverbot befürchte. Auch innerparteilich stieß der Verzicht auf öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen auf heftigen Widerstand. Eine parteiinterne Opposi- 36 Rechtsextremismus Interne tionsbewegung, die sich als "Revolutionäre Plattform - Aufbruch Oppositionsgruppe 2000" (RPF) bezeichnet - sie war erstmals bei der NPD-Veranstaltung am 27. Mai in Passau öffentlich in Erscheinung getreten - , plädierte dafür, auch weiterhin spektakuläre Großveranstaltungen durchzuführen. Die RPF versteht sich als eine Gemeinschaft von Aktionisten innerhalb der NPD/JN, die sich "verstärkt für einen konsequenten, revolutionären und systematischen politischen Weg der Partei einsetzen". Eine von der RPF mitgetragene "Initiative für Versammlungsfreiheit" mobilisierte für eine Großveranstaltung am 4. November in Berlin unter dem Motto "Meinungsund Versammlungsfreiheit statt Verbote!". Den Aufruf unterstützten neben der RPF vor allem süddeutsche Gliederungen der NPD/JN, aber auch die neonazistischen "Freien Nationalisten". Am 7. Oktober nahm die Polizei in München an einem Info-Stand der NPD zum Thema "Argumente statt Verbot - Nein zum NPD-Verbot" zwei NPD-Aktivisten wegen Verdachts der Volksverhetzung fest. Einer hatte geäußert, die "einzigen anständigen Toten in Dachau" seien die Männer der Waffen-SS gewesen. Sein Gesinnungsgenosse hatte behauptet, die Juden in Auschwitz seien an der Ruhr gestorben Am 22. August beantragte die NPD beim Verwaltungsgericht München, dem Freistaat Bayern Äußerungen zu untersagen, wonach die NPD etwas mit "rechter Gewalt" zu tun habe und die Voraussetzungen für ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht gemäß Erfolgloser Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz vorlägen. Dieser Eilantrag wurde am Eilantrag 2. November vom Verwaltungsgericht München abgelehnt. Das Gericht betonte, dass es Aufgabe eines Innenministers sei, die Öffentlichkeit über Bedrohungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu informieren. Unzulässig überspitzte Formulierungen seien dabei nach Ansicht des Gerichts nicht verwendet worden. Als Zugeständnis an die interne Opposition beschloss der NPD-Parteivorstand Ende Oktober, das im August aus Gründen der formalen Abgrenzung gegenüber Neonazis und neonazistischen Skinheads verhängte Demonstrationsverbot aufzuheben und öffentliche NPD-Versammlungen ab dem 25. November wieder zuzulassen, allerdings mit Zustimmungsvorbehalt der Bundesorganisationsleitung. Kundgebung Am 25. November veranstaltete die NPD in Berlin einen Aufzug unter in Berlin dem Motto "Argumente statt Verbote - Nein zum NPD-Verbot!". Die Teilnehmer zeigten Transparente und Fahnen mit Aufschriften wie "Argumente statt Verbote", "Nationaler Widerstand lässt sich nicht Rechtsextremismus 37 verbieten" und "Sie sagen NPD-Verbot und meinen Deutschlands Tod" mit. Sie riefen Parolen wie "Hier ist der Aufstand der Anständigen", "Straße frei dem Nationalen Widerstand" und "Trotz Terror und Verbot, sie kriegen uns nicht tot". Am Alexanderplatz standen den 1.400 NPD-Anhängern etwa 3.000 Gegendemonstranten gegenüber, darunter zahlreiche militante Autonome, die den Aufzug blockierten sowie Steine und Flaschen gegen NPD-Anhänger und Polizei schleuderten. Eine Schlusskundgebung fand nicht statt, da die Polizei die NPD-Veranstaltung aus Sicherheitsgründen vorzeitig beendete. Diese ursprünglich für München geplante Veranstaltung hatte die NPD nach Berlin verlagert, nachdem das Kreisverwaltungsreferat München erklärt hatte, anstelle des angemeldeten Aufzugs sei allenfalls eine "stationäre Kundgebung" möglich. Bei der Veranstaltung in Berlin handelte es sich um die erste bundesweite und vom Parteivorstand initiierte NPD-Demonstration seit Beginn der Verbotsdiskussion. Sie stellte die konsequente Fortführung des strategischen Konzepts "Kampf um die Straße" dar und sollte zugleich eine Anschlusskampagne des Parteivorstands "Deutschland lässt sich nicht verbieten" einleiten. Die Teilnehmerzahl war mit 1.400 Personen im Vergleich zu früheren öffentlichen NPD-Veranstaltungen deutlich geringer, obwohl das Präsidiumsmitglied Per Lennart Aae erklärt hatte, die Demonstration sei das geeignete Mittel, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass die "Nationale Opposition" handlungsfähig sei. Die Verbotsdiskussion und die Aktivitäten der RPF haben zu einer Destabilisierung der Partei geführt, die durch strategische Differenzen Destabilisierung innerhalb des Vorstands noch verstärkt wird. So sind die Aussagen der NPD-Führung weder hinsichtlich der innerparteilichen Opposition noch in Bezug auf die künftige Zusammenarbeit mit Neonazis und neonazistischen Skinheads einheitlich, obwohl die Partei bestrebt ist, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Die Bestellung des früheren RAF-Terroristen und jetzigen Neonazi Horst Mahler zum Vertreter der NPD im anstehenden Verbotsverfahren birgt zusätzlichen Konfliktstoff. 2.1.5 Sonstige Aktivitäten Im strategischen "Drei-Säulen-Konzept" der NPD liegt der Schwerpunkt der politischen Aktivitäten derzeit beim "Kampf um die Straße". 38 Rechtsextremismus Die Partei will mit zahlreichen öffentlichen Kundgebungen Präsenz demonstrieren, der Bevölkerung das Bild einer durchsetzungsfähigen politischen Kraft vermitteln und als organisationsübergreifende "Nationale Außerparlamentarische Opposition" (NAPO) den Boden für einen erfolgversprechenden "Kampf um die Parlamente" bereiten. 2.1.5.1 Öffentliche Kundgebungen in Berlin Die NPD initiierte am 29. Januar gemeinsam mit nicht organisierten Rechtsextremisten in Berlin eine Protestdemonstration gegen den Bau des Holocaust-Mahnmals. Bei einer Zwischenkundgebung agitierte der Parteivorsitzende Voigt vor rund 500 Teilnehmern gegen die "Systemparteien" und das geplante "Schandmal" in der Mitte Berlins. Am 12. März, dem Jahrestag des Einmarschs deutscher Truppen in Österreich, veranstaltete die NPD in Berlin unter dem Motto "Wir sind ein Volk - nationale Solidarität mit Wien" wiederum eine Kundgebung. Daran beteiligten sich rund 500 Rechtsextremisten, darunter viele Skinheads. Der führende Hamburger Neonazi Christian Worch behauptete in seiner Rede, das Fundament Europas werde nicht von Haider und der FPÖ, sondern von der Europäischen Union angegriffen. Voigt bezeichnete die NPD als Oppositionspartei gegen den nationalen Verrat. Die Herrschenden setzten die Politik der Alliierten mit anderen Mitteln fort. Die Entwicklung in Österreich sei ein Zeichen, dass sich die Machtverhältnisse in Europa änderten. 2.1.5.2 Veranstaltungen zum 1. Mai Zum 1. Mai führte die NPD sechs regionale Veranstaltungen in Berlin (1.200 Teilnehmer), Dresden (300 Teilnehmer), Fürth (500 Teilnehmer), Grimma (600 Teilnehmer), Ludwigshafen (300 Teilnehmer) und Wetzlar (140 Teilnehmer) durch, die vielfach von gewaltsamen Protesten politischer Gegner begleitet waren. So konnte die Demonstration in Fürth wegen massiver Behinderungen durch rund 800 Gegendemonstranten erst mit Verspätung beginnen. Die Störer bewarfen die Rechtsextremisten mit Steinen und versuchten, den NPD-Aufzug zu blockieren. Am Zielpunkt, dem Fürther Hauptbahnhof, wurden die NPD-Anhänger von rund 2.500 bis 3.000 weiteren überwiegend friedlichen Gegendemonstranten erwartet. Rechtsextremismus 39 1999 war der Versuch der NPD gescheitert, mit einer zentralen Mai-Kundgebung in Bremen an frühere Erfolge anzuknüpfen, da die geplante Veranstaltung verboten wurde. Diesmal konnte die NPD ein ähnliches Verbot vermeiden, indem sie bundesweit eine Vielzahl von Demonstrationen anmeldete. Es gelang ihr indes nicht, den Mobilisierungsgrad der zentralen Veranstaltung vom 1. Mai 1998 in Leipzig zu erreichen, wo bis zu 5.000 Personen ihrem Aufruf gefolgt waren. 2.1.5.3 Zentrale Veranstaltung in Passau Unter dem Motto "Bewegung muss Partei ergreifen" veranstaltete die NPD am 27. Mai in der Passauer Nibelungenhalle ihren "2. Tag des nationalen Widerstandes". Unter den rund 4.000 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland befanden sich neben zahlreichen Skinheads auch bekannte Neonazis wie Friedhelm Busse, Manfred Roeder, Christian Worch und Thomas Wulff. Der Parteivorsitzende Udo Voigt betonte den Anspruch der NPD, sich zu einer wirklichen Alternative zum "liberalkapitalistischen System" der Bundesrepublik Deutschland zu entwickeln und alle nationalen Kräfte zu konzentrieren. Der frühere Rechtsterrorist Manfred Roeder behauptete, die Bundesrepublik Deutschland sei ein Besatzungsregime unter US-amerikanischer Knute; nur ein neues Deutsches Reich könne helfen. In einem weiteren Beitrag kritisierte der ehemalige Linksterrorist Horst Mahler die nach seiner Auffassung bestehende politische und geistige Überfremdung Deutschlands. Auch gebe es keine deutsche Kollektivschuld, diese sei lediglich eine Erfindung der Juden. Man müsse es deshalb wieder wagen, einen Begriff wie Volksgemeinschaft frei auszusprechen. An Protestaktionen gegen diese NPD-Veranstaltung beteiligten sich knapp 1.000 Personen, davon rund 750 Anhänger autonomer Antifagruppen, die einem Aufruf der militanten Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) und weiterer ihr zuzurechnender örtlicher linksextremistischer Gruppierungen gefolgt waren. Trotz der starken Polizeipräsenz kam es vereinzelt zu militanten Aktionen. Mit dieser Veranstaltung ist es der NPD erneut gelungen, ein breites rechtsextremistisches Spektrum aus dem Inund Ausland zu mobili- 40 Rechtsextremismus sieren. Am 7. Februar 1998 hatte die NPD in Passau mit ebenfalls 4.000 Teilnehmern den "1. Tag des nationalen Widerstands" durchgeführt. 2.1.6 Junge Nationaldemokraten (JN) Deutschland Bayern Mitglieder: 350 75 Vorsitzender: Sascha Roßmüller Frederick Seifert Gründung: 1969 Sitz: Riesa/Sachsen Publikation: Der Aktivist Mit den JN verfügt die NPD als einzige rechtsextremistische Partei über eine Jugendorganisation mit Bedeutung und Einfluss. Die JN bekennen sich in Ideologie und Zielsetzung zum Programm ihrer Mutterpartei. Sie verstehen sich als "weltanschaulich geschlossene Jugendbewegung neuen Typs mit revolutionärer Ausrichtung" und wollen die "Volksgemeinschaft" in einer "neuen nationalistischen Ordnung" verwirklichen. So betonen sie die "zwingende Notwendigkeit des nationalistischen Befreiungskampfes" und streben danach, das "Leitbild des politischen Soldaten zu verkörpern". Führungskader der JN pflegen weiterhin intensive Kontakte zur Neonazi-Szene und zu Skinheads. Die Zusammenarbeit mit NPD und JN ermöglicht es den neonazistischen "Freien Nationalisten", unter dem organisatorischen Dach einer Partei unbehelligt Neonazistische an Demonstrationen teilzunehmen und sich an der politischen Arbeit Tendenzen zu beteiligen. Der Anteil der Neonazis und Skinheads unter den JN-Mitgliedern liegt bei annähernd 40%. Der JN-Bundesvorsitzende Sascha Roßmüller wurde auf dem JN-Bundeskongress am 5. Februar in Straßenhaus bei Neuwied/RheinlandPfalz wieder gewählt. Die rund 100 Delegierten bestätigten damit den von ihm eingeschlagenen aktionistischen Kurs. Seine Stellvertreter sind Mike Layer und Alexander Delle. Dem neuen JN-Bundesvorstand gehört auch der bayerische JN-Landesvorsitzende als Beisitzer an. Rechtsextremismus 41 Der im Januar gewählte bayerische JN-Landesvorsitzende Frederick Seifert hatte zuvor den Landesverband seit dem Rücktritt seines Vorgängers Carsten Beck im Herbst 1999 kommissarisch geleitet. Er ist zugleich Vorsitzender des NPD-Bezirksverbands Oberbayern. Wie der JN-Bundesvorsitzende vertritt er nach dem Motto "Kampf - Aktion - Aktionistischer Widerstand" einen aktionistischen Kurs, der auch von den weiteren Kurs Vorstandsmitgliedern mitgetragen wird und zur Expansion des Landesverbands beitragen soll. Bereits am 14. Januar gründete der JN-Landesverband unter neuer Führung einen JN-Stützpunkt in Regen, dem überwiegend Personen der örtlichen Skinhead-Szene angehören. Die Aktivitäten dieser "Widerstandszelle" stehen unter dem Einfluss des ehemaligen REP-Funktionärs Otmar Wallner, der im März u. a. einen "politischen Frühschoppen" unter dem Motto "Nur Einigkeit macht stark, wir sind das Volk" organisierte. Anlässlich des Wegzugs des NPD-Parteiorgans nach Riesa/Sachsen demonstrierten am 22. Januar mehr als 100 JN-Anhänger, überwiegend Skinheads, in Neuburg a. d. Donau unter dem Motto "Deutschland in Not - Widerstand jetzt". Auf einer anschließenden "Reichsgründungsfeier" in Karlshuld, Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, bezeichnete ein NPD-Aktivist die Bundesrepublik Deutschland als "verdammten Judenstaat". Auf dem "2. Tag des nationalen Widerstandes" am 27. Mai in der Passauer Nibelungenhalle forderte der JN-Bundesvorsitzende Roßmüller dazu auf, "unser Volk zu verteidigen, notfalls auch gegen die gewählte Regierung der Bundesrepublik Deutschland". Mit mehr als 100 Teilnehmern veranstalteten die JN im Juni als Pfingstlager "Grundstock für eine nationalistische nordeuropäische Allianz" ein deutsch-schwedisches Pfingstlager mit einem Aktivisten der "Nationalen Jugend" aus Schweden. Als "Begegnungsstätte" diente das Gelände einer ehemaligen nationalsozialistischen Bildungseinrichtung in Sachsen-Anhalt. Mit dem Austausch von Fahnen wurde eine "noch intensivere Zusammenarbeit" vereinbart. Am 28. Oktober hielten die JN in Dreisen/Rheinland-Pfalz unter Beteiligung von rund 300 Personen ihren "7. Europäischen Kongress der 7. Europäischer Jugend" ab. Die Anwesenheit von Gästen aus mehreren europäKongress der ischen Staaten sollte wie in den Vorjahren den Eindruck einer funkJugend tionierenden internationalen Kooperation erwecken. Der angestreb- 42 Rechtsextremismus ten "europäisch-nationalistischen Einheitsfront" sind die JN indes nicht näher gekommen, zumal die Besucherzahl gegenüber 1999 deutlich zurückgegangen ist. Am Rande des Treffens kam es zu Auseinandersetzungen mit Anhängern der innerparteilichen Opposition "Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000", die mit Flugblättern für die Teilnahme an der für den 4. November angemeldeten Demonstration in Berlin warben. 2.2 Deutsche Volksunion (DVU) Deutschland Bayern Mitglieder: 17.000 1.800 Vorsitzender: Dr. Gerhard Frey Bruno Wetzel Gründung: 1987 Sitz: München Publizistisches Sprachrohr: National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung (NZ) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Extremistische In ihrem Programm bekennt sich die DVU formal zur freiheitlichen deGrundhaltung mokratischen Grundordnung, doch will sie einige für alle Menschen gültige Grundrechte zu Bürgerrechten reduzieren, die ausschließlich Deutschen zustehen sollen. Die rechtsextremistische Grundeinstellung der Partei wird in Äußerungen führender Funktionäre sowie im Inhalt der im Verlag des Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey erscheinenden National-Zeitung deutlich. Wie bisher zählt die Kritik an der "extrem einseitigen VergangenRevisionismus heitsbewältigung" zu den Schwerpunkten der Programmatik. "Während der 16 Jahre seiner Kanzlerschaft hatte Helmut Kohl viele Gelegenheiten gesucht und gefunden, um durch maßlose und an Einseitigkeit unüberbietbare Anklagen das deutsche Volk zu belasten. So teilte er den Deutschen alle Schuld zu beispielsweise am Zweiten Weltkrieg, dem Krieg zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion und selbst der Vertreibung der Ostund Sudetendeutschen." (NZ vom 7. Juli, Seite 1) "Im Schattenboxen mit dem seit über einem halben Jahrhundert toten Adolf Hitler vollbringt Johannes Rau immer neue Heldentaten nach Rechtsextremismus 43 Ladenschluss. (...) Aus der moralisch gebotenen wie wohl auch politisch erforderlichen Verneigung vor jüdischen Opfern (...) ist nach der Phase von Kotau und Kniefall inzwischen die krasse Kriecherei geworden. (...) Ein Volk, das wegen Verbrechen eines längst verflossenen Regimes den Gummischlauch statt Rückgrat im Kreuz hat, ist für gegenwärtige Machthaber biegsamer." (NZ vom 25. Februar, Seite 3) Dabei werden die Verbrechen der Nationalsozialisten zwar nicht ausdrücklich geleugnet, doch wird versucht, die deutsche Schuld an der massenhaften Ermordung der Juden durch wiederholte Hinweise auf historische Verbrechen anderer Völker zu bagatellisieren. "Allein seit 1940 haben die USA unzählige Kriege geführt. (...) Wir haben es nicht notwendig, von denen uns moralische Ratschläge geben zu lassen. Wir müssen uns wehren gegen die ständigen absurden Angriffe, wir seien schuld an allen Schandtaten dieser Erde. (...) Vor allem wehren wir uns dagegen, dass die Deutschen eine Art Kollektivverantwortung tragen sollen und dass alle kommenden Generationen unseres Volkes mit einem Kainszeichen durch die Weltgeschichte gehen." (Dr. Frey auf der jährlichen Großveranstaltung der DVU am 23. September in Passau) Die DVU vermeidet offenen Antisemitismus, doch wird ihre antisemiLatenter tische Grundhaltung in ihrem publizistischen Sprachrohr deutlich, Antisemitismus dessen Berichterstattung über Israel und die Juden vielfach negativ gefärbt ist: "Ist es nicht rührend, wie der bekennende Junggeselle Michel Friedman vom Zentralrat der Juden der alternden Schauspielerin Iris Berben bei der kürzlichen Veranstaltung ,Gesicht gegen Rechts zeigen' in Berlin in die Augen trieft?" (NZ vom 6. Oktober, Seite 8) Häufig werden demokratische Institutionen und ihre Repräsentanten Diffamierung diffamiert. Auf diese Weise soll das Vertrauen in diese Institutionen demokratischer und den von ihnen getragenen demokratischen Rechtsstaat unterInstitutionen graben werden: "Wir sehen, dass die Bundestagsparteien in ihrer heutigen Verfassung sich gegen das deutsche Volk und seine Interessen wenden. Helfen kann hier 44 Rechtsextremismus nur eine direkte Demokratie, wo das deutsche Volk selbst abstimmt in den Lebensfragen, was es selbst will." (Dr. Frey am 23. September in Passau) "Die DVU ist angetreten, um die Politik der Herrschenden, die gegen Menschenwürde, Volk und Vaterland gerichtet ist, zu beseitigen." (Der stellvertretende DVU-Vorsitzende am 23. September in Passau) Trotz des Bekenntnisses zur Freundschaft mit anderen Völkern, das Dr. Frey in seinen Reden regelmäßig wiederholt, ist die Grundhaltung Rassismus der Partei von einer fremdenfeindlichen und latent rassistischen Motivation geprägt: "Wir wollen keine Massenzuwanderung und wir sehen auch keinen Grund, warum sich die Struktur der Bevölkerung entdeutschen lassen sollte. Sondern wir wollen, nachdem Millionen von Deutschen ihr Leben gaben, dass dieses Volk in Deutschland erhalten bleibt." (Dr. Frey am 23. September in Passau) Relativierung Nach wie vor ist die Partei bestrebt, das Ausmaß rechtsextremistisch rechtsextremistimotivierter Militanz zu relativieren. scher Gewalt "In Hunderten von Fällen so genannter rechtsradikaler, neonazistischer oder antisemitischer Gewalttaten haben sich früher oder später ganz andere Hintergründe herausgestellt. Mal wurden solche politischen Motive nur vorgetäuscht, um andere kriminelle Machenschaften zu vernebeln. Mal erwies sich, dass die Täter weder eine auch nur im weitesten Sinne rechte Gesinnung haben noch dass sie irgendwie auf der politischen Rechten organisiert gewesen sind. Mal flog auf, dass die Anschläge von Rauschtätern oder Psychopathen verübt wurden. Und immer wieder gab es Fälle, dass derartige Delikte auf die Kappe von Halbwüchsigen gingen, die zuvor von Agenten und Provokateuren entsprechend angeheizt worden waren." (NZ vom 5. Mai, Seite 4) "Jeder weiß doch, dass wir in jeder Hinsicht absolut gegen jede Gewaltanwendung, gegen jede Straftat ohne Vorbehalt sind. Jeder weiß doch, dass die Dreckskerle, die sich vollaufen lassen am Abend und dann die Straftaten begehen, die das Fernsehen ihnen vorher vormacht, dass diese Lumpen mit uns, mit der deutschen Rechten, mit unserem Volk und Vaterland ... überhaupt nichts zu tun haben, sondern Schädlinge am Leib unseres Volkes sind." (Dr. Frey am 23. September in Passau) Rechtsextremismus 45 2.2.2 Organisation Die Mitgliederzahl der DVU ist mit rund 17.000 konstant geblieben. Die Partei hat keine Jugendorganisation und betreibt keine Jugendarbeit. Sie verfügt in allen Bundesländern nominell über Landesverbände, die jedoch nach außen kaum in Erscheinung treten. Auf Kreisund Ortsebene ist die DVU ebenfalls kaum vertreten. Der bedingungslose Machtanspruch des Vorsitzenden Dr. Frey lässt den Unterorganisationen keinen Handlungsspielraum. Im Verlag des Parteivorsitzenden erscheint als Werbeträger und publizistisches Sprachrohr der DVU die "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ). Die Partei verzichtete im Berichtszeitraum auf eine Teilnahme an Wahlen und konnte damit die Verbindlichkeiten bei ihrem Vorsitzenden auf rund zehn Millionen DM reduzieren. Die Hoher SchuldenPersonalunion von Vorsitzendem und Kreditgeber verleiht Dr. Frey stand eine ungewöhnliche Machtfülle. Ein seit geraumer Zeit schwelender Konflikt zwischen Anhängern und Gegnern des DVU-Bundesvorsitzenden führte am 28. Januar zur Spaltung der DVU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt. Der Spaltung der dortige DVU-Landesvorsitzende und drei weitere DVU-Abgeordnete DVU-Fraktion in erklärten ihren Fraktionsaustritt. Nachdem bereits im Vorjahr fünf Sachsen-Anhalt Abgeordnete die DVU-Fraktion verlassen hatten, verblieben von den ehemals 16 DVU-Abgeordneten nur noch sieben Frey-Kritiker in der Fraktion. Diese forderten am 1. Februar den DVU-Bundesvorsitzenden erfolglos zum Rücktritt auf, da er die politische Verantwortung für das negative Erscheinungsbild der Partei trage. Die loyal zu Dr. Frey stehenden sechs DVU-Abgeordneten in Sachsen-Anhalt bildeten am 14. Februar unter der Bezeichnung "DVU - Freiheitliche Liste" eine eigene Fraktion. 2.2.3 Aktivitäten Am 12. Februar hielt die DVU in München ihren diesjährigen BundesBundesparteitag parteitag ab. Daran beteiligten sich rund 320 Personen, davon etwa 270 stimmberechtigte Mitglieder. Hauptzweck der Veranstaltung war offensichtlich die Ausschaltung unbotmäßiger Funktionäre durch vor- 46 Rechtsextremismus gezogene Neuwahlen. DVU-Parteitage wurden nämlich bisher nur alle zwei Jahre durchgeführt; der letzte Bundesparteitag mit Neuwahlen hatte am 16. Januar 1999 stattgefunden. Abweichend von der bisherigen Praxis wurde die Tagung auch nicht mit einem Parteitag des DVU-Landesverbands Bayern und einer Mitgliederversammlung der DVU e.V. verbunden. Bei der Wahl des Bundesvorstands wurde Dr. Frey mit 98,9% der abgegebenen Stimmen als Bundesvorsitzender bestätigt. Seine Stellvertreter sind Heinrich Gerlach aus Hamburg, Peter Jürgensen aus Baden-Württemberg und Bruno Wetzel aus Sielenbach, Landkreis Aichach-Friedberg. Großkundgebung Unter dem Motto "Recht und Freiheit für das deutsche Volk" hielt die in Passau DVU am 23. September in Passau ihre diesjährige Großkundgebung ab. Trotz hohen Werbeaufwands war sie mit 2.200 Personen nicht wesentlich besser besucht als die Veranstaltung des Vorjahrs. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand wie in früheren Jahren die Rede des DVU-Vorsitzenden. Dr. Frey polemisierte gegen "Ausländerund Asylantenzuzug" sowie gegen die europäische Integration und wandte sich gegen eine Politik, die sich des "Schweinejournalismus" bediene, um Nationalisten die Straftaten pseudorechter Gewalttäter anzulasten. Ferner sprach er sich gegen einen EU-Beitritt der Türkei aus und forderte eine Rückkehr zum deutschen Nationalstaat. Den mit 10.000 DM dotierten "Andreas-Hofer-Preis" der NZ erhielt erneut die deutsche Volkstumsgruppe in Schlesien. Gegen Ende der Veranstaltung wurde ein Videoband mit dem britischen Revisionisten David Irving abgespielt. Dieser referierte über die alliierten Luftangriffe auf Dresden im Zweiten Weltkrieg. An Protestaktionen gegen die Veranstaltung der DVU beteiligten sich insgesamt über 3.000 Personen, darunter auch Linksextremisten und Punks. 2.3 Die Republikaner (REP) Deutschland Bayern Mitglieder: 13.000 4.000 Vorsitzender: Dr. Rolf Schlierer Johann Gärtner Gründung: 1983 Sitz: Berlin Publikation: Der Republikaner Rechtsextremismus 47 2.3.1 Ideologisch-politischer Standort In den öffentlichen Verlautbarungen der REP wurden wie bisher Aussagen mit eindeutig rechtsextremistischer Zielsetzung weitgehend vermieden. Äußerungen der Partei lassen aber immer wieder einen übersteigerten Nationalismus, verbunden mit Ressentiments gegen fremde Staaten und Minderheiten erkennen. "Wir lehnen eine EU ab, die offenkundig keine Gemeinschaft souveräner Mitgliedstaaten sein will, sondern die Entmündigung und Gleichschaltung der Völker Europas anstrebt." Nationalismus (Resolution des REP-Bundesvorstands vom 6. Februar) "Der Rückgang der deutschen Bevölkerung ... wird bisher durch eine ungeordnete Zuwanderung mehr als ausgeglichen. Daß diese Zuwanderung keineswegs deutschen Interessen dient, sondern in erster Linie der Beglückung des internationalen Wanderproletariats, hat die derzeitige Diskussion um die 'Green Card' nebenbei an den Tag gebracht." (Der Republikaner Nummer 4/2000, Seite 3) "In Wahrheit haben unsere Politiker längst vor den europäischen Zumutungen kapituliert. Sie nehmen tatenlos hin, dass die Schleusen weit aufgemacht werden. Und einige drehen noch kräftig mit an der Kurbel." (Der Republikaner Nummer 5/2000, Seite 1) Darüber hinaus verunglimpfen führende Vertreter der REP planmäßig Diffamierung die bestehende Staatsform und ihre Repräsentanten. demokratischer Institutionen "Die moralisierenden Spitzenpolitiker haben sich den Staat als Beute genommen. Manche plündern unseren Staat in einer Selbstverständlichkeit aus, daß es einem die Sprache verschlägt. Unverschämt wird es, wenn dieser schwarz-rote Raubritterverein der Bevölkerung erklärt, wir Republikaner seien eine Gefahr." (Der Republikaner Nummern 1-2/2000, Seite 2) "Während sich unsere Bundes-, Landesund Kommunalpolitiker in einer immer unverschämteren Weise selbst bedienen, sich bis in die untersten Ebenen der Politik ein Parteienund Familienfilz entwickelt hat, welcher nur noch die eigenen Interessen vertritt, wird das deutsche Volk zunehmend ins Elend gestürzt!" (Flugblatt des REP-Landesverbands Bayern im Internet) 48 Rechtsextremismus "Die Berliner Politiker haben offenbar nichts Eiligeres zu tun, als Souveränität und Handlungsfähigkeit unseres Staates in Brüssel an der Pforte abzuliefern. Sie wollen die Verantwortung dafür loswerden, was in unserem Land geschieht und wer bei uns einund ausgehen darf. Dagegen wehren wir uns. Nur die Republikaner widersetzen sich dem Ausverkauf deutscher Interessen." (Der Republikaner Nummer 5/2000, Seite 1) In einem Einladungsschreiben vom 8. Januar für ein Treffen verdeutlichte der Bezirksvorsitzende von Oberbayern und stellvertretende Landesvorsitzende Martin Huber die fremdenfeindliche Haltung der Partei: "Wir Republikaner wollen keinen Vielvölkerstaat, Schluss mit Milliarden Zahlungen an das Ausland. Unser Ziel muß es sein, nicht Integration der Ausländer, sondern Rückführung in ihre Heimat. Unser Land braucht eine Opposition, die in erster Linie deutsche Interessen vertritt." Zum Thema "Doppelte Staatsangehörigkeit" hieß es im Parteiorgan: Rassismus und "Hauptsache, möglichst viele Einbürgerungen, Hauptsache, das deutsche FremdenfeindVolk wird möglichst schnell ausgetauscht. (...) Konsequenten Widerstand lichkeit gegen die Auflösung und Auswechslung unseres Volkes gibt es nur mit den Republikanern." (Der Republikaner Nummern 1-2/2000, Seite 2) Im Gästebuch des Internet-Forum REP Sachsen antwortete die Landesvorsitzende Kerstin Lorenz am 12. März auf das Thema "Mit allen Mitteln gegen die neue Gastarbeiterschwemme": "Leute wie Henkel und Stihl würden doch jeden Deutschen entlassen und durch einen Billigausländer ersetzen. (...) Billigarbeitskräfte werden eben immer gebraucht und wenn die dann auch noch ihre Familien mitbringen und für immer in unserem Land bleiben, hat die Bundesregierung einen weiteren Schritt in Richtung 'Vernichtung des deutschen Volkes' erfolgreich getan. Auf etwas anderes läuft es doch nicht hinaus! Unser Volk wird zielgerichtet unterwandert und durch Menschen anderer Völker ersetzt. Hier zwingen sich Parallelen zur Ausrottung der Indianer in Amerika auf. (...) Entwicklung in Deutschland geht auch in diese Richtung. Wie anders ist es zu erklären, dass immer öfter ein farbiger Mensch Mister Deutschland wird, die beste deutsche Nachwuchssängerin eine Farbige ist, immer mehr Moderatoren Farbige sind, im Bundestag schon jetzt Türken sitzen, mancher Oberbürgermeister ein Türke ist und selbst auf Plakaten Farbige als typisch deutsch gezeigt werden. Der Bürger merkt leider nicht, dass wir weißen Deutschen bald Exoten im eigenen Land sein werden!" Rechtsextremismus 49 In einer an die Kemptener Medien gerichteten Pressemeldung vom 20. November beschimpfte der Vorsitzende des REP-Kreisverbands Kempten-Oberallgäu die "Altparteien, die aufgrund ihrer Hetze und Verleumdungen gegen die Republikaner als die wahren Nachfolger der Nationalsozialisten und der Kommunisten anzusehen" seien. Ferner propagierte er den "Kampf ... gegen die laufenden Verunglimpfungen und Beleidigungen der Republikaner durch die linksextremen und verfassungsfeindlichen Parteien wie 'SPD-SED-PDS', der grünen Schwuchtelpartei und der Schwarzfaschisten". Den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden beleidigte er mit dem Wort "Zigeunerjude". Die Staatsanwaltschaft Kempten leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung ein. Der REP-Landesverband Bayern distanzierte sich am 23. November in einer Pressemitteilung von den antisemitischen Äußerungen des Kreisvorsitzenden und forderte ihn zum sofortigen Rücktritt auf. Darüber hinaus waren erneut Verstöße von Funktionären und MitAushöhlung gliedern gegen den 1990 in Ruhstorf bei Passau beschlossenen des offiziellen Abgrenzungskurs gegenüber anderen rechtsextremistischen OrganiAbgrenzungssationen festzustellen, der eine Zusammenarbeit mit anderen Rechtskurses extremisten formell untersagt, aber offenbar selbst von der Parteispitze nicht mehr ernst genommen wird. Mit der Duldung von Kontakten auch führender Parteifunktionäre zu bekannten Rechtsextremisten sowie eigenen Verhandlungen mit der DVU unter formaler Beibehaltung des "Ruhstorfer Beschlusses" hat Dr. Schlierer die Konturen seiner eigenen Abgrenzungspolitik immer mehr verwischt. Die Stadtverordnetenfraktion der REP in Wiesbaden führte am 22. Januar eine Podiumsdiskussion mit Horst Mahler, Franz Schönhuber und Professor Dr. Klaus Sojka durch. In einem Schreiben vom 25. Januar erklärte der stellvertretende REP-Bundesvorsitzende Johann Gärtner, eine Gruppe von jungen Leuten habe sich bereits auf dem Anmarsch zu der Veranstaltung mit Rufen wie "Sieg Heil" artikuliert. Die Ordner der "Republikanischen Jugend" (RJ) hätten auf eine weitere Gruppe, die sich als "Freunde" von der NPD zu erkennen gegeben hätten, sehr euphorisch reagiert. Die Distanz zum Abgrenzungsbeschluss zeigt auch eine Pressemitteilung der NPD auf, wonach der REP-Landesgeschäftsführer von Schleswig-Holstein Werner Frey am 23. Januar anlässlich einer NPD-Wahlveranstaltung in Bad Bramstedt ein Grußwort sprach. In der Pressemitteilung wird weiter berichtet, die entscheidenden 50 Rechtsextremismus REP-Funktionäre in Schleswig-Holstein ermunterten ihre Mitglieder, die NPD zu wählen. In einem Artikel in Nation & Europa, Ausgabe Februar 2000, zum Thema "Zur Zusammenarbeit deutscher Patrioten" bezeichnete der ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende Hans Hirzel den "Ruhstorfer Abgrenzungsbeschluss" der REP als für die Partei schädlich. Weiter plädierte er für eine zweckgebundene Zusammenarbeit mit jedem, der dazu bereit und fähig sei, wenn politisch gefährliche Nebenwirkungen ausreichend vermieden werden. Nach einem Schreiben des damaligen NPD-Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein, Ingo Stawitz, vom 11. Februar an die Funktionärin des Republikanischen Beamtenbundes (REPBB) Gesine Göttsche bestanden im Vorfeld der Landtagswahlen auch Kontakte der REP-Bundesführung zur NPD. So habe bereits Anfang 1999 in Hamburg ein Gespräch zwischen Stawitz, dem REP-Bundesgeschäftsführer Tempel und dem seinerzeitigen DVU-Funktionär Professor Dr. Sojka stattgefunden. In demselben Brief heißt es, die stellvertretende Bundesvorsitzende Winkelsett und Tempel hätten versucht, eine Landesliste mit Hilfe von DVU-Leuten aufzustellen. Beim Landeskongress der Republikanischen Jugend (RJ) Hessens am 7. Mai trat als Ehrengast und Hauptredner der frühere REP-Bundesvorsitzende und Protagonist einer "Vereinigten Rechten" Franz Schönhuber auf. Der hessische RJ-Landesvorsitzende Andreas Lehmann wandte sich in seiner Rede gegen jegliche Ausgrenzung von Jugendlichen und befürwortete eine Zusammenarbeit mit der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und den Freien Nationalisten (FN). Unter starkem Beifall der rund 150 Teilnehmer schlug er vor, Schönhuber zum Ehrenvorsitzenden der REP zu ernennen. Der hessische Landesvorsitzende der Republikanischen Jugend (RJ) Andreas Lehmann gehört seit Sommeranfang auch zum Redaktionskollegium der Zeitschrift "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte". Sein Name ist erstmals im Impressum der Juli/August-Ausgabe aufgeführt. Er ergänzt die aus Werner Baumann alias Harald Neubauer, Peter Dehoust, Dietmar Engelhard und Karl Richter bestehende Redaktion. Die Schrift ist eines der wichtigsten rechtsextremistischen Theorieund Strategieorgane. Das Engagement in einer solchen Publikation und die Kooperation mit namhaften rechtsextremistischen Autoren belegen erneut die mangelnde Akzeptanz des Abgrenzungsbeschlusses für maßgebliche REP-Funktionäre. Rechtsextremismus 51 Nach einem Bericht des Parteiorgans "Der Republikaner" (Nummern 1-2/2000) gibt es "freundschaftliche Kontakte" der Republikanischen Jugend (RJ) zu den Vlaams Blok Jongeren (VBJ), der Jugendorganisation des rechtsextremistischen Vlaams Blok (VB). So hätten drei Vorstandsmitglieder der VBJ im September 1999 den Deutschlandtag der RJ in der Nähe von Leipzig besucht; der Gegenbesuch einer RJ-Delegation habe anlässlich des Bundesjugendparteitags der VBJ in Brüssel stattgefunden. Die Absprache zwischen DVU und REP vom Herbst 1998, bei Wahlen nicht gegeneinander anzutreten, kam nicht zum Tragen, da die DVU im Jahr 2000 nicht an Wahlen teilnahm. 2.3.2 Interne Richtungskämpfe Das Erscheinungsbild der Partei ist nach wie vor durch zunehmende Interne Kritik am Kritik an dem von der REP-Bundesführung offiziell noch immer veroffiziellen Kurs tretenen Abgrenzungskurs gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen geprägt, der nach Ansicht der Kritiker die Partei in die politische Isolation geführt habe. Manche Landesverbände wollen mit Vertretern der DVU und der NPD intensivere Kontakte unterhalten, während andere dies ablehnen und den REP-Bundesvorsitzenden unterstützen. Als die innerparteiliche Opposition Ende 1999 den Rücktritt des Bundesvorstands, die Abhaltung eines Sonderparteitags und eine Beendigung des Abgrenzungskurses forderte, gerieten die REP in eine schwere programmatische und personelle Krise. Die fortdauernden Richtungskämpfe verunsicherten Dr. Schlierer zeitweise so sehr, dass er Kontakte von REP-Funktionären zu bekannten Rechtsextremisten wie Professor Dr. Klaus Sojka von der DVU und Harald Neubauer von der DLVH tolerierte, obwohl er offiziell den Abgrenzungsbeschluss nicht zur Disposition stellte. Diese inkonsequente Haltung führte zum Parteiaustritt des REP-Landesvorsitzenden von Nordrhein-Westfalen, Burkhard Schmanck, der als einer der exponiertesten Verfechter eines klaren Abgrenzungskurses galt. Bei den Republikanern eskalierte der Streit um die richtige Strategie und um die künftige personelle Führung der Partei. Dr. Schlierer verlor bei den Mitgliedern vorübergehend deutlich an Rückhalt. Ihm wurden Autoritätsverlust, Unglaubwürdigkeit, Fehlentscheidungen und der Versuch einer Annäherung an konservative Parteien vorgeworfen. Umstritten war auch seine indifferente Haltung gegenüber dem offiziell immer noch gültigen Abgrenzungskurs der Partei. 52 Rechtsextremismus Vor dem Hintergrund dieser kritischen Situation trafen sich am 19./20. Februar der Bundesvorstand und die Landesvorstände der Strategiekonferenz Partei in Leipzig zu einer Strategiekonferenz. Dr. Schlierer forderte eine bessere Qualifizierung der Parteifunktionäre, einen intensiveren Informationsaustausch zwischen Bundesführung und Parteigliederungen sowie eine verstärkte öffentliche Präsenz der Partei. Anschließend wurde der Abgrenzungskurs kontrovers diskutiert. Mit der Einberufung dieser Tagung konnte Dr. Schlierer den von der Opposition geforderten Sonderparteitag zunächst verhindern, der wohl personelle Änderungen im Bundesvorstand zur Folge gehabt hätte. Unter diesen Umständen bedeutete die Konferenz zumindest einen kurzfristigen Erfolg für den Parteivorsitzenden, der seine innerparteilichen Kritiker - auch wegen Fehlens einer personellen Alternative - erneut zurückdrängen konnte. In einer Pressemitteilung vom 8. August bezeichnete Dr. Schlierer die Debatte um ein Verbot der NPD als reinen "Sommerlochaktionismus" von Politik und Medien; dem deutschen Ansehen werde damit im Ausland nur geschadet. Wer indessen die Zunahme der Gewalt und Brutalität ernsthaft bekämpfen wolle, müsse die Wurzeln anpacken und dürfe nicht nur an Symptomen herumkurieren: Weder sollten vor linker Gewalt die Augen geschlossen werden noch dürfe das Thema "Ausländergewalt gegen Deutsche" tabu sein. Bundesparteitag Auf dem Bundesparteitag am 18. November in Winnenden bei Stuttgart konnte Dr. Schlierer seine Position wieder festigen. Es gab nur noch vereinzelt Stimmen, die ihm eine schlechte Führung der Partei vorwarfen. Die Mehrheit der 384 Delegierten befürchtete, dass ein Sturz Dr. Schlierers die Aussichten der Partei bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im Jahr 2001 verschlechtern könnte. Mit 312 Ja-Stimmen wurde Dr. Schlierer für weitere zwei Jahre als Bundesvorsitzender gewählt. Für den von der innerparteilichen Opposition aufgestellten Gegenkandidaten Hans Hirzel aus Hessen stimmten lediglich 63 Delegierte. Der bayerische Landesvorsitzende Gärtner wurde als einer der fünf stellvertretenden Vorsitzenden wieder gewählt. Dr. Schlierers bisheriger Stellvertreter und profiliertester Kritiker Christian Käs hatte auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Von den 20 Beisitzern erreichten fünf Mitglieder aus dem Landesverband Bayern die nötige Stimmenzahl. In einer Diskussion über den Verbotsantrag gegen die NPD bekräftigte Dr. Schlierer erneut, dass es zwischen REP und NPD keine Gemeinsamkeiten und keine Kooperation gebe. Die Rechtsextremismus 53 Republikaner bildeten auch kein Auffangbecken für jene, die jetzt der NPD den Rücken kehrten, um andernorts ihr Unwesen zu treiben. Der Parteitag hatte unter massivem Polizeischutz begonnen. Bei Kontrollen auf Zufahrtsstraßen und Bahnhöfen wurden bei Linksautonomen Holzknüppel, Benzinkanister und Flaschen sichergestellt. An einer Protestdemonstration politischer Gegner beteiligten sich über 2.000 Personen. 2.3.3 Organisation Die REP befinden sich weiterhin in einer Krise. Mitgliederverluste als Rückläufige Folge anhaltender Erfolglosigkeit bei Wahlen und interne RichtungsMitgliederzahlen kämpfe kennzeichnen die Lage. Der Partei gehörten Ende 2000 im Bundesgebiet rund 13.000 (1999: 14.000) Mitglieder an; die Partei selbst nennt höhere Zahlen. Die Schwerpunkte liegen in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Stärkste regionale Untergliederung ist der Landesverband Bayern mit 4.000 Mitgliedern. Der Bundesverband, der Landesverband Bayern, die Republikanische Homepage Jugend und weitere REP-Gliederungen sind im Internet mit einer im Internet Homepage vertreten. 2.3.4 Teilnahme an Wahlen Die Hoffnung der Partei, von dem Spendenskandal der CDU und der Regierungsbeteiligung der FPÖ in Österreich politisch zu profitieren, hat sich nicht erfüllt. Die REP werden vom Wähler nicht als Protestpartei akzeptiert. An der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai beteiligten sich die REP nahezu flächendeckend in 132 von 151 Wahlkreisen mit Direktkandidaten. Daneben nominierten sie auf einer Landesliste unter Führung der stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Wahlkampfleiterin Ursula Winkelsett 20 weitere Bewerber. Die Partei führte den Wahlkampf mit Forderungen wie "Deutschland den Deutschen" und "Schluss mit der Bimbes-Republik - für eine saubere Politik". Sie erhob die Verhinderung weiterer Zuwanderung zur "nationalen Existenzfrage". Mit einem Stimmenanteil von 1,1 % (1995: 0,8%) erreichte die Partei lediglich einen Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung. 54 Rechtsextremismus 2.3.5 Aktivitäten in Bayern Politischer An der Aschermittwochsveranstaltung der REP am 8. März in GeisenAschermittwoch hausen, Landkreis Landshut, nahmen wie im Vorjahr rund 800 Personen teil, darunter der Bundesvorsitzende Dr. Rolf Schlierer und der Landesvorsitzende Johann Gärtner. Die Redner befassten sich mit dem Parteispendenskandal und dem Einsatz deutscher Truppen im Kosovo. Sie wandten sich gegen die angebliche Ausbeutung des Sozialstaats durch "Scheinasylanten", die zunehmende Islamisierung Deutschlands, die Osterweiterung der EU und die Isolierung Österreichs; ferner agitierten sie gegen die Sozialpolitik der Bundesregierung und das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin. Starken Beifall fand ein kritischer Redebeitrag zur Agrarpolitik der Bayerischen Staatsregierung und der Europäischen Union. An einer Versammlung am 30. September in München unter dem Motto "Entwickelt sich die EU zu einer Gesinnungsdiktatur?" nahmen etwa 50 Personen teil. Als Redner traten der Münchner Bezirksvorsitzende Dr. Echtler und der oberbayerische Bezirksvorsitzende Huber auf. Einen Gegendemonstrant warf einen Knallkörper zum Rednerpult. Am Nachmittag sprach Dr. Schlierer vor 130 Parteimitgliedern im Münchner "Rhaetenhaus". Er befürwortete ein schnelles NPD-Verbot, sofern die Sicherheitsbehörden tatsächlich über relevantes Beweismaterial verfügten; langandauernde Diskussionen schadeten indessen sowohl Deutschland als auch den REP. Landesparteitag Am 11. November fand der bayerische Parteitag der Republikaner in Kissing statt. Vor rund 150 Teilnehmern sprach sich der Bundesvorsitzende Dr. Schlierer weiterhin für eine Distanzierung zur NPD aus. Man werde ein neues Parteiprogramm auflegen. 2.3.6 Verwaltungsgerichtsverfahren Die Bestrebungen der REP, ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz unterbinden oder erschweren zu lassen, haben erneut Rückschläge erlitten. Bereits am 10. September 1999 hatte das Oberverwaltungsgericht Koblenz ein Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. Dezember 1997 aufgehoben, das die weitere Beobachtung Rheinland-Pfalz des REP-Landesverbands Rheinland-Pfalz mit nachrichtendienstlichen Mitteln untersagt hatte. Die Beschwerde der REP gegen die Nichtzu- Rechtsextremismus 55 lassung der Revision wurde nunmehr am 3. März vom Bundesverwaltungsgericht verworfen. Ferner wies das Verwaltungsgericht Stuttgart am 26. Mai eine Klage des REP-Landesverbands Baden-WürtBaden-Württemtemberg gegen die Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstberg lichen Mitteln zurück. Auch ein vorangegangener Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die nachrichtendienstliche Beobachtung war erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ließ am 17. Oktober die Berufung des REP-Landesverbands gegen das Urteil vom 26. Mai zu. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg gab am 19. Oktober der Berufung des Landes Niedersachsen gegen ein Urteil des VerwaltungsNiedersachsen gerichts Hannover vom 29. November 1993 statt. Das Verwaltungsgericht Hannover hatte dem Land Niedersachsen untersagt, den dortigen REP-Landesverband mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Anders als die Vorinstanz stellte das Oberverwaltungsgericht bei den REP tatsächliche Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht und in ausreichender Zahl für verfassungsfeindliche Bestrebungen fest, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine nachrichtendienstliche Beobachtung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfüllt seien. Das Oberverwaltungsgericht begründete die Entscheidung im Hinblick auf eine Gesamtbetrachtung der Verhaltensweisen und Äußerungen von Funktionären und Mitgliedern der Partei. So schürten Teile der Partei Ressentiments gegen Ausländer in einer Weise, die deren durch Art. 1 Grundgesetz geschützte Menschenwürde missachte. Weiter agitierten REP-Mitglieder auf allen Ebenen der Partei gegen die im Grundgesetz konstituierte parlamentarische Demokratie. Darüber hinaus unterhielten Funktionsträger der REP entgegen dem offiziellen Abgrenzungskurs nach wie vor Kontakte zur DVU und NPD. Vor diesem Hintergrund sei die Beobachtung der REP durch den Verfassungsschutz auch im Hinblick auf die nicht absehbare künftige Entwicklung der Partei gerechtfertigt. In einer Pressemitteilung vom 20. Oktober kritisierten die REP die Entscheidung als "offenkundig politisch motiviertes Fehlurteil" und kündigten an, gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Mit einer ähnlichen Begründung wies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-WestMünster am 21. Dezember die Berufung des REP-Landesverbands falen Nordrhein-Westfalen gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts 56 Rechtsextremismus Düsseldorf vom 25. März 1994 zurück und erklärte damit ebenfalls die Beobachtung der REP mit nachrichtendienstlichen Mitteln für zulässig. 2.4 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) Deutschland Bayern Mitglieder: 500 60 Gleichberechtigte Jürgen Schützinger, Werner Eichinger Sprecher (Vorsitzende): Ingo Stawitz, Andre Beiersdorf Gründung: 1991 (1996 Verzicht auf den Parteistatus) Sitz: Coburg Inoffizielles Organ: Nation & Europa - Deutsche Monatshefte Die DLVH versteht sich seit der 1996 beschlossenen Umwandlung in einen Verein als eine "überparteiliche und unabhängige Gemeinschaft demokratischer Patrioten", die Gleichgesinnte über Parteiund Vereinsgrenzen hinaus integriert und deren Kräfte bündelt. Trotz vorNationalismus und sichtiger Formulierung sind in ihrem "Manifest" nationalistische und Kollektivismus völkisch-kollektivistische Elemente feststellbar: "Die DEUTSCHE LIGA bekennt sich zu einer Wirtschaftsund Sozialordnung der nationalen Präferenz. (...) Ihr Ziel ist eine sozialpatriotische Solidargemeinschaft des Ganzen." Die DLVH ist unverändert inaktiv. Von Bedeutung ist nur ihre Nähe zu einigen rechtsextremistischen Presseorganen, vor allem zu "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte". 2.5 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) Deutschland Bayern Mitglieder: 450 40 Vorsitzender: Dr. Rolf Kosiek Gründung: 1960 Sitz: München Publikation: Das Freie Forum Rechtsextremismus 57 Die von ehemaligen SSund NSDAP-Angehörigen gegründete, von dem früheren NPD-"Chefideologen" Dr. Rolf Kosiek geleitete GFP stellt als "Kulturvereinigung" vor allem ein Forum für rechtsextremisRechtsextremistische Verleger, Buchhändler, Redakteure und Schriftsteller dar. Sie tische "Kulturgibt vor, "tabuisierte Lebensfragen der Deutschen" zu thematisieren vereinigung" und sich für die "Freiheit und Wahrheit des Wortes" einzusetzen. In Vorträgen und auf GFP-Veranstaltungen wird rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet. Die GFP will in einer angeblich "durch Siegerrechte und Besiegtenpflichten beschränkten Öffentlichkeit" eine "Freistatt für den deutschen Gedanken und das deutsche Wort" schaffen und erhalten Unter dem Motto "National 2000 - Freie Völker statt Globalismus" fand vom 14. bis 16. April in Regensburg der GFP-JahreskonJahreskongress gress statt. Als Referenten traten bekannte Rechtsextremisten auf, darunter die Redakteure Harald Neubauer und Karl Richter von "Nation & Europa" sowie der Verleger Dr. Gert Sudholt und der Vorsitzende der Deutschland-Bewegung Alfred Mechtersheimer. Ein Redner behauptete, der Bau eines gemeinsamen europäischen Hauses werde "von weitreichenden Umerziehungsmaßnahmen begleitet, die dem deutschen Volk durch die gebetsmühlenhafte Beschwörung der ewigen historischen Schuld letztendlich seine Identität rauben" sollten. 2.6 Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V. Deutschland Bayern Mitglieder: 280 30 Vorsitzende: Lisbeth Grolitsch Gründung: 1982 Sitz: Starnberg Publikation: Huttenbriefe - für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht Der von Rechtsextremisten gegründete Freundeskreis Ulrich von Hutten vertritt rechtsextremistische, insbesondere rassistische Thesen und verbreitet Äußerungen, die das NS-Regime verharmlosen und die Bundesrepublik Deutschland verunglimpfen. Der Freundeskreis trat vorwie- 58 Rechtsextremismus gend mit der Herausgabe und Verbreitung der Schrift "Huttenbriefe - für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht" in Erscheinung. Darin hieß es: "Anstatt den Wunsch des Volkes in die politische Tat umzusetzen, investiert das Super-Vichy in Berlin unser Geld in Werbekampagnen, damit das Volk sich wünscht, was die Politiker nach Vorgabe der Sieger durchsetzen müssen." "Die Woche des 'ausländischen Mitbürgers' ist eine Facette bei der Erzwingung von Toleranz für die große demographische Operation, aus der eine im Innersten andere Bevölkerung hervorgehen wird. Wer dagegen nicht ankämpft auf dieser Welt, verdient das Leben nicht." Darüber hinaus veranstaltete der Freundeskreis vom 27. Oktober bis 1. November in Rosenheim eine Gästewoche mit rund 120 Teilnehmern aus Deutschland und Österreich. Die geschlossene Tagung stand unter dem Leitsatz "Aufbruch zur seelischen und geistigen Gesundung Deutschlands und Europas durch die Neuwertung der Werte". Als Mitveranstalter trat die "Deutsche Kulturgemeinschaft Österreich" auf. 2.7 Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee 2000 Deutschland Bayern Mitglieder: 100 50 Vorsitzender: Dr. Alfred Mechtersheimer Gründung: 1990 Sitz: Starnberg Publikationen: Frieden 2000 - Nachrichten für die Deutschland-Bewegung, Pressespiegel Die 1990 in Berlin gegründete, heute in Starnberg ansässige Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee 2000 ist bundesweit organisiert und umfasst in Bayern etwa 50 Personen in lokalen Kleingruppen. Die Verbandsaktivitäten beschränken sich auf Treffen einiger weniger Personen, die sich teilweise auch in anderen rechtsextremistischen Antidemokratische Parteien bzw. Gruppierungen betätigen. Die politische Position der und rassistische Gruppierung ergibt sich aus regelmäßig erscheinenden Publikationen Positionen wie "Frieden 2000" und "Pressespiegel" sowie aus Flugblättern, die unter anderem mit Parolen wie "Volksherrschaft oder Medien-Demo- Rechtsextremismus 59 kratur" oder "Schützenhilfe aus New York für rot-grüne Umvolkungspläne" ein demokratiefeindliches, die Volkssouveränität ablehnendes und rassistisch geprägtes Deutschland fordern. Die örtlichen Aktivitäten erreichten meist nur eine regional begrenzte Aufmerksamkeit. So störten Aktivisten der Deutschland-Bewegung am 22. Oktober eine Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing. Der Vorsitzende bzw. Sprecher der Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee 2000 arbeitet mit bekannten rechtsextremistischen Funktionären bzw. Aktivisten verschiedenster Gruppen zusammen und verBündnispolitik sucht, seine Gruppierung zu einer Sammlungsbewegung auszubauen. Dabei bedient er sich auch der im Frühjahr gegründeten Deutschen Aufbau-Organisation (DAO), die über eine Sammlungsbewegung hinaus auf die Bildung einer Sammlungspartei abzielt und dabei die bisherige Zersplitterung der rechtsextremistischen Parteienszene überwinden möchte. Die nach eigenen Angaben noch im Gründungsstadium befindliche DAO ist eine Teilorganisation der Deutschland-Bewegung und wird von dieser als "Initiative der Deutschland-Bewegung" bezeichnet. Verantwortlicher der Deutschen Aufbau-Organisation (DAO) ist ebenfalls Dr. Alfred Mechtersheimer. 2.8 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) Der 1958 gegründete, von Dr. Gerhard Frey geleitete DSZ-Verlag in München ist weiterhin das bedeutendste rechtsextremistische Propagandainstrument in Deutschland. Die Auflage der im Verlag erscheinenden Wochenzeitung "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) ist von bisher 50.000 auf 45.000 Exemplare zurückgegangen. Als publizistisches Sprachrohr der DVU vertritt die NZ deren nationaBedeutendstes listische, rassistische und revisionistische Grundhaltung. Die Beiträge rechtsextremistisind geprägt von Vereinfachung, Schematisierung und dem Aufbau sches Propagandavon Freund-Feind-Bildern. instrument "Zu den Millionen hier lebenden Ausländern kommen Asylanten, Flüchtlinge, Illegale, Heimatlose, De-facto-Flüchtlinge usw. Dies alles kostet uns 60 Rechtsextremismus Nationalismus Jahr für Jahr Hunderte Milliardenbeträge, während das soziale Elend immer mehr Deutsche erfasst. Deutsches Geld fehlt an allen Enden für deutsche Aufgaben. Gleichzeitig halten sich in der Bundesrepublik allein etwa eine Million rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber auf; also Scheinasylanten, die hier nichts verloren haben." (NZ vom 21. April, Seite 16) "Dass das deutsche Volk von der Mitentscheidung über die Lebensfragen Deutschlands nach dem Willen der Herrschenden ferngehalten werden soll, wissen wir zur Genüge: Die Entmachtung Deutschlands als Nationalstaat, die Aufwertung der Europäischen Union zur alles bestimmenden Kolonialmacht, die Ersetzung der DM-Hartwährung durch den miserablen wachsweichen Euro - das alles geschah gegen den Willen der übergroßen Mehrheit der Bundesdeutschen und Österreicher durch eine kleine, von den Lebensinteressen unseres Volkes losgelöste Politikerkaste." (NZ vom 5. Mai, Seite 3) "Und der deutsche Bedarf an der wissenschaftlichen Elite kann am besten gedeckt werden, wenn endlich Bund und Länder alljährlich viele Dutzende Milliarden Mark zusätzlich für Ausbildung und Forschung aufwenden, anstatt das sauer verdiente Geld des Steuerzahlers als Reparationen, Tribute an EU und Zahlungen in alle Himmelsrichtungen hinauszuwerfen." (NZ vom 5. Mai, Seite 3) Rassismus "Offenbar berauschen sich etliche der hiesigen Rotgrünen an der Vorstellung, durch die EU-Freizügigkeit für die Türkei die Bundesrepublik endgültig zu entdeutschen und für alle Zeiten in eine multikulturelle Gesellschaft umzuwandeln." (NZ vom 2. Juni, Seite 3) Antisemitismus "Zu den Unbegreiflichkeiten unserer Zeit gehört die Tatsache, dass Juden aus Russland und den GUS-Staaten ohne jede Beziehung zum deutschen Volk, zur deutschen Kultur und zur deutschen Sprache in jeder Zahl in Deutschland einwandern können, wenn sie nur den Nachweis zu führen vermögen, seit Generationen 'reine Juden' zu sein. (...) Gleichzeitig unternehmen die Bundestagsparteien das Maximale, Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion die Heimkehr ins Land ihrer Vorväter nach Kräften zu erschweren oder zu verunmöglichen. (...) Juden hingegen, selbst wenn sie kein Wort Deutsch sprechen oder verstehen, können unverzüglich einreisen und erfahren dann nebst allen Vergünstigungen eines für sie besonders ausgeprägten Sozialnetzes Vorzugsbehandlungen." (NZ vom 2. Juni, Seite 3) Rechtsextremismus 61 Typisches Kennzeichen der NZ ist ihr ständig betonter Wahrheitsanspruch, mit dem sie alle anderen Meinungen indirekt der Unwahrheit bezichtigt: "Mit dem regelmäßigen Bezug der NATIONAL-ZEITUNG sichern Sie sich Informationen über die wahren Hintergründe des ... Geschehens, wovon der Durchschnittsbürger nicht einmal ahnt." (NZ vom 22. September, Seite 3) In einer festen Kolumne der NZ schreibt der Publizist und ehemalige REP-Vorsitzende Franz Schönhuber; in unregelmäßigen Abständen erscheinen Artikel des wegen Leugnung des Holocaust verurteilten ehemaligen NPD-Vorsitzenden Günter Deckert, der Ende 2000 aus der Haft entlassen wurde. 2.9 Nation Europa Verlag GmbH Der Nation Europa Verlag in Coburg wurde 1953 gegründet. Ein Jahr später konstituierte sich der mit den politischen Interessen des Verlags eng verbundene Verein Nation-Europa-Freunde e.V., dem derzeit etwa 200 Mitglieder angehören. Herausgeber der im Verlag erscheinenden Monatsschrift "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" sind die DLVH-Funktionäre Peter Dehoust und Harald Neubauer. Mit einer Auflage von 16.000 Exemplaren gehört die Zeitschrift zu den wichtigsten rechtsextremistischen Theorieorganen. Sie bietet insbesondere Rechtsextremisten eine publizistische Plattform. So veröffentlicht der frühere REP-Bundesvorsitzende Franz Schönhuber in der Zeitschrift regelmäßig seine Kolumne "Aus meiner Sicht". "Nation & Europa" verbreitet sowohl revisionistische als auch rassistische Thesen. Als Strategieorgan tritt die Schrift seit Jahren ohne Erfolg dafür ein, die Zersplitterung der rechtsextremistischen Parteien durch die Orientierung an ausländischen Sammlungsparteien wie dem Front National (FN) in Frankreich und dem Vlaams Blok (VB) in Belgien zu überwinden. 62 Rechtsextremismus 3. Organisationsunabhängiger Neonazismus 3.1 Allgemeines Der Neonazismus umfasst alle Aktivitäten und Bestrebungen, die ein offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und auf die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritäAgitationsren bzw. totalitären Staates gerichtet sind. Schwerpunktthemen schwerpunkte waren wie im Vorjahr die angebliche staatliche Verfolgung des "nationalen Lagers", die Ausländerund Asylpolitik der Bundesregierung sowie rassistische und antisemitische Agitation. Die Gewinner der seit den Verboten neonazistischer Organisationen im Jahre 1992 einsetzenden Ideologieund Strategiedebatte des "nationalen Lagers" sind die NPD und die JN bzw. deren aus dem neonazistischen Spektrum stammende Führungskader. So ist es dem Ideologische JN-Vorsitzenden Sascha Roßmüller gelungen, seine aus jüngeren Durchdringung Neonazis und Skinheads bestehende Klientel an die NPD heranzufühder NPD ren. Seine neonazistischen und nationalrevolutionären Gedankenelemente sind inzwischen integraler Bestandteil des ideologischen Spektrums der NPD geworden und haben deren Erscheinungsbild nachhaltig verändert. Das Verhältnis zwischen der NPD und den Neonazis ist als ZweckZweckbündnis bündnis zu charakterisieren. Insbesondere bei Demonstrationen kann von Neonazis sich die NPD die Aktionsstärke der Neonazis zunutze machen. Andeund NPD rerseits verbuchen es neonazistische Initiativen als ihren Erfolg, die NPD und deren Umfeld als Anmelder und Teilnehmer von Demonstrationen zu instrumentalisieren. Da im Auftreten und äußeren Erscheinungsbild kaum noch Unterschiede bestehen, profitieren beide Lager wechselseitig voneinander. Die chronische Erfolglosigkeit der seit den Organisationsverboten auch unter der Bezeichnung "Freie Nationalisten" agierenden "autonomen Kameradschaften" konnte gestoppt werden. Insbesondere in Nordbayern entstanden neue "Kameradschaften". Dort ist eine zuSchulterschluss nehmende Verzahnung des rechtsextremistischen Spektrums erkenndes rechtsextrebar. Sowohl Teilbereiche der NPD als auch autonome Kameradschafmistischen Spekten und politisch agierende rechtsextremistische Skinhead-Szenen trums üben den Schulterschluss. Grund für diese Entwicklung ist nach Ansicht der Initiatoren der ungeheure staatliche Druck auf alle "Nationalen", dem man nur mit Geschlossenheit begegnen könne, um weitere Verbote von Parteien und Organisationen zu verhindern. Rechtsextremismus 63 Führende Neonazis, wie etwa Christian Worch und Thomas Wulff aus Norddeutschland sowie Michael Swierczek für den Bereich Süddeutschland, konnten dagegen ihr Konzept der Vernetzung autonomer nationaler Gruppen nicht entscheidend voranbringen. Das dem neonazistischen Lager zuzurechnende Potenzial hat sich Zunahme des in Bayern auf rund 160 (199: 120) Personen erhöht; davon sind etwa neonazistischen 60 in neonazistischen Organisationen aktiv. Daneben sind rund Potenzials 780 rechtsextremistisch orientierte Skinheads bekannt. Insgesamt beträgt das gewaltbejahende rechtsextremistische Potenzial in Bayern rund 900 Personen. Weiterhin bestehen in verschiedenen Regionen Bayerns strukturlose Gruppen mit rechtsextremistischen Verhaltensweisen, die sich aus Skinheads, Neonazis, aber auch aus sonstigen "rechtsorientierten" Jugendlichen zusammensetzen. Hierbei handelt es sich um jugendliche Mischszenen, die sich von rechtsextremistischen Parolen leicht beeinflussen und mobilisieren lassen. Die Anzahl und Auflagenstärke neonazistischer Publikationen stagnierte auf dem Vorjahresniveau. 