VERFASSUNGSSCHUTZ BERICHT 19 B AY E R N 99 Bayerisches Staatsministerium des Innern Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern, Odeonsplatz 3, 80539 München Vorwort 3 Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser kurze Satz ist uns nach mehr als einem halben Jahrhundert der Geltung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaats Bayern sowie nach ebenso langer Einbindung in die europäisch-westliche Wertegemeinschaft selbstverständlich geworden. Wer sich jedoch die weltpolitische Lage des abgelaufenen Jahres in Erinnerung ruft, wird schnell feststellen, dass stabile politische Verhältnisse und die Garantie der Menschenrechte ein kostbares Gut darstellen, das es zu schützen und wahren gilt. Eine stabile Demokratie zeichnet sich nicht zuletzt durch ihre Wehrhaftigkeit nach innen gegenüber Bestrebungen aus, die extremistische Ideologien verwirklichen wollen und versuchen, für ihre Zwecke Bevölkerungsgruppen zu emotionalisieren und zu instrumentalisieren. Der tragische Tod eines Schwarzafrikaners in Kolbermoor im Sommer 1999 führt einmal mehr das erschreckende Gewaltpotenzial menschenverachtender Doktrinen und fremdenfeindlichen Gedankengutes vor Augen. Aber nicht nur solche Einzelfälle, sondern auch Wahlerfolge extremistischer Parteien, die unserer Staatsund Gesellschaftsordnung ablehnend gegenüberstehen, führen mit aller Deutlichkeit vor Augen, wie wichtig die öffentliche politische Auseinandersetzung mit Extremisten ist. Eine aufgeklärte Bevölkerung ist der wirksamste Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Im vergangenen Jahr konnte nicht nur die rechtsextremistische DVU in Bremen und Brandenburg Wahlerfolge verbuchen, sondern auch die in "PDS" umbenannte Sozialistische Einheitspartei Deutschlands bei der Europawahl und den Landtagswahlen in den neuen Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern erreichte sie 1998 die Regierungsbeteiligung, in Thüringen und Sachsen wurde sie 1999 die zweitstärkste Partei in den Landesparlamenten. Der Bericht enthält neben einer ausführlichen Darstellung des Rechtswie des Linksextremismus auch eine Lagedarstellung extremistischer und sicherheitsgefährdender Bestrebungen von Ausländern und verdeutlicht die Notwendigkeit einer weiteren Beobachtung der menschenverachtenden Scientology-Organisation sowie der Organisierten Kriminalität durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz. Er zeigt auf, wie verschiedenartig die Bedrohungen für unsere Rechtsordnung sein können; er zeigt aber auch, dass Extremisten in Bayern nicht ernsthaft in der Lage waren, unser Gemeinwesen zu gefährden. Im Vergleich mit den anderen deutschen Ländern ist die extremistische Bedrohung in Bayern deutlich geringer, die Zahl der extremistischen Gewalttaten liegt weit unter dem Durchschnitt. Das ist auch das Ergebnis einer konsequenten Sicherheitspolitik. Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, die durch ihre engagierte Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung von Demokratie, Freiheit und Menschenwürde in unserem Land geleistet haben. München, im März 2000 Dr. Günther Beckstein Hermann Regensburger Staatsminister Staatssekretär 4 Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt Verfassungsschutz in Bayern 1. Gesetzliche Grundlagen ............................................ 12 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes ........................... 12 3. Informationsbeschaffung .......................................... 13 4. Kontrolle ................................................................... 14 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes ............ 15 2. Abschnitt Entwicklung des politischen Extremismus im Jahr 1999 1. Rechtsextremismus .................................................... 16 2. Linksextremismus ...................................................... 17 3. Ausländerextremismus ............................................... 17 4. Scientology-Organisation ........................................... 18 5. Haltung extremistischer Organisationen zum Kosovo-Konflikt ......................................................... 19 6. Graphische Darstellungen .......................................... 21 3. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines .............................................................. 23 1.1 Merkmale des Rechtsextremismus ............................. 23 1.2 Entwicklung der Organisationen ................................ 24 1.3 Rechtsextremistische Gewalt ...................................... 26 2. Parteien, Organisationen und Verlage ......................... 27 2.1 Die Republikaner (REP) .............................................. 