3.2 Annäherung von Neonazis an Linksextremisten Einige Neonazis betonen verstärkt die sozialistischen Elemente ihrer nationalsozialistischen Überzeugung und öffnen sich den bisher als politische Gegner betrachteten Linksextremisten. So forderte die Publikation "Der Angriff", die sich als "Mitteilungsblatt für alle freien Nationalisten und Sozialisten" versteht, die "ZusammenfasVersuche einer sung der gewaltigen Strömungen des Nationalismus und des SozialisSynthese von mus", um die "Genialität jener politischen Lösung" zu erreichen, für Nationalismus die auch der aus "linken Kreisen" stammende ehrliche und seinem und Sozialismus Volk verpflichtete deutsche Arbeiter gewonnen werden könne. Nicht jeder "Linke" sei automatisch als Gegner anzusehen. Da in "vielen Linken" dieselbe "antikapitalistische Sehnsucht" brenne, werde sich für die Zukunft eine Annäherung insbesondere "mitteldeutscher Linker" an die nationalen und sozialistischen Ideen und Strukturen ergeben. Die seit Frühjahr 1999 vom Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) herausgegebene Schrift "Der Gegenangriff" deklarierte den 1. Mai 2000 zum "Kampftag gegen Massenarbeitslosigkeit, Lohnraub und Multi-Kulti-Wahn" und forderte den deutschen Arbeiter dazu auf, sich mit "Stirn und Faust gegen die Politik der kapitalistischen Ein- 64 Rechtsextremismus heitspartei Deutschlands" (KED) zu wenden. Der KDS versteht sich als "Diskussionsund Kampfforum" zur "Bündelung revolutionärer, sozialistischer Energien und Gedanken": "Die erste rot-braune Bündnistruppe Deutschlands hat den gegenseitigen Brudermord an den Nagel gehangen und bringt die reiche Ideenwelt sozialistischer Revolutionäre von Ernst Thälmann bis Michael Kühnen, von Dr. Joseph Goebbels bis Friedrich Engels aktiv in unsere heutigen Kämpfe zur Befreiung Deutschlands mit ein. Was uns voranbringt, auf dem Weg zu einem Staat, in dem Arbeiter von Stirn und Faust das Sagen haben, wird schöpferisch auf die Gegenwart angewandt. Was uns in Hader und alten Hass zurückwirft, wird über Bord geworfen." Auch die von dem bekannten Neonazi Friedhelm Busse herausgegebene Publikation "Nachrichten-Informationen-Meinungen" (NIM) griff linksextremistische Positionen auf. In der Ausgabe Nummer 20 vom Mai/Juni erklärte sie zum kriegerischen Konflikt im Kosovo, dass "das klare Ziel des amerikanischen Präsidenten und Außenministeriums die Dämonisierung von Milosevic" gewesen sei. Das Bombardement stelle sich als "Krieg gegen die Wahrheit" heraus. Nur die pauschale Verurteilung von Jugoslawien und Milosevic als Völkermörder habe es ermöglicht, die Serben und nicht die NATO "als den Aggressor zu verkaufen". Die beschönigenden Worte vom "humanitären Bomben" hätten sich als Täuschungsmanöver der Propaganda entpuppt, um die wahren Absichten der NATO zu verschleiern. Ferner thematisierte das Blatt den 1. Mai und stellte in einem "Appell an die Nation" fest, dass der "Klassenstaat" der Vergangenheit angehöre und der "Volksstaat" die Zukunft bedeute. Das deutsche Volk müsse wieder "Luft und Licht zum Atmen und zum Leben" haben; deshalb sei es entscheidend, dass die "Sache der Nation" wieder die "Sache des Volkes" sei. Es gelte, die "deutsche Arbeit den Klauen der internationalen Raubfinanz" zu entreißen. 3.3 Autonome Kameradschaften Nach dem Verbot zahlreicher rechtsextremistischer Organisationen seit 1992 entwickelten führende Neonazis das Konzept strukturloser Zusammenschlüsse. Dadurch sollten staatliche Gegenmaßnahmen erschwert werden. Für diese in ihrem Erscheinungsbild vielfältigen Gruppierungen wurde alsbald der Begriff der "autonomen Kamerad- Rechtsextremismus 65 schaften" gebräuchlich. In Bayern sind folgende derartige Zirkel erwähnenswert: 3.3.1 Freizeitverein Isar 96 e.V. (FZV) Der 1996 gegründete FZV zählt wie im Vorjahr rund 15 Mitglieder, die sich unter dem Einfluss des ehemaligen "Bereichsleiters Süd" der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) in der Tradition des verstorbenen Neonazis Michael Kühnen sehen. Die Aktivitäten des FZV beschränkten sich bisher auf kleinere Veranstaltungen wie Fußballturniere und Stammtische, zum Teil mit Verbindungen nach Österreich. Obwohl sich der FZV als eingetragener Verein eine formelle Struktur gegeben hat, ist er in seinem Wirken einer autonomen Kameradschaft gleichzusetzen. Der FZV führte am 12. Januar 2001 in einer Münchener Gaststätte ein Stammtischtreffen durch, zu dem sich auch etwa 50 Skinheads einfanden. In der Nacht zum 13. Januar wurde aus dem Kreis der Skinheads ein griechischer Staatsangehöriger vor dem Lokal angegriffen und schwer verletzt. Die Ermittlungen zu dieser Gewalttat sind noch nicht abgeschlossen. 3.3.2 Neonazikreis um Sven Schlechta (Kameradschaft Schwabach) Bei dem Neonazikreis handelt es sich um eine unorganisierte Personengruppe von etwa fünf Personen. Der Führer der Kameradschaft Schwabach Sven Schlechta sieht sich in der Tradition des verstorbenen Rechtsextremisten Michael Kühnen und pflegt in diesem Rahmen regionale und überregionale Kontakte zu führenden Neonazis. Die Kameradschaft organisiert Veranstaltungen wie "Aktionstage für Gottfried Küssel" und Feierlichkeiten anlässlich des Geburtstags von Adolf Hitler. Bei einem im September von Schlechta organisierten Neonazitreffen traten Friedhelm Busse und der niederländische Neonazi Konstant Kusters als Redner auf. Zu dieser Veranstaltung erschienen rund 80 Personen des rechtsextremistischen Spektrums. Diese relativ hohe Teilnehmerzahl zeigt, dass Schlechta wieder einen verstärkten politischen Aktionismus entwickelt und erneut Zustimmung für seine politischen Ideen findet. 66 Rechtsextremismus 3.3.3 Bund Frankenland Der am 21. Dezember 1991 als Partei gegründete "Bund Frankenland" (BF) wurde am 29. Januar 1992 als eingetragener Verein registriert. Vorstandsmitglieder waren zu diesem Zeitpunkt die bekannten Rechtsextremisten Jürgen Schwab und Uwe Meenen. Ziel des BF war die Beseitigung des Grundgesetzes und der parlamentarischen Demokratie sowie die Schaffung eines "Vierten Deutschen Reiches" nationalistisch-rassistischer Prägung. In den letzten Jahren ist der BF kaum mehr in Erscheinung getreten. Im Herbst wurden im Raum Bamberg zwei Flugblätter mit rechtsextremistischen, insbesondere fremdenfeindlichen Inhalten verteilt, für die ein "Bund Frankenland e. V., Ortsgruppe Bamberg, Kameradschaft Heinrich II", verantwortlich zeichnete. 3.3.4 Aktionsbüro Nationaler Widerstand/Freilassing Der Neonazi Norman Bordin initiierte zusammen mit seinem im FZV aktiven Gesinnungsgenossen Manfred Eichner und dem Rechtsextremisten Steffen Holzmüller in Freilassing das "Aktionsbüro Nationaler Widerstand/Freilassing". In der Gründungsmitteilung vom 29. Mai versteht sich das Aktionsbüro als "unabhängiger Bestandteil des nationalen Widerstands/Deutschland" und verweist bei der Frage nach seinen politischen Vorstellungen auf die im Internet eingestellten Veröffentlichungen. Der darin propagierte Grundsatz "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" ist gleich lautend mit Ziffer 24 des "25-Punkte-Programms der NSDAP vom 24. Februar 1920, wonach der "jüdisch-materialistische Geist" zur "dauernden Genesung unseres Volkes" zu bekämpfen sei. 3.3.5 Katakombenakademie des Friedhelm Busse Die Bedeutung der Katakombenakademie des 72-jährigen Neonazi Friedhelm Busse in München-Putzbrunn ist geschwunden. Die zuletzt spärliche Anhängerschaft hat sich teilweise den JN, dem FZV oder den Skinheads angeschlossen. Busses Aktivitäten beschränken sich im wesentlichen auf Reden bei Veranstaltungen der NPD. Ferner unterstützt er die NPD als Betreiber des "Nationalen Info-Telefons Bayern" (NIT). Daneben firmiert Busse unter der Bezeichnung "Deutscher politischer Presseund Informationsdienst" (dpi) und verfasst Rechtsextremismus 67 die Publikation "Nachrichten - Informationen - Meinungen" (NIM), die er anlässlich von Referaten und Veranstaltungen an die Anwesenden verteilt. 3.4 Informationelle Vernetzung Seit mehreren Jahren nutzen Rechtsextremisten auch moderne Kommunikationstechniken, insbesondere um die nach den Verboten neonazistischer Organisationen weggefallenen Kontaktmöglichkeiten zu ersetzen. Der Zugriff auf das Internet - einem weltweiten, rechtlich Internet und tatsächlich schwer fassbaren Raum - bietet Rechtsextremisten eine willkommene Plattform zur Verbreitung verfassungsfeindlicher Ziele. Insbesondere die Einschaltung ausländischer Provider vermindert das Risiko der Strafverfolgung. Zu den Schwerpunkten des Angebots gehören einschlägige Literatur und Musik, Propagandamaterialien aus dem Inund Ausland, Informationen über rechtsextremistische Organisationen, deren Postanschriften und Telefonnummern, so genannte "Schwarze Listen" mit den Namen politischer Gegner sowie Verzeichnisse weiterer Internet-Inhalte mit rechtsextremistischen Bezügen. In zunehmendem Maße dient das Internet aber auch der Mobilisierung der rechtsextremistischen Szene. So wurden auf einigen Homepages Flugblätter mit Aufrufen zu verschiedenen Demonstrationen eingestellt. Derzeit sind rund 800 (1999: 300) deutsche rechtsextremistische Homepages bekannt. Hinzu kommt eine Vielzahl ausländischer Homepages; die Schätzungen belaufen sich derzeit auf weltweit über 2.800 (1999: 1.400) einschlägige Homepages aus über 30 Staaten. Zunehmende Deutsche Rechtsextremisten werben für ihre verfassungsfeindlichen Bedeutung als Ziele mit immer anspruchsvollerer Technik. So binden sie aufwendige Propagandaträger Grafiken ein und bieten sogar indizierte Skinhead-Musik über Tondateien an, die auf dem heimischen PC gespeichert und vervielfältigt werden können. Die attraktiven Gestaltungsmöglichkeiten des "world wide web" (www) mit Farbgrafiken, Audiound Videosequenzen machen dieses kostengünstige Medium für rechtsextremistische Organisationen zu einem wichtigen Werbeund Propagandaträger, mit dem sich ungefiltert neue Interessentenkreise, vor allem Jugendliche, ansprechen lassen. Dem Internet kommt daher bei der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts sowie bei der Koordinierung von Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene eine weiterhin steigende Bedeutung zu. 68 Rechtsextremismus Die zunehmende Anonymisierung der Homepage-Benutzer und die Nutzung ausländischer Provider (z.B. in den USA) erschweren die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden. Rechtsextremisten, die ihre politischen Inhalte über Dienste in Deutschland anbieten, halten sich im Allgemeinen an die deutschen Gesetze. Bei Nutzung ausländischer Anbieter, beispielsweise in Übersee, geben sie ihre Zurückhaltung auf. So werStrafbare Inhalte den rassistische, revisionistische und volksverhetzende Aufrufe verbreitet, etwa durch den kanadischen Revisionisten Ernst Zündel, dessen Propaganda auch mit Tonund Videosequenzen abrufbar ist. Zum rechtsextremistischen Internetspektrum zählen ferner detaillierte Anleitungen zur Herstellung von Sprengund Brandsätzen sowie sonstiger Sabotagemittel, aber auch gezielte Aufforderungen zur Gewaltanwendung gegen politische Gegner bis hin zu Mordaufrufen. Allerdings sind selbst anonyme Homepage-Benutzer identifizierbar, wenn auch mit großem Aufwand. Strafbare Inhalte führten daher wiederholt zu Strafverfahren. So beschlagnahmte die Polizei am 28. März den PC und die Software des Betreibers der Homepage "Siegener Bärensturm". Ihm wird vorgeworfen, über seine Internetseite "links" (automatisierte Verknüpfungen) zu rechtsextremistischen Homepages mit strafbaren Inhalten angeboten zu haben. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Dezember können Ausländer in Deutschland auch dann strafrechtlich belangt werden, wenn sie in Deutschland abrufbare Schriften mit strafbarem Inhalt auf Servern im Ausland ins Internet einstellen. In Bayern verfügen nur wenige Neonazis und Skinheads über eigene Internet-Homepages. Nationale Der informationellen Vernetzung von Rechtsextremisten dienen auch Info-Telefone die Nationalen Info-Telefone (NIT), die mittels Anrufbeantworter Meldungen verbreiten und die Möglichkeit bieten, Nachrichten zu hinterlassen. Die Betreiber mobilisieren damit die rechtsextremistische Szene insbesondere zu bestimmten Anlässen und Großveranstaltungen. Daneben fungieren die NIT auch als eine Art Binde-Element und Motivationsinstrument innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Das von dem Münchener Neonazi Friedhelm Busse betriebene Nationale Info-Telefon Bayern (NIT-Bayern) hat sich inzwischen in der rechtsextremistischen Szene etabliert. Busse agitiert im NIT-Bayern nach wie vor massiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und ruft regelmäßig zur Teilnahme an Veranstaltungen des rechtsextremistischen Spektrums auf. Mobiltelefone Mobiltelefone (Handys) werden insbesondere zur Steuerung von Anreisenden zu konspirativen Treffen oder nicht angemeldeten Rechtsextremismus 69 Versammlungen genutzt. Das Short-Message-System der Handy-Betreiber dient daneben vielfach der Verbreitung von volksverhetzenden und antisemitischen Texten. 3.5 Aktivitäten zum 13. Todestag von Rudolf Heß Nachdem die Neonazi-Szene schon in den Vorjahren mit ihrer Strategie zur Durchführung der "Rudolf-Heß-Aktionswochen" scheiterte, haben ihre Aktivitäten zum Gedenken an Rudolf Heß aufgrund entschlossener staatlicher Reaktionen weiter an Bedeutung und Attraktivität verloren. Auch in diesem Jahr konnten Neonazis keine größere Kundgebung zum Todestag von Rudolf Heß durchführen. Nach dem VersammlungsVerbot der in Iphofen, Landkreis Kitzingen, geplanten zentralen verbot in Bayern Gedenkveranstaltung, zu der bundesweit mobilisiert worden war, kam es wie schon in den Vorjahren nur zu vereinzelten regionalen Aktivitäten. Im Vordergrund standen Propagandaaktionen mittels Plakaten, Transparenten und Aufklebern. Auch diese brachten nicht den erhofften Erfolg, da die Polizei viele Aktivisten bereits beim Plakatieren vorläufig festnahm und schon im Vorfeld Propagandamaterial in großen Mengen sicherstellen konnte. Außerhalb Bayerns wurden mehrere von Neonazis angemeldete regionale Demonstrationen verboten, so in Berlin, Frankfurt/Oder, Lübeck, Schwerin, Rostock und Lüdenscheid. Versuche, konspirativ Konsequentes vorbereitete Aufmärsche als "Spontandemonstrationen" durchzuEinschreiten führen, konnte die Polizei durch konsequentes Einschreiten häufig der Polizei schon im Ansatz unterbinden. Der Neonazi Christian Worch, der bis vor wenigen Jahren zu den führenden Köpfen des Rudolf Heß-Aktionskomitees gehörte, veranstaltete am 20. August unter dem Motto "Gegen Lüge und Hetze der BildZeitung! Enteignet Springer!" in Hamburg eine Kundgebung, an der sich rund 150 Rechtsextremisten beteiligten. Das Bundesverfassungsgericht hatte die ursprünglich verbotene Versammlung mit der Auflage zugelassen, vor allem jeglichen Bezug zu Rudolf Heß zu vermeiden. 4. Skinheads 4.1 Überblick Die Subkultur der Skinheads ist seit der deutschen Wiedervereinigung, insbesondere in den neuen Bundesländern, immer stärker in 70 Rechtsextremismus den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Kaum eine andere Protestbewegung der Jugend hat in der Bundesrepublik Deutschland für so viel politische Aufmerksamkeit gesorgt wie die der Skinheads. Die öffentliche Beachtung, die ihnen in den Medien zuteil wird, ist auf ihre brutalen und menschenverachtenden Gewalttaten gegen Ausländer und Asylbewerber zurückzuführen. Der ganz überwiegende Teil der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten geht von Skinheads aus. Die Skinhead-Bewegung entstand in Großbritannien und trat erstmals Ende der 70er Jahre auch im Bundesgebiet in Erscheinung. Sie war ursprünglich eine jugendliche Subkultur, die durch ihr Auftreten eine extreme Ablehnung der bürgerlichen Gesellschaft signalisierte. Äußerlichkeiten wie Kleidung oder Haarschnitt lassen heute keine eindeutigen Schlüsse auf eine Zuordnung zur Skinhead-Szene mehr zu, da mittlerweile auch viele unpolitische Jugendliche ein entsprechendes Aussehen zeigen. 4.2 Politische Ausrichtung Die politischen Ansichten dieser Subkultur reichen von den so genannten Redskins (linksextremistisch beeinflusste Skinheads) über die so genannten SHARPs (Skinheads against racial prejudice - Skinhead gegen rassistische Vorurteile) und die Oi-Skins ("unpolitische Skinheads") bis hin zur Mehrheit der rechtsextremistischen Skinheads einschließlich der so genannten White-Power-Skinheads. Weltanschauung Die entsprechende politische Überzeugung bildet sich je nach Einzelund Politikverfall nicht selten erst nach Beitritt in die Szene stärker aus. Skinheads ständnis sind deshalb zunächst zu einer rational bestimmten politischen Meinungsbildung kaum fähig und an einer fundierten politischen Auseinandersetzung nicht interessiert. In ihren Kreisen hat sich eine vom organisierten Rechtsextremismus unabhängige diffuse rechtsextremistische Weltanschauung herausgebildet. Sie ist von rassistisch motivierter Fremdenfeindlichkeit sowie übersteigertem Nationalbewusstsein geprägt und knüpft insofern an wesentliche Elemente des Nationalsozialismus an. Diese Einstellung spiegelt sich in meist spontanen Gewalttaten wider. Opfer waren nach wie vor Ausländer, aber auch Personen aus sozialen Randgruppen sowie "Linke", also zu den "Feindbildern" zählende Menschen. Rechtsextremismus 71 Rechtsextremistische Skinhead-Szenen in Bayern 2000 Coburg Raum Oberfranken Aschaffenburg ca. 80 Bayreuth Würzburg Raum Unterfranken ca. 70 Nürnberg Großraum Nürnberg/Erlangen ca. 160 Regensburg Angehörige der Skinhead-Szenen Großraum Ingolstadt ca. 60 Ingolstadt Passau Landshut Raum Passau/ Deggendorf Neu-Ulm Augsburg ca. 40 Großraum München München ca. 200 Großraum Raum Rosenheim/ Rosenheim Freilassing Oberallgäu/ Unterallgäu ca. 50 ca. 100 Raum GarmischPartenkirchen ca. 20 Skinheads dienen rechtsextremistischen Organisationen vor allem als Mobilisierungspotenzial für öffentlichkeitswirksame Aktionen. Grundsätzlich herrscht in der Szene eine Abneigung gegen organisatorische Bindungen. Allerdings werden Aktionen der NPD und JN von Skinheads mitunter massiv unterstützt; frühere Vorbehalte der Skinheads gegenüber diesen Organisationen haben stark abgenommen. So gehörte der Großteil der Besucher der NPD-Großkundgebung am 27. Mai in Passau der Skinheadszene an. Enge Kontakte bestanden ins- 72 Rechtsextremismus besondere in Nordbayern sowie in Cham/Roding und Weilheim i. OB zwischen den dortigen Skinhead-Szenen und den JN bzw. der NPD. Versuche von Neonazis, Skinheads für eine längerfristige ernsthafte politische Tätigkeit zu gewinnen, waren bislang wenig erfolgreich, da Skinheads einer intensiven ideologischen Schulung kaum zugänglich sind. 4.3 Strukturen Die Skinhead-Szene unterliegt einer starken Fluktuation und kennt in der Regel weder feste Organisationsstrukturen noch formelle Mitgliedschaften. Die Bindungen zur Gruppe reichen von losen gelegentlichen Kontakten über regelmäßige Beteiligung an Aktionen bis zur vollen sozialen Integration oder der Wahrnehmung von Führungsfunktionen. Diese informellen Führer wandern später häufig in andere rechtsextremistische Gruppierungen ab. Gruppen in In Bayern sind rund 780 Skinheads mit rechtsextremistischem HinterBayern grund bekannt. Im Jahr 2000 entstanden im Raum Garmisch-Partenkirchen, Pfaffenhofen a.d. Ilm, Cham/Roding, Starnberg/Planegg und dem Großraum Bodensee neue Szenen, in denen rechtsextremistisches Gedankengut artikuliert wird. Diese neu entstandenen Szenen und zusätzlich durch verstärkte Aufklärungsarbeit der Sicherheitsbehörden bekannt gewordene Skinheads erklären die zahlenmäßige Steigerung auf 780 (Vorjahr: 650). Der Schwerpunkt der Gewalttaten lag erneut in den Großräumen München und Nürnberg. 4.4 Anziehungskraft für Jugendliche Die Anziehungskraft dieser Szene insbesondere auf männliche Mögliche Jugendliche hält an. Die Beweggründe, die junge Menschen in diese Einstiegsmotive Subkultur treiben, sind vielfältig: jugendliche Protesthaltung, Provokation und Tabubruch, der gesamtgesellschaftliche Umbruch mit den häufigen Folgen einer Entwurzelung und zunehmenden Entfremdung vom Elternhaus, Perspektivlosigkeit in Verbindung mit wirtschaftlichen Problemen und tatsächlichem oder befürchtetem sozialem Abstieg. Hinzu kommt das durch die Szene vermittelte Gemeinschaftserlebnis und das daraus folgende Gefühl eigener Stärke und Anerkennung in einer sozialen Gruppe. Den Jugendlichen werden einfache Erklärungen und einfache Lösungen für komplexe Probleme angeboten. Rechtsextremismus 73 Skinheads entstammen zu einem erheblichen Teil, aber nicht ausschließlich, den unteren sozialen Schichten. Die meisten Skinheads finden sich in der Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren. Ältere Szeneangehörige sind die Ausnahme. Der Anteil der unter 16 Jahre alten Skinheads wächst jedoch ständig, zum Teil sind Skinheads erst 12 bis 13 Jahre - so genannte "Baby-Skins" - alt. Auch Mädchen, die Reenes, gehören dieser Subkultur an, sind jedoch zahlenmäßig in der Minderheit. Ihr Anteil beträgt je nach Szene ca. 10 bis 15 %. Die rechtsextremistische Skinhead-Szene erfährt zudem seit Jahren verstärkt Zulauf durch Jugendliche, die sich für Skinhead-Musik als Stilrichtung der Rockmusik interessieren. Dieser Bereich ist somit auch für unpolitische Jugendliche attraktiv. Daneben finden Jugendliche Spaß an dem in dieser Szene üblichen exzessiven Lebensgenuss einschließlich des enormen Alkoholkonsums unter dem Motto "Fun & Froide". Die Grenzen zur eindeutig rechtsextremistisch geprägten Skinhead-Szene sind vielfach fließend. 4.5 Bedeutung der Skinhead-Musik Mit der Skinhead-Musik können die Szeneangehörigen ihren exzessiven Lebensdrang verwirklichen. Dieses Medium vermittelt die subkulturellen Botschaften der Skinhead-Szene. In den Liedern werden Eigenverständnis und Abgrenzung der Szene gegenüber der Gesellschaft beschrieben, Kritik am Establishment formuliert und andere politische Themen aufgegriffen. Rechtsextremistische Skinhead-Bands verbreiten in ihren Liedtexten neonazistische Ideologiefragmente und rufen zum Hass gegen Skinhead-Feindbilder wie Ausländer, "Linke" und Juden auf. In Bayern bestehen nach wie vor zehn derartige Musikgruppen. Skinhead-MuMusikgruppen und sik wird daneben auch von neun rechtsextremistischen TonträgerverTonträgervertriebe trieben angeboten. Führend war dabei die mittlerweile nach Sachsen verzogene, der NPD angegliederte Deutsche Stimme Verlags GmbH. Von bayerischen Skinhead-Bands waren lediglich zwei Tonträger-Neuerscheinungen gegenüber acht im Vorjahr zu verzeichnen. Ebenso rückläufig ist die Zahl der Skinhead-Konzerte in Bayern auf fünf Rückgang der gegenüber zwölf im Vorjahr. Die Sicherheitsbehörden in Bayern trefSkinhead-Konzerte fen bei solchen Konzerten die erforderlichen Maßnahmen, um Straftaten zu verhindern. An den Veranstaltungen nahmen zwischen 100 und 300 Personen teil. Die NPD organisierte am 23. April in Bruck- 74 Rechtsextremismus mühl, Landkreis Rosenheim, ein Skinhead-Konzert. Auf Flugblättern hieß es: "NPD lädt ein - zu etwas Politik und viel nationalem Rock". An diesem Konzert nahmen rund 80 Skinheads und etwa 20 der NPD zuzurechnende Personen teil. Während des Konzerts wurden zahlreiche verbotene Lieder gespielt und mehrfach der "Führergruß" gezeigt. Das Lokal hat sich im vergangenen Jahr darüber hinaus zu einem zentralen Trefflokal der oberbayerischen Skinhead-Szene entwickelt. Hier fanden regelmäßig Skinhead-Veranstaltungen in Form von "Skinhead-Partys" statt. Das Landratsamt Rosenheim hat gaststättenrechtliche Maßnahmen eingeleitet. 4.6 Skinhead-Magazine Mit den Aktivitäten rechtsextremistischer Skinhead-Bands beschäftigen sich auch die Fan-Magazine, auch "Fanzines" oder "Zines" genannt. Durch Interviews und Bandvorstellungen wird diesen ein Forum zur ausführlichen Selbstdarstellung gegeben. Erlebnisberichte aus der Szene über Konzertveranstaltungen, Feste und gemeinsame Aktivitäten festigen zudem das Zusammengehörigkeitsgefühl der Szene. Weiterer Bestandteil vieler Fanzines sind die ausführlichen Rezensionen sowie Bestelladressen für Tonträger, andere Fanzines und diverse Szene-Artikel wie z.B. T-Shirts, Buttons oder Aufkleber. Es werden im Einzelnen Auflagenhöhen von bis zu 1.000 Stück erreicht. Häufig enthalten sie kein Impressum und es können nur Postfachadressen kontaktiert werden. In Bayern werden derzeit mit Schwerpunkt Nordbayern etwa zehn verschiedene rechtsextremistische Fanzines herausgegeben. Die Publikation "Frankens Widerstand" aus lphofen, Landkreis Kitzingen, enthält neben typischen Skinhead-Themen wie Konzertberichten auch politische Beiträge zu neonazistischen Themen. Gleiches gilt für das Fanzine "Landser" der "Nationalisten Nürnberg", die auch zum Teil unter der Bezeichnung "Arian Hope" aktiv sind. Fanzines nutzen auch das Internet. Das aus Bamberg stammende Magazin "Lokalpatriot" verfügt als einziges bayerisches Fanzine über eine eigene Homepage im Internet. Diese Alternative zur Verbreitung der Fanzines hat für die Herausgeber viele Vorteile. Zum einen liegen die Kosten für die Einrichtung einer neuen Homepage weit unter den Rechtsextremismus 75 herkömmlichen Druckkosten, zum anderen können die ins Internet eingestellten Fanzines weltweit abgerufen werden und sind damit einem breiten, weit über die Szene hinausgehenden potenziellen Interessentenkreis zugänglich. Hinzu kommt, dass durch den freien und relativ problemlosen Zugang zum Internet die Hemmschwelle gerade bei Jugendlichen zum Konsum solcher Schriften sinkt. 4.7 Verbot der neonazistischen Skinhead-Organisation "Blood & Honour Division Deutschland" sowie deren Jugendorganisation "White Youth" Das Bundesministerium des Innern verbot am 14. September die deutsche Division der international tätigen neonazistischen Skinhead-Bewegung "Blood & Honour" und deren Jugendorganisation "White Youth" nach dem Vereinsrecht. Die Vereinigung richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Das Verbot wurde am selben Tag vollzogen. Die Vollzug des Polizei durchsuchte bundesweit die Wohnund Geschäftsräume von Verbots 39 Aktivisten sowie das Clubhaus von "Blood & Honour" in Berlin; hierbei wurden umfangreiche Unterlagen und Materialien sichergestellt, so vor allem Computer, interner Schriftverkehr, Propagandamaterial und Sparbücher mit Beträgen von über 13.000 DM. In Bayern konnten bei Durchsuchungen in fünf Wohnungen in Nordostbayern sowie im Allgäu unter anderem umfangreiches Schriftmaterial, Tonträger mit rechtsextremistischem Inhalt, einschlägige Videos und T-Shirts sichergestellt werden. Die 1987 von Ian Stuart Donaldson, dem Kopf der britischen Skinhead-Band Screw Driver, in Großbritannien gegründete Skinhead-Organisation "Blood & Honour" verfügte seit 1994 auch in Deutschland über bundesweite Organisationsstrukturen. Die deutsche Division, die wie die Gesamtorganisation ihren Zweck darin sah, nationalsozialistisches und rassistisches Gedankengut durch die Veranstaltung von Skinhead-Konzerten und in Szenemagazinen zu propagieren, zählte zuletzt 240 Mitglieder in 15 Untergliederungen, sog. Sektionen. Zahlreiche führende Funktionäre der "Blood & Honour"-Bewegung waren Mitglieder verbotener neonazistischer Organisationen; dieser Per- 76 Rechtsextremismus sonenkreis unterhielt regelmäßigen Kontakt zu anderen neonazistischen Gruppen und Einzelaktivisten sowie zu NPD/JN. Bei dem "2. Tag des nationalen Widerstandes" der NPD am 27. Mai in Passau, an dem eine Vielzahl von bedeutenden Aktivisten aus dem Skinheadund Neonazi-Spektrum versammelt war, betrieb "Blood & Honour" in einem Vorraum der Nibelungenhalle einen Verkaufsstand. Von "Blood & Honour" in Deutschland organisierte Konzerte zogen bis zu 2.000 Besucher an. Das organisationseigene gleichnamige Magazin erschien zuletzt in einer Auflage von mehreren tausend Exemplaren und berichtete als Fan-Magazin ("Fanzine") nicht nur über Skinhead-Bands, sondern auch in geschichtsfälschender Art und Weise über Angehörige der Waffen-SS, führende Nationalsozialisten, nationalsozialistische Organisationen und die nationalsozialistische Rassenlehre. Organisation In Bayern unterteilte sich die "Blood & Honour"-Bewegung in die in Bayern Sektion Franken und die Sektion Bayern. Die Sektion Bayern mit Sitz im Raum Amberg umfasste etwa zehn Mitglieder und veröffentlichte bisher zwei Ausgaben des Fanzines "United White & Proud". Die Sektion Franken mit Sitz im Raum Bamberg bestand ebenfalls aus etwa zehn Mitgliedern. Am 29. Mai 1999 veranstaltete die Sektion Bayern in Berching, Landkreis Neumarkt i.d.OPf., ein Konzert mit vier Skinhead-Bands und 500 Besuchern; am 27. November 1999 führte sie ein Konzert mit fünf Skinhead-Bands und 300 Gästen in Friedenfels, Landkreis Tirschenreuth, durch. Beide Konzerte wurden konspirativ vorbereitet. Die Polizei beendete die Konzerte vorzeitig und leitete unter anderem mehrere Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein. Einige jüngere Skinheads gründeten im April die "White Youth-Sektion Bayern" als Landesverband der bereits 1997 in Thüringen aufgebauten "Blood & Honour"-Jugendorganisation "White Youth Germany". Die Gruppierung "White Youth Germany" sollte geeignete Szenemitglieder an die "Blood & Honour"-Bewegung heranführen. Darüber hinaus dienten die Jugendgruppen einerseits als Mobilisierungspotenzial für "Blood & Honour"-Veranstaltungen, andererseits stellten sie ein Bindeglied zur subkulturell geprägten Skinhead-Jugendszene dar. Das Verbot von "Blood & Honour" schwächte die Handlungsfähigkeit der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. "Blood & Honour"-Konzerte, die etwa 20 bis 25 % aller in Deutschland stattfindenden Skinhead-Konzerte umfassten, galten in der Szene als sehr attraktiv. Rechtsextremismus 77 5. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 5.1 Gewalttaten Bundesweit wurden 998 Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermuZunahme der tender rechtsextremistischer Motivation gegenüber 746 Gewalttaten Gewalttaten des Vorjahrs festgestellt. In Bayern betrug die Gesamtzahl der Gewalttaten 60 (1999: 56); das sind rund 7 % der bundesweit registrierten Delikte. Bayern liegt damit, bezogen auf die Einwohnerzahl, im Ländervergleich im unteren Bereich. Die erhebliche Zahl der Gewalttaten im Rechtsextremismus belegt weiterhin die hohe kriminelle Energie und extreme Gewaltbereitschaft insbesondere von Skinheads. Auf die 60 Gewalttaten entfallen der Mordversuch eines Skinhead an einem Ungarn-Deutschen am 5. Februar in Aichach, Landkreis Aichach-Friedberg, und drei Brandanschläge. Im übrigen waren 56 Körperverletzungsdelikte zu verzeichnen. Die Zahl der fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten unter diesen 60 Delikten ist erneut angestiegen. Zu den 45 fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten gehören das versuchte Tötungsdelikt in Aichach und die drei Brandanschläge (1999: insgesamt 31 Gewalttaten). Entwicklung Deutschland Bayern 998 rechtsextremis1000 tisch motivierter Gewalttaten 900 800 746 708 700 600 500 400 300 200 100 56 60 40 0 1998 1999 2000 78 Rechtsextremismus Hoher Anteil Die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten sind ganz überwievon Skinheads gend der äußerst gewaltbereiten Skinhead-Szene zuzurechnen. Dies zeigt die erschreckende kriminelle Energie und Brutalität dieses Personenkreises. Von 114 ermittelten Tatverdächtigen waren 82 zur Tatzeit jünger als 21 Jahre. Der Anteil der erstmals in Erscheinung getretenen Gewalttäter liegt bei 77 % (88 Tatverdächtige). Die Gewalttaten wurden ganz überwiegend nicht von Einzeltätern allein, sondern mit anderen gemeinsam begangen. Dabei entstand der Tatentschluss vielfach spontan aus gruppendynamischen Prozessen, gefördert durch Alkohol und Musik mit rechtsextremistischen Texten. Räumliche Schwerpunkte waren die Großstadtregionen München und Nürnberg. Das typische Ablaufmuster für rechtsextremistisch motivierte Gewalt ist gleich geblieben. Gewalt geht überwiegend von Personen aus, die nicht in politischen Gruppen oder Parteien organisiert sind. Eine überregionale Steuerung durch rechtsextremistische Organisationen konnte in keinem Fall festgestellt werden. Rechtsterroristische Strukturen sind in Bayern nicht bekannt geworden. Ansätze hierzu wurden allerdings im übrigen Bundesgebiet auch in jüngster Vergangenheit festgestellt. Die Polizei konnte Waffen und Sprengmittel beschlagnahmen, die offenbar gezielt für Aktionen besorgt worden waren. In Neonazikreisen wird zur Zeit zudem mehr als früher diskutiert, ob man Gewalt gezielt gegen den politischen GegKeine rechtsner einsetzen soll. Konkrete Strukturen, wie sie die frühere linksextreterroristischen mistische Terrorgruppe "Rote Armee Fraktion" (RAF) hatte, die aus Strukturen in der Illegalität heraus gezielt Anschläge verübte, sind bisher allerdings Deutschland nicht feststellbar. Auch ein Abtauchen von möglichen rechtsextremistischen Gewalttätern in den Untergrund ist bisher nicht feststellbar. Durch intensive Beobachtung und rechtzeitige Exekutivmaßnahmen konnten rechtsextremistische Gruppen im Bundesgebiet, die Waffen oder Sprengstoff zur Durchführung von Gewalttaten vorrätig hielten oder beschafften oder durch Ausspähungen derartige Taten gezielt vorbereiteten, bereits in der Entstehungsphase zerschlagen werden. Auch in Bayern wurden bei Rechtsextremisten Waffen und Sprengstoff anlässlich von Durchsuchungen sichergestellt. 5.1.1 Sicherstellung von Waffen, Munition und Sprengstoff In einer Reihe von Exekutivmaßnahmen unter anderem in Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen konnte die Rechtsextremismus 79 Polizei bei Rechtsextremisten Schusswaffen und Sprengstoffe sicherstellen, die von den Tätern zum Teil offenbar gezielt für die Durchführung von rechtsextremistisch motivierten Straftaten beschafft worden waren. Bei den jüngsten Vorfällen außerhalb Bayerns konnten die Sicherheitsbehörden Ansätzen für das Entstehen terroristischer Strukturen rechtzeitig entgegenwirken. Obwohl in Bayern derzeit keine Erkenntnisse vorliegen, dass Rechtsextremisten Waffen und andere Kampfmittel gezielt für Gewalttaten beschaffen, ist dies jedoch kein Anlass zur Entwarnung. Die Beschaffung und der Besitz von Schusswaffen generell durch gewaltbereite Rechtsextremisten sind Warnsignale. Dies gilt umso mehr, als in den vergangenen Monaten Äußerungen, die Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele rechtfertigen, zugenommen haben. Entsprechenden Hinweisen muss deshalb besonders intensiv nachgegangen werden. Neben dem Mordversuch in Aichach am 5. Februar zeigen weitere Fälle, dass Rechtsextremisten auch in Bayern Waffen beschaffen und vorrätig halten. So erschoss sich am 23. Juni in Münsterhausen, Landkreis Günzburg, ein Skinhead nach einem privaten Streit mit einer am SchusswaffenTag zuvor illegal beschafften Pistole. Am 25. Juni schoss in Planegg, delikte Landkreis München, ein Skinhead beim Hantieren mit einer angeblich gefundenen Pistole auf seine Freundin und verletzte sie am Arm. Bereits zuvor hatte der angetrunkene Täter auf dem Rückweg von einer durch die Polizei aufgelösten Sonnwendfeier am 24. Juni auf eine Lampe und ein Verkehrszeichen geschossen. Die Polizei stellte neben der Waffe auch 20 Schuss Munition, umfangreiches rechtsextremistisches Schriftmaterial und einschlägige Tonträger sicher. Das Amtsgericht München verurteilte den Skinhead am 17. Januar 2001 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Ferner wurden Waffen und Munition am 28. September in Garching, ExekutivLandkreis München, und 23. November im Raum Dachau bei Rechtsmaßnahmen extremisten gefunden. Ein in Garching wohnender Rechtsextremist, der sich zur Zeit der Durchsuchung wegen ausländerfeindlicher Straftaten in Untersuchungshaft befand, hatte in seiner Wohnung unter anderem drei Panzergeschosse mit Sprengstoff und Zünder, eine Werfergranate, eine Gewehrgranate, eine Schützenmine, einen Karabiner sowie größere Mengen dazugehöriger Munition aufbewahrt. Das Amtsgericht München verurteilte den 25-jährigen Mann am 9. Februar 2001 wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontroll- 80 Rechtsextremismus gesetz und Waffengesetz sowie Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Am 23. November durchsuchte die Polizei die Wohnungen von fünf Skinheads aus dem Raum Dachau. Dabei wurden unter anderem fünf Luftgewehre, zehn erlaubnisfreie Faustfeuerwaffen, Wurfsterne, Schlagringe sowie Schwarzpulver gefunden. Ferner wurde bei den auch als Aktivisten der JN bekannten Skinheads rechtsextremistisches Propagandamaterial sichergestellt. Die Skinheads waren bereits vorher wegen Straftaten aufgefallen. Im April hatten sie am Dachauer Stadtweiher zwei Höckergänse brutal mit Holzknüppeln erschlagen. Eine Frau wurde durch einen Schuss aus einem Luftgewehr im Juli leicht verletzt. Einer der Skinheads hatte aus seinem Zimmer geschossen und die Frau, die im gegenüberliegenden Wohnhaus an einem geöffneten Fenster stand, angeblich versehentlich getroffen. 5.1.2 Gewalttaten und Urteile im Einzelnen Die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ist im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen. Insgesamt wurden 60 (1999: 56) Gewalttaten bekannt. Besonders schwerwiegend sind folgende Delikte: Am frühen Morgen des 5. Februar bedrohte ein 19-jähriger Skinhead Mordversuch in Aichach, Landkreis Aichach-Friedberg, einen 22-jährigen Deutin Aichach schen ungarischer Herkunft mit einem Gewehr. Der Angegriffene konnte dem Täter das Gewehr zwar entreißen, erlitt jedoch einen Streifschuss. Anschließend schlug der Skinhead auf Autos, mehrere Passanten und die eintreffenden Polizeibeamten ein. Dabei verletzte er drei Personen und verursachte einen Sachschaden in Höhe von 5.000 DM. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Verhaftete nach dem Besuch einer Geburtstagsfeier der Aichacher Skinhead-Szene in einer Gaststätte den angeschossenen Ungarndeutschen angepöbelt hatte. Danach ging er nach Hause und verschaffte sich ein Gewehr und 100 Schuss Munition aus dem legalen Waffenbestand seines Vaters. Eigenen Aussagen zufolge hatte er die Absicht, wegen seiner Alkoholabhängigkeit sowie Problemen mit den Eltern und der Freundin aus dem Leben zu scheiden. Aus Hass auf Ausländer habe er auf spektakuläre Weise sterben wollen. Er habe einen Ausländer niederschießen wollen in der Hoffnung, bei einem Rechtsextremismus 81 Amoklauf von der Polizei getötet zu werden. Falls er keinen Ausländer getroffen hätte, habe er beabsichtigt, das Asylbewerberheim "Am Plattenberg" anzugreifen. Das Landgericht Augsburg verurteilte den Skinhead am 13. Dezember zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Am 15. April schütteten zum Teil noch jugendliche Täter Benzin durch zwei geöffnete Fenster von leer stehenden Zimmern im Erdgeschoss sowie an die Haustüre eines Gebäudes in Dorfen, Landkreis Brandanschlag Erding, und entzündeten es. In dem Gebäude waren zehn Personen in Dorfen gemeldet, bei denen es sich um Sozialhilfeempfänger und türkische Staatsangehörige handelte. Zwei Bewohner konnten den Brand löschen. Es entstand ein Sachschaden von rund 10.000 DM. Im Zuge der Ermittlungen wurden acht Personen im Alter von 14 bis 18 Jahren festgenommen. Die Täter wurden inzwischen verurteilt. Der Haupttäter erhielt am 15. März 2001 eine Jugendstrafe von sechs Jahren wegen 17fachen versuchten Mordes. Am frühen Morgen des 17. Oktober 2000 verübte ein 16-jähriger Deutscher in Grainet, Landkreis Freyung-Grafenau, einen Brandanschlag auf eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende, in der sich zur Tatzeit vier Ausländer aufhielten. Der Täter hatte eine Papiertonne entzündet und in den Flur des Hauses gebracht. Die Feuerwehr konnte den Brand rasch löschen. Es entstand nur Sachschaden. In der Wohnung des geständigen Täters fand die Polizei eine Reihe von Aufklebern der NPD. In Roth legte am 3. November 2000 ein 41-jähriger Deutscher mit Benzin Feuer an einer leer stehenden, aber wieder zur Belegung vorgesehenen Asylbewerberunterkunft. Die Flammen an der Außenwand des Holzhauses konnten gelöscht werden. Der Täter gab als Motiv Ausländerfeindlichkeit an. Über diese Fälle hinaus wurden in Bayern unter anderem folgende rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten bekannt: In Aholming, Landkreis Deggendorf, griffen am 1. Januar nach einer Silvesterfeier drei Skinheads eine polnische Staatsangehörige an. Sie drangen in das Zimmer der Frau ein, schlugen sie und brachten ihr mit einem zerbrochenen Spiegel Verletzungen im Gesicht bei. Am 3. Januar rissen zunächst unbekannte Täter an einem Döner-Stand in Dorfen, Landkreis Erding, eine Werbefahne ab. Der Besitzer des Imbissstands, ein türkischer Staatsangehöriger, erkannte kurze Zeit 82 Rechtsextremismus später am Rathausplatz in Dorfen einen der Täter und wollte ihn zur Rede stellen. Der Skinhead schoss ihm ohne Vorwarnung aus unmittelbarer Nähe mit einer Gaspistole ins Gesicht. Der Angegriffene erlitt erhebliche Gesichtsverletzungen. Am 22. Januar griffen in München etwa 20 Skinheads eine Gruppe von sieben ausländischen Jugendlichen auf einem S-Bahnhof an. Die flüchtenden Ausländer wurden von Skinheads beleidigt, verfolgt und dabei mit Schlägen und Fußtritten traktiert. Die Polizei konnte 16 beteiligte Skinheads festnehmen. Im Laufe der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Skinheads gemeinsam an einem Aufzug der JN in Neuburg a.d. Donau teilgenommen hatten und zusammen nach München zurückgereist waren. Am 28. Januar beleidigten in Freising zwei Skinheads einen Algerier. Anschließend schlugen sie mit Bierflaschen und Fäusten auf ihn ein, traten ihn mit Stiefeln und zerrissen seine Jacke. Einer der beiden Täter, ein österreichischer Skinhead, hat sich am 31. Januar in Österreich erschossen. In Freising griffen am 28. Januar sechs Skinheads einen Schüler an, den sie aufgrund seines Aussehens für einen Punk hielten. Sie beleidigten ihr Opfer und verletzten es mit einer brennenden Zigarette und Faustschlägen im Gesicht. Bei der anschließenden S-Bahn-Fahrt schlug einer der Skinheads erneut auf den Schüler ein. Der Haupttäter bezeichnete das Opfer als "genetischen Dreck" und sich selbst als der "Herrenrasse" angehörend. Am 30. Januar kam es in Fürth zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und Türken. Den polizeilichen Ermittlungen zufolge sollen zunächst drei Skinheads auf einen Farbigen eingeschlagen haben. Der Geschädigte konnte nicht ermittelt werden. Diesem Farbigen kamen mehrere türkische Staatsangehörige zu Hilfe, so dass er flüchten konnte. In die Auseinandersetzungen griffen Gäste der umliegenden Gaststätten ein. Die Skinheads warfen dabei auch Schottersteine auf ihre Gegner. Die Polizei konnte insgesamt 16 tatbeteiligte Deutsche festnehmen. Am 26. Februar brachen drei Skinheads in die Wohnung eines früheren Gruppenmitglieds ein und schlugen ihm mit dem Holzstiel einer in der Wohnung vorgefundenen Axt mehrfach auf den Kopf. Im weiteren Verlauf wurde er auch mit Stiefeln getreten. Die Polizei konnte die Täter festnehmen. Als Motiv nannte einer der Tatbeteiligten eine Rechtsextremismus 83 Bestrafungsaktion, da sich der Angegriffene den Weisungen seiner Gruppe widersetzt hatte. Bei Wohnungsdurchsuchungen bei den drei Tatverdächtigen wurden u.a. Leuchtspurmunition, Gegenstände mit NS-Symbolen und eine Reichskriegsflagge sichergestellt. Am 18. Mai wurden in einer Gaststätte in München drei aus Kolumbien stammende Personen von fünf Skinheads angegriffen. Im Rahmen einer Schulabschlussfeier am 9. Juni provozierten in Pfaffenhofen a.d. Ilm sechs Skinheads mehrere Mitschüler mit ausländerfeindlichen Äußerungen. Zwei Personen wurden von den Skinheads mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert. Beide erlitten Verletzungen. In Lauf a.d. Pegnitz, Landkreis Nürnberger Land, warfen am 1. Juli zwei polizeibekannte Skinheads zunächst Steinchen und Glasscherben auf eine Gruppe von Türken. Dabei erlitt ein fünfjähriges Mädchen Verletzungen. Als der Vater des Mädchens die Skinheads zur Rede stellte, wurde er vom Haupttäter mit der Faust ins Gesicht geschlagen und beleidigt. Die Skinheads zeigten ferner den Hitlergruß und riefen unter anderem: "Heil Hitler! Wir sind die größten, wir die Herrscher unter Hitler!" Am 18. Juli schlugen drei unbekannte Skinheads, die sich als Polizeibeamte ausgaben, auf dem Bahnsteig eines S-Bahnhofs in München einen Deutschen mit südländischem Aussehen mit Schlagstöcken nieder. Anschließend befahlen sie ihrem Opfer, ihnen mit erhobenen Händen zu einem nahegelegenen Parkplatz zu folgen. Dort raubten sie dem Opfer 300 DM und sein Handy. In der Münchner S-Bahn griffen am 8. August acht Skinheads auf der Fahrt von Fürstenfeldbruck nach München einen Italiener tätlich an. Einen älteren Mann, der sich mäßigend an die Angreifer wandte, bewarfen die Skinheads mit einer Bierflasche, ohne zu treffen. Der Italiener erlitt durch die Faustschläge Prellungen. Am Hauptbahnhof konnten die Haupttäter festgenommen werden. Am 12. August gerieten in Bad Grönenbach, Landkreis Unterallgäu, zwei Skinheads mit einem Deutschen asiatischen Aussehens in Streit. Nach anfänglichen Beleidigungen und Handgreiflichkeiten versuchte die Schwester des Angegriffenen zu schlichten. Dies nahm einer der Skinheads zum Anlass, seine Zigarette auf ihrer Stirn auszudrücken. Im Verlauf der weiteren Auseinandersetzung erlitt der Deutsche durch Stiefeltritte und Faustschläge erhebliche Verletzungen im Gesicht. 84 Rechtsextremismus Am 25. Oktober versuchten in Schweinfurt ein US-Amerikaner sowie ein Deutsch-Amerikaner, eine Schlägerei zwischen Skinheads und Türken zu schlichten und wurden nun selbst beleidigt und angegriffen. Dabei entbot ein Skinhead den Hitlergruß und rief: "Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!" Die Skinheads wurden festgenommen. Dabei leisteten sie erheblichen Widerstand und verletzten auch einen Polizeibeamten. Am 2. November kam es in München in einem Bekleidungsgeschäft zu einem Streit zwischen dem israelischen Ladeninhaber und einer Kundin, welche in zwei Besuchen die Rücknahme einer Jacke begehrte. Um die Forderung zu unterstützen, drohte der 25-jährige Begleiter der Kundin, in der Nacht den Laden "abzufackeln". Der Ladeninhaber verweigerte die Rücknahme, gab der Kundin jedoch hundert DM und forderte sie auf, das Geschäft mit ihrem Begleiter zu verlassen. Dieser packte daraufhin den Inhaber und würgte ihn. Ein Beschäftigter, der eingreifen wollte, erlitt einen Faustschlag an der Schläfe. Beim Verlassen des Geschäfts drohte der Mann erneut, das Geschäft in der Nacht anzuzünden, entbot den "Kühnen-Gruß" und rief: "Wir werden euch noch alle nach Ausschwitz schicken, wir werden euch vergasen! Sieg Heil!" Der 25-jährige Mann wurde festgenommen. Am 21. November griffen in Vilshofen, Landkreis Passau, zwei Skinheads zwei 13bzw. 14-jährige Schüler tätlich an. Die zwei Spätaussiedler wurden unter anderem durch Faustschläge am Kopf verletzt. Unmittelbar nach der Übergriff demolierten die Skinheads eine Telefonzelle. Gegen den Haupttäter, einen polizeibekannten Skinhead, erging Haftbefehl. In Tiefenbach, Landkreis Passau, kam es am 16. Dezember in einer Gaststätte zwischen einer Gruppe von acht Skinheads und drei Handwerkern zu einer tätlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf ein 30-jähriger Firmeninhaber durch Stiefeltritte erhebliche Wirbelverletzungen erlitt. Dem Streit vorausgegangen waren über einen längeren Zeitraum andauernde Beleidigungen der Skinheads gegen einen deutsch-türkischen Mitarbeiter des Handwerkers. Ein weiterer Mitarbeiter, der gegen die Beleidigungen einschreiten wollte, wurde ebenfalls angegriffen. Das Landgericht Traunstein verurteilte am 16. Mai den 31-jährigen Roman Glaß wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Er hatte am 15. August 1999 in Kolbermoor, Landkreis Rosenheim, einen Mosambikaner mit Schlägen und Rechtsextremismus 85 Fußtritten so schwer verletzt, dass dieser an den Folgen am 29. September 1999 verstarb. Die Staatsanwaltschaft und der Vertreter der Nebenklage hatten jeweils eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert, da das Motiv des Täters Ausländerhass gewesen sei. Der Täter habe mit Tötungsvorsatz und aus niedrigen Beweggründen gehandelt. In seiner Wohnung seien Tonträger rechtsradikaler Musikgruppen und ein Foto gefunden worden, das ihn beim Hitlergruß zeige. Das Gericht sah jedoch keinen Tötungsvorsatz, stellte aber eine ausländerfeindliche Grundhaltung als eines von mehreren Tatmotiven fest. 5.2 Sonstige Straftaten Die Gesamtzahl der in Bayern bekannt gewordenen sonstigen neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Straftaten beträgt 1.574. Sie ist gegenüber 1999 mit 995 derartigen Delikten erheblich gestiegen. Dabei handelte es sich wie im Vorjahr vielfach um Sachbeschädigung, Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung und insbesondere das Verbreiten von Propagandamitteln bzw. Verwenden von Kennzeichen NS-Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. So wurden Parolen wie "Sieg und VolksverHeil" und "Ausländer raus" gerufen und antisemitische Pamphlete hetzung verbreitet. Anonyme Schmierschriften wie "Heil Hitler", "Deutschland den Deutschen", "Kauft nicht bei Kanacken", "Zur Hölle mit den Juden" und "Ausländer rein in die Gaskammer" wurden vielfach in Verbindung mit Hakenkreuzen und SS-Runen angebracht. Die Zahl der sonstigen fremdenfeindlich motivierten Straftaten ohne Anwendung physischer Gewalt wie Bedrohungen und Nötigungen sowie der Propagandadelikte hat ebenfalls deutlich von 167 im Jahr 1999 auf 333 und damit um etwa 100 % zugenommen. Seit Anfang 2000 bedienen sich Rechtsextremisten verstärkt des Short-Message-Systems (SMS) der Mobilfunkbetreiber, um volksverhetzende Propaganda an ausländische Besitzer von Mobiltelefonen zu übermitteln. Die Rufnummern der Adressaten werden aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen beschafft. Die Nachricht kann sowohl über Mobilfunk als auch über das Internet verschickt werden. Beispiele für die im Berichtszeitraum verübten Straftaten sind folgende Vorfälle: In der Nacht zum 28. März wurden in Georgensgmünd, Landkreis Roth, im Friedhof der Israelitischen Kultusgemeinde rund 20 Grab- 86 Rechtsextremismus steine mit Hakenkreuzen, SS-Runen und Parolen wie "Fürs Volk - Juden sterbt - ha ha", "Ins KZ mit den Volksbetrügern" und "Jude verrecke" besprüht. Der Sachschaden beträgt rund 20.000 DM. Der Täter, der in derselben Nacht einen Verkehrsunfall verursachte, konnte aufgrund von Farbspuren im Unfallfahrzeug und einer neben dem PKW aufgefundenen Spraydose überführt werden. Ende März sprühten unbekannte Täter im jüdischen Friedhof in Walsdorf, Landkreis Bamberg, Hakenkreuze und SS-Runen; ferner warfen sie 31 Grabsteine um. In Erlangen wurden am 22. Mai rund 30 Ruhebänke mit Hakenkreuzen und den Worten "Juden raus" und "Türken raus" beschmiert. Unbekannte Täter warfen in der Nacht zum 14. Juni an der jüdischen Synagoge in Weiden i.d. OPf. zwei Fenster ein. In Weißenburg wurde am 12. Juli an einem Schaltkasten der Stadtwerke die Schmierschrift "Vergast alle Türken" angebracht. In der Nacht zum 17. August beschmierten unbekannte Täter in Baldham, Landkreis Ebersberg, einen Papiercontainer mit den Worten "Sieg Heil" und "Nur Türken einwerfen gestattet". Zwei Realschüler beschmierten am 10. November die Synagoge in Ermreuth, Landkreis Forchheim, mit SS-Runen, einem Hakenkreuz und der Parole "Sieg Heil". 6. Revisionismus 6.1 Ziele Versuch einer Der Revisionismus, der die Geschichtsschreibung über die Zeit des Rehabilitierung Dritten Reichs ändern will, ist zu einem Bindeglied zwischen den des Nationalunterschiedlichsten rechtsextremistischen Strömungen geworden. sozialismus Seinen Repräsentanten geht es allerdings nicht um die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern gezielt um die mittelbare Rechtfertigung bzw. Aufwertung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch einseitige, relativierende oder verharmlosende Darstellung des NS-Regimes. Im Mittelpunkt der revisionistischen Agitation stehen die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmords an europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager während des Zweiten Weltkriegs (Holocaust) sowie die Behauptung, Deutschland trage keine Schuld am Ausbruch des Zweiten Rechtsextremismus 87 Weltkriegs. Auf diese Weise soll das auf seriöser Forschung beruhende Geschichtsbild propagandistisch unterminiert werden, um die Deutschen von einem vermeintlich aufgezwungenen "Schuldkomplex" zu befreien. Revisionisten machen sich zunutze, dass das Wissen über den Nationalsozialismus vor allem bei Jugendlichen oft nur bruchstückhaft vorhanden ist. 6.2 Entwicklung und Träger der Revisionismus-Kampagne Revisionismus war von Anfang an eine internationale Erscheinung, wobei der Anstoß zunächst aus Frankreich und den USA kam. Seit Beginn der 50er Jahre erschien eine große Anzahl von Büchern, die den historischen Nachweis führen wollten, dass es entgegen der Feststellung seriöser Forscher und Zeitzeugen keine Tötung von Juden in Gaskammern gegeben habe. Hervorzuheben ist hierbei das 1989 veröffentlichte "Gutachten" des Amerikaners Fred A. Leuchter, wonach "Leuchter-Bericht" es in Auschwitz und einigen anderen Konzentrationslagern aufgrund der technischen Gegebenheiten nicht möglich gewesen sei, Menschen in Gaskammern zu töten. Dieselbe Behauptung stellte der Diplomchemiker Germar Scheerer geb. Rudolf, ein ehemaliges REP-Mit"Rudolfglied, in seinem 1994 verbreiteten "Gutachten über die Bildung und Gutachten" Nachweisbarkeit von Zyanidverbindungen in den 'Gaskammern' von Auschwitz" auf. Die international aktivsten Revisionisten weichen zunehmend in Länder aus, in denen Strafbestimmungen gegen das Verbreiten und die Veröffentlichung revisionistischen Gedankenguts fehlen. So setzte sich der deutsche Revisionist Germar Scheerer im Frühjahr 1996 nach einer Verurteilung u.a. wegen Volksverhetzung ins Ausland ab, wo er seine revisionistische Agitation fortsetzte. Derzeit hält er sich in Großbritannien auf. Der wohl bekannteste Vertreter des Revisionismus ist der international agierende britische Schriftsteller David Irving, der 1993 aus David Irving Deutschland ausgewiesen wurde. Gegen ihn besteht seither ein Einreiseverbot. Erhebliches Aufsehen erregte Anfang des Jahres sein Verleumdungsprozess in London gegen die US-Wissenschaftlerin Deborah Lipstadt, die ihn in einem Buch als "aktiven Holocaust-Leugner, Antisemiten und Rassisten" bezeichnet hatte. Irving verlor diesen Prozess, da er nach Überzeugung des Gerichts aus ideologischen Gründen absichtlich historisches Material manipuliert und verfälscht wiedergegeben hatte. 88 Rechtsextremismus Ein weiterer Protagonist des Revisionismus ist der deutsche StaatsErnst Zündel angehörige Ernst C. F. Zündel, der 1958 nach Kanada übersiedelte. In Toronto besitzt Zündel den Verlag Samisdat Publishers Ltd. Er unterhält internationale Kontakte und verfasst und verschickt zahlreiche Publikationen, darunter in erster Linie den "Germania"-Rundbrief, der neonazistische und antisemitische Thesen enthält und auch über Internet abrufbar ist. Im Internet erscheint ferner seit mehreren Jahren der Beitrag "Good morning from the Zündelsite", der - so Zündel - monatlich von mehr als 10.000 Interessenten eingesehen wird. Dort sind u.a. Bücher, die in Deutschland der Beschlagnahme unterliegen bzw. von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert wurden, mit vollem Text eingestellt, darunter das "Rudolf-Gutachten" von Germar Scheerer und "Starben wirklich sechs Millionen" von Richard Harwood. Institute for Das 1979 unter rechtsextremistischer Beteiligung gegründete Institute Historical Review for Historical Review (IHR) mit Sitz in Kalifornien/USA pflegt Verbindun(IHR) gen - auch über das Internet - zu Rechtsextremisten in allen Kontinenten. Mit seiner Zeitschrift "Journal of Historical Review" und vor allem mit seinen jährlichen Kongressen bietet es eine Plattform, um gegen die Ergebnisse der zeitgeschichtlichen Forschung zu polemisieren. Das monatlich im Verlag des britischen Rechtsextremisten Antony National Journal Hancock in Uckfield erscheinende "National Journal", das ebenfalls mit einer Homepage im Internet vertreten ist, betreibt massive Hetze gegen Ausländer und Juden und leugnet oder bagatellisiert den Holocaust. Der Herausgeberkreis führt die Bezeichnung "Die Freunde im Ausland" (DFiA). Die 1985 in Antwerpen gegründete, in Berchem/Belgien ansässige Vrij Historisch Organisation Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) hat sich inzwischen Onderzoek zu einer bedeutenden Vertreiberin revisionistischen Propagandamate(V.H.O.) rials entwickelt. Sie verfügt über weltweite Kontakte zu führenden Revisionisten und bietet nahezu alle wichtigen, in Deutschland teilweise beschlagnahmten oder indizierten revisionistischen Veröffentlichungen an. Seit Anfang 1997 gibt die V.H.O. die revisionistische Zeitschrift "Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung" (VffG) heraus. Autoren sind u.a. David Irving, Robert Faurisson und Germar Scheerer; letzterer fungiert seit September 1999 auch als Herausgeber. Die Schrift rechtfertigt die Politik des Dritten Reichs und leugnet den Völkermord an den europäischen Juden. Ferner polemisiert sie gegen die angeblich ungerechtfertigte Verfolgung der Revisionis- Rechtsextremismus 89 ten. Das Flugblatt "Holocaust & Revisionismus - 33 Fragen und Antworten zum Holocaust", in dem die wichtigsten revisionistischen Thesen zusammengefasst sind, wurde auch in Bayern verbreitet. 7. Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus 7.1 Kontakte der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) Dem NPD-Landesverband Bayern gehören auch etwa 15 bis 20 österÖsterreich reichische Staatsbürger an. Offenbar wollen die österreichischen Rechtsextremisten mit dem "Anschluss" an die NPD das "Wiederbetätigungsverbot" unterlaufen, dem nach einem Urteil des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs von 1998 auch die österreichische Schwesterpartei der NPD unterliegt. Umgekehrt ist die NPD bestrebt, durch internationale Kontakte zu Gesinnungsgenossen ihre Position und Reputation im rechtsextremistischen Lager zu stärken. So nahmen an der NPD-Großkundgebung am 27. Mai in Passau u.a. ein ehemaliger Rechtsterrorist aus Italien sowie Gesinnungsfreunde aus Irland, Rumänien, Schweden, Portugal, Belgien (Wallonien), Frankreich, der Tschechischen Republik, Griechenland, Spanien, Australien, der Ukraine und aus Österreich teil. 7.2 Kontakte der Deutschen Volksunion (DVU) Die Lage der im Vorjahr durch eine Spaltung geschwächten französiFrankreich schen Front National (FN) hat sich inzwischen stabilisiert, so dass die Kontakte zu deutschen Rechtsextremisten wieder intensiviert werden konnten. Der Kolumnist der National-Zeitung (NZ) Franz Schönhuber und zwei DVU-Funktionäre besuchten Anfang Mai den 11. Kongress der FN in Paris. An der DVU-Großkundgebung am 23. September in Passau nahmen mehrere Funktionäre der FN und des rechtsextremistischen Vlaams Blok (VB) aus Belgien teil; einige von ihnen traten als Belgien Redner auf. 7.3 Kontakte der Republikaner (REP) Die Fraktion der REP im Landtag von Baden-Württemberg führte am 30. Juni eine Vortragsveranstaltung durch, an der auf Einladung der 90 Rechtsextremismus Belgien REP auch ein Vertreter des Vlaams Blok (VB) teilnahm. Das Grußwort sprach der REP-Bundesvorsitzende Dr. Schlierer. Ein REP-Landtagsabgeordneter äußerte, man habe mit dem Vertreter des VB auch über eine mögliche Kooperation gesprochen; die Ziele des VB seien mit den Vorstellungen der REP vielfach vergleichbar. Weitere Treffen zwischen VB und REP sind beabsichtigt. Etwa seit Mitte 1999 gibt es Kontakte der Republikanischen Jugend (RJ) zur Jugendorganisation des VB (vgl. auch Nummer 2.3.1 dieses Abschnitts). 7.4 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) Der amerikanische Neonazi und Propagandaleiter der NSDAP-AO, Gary Rex Lauck, tritt nach seiner Haftentlassung und Abschiebung in die USA im März 1999 nach wie vor durch den Versand neonazistischer Propagandamittel in Erscheinung. In der Ausgabe Nr. 134 vom September/Oktober des NSDAP-AO-Sprachrohrs "NS Kampfruf" warb Lauck für seine im Sommer gestartete "Internet Offensive". Bestandteil dieser Werbekampagne sind neonazistische Computerspiele, die gratis zum Herunterladen zur Verfügung stehen. Auch Musikdateien sind online verfügbar. Ferner offerierte Lauck rassistische Hetzschriften und die Nachbildung eines "Zyklon B Kanisters in Museumsqualität - Marke Konzentrationslager Auschwitz". Zugleich setzte er einen Preis für denjenigen aus, "dem es gelingt, die passendste Werbung für die Nachbildung dieses bekannten Schädlingsbekämpfungsmittels zu finden". Lauck räumte ein, dass die derzeitige Konzentration der Aktivitäten auf das Internet zu Lieferschwierigkeiten bei den übrigen Publikationen führen könne. Eine Verbreitung des "NS Kampfruf" unter bayerischen Rechtsextremisten war nicht feststellbar. Rechtsextremismus 91 8. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2000 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Parteien einschließlich integrierter Vereinigungen Die Republikaner (REP) 4.000 13.000 Der Republikaner 26.11.1983, Berlin monatlich, 20.000 Nationaldemokratische Partei 975 6.500 Deutsche Stimme (DS) Deutschlands (NPD) monatlich, 10.000 28.11.1964, Stuttgart Deutsche Stimme EXTRA monatlich, 80.000 Junge Nationaldemokraten (JN) 75 350 Der Aktivist unregelmäßig, 1.000 Nationaldemokratischer HochschulFunktionärsgruppe bund (NHB) 1967, Nürnberg Deutsche Volksunion (DVU) 1.800 17.000 (Publizistische Sprachrohre: 05.03.1987, München siehe DSZ-Verlag) Deutsche Volksunion e.V. einschließlich (siehe DVU) Aktionsgemeinschaften 16.01.1971, München 2. Neonazistische Organisationen und Zusammenschlüsse Hilfsorganisation für nationale 60 550 Nachrichten der HNG politische Gefangene und deren monatlich, 600 Angehörige e.V. (HNG) 02.07.1979, Frankfurt am Main Freizeitverein Isar 96 e.V. (FZV) 15 1996, München Kameradschaft Schwabach 5 Aktionsbüro Nationaler Funktionärsgruppe Widerstand/Freilassing 29.05.2000, Freilassing Bund Frankenland Funktionärsgruppe 1992 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation NS Kampfruf (NSDAP-AO) zweimonatlich, 500 1972, Lincoln/USA 92 Rechtsextremismus Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2000 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 3. Sonstige Organisationen Deutsche Liga für Volk und Heimat 60 500 (Inoffizielles Organ: (DLVH) siehe Nation Europa Ver03.10.1991, Berlin lag GmbH) Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 40 450 Das Freie Forum 1960, München vierteljährlich, 1.500 Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V. 30 280 Huttenbriefe - für Volkstum, Februar 1982, Starnberg Kultur, Wahrheit und Recht zweimonatlich, 4.000 Die Artgemeinschaft - Germanische 120 Nordische Zeitung (NZ) Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer vierteljährlich, 300 Lebensgestaltung (Artgemeinschaft) Schutzbund für das 200 Deutsche Volk e.V. (SDV) September 1981, München Deutsches Kolleg (DK) Funktionärsgruppe 1994, Berlin 4. Skinheads und sonstige militante Rechtsextremisten 780 9.800 5. Verlage Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH National-Zeitung/Deutsche (DSZ-Verlag) Wochen-Zeitung (NZ), wöchentlich, 45.000 Nation Europa Verlag GmbH Nation & Europa - 1953, Coburg Deutsche Monatshefte monatlich, 16.000 Verlag Hohe Warte - Franz von Bebenburg KG Mensch und Maß 1949, Pähl zweimal monatlich, 2.000 Denk mit!-Verlag Denk mit! Nürnberg unregelmäßig, 1.000 Odal-Verlag Der Scheinwerfer Rodach monatlich, 600 (Ende 2000 eingestellt) VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH Deutsche Geschichte Berg zweimonatlich, 10.000 Castel del Monte Verlag Staatsbriefe München monatlich, 1.000 Linksextremismus 93 4. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Linksextremismus Das ideologische Spektrum der Linksextremisten reicht von Anhängern Ideologisches des "wissenschaftlichen Sozialismus/Kommunismus" in seiner klassiSpektrum schen Form über Sozialrevolutionäre mit unterschiedlichen diffusen Konzeptionen bis hin zu Anarchisten. Theoretische Grundlagen bilden im Wesentlichen die Werke von Marx und Lenin, aber auch von Trotzki, Stalin, Mao Tse-tung und anderen. Die Bestrebungen der Linksextremisten sind darauf gerichtet, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung zu beseitigen und durch ein ihren ideologischen Vorstellungen entsprechendes kommunistisches und zum Teil anarchistisches System zu ersetzen. Diese Bestrebungen sind verfassungsfeindlich, weil die Ziele und oft auch die Mittel, mit denen sie erreicht werden sollen, gegen die grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen. So erstreben Linksextremisten, auch wenn sie es häufig nicht offen Ziele der Linksaussprechen, extremisten - die "sozialistische" Revolution, - Klassenkampf und Klassenherrschaft, - die Diktatur des Proletariats. Diese Ziele verstoßen vor allem gegen das Mehrheitsund das Freiheitsprinzip sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz. Linksextremisten stellen sich in ihrer Propaganda als Vertreter einer hohen Moral, als Kämpfer gegen Unterdrückung und Verfechter von Frieden und sozialer Gerechtigkeit dar. Ihre politische Praxis zeigt jedoch etwas anderes. Sie missachten demokratische Mehrheitsentscheidungen und das Gewaltmonopol des Staates. Sie setzen sich über das Recht der Menschen auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit hinweg, wenn dieses Recht ihren Interessen entgegensteht. Einige der linksextremistischen Gruppierungen bekennen offen, dass ihre Ziele nur unter Anwendung von Gewalt zu erreichen sind. Teil- 94 Linksextremismus Anwendung von weise verüben sie Gewalttaten oder arbeiten zur Erreichung ihrer Gewalt Ziele mit Gewalttätern zusammen. Dies verstößt gegen den Grundsatz des Ausschlusses jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft und verletzt, wenn sich die Gewalt gegen Personen richtet, das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die wahren Ziele werden oftmals in Aktionsfelder und Themen eingebunden, die selbst nicht extremistisch sind. Durch gewandte Agitation gelingt es Linksextremisten teilweise, den bisherigen Konsens aller Demokraten in der Ablehnung jeder Art politischen Extremismus zu durchbrechen. Beispiele für eine Aufweichung dieser klaren Grenzziehung sind das Zusammenwirken demokratischer Gruppierungen mit Linksextremisten bei einzelnen Protestthemen wie z.B. in der Antifaschismusbewegung, in der Antikernkraftbewegung und in Fällen der Zusammenarbeit in der Landespolitik einzelner Bundesländer. So ist es der linksextremistischen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) nach den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 27. September 1998 als erster extremistischer Partei seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland gelungen, an einer Koalitionsregierung mitzuwirken. Diese Koalitionsregierung kam im November 2000 zu der Auffassung, dass die Kommunistische Plattform der PDS (KPF) keine Gefahr für das demokratische Gemeinwesen darstelle. Die Beobachtung der KPF durch den Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern wurde daraufhin eingestellt. In Sachsen-Anhalt wird die Landesregierung seit 1994 über ein Tolerierungsmodell von der PDS mitgetragen. Die Zusammenarbeit von Demokraten mit Extremisten schwächt die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie. Für ihre Agitation und Mobilität bei Demonstrationen oder anderen Aktionen nutzen Linksextremisten seit mehreren Jahren zunehmend die Vorteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten wie Handy Internet und Internet. Zentrale Agitationsthemen der Linksextremisten waren Neonazismus/Faschismus, Rassismus, Asylund Abschiebeproblematiken, Arbeitslosigkeit und vermeintlicher Sozialabbau. 1.2 Entwicklung der Organisationen Anstieg der MitDie Zahl der Mitglieder linksextremistischer und linksextremistisch begliederzahlen einflusster Parteien und Gruppierungen ist leicht gestiegen. In Bayern Linksextremismus 95 nahm die Zahl der PDS-Mitglieder und -Sympathisanten zu. Die Mitgliederzahl der DKP blieb gleich. Die Zahl der Anhänger autonomer Gruppen, die eine der bedeutendsten und gewalttätigsten Strömungen des Linksextremismus darstellen, blieb unverändert. Sie werden von anderen linksextremistischen Organisationen wie der PDS zunehmend als Partner für Aktionen akzeptiert. Die Entwicklung der Zahl linksextremistischer und linksextremistisch beeinflusster Organisationen in Bayern und ihrer Mitgliederstärken ist aus der folgenden Übersicht zu ersehen. Erkannte Mehrfachmitgliedschaften sind jeweils nur bei einer Organisation erfasst. 1998 1999 2000 Zahl und Mitgliederstärke Anzahl der Organisationen 41 40 40 linksextremistiMarxisten-Leninisten und scher Organiandere revolutionäre Marxisten sationen in Bayern PDS 450 600 650 DKP 600 600 600 Marxistische Gruppe (MG) 700 700 700 weitere Kernorganisationen 510 460 460 Nebenorganisationen 70 70 70 beeinflusste Organisationen 1.080 1.080 1.080 Anarchisten und Sozialrevolutionäre 500 500 500 Linksextremisten insgesamt 3.910 4.010 4.060 Mitglieder 40.000 31.500 33.500 30.000 Deutschland * 20.000 Bayern 10.000 6.660 4.060 0 1991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 * Die Kurve für die bundesweite Entwicklung beruht auf Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz, das von den Mitgliedern der PDS nur die der Kommunistischen Plattform (KPF) erfasst. Die PDS hatte im Jahr 2000 bundesweit 88.600 Mitglieder, davon 2.000 in der KPF. 96 Linksextremismus 1.3 Linksextremistische Gewalt Die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten ist in Deutschland von 711 auf 827 angestiegen. In Bayern ist die Zahl der Gewalttaten von Schwerpunkt 25 auf 39 gestiegen. Schwerpunkt mit 38 Gewalttaten waren wie im Antifa Vorjahr tätliche Auseinandersetzungen mit tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten. Wie in den Vorjahren liegt Bayern im bundesweiten Vergleich im unteren Bereich. Die linksextremistischen Gewalttaten wurden wieder zu über 80 % von Gruppen und Einzeltätern aus dem gewaltbereiten autonomen und anarchistischen Spektrum begangen. Ziel der gewalttätig agierenden linksextremistischen Gruppen ist nach wie vor die Destabilisierung der gegenwärtigen Staatsund Gesellschaftsordnung, in der sie ein "Instrument zur Durchsetzung weltweiter kapitalistischer und imperialistischer Ausbeuterinteressen" sehen. Bei der Auseinandersetzung zwischen Linksund Rechtsextremisten Schwere kam es wieder zu schweren Gewalttaten gegen tatsächliche oder verGewalttaten meintliche Rechtsextremisten. Die Angriffe der Linksextremisten, die sie als "Kampf gegen den Faschismus" zu rechtfertigen versuchen, richteten sich dabei vor allem gegen Veranstaltungen, aber auch einzelne Personen wurden gezielt angegriffen. Das Thema "Antifaschismus" wird auch in Zukunft eines der wichtigsten Aktionsfelder autonomer Politik und damit auch autonomer Militanz bleiben. Auch hier ist aber das eigentliche Angriffsziel der Staat, dem unterstellt wird, "Faschisten" zu schützen. 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Marxistisch-leninistisch ausgerichtete Organisationen und andere revolutionäre Marxisten bemühen sich weiterhin, durch massive Kritik an den "herrschenden Verhältnissen" und Forderungen nach Versuch der "Fundamentalopposition" ihren sozialistischen und kommunistiBündelung extreschen Zielen näher zu kommen. Dabei gelang es nur begrenzt, die mistischer Kräfte unterschiedlichen Ideologien und Strömungen zu bündeln. Die PDS, die nach dem Zusammenbruch des SED-Unrechtsregimes einen neuen Weg des "demokratischen Sozialismus" zu beschreiten vorgibt, versucht, Linksextremisten aller Richtungen zu integrieren. Linksextremismus 97 2.1 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) Deutschland Bayern Mitglieder: 88.600 650 Vorsitzende(r): Gabriele Zimmer Uwe Hiksch, Eva Bulling-Schröter Umbebennung der SED: 16./17.12.1989 Gründung: 11.09.1990 Sitz: Berlin München Publikationen: Neues Deutschland, junge Welt (beides PDS-nahe Zeitungen), DISPUT, PDS-Pressedienst, UTOPIE-kreativ, Mitteilungen der KPF, TITEL Die ehemals in der DDR herrschende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hat sich nach der friedlichen Revolution und dem Zusammenbruch ihres Unrechtsregimes nicht aufgelöst. Sie beschloss auf ihrem Sonderparteitag am 16./17.Dezember 1989 in Berlin-Weißensee, sich in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS)" umzubenennen. Auf einer Umbenannte SED Tagung des Parteivorstands der SED-PDS am 4. Februar 1990 wurde der Parteiname endgültig in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) geändert. Der 1. Parteitag der PDS am 24./25. Februar 1990 bestätigte die Namensänderung. 2.1.1 Ideologische Ausrichtung Die PDS versteht sich als linke "Strömungspartei" für sozialistische Gruppen und Personen, die die bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland kritisieren und ablehnen. Das auf der 1. Tagung des 3. Parteitags der PDS vom 29. bis 31. Januar 1993 in Berlin beschlossene und bis heute gültige Parteiprogramm - ein neues Programm ist in Vorbereitung - stellt fest, die PDS sei ein Zusammenschluss unterschiedlicher linker Kräfte, die - bei allen Meinungsverschiedenheiten - darin übereinstimmten, dass die Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums überwunden werden müsse. Die Beseitigung des Kapitalismus, die Überwindung des mit Gegen ihm verbundenen politischen Systems der Freiheit und der DemokraKapitalismus tie im Sinn unseres Grundgesetzes sowie die Errichtung einer neuen 98 Linksextremismus "sozialistischen Gesellschaft" gehören somit, auch wenn die Revolutionsrhetorik des Marxismus-Leninismus vermieden wird, zu den Zielen der Partei, die vor allem außerparlamentarisch erreicht werden müssten. Das Bekenntnis der Partei zum außerparlamentarischen Kampf und zum Widerstand gegen die "Herrschenden" und die "gegebenen Verhältnisse" ist mit der Grundidee der parlamentarischen repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes unvereinbar. Die PDS vertritt einen konsequenten Internationalismus und ist dem Bekenntnis zu Erbe von Marx und Engels, den vielfältigen Strömungen der revoluMarx und Engels tionären und internationalen Arbeiterbewegung sowie anderen revolutionären und "volks-demokratischen" Bewegungen verbunden und dem Antifaschismus verpflichtet. Die Berufung auf Marx und Engels, die historische Entwicklung der Partei sowie die politische Herkunft ihrer Mitglieder aus kommunistischen Organisationen, insbesondere der SED, müssen auch bei der Auslegung ihrer programmatischen Äußerungen berücksichtigt werden. Die PDS verwendet Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte, die sie auch schon als SED gebraucht hat. Die Realität der DDR bewies jedoch, dass diese Begriffe dort anders, nämlich freiheitsund demokratiefeindlich, definiert waren. Ursache für die andere Interpretation politischer Begriffe ist Umwidmung deren bewusste Umwidmung im Lehrgebäude des Marxismus-Lenivon Begriffen nismus, in dessen Denkschule die Mehrheit der Mitglieder der PDS erzogen wurde. Deshalb besitzen die in ihrer Programmatik verwendeten Begriffe eine Doppeldeutigkeit. In den programmatischen Äußerungen der PDS fällt die Kritik an den früheren kommunistischen Zwangssystemen Mittelund Osteuropas sowie der DDR zurückhaltend aus. Die bolschewistische Oktoberrevolution von 1917 und die mit ihr verbundenen globalen politischen Umwälzungen bewertet das Parteiprogramm positiv. Es widRechtfertigung met auch der Rechtfertigung des "Sozialismusversuchs" in der DDR des DDR-Regimes und den übrigen osteuropäischen Staaten breiten Raum. Einer weiteren programmatischen Orientierung dienen auch die vom Parteivorstand der PDS am 28. November 1994 beschlossenen "10 Thesen zum weiteren Weg der PDS" und das anlässlich der 1. Tagung des 4. Parteitags der PDS vom 27. bis 29. Januar 1995 in Berlin verabschiedete Fünf-Punkte-Papier "Sozialismus ist Weg, Methode, Wertorientierung und Ziel", das in Kontinuität zum Parteiprogramm steht und am Anspruch grundlegender Veränderung der Staatsund Gesellschaftsordnung festhält. Linksextremismus 99 An der 3. Tagung des 6. Parteitags der PDS vom 7. bis 9. April in Parteitag Münster/Nordrhein-Westfalen nahmen knapp 500 Delegierte sowie in Münster zahlreiche Gäste befreundeter Parteien und Organisationen aus dem Inund Ausland teil. "Solidarisch, gerecht, zukunftsfähig. Die sozialistische Opposition - PDS" lautete das Motto, mit dem die PDS zum ersten Mal seit ihrem Bestehen einen Parteitag in den alten Bundesländern ausrichtete und damit ein Zeichen für eine Öffnung in den Westen und die gesamte Gesellschaft setzen wollte. Zündstoff im Vorfeld des Parteitags lieferte ein Brief des Fraktionsvorsitzenden der PDS im Deutschen Bundestag Dr. Gregor Gysi vom 6. März - veröffentlicht im PDS-Pressedienst Nummer 11 vom 17. März - an die Delegierten, in dem er appellierte, die Partei solle sich von der "dogmatischen Linken" trennen; dies sei Bedingung und Bestandteil der Erneuerung der PDS. Die Kommunistische Plattform der PDS (KPF) betätige sich im Wesentlichen als ideologische Wächterin und enthalte sich jeglicher konkreter Politik. Sie bewerte lediglich die konkreten Politikvorschläge der anderen ideologisch. Bereits in diesem Brief deutete Dr. Gysi erstmals seinen eventuellen Rücktritt als Fraktionsvorsitzender der PDS an: "Was wir meines Erachtens viel weniger benötigen, sind permanente ideologische Kontrollinstanzen über diejenigen, die von früh bis spät Politik für die PDS machen. Andernfalls könnten Letztere eines Tages lustlos werden, und das könnte zu einem nicht unerheblichen Substanzverlust für die Partei führen." Dr. Gregor Gysi kündigte dann auch in seiner Parteitagsrede an, im Dr. Gysis RücktrittsHerbst nicht mehr für den Fraktionsvorsitz oder für eine andere Funkankündigung tion im Fraktionsvorstand der PDS kandidieren zu wollen. Er werde sich im Jahr 2002 auch nicht mehr um ein Bundestagsmandat bewerben. In seiner Rede zur Eröffnung des Parteitags betonte der PDS-Ehrenvorsitzende, Europaabgeordnete und ehemalige Ministerpräsident der DDR, Dr. Hans Modrow, die PDS habe als Partei für soziale Gerechtigkeit Zustimmung gefunden und gelte noch immer als die- 100 Linksextremismus Umgang mit der jenige Partei, welche die Identität der Bürgerinnen und Bürger der DDR-Vergangenalten DDR achte und deren Interessen am konsequentesten vertrete. heit Die PDS sei eine aus historischer Entwicklung dieses Landes entstandene Partei, die heute mehr denn je als sozialistische Partei selbstbestimmt links von der SPD für den parlamentarischen und noch viel Außerparlamenmehr im außerparlamentarischen Kampf gefordert und gebraucht tarischer Kampf werde. Wenn über Alternativen zum real existierenden Kapitalismus nachgedacht werde, stehe die PDS damit weder allein in der Gesellschaft noch gegen das Grundgesetz. Dr. Modrow mahnte die Delegierten, Konsens zu suchen, wie es dem Wesen und Charakter einer pluralistischen Partei entspreche. Gegenseitige Blockierungen sollten auf dem Parteitag nicht fortgesetzt werden. Der Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky äußerte in seiner Rede, die PDS sei die Partei des Alltags und der sozialen Gerechtigkeit; sie sei die erste Adresse in diesem Land für sozialen Protest. Sie verfolge einen unverrückbar antimilitaristischen Kurs; sie sei gegen die Herrschaft des Kapitals, von Profit und Shareholder-Value. Stärker als bisher konzentriere sich die Kapitalmacht bei den international operierenden Banken; ein "Aktionärs-Kapitalismus" sei entstanden und eine kapitalistische Grundstruktur der Gesellschaft zu beklagen. Für die Linke sei es von Bedeutung, eine Rahmensetzung zu schaffen, die die Profitdominanz zu brechen helfe und auf die Unterordnung unternehmerischer Gewinninteressen unter soziale und ökologische Kriterien ziele. Der Parteichef führte weiter aus: "Wir waren, wir sind und wir bleiben durch und durch antikapitalistisch und darum stehen wir in Opposition in dieser Republik - auch wenn wir sinnvoller Weise hier und da regieren. (...) Gesellschaftliche Opposition, "Magisches politischer Mitund Umgestaltungsanspruch und demokratischer und Dreieck" sozialistisozialer Widerstand - das ist und bleibt das 'magische Dreieck' sozialistischer Politik scher Politik!" In der Partei gehe die Sorge um, die so genannten Reformer könnten, um regierungsfähig zu werden, die sozialistische Identität der Partei aufgeben und eine zweite, überflüssige und funktionslose sozialdemokratische Partei anstreben. Die Gesamtpolitik der Partei stehe gegen solche Sorgen. Weder Dr. Gregor Gysi noch er selbst hätten die Absicht, den demokratisch-sozialistischen, antikapitalistischen Charakter der PDS zu verbiegen. Prof. Dr. Biskys RückDer Parteivorsitzende kündigte in seiner Rede ferner an, im Jahr 2001 trittsankündigung nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Er wolle sich auf die Linksextremismus 101 Arbeit im Landtag in Brandenburg konzentrieren und brauche mehr Zeit für die Leitung der Programmkommission. Den zentralen Punkt des Parteitags bildete die Diskussion um die HalHaltung der PDS tung der Partei zu Friedenseinsätzen der Bundeswehr im Spannungszu Friedenseinsätgebiet Kosovo. Einem von Dr. Gregor Gysi in seinem Brief vom zen der Bundes6. März an die Parteitagsdelegierten geforderten Prüfungsrecht für wehr Parteivorstand und Fraktion für friedenspolitische Einsätze der UNO mit Beteiligung der Bundeswehr schloss sich Prof. Dr. Lothar Bisky an und appellierte mit Nachdruck an die Partei, sich intensiv mit jedem Einzelfall zu befassen. Dieser Auffassung folgten die Delegierten nicht. Mit der Mehrheit von 219 zu 126 Stimmen fassten sie auf Initiative der stellvertretenden Parteivorsitzenden und Europaabgeordneten Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann den Beschluss "Nein zu UN-Militäreinsätzen - Internationale Krisen und Konflikte friedlich lösen" und verfolgten damit einen radikal-pazifistischen, antimilitaristischen Kurs. Diesem Beschluss folgte auch der PDS Landesverband Bayern. In dem Beschluss wird unter anderem ausgeführt, die USA und ihre NATO-Verbündeten missachteten bewusst bestehende Chancen für Frieden und Abrüstung. Der globalisierte Kapitalismus maße sich das Recht an, militärisch zu intervenieren, wo und wann immer er es für erforderlich halte. Die regierungsgestützte "Politik der Selbstmandatierung" missachte das Völkerrecht; globale Kapitalinteressen sollten durch globale Militärund Interventionsmacht abgesichert werden. Die PDS werde sich weiterhin für die Auflösung der NATO, für das Verbot von Rüstungsexporten und für allgemeine, vollständige Abrüstung engagieren. Sie wende sich gegen jegliche Auslandseinsätze der Bundeswehr, setze sich für die deutliche Reduzierung der Streitkräfte in kürzester Zeit und die Abschaffung der Bundeswehr ein. Die PDS sei die einzige im Deutschen Bundestag vertretene Antikriegspartei. Der auf dem Parteitag gefasste Beschluss "Die programmatische Weiterführung der Debatte in der PDS zielorientiert weiterführen" sieht eine forcierte programmatischen Kapitalismuskritik vor; das Profil der PDS als demokratisch-sozialistiDebatte sche Partei müsse durch weitergeführte Diskussionen geschärft werden. Der Parteitag beraumte die Entscheidung über den weiteren zeitlichen Verlauf der Debatte für den 7. Parteitag in Cottbus an. Um die Führungskrise nach der Ankündigung von Prof. Dr. Lothar Führungskrise bei Bisky und Dr. Gregor Gysi, ihre Ämter im Herbst abzugeben, zu beender PDS den, schlug der PDS-Bundesvorstand am 15. Mai nach wochenlanger interner Diskussion Gabriele Zimmer, eine der stellvertretenden Par- 102 Linksextremismus teivorsitzenden und Thüringer Fraktionsvorsitzende, als Kandidatin für die Nachfolge des amtierenden Parteivorsitzenden Prof. Dr. Lothar Bisky vor. Cottbuser An der 1. Tagung des 7. Parteitags vom 14. bis 15. Oktober in CottParteitag bus unter dem Motto " ... dass ein gutes deutschland blühe - PDS" beteiligten sich rund 440 Delegierte aus Bund und Ländern sowie Vertreter zahlreicher befreundeter Parteien und Organisationen aus dem Inund Ausland. Nach dem Debakel des Münsteraner Parteitags im April, der den politischen Rückzug von Dr. Gregor Gysi und Prof. Dr. Lothar Bisky zur Folge hatte, versuchte die Partei nun ein Bild der Geschlossenheit zu vermitteln. Die Tagung war neben der Neuwahl des Parteivorstands (vgl. auch Nummer 2.1.2 dieses Abschnitts) geprägt von einer klaren Orientierung der Gesamtpartei auf eine Öffnung in die Gesellschaft hinein und einem Kooperationsangebot an die SPD. Der Ehrenvorsitzende der PDS und Europaabgeordnete Dr. Hans Modrow appellierte in seiner Eröffnungsrede, es gelte in den alten Bundesländern durch schlüssige alternative Politikangebote, durch Basisund Bündnisarbeit mehr als bisher antikommunistische Vorurteile abzubauen und Vertrauen für eine Partei des demokratischen Stärkung der Sozialismus zu gewinnen. Parlamentarisches Wirken und außerparlaaußerparlamentamentarischer Kampf verbänden sich zu einer Einheit im Ringen um rischen Bewegung soziale Gerechtigkeit; die Mandatsträger sollten ihr Engagement in den außerparlamentarischen Bewegungen forcieren. Gabriele Zimmer, die Nachfolgerin von Prof. Dr. Lothar Bisky als Parteivorsitzende, erklärte in ihrer Antrittsrede, der Unterschied der PDS zu den anderen Parteien bestehe darin, dass die PDS als demokratische Opposition gesellschaftskritisch bleiben und als Reformkraft zugleich verantwortungsvoll gestalten wolle. Gesellschaftliche Opposition gegen die Kapitaldominanz, politischer Mitund Umgestaltungsanspruch sowie demokratischer und sozialer Widerstand seien gefordert. Die Partei müsse die sozialen Kämpfe nutzen, um sozialistische Verhältnis zu Elemente und Bestrebungen in der Gesellschaft zu stärken und die kommunistischen Dominanz des Kapitals und seiner Logik zu brechen. Die Stärke der Positionen in der PDS bestehe in ihrer pluralen Vielfalt. Dazu gehörten Genossinnen PDS und Genossen mit kommunistischen wie mit sozialdemokratischen Linksextremismus 103 Positionen, Radikaldemokraten wie Reformer. Die Kraft der Partei wachse aus der Gemeinsamkeit. Weiter führte sie aus: "Wir wollen diese Bundesrepublik umgestalten. Sie muss gerechter und Für eine andere sozialer, ökologischer, gebildeter und kultivierter werden. Kurz: Wir streiBundesrepublik ten für eine gesellschaftliche Alternative, für eine sozialistische Gesellschaft - mitten in Europa und unseren Nachbarn zugetan." Der Leitantrag "Den Politikwechsel nachholen! Deutschland braucht mehr sozialistische Politik! Die PDS und die Wahlen 2002", den Gabriele Zimmer, PDS-Bundesgeschäftsführer Dr. Dietmar Bartsch und der neue Fraktionsvorsitzende der PDS im Deutschen Bundestag Roland Claus vorlegten, wurde von den Delegierten bei nur vier Gegenstimmen angenommen. Der Beschluss ändert die programmatische Ausrichtung der Partei nicht. In ihm benennt die Partei Schwerpunkte für den Bundestagswahlkampf sowie für Landtagsund Kommunalwahlen. Sie versucht zugleich eine Strategie aufzuzeigen, ihre Nachholung des politischen Zielsetzungen in die Bundespolitik einzubringen: "Politikwechsels" "Es geht darum, den gesellschaftlichen Druck auf die Bundesregierung so zu vergrößern, dass mittelfristig in Deutschland ein Mitte-Links-Bündnis unter Einschluss der PDS möglich und eine Wende zu einer demokratischen, sozialen und ökologischen Reformpolitik realisierbar wird. (...) Die PDS bietet der SPD die Zusammenarbeit in den ostdeutschen Ländern mit dem Ziel an, mit allen Kräften um einen grundlegenden Wandel der wirtschaftlichen, sozialen und beschäftigungspolitischen Situation in Ostdeutschland zu ringen." Weiter heißt es in dem Beschluss, der erhoffte Politikwechsel unter der rot-grünen Bundesregierung sei nicht eingeleitet worden. Die PDS gehe in den Wahlkampf 2002 als die linke Opposition im Deutschen Bundestag, als gesellschaftspolitische Opposition zum Marktliberalismus, als Antikriegsund Friedenspartei. Mit wirkungsvoller Unterstützung außerparlamentarischer Bewegungen solle eine Veränderung des gesellschaftlichen Klimas in der Bundesrepublik Deutschland erreicht werden. Der soziale und ökologische Umbau Umbau der der Gesellschaft brauche eine gerechte Verteilung des gesellschaftGesellschaft lichen Reichtums, eine Umverteilung von oben nach unten. Große private Vermögen seien nicht das Ergebnis eigener Arbeit, sondern Resultat staatlicher Enteignung der Arbeitenden. Die PDS werde 2002 mit Listen antreten, die für demokratische Sozialistinnen und Sozialisten mit und ohne PDS-Mitgliedschaft offen seien. Sie wolle mit mehr als sechs Prozent der Stimmen und trotz veränderter Wahl- 104 Linksextremismus kreise mit mindestens drei Direktmandaten in den nächsten Deutschen Bundestag einziehen. Resolution zum In der ebenfalls vom Parteitag verabschiedeten Resolution "Die PDS Antifaschismus und der Antifaschismus" bekräftigt die Partei ihr programmatisches Bekenntnis zu Antifaschismus, Antirassismus und Antimilitarismus: "Die Partei des Demokratischen Sozialismus versteht sich als entschieden antifaschistische, antirassistische und antimilitaristische Partei. Sie steht in der Tradition der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung sowie weiterer Bewegungen gegen Faschismus und Krieg, gegen Imperialismus und Kolonialismus, ... (...) Die Partei des Demokratischen Sozialismus unterstützt alle Anstrengungen zur Herstellung breiter Bündnisse auf allen Ebenen, in denen ohne Führungsanspruch und Ausgrenzung sowohl die Gewerkschaften, die Vertreter der Jugendverbände und Kirchen, der demokratischen Parteien, aller Organisationen und Initiativen ihren Platz finden, die sich dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus verpflichtet fühlen." 2.1.2 Organisation Die PDS ist eine auf Bundesebene organisierte Partei mit Sitz in Berlin. Sie gliedert sich in 16 Landesverbände, deren Gebiete mit den Ländern identisch sind, mit Kreisverbänden und BasisorganisatioBundesweit nen. Sie verfügt bundesweit über rund 88.600 Mitglieder (Ende rückläufige 1999: 94.000), davon etwa 4.000 (1999: 3.200) in den alten BundesMitgliederzahl ländern. Während die Mitgliederentwicklung in den neuen Bundesländern rückläufig ist, steigt sie in den alten Bundesländern leicht an. Ursache für den Rückgang der Mitgliederzahl insgesamt ist weniger der Austritt als vielmehr der Tod älterer Mitglieder. Über 60 % der Parteimitglieder in Ostdeutschland sind 60 Jahre und älter, nur 2 % sind jünger als 30 Jahre. Auf der 1. Tagung des 7. Parteitags vom 14. bis 15. Oktober in Cottbus wurde der 18-köpfige Parteivorstand neu gewählt. Kommunalund Landespolitiker haben nunmehr deutlich mehr Gewicht Gabriele Zimmer erhalten. Die designierte Parteivorsitzende Gabriele Zimmer übernahm neue Parteimit einem Wahlergebnis von 93,3 % das Amt von Prof. Dr. Lothar vorsitzende Bisky. Als stellvertretende Parteivorsitzende wurden erstmals die Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des PDS Landesverbands Berlin, Petra Pau, und der Vorsitzende der PDS Sachsen, Prof. Dr. Peter Porsch, gewählt; als weiterer stellvertretender Parteivorsitzender wurde Linksextremismus 105 Dr. Diether Dehm erneut gewählt. Dr. Dietmar Bartsch und Uwe Hobler wurden in ihren Ämtern als Bundesgeschäftsführer bzw. Bundesschatzmeister bestätigt. Unter den weiteren neu gewählten Mitgliedern des Parteivorstands befinden sich auch der stellvertretende Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, der Bundessprecher des PDS-nahen Jugendverbands 'solid (vgl. auch Nummer 2.1.4 dieses Abschnitts), Rouzbeh Taheri, und das Mitglied des Bundeskoordinierungsrats der KPF, Sahra Wagenknecht, die dem Gremium bereits zwischen 1993 und 1995 angehörte und nach Rücktrittsdrohungen der damaligen Parteispitze 1995 nicht wieder gewählt worden war. Mit der Wahl von Sahra Wagenknecht in den Parteivorstand - sie wurde mit 61,6 % der Delegiertenstimmen gewählt - demonstrierte die Partei, dass sie sich von der marxistisch-leninistischen KPF KPF-Vertreterin im nach wie vor nicht distanziert, sondern sie vielmehr bewusst in die Parteivorstand Parteiführung einbindet. Seit Jahren nutzt die PDS die Kommunikationsmöglichkeiten im Internet. Verschiedene Gliederungen der Partei, wie die PDS-Delegation in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/ Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) im Europäischen Parlament, die Fraktion der PDS im Deutschen Bundestag, der Bundesvorstand und Einzelpersonen sind neben einer so genannten Startseite der PDS mit eigenen Homepages vertreten. Gleiches gilt in Bayern für die Kreisverbände Nürnberg, München und Würzburg sowie die Basisorganisationen Bamberg, Passau, Dachau, Moosburg und die AG Kommunistisches Forum in und bei der PDS Bayern. Die Nutzung des InterNutzung des nets durch den PDS-Bezirksverband Oberfranken befindet sich im Internets Aufbau. Die PDS-Jugendorganisation AG Junge Genossinnen nutzt in Baden-Württemberg, der PDS-nahe Jugendverband 'solid bundesweit das moderne Kommunikationsmedium. 2.1.3 Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften sowie ähnliche innerparteiliche Zusammenschlüsse sind wesentlich für die Bündnisund Integrationspolitik der PDS. Sie wirken im Rahmen des Statuts in der Partei und können sich eigene Satzungen geben. Sie sind damit Integrale Bestandintegrale Bestandteile der PDS. Diese Strukturen können nach dem teile der PDS 106 Linksextremismus Statut der PDS ihre politischen Ziele in der Partei offen vertreten. Die PDS muss sich deshalb die Tätigkeit der Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften wie auch das Wirken der sonstigen innerparteilichen Zusammenschlüsse sowie die Äußerungen ihrer Mitglieder als Gesamtpartei zurechnen lassen. Plattformen sind in der Regel Zusammenschlüsse mit gemeinsamer Ideologie, während Arbeitsund Interessengemeinschaften themenbezogen auf wichtigen Aktionsfeldern tätig werden. Die Arbeitsgemeinschaften Junge GenossInnen in und bei der PDS, Autonome Gruppen in und bei der PDS sowie das Gewaltbereite Libertäre Forum bei der PDS zeigen, dass die PDS auch mit gewaltbeGruppen in der reiten Gruppen zusammenarbeitet und diese sogar in den eigenen PDS Reihen duldet und agieren lässt. 2.1.3.1 Kommunistische Plattform (KPF) Die am 30. Dezember 1989 gegründete KPF der PDS - ihr sind etwa 2.000 Mitglieder zuzurechnen - ist eine marxistisch-leninistische Organisation. Sie betrachtet die DKP als natürliche Verbündete und arbeitet auch mit der noch in der DDR gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen. Innerhalb der PDS ist die KPF die Gruppierung, die sich am deutlichsten zum Kommunismus Bekenntnis zum bekennt. Sie strebt die Fortsetzung marxistischer und leninistischer Marxismus-LeniPolitik, also die Diktatur des Proletariats, an. In ihren Thesen zur nismus Gründung der KPF betonte sie: "Die revolutionäre Arbeiterbewegung mit dem Wissenschaftlichen Kommunismus, mit dem Marxismus-Leninismus, zu verbinden, aufgrund der marxistisch-leninistischen Analyse der realen Gesellschaftsentwicklung Strategie und Taktik zu bestimmen und Politik zu organisieren - ist vornehmste Aufgabe der Kommunisten und sie bleibt es." Nach einer programmatischen Erklärung vom Februar 1994, verfasst von drei Sprechern der KPF, bildet der Wissenschaftliche Kommunismus, wie er durch Lenin, Luxemburg, Gramsci, Trotzki, Bucharin oder Mao Tse-tung weiterentwickelt worden ist, die Grundlage für die Politik der KPF. Ziel der KPF sei die revolutionäre Transformation Klassenlose der alten, der Klassengesellschaft, in eine neue, klassenlose GesellGesellschaft als Ziel schaft. Die KPF betrachtet es als ihre Aufgabe, die Arbeiterbewegung mit dem wissenschaftlichen Sozialismus zu verbinden, den Marxismus zu verteidigen und für den Aufbau einer kommunistischen Bewegung in Linksextremismus 107 Deutschland zu arbeiten. Als Grundpositionen werden unter andeGrundpositionen rem Antikapitalismus, Antiimperialismus und Antimilitarismus, der der KPF Vorrang außerparlamentarischer Politik vor Parlamentarismus und die Ablehnung der Teilnahme an bürgerlichen Regierungen genannt. Die KPF strebt eine enge Zusammenarbeit mit anderen kommunistischen Parteien und Organisationen an und sucht die Beteiligung an außerparlamentarischen Initiativen. Als Reaktion auf den Brief des seinerzeitigen Fraktionsvorsitzenden der PDS im Deutschen Bundestag, Dr. Gregor Gysi, vom 6. März an die Parteitagsdelegierten (vgl. auch Nummer 2.1.1 dieses Abschnitts), der die Trennung der "dogmatischen Linken" von der Gesamtpartei forderte, veröffentlichten Prof. Dr. Michael Benjamin (er verstarb am 7. August), Prof. Dr. Uwe-Jens Heuer und Dr. Winfried Wolf ein "Minderheitsvotum", das programmatische Positionen der KPF verteidigt. In dem in den Mitteilungen der KPF Heft 4 vom April veröffentlichten Positionspapier heißt es: "Angesichts der Tatsache, dass Deutschland erstmals wieder an einem Angriffskrieg mitgewirkt hat, bekennen wir uns nachdrücklich zu dem strikt antimilitaristischen Kurs des Parteiprogramms, ... (...) Wir bleiben dabei: Erste Orientierung der PDS ist der außerparlamentarische und parlamenAußerparlamentarische Widerstand. Eine Regierungsbeteiligung der PDS auf Bundestarischer Widerebene scheidet bei den gegebenen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen stand und dem Fehlen einer starken außerparlamentarischen Bewegung und damit für absehbare Zeit aus. Sie würde die PDS zwingen, Politik gegen ihr Programm zu verantworten, ... (...) Dieses Land braucht die PDS als sozialistische, ökologische, antimilitaristische, demokratische und systemoppositionelle Kraft." Friedrich Rabe, einer der Sprecher der KPF, verfasste in den Mitteilungen der KPF Heft 6 vom Juni im Nachgang zur 3. Tagung der 9. Bundeskonferenz der KPF vom 26. April in Berlin eine Erklärung über "Die Aufgaben der Kommunistischen Plattform der PDS nach dem Münsteraner Parteitag". Darin führt er aus: "Und wenn ich über linke Alternativen spreche, so ist heute in erster Linie Widerstand gegen die immer totalitärer werdende Form der Kapitalherrschaft gemeint. Die so genannte Globalisierung ist die zunehmend totale Dominanz des Kapitals, einschließlich der Tatsache, dass der Krieg wieder ein scheinbar legitimes Mittel der Politik geworden ist. (...) Es nützt nichts, zu beklagen, dass außerparlamentarische Bewegungen schwach sind. Die Feststellung stimmt. Aber der Schluss daraus darf nicht ihre Vernachlässi- 108 Linksextremismus gung und der bloße Rückzug auf den Parlamentarismus sein, sondern muss zu einer stärkeren Konzentration hinsichtlich der Entwicklung aller Keime außerparlamentarischen Kampfes führen." 2.1.3.2 Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen in und bei der PDS Die AG Junge GenossInnen trat bisher als bundesweiter Zusammenschluss auf, der innerhalb der PDS unter eigenem Namen agierte. Diese Gruppierung, der sich rund 500 Mitglieder und 1.000 Sympathisanten zurechneten - die Hälfte stammte aus den westlichen Ländern -, diente als Bindeglied der PDS zu jugendlichen undogmatischen Linksextremisten, besonders Autonomen. Organisatorische Weil der AG Junge GenossInnen in der Vergangenheit organisatoriSchwächen sche Schwächen vorgehalten wurden, ist ein neuer bundesweiter PDS-naher Jugendverband (vgl. auch Nummer 2.1.4 dieses Abschnitts) gegründet worden. Ein offizieller Auflösungsbeschluss der AG Junge GenossInnen ist bisher nicht bekannt geworden. Landesweite aktive Strukturen finden sich noch in Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Berlin und Nordrhein-Westfalen beschränken sich Aktivisten der AG Junge GenossInnen auf ein lokales Betätigungsfeld. 2.1.3.3 Marxistisches Forum (MF) Am 6. Juni 1995 konstituierte sich in Berlin das orthodox-kommunistisch ausgerichtete MF. Es will die soziale, ökonomische und politiWeiterentwicklung sche Situation mit den Mitteln des Marxismus analysieren, die marxisder marxistischen tische Theorie weiterentwickeln und zur theoretischen Fundierung Theorie der Politik der PDS beitragen. Dazu gehöre neben der marxistischen Aufarbeitung der Geschichte der DDR und des Sozialismus auch die Untersuchung der Dialektik von systemimmanenten und systemüberwindenden Reformen. Außerdem solle auf die notwendige Verstärkung des antimilitaristischen Kampfes aufmerksam gemacht werden. Dem Zusammenschluss innerhalb der PDS gehören rund 60 Parteimitglieder und Personen des Staatsapparats, des Kulturund Wirtschaftsbereichs der ehemaligen DDR an. Das Forum übt Einfluss in der Partei unter anderem über die Mitgliedschaft in verschiedenen Parteigremien (wie Programmkommission und Parteirat) aus. Linksextremismus 109 Am 16. September veranstaltete das MF in Berlin eine Konferenz "Zur PDS-Programmdebatte, Positionen, Probleme, Polemik". Prof. Dr. Uwe-Jens Heuer, einer von fünf Sprechern des MF, führte im Einführungsreferat aus, das geltende Programm der PDS von 1993 sei ein in den Grundzügen marxistisches. Marxistische Theorie stelle nicht nur Politikberatung dar, sondern analysiere Verhältnisse und Kämpfe, Bedingungen und Möglichkeiten des Kampfes. Während die marxistisch-leninistische Orthodoxie die Theorie der Politik unterworAufrechterhaltung fen habe, stehe die PDS vor der Gefahr, dass sich die Politik von der marxistisch-leniTheorie gänzlich loslöse und im bürgerlichen Politikbetrieb, im Pragnistischer Orthomatismus aufgehe. Die Sprecherin der KPF, Ellen Brombacher, kritidoxie sierte in ihrem Vortrag den Kapitalismus, der in der Gesellschaft vorherrsche. In einer anschließenden Plenardebatte beschäftigten sich die Delegierten mit den Problemen von der Funktion von Reformalternativen und Übergangsforderungen im heutigen Kampfabschnitt der sozialistischen Bewegung bis hin zur Festlegung einer realistischen Taktik der PDS im Kampf gegen den "kriegerischen Kapitalismus". 2.1.4 Jugendverband 'solid Am 19. Juni 1999 wurde in Hannover der Jugendverband 'solid - die sozialistische Jugend gegründet. Der Name des zunächst 175 Mitglieder zählenden Verbands steht für "sozialistisch, links und demokratisch". Ziel des Jugendverbands ist es nach der im PDS-Pressedienst Nummer 25 vom 25. Juni 1999 abgedruckten Gründungserklärung, Gründungsin organisierter Form der "rechten Hegemonie in der Gesellschaft" erklärung entgegenzutreten. Man wolle keine "Kampfreserve" der PDS werden, sondern strebe "eine gleichberechtigte Zusammenarbeit auch mit den regionalen und lokalen Jugendstrukturen in und bei der PDS" an; 'solid sei nicht die Jugendorganisation der PDS. Dem Jugendverband gehören in 16 Landesverbänden zwischenzeitlich rund 650 Mitglieder (davon 25 in Bayern) an. Laut PDS-Pressedienst Nummer 14 vom 7. April veranstaltete die sozialistische Jugend vom 24. bis 26. März in Magdeburg/Sachsen-Anhalt ihre erste Bundesdelegiertenkonferenz unter dem Motto Bundesdelegierten"Für eine sozialistische Zukunft. Gründe haben wir genug". Etwa 100 konferenz Delegierte berieten die programmatische Entwicklung und politische Schwerpunktsetzung im Jahr 2000. Eine politische Plattform wurde verabschiedet. Der sozialistische Jugendverband sieht sich darin in 110 Linksextremismus Verbundenheit kritisch-solidarischer Nähe zur PDS: "Trotz der sinnvollen politischen mit der PDS und organisatorischen Verbundenheit mit der PDS ist 'solid keine Parteijugend oder PDS-Nachwuchsorganisation." Auf der 1. Tagung des 7. Parteitags vom 14. bis 15. Oktober in Cottbus erklärte dagegen der scheidende Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky: "Wir haben jetzt mit 'solid einen Jugendverband bei der PDS. Darüber freuen sich alle sehr, aber an der ganz konkreten Hilfe fehlt es. Mein Vorschlag: Wir halbieren unsere Freude und verdoppeln unsere sehr praktische Unterstützung für 'solid in Kreisen, Ländern und auf Bundesebene." Organ des PDS-nahen Jugendverbands ist "Die Ware"; es erscheint vierteljährlich. Mit Rouzbeh Taheri, Mitglied des Bundessprecherrats von 'solid, wurde auf dem Parteitag in Cottbus zum ersten Mal ein Funktionär des parteinahen sozialistischen Jugendverbands in den Bundesvorstand der PDS gewählt. 2.1.5 PDS Landesverband Bayern Organisation Die in Bayern seit dem 11. September 1990 bestehende PDS setzt in Bayern sich aus dem Landesverband, elf Kreisverbänden und 29 Basisorganisationen zusammen. Der Sitz des Landesverbands Bayern befindet sich in München. Die Bundestagsfraktion der PDS unterhält in Nürnberg und München je ein Regional-Büro. Für eine Reihe von örtlichen Strukturen, die keine Basisorganisationen sind, bestehen Kontaktund Anlaufadressen. In Bayern ist die Zahl der beitragspflichtigen Mitglieder der PDS einschließlich Plattformen und Arbeitsgemeinschaften weiter angestiegen. Waren es Ende 1999 noch etwa 400 Mitglieder, so liegt derzeit Mitgliederzuwachs die aktuelle Mitgliederzahl bei rund 450. Die Zahl der Sympathisanten, die den Mitgliedern gleichgestellt sind, blieb mit 200 unverändert. Das Durchschnittsalter der bayerischen PDS-Mitglieder ist deutlich niedriger als das der Parteimitglieder in Ostdeutschland. Verbreiterung Die organisatorische Basis des PDS Landesverbands Bayern hat sich der Basis insgesamt verbreitert. Neu hinzugekommen sind der Bezirksverband Oberfranken, die Kreisverbände Passau und Regensburg sowie Basisorganisationen in Bamberg, Bayreuth, Eichstätt, Fürth, Hof, Ludwigsstadt, Marktleugast, München-Ost und Passau. Der Ausbau der Orga- Linksextremismus 111 nisationsstruktur in Oberfranken wurde maßgeblich von dem im SepAusbau der tember 1999 von der SPD zur PDS übergewechselten Coburger BunOrganisationsdestagsabgeordneten Uwe Hiksch vorangetrieben. Außerdem wurstruktur in den beim Landesverband drei neue Arbeitsgemeinschaften ins Leben Oberfranken gerufen: Die AG Rechtsextremismus, die AG Antifaschismus und die "AG zur Kritik kapitaldominierter Politik in Land und Kommunen - Arbeitsgemeinschaft in und bei der PDS Bayern". Die PDS-Basisorganisation Ansbach wurde aufgelöst. Aktivisten der KPF arbeiten landesweit in der "AG der Kommunistischen Plattform in Bayern" mit Sitz am Landesbüro der PDS in München. Die KPF ist in Nürnberg mit einer Regionalgruppe und in München mit einer Ortsgruppe vertreten. Ihr gehören etwa 30 Personen an. Die KPF München widmete sich besonders den Lehren von Marx und Lenin. Als Publikationsorgan der KPF der PDS München erscheint die Flugschrift "was tun". Die AG Junge GenossInnen verfügt über Ortsgruppen in Ingolstadt, Nürnberg und München. Sie weist allerdings keine nennenswerten Aktivitäten mehr auf. Der PDS-nahe Jugendverband 'solid ist in Nürnberg, München und seit Beginn des Jahres in Marktleugast mit Ortsgruppen vertreten. Auf Initiative des bayerischen Bundestagsabgeordneten Uwe Hiksch wurde am 10. April der PDS-nahe Kurt-Eisner-Verein mit Sitz in Coburg gegründet. Die Zukunft der Erwerbsarbeit und die Geschichte der Arbeiterbewegung in Bayern sind Schwerpunkte seiner Bildungsarbeit. Der PDS Landesverband Bayern führte insgesamt drei Landesparteitage durch. Auf der 2. Tagung des Parteitags am 28. Oktober in Ingolstadt wurden die Bundestagsabgeordneten Uwe Hiksch und Eva Bulling-Schröter als neue Landessprecher gewählt. Für Finanzen und Neuwahlen zum Ordnung sind nunmehr Anett Lange und Olaf Ostertag verantwortLandesvorstand lich. In den neuen achtköpfigen erweiterten Landesvorstand wurde unter anderem der ehemalige stellvertretende Juso-Landesvorsitzende Enrico Junghänel gewählt. Er ist in dem PDS-nahen Jugendverband 'solid engagiert. Der politische Aschermittwoch der PDS Bayern teilte sich in drei VerPolitischer anstaltungen auf. Der seinerzeitige Fraktionsvorsitzende der PDS im Aschermittwoch Deutschen Bundestag, Dr. Gregor Gysi, und die bayerische Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter sprachen sowohl in Ingolstadt 112 Linksextremismus als auch in Passau über aktuelle politische Themen. Der Coburger Bundestagsabgeordnete Uwe Hiksch führte eine Veranstaltung in München durch. Er erklärte, dass die PDS eine antifaschistische und antirassistische Partei bleiben müsse und unterstrich, der von der Parteiführung geplanten Programmänderung zu den UN-Einsätzen im Kosovo sei entschieden entgegenzutreten. Die PDS müsse eine antimilitaristische Partei bleiben. 2.1.6 Teilnahme an Wahlen Im Westen Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 27. Februar erzielte Deutschlands die PDS mit rund 20.000 Wählerstimmen einen Stimmenteil von Splitterpartei 1,4 % und verfehlte damit wiederum den von ihr angestrebten erstmaligen Einzug in ein Landesparlament in Westdeutschland. Auch bei der am 14. Mai in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Landtagswahl erfüllten sich die Erwartungen der PDS nicht. Sie erreichte einen Stimmenanteil in Höhe von 1,1 % und scheiterte ebenfalls an der 5 %-Hürde. Bei den Kommunalwahlen in Thüringen am 14. Mai erhielt die PDS dagegen landesweit 12,5 % der Stimmen. 2.1.7 Kommunistischer Internationalismus Im Rahmen der so genannten internationalen Solidarität unterhält die PDS vielfältige Verbindungen und Kontakte zu ausländischen kommunistischen Parteien und anderen ausländischen Linksextremisten. Das Parteiprogramm der PDS nennt dies "Internationalismus" und orientiert sich damit an der Idee des Weltkommunismus. Diese Praxis Proletarischer knüpft an das marxistisch-leninistische Prinzip des "Proletarischen Internationalismus Internationalismus" - der Lehre von der "welthistorischen Mission der Arbeiterklasse" - an. Der scheidende Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky betonte auf der 1. Tagung des 7. Parteitags in Cottbus: "Von diesem Parteitag in Cottbus sollten wir unseren internationalen Partnern in Europa, Afrika, Asien und Amerika versichern: die PDS bleibt internationalistisch. Wir wissen, dass wir in der EINEN Welt leben und dass die Linken in Ost und West, in Nord und Süd ein Gegengewicht zur Globalisierung schaffen müssen. Die PDS wird ihren Beitrag dazu leisten." Die PDS unterhält Kontakte und Verbindungen zu ausländischen kommunistischen bzw. sozialistischen Parteien, wie beispielsweise zur Linksextremismus 113 Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KPBM), zur SozialistiBeziehungen zu schen Partei Chiles (SP), zur Französischen Kommunistischen Partei (FKP), ausländischen zur Kommunistischen Partei Indiens (KPI), zur Kommunistischen Partei kommunistischen Indiens-Marxist (KPI/M), zur Kommunistischen Partei Vietnams (KPV), und sozialistischen zur Koalition der Linken und des Fortschritts - SYNASPISMOS (GriechenParteien land), zur Kommunistischen Partei Chinas und zur südafrikanischen KP. Dr. Diether Dehm, stellvertretender Parteivorsitzender der PDS, besuchte vom 10. bis 14. November das "2. Welttreffen der Solidarität Solidarität mit Kuba" in Havanna. Er unterstrich dabei das internationalistische mit Kuba Selbstverständnis der PDS und die Unterstützung der AG Cuba Si beim Parteivorstand. Um der noch nicht voll entfalteten Sympathie für Kuba in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen, werde die PDS in Berlin am 23. und 24. Juni 2001 einen Internationalen Kuba Solidaritätskongress veranstalten. 2.1.8 Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten Die PDS pflegt Kontakte zu fast allen anderen inländischen linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Gruppierungen sowie zu gewaltbereiten Autonomen und arbeitet mit ihnen zusammen. Am 15. Januar fanden in Berlin die ursprünglich für den 9. Januar Veranstaltungen geplanten traditionellen Gedenkveranstaltungen aus Anlass des in Berlin 81. Jahrestags der Ermordung der Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, statt. An der von einem Angehörigen der autonomen Szene angemeldeten Demonstration vom U-Bahnhof Frankfurter Tor zur "Gedenkstätte der Sozialisten" beteiligten sich insgesamt mehrere tausend Menschen, darunter rund 1.000 gewaltbereite Personen, wie militante Antifas, Angehörige revolutionär-marxistischer Gruppen sowie der PDS. Später nahmen etwa 350 Personen an einer Demonstration unter dem Motto "Von Karl und Rosa bis Mumia Abu-Jamal" teil, zu der die militante Antifaschistische Aktion Berlin (AAB), die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Kommunistische Plattform der PDS (KPF) aufgerufen hatten. In Berlin fand vom 12. bis 14. Mai eine "wissenschaftliche" Konferenz "Jahrhundertbilanz des Kommunismus" statt. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von der linksextremistisch beeinflussten "Bürgerinitiative für Sozialismus". Unter den Referenten und Diskutanten in den Arbeitsgruppen dominierten Anhänger der PDS, der KPF, der DKP 114 Linksextremismus und langjährige Bündnispartner von Kommunisten. Prof. Dr. Uwe-Jens Heuer vom Marxistischen Forum (MF) der PDS, der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr und der Chefredakteur der DKP-Theorieorgans "Marxistische Blätter" Hermann Kopp äußerten sich in der Abschlussdiskussion zur Zukunft kommunistischer/sozialistischer Entwürfe. Veranstaltungen Am 27. Mai veranstaltete die NPD in der Passauer Nibelungenhalle in Bayern ihren "2. Tag des nationalen Widerstandes" unter dem Motto "Bewegung muss Partei ergreifen", an dem rund 4.000 Personen des rechtsextremistischen Spektrums aus dem gesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland teilnahmen. Dies führte zu Gegenaktionen auch von linksextremistischen Gruppierungen. Unter dem Motto "Passau demonstriert gegen die NPD und den Ungeist" fand ein Sternmarsch statt, der sich in drei Aufzüge gliederte. Ein Aufzug mit etwa 750 Teilnehmern konnte dabei dem autonomen/linksextremistischen Spektrum zugeordnet werden. Dabei trat die PDS-Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter als Hauptrednerin auf. In ihrer Ansprache kritisierte sie eine "Kriminalisierung der Antifa" sowie die alljährlichen rechtsextremistischen Aktivitäten in Passau. Unter den Gemeinsam mit Demonstranten befanden sich Anhänger der Antifaschistischen Aktigewaltbereiten on/Bundesweite Organisation (AA/BO), des Antifaschistischem AktiAutonomen onsbündnis Bayern (AABB) und weiterer lokaler Antifa-Gruppen. Am 25. November fand in München eine Bündnis-Veranstaltung zum Thema "Gegen Faschismus und Nazipropaganda" statt. Bis zu 1.000 Personen, die überwiegend dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen waren, beteiligten sich an einer Kundgebung mit Aufzug. Dabei konnten auch folgende Parteien und Gruppierungen festgestellt werden: PDS, DKP, MLPD, Linksruck, VVN-BdA, Münchner Bündnis gegen Rassismus, Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB) und Antifaschistische Aktion München (AAM). 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Deutschland Bayern Mitglieder: 4.500 600 Vorsitzender: Heinz Stehr Gründung: 26.09.1968 Sitz: Essen Nürnberg und München Publikation: Unsere Zeit (UZ) Linksextremismus 115 2.2.1 Ideologische Ausrichtung Die bis zur Wende von der SED der DDR ideologisch und materiell abhängige DKP bestätigte ihre gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung in den auf dem 12. Parteitag am 16./17. Januar 1993 in Mannheim beschlossenen "Thesen zur programmatischen Orientierung der DKP". In der Einleitung zu den "Thesen" heißt es, die DKP kämpfe für eine Politik, die im SozialisBekenntnis zu mus die Zukunft, im Klassenkampf die zentrale Triebkraft der Sozialismus und Geschichte und in der Arbeiterklasse die entscheidende soziale Kraft Klassenkampf für den gesellschaftlichen Fortschritt sehe. Sie stütze sich auf die materialistische Wissenschaft, die von Marx und Engels begründet und von Lenin weiterentwickelt worden sei. In einem in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 28. September 1998 mit dem Titel "Nötig ist knallharter Klassenkampf" veröffentlichten Interview zum 30-jährigen Bestehen der DKP bestätigte der Parteivorsitzende Heinz Stehr, dass die neue Gesellschaftsordnung, für die die DKP nach wie vor eintrete, Sozialismus "und in der Perspektive Kommunismus" heiße. Unter der Überschrift "Das nächste Jahrtausend braucht den Sozialismus" veröffentlichten der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr und sein Stellvertreter Rolf Priemer im DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) vom 7. Januar ihre Vorstellungen zur Notwendigkeit des Sozialismus im nächsten Jahrtausend. Die Schlussfolgerungen aus der Niederlage des Sozialismus im Europa des 20. Jahrhunderts seien wesentlich für notwendige gesellschaftliche Auseinandersetzungen in der Zukunft, um einen neuen Ausbruchsversuch aus dem Kapitalismus durchzusetzen. Als entscheidende Herausforderung bezeichnen sie weiterhin den Festhalten am "real existierenden Kapitalismus". Sie bekennen sich als "Teil jener Marxismus-LeniKräfte, die die Verantwortung zur Veränderung der politischen Vernismus hältnisse annehmen müssen". In einem Artikel der UZ vom 17. November stellt der Parteivorsitzende Überlegungen zu einem neuen DKP-Programm an, zeigt Arbeitsschritte auf und geht auf das Erfordernis einer Diskussion zur EntEntwicklung eines wicklung eines neuen Programms ein. Die Diskussion sei auch desneuen Programms wegen nötig, weil gesellschaftspolitische Herausforderungen alle Parteien zwingen würden, das eigene Selbstverständnis auf den Prüf- 116 Linksextremismus stand zu stellen und Antworten zu den neuen Herausforderungen zu finden. Ziel der Programmdiskussion der DKP müsse es sein, in die öffentliche Auseinandersetzung mit einem politischen Angebot einzugreifen. Bis zum kommenden 16. Parteitag solle den Delegierten der Diskussionsstand übergeben werden. Das Programm der DKP müsse nach seinen Worten auch das strategische Ziel Sozialismus/Kommunismus benennen, Wege dahin aufzeigen und Kräfte benennen, die das Ziel durchsetzen können. Themenbereiche für die Agitation der DKP waren der Kosovo-Konflikt, "staatlicher Umgang mit Rechtsextremismus und Neofaschismus", Sozialund Demokratieabbau, Lohnund Rentenpolitik sowie der IWFund Weltbankgipfel in Prag. 2.2.2 Organisation OrganisationsDie DKP ist eine bundesweit organisierte Partei mit Sitz in Essen. Sie strukturen ist in 14 Bezirksorganisationen gegliedert - zwölf in den westlichen Bundesländern sowie eine in Berlin und eine weitere in Brandenburg, die beide zugleich die Mitglieder in den übrigen vier neuen Ländern betreuen -, die weiter in 110 Kreisund in 230 Grundorganisationen unterteilt sind. Die Zahl der Mitglieder liegt derzeit bei 4.500, davon etwa 210 in Ostdeutschland. Die DKP ist damit in Westdeutschland stärker vertreten als die PDS. Bei einer Tagung des Parteivorstands am 12./13. Februar beklagte der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr die negative Mitgliederentwicklung der Partei, bedingt durch den Tod vieler alter Parteimitglieder und durch den Austritt von Parteiangehörigen, die im organisierten Kampf der Rückläufige Kommunisten keine Perspektive mehr sähen. Die DKP verlor seit dem Mitgliederzahl letzten Parteitag 1998 etwa 15 % ihrer Mitglieder. Die Auswertung der neu ausgegebenen Mitgliedsbücher hat ergeben, dass nur 1 % der Mitglieder unter 20 Jahre und rund 10 % bis 40 Jahre alt sind. 15. Parteitag Das Motto des 15. Parteitags, der vom 2. bis 4. Juni in Duisburg stattfand und an dem 207 gewählte ordentliche Delegierte teilnahmen, lautete: "Macht die DKP stark!" 