27 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort ................................. 27 2.1.2 Interne Richtungskämpfe ........................................... 29 2.1.3 Organisation ............................................................. 31 2.1.4 Teilnahme an Wahlen ................................................ 31 2.1.5 Aktivitäten in Bayern ................................................. 32 Inhaltsverzeichnis 5 2.1.6 Verwaltungsgerichtsverfahren .................................... 33 2.2 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ...... 34 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort ................................ 34 2.2.2 Organisation ............................................................. 36 2.2.3 Teilnahme an Wahlen ................................................ 37 2.2.4 Sonstige Aktivitäten .................................................. 38 2.2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) ................................. 39 2.3 Deutsche Volksunion (DVU) ....................................... 42 2.3.1 Ideologisch-politischer Standort ................................ 42 2.3.2 Organisation ............................................................. 45 2.3.3 Teilnahme an Wahlen ................................................ 46 2.3.4 Bündnispolitik ........................................................... 47 2.3.5 Sonstige Aktivitäten .................................................. 47 2.4 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) ................ 48 2.5 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) ................. 49 2.6 Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V. .......................... 50 2.7 Freiheitlicher Volks Block (FVB) .................................. 51 2.8 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) 51 2.9 Nation Europa Verlag GmbH ..................................... 52 3. Organisationsunabhängiger Neonazismus .................. 53 3.1 Allgemeines .............................................................. 53 3.2 Autonome Kameradschaften ..................................... 55 3.2.1 Katakombenakademie des Friedhelm Busse ............... 55 3.2.2 Freizeitverein Isar 96 e.V. (FZV) .................................. 56 3.3 Informationelle Vernetzung ....................................... 56 3.4 Aktivitäten zum 12. Todestag von Rudolf Heß ............ 58 3.5 Strafverfahren ........................................................... 59 3.6 Skinheads ................................................................. 59 4. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten .................. 63 4.1 Gewalttaten .............................................................. 63 4.2 Sonstige Straftaten ................................................... 69 5. Revisionismus ............................................................ 70 5.1 Ziele .......................................................................... 70 5.2 Entwicklung und Träger der Revisionismus-Kampagne 71 6. Einfluss des ausländischen Rechtsextremismus ............ 73 6.1 Kontakte zur französischen Front National (FN) .......... 73 6.2 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 73 6 Inhaltsverzeichnis 7. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ..................................................... 75 4. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines .............................................................. 77 1.1 Merkmale des Linksextremismus ................................ 77 1.2 Entwicklung der Organisationen ................................ 78 1.3 Linksextremistische Gewalt ........................................ 80 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 80 2.1 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) ............. 81 2.1.1 Ideologische Ausrichtung .......................................... 81 2.1.2 Organisation ............................................................. 85 2.1.3 Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften .. 87 2.1.3.1 Kommunistische Plattform (KPF) ................................ 87 2.1.3.2 Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen in und bei der PDS .................................................... 88 2.1.3.3 Marxistisches Forum (MF) .......................................... 89 2.1.4 Jugendverband "'solid" ............................................. 90 2.1.5 PDS Landesverband Bayern ....................................... 90 2.1.6 Teilnahme an Wahlen ................................................ 92 2.1.7 Kommunistischer Internationalismus .......................... 