33 "Bruderparteien" und "Befreiungsbewegungen" aus 30 Ländern hatten Abordnungen entsandt. Im Mittelpunkt des Parteitags stand neben der Neuwahl des 36-köpfigen Parteivorstands die Verabschiedung der Handlungsorientierung "Widerstand gegen Kriegspolitik, Sozialund Demokratieabbau", die auch als Vorlage für das neue Parteiprogramm dienen soll. Der Partei- Linksextremismus 117 tag bestätigte Heinz Stehr als Vorsitzenden und Rolf Priemer als stellNeuwahl des vertretenden Parteivorsitzenden. Nina Hager, bisher bereits Mitglied Parteivorstands des Parteivorstands, wurde ebenfalls zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Insgesamt sieben Mitglieder wurden neu in das Gremium berufen. Unter den weiteren Mitgliedern des Parteivorstands befinden sich nunmehr vier Vertreter aus Bayern. In Bayern bestehen zwei Bezirksorganisationen (Nordund Südbayern) und zehn Kreisverbände sowie zwei Betriebsgruppen. Die Mitgliederzahl in Bayern stagnierte bei rund 600. Die DKP wird überwiegend von Altkommunisten repräsentiert. Ende Juli stellte sich eine "Arbeitsgemeinschaft (AG) Junge Kommunisten in der DKP Südbayern" im Internet vor. Die Finanzierung der Parteiarbeit bereitet seit Jahren Probleme. Das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) erscheint aber trotz dieser erheblichen Finanzierungsprobleme weiterhin wöchentlich. 2.2.3 Teilnahme an Wahlen Die DKP erhielt bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am Geringe Stimmen27. Februar, zu der sie mit drei Direktkandidaten angetreten war, insanteile bei gesamt 702 Wählerstimmen. Landtagswahlen Bei der Landtagswahl am 14. Mai in Nordrhein-Westfalen erreichte die DKP, die nur in wenigen ausgewählten Wahlkreisen Kandidaten aufgestellt hatte, 1.722 Stimmen. 2.2.4 Umfeld der DKP 2.2.4.1 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Deutschland Bayern Mitglieder: 5.000 900 Vorsitzender: neun Bundessprecher Gründung: 15.-17.03.1974 Sitz: Hannover (Bundesgeschäftsstelle seit 1996) Publikation: antifa-rundschau 118 Linksextremismus Zahlenmäßig Die VVN-BdA blieb die zahlenmäßig stärkste Organisation im Spektstarke Organirum des linksextremistischen Antifaschismus. In ihr wirken untersation schiedliche linksorientierte Kräfte zusammen, wobei jedoch nach wie vor aktive und ehemalige Mitglieder der DKP politisch tonangebend sind. Auch in der VVN-BdA Bayern ist auf Landeswie auch auf Kreisebene der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, aus der PDS und aus der SDAJ, maßgeblich. Sie unterstützte vielfach linksextremistisch beeinflusste Aktionen. Bei den anlässlich des Bundeskongresses 2000 der VVN-BdA am 7. und 8. Oktober in Frankfurt am Main durchgeführten Wahlen wurden zwei Vertreter aus Bayern in Führungsgremien berufen. Mehrheitliche Zustimmung fand bei den rund 140 Delegierten des Kongresses, der unter dem Motto "Antifaschismus - Verpflichtung für die Zukunft - Gegen den Schlussstrich" stand, ein Antrag, der einen Beabsichtigter organisatorischen Zusammenschluss der VVN-BdA und ihrer in organisatorischer den neuen Bundesländern bestehenden Schwesterorganisation Zusammenschluss VVdN-BdA (Verband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener - Bund der Antifaschisten) für das Jahr 2001 vorsieht. VeranstaltungsDie VVN-BdA unterstützte Veranstaltungen wie z.B. den Jahrestag schwerpunkte des "Angriffskriegs der NATO gegen Jugoslawien" am 24. März in München; weiter beteiligte sie sich am Ostermarsch in München sowie an Veranstaltungen "gegen Rechts" und am Antikriegstag in mehreren bayerischen Städten. Einem Beitrag in den vom Landesverband Bayern herausgegebenen "antifa-nachrichten vom Oktober bis Dezember 2000" zufolge versuchen die Kreisvereinigung Hof und der sächsische Kreisverband Plauen, mit gemeinsamen Veranstaltungen im "fränkisch/vogtländischen Grenzgebiet" zusammenzuarbeiten. 2.2.4.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Deutschland Bayern Mitglieder: 300 50 Vorsitzender: Jürgen Wangler Gründung: 04./05.05.1968 Sitz: Essen Publikation: POSITION Linksextremismus 119 Die mit der DKP eng verbundene SDAJ versteht sich als SelbstorganiIdeologischer sation von Schülerinnen und Schülern, Studentinnen und Studenten, Gleichklang mit Auszubildenden und jungen Arbeitenden, unabhängig von ihrer Herder DKP kunft. Die SDAJ kämpft nach eigener Darstellung für eine Welt ohne Ausbeutung und Rassismus, für eine Welt, in der die Menschen und nicht die Konzerne das Sagen haben. Am 29. und 30. Januar führte die SDAJ in Gladbeck/Nordrhein-Westfalen ihren 15. Bundeskongress durch. Nach Angaben der DKP-ZeiBundeskongress tung "Unsere Zeit" (UZ) vom 4. Februar nahmen an der Veranstaltung rund 130 Delegierte und Gäste teil. Aus dem Ausland waren auch Vertreter der kommunistischen Jugendverbände Österreichs, Dänemarks, Griechenlands und Zyperns erschienen. Die KPF und die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) hatten ebenfalls Delegationen entsandt. Jürgen Wangler aus Bayern wurde zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Dem neuen BundesvorNeuwahl des stand gehören 20 Personen an, von denen sechs Personen die Bundesvorstands Geschäfte des Verbands führen. Der neue Vorsitzende hob in seiner Rede die in den letzten Jahren gelungene personelle und organisatorische Stärkung der SDAJ hervor. In den nächsten zwei Jahren will sich die SDAJ mit einem "Zukunftspapier ("Der Imperialismus muss überwunden werden!" und "Sozialismus ist die gesellschaftliche Alternative") und einer "Handlungsorientierung" beschäftigen, sich um die Schülerund Jugendpolitik kümmern und ihr Verbandsmagazin "POSITION" stärken. Im Zentrum der Internationalismus-Arbeit soll weiterhin auch die Solidarität mit Kuba und Serbien stehen. Die SDAJ veranstaltete ihr Pfingstcamp vom 9. bis 12. Juni auf einem Pfingstcamp Gelände der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus". In einem Beitrag des DKP-Zentralorgans UZ vom 16. Juni heißt es dazu, leider hätten keine echten Anti-AKW-Aktionen stattgefunden, gleichwohl sei das Camp eine perfekte Dialektik von Spaß und Politik gewesen. Wie traditionell üblich, hätten sich die Teilnehmer mit dem Mobiliar des Camps im Bau von Barrikaden geübt und Verhaltensmaßregeln bei gewalttätigen Polizeieinsätzen diskutiert. Weiter beteiligte sich die SDAJ an zahlreichen Veranstaltungen, wie Veranstaltungen z.B. an der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am 15. Januar in Berlin, am Jahrestag des "Angriffskriegs der NATO gegen Jugoslawien" am 24. März in München, am Ostermarsch in München, an der 1.-Mai-Demonstration in München, am DKP-Parteitag in Duisburg und an der Demonstration am 26. September (Oktoberfestanschlag) in München. 120 Linksextremismus 2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Deutschland Bayern Mitglieder: 2.000 140 Vorsitzender: Stephan Engel Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen Publikationen: Rote Fahne und Theorieorgan "lernen und kämpfen" Die MLPD wurde 1982 in Bochum als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in der BRD und Westberlin" gegründet. Die Partei Ideologische bekennt sich zu den Lehren von Marx, Engels, Lenin und Mao Ausrichtung Tse-tung. In ihrem Zentralorgan "Rote Fahne" führt sie in ihren ständigen "Informationen für neue Leserinnen und Leser" unter anderem aus: "Die MLPD wendet den Marxismus-Leninismus und die Maotsetungideen schöpferisch auf die heutige Situation an." Die Mitglieder stammen vor allem aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Sie sind in Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirken organisiert, die einer "zentralen Leitung" mit Sitz in Gelsenkirchen unterstehen. Die MLPD zählt bundesweit rund 2.000 Mitglieder, davon etwa 140 in Bayern. Nebenorganisation der Partei ist der Jugendverband REBELL. Von der MLPD beeinflusst ist der Frauenverband Courage. Weitgehende Die MLPD ist aufgrund ihrer sektiererischen Haltung im gesamten Isolierung linksextremistischen Lager isoliert. Von anderen linksextremistischen Parteien grenzt sie sich durch scharfe kritische Äußerungen ab. Teilnahme an Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai erhielt die Landtagswahl MLPD, die 1995 nicht kandidierte, 5.994 Wählerstimmen (= 0,1 %). Der Parteivorsitzende Stefan Engel führte die Landesliste "MLPD/Offene Liste" an. Bei der Bundestagswahl 1998 hatte die Partei in Nordrhein-Westfalen 3.727 Erststimmen, im gesamten Bundesgebiet seinerzeit 7.213 Stimmen erreicht. Obwohl die MLPD damit mehr Stimmen erhielt als die DKP, ändert dies an ihrer sektiererischen Position in der linksextremistischen Parteienlandschaft nichts. Mit der im Wahlkampf gestarteten Kampagne "Neue Politiker braucht das Land" bot sich die Partei als "Alternative des echten Sozialismus" an. Nach Angaben der Parteizeitung "Rote Fahne" (Nummer 10 vom 10. März) hätten Mitglieder innerhalb einer Woche Linksextremismus 121 63 Informationsstände mit 445 Teilnehmern durchgeführt. 210 MLPD-Mitglieder von Gliederungen außerhalb Nordrhein-Westfalens, der Jugendverband REBELL und Rotfuchsgruppen hätten sich an Wahlkampfaktionen beteiligt. Unter der Leitung der frauenpolitischen Sprecherin der MLPD, Monika Gärtner-Engel, fand am 8. März in München ein "Kritischer Aschermittwoch" statt. Vor rund 60 Zuhörern sprach Monika Gärtner-Engel insbesondere über die Stärkung der Rolle der Frauen. Sie kündigte an, dass die MLPD dazu ein Buch mit dem Titel "Der Klassenkampf und der Kampf um die Befreiung der Frau" herausgeben werde. Dieses Buch bildet nach Ansicht von Monika Gärtner-Engel die wichtigste theoretische Grundlage für den Selbstveränderungsprozess der Partei. In Bayern beteiligte sich die MLPD darüber hinaus an Veranstaltungen Veranstaltungen gegen Faschismus/Rassismus und betrieb einzelne Info-Stände, hauptin Bayern sächlich zu dem Thema "Echter Sozialismus". 2.4 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Deutschland Bayern Mitglieder: 200 100 Gründung: 1973 Sitz: München Publikation: Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) Mehrere örtlich tätige maoistisch orientierte Arbeiterbasisgruppen schlossen sich 1973 zum AB zusammen. Dieser beruft sich in seinen programmatischen Aussagen auf den Marxismus-Leninismus und die Ideen Stalins sowie Mao Tse-tungs. Sein Ziel ist die Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse" und die "Errichtung einer Diktatur des Proletariats", um den Kommunismus in einer "klassenlosen Gesellschaft" zu verwirklichen. Der AB bekennt offen, dass dies nur Bekenntnis zur mit Gewalt zu erreichen sei, da die "herrschende Klasse" nicht freiGewalt willig auf ihre Macht verzichte. Der AB ist vorwiegend in Bayern tätig. Es bestehen Gruppen in AugsOrganisationsburg, München, Nürnberg und Regensburg. "Freundeskreise" in Münstrukturen chen, Nürnberg und Regensburg sollen den AB finanziell unterstützen. 122 Linksextremismus In weiteren Städten des Bundesgebiets verfügt der AB über Ortsgruppen bzw. Stützpunkte. Die Gesamtmitgliederzahl blieb konstant bei Zwei AB-Flügel etwa 200, davon rund 100 in Bayern. Der AB ist in zwei Flügel gespalten. Der größere, die Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung (Gruppe KAZ) steht der DKP, der kleinere Flügel der PDS nahe. Der Großteil der Mitglieder der Gruppe KAZ hat sich 1997 in Form einer Doppelmitgliedschaft der DKP angeschlossen. Beide Flügel sehen sich in der Tradition des AB, zeigten aber wie in den Vorjahren nur geringe Aktivitäten. 2.5 Marxistische Gruppe (MG) Deutschland Bayern Mitglieder: 10.000 700 Aktive Leitung: Funktionärsgruppe Gründung: 1969/1970 ("aufgelöst" zum 1. Juni 1991) Sitz: München Publikation: GEGENSTANDPUNKT Die MG, 1969/1970 aus der Gruppierung Rote Zellen hervorgegangen, hat am 21. Mai 1991 ihre "Auflösung" erklärt. Sie blieb jedoch mit etwa 10.000 Anhängern eine der größten linksextremistischen Organisationen in Deutschland. Von den rund 4.200 Anhängern in Bayern sind etwa 700 aktiv. Die Aktivisten trafen sich bei regelmäßiRegelmäßige gen "Jour fixe" bzw. GEGENSTANDPUNKT-DiskussionsveranstaltunVeranstaltungen gen in München und Nürnberg. Dabei wird nicht der frühere Organisationsname verwendet, sondern die Bezeichnung der von führenden MG-Funktionären herausgegebenen politischen Vierteljahreszeitschrift GEGENSTANDPUNKT. Diese Publikation erscheint seit 1992. Die MG befasste sich in ihren öffentlichen Äußerungen, die regelmäßig auch im "Lokalradio München" (LORA) gesendet werden, mit Themen wie "Korruption - vom Zusammenwirken von Staat und Kapital", "Der Rechtsstaat und Entschädigungsfragen aus der NS-Zeit" und "Arbeitszeiten nach Maß des Kapitals". 2.6 Münchner Bündnis gegen Rassismus LinksextremisAn dem linksextremistisch beeinflussten Münchner Bündnis gegen tischer Einfluss Rassismus mit seinen rund 40 Anhängern beteiligen sich linksextre- Linksextremismus 123 mistische Gruppierungen wie die PDS, DKP, AB, Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP), die Sozialistische Arbeitergruppe (SAG), die linksextremistisch beeinflusste Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) und - anlassbezogen - auch demokratische Gruppierungen. Die Leitung bei Treffen und Veranstaltungen oblag meist Aktivisten der linksextremistischen Gruppierungen. Diese zeichneten auch für Flugblätter des Bündnisses presserechtlich verantwortlich. Das Bündnis fungierte als Träger für eine Vielzahl von Aktivitäten, zu denen kleinere Gruppen alleine nicht in der Lage waren. Es beteiligte sich auch an Veranstaltungen von linksextremistischen, insbesondere autonomen Gruppierungen. Schwerpunktthemen des Münchner Bündnisses gegen Rassismus Schwerpunktwaren Antirassismus sowie Antifaschismus. Hierzu wurden zahlreiche themen Demonstrationen, Diskussionsveranstaltungen, Flugblattverteilungen, Info-Stände und Mahnwachen durchgeführt. Zum Gedenken an das Oktoberfestattentat gründete sich am 26. September ein Bündnis, das noch am selben Tage eine Gedenkveranstaltung in München durchführte, an der sich auch die trotzkistische SAG als Unterstützer beteiligte. Die SAG betreibt mit Hilfe ihrer 1994 gegründeten Tarnorganisation "Linksruck-Netzwerk" eine "Linksruckgezielte Infiltration bei den Jungsozialisten der SPD. Mit dieser "EntNetzwerk" rismus" genannten Strategie sollen Kader zur Stärkung der eigenen Organisation unter den Jusos angeworben werden. Das "Linksruck-Netzwerk" verfügt in Bayern über Ortsgruppen in Augsburg, München, Regensburg, Rosenheim und Würzburg. 3. Gewaltorientierte Linksextremisten 3.1 Autonome Gruppen Deutschland Bayern Mitglieder: rund 6.000 500 Gründung: meist themenbezogene Zusammenschlüsse seit Ende der 70er Jahre Sitz: lokale Gruppen Publikationen: Szeneblätter, z.B. INTERIM; auf lokaler Ebene unter anderem: barricada 124 Linksextremismus 3.1.1 Überblick Unverminderte Die Gewaltbereitschaft der Autonomen stellt weiterhin einen wesentGewaltbereitlichen Teil der Bedrohung der Inneren Sicherheit in Deutschland dar. schaft Wie in den Vorjahren waren Autonome für über 80% der linksextremistisch motivierten Gewalttaten verantwortlich. Autonome Gruppierungen beschäftigen sich mit nahezu allen Themenbereichen linksextremistischer Propaganda. Durch geschickte Agitation versuchen sie, auch demokratische Protestbewegungen für ihren Kampf gegen den Staat zu mobilisieren. Die Schwerpunkte ihrer Aktivitäten liegen nach wie vor im Bereich Antifaschismus. Daneben gewannen auch Themen wie Ausländerund Flüchtlingspolitik ("Antirassismus") und Aktionen gegen beabsichtigte Castor-Transporte wieder an Bedeutung. Gerade bei ihren Aktionen gegen den Rechtsextremismus gelingt es ihnen vermehrt, demokratische Gruppen einzubeziehen. In Bayern sind derzeit keine autonomen Zusammenhänge feststellbar, die - nach dem Vorbild terroristischer Gruppierungen wie die Revolutionären Zellen (RZ) - Modelle des "Guerillakampfes" propagieren und aus der "Legalität" heraus als so genannte Feierabendterroristen planmäßig terroristische Straftaten verüben. 3.1.2 Ideologische Ausrichtung und Aktionsformen Autonome haben kein einheitliches ideologisches Konzept. Sie folgen unklaren anarchistischen und anarchokommunistischen Vorstellungen. Die einzelnen Gruppen bilden sich meist über Aktionsthemen. Ablehnung von Einig sind sich die Autonomen in der Ablehnung von Staat und Staat und Gesellschaft. Ihr Ziel ist die gewaltsame Abschaffung des Staats und Gesellschaft seiner Institutionen, um an seiner Stelle eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" zu errichten. Das provozierende Auftreten der Autonomen in der Öffentlichkeit, ihre staatsfeindliche Haltung, die Ablehnung gesellschaftlicher Normen und Werte, aber auch das Bejahen von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Forderungen und Ziele kommen der Protesthaltung mancher junger Menschen entgegen, vor allem, wenn diese mit Problemen im Elternhaus oder in der Schule bzw. Ausbildung konfrontiert werden. Dieses gemeinsam empfundene, alle Attraktivität für Bereiche umfassende Lebensgefühl geht über - möglicherweise junge Menschen unterschiedliche - politische Vorstellungen hinaus und schafft Bindungen. Angehörige bzw. Aktivisten der Autonomen unterscheiden sich soziologisch zunächst kaum von anderen Jugendlichen oder jun- Linksextremismus 125 gen Erwachsenen. Sie sind Schüler, Studenten und Auszubildende, schließen aber vielfach ihre Lehre oder Studium nicht ab. Das Erscheinungsbild und vor allem die Taktik der Autonomen bei Demonstrationen hat sich gewandelt. Die Formierung von so Geänderte Taktik genannten schwarzen Blöcken bei Demonstrationen als Symbol für militanten Antifaschismus und eine Politik, die das Gewaltmonopol des Staats nicht anerkennt, ist nur noch vereinzelt festzustellen. Inzwischen machen Autonome den Demonstrationsablauf primär von der Einschätzung der Durchsetzbarkeit und des Kräfteverhältnisses gegenüber der Polizei ab. Die starke Polizeipräsenz zur Verhinderung tätlicher Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten bei rechtsextremistischen Versammlungen hat dazu geführt, dass die Zielsetzungen autonomer Antifa-Gruppierungen, rechtsextremistische Strukturen und Personen gezielt "anzugreifen" und "faschistische Veranstaltungen effektiv zu beund verhindern", größtenteils nicht erreicht werden konnten. Die Autonomen führen kaum noch eigene öffentliche Veranstaltungen durch ("Minimalkonzept"). Sie "Minimalkonzept" mischen sich stattdessen unter die Teilnehmer anderer Gegenveranstaltungen und gehen bei geringer oder fehlender polizeilicher Präsenz militant "gegen Faschisten" vor. Die zeitweise Differenzierung zwischen Gewalt gegen Personen und Gewalt gegen Sachen wird zunehmend aufgegeben. Die seit dem letzten Jahr relativ hohe Zahl der Körperverletzungsdelikte von Linksextremisten gegen "Rechte" oder vermeintlich "Rechte" zeigt, dass die Autonomen Gewaltanwendung gegen politische Gegner als legitimes Mittel ansehen. 3.1.3 Strukturen 3.1.3.1 Autonome in Bayern Insgesamt gehören den autonomen Strukturen in Bayern knapp 500 Strukturelle Personen an. Die autonomen Gruppierungen bezeichnen sich als rote Ansätze antifa nürnberg (ran), antifaschistisch kämpfen (münchen), Antifaschistische Jugendfront (AJF), Antifaschistische Aktion (AA), Jugend gegen Rassismus (JgR), Antifaschistische Aktion in der OA (AAOA) und Organisierte Autonomie (OA). Die frühere grundsätzliche Ablehnung von Organisationsformen und verbindlichen Strukturen haben die Autonomen größtenteils aufgegeben. Örtliche Brennpunkte der Autonomen in Bayern sind Nürnberg und Schwerpunkte München. Die autonome Szene in Nürnberg mit etwa 140 Anhänin Bayern 126 Linksextremismus Autonome in Bayern 2000 Coburg* (Schwerpunkte) Aschaffenburg Bayreuth Raum Aschaffenburg Raum Würzburg Bayreuth ca. 25 Raum ca. 20 Würzburg ca. 30 Nürnberg Sulzbach-Rosenberg Großraum Nürnberg, Raum Fürth, Erlangen Sulzbach-Rosenberg ca. 140 ca. 30 Regensburg* Angehörige der autonomen Szenen *) Ingolstadt* Passau Autonome Großraum Landshut* Raum Kleinstgruppen Passau Augsburg Neu-Ulm* ca. 20 ca. 20 Augsburg Großraum München München ca. 150 Rosenheim* gern ist gefestigt. Das "Stadtteilzentrum Schwarze Katze" und das "Internationale Kulturhaus" haben als Anlaufund Kontaktstellen das "Künstlerhaus K4", vormals "Kommunikationszentrum (KOMM)", endgültig abgelöst. Die etwa 150 Münchner Autonomen beschäftigten sich ganz überwiegend mit dem Thema "Antifaschismus". Anfang des Jahres trennte sich die neue militante Gruppe antifaschistisch kämpfen münchen[ak(m)] von der Antifaschistischen Aktion München (AAM). Als Anlaufund Kontaktstelle hat für sie der autonome "Infoladen" im Stadtteil Haidhausen nach wie vor zentrale Linksextremismus 127 Bedeutung. Die Passauer Autonomen zeigten insgesamt geringe Aktivitäten. Daneben bestehen autonome Gruppierungen unter anderem in den Bereichen Aschaffenburg, Augsburg, Bayreuth, Neu-Ulm, Sulzbach-Rosenberg und Würzburg. Auch aus anderen Städten wurden Aktivitäten der autonomen Szene bekannt; dort bestehen meist nur Kleinund Kleinstgruppen. Seit 1998 tritt das Antifaschistische Aktionsbündnis Bayern (AABB) Bayerisches öffentlich in Erscheinung. Dieses Bündnis dient vor allem dazu, den Aktionsbündnis "antifaschistischen Widerstand" in Bayern zu beleben bzw. zu organisieren. Die gemeinsamen Treffen der an diesem Bündnis teilnehmenden autonomen Antifa-Gruppierungen bilden die Grundlage für die Koordination der politischen Arbeit und der bayernweiten Kampagnen und Aktionen. Durch das Bündnis soll die örtliche Antifaschismus-Arbeit wesentlich verstärkt werden. Im AABB sind knapp 20 Gruppierungen organisiert, darunter Gruppen aus Aschaffenburg, Augsburg, Bayreuth, Ingolstadt, Landshut, München, Nürnberg, Passau, Regensburg, Sulzbach-Rosenberg, Ulm/Neu-Ulm und Würzburg. Ein Pendant zum AABB entstand auch in Baden-Württemberg. In Verbindungen einem Faltblatt "antifaschismus mehr als nur gegen nazis" erläutert nach Baden-Würtdas Antifaschistische Aktionsbündnis Baden-Württemberg (AABW) temberg seine Zielsetzung: "Ein wirkungsvoller Antifaschismus muss sich gegen die Wurzeln des Faschismus richten, die im kapitalistischen System, sowie in gesellschaftlicher und staatlicher, rassistischer und sexistischer Unterdrückung liegen. Der Kampf gegen den Faschismus muss (...) den Kampf für eine klassenlose Gesellschaft bedeuten! Deshalb: Kein Antifaschismus ohne revolutionäre Perspektive!" Diesem Aktionsbündnis gehören auch einzelne bayerische Szenen an. 3.1.3.2 Antifaschistische Aktion/ Bundesweite Organisation (AA/BO) Die AA/BO hat wesentliche Bedeutung für die gewaltbereite autonoDachorganisation me antifaschistische Szene und ist eine Art Dach für gewaltorientierdes militanten te Gruppierungen zur Verankerung und Verbreiterung des WiderWiderstands stands gegen Staat und Gesellschaft. Der AA/BO gehören Gruppierungen aus rund zehn Städten im Bundesgebiet an. Ihr ist es trotz aller Widerstände gelungen, im autonomen Bereich eine dauerhafte Organisationsstruktur zu schaffen. Eine zentrale Rolle in dieser Orga- 128 Linksextremismus nisation nimmt die militante Autonome Antifa (M) in Göttingen ein. Die Aktivitäten der Mitgliedsgruppe AA Passau sind deutlich zurückgegangen. Aus Bayern gehören der AA/BO außerdem noch die rote antifa nürnberg (ran) und die Antifaschistische Aktion in der OA (AAOA) aus Nürnberg an. Im Rahmen der Vernetzung von Gruppen spielen vor allem ehemalige Passauer Aktivisten bundesweit eine wichtige Rolle. In Berlin, Hamburg und Göttingen wirken sie stabilisierend auf die politische Arbeit der dortigen Gruppierungen. Die linksextremistische Zielsetzung der AA/BO zeigt sich unter anderem an der von ihr propagierten These, dass sich der Antifaschismuskampf gegen die Grundpfeiler der "bürgerlichen Herrschaft" richten müsse. Die Parole lautet: "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System." In einem Aufruf zur diesjährigen "Luxemburg-Liebknecht-Demonstration" am 9. Januar in Berlin führt die AA/BO aus, Ansatzpunkt Antifaschismus ihrer Politik sei der revolutionäre Antifaschismus. Es werde immer deutlicher, dass der rechte Vormarsch der Gesellschaft zwar in Wechselwirkung mit der faschistischen Ideologie der Rechtsextremisten voranschreite, die wesentlichen Entwicklungen reaktionärer Tendenzen jedoch aus der Mitte der Gesellschaft kämen. Die antifaschistische Bewegung müsse deshalb in gesellschaftliche Bereiche intervenieren. Dennoch bleibe der Kampf gegen den organisierten Neofaschismus ein bedeutender Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit. Bundesweite Die von der AA/BO initiierte Kampagne "Antifa Offensive 99 - den Kampagne rechten Vormarsch stoppen", in deren Rahmen bundesweit eine Vielzahl von Demonstrationen, Veranstaltungsreihen und anderen Aktionen gegen rechtsextremistische Strukturen stattfand, hat ihr Ziel, die Basis für die AA/BO zu verbreitern und weitere Mitstreiter zu gewinnen, auch nach eigenen Angaben nicht erreicht. Nach Ansicht der AA/BO hat die "Antifa-Offensive 99" jedoch hinsichtlich des Aufbaucharakters, der Weiterentwicklung und der Verfestigung der Strukturen der Antifa-Bewegung ihren Zweck erfüllt. So gebe es ein Potenzial von ungefähr 30 Gruppen, die an der Politik der AA/BO und einer Zusammenarbeit mit ihr interessiert seien. Die AA/BO sieht sich als Impulsgeberin für autonome Antifa-Gruppen. Eine schlagkräftige antifaschistische Bewegung aus der Sicht der AA/BO-Gruppen sei nur durch eine Bündelung aller Kräfte und durch Linksextremismus 129 weitere Verbesserung der Organisation zu erreichen. Dies entspricht jedoch nicht dem Grundverständnis des überwiegenden Teils der autonomen Szene. Autonome, wie die im "Bundesweiten Antifa Treffen" (BAT) lose organisierten Gruppen, sind zwar bereit, sich an Aktionen zu beteiligen, begegnen aber einem höheren Organisierungsgrad mit großer Skepsis. Dies hat letztendlich dazu beigetragen, dass der erhoffte Zuwachs an Mitgliedsgruppen ausblieb. 3.1.4 Informationelle Vernetzung Die aktiven bayerischen Szenen sind als Mitgliedsgruppen der AA/BO bzw. durch lose Kontakte zur AA/BO oder als Teil der Struktur der "Bundesweiten Antifa Treffen" (BAT) in den Informationsaustausch autonomer Gruppierungen eingebunden. Für den lokalen, überregionalen und internationalen Informationsaustausch verwenden Autonome darüber hinaus Szenepublikationen, Infoläden, Szenelokale/AnlaufstelInfoläden len sowie verdeckte informelle Strukturen wie Telefonketten, aber auch Mailboxverbundsysteme und das Internet. In Bayern bestehen Infoläden unter anderem in Augsburg, München, Nürnberg und Landshut. Bei bundesweiten Infoladen-Vernetzungstreffen wird über "Konzepte und Perspektiven", aber auch über "Kämpfe und Widerstandsformen" diskutiert. Um die Vernetzung und den Austausch der Infoläden untereinander zu fördern, wurden "zentrale Internetseiten" eingerichtet. Linksextremisten nutzen seit Jahren die Vorteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten. Das in früheren Jahren genutzte "Spinnennetz" ist seit der Auflösung der Rote Armee Fraktion (RAF) nicht mehr existent. Eine immer größere Bedeutung hat inzwischen die Nutzung des Internets erlangt. Darin werden, zum Teil über auslänNutzung des dische Anbieter, Nachrichten und Publikationen mit teilweise strafInternets barem Inhalt verbreitet. "Antifa-Treffen", vor allem überregionale, werden in der Regel frühzeitig im Netz angekündigt. Die Beiträge umfassen auch Selbstdarstellungen autonomer Zusammenschlüsse sowie Angebote verschiedener linksextremistischer Publikationen, z.B. die anarchistische "graswurzelrevolution". 3.1.5 Autonome Publikationen Eine weitere Informationsmöglichkeit bietet sich den Autonomen durch die Szenepublikationen. Diese werden oft konspirativ herge- 130 Linksextremismus stellt und verbreitet. Neben der Berichterstattung über autonome Aktivitäten schüren die Publikationen vor allem den Hass gegen die Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Sie enthalten ferner unverhohlene Aufforderungen und Anleitungen zu Gewalttaten, unter anderem gegen Rechtsextremisten und deren Einrichtungen. Von den bundesweiten Szeneblättern hat nach wie vor die regelmäßig erscheinende, aus Berlin stammende Publikation INTERIM zentrale Bedeutung. Themenschwerpunkte in den autonomen Publikationen waren "Antifaschismus", "Zustand und Perspektiven antifaschistischer Arbeit", "revolutionäre Organisierung der Linken", "rassistische Flüchtlingspolitik" und "Repression gegen Antifaschisten". Daneben waren wie in den Vorjahren eine Vielzahl von Selbstbezichtigungsschreiben zu Anschlägen sowie Handlungsanleitungen zu Straftaten abgedruckt. Die Themenbereiche "kurdischer Befreiungskampf" und die "Anti-AKW-Bewegung" fanden nur geringe Beachtung. In Bayern publizieren Autonome aus dem Bereich Nürnberg vor allem in der regelmäßig erscheinenden Schrift barricada und seit Juni auch in der "Grossraumzeitung - Nürnberg/Erlangen/Fürth". In München erscheint seit Anfang des Jahres die Publikation "Out of control". Oft werden auch nur Artikel aus bundesweiten Szenepublikationen wie INTERIM von den bayerischen Szeneblättern übernommen und durch Hinweise auf aktuelle Themen und Termine der örtlichen oder regionalen Szene ergänzt. 3.1.6 Schwerpunktthemen und Aktionen Beherrschendes Thema für die Autonomen in Bayern war auch in diesem Jahr der Antifaschismus. Bedeutung behielt auch die seit geraumer Zeit geführte Strategiediskussion. Eine untergeordnete Rolle spielten die Themen Asylproblematik/Rassismus, der "Friedenskurs" der PKK, die EXPO 2000 und der Gipfel des Internationalen Wäh- Linksextremismus 131 rungsfonds (IWF) in Prag. Im Zusammenhang mit den Aktionen war Zunahme der auch eine Reihe von Gewaltund Straftaten zu verzeichnen. Die Zahl Gewalttaten der Gewalttaten beträgt 39 (vgl. auch Nummer 3.2 dieses Abschnitts). 3.1.6.1 Strategiedebatte Seit geraumer Zeit ist in der autonomen Szene eine Diskussion über die Zukunft revolutionären Widerstands im Gang. In zahlreichen Beiträgen in Szenepublikationen wie der militanten autonomen Szenepublikation INTERIM wird dabei eine Verengung der Aktionsthemen insbesondere auf den Bereich Antifaschismus beklagt. Gefordert Suche nach neuen wird, bei der Wahl der Themen und Angriffsziele des gewaltbereiten Aktionsthemen Widerstands auch neue Technologien mit einzubeziehen. Themen der Zukunft seien "Antifaschismus", "Antirassismus" und "Anti-Castor". Als Mittel müssten alle Aktionsformen bis hin zu Brandund Sprengstoffanschlägen in Betracht gezogen werden. Ziel der gegenwärtigen Diskussion ist es, die Handlungsund Mobilisierungsfähigkeit auch in Zukunft aufrechtzuerhalten und langfristige Perspektiven zu entwickeln. Derzeit sehen sich viele Gruppen in einer Schwächephase. Schwächephase Über den Zustand der autonomen Antifa-Bewegung und anderer revolutionärer Politikansätze in Deutschland heißt es in dem in Berlin erscheinenden "Antifaschistischen INFO-BLATT" (AIB) Nummer 50 vom Mai: "Im Moment steht die Antifabewegung mit dem Rücken zur Wand, sie ist damit belastet, Angriffe auf allen Ebenen abzuwehren. Unserer Ansicht nach hat ein revolutionärer Ansatz momentan in Deutschland keine Perspektive." Nummer 502 vom 18. Mai der Publikation INTERIM veröffentlichte den Beitrag einer "verdeckt organisierten" Gruppe aus der Region Stuttgart-Neckar-Alb mit der Überschrift "Clandestino - für eine Wiederentdeckung militanter Politik". Die Gruppe, die nach eigenen Angaben bereits seit längerem versucht, über militante Aktionen politisch zu intervenieren, will die Diskussion über politische Militanz und militante Perspektiven in die "jüngere Generation der Anti-Atombewegung" tragen. Die Verfasser fordern unter anderem eine DebatErörterung militante über die neue Einstellung zu militanter Politik. Wörtlich heißt es: ter Politikformen "Uns geht es bei der Praktizierung militanten Widerstands nicht nur darum, konkret einzugreifen und auf eine Verbreitung dieser Aktionsformen zu setzen. (...) Politische Militanz ist für uns die Basis und Voraussetzung für 132 Linksextremismus neu zu entwickelndes linksradikales Bewusstsein. Unsere Erfolgserlebnisse bestehen zwar nicht in der Herbeiführung revolutionärer Verhältnisse, doch können wir zumindest in den reibungslosen Ablauf des Systems eingreifen und werden für dieses zum unkalkulierbaren Risikofaktor." Ziel sei es, eine Initiative zu starten, um den Rückzug und die momentane Orientierung großer Teile der "Restlinken" an reformistischen Strategien zur Diskussion zu stellen. Hierzu soll eine Debatte über das staatliche Gewaltmonopol als herrschendes Ordnungsprinzip gesucht und die These eingebracht werden, dass eine Überwindung des Herrschaftssystems nur mit nicht integrierbaren Politikformen und Inhalten möglich sei. Auch in München zeigten sich Auswirkungen dieser Debatte. Nach Spaltergruppe mit einer Spaltung der AAM entstand im Januar 2000 eine neue Gruppieantikapitalistischer rung mit der Bezeichnung antifaschistisch kämpfen münchen [ak(m)]. Zielsetzung In einer Stellungnahme erklärten die ak(m)-Angehörigen, in der AAM habe es nie Diskussionsansätze gegeben, die über die reine Antifaschismusarbeit hinausgegangen seien. Dies sei aber notwendig, um eine gemeinsame theoretische Grundlage für die politische Praxis zu entwickeln. "Radikaler Antifaschismus heißt deshalb für uns, den Nährboden anzugreifen: Das kapitalistische System". In einem in der Berliner Szenezeitschrift INTERIM Nummer 492 vom 27. Januar veröffentlichten Kritikpapier begründeten Angehörige der ak(m) ihre Trennung von der AAM. In derselben Ausgabe ist auch eine Stellungnahme der AAM abgedruckt. Demnach müsse ein neues Praxiskonzept die langfristige Arbeit in den Vordergrund stellen. Die ak(m) sei nicht nur antifaschistisch, sondern auch antistaatlich orientiert. Dazu gehöre auch die Bündelung der radikalen antifaschistischen Kräfte in München. Das erste Projekt der ak(m) stellte die Herausgabe der Zeitung "Out of control" dar. Die militante autonome Gruppierung "Organisierte Autonomie" (OA) aus Nürnberg vertrat in der Nürnberger Szenepublikation "barricada" vom Januar 2000 zu ihrem strategischen Ansatz die Auffassung, Ziel müsse es sein, eine revolutionäre Organisation aufzubauen, die auf kollektiver, gesamtgesellschaftlicher Analyse und Kritik sowie Strategie und Praxis basiere, um eine wirksame "Gegen- Linksextremismus 133 macht von unten" gegen die herrschenden Verhältnisse zu schaffen. Nach Auffassung der OA sei derzeit die Antifaschistische Aktion/Bundessweite Organisation (AA/BO) innerhalb der Antifa-Bewegung die am weitesten entwickelte Kraft und der einzige kontinuierlich arbeitende bundesweite autonome Organisationsansatz. In Nürnberg soll Streben nach zunächst ein Stadtteil (Gostenhof) zur "Roten Zone" erklärt werden. lokaler Dominanz Dort wolle man sich konzentrieren und gegenseitig stärken, um zu einem gemeinsamen solidarischen Handeln gegen die herrschenden Kräfte zu kommen, das heißt, den Kampf gegen Staat und Gesellschaft, insbesondere aber gegen Rechtsextremisten und deren Strukturen, führen zu können: "Es geht darum, erst einmal einen Stützpunkt mit Ausstrahlungskraft, einen Fixpunkt mit Anziehungskraft zu errichten. Längerfristig darf es natürlich nicht bei dem einen bleiben." Wie die OA weiter betonte, könne die Präsenz in den Stadtteilen dafür sorgen, dass "Nazis keinen Fuß auf den Boden" bekämen und die "Autorität anderer Büttel der herrschenden Ordnung" gezielt untergraben werde. 3.1.6.2 Antifaschismus Im Mittelpunkt der Aktivitäten autonomer Gruppen in Bayern stanHauptmotiv der den wie im Vorjahr Aktionen und auch Gewalttaten gegen rechtsGewalttaten exremistische Veranstaltungen, aber auch gezielte Angriffe gegen einzelne tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten. Von den 39 in Bayern verübten Gewalttaten entfallen 38 auf diesen Bereich. Die bundesweit verübten Gewaltdelikte im Bereich Antifaschismus stellen den Schwerpunkt linksextremistischer Gewalt dar. Linksextremisten spähen ihre politischen Gegner ebenso wie Rechtsextremisten gezielt aus und veröffentlichen seit Jahren entsprechende Steckbriefe Steckbriefe in ihren Publikationen. Durch die öffentliche Diskussion über Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und das Verbot rechtsextremistischer Parteien und Organisationen hat dieses Thema bundesweit erheblich an Bedeutung Ablehnung staatgewonnen. Die Autonomen werfen den staatlichen Entscheidungslicher Konzepte trägern vor, sie äußerten zwar Empörung über fremdenfeindliche Ausschreitungen von Rechtsextremisten, nutzten aber die angeblich auch in breiten Teilen der Bevölkerung vorhandenen Vorbehalte 134 Linksextremismus gegen Ausländer und deren Zuzug nach Deutschland zu Gesetzesverschärfungen. Der "Naziterror" sei überdies willkommener Vorwand für den Ausbau weiterer Überwachungskonzepte. Die "Linken" dürften sich aber keinesfalls aus der öffentlichen Diskussion heraushalten. So erklärten Angehörige der autonomen Antifa-Szene in der INTERIM Nummer 509 vom 7. September, auch wenn die Debatte aufgesetzt und unehrlich sei, rechtfertige dies keinen Rückzug in beleidigte Untätigkeit. Die kulturelle Hegemonie der Rechtsextremisten stehe jetzt im Mittelpunkt des Interesses und zur Disposition. Im Rahmen des Antifaschismus bemühen sich Autonome nach wie Bündnisvor, "Zweck-Bündnisse" mit linksextremistischen Gruppierungen und bemühungen Parteien, aber auch mit demokratischen Kräften einzugehen. Gerade die aktuelle Debatte über die Bekämpfung des Rechtsextremismus biete einen geeigneten Ansatzpunkt, neue Kontakte zu knüpfen und den Bezug zu anderen Gruppen herzustellen. Anlass für diese oft kurzzeitigen Bündnisse waren in der Regel Demonstrationen, Versammlungen, Mahnwachen und Informationsstände gegen Aktivitäten rechtsextremistischer Gruppierungen. Exemplarisch für den Stellenwert und die Bedeutung der Bündnispolitik erklärten "Autonome Traditions-Antifas" in der INTERIM Nummer 509 vom 7. September, bis zum Beginn der 90er Jahre sei die Antifa noch politikfähiger und in der Lage gewesen, in Form und Inhalt deutlich wahrgenommen zu werden. Danach habe sie die Fähigkeit der Zusammenarbeit in Bündnissen verloren: "Antifa-Gruppen agieren heute nicht mehr im Abgleich und Austausch zu anderen gesellschaftlichen Gruppen, sondern neben ihnen. Das ist für eine politische Bewegung, die auch in die Gesellschaft wirken und diese verändern will - und Antifa kann keine prinzipiell antagonistische Bewegung wie Nie wieder Deutschland sein - zu wenig." Auch wenn es mühselig und undankbar sei, gehöre zu den Aufgaben der Antifa das permanente Suchen nach Bündnispartnern. Diese finden die Autonomen auch in der PDS. Auch die PDS setzt ihre Diskussion um Bündnispolitik und Aktionsformen in der Antifaschismusarbeit fort. In einem Leserbrief ("Neues Deutschland" vom 20. Juli) äußert sich ein Mitglied der "Linken StudentInnengruppe/LSG Leipzig" zum Verhältnis zwischen der autonomen Szene und der PDS. Er führte unter anderem aus, er verstehe nicht, wie man repressive Maßnahmen der Polizei gutheißen könne. Steine werfen sei eine Form militanter politischer Auseinanderset- Linksextremismus 135 zung, egal wie dies im Einzelfall zu bewerten sei. Die autonome Antifa bleibe für absehbare Zeit die konsequenteste Kraft. Die PDS sei auf Anstöße aus der autonomen Szene und diese umgekehrt auf Unterstützung der PDS angewiesen. 3.1.6.3 Antifaschistische Aktionen in Bayern In Bayern beteiligten sich Autonome unter anderem an folgenden Aktionen: Am 22. Januar versuchten linksextremistische Gruppierungen, in Angriffe auf einem breiten "Bündnis gegen Rechts" einen Aufzug des LandesverNPD-Veranstalbands der Jungen Nationaldemokraten (JN) Bayern in Neuburg a.d. Dotungen nau zu verhindern. Die rund 50 teilnehmenden Autonomen waren zum Teil mit Bauzaunteilen bewaffnet und störten den Aufzug mit Sprechchören, Pfeifkonzerten und durch drei kurzzeitige Blockaden. Dazu aufgerufen hatte die autonome "Aktionsgruppe Antifaschismus Ingolstadt" im Internet unter dem Motto "Den ersten Naziaufmarsch im neuen Jahrtausend zum Fiasko werden lassen!". Die Polizei leitete wegen der Blockaden unter anderem Verfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ein. In Hammelburg, Landkreis Bad Kissingen, störten etwa 100 Autonome aus verschiedenen nordbayerischen Städten am 26. Februar einen NPD-Aufzug. Während der Gegenkundgebung, die unter dem Motto stand: "Die Faschos marschieren und Deutschland schläft wieder - haut die Glatzen bis sie platzen - nicht mit uns!", kam es unter anderem zu Sachbeschädigungen an Fahrzeugen von NPD-Teilnehmern. Die Polizei nahm mehrere Personen fest, unter anderem wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs. In Fürth demonstrierten am 1. Mai etwa 3.000 Personen, darunter zahlreiche Autonome, gegen einen Aufzug der NPD. Nachdem Gegendemonstranten den Zugweg der NPD versperrten, änderte die Polizei die Demonstrationsroute der NPD. Als etwa 300 Gegendemonstranten auch den neuen Zugweg mit Sitzblockaden abriegeln wollten, löste die Polizei die Blockaden auf. Im Zusammenhang mit der Gegenveranstaltung nahm die Polizei insgesamt 15 Gegendemonstranten unter anderem wegen Verstößen gegen das Versammlungsund Waffengesetz, Körperverletzung und Widerstands gegen Polizeibeamte fest. Am Abend desselben Tages griffen in München etwa 30 Autonome eine Gruppe von sechs zurückgereisten Teil- 136 Linksextremismus nehmern der NPD-Kundgebung in Fürth an. Die Autonomen drohten: "Die Antifa haut euch jetzt ein paar aufs Maul!", worauf die Angegriffenen in verschiedene Richtungen flüchteten. Ein NPD-Anhänger wurde verletzt. Ausschreitungen Die Antifaschistische Aktion Passau (AAP), Mitgliedsgruppe in der gegen eine militanten Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO), NPD-Kundgebung organisierte die linksextremistischen Gegenaktionen gegen eine in Passau Großkundgebung der NPD am 27. Mai in der Nibelungenhalle in Passau. Ziel war hier die Verhinderung oder zumindest massive Störung der NPD-Kundgebung durch Blockadeaktionen und andere Aktivitäten. In Kleingruppenaktionen versuchten die Autonomen ihr Blockadekonzept umzusetzen. Im Verlauf dieser Aktionen wurde ein Polizeibeamter auf die Fahrbahn gestoßen und von einem Bus angefahren. Der Polizeibeamte erlitt eine Fußfraktur. Fünf Reisebusse mit Teilnehmern der NPD-Versammlung wurden durch Steinwürfe beschädigt. An den Bussen entstand Sachschaden von etwa 30.000 DM. Die Täter waren zum Teil schwarz gekleidet und vermummt. Vor, während und nach den Versammlungen nahm die Polizei 52 Personen, davon 36 aus dem linksextremistischen Spektrum, wegen Landfriedensbruchs, Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und sonstiger Straftaten fest. Die Polizei stellte unter anderem Stahlketten, Stuhlbeine, Pflastersteine, Messer, Nietenarmbänder, CSund Pfeffersprays als Waffen sicher. Es gelang den Linksextremisten nicht, die eigentliche Veranstaltung der NPD in der Nibelungenhalle zu stören. Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit mussten 1.500 Polizeibeamte eingesetzt werden. Proteste gegen In Passau demonstrierten am 23. September auf Initiative der örtdie Großkundlichen autonomen Szene etwa 300 Teilnehmer gegen die alljährlich gebung der DVU stattfindende Großkundgebung der rechtsextremistischen Deutschen Volksunion (DVU) in der Passauer Nibelungenhalle. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Buntes Leben, statt brauner Terror". Die Polizei leitete sieben Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung, gegen Linksextremisten ein. An einer vor der autonomen Antifa-Demonstration veranstalteten, von einem breiten Bürgerspektrum mit etwa 2.600 Teilnehmern getragenen Gegenkundgebung der Stadt Passau beteiligten sich etwa 50 Personen, die dem linksextremistischen Spektrum zugerechnet werden . Angriffe auf Am 30. September, 12. und 27. Oktober beteiligten sich in München NPD-Info-Stände Linksextremisten und Autonome an mehreren Gegenaktionen gegen Linksextremismus 137 NPD-Veranstaltungen bzw. Info-Stände. Dabei versuchten insbesondere Linksextremisten mehrfach NPD-Anhänger anzugreifen und die Info-Stände zu zerstören. Dies gelang ihnen am 12. und 27. Oktober. Die Polizei nahm insgesamt über 40 Personen, darunter auch drei Rechtsextremisten, fest. Den Festgenommenen werden Landfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung und andere Delikte zur Last gelegt. Am 4. November demonstrierte das "Antifaschistische AktionsbündDemonstration nis Augsburg" (AABA), dem neben Angehörigen der autonomen Szegegen "Rassismus" ne auch die Ortsgruppen der DKP und der PDS angehören, in Augsburg mit rund 300 Teilnehmern unter dem Motto "Nazis morden, der Staat schiebt ab: Gegen den Rassismus der Parlamente, der Amtsstuben, der Gerichtssäle und der Straßen!". Während der Demonstration skandierten Teilnehmer unter anderem Sprechchöre wie "Nie, nie nie wieder Deutschland!" In einem Aufruf des Bündnisses im Internet hieß es, Rassismus gehöre zur Grundeinstellung breiter Bevölkerungsschichten. Die staatlichen Instrumentarien zur Ausgrenzung, Entrechtung und Diskriminierung von Migranten, insbesondere Asylbewerbern, seien vielfältig und durch zahlreiche rassistische Sondergesetzte zementiert. 3.1.6.4 Weitere Aktionen Wie in den vergangenen Jahren kam es am 1. Mai wieder zu erheblichen Ausschreitungen. Autonome riefen zu Aktionen zum "revolutionären 1. Mai" auf. Die militanten (autonomen) Antifas mobilisierten für diesen Tag darüber hinaus zu Protesten gegen geplante Demonstrationen der NPD unter anderem in Berlin, Hamburg und Fürth. Die im Vorfeld bekannten Aufrufe ließen eine deutliche KonDeutliche Konfronfrontationsbereitschaft militanter Autonomer erkennen. Aus Berlin tationsbereitschaft wurden sogar Gewaltaufrufe mit der Aufforderung zur Tötung von Rechtsextremisten und Polizisten bekannt: "Naziaufmarsch ... gnadenlos kaputtmachen! Blut auf Asphalt ... Sicher ist auf jeden Fall, dass viel kaputtgemacht wird, zahlreiche Scheiben zu Bruch gehen, Autos brennen, Bullen verbluten." Bei den Veranstaltungen in Berlin kam es zu zahlreichen Gewalttaten. Die Autonomen schleppten Hindernisse auf die Straße, steckten dieAusschreitungen se teilweise in Brand, warfen Flaschen und Steine und schossen am 1. Mai in Berlin Leuchtraketen auf Einsatzkräfte der Polizei. Die Bilanz: 391 freiheits- 138 Linksextremismus entziehende Maßnahmen und eine Vielzahl von verletzten Personen, darunter 227 Polizeibeamte. Krawalle Auch in Hamburg kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen durch in Hamburg etwa 500 Linksextremisten, darunter rund 100 vermummte Personen. Einschreitende Polizeibeamte wurden massiv mit Steinen und anderen Wurfgeschossen angegriffen. Auf den Fahrbahnen errichteten Autonome Hindernisse und zündeten sie teilweise an. Die Polizei nahm neun Personen fest und stellte bei 123 die Identität fest. 16 Polizeibeamte wurden verletzt. Die von der autonomen Neuen ArbeiterInnenbewegung organisierte 1.-Mai-Kundgebung in Nürnberg verlief wie in den Vorjahren weitgehend friedlich. Allerdings wurde im Rahmen der Abschlusskundgebung ein Polizeibeamter durch einen Flaschenwurf am Kopf verletzt. Der Täter konnte ermittelt werden. In einem als Interview in der Publikation "barricada" vom April abgedruckten Artikel erklärte die autonome Gruppe "Organisierte Autonomie" (OA), die Veranstaltung unter dem Motto "1. Mai 2000 - Kapitalismus bekämpfen: antipatriarchal, antirassistisch, internationalistisch, revolutionär" solle auch zur Abgrenzung von den offiziellen 1.-Mai-Veranstaltungen dienen. Ziel der Veranstaltung der OA sei der Kampf gegen die herrschende Ordnung. Es gehe um Propaganda für diesen Kampf. Wörtlich heißt es: "Der Kapitalismus hat keine Fehler, er ist der Fehler und deshalb kämpfen wir für die herrschaftsfreie und klassenlose, also kommunistische Gesellschaft." 3.1.6.5 Einflussnahme auf die Antikernkraftbewegung Auch im abgelaufenen Jahr bewegten sich Linksextremisten im Umfeld der Antikernkraftbewegung. Nachdem es aber keinen CasGeringe Aktivitäten tor-Transport gab, waren die Aktivitäten insgesamt gering. Allerdings ist bei einer Wiederaufnahme der Transporte abgebrannter Brennelemente aus Kernkraftwerken mit einer erheblichen Zunahme der Aktivitäten zu rechnen. Bei den bayerischen Autonomen waren die Themen "Atom-Politik", "Urankampagne" und Castor-Transporte bisher kein bestimmendes Thema. Linksextremismus 139 Die anarchistisch geprägte Initiative "X-tausendmal quer - überall" plant eine "gewaltfreie Blockade" des nächsten Castor-Transports. Geplante "gewaltZiel soll dabei sein, eine Wiederaufnahme der Atommülltransporte zu freie Blockade" verhindern und damit die Abschaltung der Kernkraftwerke auf Grund ausgeschöpfter Lagerkapazitäten zu erzwingen ("Verstopfungsstrategie"). Bislang sollen sich bundesweit über 3.000 Personen bereit erklärt haben, sich an dieser Initiative zu beteiligen, d.h. an der geplanten Sitzblockade gegen den nächsten Castor-Transport mitzuwirken. Die Initiative sieht ihre geplante Aktion als bewussten und offenen "Akt des Zivilen Ungehorsams". Die Gesamtorganisation der Initiative ist dezentralisiert. Insgesamt existieren im Bundesgebiet etwa 70 "Regionalkontakte", darunter mehrere in Bayern. 3.1.6.6 Einflussnahme auf die EXPO 2000 Bereits im Oktober 1990 formierte sich in Hannover das so genannte "Anti-EXPO-Bündnis", ein unstrukturierter Zusammenschluss von etwa 20 Gruppierungen mit dem Ziel, die EXPO 2000 in Hannover zu verhindern. Parallel dazu formierten sich Personen aus der autonomen Szene zu einem militanten Widerstand. Meist unbekannte Täter verübten damals eine Vielzahl von Straftaten, die sich insbesondere gegen verStraftaten im meintliche oder tatsächliche Repräsentanten der EXPO 2000 richteVorfeld der EXPO ten. Ende 1998 wurden in der autonomen Szene wieder verstärkte Bemühungen festgestellt, die darauf abzielten, den Widerstand gegen die EXPO 2000 anzutreiben und zu vernetzen. Im Frühjahr fand auch in München ein Anti-EXPO-Seminar und ein Anti-EXPO-Treffen statt. Das Interesse, am EXPO-Widerstand mitzuwirken, war insgesamt aber gering. Bis Ende Mai war ein Anstieg der Aktivitäten des EXPO-Widerstands festzustellen. In der Region Hannover wurden verschiedene Straftaten verübt. Auch in Berlin kam es zu themenbezogenen Gewalttaten. Zur Eröffnung der EXPO 2000 am 1. Juni in Hannover riefen Linksextremisten, vor allem Autonome, zu unterschiedlichen ProtestaktioProtestund nen auf. Diese reichten von einer Großdemonstration am 27. Mai Störaktionen unter dem Motto "Die Beherrschung verlieren - EXPO NO!" bis zu Störund Blockadeaktionen am 1. Juni unter dem Motto "Die EXPO wird nicht eröffnet". Das von den Initiatoren erhoffte Echo innerhalb der linksextremistischen Szene blieb jedoch aus. Am 27. Mai beteiligten sich an der Demonstration in Hannover etwa 1.000 Personen, fast ausschließlich aus dem linksextremistischen Spektrum. Neben 140 Linksextremismus Autonomen waren unter anderem auch die anarcho-syndikalistische Freie ArbeiterInnen Union (FAU), die trotzkistische Gruppe Linksruck, die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) sowie die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) vertreten. Die Eröffnung der Weltausstellung am 1. Juni verlief ohne VorkommStörungen des nisse. Am Morgen versuchten EXPO-Gegner allerdings, den AnreiseAnreiseverkehrs verkehr durch schwere Straftaten zu stören. Unbekannte Täter legten brennende Reifen auf die Gleise der ICE-Strecke im Bereich Hannover und Göttingen. Bei einem versuchten Hakenkrallenanschlag auf einen S-Bahn-Zug entstand Sachschaden in Höhe von rund 200.000 DM. Auf dem Messeschnellweg verhinderten BGS-Kräfte die Errichtung einer Holzbarrikade. Eine Demonstration in der Innenstadt mit 400 Teilnehmern verlief dagegen friedlich. Am Abend kam es zu Störaktionen durch Kleingruppen der Anti-EXPO-Szene (AES). Die Polizei nahm insgesamt 327 Störer fest. PropagandaIn Bayern wurden keine nennenswerten Straftaten im Zusammenaktionen in Bayern hang mit der EXPO 2000 bekannt. Vereinzelt konnten im Raum Nürnberg/Erlangen und in München Aufkleber, Flugblätter und Schmierereien wie "EXPO NO - Eröffnung verhindern! 01.06.2000 EXPO stoppen! Kapitalismus abschaffen!" festgestellt werden. Dem EXPO-Widerstand gelang es nicht, andere "linke Bewegungen" für seine Aktionen zu gewinnen. Der Verlauf der Störaktionen war auch für die autonome Szene insgesamt enttäuschend. Sie konnte ihr Ziel, die EXPO 2000 zu verhindern oder zumindest empfindlich zu stören, nicht erreichen. 3.2 Gewalttaten und sonstige Straftaten Bundesweit wurden 827 Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Motivation gegenüber 711 Gewalttaten im Vorjahr festgestellt. In Bayern wurden insgesamt 39 (1999: 25) linksextremistisch motivierte Gewalttaten begangen. Der Anteil Bayerns an diesen Straftaten in Deutschland beträgt 4,7 %. In 38 Fällen war Hauptmotiv der Antifaschismus Motiv für die von Linksextremisten in Bayern verAntifaschismus übten Gewalttaten. Sie stehen im Zusammenhang mit Gegenveranstaltungen zu Versammlungen rechtsextremistischer Gruppen, insbesondere der NPD, und Angriffen gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Die Opfer wurden von den vermummten Angreifern geschlagen und mit Reizgas verletzt. Den Schwerpunkt bildete Linksextremismus 141 Entwicklung Deutschland Bayern linksextremistisch motivier900 827 ter Gewalttaten 783 800 711 700 600 500 400 300 200 100 25 25 39 0 1998 1999 2000 die Gegenveranstaltung gegen eine Kundgebung der NPD am 1. Mai in Fürth, in deren Zusammenhang in zehn Fällen Körperverletzungen und in zwei Fällen Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte begangen wurden. Im Zusammenhang mit den unfriedlich verlaufenen Aktionen gegen die Kundgebung der NPD am 27. Mai in Passau wurden zwei Delikte des Landfriedensbruchs begangen. Bei zwei weiteren unfriedlichen Aktionen gegen Info-Stände bzw. Veranstaltungen der NPD am 30. September und 27. Oktober in München wurden zwei Delikte des Landfriedensbruchs und acht Körperverletzungsdelikte erfasst. Auch Gewalttaten gegen Einzelpersonen und öffentliche Einrichtungen wurden begangen: Am 28. März wurde in Nürnberg ein vermeintlicher Rechtsextremist von drei schwarz gekleideten und vermummten Personen von hinten angegriffen und mit Reizgas, Faustschlägen und Fußtritten verletzt. Einige Stunden danach griffen in Nürnberg sechs unbekannte und vermummte Täter zwei vermeintliche Rechtsextremisten in gleicher Weise an. 142 Linksextremismus Am 21. August griffen in einer Nürnberger Gaststätte zwei Linksextremisten einen Mann an, der ein T-Shirt mit der Aufschrift "Radikal Volkstroi - Es naht der Tag der Rache" trug. Die Täter prügelten auf den Mann ein und warfen ihn aus dem Lokal. Unbekannte Täter entzündeten am 2. November in Rothenburg ob der Tauber, Landkreis Ansbach, in einer Telefonzelle Folien und Schnüre. Durch das Feuer entstand Sachschaden von 10.000 DM. An die Telefonzelle hatten die Täter ferner die Parolen "Nazis raus!", "Antifaschistische Aktion" und "Anarchy" angebracht. 3.3 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) Beim AIW handelt es sich um militante Gruppen, die ihren bewaffneten Widerstandskampf gegen die in Deutschland bestehende Gesellschaftsordnung aus verdeckten Strukturen heraus führen wollen. Der Berufung auf AIW orientiert sich an den ersten ideologischen Leitlinien der RAF und RAF-Ideologie will Gewalttaten nach dem Prinzip der Revolutionären Zellen (RZ) verüben. Das Ziel sind zunächst Sachbeschädigungen; es werden aber langfristig auch Angriffe auf Menschen nicht ausgeschlossen. Schwerpunkt der Gruppen des AIW war der "Aktionstag gegen die staatliche Unterdrückung" am 18. März. Die überwiegend aus Gruppen und Einzelpersonen des Antiimperialistischen Widerstands bestehende Initiative "Libertad!" verbreitete in der von ihr herausgegebenen Zeitung "So oder So", Nummer 5 vom Januar, den Aufruf eines bundesweiten "Koordinierungskreises 18. März 2000". Der Aktionstag stand unter dem Motto: "Das Schweigen brechen - die Initative ergreifen - für die Freiheit der politischen Gefangenen." Die VerfasSolidarisierung ser des Aufrufs forderten alle "linken" Initiativen und Solidaritätsmit inhaftierten gruppen auf, gemeinsam die Solidarität mit allen politischen GefanStraftätern genen und von "Repression" Betroffenen zu organisieren. Im Aufruf heißt es unter anderem: "Solidarität mit dem antifaschistischen und dem Anti-Atom Widerstand! Die Gefangenen aus der RAF müssen endlich raus! Weg mit der Todesstrafe - Freiheit für Mumia Abu Jamal und Abdullah Öcalan!" Die wenigen Veranstaltungen im Bundesgebiet verliefen bei geringer Beteiligung störungsfrei. Kontakte ins Die Initiative "Libertad!" unterhält mittlerweile international gefesAusland tigte Kontakte zu ausländischen Gruppen, die zu den Themen "poli- Linksextremismus 143 tische Gefangene" und "staatliche Repression" arbeiten. Die Einrichtung eines internationalen Netzwerks übt auf Gruppen der autonomen/antiimperialistischen Szene eine wachsende Anziehungskraft aus. "Libertad!" ist das einzige, seit Jahren kontinuierlich arbeitende politische Projekt, in dem Angehörige des ehemaligen RAF-Umfelds maßgeblich in Erscheinung treten. Im Internet verbreitet "Libertad!" einen Aufruf gegen die Einführung Agitation gegen der "Isolationsund Einzelhaftgefängnisse" in der Türkei. In dem den Strafvollzug Aufruf unter dem Motto "Kein Stammheim am Bosporus" heißt es, in der Türkei mit der Aufgabe des bisher in der Türkei praktizierten Gefängnissystems der Großzelle und dem Übergang zur europäischen Gefängnisnorm erwarte die politischen Gefangenen dort jetzt das, was die "wehrhafte Demokratie" unter anderem in Deutschland schon länger praktiziere: Hochsicherheitstrakte, Isolationsund Einzelhaft. 3.4 Revolutionäre Zellen (RZ) Die erstmals im Jahre 1972 in Erscheinung getretenen RZ waren unabhängig voneinander operierende Kleingruppen, die sich als antiimperialistisch und sozialrevolutionär bezeichneten. Ihre Taktik bestand im Allgemeinen darin, mit Anschlägen bei möglichst geringem Einsatz und Risiko möglichst hohen Sachschaden anzurichten, der nach ihrer Auffassung den betroffenen Einrichtungen bzw. Unternehmen mehr schadet als der Ausfall einer Führungsperson. Die Mitglieder agierten aus streng abgeschotteten Zellen heraus. Sie lebten jedoch nicht im Untergrund und waren deshalb auch nicht darauf angewiesen, sich eine konspirative Logistik zu schaffen. Anschläge der RZ bzw. der aus der RZ abgespaltenen Frauengruppe Rote Zora waren seit 1995 nicht mehr zu verzeichnen. Im Rahmen der Ermittlungen des Generalbundesanwalts zu den "Revolutionären Zellen/Rote Zora" (RZ) in Berlin wurden seit Ende des Jahres 1999 mehrere mutmaßliche Mitglieder der Berliner RZ festgenommen. Festnahmen Zwei Beschuldigte sollen zudem unter anderem am Anschlag auf den damaligen Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht, Dr. Günter Korbmacher, beteiligt gewesen sein, der am 1. September 144 Linksextremismus 1987 in Berlin durch gezielte Pistolenschüsse am Unterschenkel verletzt wurde. Mit diesen Festnahmen und den weiteren Ermittlungen ist es den Sicherheitsbehörden gelungen, wesentliche Strukturen der seit 1995 inaktiven RZ aufzuklären. Reaktionen auf Die Reaktionen der linksextremistischen Szene auf diese Verfahren die Exekutivwaren relativ gering. Sie beschränkten sich vorwiegend auf Beiträge maßnahmen in Szenezeitschriften. Darin wurde versucht, die Geschichte der RZ aufzuarbeiten, aber auch zum Teil massive Kritik am Aussageverhalten von Beschuldigten geübt. Straftaten wurden nur wenige bekannt. So veröffentlichte das autonome Szeneblatt INTERIM in der Ausgabe Nummer 492 vom 27. Januar die Selbstbezichtigung einer "militanten zelle" zu einem Anschlag mit zündzeitverzögerten Brandsätzen auf die Stromversorgung einer BGS-Einrichtung in der Nacht zum 17. Januar in Berlin-Grunewald. Die Täter bezeichneten ihren Anschlag als Reaktion auf die Exekutivmaßnahmen am 19. Dezember 1999 gegen mutmaßliche Angehörige der RZ. Die "staatsterroristische" Kampagne gegen die RZ solle offenbar die "radikale Linke" einschüchtern und militanten Antirassismus, wie die RZ ihn als emanzipatorisches Projekt begründet und praktiziert hätten, kriminalisieren. Mehrere RZ-Angehörige wurden strafrechtlich verurteilt. Lebenslange Das Berliner Landgericht verurteilte am 17. Januar den Terroristen Freiheitsstrafe Johannes Weinrich wegen Mordes, fünffachen versuchten Mordes für Johannes und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion am 25. August 1983 Weinrich auf das Maison de France in Berlin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Das Gericht erkannte auf die besondere Schwere der Schuld. Bei der Tat waren ein 25-jähriger Mann getötet und 23 weitere Personen zum Teil schwer verletzt worden. Ein mitangeklagter ehemaliger syrischer Diplomat erhielt wegen Beihilfe eine zweijährige Haftstrafe auf Bewährung. Er hatte sich freiwillig gestellt und gestanden, den für den Anschlag bestimmten, in der syrischen Botschaft in Ost-Berlin gelagerten Sprengstoff an Weinrich übergeben zu haben. Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR hatte die Vorbereitung des Anschlags auf das Maison de France auf dem Territorium der ehemaligen DDR geduldet, obwohl es über das Ziel der Vorbereitungen informiert war. Weinrich gehörte der internationalen Terrorgruppe um den Venezolaner Carlos an. Die Organisation internationaler Revolutionäre, wie sich die Gruppe um Carlos nannte, verband Kräfte und Ziele südamerikanischer, nahöstlicher, deutscher, japanischer, italienischer und anderer Terrororganisationen. Linksextremismus 145 Vor dem Frankfurter Landgericht hat am 17. Oktober der Prozess um Strafverfahren den Terroranschlag auf die Wiener OPEC-Konferenz 1975 begonnen. gegen HansDabei sagte der angeklagte Ex-Terrorist Hans-Joachim Klein ausführJoachim Klein lich zu seiner Person und seinen frühen Kontakten zur RAF und den RZ sowie seinem Leben vor und nach dem "OPEC"-Überfall aus. Dagegen verweigerte der mitangeklagte Rudolf Schindler zunächst jede Aussage. Beiden werden gemeinschaftlich begangener Mord sowie drei Mordversuche vorgeworfen. Klein erklärte, nach dem Hungertod des RAF-Terroristen Holger Meins 1974 habe er sich entschlossen, selbst Anschläge zu verüben, und sich den RZ angeschlossen. 1977 hatte sich Klein spektakulär vom Terrorismus losgesagt, als er seine Waffen einem deutschen Magazin schickte. Dann hatte er sich über 20 Jahre in Frankreich verborgen. Das Kammergericht Berlin verurteilte am 18. Dezember Tarek MohaUrteil gegen Tarek mad Mousli unter anderem wegen Mitgliedschaft in der terroristiMohamed Mousli schen Vereinigung RZ Berlin in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion auf die zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber am 6. Februar 1987 in Berlin sowie strafbarem Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. Die Vollstreckung der Strafe wurde für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Die Bundesanwaltschaft und die Verteidigung verzichteten auf Rechtsmittel. 146 Linksextremismus 4. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2000 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 1.1 Kernorganisationen: Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 600 4.500 Unsere Zeit (UZ) 14 Bezirksorganisationen, aufgeteilt wöchentlich, 10.000 in Kreisund Grundorganisationen Marxistische Blätter 26.09.1968, Essen zweimonatlich, 3.000 Partei des Demokratischen 88.600 Neues Deutschland (ND) Sozialismus (PDS) - PDS-nahe Zeitung - - neuer Name beschlossen werktäglich, 70.000 auf SED-Parteitag am DISPUT 16./17.12.1989 -, Berlin monatlich, 11.000 PDS-Pressedienst wöchentlich, 2.200 UTOPIE-kreativ-Diskussion sozialistischer Alternativen monatlich, 800 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS monatlich, 1.000 PDS Landesverband Bayern 650 TITEL (Informationsforum mit 11 Kreisverbänden und (einschließlich der PDS Bayern) 29 Basisorganisationen Sympathisanten) unregelmäßig, 500 11.09.1990, München Verein für Arbeiterbildung Nordbayern 50 Nordbayerischer Landbote 28.03.1993, Fürth unregelmäßig, 100 Arbeiterbund für den Wiederaufbau 100 200 Kommunistische der KPD (AB) Arbeiterzeitung (KAZ) 1973, München vierteljährlich Marxistisch-Leninistische 140 2.000 Rote Fahne Partei Deutschlands (MLPD) wöchentlich, 7.500 10 Parteibezirke, über 100 lernen u. kämpfen (luk) Ortsgruppen und Stützpunkte monatlich, 1.000 17./18.06.1982, Essen Linksextremismus 147 Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2000 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 20 100 Sozialistische Zeitung (SoZ) 24./25.06.1995, Köln vierzehntägig, 2.000 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 40 1.000 Sozialismus von unten Frankfurt am Main zweimonatlich, 3.500 Linksruck monatlich, 7.000 Marxistische Gruppe (MG) München 700 (Aktive) 10.000 GEGENSTANDPUNKT 1969/70 AK Rote Zellen, München Herausgeber: ehemalige ("aufgelöst" zum 01.06.1991) Funktionäre der MG vierteljährlich, 7.000 1.2 Nebenorganisationen: Nebenorganisation der DKP: Sozialistische Deutsche 50 300 POSITION Arbeiterjugend (SDAJ) unregelmäßig, 1.500 Landesverbände, Kreisverbände und Ortsgruppen, 04./05.05.1968, Essen Nebenorganisation der MLPD: Jugendverband REBELL 20 Rebell - Beilage zur Roten Fahne - 1.3 Beeinflusste Organisationen: DKP-beeinflusst: Vereinigung der Verfolgten des 900 6.200 antifa-rundschau Naziregimes - Bund der Antifaschivierteljährlich, 7.500 stinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Landesvereinigungen mit Kreisund Ortsvereinigungen 15.-17.03.1947, Frankfurt am Main MLPD-beeinflusst: Frauenverband Courage 20 500 Courage vierteljährlich Trotzkistisch beeinflusst: Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) 50 300 Vorfeldorganisation der trotzkistischen "Sozialistischen Alternative VORAN" (SAV) 1992, Köln 148 Linksextremismus Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 2000 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 2. Autonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten Autonome etwa über zum Teil unregelmäßig 500 6.000 erscheinende Szeneblätter wie: radikal, INTERIM; auf lokaler Ebene u.a: barricada davon: Antifaschistische Aktion/Bundes40 unregelmäßig erscheinende weite Organisation (AA/BO) Publikationen, für die die Juli 1992 AA/BO als Herausgeber verantwortlich zeichnet 3. Von mehreren Strömungen des Linksextremismus beeinflusst Münchner Bündnis gegen Rassismus 40 München Antifaschistisches Aktionsbündnis 20 Nürnberg Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitee 20 München Ausländerextremismus 149 5. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Ausländerextremismus Ausländergruppen werden als extremistisch eingestuft, wenn sie sich Einstufung als gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Dazu extremistisch zählen insbesondere die Organisationen islamischer Extremisten, die als Endziel einen islamischen Staat, wie z.B. im Iran, auch in Deutschland errichten und damit wesentliche Grundsätze unserer freiheitlichen Verfassung beseitigen wollen. Der gesetzlichen Beobachtung unterliegen auch Gruppierungen, die eine gewaltsame Änderung der politischen Verhältnisse im Heimatland erstreben und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 1.2 Entwicklung der Organisationen Die Gesamtzahl der Mitglieder extremistischer AusländervereinigunLeicht gestiegene gen erhöhte sich in Bayern geringfügig von 10.400 im Jahre 1999 auf Mitgliederzahl 10.470. Darin eingerechnet sind rund 1.800 Anhänger der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Wie in den Vorjahren stellten die Organisationen extremistischer Türken (einschließlich kurdischer Volkszugehöriger) mehr als 90 % aller auslänLinksExtreme Islamische Gesamtzahl Mitgliederstärke extremisten Nationalisten Extremisten Mitglieder extremistischer AusländerKurden 1.950 (2.150) - - - - 1.950 (2.150) organisationen Türken 450 (375) 2.100 (2.000) 5.170 (5.170) 7.720 (7.545) in Bayern Sonstige* 350 (245) 80 (90) 370 (370) 800 (705) Gesamtzahl 2.750 (2.770) 2.180 (2.090) 5.540 (5.540) 10.470 (10.400) (in Klammern die Vergleichszahlen des Vorjahrs) * Albaner, Araber, Inder, Iraner, Srilanker u.a. 150 Ausländerextremismus Entwicklung Mitglieder der Mitglie100.000 derzahlen extremistischer 80.000 Ausländer60.000 Deutschland organisationen 58.800 42.980 40.000 20.000 5.000 Bayern 10.470 0 1991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 Ausländische Extremisten in Deutschland 30.900 35.000 31.450 Islamische Extremisten 30.000 25.000 18.600 20.000 18.600 15.000 Linksextremisten 10.000 5.000 7.800 Extreme Nationalisten 8.750 0 1996 1997 1998 1999 2000 Ausländische Extremisten in Bayern 7.000 5.520 6.000 Islamische Extremisten 5.540 5.000 4.000 2.690 3.000 Linksextremisten 2.750 2.000 1.000 1.490 2.180 Extreme Nationalisten 0 1996 1997 1998 1999 2000 Ausländerextremismus 151 dischen Extremisten in Bayern. Über die Hälfte aller ausländischen Extremisten ist dem islamischen Fundamentalismus zuzurechnen. Im Vergleich zur Bedrohung der Inneren Sicherheit durch militante türkische Linksextremisten und Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bedeutet der islamische Fundamentalismus eine zwar weniger spektakuläre, langfristig aber größere Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, insbesondere im Hinblick auf seine weltweiten Expansionsbestrebungen. Die konsequente Durchsetzung der Vereinsund Betätigungsverbote gegen die PKK und türkische Linksextremisten in Bayern hat sich bewährt; die relativ geringe Zahl von Gewalttaten in Bayern belegt dies. Die weitere strafrechtliche Aufarbeitung der mörderischen Auseinandersetzungen beider Flügel der verbotenen Devrimci Sol vor allem in Norddeutschland führt die Brutalität der Anhänger dieser verbotenen Organisationen deutlich vor Augen. 1.3 Integrationsfeindlichkeit des islamischen Extremismus Der Islam als Religion und seine Ausübung werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Beobachtung unterliegen jedoch Gesetzlicher Bestrebungen, die von islamischen Gruppen ausgehen und sich geBeobachtungsgen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand auftrag Bayerns bzw. des Bundes richten (islamischer Fundamentalismus), aber auch solche, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Die im Bundesgebiet aktiven islamisch-extremistischen Gruppierungen wollen die in ihren Heimatländern bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnungen durch ein auf der Scharia (islamisches Rechtssystem) basierendes islamistisches Gesellschaftssystem ersetzen. Zum Teil streben sie sogar die Errichtung eines antilaizistischen Gottesstaats auf der ganzen Welt an. Die Islamisten gehen davon Weltweites aus, dass mit der Scharia eine alle Lebensbereiche umfassende islamiExpansionsstreben sche Gesellschaftsordnung vorgegeben sei, die es überall zu verwirklichen gelte. Ihrer Überzeugung nach entsprechen die gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Islamismus wegen ihres göttlichen Ursprungs als einziges gesellschaftliches System in allen Aspekten vollständig der menschlichen Natur. Die Trennung von Staat und Religion in westlichen Staaten wird daher nicht nur als "un-isla- 152 Ausländerextremismus Verstoß gegen das misch" abgelehnt, sondern auch aktiv bekämpft. Die Gleichheit der Gleichheitsprinzip Menschen wird verneint. Nur Muslime sind völlig rechtsfähig und können gleiche Rechte haben, sofern diese nicht im Widerspruch zur Scharia stehen. Menschenrechte nach westlichem Verständnis werden nur zum Teil anerkannt. Die Scharia liefert zudem die Legitimation für unmenschliche Strafen. Intoleranz Der islamische Fundamentalismus ist geprägt von Intoleranz gegenüber Andersgläubigen. Aufgrund seines Absolutheitsanspruchs fordert er einen aktiven Kampf gegen alle "Ungläubigen" und die weltweite Islamisierung, falls nötig durch Unterwerfung aller Nichtmuslime. Ablehnung der Westliche Demokratieund Gesellschaftsvorstellungen werden abgeDemokratie lehnt, sofern sie nicht im Einklang mit dem Koran und der Scharia stehen. Dies bedeutet die Ächtung des demokratischen Prinzips der Volkssouveränität und der Chancengleichheit der Parteien. Ferner gibt es keine Gewaltenteilung, keine Legislative, keine Kontrolle der obersten Staatsgewalt. Eine Eingliederung von Muslimen in demokratische Systeme ist damit wesentlich erschwert. Der islamische Fundamentalismus ist daher zwangsläufig integrationsfeindlich. Islamische fundamentalistische Gruppen wenden sich deshalb massiv gegen eine echte Integration. Sie versuchen, vor allem junge Menschen zu beeinflussen und sie zu einer Ablehnung unserer demokratischen Ordnung und unserer freiheitlichen Gesellschaft zu bewegen. Dazu dienen die privaten Koranschulen extremistischer Organisationen wie auch die Pflicht für Frauen und Mädchen, Kopftücher zu tragen. Dies trägt zur bewussten Abgrenzung von westlichen Lebensgewohnheiten bei. Ambivalente Dem Politikverständnis von Islamisten ist auch ein taktisches VerhältHaltung zur nis zur Frage der Gewaltanwendung immanent. Nach Ansicht islamisGewalt tischer Theoretiker schließt der "Jihad" (wörtlich: Innerer Kampf, Anstrengung oder Heiliger Krieg) als Instrument zur Verwirklichung der islamistischen Gesellschaftsordnung alle zum Sieg verhelfenden Mittel ein. So befürwortet die Mehrzahl der islamistischen Gruppierungen aus dem arabischen Raum Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Die im Bundesgebiet mitgliederstärkste islamistische Gruppierung, die türkische "Islamische Gemeinschaft in Deutschland" (IGMG), setzt dagegen auf politische Aktivitäten zur Veränderung der gesellschaftlichen Ordnungen in der Türkei und in Deutschland. Ausländerextremismus 153 1.4 Entwicklung der Gewalttaten Bundesweit wurden im Berichtszeitraum 116 Gewalttaten mit erwieDeutlicher senem oder zu vermutendem ausländerextremistischem Hintergrund Rückgang bekannt. Dies entspricht einem Rückgang von etwa 70 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahrs. Die hohe Anzahl von Gewalttaten im Vorjahr ist auf die damaligen Aktionen der Anhänger der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) nach der Festnahme des Vorsitzenden Abdullah Öcalan am 15. Februar 1999 zurückzuführen. Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten von Ausländern in Bayern ist im Berichtszeitraum von 20 auf drei gesunken. Der Anteil Bayerns liegt damit, bezogen auf die hier lebenden Ausländer, im Ländervergleich im unteren Bereich. Ausländische Extremisten verübten zwei Körperverletzungsdelikte zur Unterstützung deutscher Linksextremisten bei Gegenaktionen zu NPD-Kundgebungen. Beim dritten Vorfall bezeichneten zwei Türken einen Deutschen wegen seiner Glatze als "Nazi", schlugen ihn zu Boden und traten ihn mit Stiefeln. Entwicklung der Deutschland Bayern Gewalttaten durch ausländi391 sche Extremisten 400 350 300 258 250 200 150 116 100 50 20 8 3 0 1998 1999 2000 154 Ausländerextremismus 2. Türkische Gruppen 2.1 Islamische Extremisten 2.1.1 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) Deutschland Bayern Mitglieder: 27.000 5.000 Vorsitzender: Dr. Yusuf Isik (kommissarisch) Gründung: 1985 Sitz: Köln Publizistisches Sprachrohr: Milli Gazete (Nationale Zeitung) Islamisch-extremisDie IGMG erstrebt zunächst die Abschaffung der laizistischen Staatstische Ideologie ordnung in der Türkei zugunsten einer islamischen Staatsund Gesellschaftsordnung mit dem Koran als Grundlage des Staatsaufbaus und als Verhaltenskodex des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Fernziel ist eine weltweite Islamisierung im Sinn eines doktrinären Islam-Verständnisses. In Bayern ist die IGMG mit rund 70 Ortsgruppen vertreten. Die Schwerpunkte sind Nürnberg und München. Die IGMG ist ein Sammelbecken von Anhängern der seit 1998 in der Türkei verbotenen Wohlfahrtspartei (RP) und deren Nachfolgerin, der Tugendpartei (FP). Richtungsstreitigkeiten in der FP zwischen den so genannten "Erneuerern" und den "Traditionalisten" wirken sich mittlerweile auch auf die IGMG in Deutschland aus. Innerhalb der IGMG-Vereine haben sich bereits größere Gruppen gebildet, die offen ihre Unterstützung für eine liberalere und demokratischere Oppositionsgruppe in der FP bekunden. Vor allem jüngere Mitglieder Interne der IGMG wollen den doktrinären Kurs der RP unter ihrem ehemaliDifferenzen gen Vorsitzenden Prof. Necmettin Erbakan nicht mehr unterstützen. Die älteren IGMG-Mitglieder befürworten dagegen weiterhin die politische Linie Erbakans. Obwohl die "Erneuerer" immer mehr Zustimmung finden, bilden die "Traditionalisten" der älteren Generation, die beharrlich zum politischen Kurs Erbakans stehen, nach wie vor die Mehrheit. Auch die Führung der Tugendpartei (FP) in der Türkei und die Verbandsführung der IGMG werden wie bisher von extremistischen Kräften dominiert, die einen totalitären islamistischen Herrschaftsanspruch erheben. Dies wurde auf dem Parteitag der FP am 14. Mai erneut deutlich, wo der bisherige Parteivorsitzende in sei- Ausländerextremismus 155 ner Funktion bestätigt wurde, während sein der gemäßigteren Oppositionsgruppe zuzurechnender Gegenkandidat scheiterte. Im Gegensatz zu anderen islamistischen Organisationen ist die IGMG seit einigen Jahren um ein rechtlich unangreifbares Erscheinungsbild bemüht. Sie verzichtet fast völlig auf agitatorische Aussagen und gibt Taktisch bedingte vor, nur verfassungskonforme Ziele zu verfolgen. So behauptet die Zurückhaltung Organisation in letzter Zeit zunehmend die Bereitschaft ihrer Mitglieder zur Integration in die deutsche Gesellschaft und versichert, sie werde das Grundgesetz achten. Zweifel an der Ernsthaftigkeit solcher Äußerungen sind dennoch begründet. Die IGMG lässt nach wie vor ein vorbehaltloses Bekenntnis zur bestehenden Rechtsund Gesellschaftsordnung vermissen und macht die Integrationsbereitschaft von der Gewährung "uneingeschränkter" Religionsfreiheit abhängig. Sie ist also überzeugt, dass ihre mit wesentlichen Prinzipien des Grundgesetzes kollidierenden islamistischen Bestrebungen als vom Grundgesetz geschützte Religionsausübung zu gelten haben. Ihr Streben nach verpflichtender Anerkennung von Koran und Scharia steht damit in unlöslichem Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Trotz taktisch motivierter anders lautender Erklärungen hat sich die Grundhaltung der IGMG also nicht geändert. Bereits im November 1999 hatte die IGMG als neue Strategie propagiert, den Westen mit den eigenen Waffen zu schlagen. Man wolle sich in Zukunft nach außen pro-westlich und pro-amerikanisch geben sowie für Menschenrechte und Religionsfreiheit eintreten. In den Ortsvereinen selbst solle dagegen die Ideologisierung und Abschottung verstärkt werIntegrationsden. In Umsetzung dieser Strategie pflegt die IGMG inzwischen Konfeindlichkeit takte zu Politikern demokratischer Parteien, zu politischen Stiftungen und Personen des öffentlichen Lebens. Obwohl sie sich sogar einer begrenzten Anpassung an die Lebensverhältnisse in Deutschland widersetzt, empfiehlt sie ihren Mitgliedern den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft wegen des damit verbundenen Wahlrechts. Auch diese Empfehlung ist kein Indiz für Integrationsbereitschaft, sondern Teil der von der IGMG verfolgten Strategie zur Durchsetzung ihrer islamistischen Positionen im gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik Deutschland. Am 3. Juni hielt die IGMG in Köln ihre 6. Generalversammlung ab. Jahreskongress Daran beteiligten sich knapp 30.000 Besucher aus dem Inund Ausland. Der frühere türkische Ministerpräsident und ehemalige RP-Vorsitzende Prof. Necmettin Erbakan war als Ehrengast anwesend. Trans- 156 Ausländerextremismus parente enthielten Aufschriften wie "Demokratie ja, aber bitte auch für uns" und "Wo bleibt die Gleichstellung mit den Christen?". Im Vergleich zum Vorjahrestreffen, zu dem rund 40.000 Personen erschienen waren, fand die diesjährige Veranstaltung weniger Resonanz. Die IGMG begrüßte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar, das der "Islamischen Föderation" Berlin die Abhaltung islamischen Unterrichts an öffentlichen Schulen gestattet. Auch die "Islamische Föderation" unterhält enge Verbindungen zur türkischen Tugendpartei (FP). So sprach eine frühere FP-Abgeordnete, die wegen Verstoßes gegen das Kopftuchverbot ihren Parlamentssitz in Ankara verlor, im Frühjahr 2000 in Hessen auf einer Veranstaltung der "Islamischen Föderation". Die IGMG-Zentrale in Köln rief wie im Vorjahr zu Spendenaktionen Emblem auf, so z.B. für hilfsbedürftige Muslime in Tschetschenien und Paläsder IGMG tina. Ferner organisierte die IGMG eine Unterstützungskampagne für Prof. Necmettin Erbakan, den das türkische Staatssicherheitsgericht im März wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe und einem lebenslangen Verbot der politischen Betätigung verurteilt hatte. Am 14. Oktober führte die IGMG das "5. Jugendund Kulturfest" in Essen durch. Daran beteiligten sich rund 5.000 Personen, darunter etwa 2.000 Frauen. Als Gastredner trat der ehemalige Justizminister der Regierung Erbakan/Ciller auf, der in seinem Vortrag die Juden für die angespannte Wirtschaftslage der Türkei verantwortlich machte. 2.1.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) Deutschland Bayern Mitglieder: 1.100 170 Vorsitzender: Metin Kaplan Gründung: 1984 Sitz: Köln Publikation: Ümmet-i Muhammed (Die Gemeinde Mohammeds) Der Kalifatsstaat (Hilafet Devleti) ist eine am "Führerprinzip" orientierte, streng hierarchisch gegliederte Organisation. Sein Endziel ist die Weltherrschaft des Islam unter dem Kalifat seines Anführers Metin Kaplan. Als erste Stufe auf dem Weg zu diesem Ziel wird der Gewaltgewaltsame Sturz des laizistischen Regierungssystems in der Türkei bereitschaft angestrebt. Der Kalifatsstaat lehnt Demokratie und jede Trennung Ausländerextremismus 157 von Politik und Religion strikt ab. Mit Aufrufen zum gewaltsamen Vorgehen gegen den türkischen Staat beeinträchtigt der Verband auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Der islamistische Alleinvertretungsanspruch des Kalifatsstaats, sein Antisemitismus und seine Gewaltbereitschaft gefährden die Innere Sicherheit. Mit Nachdruck wendet sich der Kalifatsstaat gegen die Integration türkischer Staatsangehöriger in die deutsche Gesellschaft. In Bayern existieren Ortsgruppen unter anderem in Ingolstadt, Augsburg und Nürnberg. Das Vereinsleben vollzieht sich in kleinen abgeschotteten Zirkeln, zu denen fremde Personen keinen Zugang haben. Mit seiner totalen Abgrenzungsstrategie gegenüber anderen islamistischen bzw. islamischen Organisationen sowie seinen militanten Aussagen hat sich der Kalifatsstaat selbst in muslimischen Kreisen isoliert. Isolation Der "Treue-Eid", auf den alle Anhänger nach eigenen Angaben des Verbands vereidigt sind, belegt, dass viele von ihnen auf Geheiß ihres selbst ernannten "Kalifen" auch zu Gewalttaten bereit sind. Er lautet: "Unser Hodscha! Vor den Augen Allahs schwören wir, dass wir - solange du die im Koran und in den Aussprüchen Mohammeds formulierten Vorschriften beachtest - deine Befehle, ungeachtet dessen, ob sie uns gefallen, ausführen werden, auch wenn die Ausführung dieser Befehle uns den Tod oder eine Gefängnisstrafe bringen würde." Der Verband betreibt einen intensiven Märtyrerkult. In der Zeitung Märtyrerkult "Ümmet-i Muhammed" vom 31. August wird unter anderem ausgeführt, es sei der Wunsch eines jeden Muslim, für Allah und seinen Weg Märtyrer zu sein. Dieser Wunsch sei sauber, klar und ehrenhaft. Diejenigen, die sich für Allah einsetzten und für ihn kämpften, seien die besten Menschen und ehrenhaft. Die Seelen, die durch den Märtyrertod entstanden seien, seien die saubersten und größten. Wer sich für Allah opfere, sei nicht tot. Er sei ein Märtyrer. Es sei nicht richtig, die Märtyrer als Tote zu bezeichnen. Wer im Kampf für Allah nicht sterbe, müsse Allahs Fahne weiterhin tragen. Dieser Märtyrerkult wird mit dem Ziel eines baldigen Umsturzes in der Türkei verbunden, der den Übergang zu einer als Ideal gedachten islamischen Ordnung bringen soll. Die "Ümmet-i Muhammed" vom 17. August führt hierzu aus: "Muslime müssen sich, nachdem sie sich dem Kalifatsstaat angeschlossen haben, anschicken, ihre mit dem Jihad zusammenhängende Pflicht zu 158 Ausländerextremismus erfüllen. Während das Leid der Muslime allmählich ein Ende findet, läuft die Zeit der Ungläubigen, der Hochnäsigen und der Unterdrücker unwiederbringlich ab!" Verurteilung von Am 15. November verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf Metin Kaplan Metin Kaplan wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Kaplan seine Anhänger zweimal öffentlich zur Tötung eines Widersachers - des "Gegenkalifen" Halil Ibrahim Sofu - aufgefordert hatte. Sofu war in der Nacht zum 8. Mai 1997 von drei maskierten Personen in Berlin erschossen worden. Unter Berufung auf eine Aussage des Propheten Mohammed hatte Kaplan am 1. September 1996 geäußert: "(...) wenn ein zweiter Kalif auftaucht, während es bereits einen Kalifen gibt, schlagt dem zweiten Kalifen den Hals ab." Der Mitangeklagte Hasan Basri Gökbulut wurde in Abwesenheit zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Ein dritter Angeklagter wurde freigesprochen, da ihm eine Beteiligung an strafbaren Handlungen nicht nachgewiesen werden konnte. Mit seinem Freispruch entfiel auch für die beiden anderen Angeklagten der Vorwurf der Mitgliedschaft bzw. Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung. Gökbulut, der Stellvertreter Kaplans, der nicht in Untersuchungshaft war, ist seit dem 24. Oktober nicht mehr zu den Verhandlungen erschienen. Er hält sich versteckt und wird mit Haftbefehl gesucht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Solidarisierung Das Verbandsorgan "Ümmet-i Muhammed" protestierte regelmäßig mit dem angegegen Kaplans Verhaftung, die von seinen Anhängern als Angriff auf klagten "Kalifen" den Islam gewertet wird, und kommentierte den Prozess ausführlich. Seine Anhänger solidarisierten sich mit ihm durch häufige Teilnahme an den Verhandlungsterminen. Den Höhepunkt der Solidaritätskampagne bildete eine Kundgebung am 6. November in Düsseldorf. Der Verband konnte zu dieser Demonstration 4.000 Personen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, mobilisieren. In seinen Prozesserklärungen vertrat Kaplan unverändert die Ideologie des Kalifatsstaats. Danach ist der Islam "sowohl eine Religion als auch ein Staat, sowohl die Gottesverehrung als auch die Politik: Der Islam ist niemals mit der Demokratie vereinbar! Kurzum läuft das demokratische Regime im Kern, im Grunde und Endergebnis dem Islam zuwider, sogar im höchsten Maße." Ausländerextremismus 159 Auch am Ziel eines Umsturzes in der Türkei hält der Verband weiter Unveränderte fest. Der Mitangeklagte Hasan Basri Gökbulut forderte die Rückgabe Zielsetzung und Anatoliens an die Muslime: Gefährlichkeit "Anatolien, dieses Land gehört uns! (...) Es ist nicht möglich, dass in einem islamischen Land ein System herrscht, welches nicht dem religiösen Glauben der Menschen entspricht, die die eigentlichen Besitzer dieses Landes sind. (...) Dieses Land steht uns zu! Es gehört uns! Wir verlangen lediglich das, was uns zusteht. Wir sind im Recht - in jeder Hinsicht! Niemand darf uns dieses Recht nehmen." Die öffentlichen Aktionen während des Prozesses verliefen weitgehend friedlich. Dieses Verhalten diente dazu, Kaplan als Opfer einer religionsfeindlichen Intrige deutscher und türkischer Behörden erscheinen zu lassen. Für die Zeit seiner Gefängnisstrafe wird diese taktische Zurückhaltung wohl beibehalten werden. Die Gefährlichkeit der Organisation hält jedoch unvermindert an. Der Verband steht auch im Verdacht, 1998 terroristische Anschläge in der Türkei unter anderem in Ankara und Istanbul geplant zu haben. Diese Anschläge, zu denen mehrere Attentäter aus Deutschland angereist sein sollen, konnten von türkischen Sicherheitskräften vereitelt werden. Gegen den am 26. Januar 1999 vom Landgericht Augsburg ebenfalls wegen seines Aufrufs zur Tötung des Dissidenten Halil Sofu zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilten bayerischen Gebietsverantwortlichen des Kalifatsstaats, Hasan Pala, verhängte die Stadt Augsburg am 1. August ein Verbot der politischen Betätigung und Ausländerrechtbeschränkte sein Aufenthaltsrecht auf das Stadtgebiet. liche Maßnahmen 2.2 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) Deutschland Bayern Mitglieder: 7.800 2.000 Vorsitzender: Cemal Cetin Gründung: 1978 Sitz: Frankfurt am Main Publikation: Türk Federasyon Bülteni Die ADÜTDF ist ein Sammelbecken von Anhängern der extrem nationalistischen türkischen Partei der Nationalen Bewegung (MHP), die 160 Ausländerextremismus eine Großtürkei nach osmanischem Vorbild propagiert. Eigenen AnNationalistische gaben zufolge versteht sich der Verband als eine Bewegung nationaIdeologie listischer Türken, deren Hauptanliegen die Integrität des Landes ist. Alle persönlichen Belange müssten den Interessen des Volkes untergeordnet und die türkische Fahne, die die Farbe des Blutes der Märtyrer der ADÜTDF trage, hochgehalten werden. Die Führung der ADÜTDF bekennt sich offen zu ihrer Leitfigur Alparslan Türkes, dem 1997 verstorbenen langjährigen MHP-Vorsitzenden. Die Anhänger der ADÜTDF werden häufig auch als "Graue Wölfe" bezeichnet. Ihr Erkennungszeichen ist ein mit fünf Fingern stilisierter Wolfskopf. In Bayern sind dem Verband rund 25 Vereine zurechenbar. Bislang hatte sich die ADÜTDF in ihren Verlautbarungen gemäßigt gegeben. Ansatzweise war zwar mitunter eine Überbewertung des "Volksganzen" unter Zurücksetzung der Interessen des Individuums feststellbar; eindeutig gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Äußerungen wurden jedoch in der Regel vermieden. In letzter Zeit weisen die Aussagen der ADÜTDF und ihrer Untergliederungen eine Verschärfte stärkere Ausrichtung zum Rassismus, extremen Nationalismus und Diktion zum Großmachtstreben, verbunden mit der Herabsetzung ethnischer Minderheiten, auf: "Von Anbeginn der türkischen Geschichte haben wir andere Völker unter unsere Herrschaft gebracht. Als Herrenrasse haben wir Menschen, die nicht zu unserer Rasse gehören, viel von unserer Lebensart gelehrt. (...) Dort, wo unsere Herrschaft lang andauernd war, wurden fremde Rassen türkisiert und islamisiert. Somit hat unsere Herrenrasse im Laufe der Zeit die Minderheiten assimiliert. (...) In jeder Zeit gab es defekte Rassen, die nichts besseres zu tun hatten, als den Türken zu schaden. Diese Rassen sind behindert und erhalten ihre Befehle von wo anders." (Der stellvertretende ADÜTDF-Vorsitzende Fikret Kumru in Türk Federasyon Bülteni Nummer 23) Die ADÜTDF propagiert unverhohlen territoriale Ansprüche auf die ursprünglich zentralasiatische Heimat der Türken: "Wenn man eine Linie von Moskau nach Peking und von dort nach Teheran zieht und diese miteinander verbindet, wird ein Dreieck sichtbar, das alle oberund unterirdischen Schätze des Türkentums beinhaltet." (Türk Federasyon Bülteni, Ausgabe Nummer 23 vom Juni 2000) Ausländerextremismus 161 Zielobjekt der ADÜTDF ist aber auch Europa. Das Bundesvorstandsmitglied Cevat Sanli erklärte vor dem Fürther ADÜTDF-Verein im Oktober: "Da Deutschland eine wichtige Funktion in der EU inne hat, sind die Türken dann in der Lage, auf Europa Einfluss zu nehmen. Das Ziel der ADÜTDF ist, die einzige und größte türkische Einrichtung in Europa zu werden." Zur Mitgliederwerbung ist die ADÜTDF auch in zahlreichen Sportund Elternvereinen tätig, die vorgeben, keine politischen Ziele zu haben. Jugendliche werden für Ordnerdienste herangezogen und frühJugendarbeit zeitig als Vereinsfunktionäre in die politische Arbeit integriert. Der von der ADÜTDF propagierte Nationalismus gibt vielen türkischen Jugendlichen ein "Wir"-Gefühl gegenüber der deutschen Gesellschaft. In den Ortsvereinen wurde die Funktion des "Jugendvorsitzenden" geschaffen. Wöchentlich finden für Jugendliche politische Seminare statt, deren Zweck bereits 1998 auf einer Funktionärsfortbildung wie folgt erläutert wurde: "Nach dem Militärputsch 1980 fanden manche unserer Kampffreunde zuviel Ruhe und vergaßen die eigentliche Sache. Ihr müsst wissen: An erster Stelle kommt die MHP, an die zweite Stelle die Doktrin und an dritter Stelle die Vereine. Gerüchte und Kritik vernichten die Doktrin und das ist letztendlich der Grund, warum eine Organisation vernichtet wird. Deshalb darf es keine Kritik an dem Vorsitzenden der MHP, der Doktrin und an den Vereinen geben." Auf derselben Veranstaltung erklärte das ADÜTDF-Führungsmitglied Mikat Sen: "Die Europa-Türken werden Minderheitenrechte bekommen, z.B. automatischen Sitz im Parlament. Somit wird sichergestellt, dass die Rechte der Türken in den Parlamenten immer vertreten werden. Türken bleiben immer Türken!" Die ADÜTDF lehnt die Erteilung islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache ab, da sie diesen Unterricht in ihren eigenen Vereinen in türkischer Sprache anbieten kann. Der Fanatismus der Fanatismus ADÜTF wird an einem Gedicht deutlich, das der Augsburger ADÜTDF-Verein im Mai in seiner Zeitschrift "Turan" veröffentlichte: "Du bist es, der die Fahne mit heiligem Blut tränkt. (...) Du bist der junge Osmane, der am Tor von Bagdad berühmt geworden ist. (...) 162 Ausländerextremismus Du bist der, der einen mit 3.000 Persern besetzten Palast mit 40 Grauen Wölfen überfallen hat. (...) Du bist das Kind einer ehrenvollen Nation, die Gott meine Armee genannt hat und in drei Erdteilen und auf sieben Meeren den Jihad geführt hat. Du bist der Graue Wolf, dessen Feind in der heutigen Welt nur aus diesem Grund ein jeder ist. Du bist Türke, das ist richtig, aber vergiss nicht: Du bist Muslim." Diese Äußerungen zeigen, dass die ADÜTDF nach Dominanz strebt Integrationsund einer echten Integration der Türken wie auch der Muslime in die feindlichkeit deutsche Gesellschaft ablehnend gegenübersteht. Zwar rät sie ihren Mitgliedern, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, Motiv hierfür sind aber nur die damit verbundenen größeren Einflussmöglichkeiten. GewaltTeile der ADÜTDF scheuen auch vor Gewaltanwendung nicht zurück. bereitschaft So verurteilte das Landgericht Köln am 4. August 1999 zwei Mitglieder des ADÜTDF-Vereins in Köln-Nippes wegen gewaltsamer Eintreibung von Spenden zu Haftstrafen. Strafmildernd bewertete das Gericht, dass die Täter im Auftrag der ADÜTDF gehandelt hatten. Nach wie vor bestehen zwischen der ADÜTDF und linksextremistischen Türken erhebliche Spannungen, die mitunter in Gewalt ausarten. Am 9. Dezember kam es in Rotterdam anlässlich einer Demonstration türkischer Linksextremisten gegen die Haftbedingungen in der Türkei zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Dabei töteten Anhänger der "Grauen Wölfe" eine Person und verletzten eine zweite Person schwer. 2.3 Linksextremisten 2.3.1 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Deutschland Bayern Mitglieder: 1.000 140 Gründung: 1978 in der Türkei (in Deutschland seit 1983 verboten) Die Organisation ist gespalten in: Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C Devrimci Sol) (beide Gruppierungen in Deutschland seit 1998 verboten) Ausländerextremismus 163 Die 1978 gegründete und 1983 in Deutschland verbotene revolutioRevolutionäre när-marxistische Devrimci Sol versteht sich als eine an den GrundsätZielsetzung zen des Marxismus-Leninismus ausgerichtete Volksbewegung. Sie zählt zu den militantesten türkischen Extremistengruppen, die mit Hilfe einer bewaffneten Revolution auf die Zerschlagung des türkischen Staates zielen und in der Türkei terroristisch aktiv sind. Seit 1993 ist die Devrimci Sol in den "Karatas-Flügel", aus dem die 1994 in Syrien gegründete Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) hervorging, und den "Yagan-Flügel", aus dem sich die Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C Devrimci Sol) entwickelte, gespalten. Das Bundesministerium des Innern hat am 13. August 1998 gegen die DHKP-C als Ersatzorganisation der Devrimci Sol ein Vereinsverbot und gegen die THKP-C Devrimci Sol ein Betätigungsverbot ausgesprochen. Die Sicherheitsbehörden in Deutschland waren schon bisher davon ausgegangen, dass beide Gruppierungen als Teile der Devrimci Sol verboten sind. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin wies am 1. Februar die Klage Bestandskräftiges der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) gegen das Verbot im August 1998 vom Bundesministerium des Innern verhängte Organisationsverbot ab. Örtliche Schwerpunkte der DHKP-C mit insgesamt rund 130 Anhängern in Bayern bestehen in Aschaffenburg, München und Nürnberg; für die THKP-C Devrimci Sol sind in Bayern nur Einzelmitglieder aktiv. Die Reform des türkischen Strafvollzugs, insbesondere das Ersetzen von Massenzellen durch Zellen westlichen Standards, war Ursache von heftigen und auch gewalttätigen Protesten in der Türkei und Häftlingsrevolte auch in Deutschland. Den Höhepunkt erreichten die Proteste mit in der Türkei einer Gefängnisrevolte im Dezember. Zahlreiche DHKP-Cund TKP/ML-Häftlinge führten zudem ein "Todesfasten" durch. Die türkischen Sicherheitskräfte beendeten die Häftlingsrevolte am 22. und 23. Dezember gewaltsam. Dabei kamen 28 Menschen, darunter zwei türkische Polizeibeamte, ums Leben. Die DHKP-C bildete zusammen mit der türkischen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) und der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) das Solidaritätskomitee mit den politischen Gefange- 164 Ausländerextremismus nen in der Türkei (DETUDAK), um gegen die türkische Strafvollzugsreform zu protestieren. Mittlerweile nimmt die DHKP-C bei diesem Bündnis nur noch eine untergeordnete Rolle ein. Wie die der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahe stehende türkische Tageszeitung "Özgür Politika" meldete, plant das DETUDAK auch weiterhin Protestveranstaltungen. Dazu äußerte das Komitee im Internet, der Einführung von Einzelzellen durch den faschistischen türkischen Staat könne allein mit einer opferbereiten "Kampfliga" begegnet werden. Weiter erklärten die Verfasser: "Heute kündigen wir dem Imperialismus und seinen kollaborierenden Knechten ein weiteres Mal an, dass wir in einer ihnen verständlichen Sprache antworten werden. Wir sind entschlossen. Wir werden nicht davor zurückscheuen, jeglichen Preis zu zahlen. Wir werden sterben, aber nicht in die Isolationszellen gehen." Dominierend ist die DHKP-C in dem "Kampfkomitee gegen Isolationshaft" (IKM), das eigens für die Kampagne gegen die Änderungen im türkischen Strafvollzug gebildet wurde. Zu den Aktivitäten des Bündnisses zählen Spendenkampagnen und Unterschriftenaktionen wie "100.000 mal Nein gegen Isolationszellen!". Protestaktionen Im Rahmen der Kampagne gegen die Haftbedingungen der politigegen den Strafschen Häftlinge in der Türkei und deren Verlegung in Einzelzellen vollzug in der führte die DHKP-C europaweit zahlreiche Aktionen durch. Ihren Türkei Höhepunkt erreichte die Kampagne gegen Ende des Jahres. Etwa 25 Anhänger der DHKP-C eröffneten am 3. November mit einer unangemeldeten Kundgebung vor dem türkischen Generalkonsulat in Hürth bei Köln diese Solidaritätskampagne für die in türkischen Haftanstalten hungerstreikenden "politischen Gefangenen". Drei Tage später traten in Köln ebenfalls Anhänger der DHKP-C in einen Hungerstreik. In Regensburg versammelten sich am 8. Dezember zehn Mitglieder des DETUDAK und traten ebenfalls in den Hungerstreik, um auf das Schicksal der politischen Häftlinge in türkischen Gefängnissen aufmerksam zu machen. Um die Bevölkerung über die Problematik der türkischen "Ein-Zellen-Gefängnisse" aufzuklären und den Hungerstreik propagandistisch zu unterstützen, rief die DHKP-C ihre Anhänger vom 7. bis 11. Dezember zu bundesweiten "Fackelmärschen" auf. In der Zeit vom 11. bis 21. Dezember veranstalteten die DHKP-C und das DETUDAK in Düsseldorf, Hamburg, Duisburg, Frankfurt am Main, München, Nürnberg und Regensburg Demonstrationen, an denen bis zu 1.600 Personen teilnahmen. Ausländerextremismus 165 Der Kampf gegen den "Imperialismus" bildet seit Jahren einen Agitationsthema Schwerpunkt der Agitation der Revolutionären Volksbefreiungsfront "Imperialismus" (DHKC), des militärischen Arms der DHKP-C. Aktuelle Ereignisse werden in zum Teil aggressiver Form thematisiert und für propagandistische Zwecke genutzt. Die DHKC verbreitet seit Anfang Oktober zwei Flugschriften, in denen sie ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk bekundet. Für den Nahost-Konflikt macht die DHKC ausschließlich Israel verantwortlich. Die Organisation droht, Israel werde für jedes Massaker Rechenschaft ablegen müssen. Die Flugblätter enden mit der Bekräftigung: "Wir sind auf der Seite unserer palästinensischen Freunde, es lebe der Freiheitskampf des palästinensischen Volkes." Am 17. Januar besetzten DHKP-C-Anhänger in Berlin und Stuttgart zwei Tage lang die Bundesund Landesgeschäftsstelle der PDS. Die PDS tolerierte dieses Vorgehen. Die Anhänger der DHKP-C protestierten damit gegen die Haftbedingungen eines am 29. November 1999 vom Oberlandesgericht Hamburg wegen Mordes und versuchter Geiselnahme zu lebenslanger Haft verurteilten Gesinnungsgenossen, der sich im Hungerstreik befand. Am 19. Januar störten DHKP-C-Anhänger eine Sitzung der Hamburger Bürgerschaft, um ihre Unterstützung des Hungerstreiks zum Ausdruck zu bringen. Am 25. Januar besetzten DHKP-C-Aktivisten die Räume des Goethe-Instituts in London. Zu weiteren Aktionen kam es in Wolfsburg, Hamburg, Köln, Duisburg und Ulm. Am 31. Januar brach der Inhaftierte seinen Hungerstreik ab. Damit endeten auch die Solidaritätsaktionen. Seit 1997 wurden bei Exekutivmaßnahmen in Deutschland und im Erhebliche benachbarten Ausland mehr als ein Dutzend Führungsfunktionäre Schwächung und Aktivisten der DHKP-C festgenommen und zu meist hohen Freidurch Exekutivheitsstrafen verurteilt. Diese Maßnahmen, aber auch die schwierige maßnahmen und finanzielle Lage, haben die DHKP-C bereits zur Aufgabe einiger Büros Strafverfahren und Stützpunkte gezwungen und die Organisation in ihrem logistischen Aktionspotenzial enorm geschwächt. Am 12. April verurteilte das Oberlandesgericht Hamburg den früheren Stuttgarter Gebietsverantwortlichen der DHKP-C wegen Verabredung zum Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Wegen desselben Delikts verurteilte das Gericht einen weiteren Funktionär zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Die beiden Verurteilten waren Mitglieder eines "Rachetrupps", der aufgestellt wurde, nachdem Mitglieder einer rivalisierenden Gruppierung am 166 Ausländerextremismus 9. August 1997 einen Anschlag auf einen DHKP-C-Aktivisten verübt hatten. Ihrem Auftrag gemäß planten die Verurteilten daraufhin Anschläge auf Anhänger der rivalisierenden Gruppe. Ein Strafgericht in Paris verkündete am 26. April die Urteile gegen 24 Mitglieder der DHKP-C, denen Bandenbildung zur Verübung terroristischer Aktionen vorgeworfen wurde. 20 Aktivisten wurden zu Freiheitsstrafen zwischen 18 Monaten und acht Jahren verurteilt. Der frühere Deutschlandund Europaverantwortliche der Organisation, der bereits am 17. Februar 1999 durch das Oberlandesgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden war und derzeit seine Strafe in Deutschland verbüßt, erhielt zusätzlich eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und ein Aufenthaltsverbot für Frankreich. Am 8. Juni verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zwei DHKP-C-Funktionäre wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und drei Monaten bzw. zwei Jahren und neun Monaten. Bei der Festnahme der beiden im Rahmen einer Verkehrskontrolle wurden in dem Fahrzeug unter anderem eine tschechische Maschinenpistole mit Magazin und 25 Schuss Munition sowie Propagandamaterial gefunden. Am 11. Juli wurde in Bielefeld ein mutmaßlicher Führungsfunktionär der DHKP-C wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Er ist dringend verdächtig, von November 1996 bis August 1999 zur Führungsgruppe der DHKP-C in Deutschland gehört zu haben. Nach der Leitung der Gebiete Dortmund, Duisburg und Berlin soll er ab August 1999 die Führung der Organisation in Frankreich übernommen haben. Ihm wird vorgeworfen, als Gebietsverantwortlicher in Deutschland die Parteiarbeit vor Ort organisiert und in diesem Zusammenhang die Anweisung gegeben zu haben, Spenden notfalls gewaltsam einzutreiben und Abweichler zu bestrafen. Die Oberlandesgerichte Hamburg und Celle verurteilten in mehreren Verfahren am 24. Februar, 11. April, 13. Dezember und 5. Januar 2001 mehrere zum Teil hochrangige Funktionäre und Mitglieder der DHKP-C wegen Rädelsführerschaft bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu Freiheitsstrafen bis zu sechs Jahren und sechs Monaten. Darüber hinaus konnte die Polizei weitere Funktionäre der DHKP-C unter anderem in Bochum und Bielefeld Ausländerextremismus 167 am 13. Mai bzw. 11. Juli festnehmen. Ihnen wird unter anderem ebenfalls Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. 2.3.2 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Deutschland Bayern Mitglieder: 1.800 160 Gründung: 1972 in der Türkei Die Organisation ist gespalten in: Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) Partizan-Flügel Die TKP/ML vertritt die Ideologie des Marxismus-Leninismus, ergänzt Revolutionärum die Ideen Mao Tse-tungs. Sie betont den bewaffneten Kampf als marxistische Grundform ihres Handelns und ist davon überzeugt, dass der einzige Ideologie Weg zur Befreiung des türkischen Volkes über den bewaffneten Volkskrieg mit anschließender Bildung einer Volksregierung führt. Ihr militärischer Zweig ist die Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO). Die Entwicklung der TKP/ML ist seit Ende der 70er Jahre durch eine Zahlreiche Vielzahl von Fraktionsbildungen und Abspaltungen geprägt. In Abspaltungen Deutschland organisierten sich die Anhänger der TKP/ML in der 1976 gegründeten Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) und der Ende 1986 gebildeten Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK), die sich als demokratische Massenorganisationen präsentieren und ihre Verbindungen zur TKP/ML weitgehend tarnen. Die Abspaltung des Ostanatolischen Gebietskomitees (DABK) im Jahr 1994 (nach einer zuvor aufgehobenen erstmaligen Trennung im Jahr 1987) setzte sich in den Basisorganisationen der TKP/ML fort. Um sich vom Partizan-Flügel abzugrenzen, haben sich beide Basisorganisationen des DABK im Sommer 1997 in Föderation der demokratischen Rechte in Deutschland (ADHF) bzw. Konföderation der demokratischen Rechte in Europa (ADHK) umbenannt. 168 Ausländerextremismus Die Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und mehrere andere Gruppierungen türkischer Linksextremisten setzen weiterhin auf den bewaffneten Kampf zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Kritik am In einer Sonderausgabe der Zeitschrift "Mücadele" wurde im Januar "Friedenskurs" über die Friedensinitiative des PKK-Generalvorsitzenden Abdullah der PKK Öcalan berichtet. Die Autoren warfen Öcalan vor, die Interessen des türkischen und kurdischen Volkes verraten und sich mit den Kräften der Bourgeoisie zusammengeschlossen zu haben. Die PKK habe versäumt, ihre Schwierigkeiten rechtzeitig mit Hilfe der revolutionären Kräfte zu überwinden. "Die PKK hat die Arena des Kampfes verlassen, deshalb gilt es für die ATIK, die früher von der PKK praktizierte radikale Strategie fortzuführen." Mitte des Jahres modifizierte die TKP/ML ihre Meinung und forderte Hafterleichterungen zugunsten des Generalvorsitzenden der PKK Öcalan sowie eine Generalamnestie in der Türkei. Das Auslandsbüro der TKP/ML warb unter dem Titel "Unterstütze den Guerillakampf beim Eintritt in das 21. Jahrhundert" für die alljährSpendenliche Spendenkampagne, die Grundlage für den bewaffneten Kampf kampagne sei. Angestrebtes Ziel der Partei sei es, den bewaffneten revolutionären Kampf zu steigern und sich auf die noch größeren Kämpfe im 21. Jahrhundert vorzubereiten. Dies könne entweder durch die materielle Unterstützung der TKP/ML und ihrer Türkischen Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) geschehen, oder durch die aktive Teilnahme am Kampf. Der in einem Flugblatt veröffentlichte Aufruf schließt mit der Parole: "Entweder wird unser rotes Blut in die Erde fließen oder unsere rote Flagge wird auf den Gipfeln wehen!" Das Ostanatolische Gebietskomitee (DABK), einer der beiden Flügel Gedenkfeier der TKP/ML, führte am 3. Juni in Essen eine Gedenkveranstaltung für den Gründer der TKP/ML, lbrahim Kaypakkaya, durch. Die PKK-nahe Tageszeitung "Özgür Politika" berichtete in ihrer Ausgabe vom 5. Juni von etwa 6.000 Teilnehmern. Mit einer Aufführung im "Reese"-Theater in Augsburg begann am 22. Oktober die Europaund Deutschlandtournee eines türkischen Kabarettisten. Als Initiator dieser Veranstaltung, an der etwa 400 Personen teilnahmen, fungierte die ATIK, die Basisorganisation des Partizan-Flügels der TKP/ML. Ausländerextremismus 169 Die TKP/ML, DHKP-C und MLKP führten im Solidaritätskomitee mit Solidarisierung den politischen Gefangenen in der Türkei (DETUDAK) ab der zweiten mit inhaftierten Jahreshälfte verstärkt Kundgebungen in Regensburg und Nürnberg, Gesinnungsdort auch mit Kranzniederlegungen vor dem Türkischen Generalkongenossen sulat, durch. Dazu wurde in einer Hungerstreikerklärung im Namen der politischen Gefangenen der TKP/ML und DHKP-C verlautbart: "Nieder mit dem Faschismus. Es lebe unser Kampf. Nieder mit der Kapitulation. Nieder mit der Liquidation. Wir werden sterben, aber nicht in die Isolationszellen gehen. Lang lebe unser Generalwiderstand. Wir werden siegen!" 2.3.3 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Deutschland Bayern Mitglieder: 600 60 Gründung: 1964 in der Türkei Publikation: Özgür Atilim (Der freie Angriff), vierzehntägig Die in der Türkei verbotene und terroristisch operierende MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Wie die TKP/ML und die Devrimci Sol erRevolutionäre strebt sie die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges Zielsetzung und die Errichtung einer kommunistischen Diktatur. Die von der PKK propagierte Beendigung des bewaffneten Kampfs führte zur Entfremdung zwischen der MLKP und der PKK. Die Devrimci Sol (DHKP), die Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und mehrere andere Gruppierungen türkiAblehnung der scher Linksextremisten setzen im Gegensatz zur PKK auch aktuell auf PKK-Strategie den bewaffneten Kampf zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Sie warfen Öcalan und der PKK vor, mit ihrer Friedensinitiative die Interessen des türkischen und kurdischen Volks verraten zu haben. Die gespannte Atmosphäre hat sich allerdings gegen Mitte des Jahres wieder etwas beruhigt. Am 21. März führten DHKP-C, TKP/ML und MLKP anlässlich des kurdischen Neujahrsfests Newroz eine öffentliche Feier in Nürnberg durch. An der Veranstaltung nahmen etwa 120 Personen teil. Auf 170 Ausländerextremismus einem dort verteilten Flugblatt wird die Unterdrückung des kurdischen Volks durch den kurdischen Staat thematisiert. Danach wird mit den Worten "Tod dem türkischen Staat! Tod dem Faschismus, es lebe die Befreiung!" zur Revolution des Proletariats aufgerufen. 6. Gründungstag Zum 6. Jahrestag ihrer Gründung führte die MLKP am 28. Oktober in Wuppertal eine Saalveranstaltung durch, die von rund 3.800 Personen aus dem ganzen Bundesgebiet besucht wurde. Neben einer Gedenkminute für die im "Kampf gefallenen Revolutionäre" wurden die anwesenden Jugendlichen aufgefordert, deren Platz einzunehmen. Man müsse wie die Inhaftierten in der Türkei bereit sein, für die Verwirklichung der Revolution zu sterben. Solidarisierung Am 14. Dezember besetzten Anhänger des von der MLKP dominierten mit inhaftierten Solidaritätskomitees mit den politischen Gefangenen in der Türkei Gesinnungs(DETUDAK) die Justizbehörde in Hamburg und am 15. Dezember genossen das Gebäude des WDR in Köln. Sie wollten damit Anhänger der DHKP-C und der TKP/ML unterstützen, die sich in türkischen Gefängnissen aus Protest gegen die Haftbedingungen im "Todesfasten" befanden. Diese Häftlingsrevolte wurde am 22. und 23. Dezember von türkischen Sicherheitskräften gewaltsam beendet, wobei 28 Menschen, darunter zwei Polizisten, ums Leben kamen. Protestveranstaltungen dagegen unter anderem in München und Nürnberg verliefen friedlich. 3. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Deutschland Bayern Anhänger: 12.000 1.800 Vorsitzender: Abdullah Öcalan Leitung: "Präsidialrat" Gründung: 1978 in der Türkei (in Deutschland seit 1993 verboten) Publikationen: u.a. Serxwebun (Unabhängigkeit) 3.1 Ideologie Die in der Türkei und Deutschland verbotene PKK ist eine gut organiSozialistischsierte, straff geführte, ursprünglich marxistisch-leninistische Kadernationalistisches partei. Ihr Programm ist eine Mischung aus sozialistischem und natioProgramm nalistischem Gedankengut. Gemäß ihrer Satzung soll sie nach dem Ausländerextremismus 171 Prinzip des "demokratischen Zentralismus" geführt werden. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Generalvorsitzenden Abdullah Öcalan sind in allen Bereichen stark ausgeprägt. Im Mittelpunkt stand über zwei Jahrzehnte der aktive "revolutionäre Kampf" für ein "freies und unabhängiges" Kurdistan. Der Parteiaufbau umfasste seither als höchste Organe außer dem Parteikongress den Generalvorsitzenden, den unter seiner Leitung arbeitenden Parteivorstand und das Zentralkomitee. Die gesamte öffentliche Parteiarbeit in Westeuropa erfolgte bis Ende April unter der Bezeichnung Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK). Dann wurde die ERNK für "aufgelöst" erklärt. Als Ersatz entstand Anfang Mai die Kurdische Demokratische Volksunion (YDK). Tatsächlich handelt es sich lediglich um eine Umbenennung. Die YDK soll ihre Arbeit auf das "Friedensprojekt" der PKK ausrichten und die "kurdischen Massen" nach "demokratischen Prinzipien" organisieren. In einer Gründungserklärung wird die Absicht betont, die Kurdenfrage künftig mit demokratischen Mitteln zu lösen. Darüber hinaus will die YDK den Äußerlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Legalisierung kurdischer InstitutioKurswechsel nen in Deutschland legen. Erklärtes Ziel ist die Aufhebung des seit 1993 bestehenden PKK-Verbots in Deutschland. Dieser neue Kurs zielt vordergründig auf einen friedlichen politischen Ausgleich mit der Türkei ab. Verlauf, inhaltliche Ausgestaltung und Endgültigkeit des angekündigten Veränderungsprozesses sind jedoch noch völlig ungewiss. Die PKK hat nicht mit der Geschichte des Guerillakrieges gebrochen, sondern anlässlich des Jahrestages des bewaffneten Kampfes (15. August 1984) - nicht zuletzt aus Rücksicht auf die Angehörigen gefallener Guerillakämpfer - den früheren bewaffneten Kampf als Voraussetzung für den neuen Kurs dargestellt. Die PKK beansprucht seit ihrer Gründung die uneingeschränkte Führungsrolle im Kampf der Kurden für einen eigenen Staat. In der Vergangenheit kam es deshalb wiederholt zu militärischen Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Kurdenorganisationen. Diesen FühUnveränderter rungsanspruch hat die PKK trotz des Kurswechsels beibehalten. Sie Führungsanspruch 172 Ausländerextremismus versteht sich wie bisher als die alleinige Vertretung der in Deutschland lebenden rund 500.000 türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit, obwohl sich nur etwa zehn Prozent dieser Volksgruppe zur PKK bekennen. Der Kurswechsel ist innerhalb der PKK nicht unumstritten. Es gab im vergangenen Jahr mehrfach Hinweise auf PKK-interne kritische Stimmen und Oppositionsgruppen, die nach wie vor auf bewaffneten Kampf setzen (vgl. auch Nummer 3.5 dieses Abschnitts). 