93 2.1.8 Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten in Bayern 93 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ...................... 94 2.2.1 Ideologische Ausrichtung .......................................... 94 2.2.2 Organisation ............................................................. 95 2.2.3 Teilnahme an Wahlen ................................................ 96 2.2.4 Umfeld der DKP ........................................................ 96 2.2.4.1 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ........ 96 2.2.4.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) ........... 97 2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) .. 98 2.4 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) ..... 99 2.5 Marxistische Gruppe (MG) ......................................... 100 2.6 Münchner Bündnis gegen Rassismus ......................... 101 Inhaltsverzeichnis 7 3. Gewaltorientierte Linksextremisten ............................ 102 3.1 Autonome Gruppen .................................................. 102 3.1.1 Überblick .................................................................. 102 3.1.2 Ideologische Ausrichtung .......................................... 102 3.1.3 Strukturen ................................................................ 103 3.1.3.1 Autonome in Bayern ................................................. 103 3.1.3.2 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) .................................................................... 104 3.1.3.3 Antifa-Offensive 1999 ............................................... 106 3.1.4 Informationelle Vernetzung ....................................... 107 3.1.5 Autonome Publikationen ........................................... 108 3.1.6 Schwerpunktthemen und Aktionen ........................... 109 3.1.6.1 Antifaschischmus ....................................................... 110 3.1.6.2 Weitere Aktionen ...................................................... 112 3.1.6.3 Einflussnahme auf die Antikernkraftbewegung .......... 115 3.1.7 Ermittlungsverfahren .................................................. 115 3.2 Gewalttaten und sonstige Straftaten .......................... 116 3.3 Sozialrevolutionäre Tendenzen in Bayern ................... 118 3.4 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) ...................... 118 3.5 Rote Armee Fraktion (RAF) ........................................ 121 3.6 Revolutionäre Zellen (RZ) ........................................... 122 4. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ............... 124 5. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines .............................................................. 127 1.1 Merkmale des Ausländerextremismus ........................ 127 1.2 Entwicklung der Organisationen ................................ 127 1.3 Integrationsfeindlichkeit des islamischen Extremismus 129 1.4 Entwicklung der Gewalttaten .................................... 130 2. Türkische Gruppen .................................................... 132 2.1 Islamische Extremisten .............................................. 132 2.1.1 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) ............. 132 8 Inhaltsverzeichnis 2.1.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) ................................ 135 2.2 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) ................. 137 2.3 Linksextremisten ....................................................... 139 2.3.1 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) ............................. 139 2.3.2 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) ................................................................... 143 2.3.3 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 144 2.3.4 Plattform der Vereinten Revolutionären Kräfte (DBGP) 145 3. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) .................................. 145 3.1 Ideologie .................................................................. 145 3.2 Organisation ............................................................. 146 3.3 Reaktionen auf die Ergreifung und Verurteilung Öcalans 148 3.4 Strategie ................................................................... 149 3.5 Unterstützer der PKK ................................................ 151 3.6 Aktivitäten in Deutschland ........................................ 152 3.7 Gewalttaten und Straftaten in Bayern ......................... 154 3.8 Strafverfahren und Exekutivmaßnahmen ................... 156 4. Arabische Gruppen ................................................... 157 4.1 Muslimbruderschaft (MB) in der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) .................... 