3.2 Organisation Verlust der Basis Im Oktober 1998 verlor die PKK nach jahrelanger Duldung durch in Syrien syrische Behörden ihre Stützpunkte in Syrien. Öcalan musste Damaskus verlassen und reiste auf der Suche nach einem neuen Sitz für die PKK-Führung zunächst in die Russische Föderation, später nach Italien (Rom). Dort suchte er um politisches Asyl nach. Auf Drängen der italienischen Regierung verließ er Rom am 16. Januar 1999 mit zunächst unbekanntem Ziel. Am 15. Februar 1999 wurde er von einem Kommando türkischer Sicherheitskräfte aus Nairobi/Kenia in die Türkei verbracht und dort vom Staatssicherheitsgericht am 29. Juni 1999 zum Tode verurteilt. Über die Vollstreckung des Urteils ist noch nicht entschieden. Nach der Ergreifung Öcalans übernahm der "Präsidialrat" als oberstes Entscheidungsgremium - bestehend zunächst aus sieben Personen - die Führung der PKK. Infolge der Beschlüsse des 7. Außerordentlichen Parteikongresses, der vom 2. bis 23. Januar stattfand, wurde Umbenennung die Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK), der militärische Arm der ARGK der PKK, umbenannt. Sie soll künftig nur noch aus "Volksverteidigungskräften" bestehen und damit - der äußeren Optik nach - einen angeblich defensiven Charakter erhalten. Das 1993 vom Bundesminister des Innern verfügte vereinsrechtliche Betätigungsverbot konnte die PKK auch im Jahr 2000 nicht vollständig daran hindern, trotz erheblich erschwerter Bedingungen weiter aus dem Untergrund heraus zu operieren. In Deutschland ist die PKK in sieben Regionen gegliedert. Die Region Bayern umfasst die Gebiete München, Nürnberg und Ulm mit Teilen Baden-Württembergs. Diese Gebiete sind wiederum in Teilgebiete unterteilt. Den Regionen steht als Regionsverantwortlicher ein profes- Ausländerextremismus 173 sionelles Kadermitglied vor, dem die Gebietsverantwortlichen unterstellt sind. Der Regionsleiter erhält seine Anweisungen nunmehr von einem aus Führungsfunktionären bestehendem "Koordinationskomitee" (früher Europäische Frontzentrale - ACM), das auch weiter vorwiegend in den Niederlanden tätig ist. Die hauptamtlichen Kader der PKK leben durch Decknamen getarnt mit häufig wechselnden Aufenthaltsorten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Sie verhalten sich äußerst konspirativ. So ist beispielsweise - von wenigen AusnahKonspiratives men abgesehen - den Gebietsund Regionsverantwortlichen das BenutVerhalten zen von Handys nicht mehr gestattet. Von den rund 1.800 PKK-Anhängern in Bayern können nahezu 1.000 zu Großveranstaltungen der PKK mobilisiert werden. Die PKK-Anhängerschaft ist in zahlreichen, der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) angegliederten örtlichen Vereinen, organisiert. Diese Vereine, die sich nach außen als reine Tarnorganisationen Kulturvereine darstellen, haben die Aufgabe, Ziele und Politik der der PKK PKK unter den Anhängern zu verbreiten und zu fördern. Die in das bundesweite Betätigungsverbot einbezogene ERNK (jetzt: YDK) vertritt außerhalb Deutschlands als politischer Arm der Organisation die Interessen und Ziele der PKK sowohl materiell als auch propagandistisch. Darüber hinaus bedient sich die PKK zahlreicher vom Betätigungsverbot nicht erfasster Nebenorganisationen ("Y-Gruppen"). Diese haben die Aufgabe, verschiedene Zielgruppen innerhalb der kurdischen Bevölkerung wie Arbeiter, Frauen, Juristen, Lehrer und Jugendliche für die Interessen der PKK zu gewinnen. Aus den Reihen der Union der Jugendlichen aus Kurdistan (YCK) rekrutierte sich bisher mitunter die Guerilla der PKK. Nicht selten wurden dabei Jugendliche gegen den Willen ihrer Eltern zwangsverpflichtet und in Ausbildungslagern im benachbarten Ausland geschult, bevor sie zum Kampfeinsatz in die Türkei geschleust wurden. Bei der Finanzierung des Parteiapparats sowie der Ausrüstung und Finanzierung Versorgung der verbliebenen Guerillakämpfer kommt der Anhängerschaft in Deutschland eine besondere Bedeutung zu. Die PKK finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen, dem Verkauf von Publikationen und den Einnahmen aus Veranstaltungen. 174 Ausländerextremismus Den größten Anteil der Einnahmen erbringt die jeweils gegen JahresJährliche ende durchgeführte Spendenkampagne. Die Zielvorgabe für Bayern Spendenkampagne lag, wie in den Vorjahren, bei 1,5 Millionen DM. Die diesjährige Aktion stand unter dem Motto "Kampagne für die Freiheit von Kurdistan - lasst uns die Guerilla des Friedens stärken und mit den nationalen Institutionen frei werden". Sie fand vom 1. Oktober bis 15. Dezember statt. Um dem aufgrund des Friedenskurses der PKK deutlich eingeschränkten Spendenverhalten entgegenzuwirken, sprach die Partei erstmals nicht nur die kurdische Anhängerschaft an, sondern versuchte nach Möglichkeit, auch die finanzielle Unterstützung "befreundeter Kreise", insbesondere der türkischen, arabischen, persischen und assyrischen Volksschichten, zu erhalten. Trotz aller Bemühungen wurde das angestrebte Spendenziel wie in den Vorjahren bei weitem nicht erreicht. Des Weiteren gibt es Hinweise, dass die PKK auch vom Rauschgifthandel profitiert, indem sie beispielsweise kurdische Drogenhändler abschöpft. Unter dem Deckmantel der Förderung kurdischer Interessen beabsichtigt die PKK die Beteiligung an wirtschaftlichen Unternehmungen. Hierzu sind die Abhaltung eines ersten kurdischen Wirtschaftskongresses und die Gründung einer kurdischen Bank in Europa im Gespräch. PKK-naher Ein wichtiges Propagandamedium ist der PKK-nahe Fernsehsender Fernsehsender MEDYA-TV, der am 30. Juli 1999 seinen Betrieb aufnahm. Die Beiträge gleichen in wesentlichen Punkten der Berichterstattung seines Vorgängers MED-TV. Der Sender wird von der PKK als Plattform zur Darstellung ihrer politischen Ziele genutzt. Neben seiner Empfangbarkeit über Satellit unterstützt die Organisation derzeit nachhaltig die Aufnahme des Senders in das deutsche Kabelnetz. 3.3 Strategie Die Strategie der PKK ist seit der Festnahme ihres GeneralvorsitzenAnpassungsden Abdullah Öcalan geprägt von der Anpassung an die veränderte strategie politische und militärische Lage. Vom 2. bis 23. Januar führte die Partei ihren 7. Außerordentlichen Kongress im iranisch/irakischen Grenzgebiet durch, an dem nach eigenen Angaben rund 400 Delegierte aller Parteiorganisationen teilgenommen haben. Nach Auffassung der PKK wurde auf diesem Kongress ein Neuanfang eingeleitet. So gab sie bekannt, dass der politische und der militärische Flügel (ERNK und ARGK) in der bisherigen Form aufgelöst und neu strukturiert Ausländerextremismus 175 würden. Das militärische Potenzial der PKK bleibt jedoch als "Verteidigungsarmee" erhalten. An die Stelle des bewaffneten Kampfs trete Einstellung des aber eine Strategie des "demokratisch-politischen Kampfes". Darüber bewaffneten hinaus habe der 7. Kongress ein "detailliertes Friedensprojekt" ausKampfs gearbeitet, das einen Dialog bzw. Zusammenarbeit mit allen "demokratischen Kräften" in der Türkei vorsieht. Das Projekt beinhalte auch die Einstellung jeglicher Art von Auseinandersetzung zwischen nationalen kurdischen Kräften, insbesondere die Kampfhandlungen mit der Demokratischen Partei Kurdistans/Irak (DPK/I) im Irak. Beendet wurde der Parteikongress mit der erneuten und einstimmigen Wiederwahl Abdullah Öcalans zum Vorsitzenden. Als Resultat der Beschlüsse des 7. Parteikongresses wurde nicht nur die an die kommunistische Tradition der PKK erinnernde Bezeichnung "Zentralkomitee" durch "Parteirat" ersetzt, sondern auch die Parteifahne geändert. Die neue PKK-Fahne zeigt nunmehr auf rotem Grund eine gelbe Sonne in der linken oberen Ecke, in deren Mitte ein roter Stern prangt. Bereits im Februar konnte in einem PKK-Treffpunkt in Bayern das neue Emblem festgestellt werden. Öffentlich und in größerer Anzahl wurde es erstmals im Rahmen der Kurden-Großdemonstration PKK-Fahne vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straß(Ausschnitt) burg/Frankreich am 21. November verwendet. Dort beteiligten sich rund 15.000 PKK Anhänger, darunter mehrere hundert aus Bayern, an einer friedlich verlaufenen Demonstration aus Anlass des Prozessbeginns. Die Anwälte Öcalans machten in ihrer Klage geltend, die Ergreifung Öcalans in Kenia, seine Verbringung in die Türkei und das gegen ihn verhängte Todesurteil verstießen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Die PKK versuchte mit den organisatorischen und politischen ÄndeVorgebliche rungen deutlich zu machen, dass sie sich von einem ursprünglich Bemühungen um durch militärische Zielsetzung geprägten Apparat hin zu einer ausPolitikfähigkeit schließlich politisch wirkenden Kraft gewandelt habe. Dieser Veränderungsprozess resultiert aus der nach außen uneingestandenen Einsicht, dass die PKK mit ihrem bewaffneten Kampf weder militärische noch politische Fortschritte erzielt hat. Insgesamt hat die Partei nun eine Strategie formuliert, die auf Politikfähigkeit abzielt. Inwieweit diesen formellen Änderungen auch die damit implizierten inhaltlichen Änderungen des Kurses der PKK folgen, bzw. in welchem Maße diese angewandt und durch die Führungskader umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. 176 Ausländerextremismus Die Partei der arbeitenden Frauen Kurdistans (PJKK) , die im Juli 1999 aus der 1987 von der PKK gegründeten Nebenorganisation Union der freien Frauen aus Kurdistan (YAJK) entstand, führte vom 29. Juli bis 21. August in Südkurdistan ihren 3. Kongress durch. Dabei wurde der Name der Partei in Partiya Jinen Azad (PJA - auf Deutsch: Partei der freien Frauen) geändert. Die Teilnehmerinnen beschlossen, die Ergebnisse der Umstrukturierung des 7. PKK-Kongresses auf die PJA zu übertragen. Die neue PJA stellt sich somit als Nebenorganisation der PKK dar. Die Organisation wechselte schon öfters ihren Namen. Ihr Publikationsorgan ist die Zeitschrift "Jina Serbilind" (Die stolze Frau). Anhaltende In mehreren Verlautbarungen vom September verurteilte die PKK die Konflikte mit seit Mai anhaltenden militärischen Angriffe der Patriotischen Union konkurrierenden Kurdistans (PUK) auf PKK-Guerillaeinheiten im Nordirak. Diese kurdischen Angriffe seien Teil eines internationalen Komplotts, mit dem die PKK Gruppen daran gehindert werden solle, ihre Friedenspolitik fortzusetzen. Die Organisation rief über ihre Medien europaweit zu Protestaktionen gegen die PUK auf, die bei überschaubaren Teilnehmerzahlen friedlich und diszipliniert verliefen. In einem auch in Deutschland verbreiteten "Manifest des Friedens und der Einheit" vom 11. September kritisierte der Parteirat der PKK die ständigen innerkurdischen Auseinandersetzungen, die ihre Ursachen unter anderem in der "Interessenund Kollaborationspolitik der feudalen kurdischen Clangruppen" hätten. Diese gelte es zu überwinden, um kurdische Interessen gemeinsam wahrnehmen zu können. In einem am 4. Oktober veröffentlichten Kommunique des PKK-Präsidialrats erklärte dieser mit sofortiger Wirkung einen einseitigen Waffenstillstand gegenüber der PUK. Nachdem die PKK den größten Teil ihrer Guerillaverbände bereits 1999 aus dem Südosten der Türkei abgezogen hat, kommt es in ihren Rückzugsgebieten im Nordirak immer wieder zu Konflikten mit den dort etablierten Kräften der PUK und der Demokratischen Partei Kurdistans/Irak (DPK/I). Beide Organisationen sehen ihre traditionellen Einflussbereiche durch die PKK gefährdet und wehren sich folglich gegen deren Dominanz. Unter dem Titel "Zur Lösung der kurdischen Frage - Visionen einer demokratischen Republik" erschienen im November zur Frankfurter Buchmesse die Verteidigungsschriften des Vorsitzenden der PKK in Buchform und in deutscher Sprache. Abdullah Öcalan veröffentlichte damit seinen Lösungsvorschlag für die kurdische Frage. Ausländerextremismus 177 3.4 Unterstützer der PKK Nach wie vor wird die PKK von zahlreichen deutschen linksextremistischen Gruppierungen unterstützt, die insbesondere die unverzügliche Aufhebung des seit 1993 bestehenden PKK-Verbots fordern. Bundesweit setzen sich neben der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) noch etwa 30 Kurdistan-SolidaritätsKurdistan-Solidarigruppen für die Interessen der PKK ein. Von den vier in Bayern tätsgruppen existenten Unterstützerkomitees sind wie bisher die in München und Allgäu/Oberschwaben tätigen Gruppierungen in Form von Demonstrationen, Info-Tischen und Podiumsdiskussionen besonders aktiv. Der am 24. Mai 1999 in Amsterdam gegründete Kurdische NatioKurdischer nalkongress (KNK) gab im Oktober bekannt, dass er in London/GroßNationalkongress britannien neben Berlin und Stockholm nunmehr seine dritte Niederlassung eröffnet hat. Nach Mitteilung des KNK-Exekutivrats werde sich auch die neue Vertretung für die nationalen Ziele des kurdischen Volks sowie für die internationalen diplomatischen Beziehungen einsetzen. Dem von der PKK dominierten KNK gehören - im Gegensatz zum "Kurdischen Exilparlament" - auch Kurdengruppierungen aus Armenien, dem Iran, dem Irak und Syrien an. Die Demokratische Partei Kurdistans/Irak (DPK/I) und die Patriotische Union Kurdistans (PUK) waren der Gründung des KNK 1999 allerdings ferngeblieben. 3.5 PKK-interne Opposition Im vergangenen Jahr gab es mehrere Hinweise auf PKK-interne Oppositionsgruppen, die dem von Öcalan initiierten neuen Kurs nicht folgen wollten. Am 6. Januar berichtete das Kurdistan Informationszentrum (KIZ) in Berlin erstmals über eine Abspaltung einzelner militärischer Einheiten der PKK. Die PKK wandte sich in einer Erklärung gegen ProvoAbspaltung von kateure innerhalb der Organisation, die sich mit jeweils einer PKK-Guerillas Guerillagruppe zu Beginn des Jahres von der Partei gelöst hätten. Trotz intensiver und beharrlicher Bemühungen sei es der PKK nicht gelungen, diese Kämpfer aus dem Gebiet der Türkei abzuziehen. Die Partei unterhalte keinerlei Beziehungen mehr zu diesen Gruppierungen und trage daher auch keine Verantwortung für deren zukünftiges Handeln. 178 Ausländerextremismus Im Juli bestätigte der PKK-Präsidialrat Meldungen, wonach sich am 19. Mai eine Gruppe von rund 60 zum Teil langjährigen PKK-Guerillakämpfern von der Partei getrennt habe, von denen etwa 30 durch die Organisation festgesetzt worden seien. Ihnen wird vorgeworfen, die PKK spalten zu wollen. Die Partei dementierte jedoch die Gefangennahme und Bestrafung der abtrünnigen PKK-Guerillas und bezeichnete derartige Meldungen als Teil des gegen die PKK gerichteten internationalen Komplotts. Formierung Ehemalige hochrangige Führungsfunktionäre der PKK haben eine einer internen "Nationale Demokratische Initiative Kurdistan" gegründet. Diese Opposition Gruppierung trat erstmals am 18. August mit einer im Internet abrufbaren Erklärung an die Öffentlichkeit. Darin wird die PKK offen aufgefordert, sich dem Einfluss des inhaftierten Generalvorsitzenden Abdullah Öcalan zu entziehen. Dieser vertrete nicht mehr das kurdische Volk, sondern diene dem türkischen Staat. Die "Initiative" kritisierte in scharfer Form den derzeit von der PKK verfolgten, auf Ausgleich mit der Türkei gerichteten Friedenskurs als verfrüht und als Verrat an der kurdischen Nation. Die von Öcalan verfolgte Politik bedeute die Selbstaufgabe aller bisherigen Ziele der PKK. Öcalan wurde als "ideologisch-politischer Verräter" bezeichnet, der die Ziele der PKK in eine Sackgasse geführt habe. Insbesondere sei es Verrat, die Guerillakämpfer abzuziehen, obwohl gegenüber dem türkischen Staat noch nichts erreicht sei. Die Träger der "Initiative" forderten die PKK weiter auf, ihre Politik noch einmal zu überdenken und sich mit den kritischen Anstößen auseinander zu setzen. Eine Spaltung der PKK sei jedoch nicht ihre Intention. Vielmehr sei es das Ziel der Initiative, die Partei von ihrem falschen Weg abzubringen und sie neu zu strukturieren. Um die bisher aufgrund der straffen Kader-Struktur üblichen Repressionen gegen Andersdenkende innerhalb der Partei künftig zu verhindern, wird ein demokratischer Aufbau angestrebt. Kritiker der neuen Friedenslinie der PKK werden in letzter Zeit vermehrt und unter namentlicher Nennung in PKK-nahen Publikationsorganen verunglimpft oder via MEDYA-TV offen der Beteiligung des Komplotts gegen die PKK bezichtigt. 3.6 Aktivitäten und Gewalttaten Trotz des vereinsrechtlichen Betätigungsverbots führten PKK-Anhänger in Deutschland erneut eine Reihe von Veranstaltungen durch, die in der Regel friedlich verliefen. Dabei gelang es den Organisatoren Ausländerextremismus 179 mehrfach, mehrere zehntausend Anhänger zu mobilisieren. Während PKK-Anhänger im Vorjahr insbesondere aus Anlass der Ergreifung und Verurteilung ihres Vorsitzenden Öcalan noch eine Vielzahl von schweren Gewalttaten verübten, wurden in diesem Jahr bundesweit Weitgehend kaum Gewalttaten bekannt, die der PKK zuzurechnen sind. In Bayern gewaltfreier wurde keine (1999: zehn) Gewalttat bekannt, bei der ein PKK-ZusamVerlauf menhang anzunehmen ist. Die Polizei musste allerdings insbesondere bei Veranstaltungen mehrfach wegen Verstößen gegen das Betätigungsverbot einschreiten. Die Linientreue und den Fanatismus der PKK-Anhänger zeigen auch zwei Selbstverbrennungen. Im Januar fügte sich ein in der JustizvollSelbstverzugsanstalt Würzburg in Abschiebehaft einsitzender PKK-Funktionär brennungen zur Verhinderung seiner Abschiebung schwere Verbrennungen an einem Bein zu. Aufgrund seiner Verletzungen wurde er in ein Krankenhaus überstellt und die Abschiebung ausgesetzt. Am 8. März übergoss sich ein zuletzt in Augsburg wohnhafter 29-jähriger Kurde vor dem Westportal des Reichstagsgebäudes in Berlin mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sich an. Kurz darauf verstarb er an den erlittenen Brandverletzungen. Er stand im Verdacht, im März 1994 an den Ausschreitungen anlässlich des Newroz-Festes in Augsburg beteiligt gewesen zu sein. Ein gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren wegen Landfriedensbruchs und Nötigung war bereits durch die Staatsanwaltschaft Augsburg eingestellt worden. Das kurdische Neujahrsfest Newroz wurde von der kurdischstämmiNewroz-Feiern gen Bevölkerung bundesweit mit zahlreichen friedlichen Veranstaltungen gefeiert. An einem Aufzug am 20. März in München beteiligten sich 155 Personen, darunter auch 30 Kinder. Zwei Teilnehmer wurden festgenommen, weil sie die Parole "Hoch lebe unser Führer APO" gerufen hatten. In Nürnberg wurde am 21. März ebenfalls ein Demonstrationszug zum Newroz-Fest durchgeführt. Rund 150 Teilnehmer zogen mit Transparenten ohne strafbaren Inhalt durch die Innenstadt. Bei der Abschlussveranstaltung skandierten jedoch mehrere Teilnehmer Hochrufe auf Öcalan. Bei einer Newroz-Feier am 8. April in München, an der rund 1.500 Kurden teilnahmen, forderten die Teilnehmer die Aufhebung des PKK-Verbots, da dieses die Politisierungsbemühungen des kurdischen Volks verhindere. Ein Vertreter der YDK, der früheren ERNK, rief alle befreundeten Völker zur Solidarität mit dem kurdischen Volk und Öcalan auf. Die Veranstaltung verlief - wie die Newroz-Feiern im März - friedlich. 180 Ausländerextremismus Am 18. Juni veranstaltete die PKK im "Haus der Jugend" in Frank"Volksversammfurt-Sachsenhausen eine "Volksversammlung", an der rund 450 Perlung" sonen teilnahmen. Eine namentlich nicht bekannte PKK-Funktionärin hielt ein rund dreistündiges aggressives Referat, in dessen Verlauf sie Deutschland vorwarf, noch immer Druck auf die PKK auszuüben. Die Bundesrepublik habe sich deutlich auf die Seite der Türkei gestellt. Hier ticke eine Zeitbombe und die PKK sei immer bereit. In der Türkei habe die PKK fast keine Hoffnung mehr auf eine friedliche Lösung, da der türkische Staat immer mehr auf eine gewaltsame Lösung setze. Aus diesem Grund rechne die Referentin auch wieder mit "Krieg", der auch auf Europa übertragen werde. Die PKK habe viele moderne Waffen angeschafft und es hätten sich rund 5.000 freiwillige Guerillas als Selbstmordkommandos gemeldet. Wenn diese losschlagen würden, wäre dies ein Schlag, von dem sich die Türkei nicht wieder erholen könnte. Der Verein Med-Kulturhaus e.V. veranstaltete vom 15. bis 23. Juni in München eine "Hungerstreik-Kundgebung". Daran beteiligten sich "Hungerstreik" täglich zahlreiche "Hungerstreikende" im Wechsel mit anderen Teilnehmern. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Für das Leben und die Gesundheit von Abdullah Öcalan". Sie verlief friedlich. SolidaritätsAm 24. Juni führte die PKK in Düsseldorf eine Großdemonstration kundgebung zum Thema "Weg mit der Todesstrafe - Frieden jetzt - Freiheit für für Öcalan Abdullah Öcalan" durch. Anlass war der Jahrestag der Verurteilung Öcalans zum Tode. Die Veranstaltung wurde unter anderem von der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) organisiert. Die etwa 25.000 Teilnehmer verhielten sich friedlich. Vereinzelt wurden allerdings Fahnen der verbotenen PKK sowie Bilder Abdullah Öcalans gezeigt. Bei der Hauptkundgebung traten Vertreter des Kurdischen Nationalkongresses (KNK), des Europaparlaments und verschiedener Menschenrechtsorganisationen auf. Sie forderten die Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei, bessere Haftbedingungen für Abdullah Öcalan sowie eine dauerhafte Lösung des Kurdenproblems. Die Beteiligung an der Veranstaltung blieb erheblich hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück, die mit mindestens 50.000 Teilnehmern gerechnet hatten. Schon der Kartenvorverkauf war schleppend verlaufen. Viele Kurden erwarben zwar Karten, nahmen an der Veranstaltung selbst aber nicht teil. Mehr als 50.000 Personen, darunter rund 1.000 PKK-Anhänger aus Bayern, nahmen am diesjährigen 8. Internationalen Festival für Frie- Ausländerextremismus 181 den, Demokratie und Freiheit am 2. September im Müngersdorfer Großveranstaltung Stadion in Köln teil. Die in der Mehrzahl kurdischen Teilnehmer in Köln waren aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus dem benachbarten Ausland mit Sonderzügen, Bussen und PKW angereist. Neben kulturellen Darbietungen und politischen Redebeiträgen wurde unter anderem ein Grußwort des PKK-Vorsitzenden verlesen, in dem dieser die Einheit von Partei und Volk beschwor und die türkische Regierung erneut aufforderte, endlich Maßnahmen zur Befriedung des Kurdenkonflikts zu ergreifen. Der kurdischen Bevölkerung müssten Rechte hinsichtlich der Anerkennung ihrer Identität, Sprache und Kultur zugestanden werden. Zahlreiche Teilnehmer brachten ihre Sympathien für die PKK offen zum Ausdruck. Sie zeigten Fahnen der verbotenen Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) sowie Portraits Öcalans. Die namentliche Erwähnung Öcalans in Redebeiträgen führte jedes Mal zu demonstrativer Begeisterung der Besucher. Im Umfeld des Stadions waren mehrere so genannte "Y-Gruppen" der PKK mit Informationsständen vertreten. Gewalttaten wurden nicht verübt. 3.7 Strafverfahren und Exekutivmaßnahmen Die Polizei nahm am 23. März in einem PKK-Treffpunkt in Darmstadt Festnahmen von den PKK-Verantwortlichen der PKK-Region Süd fest. Der GeneralFührungskadern bundesanwalt ermittelt gegen ihn wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen bzw. kriminellen Vereinigung (SSSS 129, 129a StGB) und der versuchten schweren Brandstiftung in drei Fällen im März 1995 auf türkische Einrichtungen in Duisburg. Bei der Einreise in das Bundesgebiet konnte am 30. März der unter dem Decknamen "Mehmet" bekannte Verantwortliche der PKK-Region Mitte durch Beamte des Bundesgrenzschutzes am Grenzübergang Elten/Nordrhein-Westfalen festgenommen werden. Gegen ihn bestand ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB). Im Verfahren um die Besetzung des griechischen Generalkonsulats am 16. Februar 1999 in Leipzig, an der insgesamt 73 Kurden beteiligt waren, verurteilte das Landgericht Leipzig am 16. Mai sechs Verurteilung von PKK-Aktivisten wegen Geiselnahme, schweren Hausfriedensbruchs Konsulatsbesetzern und Landfriedensbruchs zu Haftstrafen zwischen zwei und drei Jahren. Die Verurteilten gelten als Hauptakteure der gewaltsamen Beset- 182 Ausländerextremismus zung des Generalkonsulats anlässlich der Ergreifung des PKK-Führers Abdullah Öcalan. Exekutivund Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte am 18. Mai zwei PKK-FunkStrafverfahren tionäre wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, wegen MitgliedUrkundenfälschung und bandenmäßigen Einschleusens von Auslänschaft in einer dern zu Freiheitsstrafen von jeweils 30 Monaten. Zu ihren Aufgaben kriminellen Vergehörte es, Reisebewegungen für den konspirativen Kaderaustausch einigung und das Kuriersystem zu organisieren. Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erließ am 26. Juli Haftbefehl gegen einen mit Decknamen "Munzur/Hüseyin" bekannten PKK-Funktionär wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Er war von Februar bis August für die PKK-Region Bayern verantwortlich. Am 1. August nahm die Polizei im Hauptbahnhof Stuttgart einen zuletzt unter den Decknamen "Xalo Ali/Ali Dayi" bekannten PKK-Funktionär fest. Gegen ihn ermittelt der Generalbundesanwalt wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB). Der Festgenommene steht im dringenden Verdacht, von August 1999 bis März 2000 die PKK-Region Baden und das PKK-Gebiet Stuttgart geleitet zu haben. Als Regionsverantwortlicher soll er Gebietsund Teilgebietsverantwortliche politisch geschult, Anweisungen der Parteiführung weitergegeben und bei der Beschaffung und Verwendung von Ausweispapieren sowie bei Schleusungen von PKK-Mitgliedern aktiv mitgewirkt haben. Das Kammergericht Berlin verurteilte am 1. August zwei PKK-Funktionäre wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB) und in einem Fall zudem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu zwei Jahren und zwei Monaten bzw. zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Den Verurteilten oblag es, Reisebewegungen für den konspirativen Kaderaustausch und das Kuriersystem zu organisieren. Strafverfahren Am 2. August eröffnete das Landgericht Bremen das Hauptverfahren wegen Mordes gegen vier mutmaßliche Aktivisten der PKK wegen Mordes an zwei Kurden. Ein Verfahren gegen vier weitere Beteiligte wegen des Verdachts der Beihilfe wurde abgetrennt. Am 24. August 1999 waren auf dem Gelände des ehemaligen Bremer U-Boot-Bunkers "Valentin" die Leichen zweier Kurden aufgefunden worden. Die beiden Ermordeten hatten in Bremen gegen den Willen ihrer Eltern gemeinsam in Ausländerextremismus 183 einer Wohnung gelebt und waren als PKK-Sympathisanten bekannt. Die Frau war im Schlick der Weser erstickt worden, ihr Lebensgefährte wies tödliche Verletzungen im Kopfbereich auf. Die Ermittlungen führten zur Ergreifung von PKK-Funktionären, die der Tat dringend verdächtig sind. Der Generalbundesanwalt hat beim Oberlandesgericht Koblenz gegen einen PKK-Funktionär Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach SS 129 a StGB erhoben. Der PKK-Funktionär Anklage nach steht im Verdacht, als Gebietsund Regionsverantwortlicher für die SS 129 a StGB PKK tätig gewesen zu sein. Am 28. August nahm die Polizei am Kölner Hauptbahnhof einen hochrangigen PKK-Funktionär wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung fest. Der Festgenommene soll im PKK-Komitee "Heimatgerichtete Aktivitäten/Heimatbüro" eingebunden gewesen sein und im Februar 1999 nach der Festnahme Abdullah Öcalans Besetzungsaktionen in Düsseldorf, Köln und Bonn gesteuert haben. Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte am 30. August zwei Kurden im Alter von 35 und 40 Jahren unter anderem wegen Geiselnahme zu Freiheitsstrafen von fünfeinhalb bzw. zwei Jahren auf Strafverfahren Bewährung. Während der Besetzung des Verkehrsbüros von Kenia wegen Geiselam 16. Februar 1999 in Frankfurt am Main anlässlich der Festnahme nahme des PKK-Generalvorsitzenden Abdullah Öcalan in Nairobi/Kenia hatten die Täter damit gedroht, Mitarbeiter des Verkehrsbüros aus dem Fenster des vierten Stockwerks zu werfen. Das Bayerische Oberste Landesgericht in München verurteilte am 5. Dezember zwei PKK-Funktionäre wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach SS 129 StGB und gewerbsmäßiger SchleuVerurteilung von sung nach SS 92 Ausländergesetz zu Freiheitsstrafen. Die ehemalige kriminellen SchleuLeiterin der PKK-Region Bayern erhielt zwei Jahre und zwei Monate sern Freiheitsstrafe, wobei Haftfortdauer wegen weiterhin bestehender Fluchtgefahr angeordnet wurde. Der Mitangeklagte wurde zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden an einer Vereinigung beteiligt waren, deren Tätigkeit darauf ausgerichtet war, fortgesetzt Urkundenfälschungen zu begehen und bandenmäßig PKK-Aktivisten nach Deutschland einzuschleusen. Beide waren unter anderem als Regionsverantwortliche der PKK für Bayern von März 1996 bis März 1997 bzw. März 1998 bis Mai 1999 eingesetzt. 184 Ausländerextremismus 4. Arabische Gruppen 4.1 Muslimbruderschaft (MB) in der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Deutschland Bayern Mitglieder: 1.200 200 Gründung: 1928 in Ägypten Sitz: München Sunnitisch-extreDie von Hassan Al-Banna in Ismailija/Ägypten gegründete sunnimistische Ideologie tisch-extremistische MB ist eine multinationale Organisation, bei der eine Unterteilung in nationale Sektionen erkennbar ist. Ziel der MB ist unter anderem die Errichtung von islamischen "Gottesstaaten". Die Anhänger der MB sind bemüht, sich in der Öffentlichkeit als eine gegenüber der deutschen Rechtsordnung loyale muslimische Interessenvertretung darzustellen. Vorbehalte gegenüber den westlichen Demokratien, auch gegenüber der Staatsund Gesellschaftsordnung in Deutschland, kommen in öffentlichen Verlautbarungen nur selEmblem ten zum Ausdruck. der MB Als deutsche Zentrale der MB gilt die Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD). Der IGD sind mehrere Islamische Zentren in Deutschland nachgeordnet. Sie hat ihren Sitz im Islamischen Zentrum Einfluss der MB München. Die IGD steht unter maßgeblichem Einfluss des ägyptiauf die IGD schen Zweigs der MB. Präsident der IGD ist Dr. Ghaleb Himmat, ein in der Schweiz lebender Syrer; Generalsekretär ist der in der Nähe von München wohnhafte Ägypter Ahmed El Khalifa. Viele Mitglieder und Funktionäre der IGD und der Islamischen Zentren stehen der MB und deren Zielsetzung nahe. Deshalb waren aus den Islamischen Zentren wie in den Vorjahren Verlautbarungen und Aufrufe zu vernehmen, die mit der offiziellen gemäßigten Linie der IGD, etwa dem Eintreten für das richtige Verständnis des Islam, nicht übereinstimmten, sondern die Nähe zur MB verdeutlichten. So enthielten die in den Islamischen Zentren gehaltenen Reden wiederholt Latente Militanz Aufrufe zum Jihad (Heiliger Krieg zur Verteidigung und Verbreitung des Islam), wobei die Befreiung Jerusalems und der Al-Aqsa-Moschee gefordert wurden. MB-Angehörige beteiligten sich auch an Demonst- Ausländerextremismus 185 rationen zum Nahost-Konflikt. Besonderes Engagement zeigte hierbei der 1981 in München von MB-Angehörigen gegründete Islamische Bund Palästina (IBP), der in Deutschland die Ziele der "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS), des palästinensischen Zweigs der MB, unterstützt. 4.2 Islamische Heilsfront (FIS) - algerischer Zweig der MB - Deutschland Bayern Mitglieder: 300 45 Gründung: 1989 in Algerien Publikation: Al-Ribat (Das Band) Die FIS ist der algerische Zweig der international tätigen MB. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staatswesens in Algerien. Als sie 1992 in Algerien verboten wurde, gingen zahlreiche FIS-Funktionäre ins Ausland. Der Leiter der "Exekutivinstanz der FIS im Ausland", Rabah Kebir, hält sich in Deutschland auf. Nach dem Verbot waren die FIS und ihr militärischer Arm "Islamische Heilsarmee" (AIS) für zahlreiche Terroranschläge in Algerien verantwortlich. Seit Oktober 1997 halten sie an dem damals einseitig erklärWaffenstillstand ten Waffenstillstand fest. Auch im Jahr 2000 war die FIS bemüht, sich deutlich und nachhaltig von der mit ihr rivalisierenden "Bewaffneten Islamischen Gruppe" (GIA) zu distanzieren, die seit ihrer Gründung 1991 zahlreiche grausame Massaker an der algerischen Zivilbevölkerung verübte. In Bayern entwickelten die FIS-Anhänger keine öffentlichen Aktivitäten. 4.3 Al-Gamaa Al-Islamiya (GI) Deutschland Bayern Mitglieder: Einzelpersonen Einzelpersonen Die sunnitisch-extremistische Organisation Al-Gamaa Al-Islamiya (GI) Abspaltung spaltete sich Mitte der 70er Jahre von der Muslimbruderschaft ab. Die von der MB Anhänger der GI verfolgen unter der Führung von Scheich Omar Abdelrahman das Ziel, durch Schwächung der Wirtschaft die ägypti- 186 Ausländerextremismus sche Regierung zu stürzen und ein islamistisches Staatsgebilde in Form eines Gottesstaats zu errichten. In den Jahren 1992 bis 1997 war die GI für zahlreiche Anschläge in Ägypten, auch auf ausländische Touristen, verantwortlich. Mehrere in Ägypten inhaftierte Führer Taktisch motivierte der GI riefen inzwischen zum Waffenstillstand auf. Ein in London Waffenruhe lebender Funktionär der GI bezeichnete im Vorjahr die Beendigung der Gewaltaktionen allerdings nicht als Waffenstillstand nach dem Recht der Scharia, sondern als taktischen Schritt, um dem Islam zur Macht zu verhelfen. 4.4 Internationale Islamische Front Deutschland Bayern Mitglieder: Einzelpersonen Einzelpersonen Gründung: 1998 Die 1998 erstmals öffentlich in Erscheinung getretene Internationale Islamische Front unter der Führung von Usama Bin Laden ist ein aus konspirativ tätigen Zellen bestehendes, weltweit aktives Netzwerk Folgenschwere mit terroristischer Zielsetzung. Sie wird für die Bombenanschläge auf terroristische die US-Botschaften in Nairobi/Kenia und Daressalam/Tansania am Anschläge 7. August 1998 verantwortlich gemacht. Bei den zeitgleichen Anschlägen wurden über 250 Menschen getötet und weit über 5.000 verletzt. Bin Laden hatte schon im Mai 1998 in Afghanistan Anschläge angekündigt. Am 12. Oktober verübten zwei Selbstmordattentäter einen Bombenanschlag auf ein im Hafen von Aden liegendes amerikanisches Kriegsschiff. Das Attentat forderte unter der Besatzung 17 Tote und 39 Verletzte. Es entstand ein Schaden von 240 Millionen US-Dollar. Verbindungen der Täter zur Internationalen Islamischen Front sind anzunehmen. Bin Laden führt auch die islamistische Al Qaeda und bemüht sich um Kontakte zu anderen entsprechenden Terrororganisationen wie HAMAS, GIA und Al-Gamaa Al-Islamiya. Er gilt als maßgeblicher finanzieller Unterstützer der panislamistischen Bestrebungen. Besonders ausgeprägt ist sein Kontakt zur ägyptischen Terrororganisation Jihad Islami. In Deutschland und Bayern halten sich nur vereinzelt Mitglieder und Sympathisanten der Internationalen Islamischen Front auf. Am Ausländerextremismus 187 25. und 26. Dezember nahm die Polizei in Frankfurt am Main vier Festnahmen in mutmaßliche Anhänger der arabischen Mudjahedin und der Al Qaeda Frankfurt am Main des Usama Bin Laden fest. Bei ihnen wurden Waffen und Grundstoffe zur Herstellung von Sprengstoff gefunden. Sie stehen im Verdacht, eine Bestrafungsaktion gegen politische Gegner und Einrichtungen westlicher Staaten vorbereitet zu haben, für die sie in Trainingslagern des Usama Bin Laden ausgebildet wurden. Gegen die aus Algerien, dem Irak und Frankreich stammenden Personen ergingen Haftbefehle. 4.5 Hizb Allah (Partei Gottes) Deutschland Bayern Mitglieder: 800 Einzelpersonen Gründung: 1982 im Libanon Sitz: Münster Publikation: Al-Ahd (Die Verpflichtung) Die Hizb Allah (auch: Hisbollah) ist eine auf Initiative des Iran gegrünSchiitisch-extremisdete schiitische Partei, die seit 1992 im libanesischen Parlament vertische Ideologie treten ist. Sie wird vom Iran finanziell, materiell und ideologisch unterstützt. Zu ihr gehören verschiedene Wohlfahrtsorganisationen sowie der "Islamische Widerstand" (Muqawame Islamiya), der als militärischer Arm der Organisation insbesondere den bewaffneten Kampf gegen israelische Militäreinheiten im libanesisch-israelischen Grenzgebiet führte. Bis zum Mai war die von Israel seit 1978 besetzte "Sicherheitszone" im Südlibanon Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen. Die Hizb Allah feierte den damaligen israelischen Rückzug aus der "Sicherheitszone" als Erfolg ihres langjährigen Kampfes. In mehreren Städten Deutschlands fanden "Siegesfeiern" statt. Bei einer solchen Feier am 10. Juni in München, an der rund 200 schiitische Gläubige aus dem Irak, Libanon, Iran und der Türkei teilnahmen, wurde der heldenmütige Kampf der Märtyrer des "Islamischen Widerstands" gerühmt, der ein Vorbild für andere Völker sei. Die Hizb Allah nahm den seit Ende September eskalierenden NahostAktionen im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wiederholt zum Nahost-Konflikt Anlass militärischer Aktionen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet; ferner entführte sie Soldaten der israelischen Armee. In Deutschland 188 Ausländerextremismus und im übrigen westlichen Ausland waren dagegen weder Anschläge noch sonstige gewaltsame Reaktionen von Anhängern der Hizb Allah zu verzeichnen. Die von der Hizb Allah früher geforderte Errichtung einer "Islamischen Republik" im Libanon nach dem Beispiel des Iran genießt heute keine Priorität mehr. Vielmehr bekundete die Organisation ihre Bereitschaft, sich in das politische System des Libanon zu integrieren, Kurswechsel um durch politische Aktivitäten gesellschaftliche Veränderungen im Libanon herbeizuführen. In Deutschland ist die Führung der Hizb Allah weiterhin bestrebt, die Anhängerschaft neu zu organisieren. Diesem Zweck dienen auch häufige Besuche hochrangiger Funktionäre und islamischer "Geistlicher". 5. Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Deutschland Bayern Mitglieder: 900 100 Aktivisten 300 Sympathisanten Gründung: 1981 in Paris Sitz: Köln Publikationen: Modjahed (Kämpfer), Freiheit für Iran Islamisch-extreDer NWRI wurde unter Federführung der islamisch-extremistischen mistische AusrichVolksmodjahedin als Zusammenschluss iranischer oppositioneller tung Gruppierungen gegründet. Im August 1993 schuf der NWRI ein Exilparlament und rief die Generalsekretärin der Volksmodjahedin, Maryam Radjavi, zur "künftigen Präsidentin des Iran" aus. Der NWRI unterhält im iranisch-irakischen Grenzgebiet eine mehrere tausend Kämpfer zählende Rebellenarmee, die Nationale Befreiungsarmee (NLA). BedeutungsTrotz umfangreicher propagandistischer Aktivitäten verliert der NWRI verlust - entgegen eigener Darstellung - an Bedeutung. Ursache hierfür ist insbesondere die bei der iranischen Bevölkerung populäre Politik der Regierung Khatami, die den ohnehin geringen Zuspruch der Volksmodjahedin in der iranischen Bevölkerung sowie bei den im Ausland lebenden Iranern weiter mindert. Die Volksmodjahedin sind innerhalb der iranischen Exilopposition seit Jahren isoliert, da sie für sich in Ausländerextremismus 189 Anspruch nehmen, "einzige demokratische Alternative" zur iranischen Regierung zu sein. Tatsächlich weist die Organisation jedoch selbst ein erhebliches Demokratiedefizit auf, das mit einer erhöhten Gewaltbereitschaft gepaart ist. Belege hierfür sind die streng hierarchisch ausgerichtete Kaderstruktur, der sektenartige Führerkult um das Ehepaar Massoud und Maryam Radjavi, die Propagierung von Gewalt als legitimes Mittel zum Sturz der iranischen Regierung sowie die Durchführung von terroristischen Anschlägen im Iran gegen Repräsentanten des Staates. In Deutschland tritt der NWRI vor allem mit Spendensammlungen, Finanzierung aber auch mit Demonstrationen in Erscheinung. Die angeblich für humanitäre Zwecke bestimmten Gelder dienen in Wirklichkeit dem Unterhalt der weltweiten Strukturen der Volksmodjahedin sowie wohl auch der Unterstützung der NLA. Die hauptsächlich in Asylbewerberheimen angeworbenen Aktivisten der Volksmodjahedin versuchen seit Jahren, - oft unter Verstoß gegen ihre Aufenthaltsbeschränkung und ohne Sammlungserlaubnis - Gelder zu sammeln. Die vom iranischen Staatspräsidenten Khatami angestrebte AnnäheStörung auswärtirung des Iran an den Westen steht im Gegensatz zu den politischen ger Beziehungen Zielen des von den Volksmodjahedin dominierten NWRI. Daher nutzt die Führung des NWRI jede Möglichkeit, um eine positive Entwicklung der deutsch-iranischen Beziehungen mit öffentlichkeitswirksamen Propagandaaktionen zu verhindern. Der erste Deutschlandbesuch eines iranischen Staatsoberhaupts seit 1967 war deshalb für den NWRI ein besonders wichtiges Ereignis. Khatamis Aufenthalt vom 10. bis 12. Juli bot dem NWRI die Gelegenheit, in Deutschland medienwirksam zu protestieren. Bei einer vom NWRI organisierten Kundgebung demonstrierten am Protestaktionen 10. Juli in Berlin bis zu 7.000 oppositionelle Iraner, darunter auch gegen den Besuch etwa 300 NWRI-Anhänger aus Bayern, gegen den Staatsbesuch und des iranischen die iranische Regierung. Eine weitere Demonstration des NWRI mit Staatspräsidenten etwa 300 Teilnehmern fand am 12. Juli in Weimar statt. Geplante Störaktionen konnten von den Sicherheitskräften verhindert oder unterbunden werden. Da das Resultat der Proteste aufgrund der umfangreichen polizeilichen Gegenmaßnahmen weit hinter den Erwartungen der Verantwortlichen zurückblieb, reagierte die Anhängerschaft der Volksmodjahedin mit erheblicher Enttäuschung. Inwieweit sich dies auf künftige Aktivitäten des NWRI auswirken wird, ist offen. 190 Ausländerextremismus 6. Israel-Palästina-Konflikt Ein Besuch des israelischen Oppositionspolitikers Ariel Sharon am 28. September auf dem Tempelberg in Jerusalem zur Demonstration jüdischer Präsenz löste in den palästinensischen Autonomiegebieten, in Jerusalem und an der libanesisch-israelischen Grenze die seit Jahren schwersten Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern, Angehörigen der libanesischen Hizb Allah und israelischen Sicherheitskräften aus. Die in der Folgezeit eskalierende Gewalt führte zum vorläufigen Ende des Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern. Radikale Araber prägten für ihren Aufstand, der bis zur Lösung des Palästinakonflikts andauern solle, den Begriff "Al-Aqsa-Intifada". Die Unruhen forderten auf beiden Seiten zahlreiche Todesopfer. Der Nahost-Konflikt emotionalisierte alle in Deutschland lebenden Ausländer aus arabischen Herkunftsländern, insbesondere Palästinenser und Libanesen. Palästinensische Gruppierungen bekundeten mit Demonstrationen und Mahnwachen ihre Solidarität mit ihren Landsleuten im Nahen Osten. Besonderes Engagement zeigten hierbei Anhänger des Islamischen Bunds Palästina (IBP), der sich als deutscher Zweig der "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS) betrachtet. Am 1. Oktober demonstrierten 300 Personen, darunter Mitglieder der HAMAS, vor der israelischen Botschaft in Berlin gegen die "Massenmorde der israelischen Besatzungsarmee an der palästinensischen Bevölkerung". Am 6. und 7. Oktober organisierten Angehörige palästinensischer Gruppierungen unter Beteiligung der Hizb Allah (Partei Gottes) und HAMAS bundesweite Demonstrationen, um vor dem Hintergrund der Krisensituation im Nahen Osten sowohl einen unabhängigen Staat Palästina mit der Hauptstadt Jerusalem als auch die Rückkehr der Palästinenser in ihre Heimat zu fordern. An den Veranstaltungen beteiligten sich am 6. Oktober in Berlin etwa 3.800, am 7. Oktober in Frankfurt etwa 2.800, in Bonn 600, in Essen 550 sowie in Hamburg rund 800 Personen. Auf der Berliner Veranstaltung bezeichneten Sprecher "Israelis" als Kindermörder. In Essen brachen nach der Abschlusskundgebung etwa 200 Personen plötzlich in Richtung "Alte Synagoge" auf und bewarfen das Gebäude und Polizeibeamte mit Steinen. Mehrere Beamte erlitten Verletzungen. Der Sachschaden an der Synagoge beträgt mehr als 100.000 DM. Die Polizei stellte zahl- Ausländerextremismus 191 reiche Waffen und gefährliche Gegenstände sicher und nahm insgesamt 175 Personen vorläufig fest; gegen drei von ihnen ergingen Haftbefehle wegen schweren Landfriedensbruchs. In München veranstaltete das von der Muslimbruderschaft (MB) beeinflusste Islamische Zentrum München (IZM) am 6. Oktober eine Demonstration mit etwa 350 Teilnehmern unter dem Motto "Gegen die Regierung von Israel - Wir brauchen Frieden in Nahost". Kundgebungsteilnehmer verbrannten drei israelische Fahnen. Zeitgleich fand in Nürnberg eine Veranstaltung des MB-beeinflussten Islamischen Zentrums Nürnberg statt, die friedlich verlief. In der Zeit vom 12. bis 14. Oktober organisierten Angehörige palästinensischer Organisationen neben öffentlichen Kundgebungen im benachbarten Ausland auch Veranstaltungen in Aachen, Dortmund, Duisburg, Erlangen, Freiburg, Hamburg, München, Saarbrücken und Wuppertal. Am 21. Oktober demonstrierten rund 3.000 Personen vornehmlich arabischer Herkunft in Berlin gegen die "israelische Aggressionspolitik". Demonstrationsteilnehmer verbrannten israelische Fahnen und bewarfen ein Polizeifahrzeug mit Steinen. In der Nacht zum 3. Oktober warfen ein 20 Jahre alter Deutscher marokkanischer Herkunft und ein in Jordanien geborener Palästinenser drei Molotowcocktails über den Schutzzaun der jüdischen Synagoge in Düsseldorf. Durch das beherzte Eingreifen einer deutschen Passantin konnten die Brandsätze gelöscht werden, ohne dass größerer Schaden entstand. Die beiden Täter erklärten nach der Festnahme, sie hätten ein Zeichen gegen die Gewalt Israels im Kampf gegen die Palästinenser setzen wollen. 192 Ausländerextremismus 7. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) 1. Arabische und algerische Gruppen Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) Al Hourriah (Die Freiheit) marxistisch-leninistisch - wöchentlich - Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) Al Hadaf (Das Ziel) marxistisch-leninistisch - wöchentlich - Democratic Palestine - zweimonatlich - Volksfront für die Befreiung Palästinas Ila-Al-Amam (Vorwärts) -Generalkommando(PFLP-GC) - wöchentlich - marxistisch-leninistisch Hizb Allah (Partei Gottes) Al-Ahd (Die Verpflichtung) schiitisch-extremistisch - wöchentlich - Muslimbruderschaft (MB) Risalatul-Ikhwan Zentrale: Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) - wöchentlich - sunnitisch-extremistisch Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) und Islamischer Bund Palästina (IBP) sunnitisch-extremistisch Islamische Heilsfront (FIS) Al Ribat (Das Band) sunnitisch-extremistisch - wöchentlich - Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) Al-Jamaa (Die Gruppe) sunnitisch-extremistisch - monatlich - Al Quital (Die Schlacht) - wöchentlich - Al-Gamaa Al-Islamiya (GI) sunnitisch-extremistisch Jihad Islami (JI) sunnitisch-extremistisch Internationale Islamische Front und Al-Qaeda sunnitisch-extremistisch Ausländerextremismus 193 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) 2. Iranische Gruppen Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Modjahed (Kämpfer) Sitz: Köln - wöchentlich - Freiheit für Iran - unregelmäig - Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV) Sitz: Köln islamisch-extremistisch Union islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) Qods (Jerusalem) islamisch-extremistisch - unregelmäßig - 3. Kurdische Gruppen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Serxwebun (Unabhängigkeit) marxistisch-leninistisch - monatlich - (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan-Report - zweimonatlich - Teilorganisationen der PKK: Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) Kurdische Demokratische Volksunion (YDK) bisher: Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Nebenorganisationen der PKK: Kurdistan-Komitee e.V., Köln (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informationsbüro in Deutschland (KIB) (am 02.03.1995 verboten) Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) Haus der kurdischen Künstler e.V. (bisher: HUNERKOM) Partei der freien Frauen (PJA) Jina Serbilind (Die stolze Frau) bisher: Union der freien Frauen aus Kurdistan (YAJK) - vierteljährlich - 194 Ausländerextremismus Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Union der Journalisten Kurdistans (YRK) Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) Union zur Pflege der kurdischen Kultur und Kunst (YRWK) Welate Me (Unsere Heimat) Union der Jugendlichen aus Kurdistan (YCK) Sterka Ciwan (Stern der Jugend) - zweimonatlich - Verband der StudentInnen aus Kurdistan (YXK) Ronahi (Licht) - dreimonatlich - Union der Aleviten aus Kurdistan (KAB) Zülfikar - monatlich - Islamische Bewegung Kurdistans (KIH) Baweri (Glaube) Kurdischer Roter Halbmond (HSK) Roja Kurdistane (Sonne Kurdistans) 4. Türkische Gruppen 4.1 Linksextremisten Türkische Kommunistische Partei/ Isci-Köylü Kurtulusu Marxisten-Leninisten (TKP/ML) (Arbeiter-Bauern-Befreiung) - unregelmäßig - Partizan-Flügel Partizan (Der Partisan) - monatlich - Halkin Günlügü (Tagebuch des Volkes) - vierzehntägig - DABK-Flügel Partizan (Der Partisan) (Ostanatolisches Gebietskomitee) - monatlich - Özgür Gelecek (Freie Zukunft) - vierzehntägig - Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) Frontorganisation der TKP/ML Basisorganisationen der TKP/ML: Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) Sitz: Duisburg -Partizan-FlügelFöderation der demokratischen Rechte in Deutschland (ADHF) -DABK-Flügel- Ausländerextremismus 195 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) Mücadele (Kampf) -Partizan-Flügel- - unregelmäig - Konföderation der demokratischen Rechte in Europa (ADHK) -DABK-FlügelBolschewistische Partei Nordkurdistan/Türkei Bolsevik Partizan (BP-KK/T) (Bolschewistischer Partisan) (Abspaltung von der TKP/ML) - monatlich - Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) in Deutschland seit 09.02.1983 verboten; nach dem Verbot in zwei Fraktionen (Karatasbzw. Yagan-Flügel) zerfallen Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) Kurtulus aus dem Karatas-Flügel der Devrimci Sol hervorgegangen; (Befreiung für das Volk) in Deutschland seit 13.08.1998 verboten - wöchentlich - Vatan (Vaterland) - wöchentlich - Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C Devrimci Sol) Devrimci Cözüm (Revolutionäre aus dem Yagan-Flügel der Devrimci Sol hervorgegangen; Lösung) in Deutschland seit 13.08.1998 verboten - monatlich - Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei Özgür Atilim (Der freie Angriff) (MLKP) - vierzehntägig - Basisorganisation der MLKP: Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V. (AGIF) 4.2 Extreme Nationalisten Föderation der Türkisch-Demokratischen Türk Federasyon Bülteni Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) - monatlich - Sitz: Frankfurt am Main 4.3 Islamische Extremisten Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) Publizistisches Sprachrohr: Sitz: Köln Milli Gazete (Nationale Zeitung) - täglich - Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) Ümmet-i Muhammed (Die Gemeinde bisher: Verband der islamischen Vereine und Mohammeds) Gemeinden e.V. (ICCB) - wöchentlich - Sitz: Köln 196 Scientology-Organisation 6. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) Deutschland Bayern Mitglieder: 5.000 bis 6.000 etwa 2.600 Vorsitzender: David Miscavige Gründung: 1952 Los Angeles (Church of Scientology International) Sitz: Los Angeles, USA (in Deutschland unselbständige Teilorganisationen z.B. "Scientology Kirche Deutschland e.V.") Publikationen: Freiheit, Impact, Ursprung, Source u.a. 1. Zur Geschichte der SO PersönlichkeitsIm Jahre 1950 veröffentlichte der amerikanische Buchautor L. Ron manipulation als Hubbard (1911 bis 1986) in den USA das Buch "Dianetik - Die neue Therapie moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit". Darin stellte er seine "Technologie" zur "Heilung psychosomatischer Krankheiten und geistiger Störungen" vor. In den folgenden Jahren kam es zur Gründung so genannter "Dianetik-Zentren" und schließlich zum Aufbau der SO. Hubbard erklärte sein von ihm entwickeltes Verfahren der Psychomanipulation, das er zusammen mit einer totalitären Organisationslehre und -technik in Form eines Kommandosystems ("AdminEtikettentech") entwickelt hat, zwei Jahre später zur Religion und gründete schwindel die erste "Kirche". Er hoffte, damit seine Organisation gegen staatliche Eingriffe abzusichern. Seit Jahrzehnten liegt die SO im Konflikt mit den Rechtsordnungen demokratischer Staaten. Die Vorwürfe lauten beispielsweise auf Betrug und Wucher gegenüber Kunden, Bedrohung und Nötigung von Kritikern, auf Verschwörung gegen die Regierung, Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im Jahre 1972 Ermittlungen begannen Bundesbehörden in den USA, umfangreiche Untersuchungegen die SO gen gegen die SO und Hubbard einzuleiten. Die amerikanische Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) ermittelte gegen die SO wegen Steuervergehen. Auch Interpol war mit der SO und ihrer obersten Autorität, Hubbard, befasst. Scientology-Organisation 197 Hubbard antwortete im Jahr 1973 mit der "Operation Snow White" ("Operation Schneewittchen"). Ziel war, kritische Berichte über die SO bei Regierungsbehörden - vor allem in den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland - zu beseitigen. Die SO behauptet zwar, illegale Aktionen im Rahmen dieses Programms seien ohne Billigung von Hubbard durchgeführt worden. Ein maßgeblicher Mitarbeiter widerlegte dies jedoch. Im November 1973 erteilte die damals ranghöchste Scientologin im so genannten Guardian Office, Jane Kemper, im Rahmen der Operation Schneewittchen den Auftrag, alle Interpol-Dokumente in den Angriff auf Besitz der Organisation zu bringen, die sich mit der SO und L. Ron Interpol Hubbard beschäftigen. Im Oktober 1974 gab Jane Kemper - zu dieser Zeit in der Position des "Guardian World-Wide" (weltweiter Sicherheitsbeauftragter) - die Anweisung, die Büros der IRS und die Steuerabteilung des Justizministeriums der Vereinigten Staaten "zu infiltrieren, um alle Akten über Scientology und ihren Gründer L. Ron Hubbard in ihren Besitz zu bringen sowie alle persönlichen Aufzeichnungen von Amtsanwälten, die die Regierung in Sachen Scientology vertreten". Im November 1974 installierten SO-Agenten im Konferenzraum der Kriminelle Finanzbehörde eine elektronische Abhörvorrichtung. Damit wurden Spionageangriffe Gespräche von Finanzbeamten abgehört, bei denen über Steuerauf US-Behörden angelegenheiten der SO verhandelt wurde. Ebenfalls im November gelang es den Scientologen, einen Agenten als Schreibkraft in die Finanzbehörde einzuschleusen. Bereits 14 Tage später hatte dieser Akten beiseite geschafft. Dies war der Anfang eines Massendiebstahls von Behördenakten durch SO-Agenten, der sich über das ganze Jahr 1975 erstreckte. Nach der Unterwanderung der Finanzbehörde wurde erneut versucht, in den Besitz der Interpol-Akten über die SO und Hubbard zu kommen. Der Auftrag verlangte eine Unterwanderung von Regierungsstellen, welche "die Befugnis hatten, Hubbard unter Strafandrohung vorzuladen oder Gerichtsverfahren gegen ihn einzuleiten". Im Februar 1976 gelang es den Scientologen, eine Sekretärin in das Justizministerium der USA einzuschleusen. Mitte März 1976 brachen die Guardian-Office-Scientologen in den Raum der Finanzbehörde ein, in dem die Materialien zur Fertigung von Ausweisen lagen. Zwei SO-Agenten stellten sich selbst offizielle Beglaubigungsschreiben der Finanzbehörde aus. Immer neue Akten gelangten in den nachfolgenden Monaten in die Hände der SO. 198 Scientology-Organisation Der unablässige Schwund von Akten machte schließlich die Behörden aufmerksam. Am 11. Juni 1976 wurden zwei der Top-Agenten auf frischer Tat ertappt. Am 8. Juli 1977 führten daraufhin 134 "Detectives" des FBI in den SO-Büros in San Francisco und Los Angeles Hausdurchsuchungen durch. Dabei stellten sie umfangreiches Beweismaterial sicher, darunter die gestohlenen Akten aus den Behörden. Verurteilungen Am 26. Oktober 1979 wurden neun hohe Funktionäre der "Scienwegen Verschwötology-Kirche" von einem amerikanischen Bundesgericht wegen rung gegen die Diebstahls und Verschwörung gegen die Regierung verurteilt. HauptUS-Regierung angeklagte war die Ehefrau Hubbards, Mary Sue Hubbard. Das Beweismaterial zur Überführung Hubbards reichte damals nicht aus. In der Folge kam es zu einem internen Machtkampf. Die geplante Machtübernahme einiger junger Scientologen nahm nunmehr konkrete Züge an. Hubbard war krank und musste sich vor den Behörden verstecken. Hubbards Am 24. Januar 1986 wurde L. Ron Hubbard von der neuen FührungsNachfolger spitze der SO für tot erklärt. Die näheren Umstände seines Todes sind ungeklärt. Auch nach dem Tode Hubbards dauerte der Machtkampf um die künftige Führung der SO an. An dessen Ende setzte sich David Miscavige durch. Er führt heute die SO. Steuerbefreiung 1993 erreichte die SO mit einem Vergleich, von der obersten amein den USA rikanischen Steuerbehörde IRS als gemeinnützig anerkannt zu werden. Nach einem Bericht der "The New York Times" setzte die SO dabei schmutzige Methoden der Einschüchterung und Erpressung ein. Mitarbeiter der IRS wurden bis in die Privatsphäre hinein ausspioniert und zum Teil wegen erfundener Behauptungen mit rund 200 Prozessen überzogen. Die Anleitung für dieses Vorgehen ist in einem Richtlinienbrief Hubbards vom 15. August 1960 über die Einrichtung eines "Department of Government Affairs" enthalten, der Methoden beschreibt, mit denen Regierungen gefügig gemacht werden sollen. 2. Ideologie und Aktivitäten Anhaltspunkte für Nach Feststellung der Konferenz der Innenminister von Bund und verfassungsfeindLändern vom 5./6. Juni 1997 liegen tatsächliche Anhaltspunkte für lichkeit verfassungsfeindliche Bestrebungen der SO vor. Sie ergeben sich vor Scientology-Organisation 199 allem aus den Handlungsanleitungen für das so genannte Management, d.h. den Leitungskader, den Äußerungen führender Funktionäre und den weltweiten Aktivitäten der Organisation. Deshalb besteht der gesetzliche Auftrag zur Beobachtung. Ein Bericht über erste Beobachtungsergebnisse wurde der Innenministerkonferenz für ihre Herbstsitzung 1998 vorgelegt. Dieser Bericht ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.verfassungsschutz.nrw.de/dokument.htm Die Ideologie der SO stützt sich im Wesentlichen auf die Schriften von L. Ron Hubbard, die nach eigenen Aussagen der Gruppierung unverändert Gültigkeit besitzen. Auch ältere programmatische Äußerungen Hubbards, die sich unter anderem in den so genannten "policy letters" (Richtlinienbriefen) der SO finden, werden den Mitarbeitern der SO nach wie vor als verbindliche Orientierung vorgegeben. 2.1 Schriften der SO Analysen einer Vielzahl von Primärmaterialien der SO zeigen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass bei der Organisation politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen vorliegen. Dies folgt aus dem generellen Absolutheitsanspruch der scientologischen Ideologie. Dieser bezieht sich nicht nur darauf, im Besitz der einzigen Veränderung der Wahrheit zu sein, sondern erfasst den Menschen in all seinen persönGesellschaft mit lichen sowie zwischenmenschlichen und gesellschaftlich-politischen SO-Techniken Lebensbereichen, sobald er in das Kontrollsystem der Organisation eingebunden ist. Bereits vom Grundgedanken von Scientology ergeben sich politische Dimensionen daraus, dass mit scientologischer "Technologie" nicht nur der Einzelne, sondern die gesamten gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse im Sinn einer grundsätzlichen Neuordnung der Gesellschaft verändert werden sollen. In diesem Sinn wird eine verfassungsfeindliche Wertordnung nicht nur propagiert, sondern eine solche soll als verbindlicher Ordnungsfaktor für Staat und Gesellschaft etabliert werden. Ziel der SO ist es, zur angeblichen Optimierung des Einzelnen und aller sozialen Bereiche Gesellschaft und Staat in ein nach psychound sozialtechnischen Technokratisches Prinzipien (social engineering) zentral gesteuertes Kommandosystem Kommandosystem zu verwandeln. 200 Scientology-Organisation Festhalten Die SO in Deutschland bekennt sich auch in ihren aktuellen Veröffentan Hubbard lichungen ausdrücklich zur Person und der unveränderbaren politischen Programmatik ihres Gründers. Verschiedene programmatische Äußerungen der SO deuten sogar darauf hin, dass sie ihre Ziele kämpferisch-aggressiv verwirklichen will. Von Mitgliedern wurde entsprechend einer Werbebroschüre der International Association of Scientologists (IAS) erwartet, dass sie "die Zerschlagung von Gruppen unterstützen, die den Zweck verfolgen, die Anwendung der Scientology-Technologie zu verhindern". Eine Änderung der ideologischen Ausrichtung ist nicht erkennbar; vielmehr werden weiter Schriften im genannten Sinn veröffentlicht. Auch wird strikt an den internen Richtlinien und den so genannten "policy letters" festgehalten. 2.1.1 Errichtung einer scientologischen Gesellschaft Bereits in seinem grundlegenden Buch "Dianetik" hatte Hubbard auf die politische Relevanz und die Reichweite seiner Lehre und Technik hingewiesen. Mit der Entwicklung seiner totalitären "Admintech", die in elf Bänden niedergelegt ist, hat sich Hubbard ein sozialtechnisches Instrumentarium geschaffen, um sich Gruppen zu unterwerfen. Dies zeigt weiter, dass Hubbard mit der Schaffung und der PraktiziePolitische rung seiner "Technologie" einen politischen Anspruch verfolgte. Es Zielsetzung soll eine ausschließlich nach scientologischen Richtlinien funktionierende Welt geschaffen werden. Diese neue "wahre Demokratie" soll an die Stelle der bisherigen Demokratien treten. Alle gesellschaftlichen Probleme sollen dadurch gelöst werden, dass zunächst 10 bis 15 % der politischen Meinungsführer, dann 80 bis 98 % der Bevölkerung "geklärt" werden und die Gesellschaft schließlich nur noch aus den so genannten Nichtaberrierten, den Clears, besteht. Gleichzeitig soll die "Admintech" zur Organisation aller gesellschaftlichen Gruppen und der Regierungen weltweit Verwendung finden. Nach der im Jahr 1990 erschienenen SO-Schrift "Neue Zivilisation - Reference Pack" ist Ziel der SO eine "neue Zivilisation". Um dies zu erreichen, sollen Scientologen u.a. "eine Verschwörung kreieren, durch die sich der Machtfaktor immer weiter und weiter ausdehnt". Auch die von der Kopenhagener Europazentrale der SO, dem Continental Liaison Office (CLO), herausgegebene "Sicherheitsbroschüre" enthält Passagen, die auf das politische Ziel der SO hindeuten, weltweit eine nach ihren Vorstellungen gestaltete totalitäre Kontroll-Gesellschaft Scientology-Organisation 201 zu errichten. Anlass für die Herausgabe dieser Schrift war die Durchsuchung von fünf Vereinsräumen der SO in München am 10. Februar 1998 durch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I. 2.1.2 Lenkung der Regierung durch Scientology Bereits am 20. März 1964 stellte Hubbard in einem Vortrag das Projekt "International City" vor. Hubbard hatte darin u.a. erklärt, die SO sei nur am Planeten interessiert. Hubbard forderte in seinem Vortrag letztlich, alle derzeit existierenden Hauptstädte der verschiedenen Staaten zugunsten der SO zu entmachten, die Welt quasi von seiner Projekt Hauptstadt - International City - aus zu regieren: Weltregierung "Wir hatten in letzter Zeit einige Probleme mit Regierungen. Meiner Meinung nach waren sie unverschämt. Sie waren respektlos und ich habe mir das gründlich angesehen und bin zu dem Entschluss gekommen, dass wir das nicht hinnehmen sollten." Im November 1997 wurde die Hubbard-Anweisung vom 13. März 1961 bekannt. Danach soll ein "Department für Behördenangelegenheiten" u.a. "ständigen Druck auf Regierungen ausüben, um Gesetzgebung Druck auf von Gruppen zu verhindern, die der Scientology entgegenstehen". Regierungen Behörden und unabhängige Gerichte werden von der SO als "Gefahr" gesehen, der man begegnet, indem "immer ausreichend Drohungen gegen sie gesucht oder erfunden werden". Die genannte "Abteilung" hat über den Bereich "Sicherheit" hinaus zudem die wesentliche Aufgabe, die "Clear Deutschland-Kampagne" fortzusetzen. 2.1.3 Einführung eines scientologischen Rechtssystems Eine Ausgabe der SO-Zeitschrift "Freiheit" aus dem Jahr 1997 enthält unkommentiert einen Artikel Hubbards mit der Überschrift "Ehrliche Menschen haben auch Rechte". Dieser befasst sich mit der Bedeutung der Rechte des Beschuldigten oder Angeklagten im Strafverfahren und der Rechtsfähigkeit des Einzelnen aus der Perspektive der SO. Der Beschuldigte oder Angeklagte soll sich im Strafverfahren zu seiner Verteidigung nicht auf Rechte berufen dürfen. Vielmehr wird der Kreis der Rechtsträger auf die im Sinn der SO-Ethik "Ehrlichen" Rechte nur beschränkt, also nur auf diejenigen, die sich der SO verschrieben für "ehrliche" haben. Die nur eingeschränkte Geltung aller Rechte, also auch der Menschen Grundbzw. Menschenrechte, gehört zu den von Hubbard auf- 202 Scientology-Organisation gestellten programmatischen Standardforderungen für die von ihm und der SO angestrebte "Zivilisation". Die Beschränkung der Rechtsfähigkeit auf die "Ehrlichen" ist auch in der Ausgabe 75/1997 der Zeitschrift "Impact" als Ziel der IAS für das Jahr 1998 aufgeführt. Es heißt dort unter der Überschrift "Die Ziele der IAS für 1998": "Der Zweck der IAS ist es, die Scientology-Religion und Scientologen in allen Teilen der Welt zu vereinigen, damit die Ziele, wie L. Ron Hubbard sie aufgestellt hat, erreicht werden: 'Eine Zivilisation, in der die Fähigen erfolgreich sein und ehrliche Wesen Rechte haben können', ..." "Handbuch des Im bereits 1959 erschienenen "Handbuch des Rechts" äußert sich Rechts" L. Ron Hubbard zur Funktion des scientologischen Rechtssystems. Es enthält verschiedene Passagen mit tatsächlichen Anhaltspunkten für das Ziel der SO, eine Gewaltund Willkürherrschaft zu errichten. Danach wird es im scientologischen Gesellschaftssystem keine Menschenund Grundrechte mehr geben, wie sie im Grundgesetz definiert sind. Im scientologischen Rechtssystem sind auch keine unabhängigen Gerichte vorgesehen. Vielmehr erforscht ein nicht an Recht und Gesetz gebundener Nachrichtendienst (vgl. auch Nummer 3.2.4 dieses Abschnitts) Sachverhalte und ergreift Maßnahmen. 2.1.4 Bekämpfung von Kritik an Lehre und Praxis - aggressive Expansionstechnik Totale DisziIn einem Grundlagenwerk fordert Hubbard "totale Disziplin". Um die plinierung der Macht zu behalten, so offenbar der Gedanke von Hubbard in seinem Anhänger Werk "Einführung in die Ethik der Scientology", müsse man kaltblütig, skrupellos, hemmungslos, gegebenenfalls auch heimtückisch, hinterlistig und mit Gewalt gegen die eigenen Feinde vorgehen, ansonsten würde man die Macht verlieren. Die im "Handbuch des Rechts" empfohlenen Operationen zur "Abwehr" von "Unterdrückern" lassen erkennen, dass die SO gewillt ist, die im Grundgesetz konkretisierten Grundrechte abzuschaffen oder hinsichtlich ihres Schutzbereichs verfassungswidrig einzuschränken und dadurch eine totale, das heißt eine nicht durch Gesetz und Recht im Sinn des Grundgesetzes begrenzte Kontrolle des Einzelnen durch die SO zu erreichen. Ein HCO-Richtlinienbrief vom 11. Mai 1971, der noch aktuell als Schulungsunterlage Verwendung findet, enthält u.a. Anweisungen Scientology-Organisation 203 für Scientologen, wie im Fall eines größeren Widerstands bei der Durchsetzung von Zielen der SO zu verfahren ist: "Wenn Geld und Gewalt regieren und Meinungsführer nicht beachtet Anweisungen werden, wenn sich im Management oder in der Regierung spezielle Privizu subversiven legien einschleichen, sind Protest-PR, Streiks und Demonstrationen das Aktionen Werkzeug, das man verwendet. Wenn das nicht funktioniert oder wenn sie unterdrückt wird (Anm.: werden), ereignen sich subversive Aktionen, allgemeine nachrichtendienstliche Aktionen, Schwarze Propaganda und andere Übel." 2.2 Aktivitäten der SO 2.2.1 Angriffe auf Repräsentanten des Staats Alle Aktivitäten der SO sind auf die Expansion der Organisation ausgelegt. In diesem Zusammenhang sind auch Maßnahmen der Kritikerbekämpfung zu sehen. Kritiker sind alle Personen und Institutionen, die den Zielen der SO nicht zustimmen und ihrer Ausbreitung entgegenstehen. Für deren "Handhabung" gibt es detaillierte Anweisungen, wie zu verfahren ist. Aus diesem Grund verunglimpft, beschimpft und verleumdet die SO Verunglimpfung seit mehreren Jahren Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschvon Politikern land. Darüber hinaus richten sich Verunglimpfungen auch gegen die Verfassungsordnung in Deutschland selbst. Sie wird - ähnlich wie in der Propaganda der früheren KPD - mit derjenigen des nationalsozialistischen Deutschlands gleichgesetzt. Eine Anfang 1998 erschienene Ausgabe der "Freiheit" enthält ArtiAngriffe gegen kel, die das Bestreben der SO sichtbar machen, Werturteile und Sachdie Verfassungsverhalte zu verbreiten, aus denen sich die Verwerflichkeit der in ordnung Deutschland bestehenden Verfassungsordnung ergeben soll. Deutschland wird als Polizeistaat beschrieben, der systematisch die Religionsausübung unterdrücke. Die SO veröffentlichte des Weiteren unter der Überschrift "Religiöse Apartheid: 1997/Teil 2 - Bericht über die fortgesetzte Unterdrückung von Grundrechten religiöser Minderheiten durch deutsche Behörden und Regierungsstellen" eine Schrift, die eine systematische staatliche Unterdrückung der Scientologen in Deutschland behauptet. Schließlich publizierte die SO im Internet in englischer Sprache unter der Bezeichnung "About Scientology Hatewatch, The Homepage, 204 Scientology-Organisation Hatewatch Germany 1997" Informationen über die angebliche Diskriminierung der Scientologen in Deutschland durch Zwangsund Willkürmaßnahmen, die insbesondere der nationalsozialistischen Judenverfolgung gleichen sollen. Die Verunglimpfung gipfelte in einem Schreiben des Office of Special Affairs (OSA) - vgl. auch Nummer 3.2.4 dieses Abschnitts - vom November 1999 an alle Innenminister und Leiter der Verfassungsschutzbehörden. Darin wurde dem Bayerischen Staatsminister des Innern "zweckpolitisches Handeln" vorgeworfen, weil er seine Warnungen vor der SO sogar auf die Aussagen "eines drogenabhängigen und kriminellen Aussteigers" stütze. Damit sollte der Eindruck erweckt werden, der Staat verwende auch unrichtige Aussagen, wenn sie nur den eigenen Standpunkt stützten. Die SO wendete dabei ihre Technik an, von Aussteigern und Kritikern ein negatives Bild zu zeichnen, um sie als unglaubwürdig darzustellen. In diesem Kontext stehen auch Beiträge in der bundesweit in großer Anzahl verbreiteteten SO-Publikation "Freiheit" vom März 2000. Darin polemisierte die SO erneut gegen ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz und unterstellte dem bayerischen Innenminister und seinen Mitarbeitern abermals rechtswidrige Praktiken sowie eine "verfassungswidrige Diskriminierungspolitik". 2.2.2 Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung Durch effiziente Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung, der "Technologie", werden die Mitarbeiter in manipulativer Weise unter ständigen Verhaltenszwang gesetzt, um nach dem internen Fabrikation der Sprachgebrauch des Managements wie "Maschinen" zu "produzieMensch-Maschine ren", d.h. neue Kunden zu werben und zu Anhängern des Systems zu machen. Ziel ist es dabei, aus den als "rohes Fleisch" bezeichneten Kunden "Produktionsmaschinen" für die Werbung und Bearbeitung neuer Kunden zu "produzieren". Die Mitarbeiter unterwerfen sich diesem Reglement, weil sie aus dem engmaschigen, repressiven Kontrollsystem nur schwer ausbrechen können. Hinzu kommt, dass sich die meisten Mitarbeiter ihrer tatsächlichen Rolle innerhalb der Organisation nicht bewusst werden. Der Leistungsdruck des Systems auf die Mitarbeiter ist dabei so stark, dass sie sich dem technokratischen Regelwerk der "Admintech" und den Befehlen ihrer Vorgesetzten ohne Widerspruch fügen, unter Um- Scientology-Organisation 205 ständen sogar unter Inkaufnahme der Verletzung staatlicher und strafbewehrter Normen. 2.2.3 Ausforschung und Bekämpfung von Kritikern Personen, die berechtigte Kritik üben, sollen mit schikanösen Mobbingattacken als "Feinde" bekämpft werden. Ziel ist es dabei, die Gegner der SO, die als "unterdrückerische Personen" bezeichnet werden, mundtot zu machen, um die Expansion des Systems ungestört vorantreiben zu können. Gegen Kritiker wird wegen ihrer PsychofolterGegnerschaft zur SO deshalb zunächst "lautstark" oder verdeckt mit methoden totalitägeheimdienstlichen Methoden diktatorischer Staaten ermittelt. Sie rer Geheimdienste werden dann angezeigt, diffamiert, oder öffentlich bloßgestellt und verklagt, bisweilen bedroht, belästigt und zur Zermürbung auch psychisch gequält. In den USA scheuen sich daher manche Medien bereits, offen gegen die SO Stellung zu nehmen. 1999 wurde folgenAnleitung zur de Anweisung zur Ausforschung bekannt: Ausforschung "1. Mach dir eine Liste von allen Stellen, die evtl. für uns wichtige Informationen haben oder verbreiten ... 2. Fange an, regelmäßig dort Publikationen zu bestellen oder Scientologen, die sie bereits erhalten haben, dazu zu kriegen, sie für dich auszuwerten ... 4. Stürze dich auf den Lebenslauf von ... und ... finde heraus, was sie in der Vergangenheit gearbeitet und veröffentlicht haben. 5. Berichte mir regelmäßig über den Fortschritt in o. e. Gebieten ..." Aus einem weiteren Schreiben der SO geht eindeutig hervor, dass Ermittlungen über SO-Kritiker auch im Bereich von Schule und Jugendarbeit geführt werden sollen: "Nur wirklich echte Scientologen dann nach Lehrern und Schülern des ... Gymnasiums befragen. 3. Herrn ... noch einmal aufsuchen und mit ihm zusammen ... befragen; ... gibt sich dabei als ehemaliger Schüler von (Name der Zielperson) aus und erwähnt ein Verhältnis zu Mitschülerinnen. 4. Wer war Mitglied in der ev. Jugendgruppe in ... Liste von Namen bekommen." Dabei soll die Ausforschung nicht nur die Zielperson betreffen, sondern sich auch gegen unbeteiligte Familienmitglieder richten, wie dasselbe Schriftstück belegt: "6. Wo geht der Sohn von ... in die Schule? 7. Was macht er am Nachmittag - wer passt auf ihn auf? Ist er zuhause oder wo?" 206 Scientology-Organisation Zur Abklärung eines SO-Kritikers erging die schriftliche Anweisung: "DBC Dienstag früh 5 Uhr". DBC steht für "Dust Bin Collection". Dies bedeutet die Durchsuchung des Abfalls von Zielpersonen nach gegen sie verwertbarem Material. Ein vorliegender Erfahrungsbericht über eine solche "Mülleimeraktion" beschreibt die Vorgehensweise der Durchsuchung des Papierabfalls, wobei sich die agierenden Personen als "Müllmänner" tarnten. 2.2.4 Kampagne gegen Schutzerklärung Über das Deutsche Büro für Menschenrechte der "Scientology Kirche Deutschland e.V.", das organisatorisch dem Office of Special Affairs (vgl. auch Nummer 3.2.4 dieses Abschnitts) angegliedert ist, setzte die SO ihre 1997 bekannt gewordene Kampagne gegen die Verwendung von Schutzerklärungen durch deutsche Unternehmen und öffentliche Stellen fort. Mit den Schutzerklärungen gegenüber Mitarbeitern und Drittfirmen wollen sich Unternehmen und öffentliche Stellen gegen mögliche Einflussnahmeund Ausforschungsversuche von ScientoloHohe Priorität gen schützen. Die SO räumt dem Ziel, die Verwendung von Schutzerfür die SO klärungen in der Wirtschaft zu unterbinden, hohe Priorität ein. So kommentierte der Leiter des OSA International, Mike Rinder, auf einer internationalen IAS-Veranstaltung im Sommer 2000 das Vorgehen gegen die im Sprachgebrauch der SO "Sektenfilter" genannte Schutzerklärung wie folgt: Die SO habe Einfluss auf US-amerikaniEinflussnahme auf sche Regierungsbehörden genommen, dass diese den Druck auf die US-Regierungsdeutsche Regierung erhöhten, um diese aus Sicht der SO diskriminiebehörden rende Praxis zu beenden. Die SO behandle die Verwendung der Schutzerklärung als "langfristigen Out-Ethik-Zustand", der "gehandhabt" werden müsse. Ferner habe es die IAS in dieser Angelegenheit zu einer Anhörung vor dem amerikanischen Kongress gebracht. Sie habe erreicht, dass Deutschland auf die so genannte "Watch-List" der Repräsentantin für Handelsbeziehungen gesetzt wurde, einer angeblichen Überwachungsliste für Regierungen mit unseriösen Geschäftspraktiken, die keine sicheren Handelspartner seien. Damit habe man Deutschland das Etikett einer "unterdrückerischen Regierung" aufgedrückt, wie China nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, lateinamerikanischen Staaten ohne erfolgversprechende Drogenpolitik oder Staaten mit Staatsterrorismus. Rinder machte im weiteren Verlauf seiner Ausführungen deutlich, dass die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der SO nicht nur ein Auf- Scientology-Organisation 207 trag innerhalb der Organisation, sondern auch außerhalb der "Kirchen" sei. Unter dem Vorwand, eine fälschliche Aufführung in einer so genannEinschüchterung ten "schwarzen Liste" der SO verhindern zu wollen, fragte die SO von Unternehmern deshalb bei Unternehmern an, ob sie die deutsche Schutzerklärung verwendeten. Mit dem Hinweis auf eventuell bestehende Geschäftsbeziehungen in die USA wurde den betreffenden Unternehmern suggeriert, dass diese Vorgehensweise in den USA als Diskriminierung und als Menschenrechtsverletzung angesehen werde. In einzelnen Fällen hatte die SO damit Erfolg, z.B. bei Unternehmen, die zu US-Konzernen gehören. 2.2.5 Nutzung des Internets Auch die SO nutzt das Internet bereits seit Jahren zur Selbstdarstellung und Werbung. Sie bietet umfangreiche und technisch aufwendig gestaltete mehrsprachige Seiten im "world wide web" (www) an. Diese enthalten Angaben über politische Ziele, Teilorganisationen und aktuelle Schriften der SO. Daneben werben Scientologen weltweit mit eigenen Homepages für die SO, darunter auch rund 600 deutsche Mitglieder. Unter der Bezeichnung "New Era Radio" ist seit 24. Juli der englischNeuer Radiosender sprachige Radiosender der SO im Internet zu hören. Bei der Gestaltung des Programms orientiert sich die SO in der äußeren Aufmachung an kommerzielle Musik-Anbieter im Internet. Das Angebot wird mit Schlagworten wie "Music for a new Civilization", "Music with a Message" oder "Building a better World" angepriesen. Es besteht aus Musikbeiträgen scientologisch orientierter Künstler, Wortbeiträgen mit scientologischem Gedankengut, das bereits aus Publikationen bekannt ist, und Werbeeinblendungen. Die SO nutzt damit - wie bereits auch bei ihren Publikationen und entgeltlichen Kursen - kommerzielle Formen, um Interessenten für ihre spezifischen Inhalte zu gewinnen. 2.2.6 Aktivitäten im Ausland In Frankreich sind nach Presseberichten vom Oktober 1998 in einem Frankreich Gerichtsverfahren gegen die SO Hunderte von Gerichtsdokumenten 208 Scientology-Organisation aus dem Justizpalast in Paris verschwunden. In diesem Zusammenhang sieht sich die SO Vorwürfen der Unterwanderung des Rechtssystems ausgesetzt. Im Zusammenhang mit der Vernichtung von Gerichtsakten vor einem Strafprozess gegen SO-Verantwortliche in Marseille im September 1999 hat die in Frankreich zur Bekämpfung von Sekten eingesetzte "Mission Interministerielle De Lutte Contre Les Sectes" (MILS) die Vorwürfe gegen die SO wegen Unterwanderung des Rechtssystems öffentlich wiederholt. Der Prozess in Marseille endete mit einer Verurteilung von fünf Verantwortlichen der SO zu Haftstrafen wegen Betrugs. Zwei Angeklagte wurden freigesprochen. Das Verfahren in Paris gegen SO-Verantwortliche wegen Betrugs und anderer Delikte soll fortgeführt werden. Belgien In Belgien kam es im September 1999 im Zusammenhang mit Ermittlungen der Behörden gegen SO-Verantwortliche u.a. wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und des Vorwurfs der organisierten Kriminalität zu umfangreichen Durchsuchungen in SO-Objekten. Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Nach Presseberichten sollen sich bereits Hinweise auf Steuerhinterziehung, Datenschutzverstöße und unerlaubte Ausübung der Heilkunde ergeben haben. Österreich In Österreich wurde der für die SO zuständige Familienminister nach Presseberichten von einem SO-Verantwortlichen mit der Aufdeckung angeblich belastender Details aus dem Betrieb seiner Privatfirma bedroht. Im Jahre 1999 wurde bekannt, dass an führender Stelle bei der Telecom Austria in Wien ein hochtrainierter Scientologe sitzt. Er hatte Zugang zum Behördennetz Österreichs und war über die staatlichen Telefonüberwachungsmaßnahmen in Österreich informiert. Großbritannien In Großbritannien wurde der SO im Dezember 1999 die Anerkennung als Wohltätigkeitsorganisation verweigert. Die Entscheidung stellt ausdrücklich fest, dass die SO keine Religionsgemeinschaft im Sinn der einschlägigen Vorschriften ist und nicht zum Wohl der Allgemeinheit gegründet wurde. Schweden In Schweden wurde die SO als kultureller Verein registriert und steuerbefreit, in Südafrika und Venezuela soll sie eigenen Angaben zufolge "als Religion anerkannt" worden sein. Osteuropa Bei der Expansion der SO in Osteuropa spielt die Org München seit Jahren eine bedeutende Rolle. In der Org München wird eine Vielzahl Osteuropäer durch Kurse ausgebildet. Dies gilt insbesondere für Ungarn. Über deutsche Firmen mit Niederlassungen in Osteuropa wur- Scientology-Organisation 209 de bekannt, dass scientologische Beratungsunternehmen Verwaltungstechnologie nach Hubbard in die Unternehmen transportieren und so über die Vertriebsniederlassungen Zugang in die deutschen Hauptunternehmen erhalten. Nach Presseberichten sollen in Russland Russland weit über fünfzig Firmen, Banken und Kombinate Mitglied der scientologischen Wirtschaftsorganisation WISE geworden sein, darunter auch Rüstungsbetriebe. Dazu kämen noch Direktoren und Manager von 28 staatlichen oder halbstaatlichen Firmen mit Zehntausenden von Mitarbeitern. Auch soll die SO Kontakte in die politische Führungsebene haben. So berichtete die Presse, im Jahr 1999 sei ein Mitglied der SO-Vereinigung Citizens Commission on Human Rights (CCHR) als neue Justitiarin der Stadt Moskau bestellt worden. In Spanien wurde der Termin zur ersten Hauptverhandlung im StrafSpanien prozess gegen den Präsidenten der Church of Scientology International, Heber Jentzsch, und eine Reihe weiterer SO-Verantwortlicher wegen des Verdachts zahlreicher Straftaten wie Betrug, Steuerhinterziehung und unerlaubte Ausübung der Heilkunde mehrfach vertagt, zuletzt auf Anfang Februar 2001. Im Internet wurden Fernschreiben zwischen der US-Botschaft in Madrid und dem US-Außenund Justizministerium über den in Spanien anstehenden Strafprozess gegen SO-Verantwortliche veröffentlicht. Danach sollen sich Beamte der US-Botschaft mit SO-Anwälten getroffen und beratschlagt haben, wie der Prozess "diskret" verzögert oder sogar vermieden werden könne. Für besondere Leistungen erhielt die hochtrainierte Scientologin und Bundesstaatsanwältin Carla Miller von der SO eine Auszeichnung. Sie hatte für Jacksonville, eine Stadt in Florida mit mehr als einer Florida/USA Million Einwohnern, einen auf der Lehre der SO basierenden Ethik-Kodex entworfen, der auch Wissensberichte (Spitzelberichte) beinhaltet. Demnach wird für jede Abteilung der Stadtverwaltung ein Ethik-Officer ernannt, der wiederum dem höheren Ethik-Officer untersteht. Am 25. Mai 1999 hat Jacksonville das Ethik-System als Gesetz angenommen; Frau Miller dient der Stadt nun als höhere Ethikbeauftragte. In Zukunft soll auch Unternehmen, die in Geschäftsbeziehungen mit der Stadt stehen bzw. zusiedelnden Wirtschaftsunternehmen die Einhaltung der Ethikprinzipien zur Auflage gemacht werden. Dies ist ein Beispiel für die Verwendung der scientologischen Verwaltungstechnologie im Bereich kommunaler Verwaltung bzw. Wirtschaft. 210 Scientology-Organisation 2.3 Bewertung der Schriften und Aktivitäten Ziel: Abstaffung Die zitierten Texte und Aktivitäten sind tatsächliche Anhaltspunkte der freiheitlichen dafür, dass die SO die bestehende demokratische und rechtsstaatliche demokratischen Ordnung durch die Etablierung einer Gesellschaft mit scientologisch Grundordnung bestimmten Normen ersetzen will. Die aufgeführten Hinweise deuten auch auf die Absicht der SO hin, lenkenden Einfluss auf Regierungen auszuüben. Als Ziel erscheinen nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Staaten, ihre Rechtssysteme und Regierungen. Die scientologische Gesellschaft ist auf die Beseitigung des in Art. 3 Grundgesetz konkretisierten Gleichheitsgrundsatzes, die Abschaffung der universalen Geltung der Menschenrechte, der Unabhängigkeit der Gerichte und der Meinungsfreiheit gerichtet. Der unverhüllte Absolutheitsanspruch der SO ist von Gleichschaltung und Unterdrückung geprägt. Meinungsfreiheit wird nur insoweit gewährt, als die "Leute dem Weg der SO folgen". Die SO bestreitet dagegen, die freiheitliche demokratische Grundordnung abschaffen zu wollen. Sie behauptet vielmehr, sie zu respektieren, und negiert jegliche politische Motivation für ihr Expansionsstreben. Sie betont, ihr gehe es vielmehr um die "Erlösung" des einzelnen Menschen. Zwar treten die einfachen Mitglieder nicht aus politischen Motiven der SO bei und bewerten Schriften mit gesellschaftsverändernden Absichten der SO ebenfalls wohl nicht als Äußerungen mit politischem Gehalt. Sie werden jedoch zu völligem Gehorsam gegenüber dem System trainiert und auf das Ziel eingeschworen, durch Verbreitung von Scientology die "Welt zu retten". Damit werden auch zunächst unpolitische Mitglieder in den Dienst der verfassungsfeindlichen scientologischen Ideologie gestellt. Umsetzung der Die SO will ihre Ziele nicht über die Teilnahme an Wahlen durchsetverfassungsfeindzen. Die Umgestaltung der Gesellschaft soll vielmehr über eine durch lichen Ziele detaillierte Vorgaben genau festgelegte Veränderung des Menschen - als "Befreiung" bezeichnet - erreicht werden. Wenn alle nach scientologischer Technologie verfahren und sich so in ihrem Willen dem System unterwerfen, werde die scientologische Gesellschaft entstehen. Zu ihrer Entstehung wird durch Werbefeldzüge, aggressive Anwerbungen und aktive Kritikerbekämpfung nach innen und außen unmittelbar angesetzt. Die scientologische Gesellschaft wird nach Aussagen von Insidern in übergeordneten Organisationen der SO bereits in Planspielen skizziert. Scientology-Organisation 211 3. Organisationsund Kommandostruktur der SO 3.1 Weltweite Kommandostruktur der SO Die Einrichtungen der SO in Deutschland erscheinen zwar nach Ausländische außen als rechtlich selbständig, sind jedoch der strikten Befehlsund Vereinigung mit Disziplinargewalt des Internationalen Managements in den USA unselbständigen unterworfen und sind daher unselbständige Teile. Teilorganisationen Das Religious Technology Center (RTC) hat die oberste Befehlsgewalt in der SO. Unterhalb des RTC ist das Internationale Management der SO angesiedelt. Dieses stellt nach dem RTC die höchste Führungsebene der SO dar und ist dafür verantwortlich, für jeden Sektor der SO Strategien und taktische Pläne zu entwickeln. Hier wird auch die Führung der verschiedenen Sektoren koordiniert. Derartige Sektoren sind u.a. die Bereiche "Church", "WISE", "ABLE" und "OSA". Das Internationale Management besteht demzufolge aus mehreren Gruppen, von denen jede eine ganz bestimmte Verantwortung trägt. Die oberste Stufe dieser Führungsebene ist das Watch Dog Committee (WDC). Hierbei handelt es sich um eine "Inspektionsund Überwachungsorganisation", welche die eigentlichen Management-Gruppen inspiziert und für deren Funktionieren sorgen soll. 3.2 Organisation der SO in Deutschland 3.2.1 "Scientology Kirchen" (Church-Sektor) Derzeit existieren im Bundesgebiet zehn "Kirchen" (Orgs) und "Celebrity Centres" (CC), und zwar zwei Einrichtungen in München (eine Org, ein CC), je zwei Einrichtungen in Düsseldorf (eine Org, ein CC) und Hamburg (eine Org, ein CC) sowie jeweils eine Org in Berlin, Stuttgart, Frankfurt am Main und Hannover. Außerdem gibt es in Deutschland insgesamt elf "Missionen", sechs in Baden-Württemberg, drei in Bayern (München, Augsburg und Nürnberg) sowie jeweils eine in Bremen und Hessen. Am 23. September fand in Augsburg, Frauentorstraße 40, die Einweihungsfeier für die Wiedereröffung der Scientology Mission Augsburg e.V. statt, an der etwa 10 bis 15 Personen teilnahmen. Erstmalig gegründet wurde der Verein 1979 unter dem Namen "College für angewandte Philosophie Scientology Mission Augsburg e.V.", der 1986 in "Scientology Mission Augsburg e.V." geändert wurde. 212 Scientology-Organisation Religious The Command Chart of SCIENTOLOGY Technology - Die Kommandostruktur der Scientology-Organisation - Center (RTC) WATCHDOG COMMITTEE (WDC) [Überwachungsausschuß] C Z E E Reserven OSA Programme Flag Ship Flag Sea Org Scientology Celebrity Scientology WISE ABLE Golden Era Verlags- N N Rücklagen Büro für DienstDienstDienstOrganisaCentres Missionen Weltinstitut für Gesellschaft Productions organisation T T Spezielle leistungsleistungsleistungstionen V.I.P. Zentren International Scientologyfür besseres Audiovisuelle R R Angeleorganisation organisation organisation Unternehmen Leben und Medien und A A genheiten Bildung Tonträger L L C C O O CMO INT Int Leitender - Direktor - International M M Commodore's Messenger Finance Office - Ebene der leitenden Mitarbeiter - Golden Era P P Organization International (IFO) - Vorstand des Internationalen Managements - Productions U U T T CMO GOLD E E R R / K O O R D I N I E R U N G D U R C H D E N Ü B E R WA C H U N G S A U S S C H U S S / V O R S TA N D D E S I N T E R N AT I O N A L E N M A N A G E M E N T S / D A B T CMO IXU - Flag-Netzwerk Koordinierungsausschuß, geleitet durch das Flag-Befehlsbüro - A E N N FLAG COMMAND BUREAUX (FCB) K B NETWORKS FLAG BUREAUX SCIENTOLOGY MISSIONS WORLD INSTITUTE OF ASSOCIATION FOR BETTER BRIDGE PUBLICATIONS A (FB) INTERNATIONAL SCIENTOLOGY ENTERPRILIVING AND EDUCATION INCORPORATED (BPI) N K (SMI INT) SES INTERNATIONAL INTERNATIONAL (Verlagshaus) (WISE INT) (ABLE INT) NEW ERA PUBLICATIONS CMO FSSO FSO CC INT C O N T I N E N TA L N E T W O R K C O O R D I N AT I O N C O M M I T T E E H E A D E D B Y C O - C O N T I N E N TA L L I A I S O N O F F I C E CONT C O N T I N E N TA L L I A I S O N O F F I C E ( C L O ) Flag Ship Flag Celebrity Service Service Centre NETWORKS FLAG SCIENTOLOGY MISSIONS WORLD INSTITUTE OF ASSOCIATION FOR CONTINENTAL Org OPERATIONS LIAISON INTERNATIONAL SCIENTOLOGY ENTERBETTER LIVING AND PUBLICATIONS LIAISON Org International OFFICE CONTINENTAL PRISES CONTINENTAL EDUCATION CONTINENTAL OFFICE (CPLO) (Kontinentales Verbindungsbüro für (FOLO) (SMI CONT) (WISE CONT) (ABLE CONT) Publikationen) Executiv Council Executiv Council Executiv Council Aufsichtsrat Aufsichtsrat Aufsichtsrat FIELD GROUPS MISSIONS WISE SOCIAL CELEBRITY SEA ORG - Feldauditoren CHARTER REFORM CENTRE SERVICE CLASS IV - Dianetikgruppen COMMITTEES ACTIVITIES ORGANIZATIONS ORGANIZATIONS ORGANIZATIONS - OT-Komitees - GUNG HO & MEMBERS Hinweise zum besseren Verständnis des Organigramms: Das RTC ist als selbständige Kontrollstelle konzipiert und nicht in das so genannte Internationale Management eingegliedert. Dennoch handelt es sich beim RTC um die Befehlszentrale der SO. Das WDC leitet über die "Führungskanäle" das Management. Ein Führungskanal stellt die Verbindung dar, über die die internationalen Scientology-Organisationen Autorität ausüben. Es ist ein Befehlsweg, durch den Programme, Empfehlungen und Managementbefehle zu den Stellen fließen, die mit der Durchführung beauftragt sind. Auf den "Beobachtungsund Durchsetzungslinien" überwacht als verlängerter Arm des WDC die CMO mit ihren den verschiedenen Managementebenen zugeordneten Einheiten CMO INT, CMO GOLD, CMO IXU und CMO CONT die Erfüllung der vom WDC dem Management gegebenen Befehle. Eine Beobachtungsund Durchsetzungslinie stellt die Verbindung dar, die von den CMO-Einheiten benutzt wird, um die Befolgung von Befehlen des Überwachungsausschusses (WDC) durchzusetzen und zu kontrollieren. Netzwerk der LRH-Kommunikatoren: * Oberstes HCO Netzwerk (HCO=Hubbard Kommunikationsbüro) (LRH=L. Ron Hubbard) * Bewahrer der Technologie und Richtlinienkenntnis Netzwerk * Oberstes Netzwerk der Qualifikationsabteilungen und der Internationalen Ausbildungsorganisation Finanznetzwerk: * Finanz Durchsetzungsbeauftragter Netzwerk * Flag Finanzbeauftragter Netzwerk (FBO=Flag Banking Officer) Unter-Netzwerke: Stellvertreter FBO-Netzwerk für M.O.R.E. * Netzwerk der Hauseigentümer Büro für Spezielle Angelegenheiten Netzwerk (OSA) Es handelt sich um selbständige Scientology-Gruppen, die nicht in den Konzern eingegliedert sind. Verbindungen zum Konzern bestehen über Kommissionsund Franchising-Verträge. Anmerkung: Das Organigramm wurde erstellt nach Renate Hartwig "Scientology. Das Komplott und die Kumpane", 1995, sowie nach Originalvorlagen der SO. Scientology-Organisation 213 Die genannten Einrichtungen der SO sind in Deutschland überwiegend als eingetragene Vereine organisiert. Als Dachverband fungiert die "Scientology Kirche Deutschland e.V.". Diese Vereine sind jedoch Scheinselbständige nur scheinbar selbständig; sie haben im weltweiten, aus den USA Teilorganisationen gesteuerten System kaum eigenständige Funktionen. Faktisch erfolgt die Leitung der SO-Einrichtungen nicht durch die jeweiligen Vereinsvorstände, sondern durch die Executive Directors und die sonstigen Funktionsinhaber nach detaillierten schriftlichen Anweisungen und Vorgaben des Internationalen Managements in den USA über die jeweiligen Verbindungsstellen. Dies zeigt sich u.a. daran, dass Mitglieder der Eliteorganisation Sea-Org aus den USA und dem Kontinentalen Verbindungsbüro in Kopenhagen in deutsche Einrichtungen der SO abgeordnet wurden, um dort Befehle zu erteilen und für die richtige "Handhabung" der scientologischen Technologie zu sorgen. Auch die Mitglieder der einzelnen SO-Vereine haben weit überwiegend keine Gestaltungsmöglichkeiten, weil die SO laut Vereinssatzungen zwischen Vollmitgliedern und außerordentlichen Mitgliedern, die keinerlei Mitspracherechte haben, unterscheidet. So hat die "Scientology Kirche Bayern e.V." (Org München) einen Mitgliederstand von etwa 2.600 Personen, von denen aber nur etwa zehn den Status eines Vollmitglieds haben. Nur Vollmitglieder sind in der Mitgliederversammlung stimmberechtigt und nur aus ihnen kann der nach außen wirksame Vorstand gebildet werden. Die "Scientology Kirchen" (Orgs) und "Missionen" bieten Dianetik, Auditing und Ausbildung auf einer grundlegenden und einer mittleren Ebene an. "Celebrity Centres" offerieren Dienste für Künstler und Persönlichkeiten des Sports und der Geschäftswelt. In den Einrichtungen werden Mitglieder geworben und Leistungen (Kurse, Auditing) und Waren (Bücher) verkauft. Nachdem im Jahr 1998 zunächst ein deutlicher Umsatzrückgang zu verzeichnen war, scheinen sich die Umsätze der Org München seitdem wieder stabilisiert bzw. sogar geringfügig gesteigert zu haben. 3.2.2 WISE-Sektor Das World Institute of Scientology Enterprises (WISE) wurde 1979 von Wirtschaftliche der SO gegründet. Es besteht aus Geschäftsleuten oder Firmen aus und politische allen Bereichen der Wirtschaft. Schwerpunkte in Deutschland und Ausrichtung 214 Scientology-Organisation Bayern sind die Immobilienbranche und die Unternehmens-, Führungsund Personalberatung. Zweck von WISE ist es, Geld für die SO zu beschaffen und durch die Verbreitung von Hubbards Technologie Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Damit kommt WISE auch eine führende politische Bedeutung zu. Der Schwerpunkt der Expansionsbestrebungen der SO liegt seit einiger Zeit in Osteuropa ( Russland, Ungarn ). Kontinentale WISE-Büros finden sich für Europa in Kopenhagen, Mailand, Budapest und Moskau. Über so genannte Hubbard Colleges of Administration wird aktiv versucht, Hubbards Verwaltungstechnologie als vorgeblich erfolgreiches westliches Know-How in russischen Unternehmen und in der Verwaltung zu etablieren. Die Provinz Nowgorod, die Industriestadt Perm, die Hauptstadt Moskau oder die Stadt Vasilieskoje sollen nach Pressemeldungen auf dem direkten Weg sein, administrativ und wirtschaftlich von SO beeinflusst zu werden. Unter den "betreuten Objekten" sollen sich Staatsbetriebe, mehrere Rüstungsbetriebe mit der Klassifikation bis "streng geheim", wissenschaftliche Forschungszentren des Verteidigungsministeriums und Fernsehsender befinden. Mit der Einführung von Hubbards Technologie geht einher, dass im Rahmen der Unternehmenssteuerung rigide Führungsmechanismen in das Unternehmen eingebracht werden, die zu umfassender Kontrolle der Mitarbeiter sowie zur Kontrolle des Gesamtunternehmens durch die SO führen können. Ein bayerischer Unternehmer musste dies 1999 in seiner ungarischen Niederlassung erfahren, deren Leiter scientologisch geschult worden war. Über alle Mitarbeiter wurden so genannte "Ethik-Akten" geführt. Nach Presseberichten hat der ungarische Geschäftsführer täglich einer der scientologischen Beratungsfirmen, die ihn geschult hatten, Firmen-Interna weitergegeben. In Bayern sind die WISE-Aktivitäten nicht sehr ausgeprägt. Federführend für WISE in Bayern ist ein Starnberger Unternehmer. Unternehmen, die scientologisch geführt werden oder bei denen an zentralen Stellen Scientologen beschäftigt sind, müssen nicht WISE-Mitglied sein. Die Gefährdungslage kann jedoch auch hier in gleicher Weise bestehen, wenn Hubbards totalitäre Verwaltungstechnologie dort Einzug gehalten hat. Scientology-Organisation 215 3.2.3 ABLE-Sektor Die Association for better Living and Education (ABLE) versucht, für Unterwanderung die SO den sozialen Bereich der Gesellschaft zu durchdringen und des Sozialbereichs scientologische Lösungsansätze zu realisieren. Zu den dem ABLE-Bereich zuzuordnenden Organisationen gehören unter anderem - Zentrum für individuelles und effektives Lernen (ZIEL), - "Applied Scholastics" (Ausbildungsprogramm; u.a. Englisch-Fernkurse), - "NARCONON", eine angebliche Drogenrehabilitationsstätte, - "CRIMINON", ein Programm zur angeblichen Strafgefangenenrehabilitation. Mit diesen Organisationen versucht die SO, sich als humanitäre, karitative und sozial verantwortliche Organisation darzustellen. Die Auswahl von Ausbildung, Gefangenenund Drogenrehabilitation als weiteren Schwerpunkten lässt den Schluss zu, dass die gerade bei diesen Personengruppen gegebene Möglichkeit der leichteren Einflussnahme benutzt wird, um diese für die SO zu werben. 3.2.4 Office of Special Affairs (OSA) Die SO selbst stellt ihre OSA-Einrichtung für Deutschland mit Sitz in München als Büro für öffentliche Angelegenheiten oder als Presseund Rechtsamt dar. Teile des OSA sind das Deutsche Büro für Menschenrechte und die Citizens Commission on Human Rights (CCHR). Da die CCHR weisungsgebend für die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." (KVPM) ist, kann dieses öffentlichkeitswirksame Aushängeschild zur Bekämpfung der Psychiatrie ebenfalls dem Bereich OSA zugerechnet werden. OSA ist die Nachfolgeorganisation einer bereits in den 60er Jahren aufgeGeheimdienst bauten Abteilung, die nach eigenem Selbstverständnis auch Nachrichtender SO dienstund Spionagefunktionen hatte. Zahlreiche Grundlagenpapiere für den damaligen SO-Dienst Guardian Office (GO), z.B. für nachrichtendienstliche Schulung, wurden für den neuen Dienst als OSA-Network Orders übernommen. Im Gegensatz zur rigiden und direkten Vorgehensweise des GO, die in der Vergangenheit zu einem internationalen Ansehensverlust der SO geführt hat, operiert das OSA heute erkennbar vorsichtiger, ohne seine Ziele im Wesentlichen geändert zu haben. 216 Scientology-Organisation Vereinzelt konnten als Reaktion auf die Beobachtung der SO durch den Verfassungsschutz von OSA veranlasste "Verschärfungen" der Sicherheitsbestimmungen und -maßnahmen in und an den SO-Einrichtungen festgestellt werden. OSA-Mitarbeiter wurden dabei beobachtet, wie sie Methoden (beispielsweise Gegenobservation oder sonstiges konspiratives Verhalten) anwendeten, die offenbar durch spezielle nachrichtendienstliche Schulung vermittelt werden. So hielten sich anlässlich einer Pressekonferenz im Hamburger Innensenat scientologische Observationskräfte vom 20. bis 24. Oktober in Hamburg auf. Personen des öffentlichen Lebens, die der SO kritisch gegenüberstehen, wurden beobachtet und verfolgt. Die über sie gewonnenen angeblichen Erkenntnisse wurden in Sonderausgaben von SO-Publikationen veröffentlicht mit dem Ziel, ihren Ruf zu beschädigen. Das Engagement im Bereich angeblicher Menschenrechtsverletzungen gegen Scientologen durch feindliche Staaten und ihre Behörden ist wesentlicher Bestandteil der Expansionsbemühungen, ebenso der von Hubbard betriebene Kampf gegen die Psychiater als "Quelle allen Übels in der Welt". Ende Juli wurde mit Unterstützung aus München in Paris ein "Büro für Menschenrechte" eröffnet. Weitere derartige Büros bestehen in Europa in Brüssel und München. 4. Mitglieder der SO Die SO hat bundesweit zwischen 5.000 und 6.000 Mitglieder, wobei die Organisation selbst eine deutlich höhere Zahl angibt. Der Mitgliederstand in Bayern ist mit etwa 2.600 im Vergleich zum Vorjahr konstant geblieben. Als Mitglieder werden solche Personen verstanden, die ihre Mitgliedschaft in einem SO-Verein oder einer sonstigen SO-Gliederung, z.B. im WISEoder ABLE-Bereich, schriftlich erklärt haben oder durch die Belegung von Kursen in einem Verein ihre Mitgliedschaft verdeutlichen. 5. Veranstaltungen der SO Die SO setzte ihre Bemühungen fort, sich der Öffentlichkeit als angeblich verfolgte Minderheitsreligion darzustellen. Dazu führte sie zahlreiche Veranstaltungen und Kampagnen durch. Scientology-Organisation 217 5.1 Ausstellung "Was ist Scientology?" Vom 22. bis 29. März veranstaltete die SO in einem Hotel am Hauptbahnhof in München zu Werbezwecken eine Ausstellung "Was ist Scientology?". Die Aktion war Teil einer europaweiten Wanderausstellung, die auch in sieben deutschen Städten gastierte. Organisiert wurde die Ausstellung in München von dem "Department of Special Affairs" (DSA). Bei diesem handelt es sich um die deutsche Unterorganisation des scientologischen Geheimdienstes OSA mit Sitz in den USA, der in allen Ländern mit SO-Niederlassungen tätig ist. In den Ausstellungsräumen lagen Bücher, Zeitschriften und sonstiges Informationsmaterial zur Einsichtnahme auf. Während der Öffnungszeiten wurden die Besucher ständig von etwa zehn Scientologen eng begleitet. Am Eröffnungstag warb die SO-Swingband "Jive Aces" im Bahnhofsgebäude für die größtenteils von jungen Leuten besuchte Ausstellung. Dennoch verfehlte die SO ihr Ziel, breites Interesse für ihre Ziele zu wecken und zahlreiche neue Mitglieder zu gewinnen. Die Zahl der Besucher blieb deutlich unter 2.000 Personen. 5.2 Veranstaltung der International Association of Scientologists (IAS) "Kreuzzug für völlige Freiheit" Im Vorfeld der Ausstellung "Was ist Scientology?" fand am 17./18. März in einer Veranstaltungshalle in München ausschließlich für geladene Scientologen ein zweitägiges Seminar statt, das der Vorbereitung der jeweils 400 bis 500 Teilnehmer auf die Ausstellung diente. Hauptredner war Andrik Shapers, ein international bekannter Aktivist der IAS, der daneben die Funktion des Präsidenten der "Foundation for Religious Tolerance" bekleidet. Wie im Vorjahr setzte Shapers die Beobachtung der SO durch den Verfassungsschutz mit der Verfolgung der Juden im NS-Staat gleich. Unter Hinweis auf die frühere Bundesregierung lehnte er die Demokratie als korrupte Regierungsform ab und forderte dazu auf, für eine "befreite Welt" zu kämpfen und den "Planeten zu klären". Der Redner wurde von den Zuhörern frenetisch gefeiert. Shapers Aussagen belegen, dass die SO nach wie vor an ihrem Weltherrschaftsanspruch festhält, wie er in den in den Zielvorstellungen "Clear Germany", "Clear Planet" und "International City" formuliert ist. 218 Scientology-Organisation 5.3 PR-Veranstaltung Der Mitgliederwerbung diente auch eine Ausstellung unter dem Motto "Das Leben und Werk von L. Ron Hubbard - ein Schriftsteller für den Menschen" vom 20. Juni bis 10. Juli in München. Veranstalter waren das "L. Ron Hubbard Public Relations Büro" und die "New Era Publications". Dokumente und Photos sollten die Besucher über das Leben des Gründers der SO informieren und ihnen dessen Lehre nahe bringen. Die Veranstaltung fand in der Öffentlichkeit kaum Resonanz. 5.4 Weitere Veranstaltungen Auch im Jahr 2000 meldeten SO-Organisationen bei Kreisverwaltungsbehörden in Bayern mehrere Veranstaltungen an. Davon entfiel ein Großteil auf die SO-Tarnorganisation "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." (KVPM); die übrigen wurden von der "Scientology-Kirche Deutschland e.V." durchgeführt. Die Aufrufe zu diesen Aktionen lauteten: "Wir sind gegen Psychodrogen bei Kindern" "Gegen Missstände in der Psychiatrie" "Sag JA zum Leben, sag NEIN zu Drogen" "Religiöse Toleranz führt zum Frieden" "Einhaltung von Menschenrechten, wie Religionsfreiheit, Informationsfreiheit". Die Teilnehmerzahlen der störungsfrei verlaufenen Veranstaltungen lagen zwischen drei und 20 Besuchern. Lediglich eine Veranstaltung am 23. April konnte wegen des Auftritts eines Kinderballetts ("Kinder der Freiheit") kurzzeitig das Interesse von 150 Personen wecken. Anfang Mai kam es noch zu vereinzelten Verteilaktionen der Zeitschrift "Freiheit" vom März 2000. Ferner versandte die KVPM im Mai zahlreiche Schreiben an bayerische Behörden, um angebliche Verstöße der Psychiatrie anzuprangern. Des Weiteren ließ sie gleichartige Schreiben von Mitgliedern verschicken, die sich darin als von der Psychiatrie geschädigte Menschen ausgaben. 6. Verwaltungsgerichtsverfahren Eine endgültige Prozessniederlage erlitt die SO im Streit um die Zulässigkeit der Straßenwerbung in München. Das Baureferat der Landes- Scientology-Organisation 219 hauptstadt München hatte der "Scientology Kirche" und drei ihrer Verbot der Mitglieder untersagt, in der Leopoldstraße Passanten anzusprechen Straßenwerbung und zu einem Persönlichkeitstest zu überreden mit dem Ziel, Bücher und Kurse der "Scientology Kirche" zu verkaufen. Die Behörde hatte die Bescheide damit begründet, dass diese Art von Werbetätigkeit auf öffentlicher Straße unzulässig sei und für die Fußgänger eine Belästigung darstelle. Die "Scientology Kirche" und die drei besagten Mitglieder klagten gegen die Untersagung. Der Freistaat Bayern beteiligte sich im öffentlichen Interesse an dem Verfahren und unterstützte den Standpunkt der Beklagten. Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die Klagen mit Urteil vom 25. November 1999 ab. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zielt das Ansprechen von Passanten auf der Straße objektiv auf eine entgeltliche Tätigkeit hin und ist somit dem gewerblichen Raum zuzuordnen. Dafür sei eine Sondernutzungserlaubnis nötig, die nicht vorliege. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. 7. Vertrauliches Telefon und Informationsangebot im Internet Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz unterhält ein "vertrauliches Telefon" (Tel.-Nr. 0 89/31 20 12 96). Opfer, Aussteiger und Angehörige von die SO-Mitgliedern können dort Hinweise über die SO geben. Für Beratungen stehen die anerkannten Beratungsstellen zur Verfügung. Das Bayerische Staatsministerium des Innern informiert im Internet über die Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung, über Pressemitteilungen und neue Gerichtsentscheidungen unter der Adresse: http://www.innenministerium.bayern.de/scientology 220 Spionageabwehr 7. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage Spionage trotz Die Erwartung, dass die Entwicklung der letzten Jahre zu einer verZusammenarbeit stärkten Zusammenarbeit von Ost und West in vielen Bereichen auch ein deutliches Nachlassen der Spionageaktivitäten gegen unser Land mit sich bringen würde, hat sich nur teilweise erfüllt. Nach wie vor sind von Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, asiatischen Staaten und insbesondere der GUS Spionagebemühungen in den Bereichen Wissenschaft, Technik, Militär und vor allem Wirtschaft erkennbar. Neben den Versuchen, Rüstungsexportbeschränkungen zu umgehen, steht die Beschaffung von Know-how im Vordergrund. Wirtschaftliche Interessen haben durch die Globalisierung enorm an Bedeutung gewonnen und sind auch im Spionagebereich zum Schwerpunkt geworden. Bayern ist aufgrund seiner Ausrichtung auf Hochtechnologie bevorzugtes Aufklärungsziel. Zunehmende Die Nachrichtendienste der GUS, vor allem die russischen Dienste FSB Bedeutung (Inlandsaufklärung), SWR (Auslandsaufklärung), GRU (Militärischer russischer NachNachrichtendienst) sowie der elektronische Aufklärungs-Nachrichtenrichtendienste dienst FAPSI, haben nach einer Phase der Verunsicherung beim Zusammenbruch des Sowjetsystems an Macht und Einfluss gewonnen. Der russische Staatspräsident Vladimir Putin, ehemaliger KGB-Offizier, stabilisiert seine Position derzeit durch Einbindung der Nachrichtendienste in sein Machtgefüge. Auch die anhaltende Zuwanderung von Personen aus Ländern mit totalitären Regierungssystemen in die Bundesrepublik Deutschland beschäftigt zunehmend die Spionageabwehr. Unter diesen ZuwandeBeobachtung rern befinden sich Oppositionelle, deren Aktivitäten in Deutschland Oppositioneller für die Nachrichtendienste der Herkunftsländer von besonderem Interesse sind und die deshalb auch von diesen Nachrichtendiensten in Deutschland ausgeforscht werden. Besonders aktiv sind hier die iranischen, irakischen, syrischen und chinesischen Nachrichtendienste. Auch diese Aktivitäten der fremden Nachrichtendienste verletzen die Souveränität unseres Staats. Spionageabwehr 221 2. Wirtschaftsspionage - Ausforschung von Wissenschaft und Technik Vor allem Russland bemüht sich, den neuesten Stand von Wissenschaft und Technik zur Stärkung der eigenen Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch zur Modernisierung der Streitkräfte in Erfahrung zu bringen. Neben dem elektronischen Aufklärungsdienst FAPSI, der mit großem personellem Aufwand die Kommunikationsnetze für seine Ausforschungen nutzt, ist hier besonders der Auslandsaufklärungsdienst SWR tätig. Im Jahre 1999 kam es zur Aufdeckung eines der bedeutendsten Fälle von Wirtschaftsspionage seit Beendigung des Kalten Krieges. Im Juli 1999 wurden in diesem Zusammenhang ein Ingenieur aus dem Raum München und ein Kaufmann aus Niedersachsen festgenommen. Sie standen in Verdacht, in großem Umfang über mehrere Jahre hinweg an den russischen Geheimdienst SWR technologisches Know-how Interesse an Rüseiner bedeutenden Rüstungsfirma aus dem Raum München geliefert tungs-Know-how zu haben. Bei den Vernehmungen durch die Strafverfolgungsbehörden räumte der Ingenieur ein, vertrauliche Unterlagen gegen Geld an den Kaufmann übergeben zu haben. Der Kaufmann erklärte, die Unterlagen Russland verkauft zu haben. Die beiden Beteiligten wurden zwischenzeitlich rechtskräftig wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Das zuständige Oberlandesgericht Celle stellte schweren wirtschaftlichen Schaden und im Bereich Wehrtechnik "Nachteile von einigem Gewicht" für die Bundesrepublik Deutschland fest. Die Menge des "verratenen Materials" sei erheblich gewesen. Ein Fall aus dem Jahr 2000 belegt, dass russische Austausch-StudenEinsatz von Austen in Deutschland, die auf Passverlängerungen oder sonstige admitausch-Studenten nistrative Maßnahmen der russischen Verwaltung angewiesen sind, von russischen Nachrichtendiensten veranlasst werden, ihre an deutschen Universitäten gewonnenen Erkenntnisse weiterzugeben. Befragungen der Studenten durch den Verfassungsschutz ergaben, dass dies für die Studenten nichts Ungewöhnliches ist und sie es als Selbstverständlichkeit hinnehmen, von russischen Nachrichtendiensten in dieser Weise vereinnahmt zu werden. Neben Russland ist aber auch China verstärkt daran interessiert, Defizite durch Beschaffung offener und geheimer Informationen auszugleichen. So wurde z.B. festgestellt, dass ein an einer bayerischen Universität beschäftigter chinesischer Wissenschaftler geheimhal- 222 Spionageabwehr tungsbedürftiges Know-how aus einem Forschungsbereich per E-Mail an eine dem chinesischen Nachrichtendienst zuzurechnende Stelle gesandt hatte. Dieses Know-how kann auch zur Entwicklung von ABC-Waffen genutzt werden. 3. Proliferation So genannte Krisenländer, wie beispielsweise Irak, Iran, Syrien und Nordkorea, sind bestrebt, in den Besitz von atomaren, biologischen ABC-Waffen und und chemischen Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen) zu gelanTrägertechnik gen, um ihre politischen Ziele besser durchsetzen zu können. Da sie technisch und wissenschaftlich nicht in der Lage sind, derartige Waffen und die dazugehörende Trägertechnologie (z.B. Abschussvorrichtungen) selbst zu entwickeln und herzustellen, sind sie auf den Import entsprechenden Materials sowie die Beschaffung des notwendigen Know-hows angewiesen (Proliferation). Dies wollen internationale Abkommen und nationale gesetzliche Bestimmungen verhindern, da ABC-Waffen in der Verfügungsgewalt von Krisenländern eine unkalkulierbare Gefahr für den Weltfrieden und die Sicherheit der Weltbevölkerung bedeuten. Mit dem Einsatz von Geheimdiensten, der Gründung von Scheinfirmen, der Verschleierung des Endabnehmers und der Vortäuschung des Verwendungszwecks des zu beziehenden Materials oder Know-hows versuchen die betreffenden Länder, diese Beschränkungen zu umgehen und so ihre Wissenslücken zu schließen. Eine Mitverantwortung, dies zu verhindern, trifft auch die Firmen, die als Lieferanten von diesen Auftraggebern kontaktiert werden. Sie Beratung durch sollten sich im Verdachtsfall vertrauensvoll an das Bayerische Landesden Verfassungsamt für Verfassungsschutz wenden. Der Verfassungsschutz ist keine schutz Strafverfolgungsbehörde und unterliegt somit nicht dem Strafverfolgungszwang. Er kann auch die Interessenlage der Personen berücksichtigen, die ihm Informationen zur Verfügung stellen. 4. Spionage im Bereich der Kommunikationstechnik Die Tendenz der vergangenen Jahre, die Nachrichtenbeschaffung auf technischem Wege zu verstärken, setzt sich fort. Neue Technologien und Verbesserungen bereits eingesetzter Technik ermöglichen in im- Spionageabwehr 223 mer stärkerem Maße, den weltweiten Telekommunikationsverkehr Gefahren beim abzuhören. Telefongespräche, Faxund Fernschreibverbindungen soTelekommunikawie E-Mail-Versand können mittels Filterund Datamining-Software tionsverkehr sowie Satellitennutzung von Nachrichtendiensten gezielt auf gewisse Sachverhalte und Stichpunkte hin "durchsucht" werden. Im Mittelpunkt des Interesses steht in zunehmendem Maße das Bemühen, die Vorkehrungen zum Schutz vor Ausspähung dieser Informationstechnologie auszuschalten bzw. zu umgehen. Besonders der bereits erwähnte russische Aufklärungsdienst FAPSI fährt hier "zweigleisig", da er für die elektronische Überwachung der Telekommunikation zuständig ist und gleichzeitig als Firma unter anderem Verschlüsselungssysteme auf den Markt bringt, deren Umgehung für ihn als Hersteller unproblematisch ist. 5. Schutzmaßnahmen - Beratung durch den Verfassungsschutz Hauptprobleme der Abwehr von Spionageaktivitäten gegen Wirtschaft und Forschung sind die mangelnde Sensibilität gegenüber den Angriffsgefahren und die Unkenntnis über Zielobjekte und Vorgehensweise der Nachrichtendienste. Da die notwendigen Schutzmaßnahmen aber einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand mit sich bringen und gleichzeitig Mitarbeiter in ihrem Arbeitsfreiraum einschränken, kann die Bereitschaft zum Schutz des eigenen ArbeitsGefährdungsbereichs nur durch Schaffung des Gefährdungsbewusstseins erreicht bewusstsein werden. Die Betroffenen stehen in erster Linie selbst in der Verantwortung. Hilfestellung bietet der Verfassungsschutz, indem er Firmen, Universitäten und sonstige wissenschaftliche Einrichtungen über die Sicherheitsproblematik sowie über Zielobjekte und Methodik der Nachrichtendienste informiert. Nachrichtendienste passen ihre Vorgehensweisen und Angriffsziele den jeweiligen Bedürfnissen und dem Stand der Technik an. Der Verfassungsschutz kann durch die allgemeine Aufklärung das jeweilige Gesamtlagebild erstellen und somit Wirtschaft und Wissenschaft aktuell beraten. Wesentliche Voraussetzung dafür ist aber, dass Wirtschaft und Wissenschaft den Verfassungsschutz über Fälle Sicherheitsdes Spionageverdachts informieren. Diese Sicherheitspartnerschaft partnerschaft sollte weiter intensiviert werden. 224 Spionageabwehr 6. Ausblick In einer offenen Gesellschaft und im Zeichen der Globalisierung fehlt es zunehmend an dem Verständnis für die Notwendigkeit, sensible Bereiche abzuschotten. Der weltweite Wettbewerb der Wirtschaft und der Wissenschaft, damit auch untrennbar verbunden der Politik und der äußeren Verteidigung, erfordert, zumindest Kernbereiche des Wissens und der Technik vor unerwünschtem Zugriff zu schützen. Gerade unser Land ist auf die Sicherung eines Vorsprungs des Know-hows angewiesen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Um dieser Herausforderung gewachsen zu sein, bedarf es des ZusamEigenschutz der menspiels von Eigenschutz der Wirtschaft und der Wissenschaft Wirtschaft sowie Spionageabwehr durch den Verfassungsschutz. Darüber hinaus ist die Bundesrepublik gehalten, im Zusammenwirken mit den Partnerstaaten zu verhindern, dass ABC-Waffen in die Hand von Krisenund Schwellenländern gelangen. Diesem Ziel dient vor allem die Sicherung der UN-Embargobestimmungen. Organisierte Kriminalität 225 8. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Ausgangslage Der Freistaat Bayern hat mit Wirkung vom 1. August 1994 durch eine Besondere Rolle Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes die rechtlichen des VerfassungsVoraussetzungen dafür geschaffen, dass das Bayerische Landesamt schutzes für Verfassungsschutz zur Unterstützung der Polizeibehörden als ein weiteres Instrument zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) eingesetzt werden kann. Durch die langfristig angelegte Beobachtung krimineller Strukturen und Personen im Vorfeld konkreter Straftaten konnte beim Vorgehen gegen die OK eine Lücke geschlossen werden. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz konnte seine Erfahrungen in der Aufklärung konspirativ operierender Gruppierungen unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in den Aufgabenbereichen der Spionageabwehr und der Extremismusbekämpfung in die nunmehr seit sechs Jahren erfolgreich praktizierte Beobachtung der OK einbringen. 