157 4.2 Islamische Heilsfront (FIS) - algerischer Zweig der MB - 158 4.3 Al-Gamaa Al-Islamiya (GI) ......................................... 158 4.4 Internationale Islamische Front .................................. 159 4.5 Hizb Allah (Partei Gottes) .......................................... 159 5. Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) ...................... 160 6. Volksbewegung von Kosovo (LPK) ............................. 161 7. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse ................................... 163 6. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) 1. Zur Geschichte der SO ............................................... 168 2. Ideologie und Aktivitäten .......................................... 171 2.1 Schriften der SO ........................................................ 171 Inhaltsverzeichnis 9 2.1.1 Errichtung einer scientologischen Gesellschaft ........... 172 2.1.2 Lenkung der Regierung durch Scientology ................. 173 2.1.3 Einführung eines scientologischen Rechtssystems ........ 173 2.1.4 Abwehr von Kritik an Lehre und Praxis/aggressive Expansionstechnik ..................................................... 174 2.1.4.1 Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung ..... 175 2.1.4.2 Kritikerbekämpfung mit Methoden des Mobbings ...... 175 2.2 Aktivitäten der SO ..................................................... 177 2.2.1 Angriffe auf Repräsentanten des Staats ..................... 177 2.2.2 Aktivitäten im Ausland .............................................. 178 2.2.3 Kampagne gegen Schutzerklärung ............................ 179 2.3 Bewertung der Schriften und Aktivitäten ................... 179 3. Organisationsund Kommandostruktur der SO .......... 180 3.1 Weltweite Kommandostruktur der SO ........................ 180 3.2 Organisation der SO in Deutschland .......................... 182 3.2.1 "Scientology Kirchen" (Church-Sektor).......................... 182 3.2.2 WISE-Sektor .............................................................. 183 3.2.3 ABLE-Sektor .............................................................. 184 3.2.4 Office of Special Affairs (OSA) ................................... 185 4. Mitglieder der SO ...................................................... 186 5. Veranstaltungen der SO ............................................. 186 5.1 IAS-Event in München ............................................... 186 5.2 Ausstellung "Was ist Scientology?" ............................ 186 5.3 Marathonlauf für Religionsfreiheit ............................. 186 5.4 Bundesweite Verteilaktion ......................................... 187 6. Verwaltungsgerichtsverfahren ................................... 187 7. Vertrauliches Telefon und Informationsangebot im Internet ................................................................ 188 7. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage ........................................................... 189 2. Nachrichtendienste der GUS ...................................... 189 3. Proliferation und illegaler Technologietransfer durch Krisenund Schwellenländer ............................. 190 10 Inhaltsverzeichnis 4. Aufklärung ausländischer Oppositioneller in Deutschland durch Nachrichtendienste ihrer totalitären Heimatstaaten .................................. 191 5. Spionage im Bereich der Kommunikationstechnik ...... 192 6. Ausblick .................................................................... 192 8. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Aufgabe des Verfassungsschutzes ............................. 193 2. Beobachtungsschwerpunkte ..................................... 193 3. Erfolge der bisherigen Arbeit und Ausblick ................ 197 Anhang Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) ....................... 199 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) ................ 207 Sachwortregister .................................................................... 209 Verfassungsschutz in Bayern 11 1. Abschnitt Verfassungsschutz in Bayern Die Bundesrepublik Deutschland ist nach ihrer Verfassung eine wertWehrhafte gebundene, wachsame und wehrhafte Demokratie. Der Staat kann Demokratie gegen Bestrebungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen, die in der Verfassung vorgesehenen Abwehrmittel einsetzen, z.B. durch ein Parteioder Vereinsverbot. Dies setzt voraus, dass er solche Bestrebungen oder Aktivitäten, die als "extremistisch" oder als "verfassungsfeindlich" bezeichnet werden - diese Begriffe sind gleichbedeutend -, rechtzeitig erkennen kann. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes ein. Er dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie dem Schutz des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter Freiheitliche der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Ordnung zu demokratische verstehen, die unter Ausschluss jeglicher Gewaltund WillkürherrGrundordnung schaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören mindestens: - die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, - die Volkssouveränität, - die Gewaltenteilung, - die Verantwortlichkeit der Regierung, - die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, - die Unabhängigkeit der Gerichte, - das Mehrparteienprinzip, - die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. 12 Verfassungsschutz in Bayern 1. Gesetzliche Grundlagen Rechtliche Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzGrundlagen lich genau festgelegt. Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt die von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben. Es ist zugleich Rechtsgrundlage für die Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz. Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Ländern eigene Verfassungsschutzgesetze. In Bayern regelt das im Anhang abgedruckte Bayerische Verfassungsschutzgesetz die Aufgaben und Befugnisse des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, das seinen Sitz in München hat und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnet ist. Für das Landesamt wurden im Haushaltsplan 1999 insgesamt 412 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter ausgewiesen; das Haushaltsvolumen 1999 betrug 38,5 Millionen DM. 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes BeobachtungsNach dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz hat das Landesamt auftrag für Verfassungsschutz im Wesentlichen den Auftrag, - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, - sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (Sabotage und Spionage), - Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und - Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität zu beobachten. Darüber hinaus wirkt das Landesamt für Verfassungsschutz u.a. bei Sicherheitsüberprüfungen mit. Rechtsgrundlage hierfür ist das Bayerische Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Im Mittelpunkt der Beobachtung stehen Aktivitäten von extremistischen Organisationen. Dazu müssen zwangsläufig auch die Mitglie- Verfassungsschutz in Bayern 13 der und Unterstützer erfasst werden. Aber auch die Beobachtung von Einzelpersonen ist zulässig. Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland. Er informiert die politisch Verantwortlichen und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Beobachtung, vor allem über mögliche Gefahren. Er versetzt die zuständigen staatlichen Stellen des Bundes und der Länder in die Lage, verfassungsfeindlichen Kräften rechtzeitig und angemessen zu begegnen. Die Erkenntnisse bilden die Grundlage für Exekutivmaßnahmen wie beispielsweise Verbote von Vereinen, Verbotsanträge gegen Parteien, Verbote von Versammlungen, Verhinderung finanzieller oder sonstiger Förderung, Verweigerung erforderlicher Erlaubnisse (z.B. für Sammlungen, Info-Stände). Im Gegensatz zum Verfassungsschutz beschafft der BundesnachrichAbgrenzung zu tendienst (BND) Informationen über das Ausland, die für die BundesBND und MAD republik Deutschland außenund sicherheitspolitisch von Interesse sind. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) nimmt Verfassungsschutzaufgaben im Bereich der Bundeswehr wahr. 3. Informationsbeschaffung Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz verpflichtet, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil aus offenen Quellen gewonnen (z.B. aus Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern, Programmen, Broschüren und sonstigem Material extremistischer Organisationen sowie bei deren öffentlichen Veranstaltungen). Nur etwa 20% der Informationen erhält der Verfassungsschutz durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel. Zu diesen Mitteln Nachrichtengehören im Wesentlichen: dienstliche Mittel - der Einsatz von verdeckt arbeitenden V-Leuten ("V" steht für "Vertrauen") in extremistischen Organisationen, - das Beobachten verdächtiger Personen (Observation) sowie - verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen. Eingriffe in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis (Öffnen von Briefen, Abhören von Telefongesprächen) sind besonders strengen rechtsstaatlichen Anforderungen unterworfen. Sie sind in einem 14 Verfassungsschutz in Bayern Briefund eigenen Gesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des Brief-, PostTelefonkontrolle und Fernmeldegeheimnisses "Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz" (G 10) genannt wird. Ein Verfahren mit mehreren voneinander unabhängigen Kontrollinstanzen stellt sicher, dass in dieses Grundrecht nur eingegriffen wird, wenn die im Gesetz genannten besonderen Gründe vorliegen. Rechtsstaatliche Sicherungen gelten auch für den Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes, also für den Einsatz von Abhörgeräten oder versteckten Kameras in Wohnungen und Büros. Keine polizeiDem Verfassungsschutz stehen keine polizeilichen Befugnisse zu. lichen Befugnisse Polizeibehörden und Verfassungsschutz sind voneinander getrennt. Deshalb dürfen die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes keinerlei Zwangsmaßnahmen, wie z.B. Festnahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen usw., durchführen. Verfassungsschutzbehörden dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Dies steht aber einer informationellen Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung nicht entgegen. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Sicherheitsbehörde unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 4. Kontrolle Vielfältige Die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden unterliegt einer vielfälKontrollen tigen Kontrolle. Dazu gehört die allgemeine parlamentarische Kontrolle, die durch die Berichtspflicht des verantwortlichen Ministers gegenüber dem Landtag im Rahmen von aktuellen Stunden, Anfragen von Abgeordneten, Petitionen usw. ausgeübt wird. Eine besondere Kommission des Bayerischen Landtags, die Parlamentarische Kontrollkommission*, überwacht die Arbeit des Verfassungsschutzes. Die G 10-Kommission überprüft die Maßnahmen zur Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs. Die Verwaltungskontrolle obliegt dem Innenminister im Rahmen der Dienstund Fachaufsicht, ferner dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz und dem Bayerischen Obersten Rechnungshof. Diese Kontrollen werden * Die Aufgaben der Parlamentarischen Kontrollkommission werden zum 1. April 2000 durch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bayerischen Landtags übernommen. Verfassungsschutz in Bayern 15 ergänzt durch eine mögliche gerichtliche Nachprüfung belastender Einzelmaßnahmen sowie durch die Öffentlichkeit in Form von Presse, Funk und Fernsehen. 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann auf Dauer nicht Aufklärungsohne die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus tätigkeit gesichert werden. Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes gewährleistet, dass Regierung und Parlament, aber auch die Bürger über Aktivitäten und Absichten verfassungsfeindlicher Organisationen informiert werden. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes werden der Verfassungsschutzbericht sowie weitere Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Das Informationsmaterial erhalten Sie kostenlos beim Bayerischen Staatsministerium des Innern - Sachgebiet Verfassungsschutz -, Odeonsplatz 3, 80539 München (Telefax: 0 89/2 19 21 28 42). Einige Materialien, insbesondere der jährliche Verfassungsschutzbericht und auch Informationen zur Scientology-Organisation, sind zusätzlich im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.innenministerium.bayern.de 16 Entwicklung des politischen Extremismus 2. Abschnitt Entwicklung des politischen Extremismus im Jahr 1999 1. Rechtsextremismus Der organisierte Rechtsextremismus wird von den Parteien Die Republikaner (REP), Deutsche Volksunion (DVU) und Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) geprägt. Sie nutzten vor allem aktuelle politische Fragen und Probleme, etwa den Kosovo-Konflikt, die Staatsangehörigkeitsdebatte und die Arbeitslosigkeit für ihre Wahlkampfagitation im Wahljahr 1999. Durch die Verknüpfung dieser Themen mit nationalistischen Aussagen suchten sie Erfolge bei Wahlen. Die Stagnation bei Wahlergebnisse blieben jedoch bei allen drei Parteien wie in der Verden Parteien gangenheit weit hinter ihren Erwartungen zurück; lediglich die DVU konnte in Bremen und Brandenburg beachtliche Stimmengewinne erzielen. Sie ist mittlerweile in drei Landesparlamenten vertreten. Die Aufwärtsentwicklung der NPD seit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Udo Voigt im März 1996 hat sich trotz kontinuierlicher Bemühungen, Neonazis und Skinheads einzubinden, nicht fortgesetzt; mittlerweile stagniert die Mitgliederzahl der NPD auch in den neuen Ländern. Bei Wahlen blieb die Partei erfolglos. Die zahlreichen Wahlniederlagen der REP führten zu einer Fortführung des innerparteilichen Streits über das Verhältnis zu anderen rechtsextremistischen Parteien. An die schon im vergangenen Jahr getroffene Absprache mit der DVU, bei