2. Beobachtungsschwerpunkte Seine Erkenntnisse im Bereich der OK erhält das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz vorwiegend durch den Einsatz geheimer Mitarbeiter, aus der Anwendung anderer nachrichtendienstlicher MitEinsatz nachrichtentel sowie aus der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendienstlicher Mittel diensten, die jedenfalls in Europa fast ausnahmslos mit der OK-Bekämpfung beauftragt sind. Weitere Informationen erschließen sich aus der Analyse von offen zugänglichem Material sowie aus dem Berichtsaufkommen anderer Aufgabenbereiche, insbesondere aus der Spionageabwehr. Berichte von Sicherheitsbehörden anderer Bundesländer über die Übernahme des Prostitutionsgewerbes durch hochkriminelle ausländische Gruppierungen waren Anlass dafür, in Bayern die Informationsbeschaffung hierzu erneut zu verstärken. Aus Schwerpunkt der den Strukturermittlungen im Bereich der südosteuropäischen Mafia Aufklärung kristallisierte sich als neuer "Geschäftsbereich" der gewinnträchtige 226 Organisierte Kriminalität Markt der illegalen Arbeitsvermittlung heraus. Die Ergebnisse der deliktsunabhängigen - also täterorientierten - Aufklärungsarbeit münden oft in polizeiliche Ermittlungen. Den größten Teil des beobachteten Personenkreises stellen Angehörige der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Asiaten sowie Personen aus südosteuropäischen Ländern dar. Auffällig werden sie vor allem in den Deliktsbereichen der Prostitution und Zuhälterei, bei Waffendelikten, Menschenhandel und Schleusungen, Fälschungsdelikten sowie dem illegalen Glücksspiel und der im Zusammenhang mit den genannten Straftaten stehenden Geldwäsche. Beobachtungsschwerpunkte im asiatischen Bereich waren wie in den letzten Jahren neben den Chinesen die Vietnamesen. Von den asiatischen Volksgruppen sind diese zahlenmäßig am stärksten im Bundesgebiet vertreten. Beispiele erfolg- * GUS-Mafia reicher Arbeit In Bayern treten vermehrt kriminelle Personen aus den GUS-Ländern auf. Es konnten längere Aufenthalte bis hin zur Wohnsitznahme beobachtet werden. Immer wieder kommen solche Personen kurzfristig nach Bayern, halten abgeschottet Besprechungen ab oder treffen sich mit anderen Kriminellen. Um reibungslose konspirative Abläufe garantieren zu können, werden hohe Kosten für Unterbringung, Transfer und Auswahl der Trefförtlichkeiten aufgebracht. Bereits im Jahre 1999 deuteten übereinstimmende Meldungen aus der Beobachtung der russischen OK durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz auf den Zuzug eines Führers der tschetschenischen Mafia in eine bayerische Kleinstadt hin. Durch Strukturaufklärungsmaßnahmen konnte festgestellt werden, dass dieser in konspirativer Weise versuchte, OK-Strukturen aufzubauen. Mit operativen Maßnahmen war zunächst nur festzustellen, dass sich die Person, die noch mehrere Wohnsitze in anderen europäischen Städten unterhält, längere Zeit hier aufhielt und Kontakte zu bedeutenden Persönlichkeiten suchte. Die intensive Beobachtung ihrer Aktivitäten und Kontaktpersonen ergab nicht nur die Ausweitung der kriminellen Tätigkeit, sondern auch die Zugehörigkeit und Mittlertätigkeit zu anderen ethnischen, weltweit agierenden Gruppierungen. Das Bayerische Landesamt für Organisierte Kriminalität 227 Verfassungsschutz tauschte deshalb intensiv Informationen mit mehreren inund ausländischen Behörden aus. Inzwischen befindet sich die Person wieder im Ausland. Die dortigen Sicherheitsbehörden wurden umfangreich informiert. Durch seine Beobachtungstätigkeit erhält das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz auch regelmäßig Hinweise, dass Strukturen der OK mit Strukturen ehemaliger bzw. aktuell bestehender NachrichtenOK und GUS-Nachdienste der GUS verbunden sind. Diese Verflechtungen treten auch in richtendienste anderen Ländern auf, in denen schlechte wirtschaftliche Bedingungen herrschen und die gleichzeitig über eine große Anzahl gut ausgebildeter, aber schlecht bezahlter nachrichtendienstlicher Mitarbeiter verfügen. Kriminelle finden dadurch einen idealen Nährboden für Korruption und Verrat vor. Genutzt wird vor allem das Wissen und die Logistik der Nachrichtendienste, wobei die materielle Lage ein Abwerben der Mitarbeiter begünstigt. Es ist erwiesen, dass kriminelle Führer persönliche Beziehungen zu hochrangigen Nachrichtendienstangehörigen und Politikern unterhalten und so auch Einfluss auf behördliche Maßnahmen nehmen. Die Bekämpfung der OK wird dadurch zusätzlich erschwert. Ein Beispiel: Durch den Informationsaustausch mit einem ausländischen Nachrichtendienst wurde der Treffpartner eines hochrangigen russischen Kriminellen in Bayern bekannt. Die Person war bis zu diesem Zeitpunkt "ein unbeschriebenes Blatt". Eingeleitete operative Maßnahmen bestätigten die Verbindung und zeigten gleichzeitig Zugänge der Person zu anderen aktiven Kriminellen aus dem Bereich der GUS auf. Erfahrungswerte aus dem Bereich der Spionageabwehr, der Lebenslauf und das konspirative Verhalten sprechen für einen nachrichtendienstlichen Vorlauf dieser Person. In dem gesamten Informationsaufkommen ist eine ständige Verknüpfung der identifizierten Personen mit ehemaligen bzw. aktuell tätigen östlichen Nachrichtendiensten feststellbar. * Südosteuropa-Mafia Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz führte auch weitere Strukturaufklärungsmaßnahmen im Bereich der südosteuropäischen Mafia durch. Dabei ergab sich folgender Fall: Einzelne Bereiche des Baugewerbes sind besonders vom Mangel an Arbeitskräften betroffen. Großunternehmen geben Aufträge an Sub- 228 Organisierte Kriminalität Illegale Arbeitsunternehmer weiter. Dabei werden Preise festgelegt, die mit dem Einvermittlung und satz legaler Arbeitskräfte nicht einzuhalten sind. Kriminelle Syndikate Preisdumping nutzen dies aus. Um überhaupt Personal zu bekommen und die Preisvorgaben zu berücksichtigen, beschaffen sich die Subunternehmer über Vermittler illegale Arbeitskräfte. Neben der Ausbeutung der Arbeiter werden dabei Steuern und Sozialabgaben in Millionenhöhe hinterzogen. Durch Korruption und Dumpingpreise sichern sich diese Subunternehmer große Marktanteile. Legal arbeitende Firmen können mit dieser Konkurrenz nicht mithalten. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz konnte ein solches System illegaler Beschaffung von Arbeitskräften aufdecken. Sowohl Beispiele für die bei den Arbeitern als auch bei den Arbeitsvermittlern handelte es Zusammenarbeit sich überwiegend um Südosteuropäer. Die umfangreichen StrukturPolizei - Verfaserkenntnisse wurden an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden sungsschutz weitergegeben. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz konnte außerdem durch operative Maßnahmen Erkenntnisse über eine rumänische Bande von Einbrechern und deren kriminelle Verbindungen gewinnen. Mehrere Täter brachen regelmäßig gezielt in teure Einzelhandelsgeschäfte ein und stahlen Luxusgüter und Bargeld. Das Diebesgut wurde in eigens von Mittätern angemieteten Wohnungen zwischengelagert und über Hehler verkauft. Die Informationen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz eröffneten den Exekutivbehörden bis dahin noch nicht bekannte Zusammenhänge und Hintergründe und ermöglichten Durchsuchungsmaßnahmen. Es kam zu insgesamt drei Festnahmen und Verurteilungen zu mehrjährigen Haftstrafen. * Vietnamesische OK Die vietnamesischen Straftätergruppierungen haben ihre Schwerpunkte wie in den letzten Jahren vor allem in Berlin. Im Jahr 1999 gab es Hinweise, dass so genannte Aussteiger aus der Berliner Szene in Bayern sesshaft wurden, um hier ihre kriminellen Aktivitäten fortzusetzen. Ein Wohnsitzwechsel nach Bayern konnte zwar in Einzelfällen nachgewiesen werden. Die Hinweise auf Fortsetzung ihrer kriminellen Geschäfte konnten allerdings auch durch umfangreiche Ermittlungen nicht bestätigt werden. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz erhielt durch seine Strukturklärungsmaßnahmen aber wertvolle Hinweise auf kriminelle Organisierte Kriminalität 229 Machenschaften anderer organisierter vietnamesischer StraftäterSchleusergruppierungen, insbesondere im Bereich der Schleusungen. Dem organisationen Landesamt gelang es, die Strukturen dieser kriminellen Gruppierung, die als Teil einer international agierenden Schleuserorganisation fungierte, umfangreich aufzuklären. Eine Vielzahl von internationalen Kontaktadressen, Telefonnummern sowie Anlaufstellen wurde bekannt. Zudem konnten wichtige Informationen über die Vorgehensweise dieser kriminellen Gruppierung in Erfahrung gebracht werden. Die darauf folgende Zusammenarbeit mit befreundeten europäischen Nachrichtendiensten, verbunden mit der Weitergabe der Strukturerkenntnisse an die zuständige Exekutivbehörde, führte zur Zerschlagung dieser vietnamesischen Schleuserorganisation und zur Festnahme zahlreicher Mitglieder. Die Geschleusten, bei denen es sich überwiegend um chinesische Staatsangehörige handelte, gelangten größtenteils auf dem Luftweg von China nach Jugoslawien. Von dort aus wurden sie - mit falschen Pässen ausgestattet - über Zuliefergruppen aus Tschechien und Ungarn nach Westeuropa ins jeweilige Zielland eingeschleust. Jugoslawien scheint für derartige Schleusungen ein begehrtes Transitland zur illegalen Weiterreise nach Westeuropa zu sein. Beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz liegen Informationen vor, wonach in Belgrad über 70.000 Chinesen mit dem Ziel der Weiterschleusung in ein westeuropäisches Land oder nach Übersee warten sollen. Die noch nicht bestätigten Erkenntnisse werden überprüft. Zur anschließenden Legalisierung des Aufenthalts der eingeschleusten Vietnamesen in das Bundesgebiet bedienen sich die Vietnamesen nach Feststellungen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz seit Jahren der Hilfe staatlicher vietnamesischer Stellen. Einem in Deutschland mittlerweile weit verzweigten Netz von Landsleuten ist es möglich, über die vietnamesische Botschaft echte und verfälschte Dokumente aller Art gegen Bezahlung zu beschaffen. Mit Hilfe dieser Dokumente gelingt es, eine drohende Abschiebung zu verhindern oder eine Verlängerung des Aufenthaltsrechts zu erschleichen. In einem anderen Fall erhielt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz einen Hinweis über ein Netz vietnamesischer Zuhälter in Bayern, was zu zielgerichteten Strukturklärungsmaßnahmen führte. Die Frauen - vorwiegend aus Vietnam sowie Tschechien, Polen und Russland - wurden nach ihrer Einreise in Bayern der Prostitution 230 Organisierte Kriminalität zugeführt. Die vietnamesischen Zuhälter "bestellten" die Prostituierten über Vermittler, ebenfalls Vietnamesen. Die meisten Frauen wurden in Zusammenarbeit mit anderen kriminellen vietnamesischen Organisationen eingeschleust und mussten durch ihre Dienste den Schleuserlohn entrichten. Wenn es die ausländerrechtlichen Bestimmungen zuließen, kamen sie auch als Touristinnen ins Land. Die Prostituierten wurden ausschließlich vietnamesischen Landsleuten angeboten und wurden während ihrer Tätigkeit ständig von beauftragten Mitgliedern der kriminellen Gruppierung bewacht. Die Erkenntnisse wurden zu weiteren Ermittlungen an die Polizei abgegeben. * Chinesische Mafia Die verstärkte Aufklärung der chinesischen Mafia öffnete dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz weiteren Einblick in den Aufbau und die Strukturen der chinesischen Triaden. Die Erkenntnisse führten einerseits zur Identifizierung von Triadenmitgliedern, auch in Führungsebenen; zum anderen wurden auch der Organisationsaufbau der Triaden und das Zusammenwirken in zahlreichen europäischen Ländern sowie die Verbindung nach Asien bekannt. In Deutschland sind - neben anderen kleineren Ablegern - insbesonChinesische dere Angehörige der Triaden WO SHING WO und SHUI FONG (beides Triaden Unterzweige der Hongkonger WO-Gruppe) sowie der Triade 14 K vertreten. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat Anhaltspunkte für Aktivitäten von Triadenangehörigen in den Bereichen unerlaubtes Glücksspiel, illegale Wetten und Kreditwucher. Daneben gibt es Anlass zur Vermutung, dass Chinesen mit gefälschten Pässen handeln und Geldwäsche betreiben. Diese Hinweise bedürfen noch eingehender Überprüfung. Der Nachweis derartiger Aktivitäten gestaltet sich jedoch besonders schwierig, da die Gruppierungen ethnisch stark abgeschottet und damit nach außen kaum erkennbar sind. Im Bereich der Schleusungen verdichten sich die Erkenntnisse, dass einzelne Köpfe der Schleuserorganisationen, bei denen Vietnamesen die Basisarbeit leisten, chinesische Triadenmitglieder sind. So werden durch Rekrutierung chinesischstämmiger Vietnamesen als Bindeglied nicht nur sprachliche Barrieren überwunden. Die Chinesen profitieren auf diese Weise vom Know-how der vietnamesischen Schleuser und können ihre Fäden im Hintergrund ziehen. Organisierte Kriminalität 231 Ein Anstieg der illegalen Zuwanderung konnte vor allem für Chinesen aus den südchinesischen Provinzen Fujian und Wenzhou festgestellt werden. Beide Provinzen zählen zu den wirtschaftlich ärmsten Gegenden in China. Von der Armut angetrieben versuchen viele Chinesen den Sprung in den "goldenen Westen". Um ihre Schleusungen bezahlen zu können, müssen sie sich hoch verschulden und diese Summen im Zielland an die Schleuserorganisation zurückzahlen. Da sie in Deutschland kein Einkommen haben, sehen sie sich gezwungen, die geforderten Gelder durch andere Tätigkeiten heranzuschaffen. 3. Ausblick Die Aufklärungsarbeit des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Organisierten Kriminalität hat sich in nun mehr als sechs Jahren bewährt. Der Verfassungsschutz kann Erfolge in der Aufklärung der OK nachweisen. Das sollte auch andere Länder veranlassen, den Verfassungsschutz in Bundesweite die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität einzubinden. Die bunBeobachtung desweite Beobachtung der OK durch den Verfassungsschutz würde als Ziel die Arbeit der Polizei wesentlich unterstützen. 232 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl S. 70, BayRS 12-1-I) Geändert durch SS 2 des Gesetzes zur Anpassung des Bayerischen Landesrechts an Art. 13 des Grundgesetzes vom 10. Juli 1998 (GVBl S. 383) und Art. 4 Abs. 1 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40) I. Abschnitt - unter Anwendung von Gewalt oder durch entspreOrganisation und Aufgaben chende Drohung oder des Verfassungsschutzes - unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft. Art. 1 Organisation des Verfassungsschutzes, (4) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist Verhältnis zur Polizei eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar (1) 1 Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen nachgeordnete Behörde. 2 Das Landesamt und DienstGrundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des stellen der Polizei dürfen einander nicht angegliedert Bundes und der Länder besteht in Bayern ein Landeswerden. 3Dem Landesamt für Verfassungsschutz amt für Verfassungsschutz. 2 Es dient auch dem Schutz steht ein Weisungsrecht gegenüber Dienststellen der vor Organisierter Kriminalität. Polizei oder die Befugnis zu polizeilichen Maßnahmen nicht zu. (2) 1 Freiheitliche demokratische Grundordnung nach Absatz 1 ist eine Ordnung, die unter Ausschluss Art. 2 jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsZuständigkeit staatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit gesetzlich festgelegten Aufgaben zu erfüllen. 2 Dazu gedarstellt. 2 Zu den grundlegenden Prinzipien dieser hört auch die Zusammenarbeit Bayerns mit dem Bund Ordnung gehören mindestens: Die Achtung vor den im und den anderen Ländern in Angelegenheiten des VerGrundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem fassungsschutzes. vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, (2) Verfassungsschutzbehörden der anderen Länder die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigdürfen in Bayern nur im Einvernehmen mit dem Lankeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, desamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für Gesetzes tätig werden. alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Art. 3 Aufgaben (3) Organisierte Kriminalität ist die von Gewinnoder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von Aufgabe, erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, 1. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetdurch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder zes, die gegen die freiheitliche demokratische unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des - unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnBundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine licher Strukturen oder ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 233 verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines 2. nach Maßgabe des Art. 14, insbesondere in EinbürLandes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, gerungsund Ordensverfahren zur Verleihung des 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes - mit Ausnahme der Verdienstmedaille - und des für eine fremde Macht, Bayerischen Verdienstordens, sowie nach Art. 15. 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder II. Abschnitt darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärAllgemeine Befugnisse und Datenverarbeitung tige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, Art. 4 4. Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Allgemeine Befugnisse Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur zu beobachten; solche Bestrebungen und Tätigkeiten Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz die dazu können von Gruppierungen oder Einzelpersonen auserforderlichen Informationen einschließlich personengehen. 2 Das Landesamt hat in Erfüllung dieser Aufgabe bezogener Daten auch ohne Kenntnis der betroffenen Informationen, insbesondere sachund personenbezoGruppierung oder Person erheben und in Akten und gene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solDateien verarbeiten, diese Informationen nutzen sowie che Bestrebungen oder Tätigkeiten zu sammeln und aus Akten und Dateien übermitteln, soweit nicht nachauszuwerten. 3 Die notwendige Koordinierung mit den folgend besondere Bestimmungen gelten. anderen Sicherheitsbehörden und den Strafverfolgungsbehörden wird in Richtlinien des Staatsministeriums (2) 1 Die Befugnisse des Landesamts für Verfasdes Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium sungsschutz bei der Mitwirkung nach Art. 3 Abs. 2 der Justiz geregelt. 4 Über diese Richtlinien wird die Nr. 1 sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom Parlamentarische Kontrollkommission gemäß Art. 20 27. Dezember 1996 (GVBl S. 509) geregelt; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 unterrichtet. Abs. 1 Satz 4 bleibt unberührt. 2Das Landesamt für Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die bestimmt ist, an einer Überprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Aufgabe, Nr. 2 nur mitwirken und nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 nur 1. nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes Auskunft erteilen, wenn die betroffene Person der an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen Durchführung der Überprüfung zugestimmt hat; werim öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige den der Ehegatte oder die Person, mit der die betrofTatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anverfene Person in eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher traut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder Gemeinschaft lebt, in die Überprüfung mit einbezogen, ihn sich verschaffen können, so ist auch deren Zustimmung erforderlich. 2. an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an (3) 1 Sind für die Erfüllung einer Aufgabe verschiesicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder dene Maßnahmen geeignet, so hat das Landesamt für verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die die betrofsind oder beschäftigt werden sollen, fene Gruppierung oder Person voraussichtlich am 3. an technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz wenigsten beeinträchtigt. 2 Eine Maßnahme unterbleibt, von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen, wenn sie einen Nachteil herbeiführt, der erkennbar die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsaußer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. bedürftig sind, gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte Art. 5 mitzuwirken. Erhebung personenbezogener Daten 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perso(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die nenbezogene Daten erheben, soweit das zur Erfüllung Aufgabe, amtliche Auskünfte zu erteilen seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. 1. im Rahmen der Überprüfung der Verfassungstreue 2 Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 Abs. 3 von Personen, die sich um Einstellung in den öffentNr. 1 darf das Landesamt für Verfassungsschutz persolichen Dienst bewerben, nenbezogene Daten jedoch nur im Rahmen von Nach- 234 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) ermittlungen erheben, soweit das zur Überprüfung von SS 1 Abs. 1 und SS 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Informationen erforderlich ist, die bei den VerfassungsBeschränkung des Brief-, Postund Fernmeldeschutzbehörden bereits vorliegen. geheimnisses (Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz) vom 13. August 1968 (BGBl I S. 949) in der jeweils gelArt. 6 tenden Fassung vorliegen oder Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel 2. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vorliegen, dass jemand Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 (1) Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem 1 Satz 1 Nrn. 1 oder 3 durch die Planung oder BegeGesetz darf das Landesamt für Verfassungsschutz auch hung von Straftaten nach SSSS 129, 130 oder 131 des nachrichtendienstliche Mittel anwenden. 2 Sie dienen Strafgesetzbuchs (StGB) verfolgt oder der verdeckten Informationsgewinnung und der Sicherheit des Landesamts für Verfassungsschutz und seiner 3. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht besteMitarbeiter. 3Nachrichtendienstliche Mittel sind Maßhen, dass jemand Bestrebungen oder Tätigkeiten nahmen zur Tarnung, der Einsatz geheimer Mitarbeiter nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 durch die Planung und andere Maßnahmen, die verbergen sollen, dass das oder Begehung von Straftaten nach SS l00a der StrafLandesamt für Verfassungsschutz Informationen erprozessordnung (StPO), SSSS 261, 263 bis 265, 265b, hebt. 4 Bei Sicherheitsüberprüfungen (Art. 3 Abs. 2 266, 267 bis 273, 331 bis 334 StGB oder SS 92 Nrn. 1 und 2) darf das Landesamt für VerfassungsAbs. 2 des Ausländergesetzes (AuslG) verfolgt schutz nur das nachrichtendienstliche Mittel der Tarnung von Mitarbeitern anwenden. und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2 Der ver(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich sonenbezogene Daten nach Art. 5 durch Anwendung nur gegen den Verdächtigen oder gegen Personen richnachrichtendienstlicher Mittel erheben, wenn ten, von denen auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Verdächtigen bestimmte oder von 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder auf weitergeben oder dass der Verdächtige sich in ihrer diese Weise Erkenntnisse über Nachrichtenzugänge Wohnung aufhält. 3 Die Anordnung des Einsatzes begewonnen werden können oder sonderer technischer Mittel nach Satz 1 trifft der Rich2. das zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, ter 4 Bei Gefahr im Verzug kann der Präsident des Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamts Landesamts für Verfassungsschutz einen Einsatz nach für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende Satz 1 anordnen; eine richterliche Entscheidung ist oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. unverzüglich nachzuholen. 5Die Anordnungen sind auf längstens drei Monate zu befristen; Verlängerungen um (3) 1 Personenbezogene Daten dürfen durch Anwenjeweils nicht mehr als drei weitere Monate sind auf dung nachrichtendienstlicher Mittel nur erhoben werAntrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der den, wenn die Daten nicht auf eine andere geeignete Anordnung fortbestehen. 6Liegen die Voraussetzungen Weise gewonnen werden können, die die betroffene der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Person weniger beeinträchtigt. 2 Die Anwendung nachEinsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung richtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unverVerhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverzüglich zu beenden. 7Der Vollzug der Anordnung erfolgt halts stehen. 3 Sie ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr unter Aufsicht eines Bediensteten des Landesamts für Zweck erreicht ist oder sich ergibt, dass er nicht oder Verfassungsschutz, der die Befähigung zum Richteramt nicht auf diese Weise erreicht werden kann. hat. 8Erkenntnisse und Unterlagen, die durch Maßnahmen nach Satz 1 gewonnen wurden, dürfen zur Verfolgung und Erforschung der dort genannten Bestrebun(4) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer gen oder Tätigkeiten sowie nach Maßgabe des SS 7 Abs. 3 Mittel zur Informationsgewinnung im Schutzbereich des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz verwendet werden. des Art. 13 des Grundgesetzes in Abwesenheit einer für 9 Für die Speicherung und Löschung der durch Maßnahdie Verfassungsschutzbehörde tätigen Person ist unter men nach den Absätzen 4 und 5 erlangten personenbesonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verbezogenen Daten sowie die Entscheidung über die hältnismäßigkeit gemäß Absatz 3 nur zulässig, wenn nachträgliche Information der von Maßnahmen nach 1. die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff Absatz 4 Betroffenen gelten SS 7 Abs. 4 und SS 5 Abs. 5 in das Brief-, Postoder Fernmeldegeheimnis nach des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz entsprechend. Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 235 (5) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, dass Mittel im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 3 Abs. 1 angefalausschließlich zum Schutz der für den Verfassungsschutz len sind. 3 Personenbezogene Daten über das Verhalten in diesem Bereich tätigen Personen bedarf der Geneheiner Person nach Vollendung des 16. und vor Vollendung migung des Präsidenten des Landesamts für Verfasdes 18. Lebensjahres sind zwei Jahre nach dem Verhalten sungsschutz oder eines von ihm bestellten Beauftragauf die Erforderlichkeit der Speicherung in Dateien zu ten.2Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten überprüfen und spätestens fünf Jahre nach dem VerhalErkenntnisse zu Zwecken der Gefahrenabwehr ist nur ten zu löschen, es sei denn, dass weitere Erkenntnisse im zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme Sinn des Art. 3 Abs. 1 angefallen sind über ein Verhalten richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die nach Eintritt der Volljährigkeit. 4 Für Akten, die zu einer richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. minderjährigen Person geführt werden, gelten die vorstehenden Prüfungsund Löschungsfristen entsprechend. (6) 1 Zuständiges Gericht zur Entscheidung nach den Absätzen 4 und 5 ist das Amtsgericht am Sitz des Lan(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die desamts für Verfassungsschutz. 2Für das Verfahren gelDauer der Speicherung in Dateien und in Akten, die zu ten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegeneiner bestimmten Person geführt werden, auf das Maß heiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. festzulegen, das zur Erfüllung seiner Aufgabe nach diesem Gesetz erforderlich ist. (7) 1 Die Staatsregierung unterrichtet den Landtag jährlich über die nach Absatz 4 und, soweit richterlich (4) Werden Bewertungen über Betroffene gespeiüberprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 angeordneten chert, muss erkennbar sein, wer die Bewertung vorgeMaßnahmen. 2Ein vom Landtag gewähltes Gremium nommen hat und wo die Informationen gespeichert übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarisind, die der Bewertung zugrunde liegen. sche Kontrolle aus. (8) Die Zulässigkeit von Maßnahmen nach dem Art. 8 Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz bleibt unberührt. Berichtigung und Löschen von Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Art. 7 Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu Speicherung und Veränderung berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten, die personenbezogener Daten zu einer bestimmten Person geführt werden, ist dies zu vermerken. (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz perso(2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in nenbezogene Daten in Dateien speichern und veränDateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu dern, wenn löschen, wenn ihre Speicherung nach Art. 7 unzulässig 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung seiner gesetzTätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder lich festgelegten Aufgaben nicht mehr erforderlich ist; 2. dies für die Erforschung und Bewertung von BestreAkten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, bungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 erfordersind unter diesen Voraussetzungen zu vernichten. 2 Ob lich ist oder die Voraussetzungen der Löschung und Vernichtung nach Satz 1 vorliegen, ist bei jeder Einzelfallbearbei3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach Art. 3 tung und nach festgesetzten Fristen zu entscheiden. Abs. 2 Nrn. 2 und 3 an Überprüfungen mitwirkt. 3 Die Löschung oder Vernichtung unterbleibt, wenn 2 In den Fällen des Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 dürfen personenGrund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzbezogene Daten in Dateien nur gespeichert werden, würdige Interessen der betroffenen Person beeinträchwenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen tigt würden. 4 In diesem Fall sind die Daten zu sperren; oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen. sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. (2) 1Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nicht (3) 1 Für die Archivierung gelten die Vorschriften in Dateien gespeichert werden. 2 Personenbezogene Daten des Bayerischen Archivgesetzes. 2 Die Anbietungsüber das Verhalten einer Person nach Vollendung des pflicht bestimmt sich nach Maßgabe der nach Art. 6 14. und vor Vollendung des 16. Lebensjahres sind zwei Abs. 2 BayArchivG abzuschließenden Vereinbarung. 236 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) Art. 9 (2) Soweit eine Person einer SicherheitsüberprüErrichtungsanordnung fung nach Art. 3 Abs. 2 unterzogen wird oder zu einer Person Auskunft nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 erteilt wird, (1) 1 Für den erstmaligen Einsatz einer automatisierhat diese Person abweichend von Absatz 1 einen ten Datei, in der personenbezogene Daten verarbeitet Anspruch auf Auskunft über die Daten des Landesamts werden, hat das Landesamt für Verfassungsschutz in für Verfassungsschutz, die es im Rahmen der Erfüllung einer Errichtungsanordnung, die der Zustimmung des dieser Aufgaben übermittelt hat. Staatsministeriums des Innern bedarf, festzulegen: (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. Bezeichnung der Datei, 1. eine Gefährdung der Erfüllung der Aufgaben nach 2. Zweck der Datei, Art. 3 durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 3. Betroffener Personenkreis, 2. durch die Auskunftserteilung nachrichtendienstliche 4. Art der zu speichernden Daten, Zugänge gefährdet sein können oder die Ausfor5. Eingabeberechtigung, schung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamts für Verfassungsschutz zu 6. Zugangsberechtigung, befürchten ist, 7. Regelmäßige Übermittlungen, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes 9. Protokollierung des Abrufs. Nachteile bereiten würde oder 2 Nach der Zustimmung des Staatsministeriums des 4. die Information oder die Tatsache der Speicherung Innern ist die Errichtungsanordnung dem Landesbeaufnach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen tragten für den Datenschutz unverzüglich mitzuteilen. nach, insbesondere wegen der überwiegenden 3 Entsprechendes gilt für wesentliche Änderungen des berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalVerfahrens. ten werden muss. (2) Die Zustimmung des Staatsministeriums des (4) 1 Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf Innern darf nur erteilt werden, wenn die Speicherung keiner Begründung. 2 Wird die Auskunftserteilung abgepersonenbezogener Daten auf das erforderliche Maß lehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für beschränkt ist. das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass er sich hinsichtlich der Verarbeitung personenbezo(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in angener Daten an den Landesbeauftragten für den Datengemessenen Abständen die Notwendigkeit der Weiterschutz wenden kann. 3 Dem Landesbeauftragten für den führung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Staatsministerium des Innern im EinArt. 10 zelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes Geltung des Bayerischen Datenschutzgesetzes oder eines Landes gefährdet würde. 4 Mitteilungen des Landesbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Bei der Erfüllung der gesetzlich festgelegten AufRückschlüsse auf den Kenntnisstand des Landesamts gaben durch das Landesamt für Verfassungsschutz finfür Verfassungsschutz zulassen, sofern dieses nicht den die Art. l0 bis 13, 15 bis 23 und 26 bis 28 des einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Bayerischen Datenschutzgesetzes keine Anwendung. Art. 11 III. Abschnitt Auskunftserteilung Übermittlungsregelungen (1) 1 Ein Anspruch auf Auskunft über die beim LanArt. 12 desamt für Verfassungsschutz in Dateien oder Akten Informationsübermittlung gespeicherten Informationen besteht nicht. 2 Hat eine an das Landesamt für Verfassungsschutz Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft über ohne Ersuchen die zu ihrer Person gespeicherten Daten, so entscheidet das Landesamt für Verfassungsschutz nach pflicht(1) Die Behörden, Gerichte hinsichtlich ihrer Regigemäßem Ermessen über das Auskunftsbegehren. ster, Gebietskörperschaften und andere der staatlichen Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 237 Aufsicht unterstehenden juristischen Personen des Dateien den Zweck der Maßnahme gefährden, einen öffentlichen Rechts sowie sonstige öffentliche Stellen übermäßigen Aufwand erfordern oder das Persönlichdes Freistaats Bayern haben von sich aus dem Landeskeitsrecht des Betroffenen unnötig beeinträchtigen würamt für Verfassungsschutz die ihnen bei Erfüllung ihrer de. 2 Über die Einsichtnahme in amtlich geführte Dateien Aufgaben bekannt gewordenen Informationen zu überhat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachmitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür besteweis zu führen, aus dem der Zweck und die eingesehene hen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der AufDatei hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz nach Art. 3 zubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern Abs. 1 oder entsprechender Aufgaben auf Grund eines und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Erstellung folgt, zu vernichten. Grundgesetzes erforderlich sein kann. (3) 1 Hält eine in Art. 12 Abs. 1 genannte öffentliche (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die 1 Stelle das Ersuchen nach Absatz 1 oder die Einsichtübermittelten Informationen nach ihrem Eingang unnahme nach Absatz 2 für unzulässig, so teilt sie das verzüglich darauf zu überprüfen, ob sie für die Erfüldem Landesamt für Verfassungsschutz mit. 2 Besteht lung seiner in Absatz 1 genannten Aufgaben erforderdieses auf dem Ersuchen oder der Einsichtnahme, so lich sind. 2 Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderentscheidet darüber die oberste fachliche Aufsichtslich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichbehörde, die für die ersuchte Stelle zuständig ist. ten. 3 Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung (4) Art. 12 Abs. 2 gilt entsprechend. der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall Art. 14 dürfen die nicht erforderlichen Informationen nicht verPersonenbezogene Datenübermittlung wendet werden. durch das Landesamt für Verfassungsschutz Art. 13 (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perInformationsübermittlung sonenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, an das Landesamt für Verfassungsschutz wenn das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem auf Ersuchen Gesetz erforderlich ist oder wenn die öffentliche Stelle die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen (1) 1 Die in Art. 12 Abs. 1 genannten öffentlichen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Stellen haben dem Landesamt für Verfassungsschutz Sicherheit einschließlich der Strafverfolgung benötigt. auf dessen Ersuchen die ihnen bei Erfüllung ihrer Auf- 2 Gleiches gilt, wenn der Empfänger die personenbezogaben bekannt gewordenen Informationen zu übermitgenen Daten zur Erfüllung anderer ihm zugewiesener teln, soweit das zur Erfüllung der Aufgaben des LanAufgaben benötigt, sofern er dabei auch zum Schutz der desamts für Verfassungsschutz nach diesem Gesetz freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen erforderlich ist. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz oder Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit oder darf Ersuchen nach Satz 1 nur stellen, wenn die Inforauswärtige Belange zu würdigen hat. 3 Der Empfänger mation auf andere Weise nur mit übermäßigem Aufdarf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts wand oder nur durch eine die betroffene Gruppierung anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu oder Person stärker belastende Maßnahme gewonnen dem sie ihm übermittelt wurden, es sei denn, dass das werden kann. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz Landesamt für Verfassungsschutz einer anderen Verwenhat Ersuchen zu begründen, es sei denn, dass eine Bedung für Zwecke nach den Sätzen 1 und 2 zugestimmt gründung dem Schutz der betroffenen Gruppierung hat. 4 Satz 1 gilt auch für die Übermittlung personenoder Person zuwiderläuft oder den Zweck der Maßnahbezogener Daten innerhalb des Landesamts für Verme gefährden würde. 4 Es hat die Ersuchen aktenkundig fassungsschutz. zu machen. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf 1 Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen Akten anderer öffentlicher Stellen und amtlich geführte von Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen Dateien unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 einzwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über sehen, soweit das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der diesem Gesetz erforderlich ist und die sonstige ÜberBundesrepublik Deutschland stationierten ausländimittlung von Informationen aus den Akten oder den schen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl II 1961 238 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) S. 1183) personenbezogene Daten übermitteln. 2 Der Art. 16 Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelNachberichtspflicht ten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung durch das Landesamt für Verfassungs(3) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perschutz als unvollständig oder unrichtig, sind sie unversonenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb züglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an wenn das zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der überoder zwischenstaatliche öffentliche Stellen überbetroffenen Person erforderlich ist. mitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz oder zur Wahrung Art. 17 erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforÜbermittlungsverbote derlich ist. 2 Die Übermittlung unterbleibt, wenn aus(1) Die Übermittlung von Informationen durch das wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder Landesamt für Verfassungsschutz nach den Art. 4 und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffe14 hat zu unterbleiben, wenn nen Person entgegenstehen. 3 Sie ist aktenkundig zu machen. 4 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass 1. erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet der Informationen und ihrer Erhebung das schutzwerden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. würdige Interesse der Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegt, oder (4) 1 Personenbezogene Daten dürfen an andere 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern. Empfänger als öffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheit(2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationslichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherübermittlungen zulassen oder verbieten, bleiben unheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und berührt. das Staatsministerium des Innern seine Zustimmung erteilt hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl von gleichartigen Fällen vorweg erteilt werden. IV. Abschnitt 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die ÜberParlamentarische Kontrolle mittlung aktenkundig zu machen. 3 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, Art. 18 zu dem sie ihm übermittelt wurden. 4 Das Landesamt Parlamentarisches Kontrollgremium für Verfassungsschutz hat den Empfänger darauf hinzuweisen. Die parlamentarische Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfas(5) 1 Übermittlungspflichten nach bundesrechtsungsschutz erfolgt nach den Bestimmungen des Gesetlichen Vorschriften bleiben unberührt. 2 Das Landesamt zes zur parlamentarischen Kontrolle der Staatsregierung für Verfassungsschutz kann andere Verfassungsschutzhinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 behörden auch dadurch unterrichten, dass es diesen den des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamts Abruf von Daten im automatisierten Verfahren ermögfür Verfassungsschutz - Parlamentarisches Kontrolllicht, soweit deren gesetzliche Aufgaben identisch gremium-Gesetz - vom 10. Februar 2000 (BayRS 12-4-I). sind. Art. 19 und 20 (aufgehoben) Art. 15 Unterrichtung der Öffentlichkeit V. Abschnitt 1 Das Staatsministerium des Innern und das LandesSchlussvorschriften amt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Art. 21 Abs. l. 2 Dabei dürfen der Öffentlichkeit personenbezoErfüllung bundesrechtlicher Aufgaben gene Daten bekanntgegeben werden, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an der Unterrichtung das schutzZur Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetwürdige Interesse der betroffenen Person an der Wahzes nach Art. 73 Nr. l0 Buchst. b und c des Grundrung ihrer Anonymität überwiegt. gesetzes stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 239 die Befugnisse zu, die es zur Erfüllung der entspre2. In Art. 3 werden die Worte "den für Sicherheitschenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. fragen zuständigen Ausschuss des Landtags" durch die Worte "die Parlamentarische Kontrollkommission Art. 22 für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" Einschränkung von Grundrechten ersetzt. Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht Art. 24 der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 des In-Kraft-Treten Grundgesetzes und Art. l06 Abs. 3 der Verfassung eingeschränkt werden. 1 Dieses Gesetz tritt am 1. November 1990 in Kraft.* 2 Gleichzeitig treten außer Kraft: Art. 23 1. Das Gesetz über die Errichtung eines Landesamts Änderung des Gesetzes zur Ausführung für Verfassungsschutz (BayRS 12-1-I), des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz 2. Art. 8 Abs. 2 Nr. 5 des Bayerischen DatenschutzDas Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 gesetzes (BayRS 204-1-I). Grundgesetz (AGG 10) vom 11. Dezember 1984 (GVBl S. 522, BayRS 12-2-I) wird wie folgt geändert: 1. Art. 2 Abs. 3 Satz 6 erhält folgende Fassung: "6 Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, * Diese Vorschrift betrifft das In-Kraft-Treten des Gesetzes in der die der Zustimmung der Parlamentarischen Konursprünglichen Fassung vom 24. August 1990 (GVBl S.323). Der trollkommission für die Angelegenheiten des VerfasZeitpunkt des In-Kraft-Tretens der späteren Änderungen ergibt sungsschutzes bedarf." sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. 240 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - PKGG) Vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40, BayRS 12-4-I) Art. 1 (4) Das Parlamentarische Kontrollgremium übt seine Parlamentarisches Kontrollgremium Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtags hinaus solange aus, bis der nachfolgende (1) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium übt die Landtag ein neues Parlamentarisches Kontrollgremium parlamentarische Kontrolle gemäß Art. 13 Abs. 6 Satz 3 gewählt hat. des Grundgesetzes zum Vollzug der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes nach Maßgabe Art. 2 der Art. 48a des Gesetzes zur Ausführung des GerichtsGeheimhaltung verfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (AGGVG), Art. 34 Abs. 6 des Polizeiaufgaben(1) 1 Die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgesetzes (PAG) und Art. 6 Abs. 7 des Bayerischen Vergremiums sind geheim. 2Die Mitglieder und stellverfassungsschutzgesetzes (BayVSG) aus. 2Dem Parlatretenden Mitglieder sind zur Geheimhaltung der mentarischen Kontrollgremium obliegt ferner die KonAngelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigtrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des keit im Parlamentarischen Kontrollgremium bekannt Landesamts für Verfassungsschutz; die Rechte des geworden sind. 3Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Landtags und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. Ausscheiden aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium. (2) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium besteht aus fünf Mitgliedern. 2Die Mitglieder des Parlamentari(2) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium tritt schen Kontrollgremiums werden zu Beginn jeder neuen mindestens einmal im Jahr zusammen. 2Jedes Mitglied Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte gewählt. 3In kann die Einberufung des Parlamentarischen Kontrollgleicher Weise wird für jedes Mitglied ein stellvertretengremiums verlangen. 3Das Parlamentarische Kontrolldes Mitglied gewählt. 4Gewählt ist, wer die Stimmen der gremium gibt sich eine Geschäftsordnung. 4Ferner obMehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint. liegt ihm die Wahl seiner bzw. seines Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden. (3) 1 Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Art. 3 Parlamentarischen Kontrollgremium; Absatz 4 bleibt Rechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums unberührt. 2Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein und Berichtspflichten der Staatsregierung neues Mitglied zu wählen; das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium (1) Das Staatsministerium der Justiz erstattet dem ausscheidet. 3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Parlamentarischen Kontrollgremium jährlich Bericht die stellvertretenden Mitglieder. nach Art. 48a AGGVG. Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) 241 (2) 1 Das Staatsministerium des Innern erstattet dem 1. Art. 18 erhält folgende Fassung: Parlamentarischen Kontrollgremium jährlich Bericht nach Art. 34 Abs. 6 PAG und Art. 6 Abs. 7 BayVSG. "Art. 18 2 Die Berichterstattung nach diesen Vorschriften kann Parlamentarisches Kontrollgremium gesondert erfolgen. Die parlamentarische Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für (3) 1 Das Staatsministerium des Innern unterrichtet Verfassungsschutz erfolgt nach den Bestimmungen das Parlamentarische Kontrollgremium ferner regeldes Gesetzes zur parlamentarischen Kontrolle der mäßig umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach Landesamts für Verfassungsschutz und über Vorgänge Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der von besonderer Bedeutung. 2Darüber hinaus berichtet Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz es zu einem konkreten Thema aus dem Aufgaben- - Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - vom bereich des Landesamts für Verfassungsschutz, sofern 10. Februar 2000 (BayRS 12-4-I)." das Parlamentarische Kontrollgremium dies verlangt. 3 Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung des Parlamen2. Art. l9 und 20 werden aufgehoben. tarischen Kontrollgremiums werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs (2) In Art. 3 des Gesetzes zur Ausführung des durch die politische Verantwortung der Staatsregierung Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) vom bestimmt. 11. Dezember 1984 (GVBl S. 522, BayRS 12-2-I), geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 24. August (4) 1 Das Staatsministerium des Innern erstattet dem 1990 (GVBl S. 323), werden die Worte "die ParlamenParlamentarischen Kontrollgremium ferner Bericht tarische Kontrollkommission für Angelegenheiten des nach Maßgabe des Art. 3 des Gesetzes zur Ausführung Verfassungsschutzes" durch die Worte "das Parlamendes Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10). 2Art. 2 tarische Kontrollgremium" ersetzt. AGG 10 bleibt unberührt. Art. 5 Art. 4 In-Kraft-Treten, Übergangsvorschrift Änderung von Gesetzen (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 2000 in Kraft. (1) Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (2) Die bestehende Parlamentarische Kontrollkom10. April 1997 (GVBl S. 70, BayRS 12-1-I), geändert mission übt ihre Tätigkeit im bisherigen Umfang bis durch SS 2 des Gesetzes vom 10. Juli 1998 (GVBl zur Bildung des Parlamentarischen Kontrollgremiums S. 383), wird wie folgt geändert: nach Art. l aus. 242 Sachwortregister Sachwortregister ABLE 215 Arbeitsgemeinschaft Autonome Gruppen in und bei der PDS 106 AG Cuba Si 113 Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen in Aktion Oder-Neiße (AKON) 45 und bei der PDS 108 Aktionsbüro Nationaler Widerstand/ Autonome 123 Freilassing 66 Autonome Antifa (M), Göttingen 128 Aktionsgruppe Antifaschismus Ingolstadt 135 Al Quaeda 186 barricada 130 Al-Gamaa al Islamiya (GI) 185 Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) 185 Antifa-Offensive 99 128 antifa-rundschau 147 Blood & Honour Division Deutschland 75 antifaschistisch kämpfen (münchen) Bolschewistische Partei Nord[ak (m)] 125 kurdistan/Türkei (BP-KK/T) 195 Antifaschistische Aktion (AA) 125 Bund Frankenland (BF) 66 Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) 113 Bundesweites Antifa Treffen (BAT) 129 Antifaschistische Aktion in der OA (AAOA) 125 Bürgerinitiative für Sozialismus 113 Antifaschistische Aktion München (AAM) 126 Antifaschistische Aktion Passau (AAP) 136 Castel del Monte Verlag 92 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Celebrity Centres (CC) 211 Organisation (AA/BO) 127 Citizens Commission on Human Rights Antifaschistische Jugendfront (AJF) 125 (CCHR) 215 Antifaschistisches Aktionsbündnis Clear Deutschland-Kampagne 201 Augsburg (AABA) 137 Clears 200 Antifaschistisches Aktionsbündnis Continental Liaison Office (CLO) 200 Baden-Württemberg (AABW) 127 Courage 120 Antifaschistisches Aktionsbündnis Bayern (AABB) 127 CRIMINON 215 Antifaschistisches Aktionsbündnis Nürnberg 148 Das Freie Forum 56 Antifaschistisches INFO-BLATT (AIB) 131 Demokratische Front für die Befreiung Antiimperialistischer Widerstand (AIW) 142 Palästinas (DFLP) 192 Antikernkraftbewegung 138 Demokratische Partei Kurdistans/Irak (DPK/I) 176 Applied Scholastics 215 Denk mit! 92 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 121 Denk mit!-Verlag 92 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 170 Department of Special Affairs (DAS) 217 Sachwortregister 243 Der Aktivist 40 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) 167 Der Angriff 63 Föderation der Arbeiterimmigranten Der Gegenangriff 63 aus der Türkei in Deutschland e.V. (AGIF) 195 Der Republikaner 46 Föderation der demokratischen Rechte in Der Scheinwerfer 92 Deutschland (ADHF) 167 Deutsche Aufbau-Organisation (DAO) 59 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in Deutsche Geschichte 92 der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) 193 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 114 Föderation der Türkisch-Demokratischen Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 56 Idealistenvereine in Europa e.V. Deutsche Stimme (DS) 27 (ADÜTDF) 159 Deutsche Stimme EXTRA 27 Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) 173 Deutsche Volksunion (DVU) 42 Frankens Widerstand 74 Deutsche Volksunion e.V. 45 Französische Kommunistische Partei (FKP) 113 Deutsches Büro für Menschenrechte 206 Freie ArbeiterInnen Union (FAU) 140 Deutsches Kolleg (DK) 92 Freie Nationalisten 62 Deutschland-Bewegung/Friedenskomitee 2000 58 Freiheit 196 Devrimci Sol 162 Freiheitlicher Volks Block (FVB) 26 Dianetik nach L. Ron Hubbard 196 Freizeitverein Isar 96 e.V. (FZV) 65 Die Artgemeinschaft - Germanische Freundeskreis Ulrich von Hutten 57 Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Frieden 2000 - Nachrichten für die Lebensgestaltung (Artgemeinschaft) 92 Deutschland-Bewegung 58 Die Freunde im Ausland (DFiA) 88 Front National (FN) 89 Die Republikaner (REP) 46 FSB (Inlandsnachrichtendienst der GUS) 220 Die Ware 110 Fünf-Punkte-Papier der PDS 98 DISPUT 146 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH GEGENSTANDPUNKT 147 (DSZ-Verlag) 59 Germania-Rundbrief 88 DVU - Freiheitliche Liste 45 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 56 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front Ehrenbund Rudel 45 (GdNF) 65 Europäische Frontzentrale (ACM) der PKK 173 graswurzelrevolution 129 EXPO 2000 139 Grossraumzeitung - Nürnberg/Erlangen/ Fürth 130 FAPSI (elektronischer Aufklärungsdienst GRU (Militärischer Nachrichtendienst der GUS) 220 der GUS) 220 244 Sachwortregister Haus der kurdischen Künstler e.V. 193 Jugendverband 'solid 109 Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) 156 Junge Nationaldemokraten (JN) 40 Hilfsorganisation für nationale politische junge Welt 97 Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 91 Kalifatsstaat 156 Hizb Allah 187 Kameradschaft Schwabach 65 Huttenbriefe 57 Kameradschaften 64 Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) 63 Impact 196 Kampfkomitee gegen Isolationshaft 164 Info-Läden der Autonomen 129 Katakombenakademie des Friedhelm Busse 66 Initiative für Ausländerbegrenzung (I.f.A.) 45 Koalition der Linken und des Institute for Historical Review (IHR) 88 Fortschritts - SYNASPISMOS 113 INTERIM 130 Kommission für Verstöße der Psychiatrie International Association of Scientologists gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) 215 (IAS) 217 Kommunikationszentrum (KOMM) 126 Internationale Islamische Front 186 Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) 146 Internationales Kulturhaus 126 Kommunistische Partei Böhmens Iranische Moslemische Studenund Mährens (KPBM) 113 ten-Vereinigung Bundesrepublik Kommunistische Partei Chinas 113 Deutschland e.V. (IMSV) 193 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 113 Islamische Bewegung Kurdistans (KIH) 194 Kommunistische Partei Deutschlands Islamische Föderation 156 (KPD/DDR) 106 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. Kommunistische Partei Indiens (KPI) 113 (IGD) 184 Kommunistische Partei Indiens-Marxist Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) 154 (KPI/M) 113 Islamische Heilsarmee (AIS) 185 Kommunistische Partei Vietnams (KPV) 113 Islamische Heilsfront (FIS) 185 Kommunistische Plattform (KPF) 106 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) 185 Konföderale Fraktion der Vereinten Islamischer Bund Palästina (IBP) 185 Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) 105 Islamischer Widerstand (Muqawame Islamiya) 187 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) 167 Islamisches Zentrum München 184 Konföderation der demokratischen Rechte in Europa (ADHK) 167 Jihad Islami 186 Koordinierungskreis 18. März 2000 142 Journal of Historical Review 88 Künstlerhaus K4 126 Jugend gegen Rassismus (JgR) 125 Kurdische Demokratische Volksunion (YDK) 171 Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) 147 Kurdischer Nationalkongress (KNK) 177 Sachwortregister 245 Kurdischer Roter Halbmond (HSK) 194 NARCONON 215 Kurdisches Exilparlament 177 Nation & Europa - Deutsche Monatshefte 61 Kurdistan Informationsbüro in Deutschland Nation Europa Verlag GmbH 61 (KIB) 193 National Journal 88 Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) 193 Nationaldemokratische Partei Deutschlands Kurdistan-Komitee e.V., Köln 193 (NPD) 27 Kurdistan-Solidaritätsgruppen 177 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 91 Landser 74 Nationale Außerparlamentarische Opposition (NAPO) 30 lernen und kämpfen (luk) 146 Nationale Befreiungsarmee (NLA) 188 Leuchter-Bericht 87 Nationale Befreiungsfront Kurdistans Libertad! 142 (ERNK) 171 Libertäres Forum bei der PDS 106 Nationale Demokratische Initiative Linksruck 147 Kurdistan 178 Linksruck-Netzwerk 123 Nationale Info-Telefone (NIT) 68 Lokalpatriot 74 Nationaler Widerstand 30 Lokalradio München (LORA) 122 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 188 Nationalisten Nürnberg 74 Marxistische Blätter 146 National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung (NZ) 59 Marxistische Gruppe (MG) 122 Nation-Europa-Freunde e.V. 61 Marxistisches Forum (MF) 108 Neonazikreis um Sven Schlechta 65 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 169 Neues Deutschland (ND) 146 Marxistisch-Leninistische Partei New Era Radio 207 Deutschlands (MLPD) 120 Nichtaberrierte 200 MED-TV 174 Nordbayerischer Landbote 146 MEDYA-TV 174 Nordische Zeitung (NZ) 92 Mensch und Maß 92 NS Kampfruf 90 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS 146 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 90 Münchner Bündnis gegen Rassismus 122 Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitee 148 Odal-Verlag 92 Muslimbruderschaft (MB) 184 Office of Special Affairs (OSA) 215 Organisierte Autonomie (OA) 125 Nachrichten der HNG 91 Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) 167 Nachrichten-Informationen-Meinungen (NIM) 64 Out of Control 130 246 Sachwortregister Partei der arbeitenden Frauen Kurdistans Solidaritätskomitee mit den politischen (PJKK) 176 Gefangenen in der Türkei (DETUDAK) 164 Partei der freien Frauen (PJA) 176 Source 196 Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 159 Sozialismus von unten 147 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 97 Sozialistische Alternative VORAN (SAV) 147 Partizan-Flügel 167 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 123 Patriotische Union Kurdistans (PUK) 176 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend PDS-Pressedienst 146 (SDAJ) 118 POSITION 147 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 97 Proletarischer Internationalismus 112 Sozialistische Partei Chiles (SP) 113 Sozialistische Zeitung (SoZ) 147 radikal 148 Spinnennetz 129 REBELL 120 Staatsbriefe 92 Religious Technology Center (RTC) 211 Stadtteilzentrum Schwarze Katze 126 Republikanische Jugend (RJ) 50 Südafrikanische KP 113 Revisionismus 86 SWR (Auslandsnachrichtendienst der GUS) 220 Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB) 114 Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000 (RPF) 36 TITEL - Informationsforum der PDS Bayern 146 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front Tugendpartei (FP) 154 (DHKP-C) 162 Türkische Arbeiterund BauernbefreiungsRevolutionäre Zellen (RZ) 143 armee (TIKKO) 167 rote antifa nürnberg (ran) 125 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 167 Rote Armee Fraktion (RAF) 129 Türkische Volksbefreiungspartei-Front Rote Fahne 146 (THKP-C Devrimci Sol) 162 Rote Zora 143 Rudolf-Gutachten 87 Union der Aleviten aus Kurdistan (KAB) 194 Rudolf-Heß-Aktionswochen 69 Union der freien Frauen aus Kurdistan (YAJK) 193 Samisdat Publishers Ltd. 88 Union der Journalisten Kurdistans (YRK) 194 Schutzbund für das Deutsche Volk e.V. Union der Jugendlichen aus Kurdistan (SDV) 92 (YCK) 194 Scientology Kirche Bayern e.V. 213 Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) 194 Scientology Kirche Deutschland e.V. 213 Union islamischer Studentenvereine Scientology-Organisation (SO) 196 in Europa (U.I.S.A.) 193 Skinheads 69 Union zur Pflege der kurdischen Kultur So oder So 142 und Kunst (YRWK) 194 Sachwortregister 247 Unsere Zeit (UZ) 146 Vlaams Blok (VB) 51 Ursprung 196 Vlaams Blok Jongeren (VBJ) 51 UTOPIE - kreativ - Diskussion sozialistischer Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 172 Alternativen 146 Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando - (PFLP-GC) 192 Verband der islamischen Vereine Volksfront für die Befreiung Palästinas und Gemeinden e.V. (ICCB) 195 (PFLP) 192 Verband der StudentInnen aus Kurdistan Volksmodjahedin 188 (YXK) 194 Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) 88 Verein für Arbeiterbildung Nordbayern 146 Vereinigung der Verfolgten des was tun 111 Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) 117 Watch Dog Committee (WDC) 211 Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 123 White Youth-Sektion Bayern 75 Verlag Hohe Warte - Franz von WISE 213 Bebenburg KG 92 Wohlfahrtspartei (RP) 154 VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH 92 Vierteljahreshefte für freie GeschichtsZentrum für individuelles und forschung (VffG) 88 effektives Lernen (ZIEL) 215 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern, Odeonsplatz 3, 80539 München Druck: Joh. Walch GmbH & Co. KG, Augsburg Gedruckt auf Recyclingpapier aus 100% Altpapier Hinweis: Der Verfassungsschutzbericht Bayern 2000 ist auch über das Internet abrufbar: http://www.innenministerium.bayern.de http://www.verfassungsschutz.bayern.de