Wahlen nicht gegeneinander anzutreten, hielten sich die REP. Dies belegt, dass sie nach ihrem eigenen Verständnis weiterhin aus einem dem Rechtsextremismus verbundenen Wählerpotenzial schöpfen wollen. Die organisierte neonazistische Szene in Bayern zeigt wie bisher nur geringe Aktivitäten. Die Zahl der von Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads gegen Ausländer, Farbige, "Linke" und andere Zunahme der Feindbilder verübten Gewalttaten ist dagegen gestiegen. Ihr Hass Gewalttaten gegen Ausländer forderte in Bayern ein Todesopfer. Die Anzahl sonstiger Straftaten, insbesondere der Propagandadelikte, blieb auf hohem Niveau weitgehend konstant. Entwicklung des politischen Extremismus 17 2. Linksextremismus Die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) konnte zahlreiche Wahlerfolge Wahlerfolge erzielen. Mit bundesweit 5,8 % der Wählerstimmen der PDS erreichte sie am 13. Juni erstmals den Einzug in das Europäische Parlament. Unter Vorsitz der stellvertretenden Parteivorsitzenden Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann gehören insgesamt sechs PDS-Abgeordnete dem neugewählten Parlament an, unter ihnen der PDS-Ehrenvorsitzende Dr. Hans Modrow. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen erzielte die Partei deutliche Stimmengewinne; in Thüringen und Sachsen wurde sie jeweils zweitstärkste Partei. Erstmals seit Januar 1995 wurde mit Prof. Dr. Michael Benjamin - er erhielt 38,75 % der Delegiertenstimmen bei den Wahlen anlässlich des Parteitags - wieder ein Vertreter der Kommunistischen Plattform (KPF) der PDS in den Parteivorstand gewählt. Die Partei zeigt damit, dass sie an den ideologischen Grundlagen des Kommunismus festhält. Mit der Gründung des PDS-nahen Jugendverbands "'solid" wird nach Wegen für eine bessere Einbindung der Jugend in die PDS gesucht. Nach wie vor unterhält die PDS Kontakte zu fast allen anderen linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Gruppierungen sowie zu gewaltbereiten Autonomen und arbeitet mit ihnen zusammen. Das linksextremistische Gewaltpotenzial wird zu 80 % von Gruppen und Einzeltätern aus dem autonomen und anarchistischen Spektrum gestellt. Ihre Aktionen richten sich insbesondere gegen tatsächliche Gewaltorientierte oder vermeintliche Rechtsextremisten im Rahmen des Antifa-KampAntifa fes. Ihr eigentliches Angriffsziel ist jedoch der demokratische Staat, der die Freiheit Andersdenkender zu schützen hat und sich in Form der Polizei und anderer Sicherheitskräfte als "Repressionsapparat" der gewaltsamen Verfolgung ihrer kommunistischen und anarchistischen Ziele entgegenstellt. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten ist gleich geblieben. 3. Ausländerextremismus In der ersten Jahreshälfte stellte die Gewaltbereitschaft der ArbeiterGewaltbereitpartei Kurdistans (PKK) eine erhebliche Bedrohung der Inneren schaft der PKK Sicherheit in Deutschland dar. Dies wurde insbesondere Mitte Februar nach der Ergreifung des PKK-Generalvorsitzenden Abdullah Öcalan in 18 Entwicklung des politischen Extremismus Kenia deutlich, als PKK-Anhänger bei europaweit koordinierten Protestaktionen teilweise mit erheblicher Brutalität vorgingen. Das Ende Juni von einem türkischen Staatssicherheitsgericht gegen Öcalan verhängte Todesurteil löste bei seinen Gefolgsleuten eine neue, wenn auch geringere Welle der Gewalt aus. Mittlerweile hat sich die Lage wieder beruhigt. Die derzeit von der PKK demonstrierte Haltung als politisch "kämpfende" Bewegung dürfte zumindest bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Vollstreckung des Urteils anhalten. Die Beschlüsse des "Präsidialrats" der PKK vom Januar 2000, sich künftig nur noch um eine politische Lösung der Kurdenfrage zu bemühen, setzen die nach der Inhaftierung Öcalans eingeleitete Trendwende fort. Der Beweis der Ernsthaftigkeit auf Dauer steht noch aus. IntegrationsIm Vergleich zur aktuellen Bedrohung der Inneren Sicherheit durch feindlicher islamimilitante türkische Linksextremisten bedeutet der islamische Fundascher Fundamenmentalismus eine zwar weniger spektakuläre, langfristig aber größetalismus re Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, insbesondere im Hinblick auf seine weltweiten Expansionsbestrebungen. Zu ihm bekennen sich in Bayern neben wenigen Angehörigen arabischer Gruppen vor allem etwa 5.000 Mitglieder der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG). Zwar ist diese ständig bemüht, extremistische Aussagen zu vermeiden. Ein Kurswechsel lässt sich daraus aber nicht ableiten. Ihr Fernziel bleibt die Islamisierung Europas und die Bildung einer weltweiten Union islamischer Staaten. Der islamische Fundamentalismus ist extrem integrationsfeindlich, da er auf die Errichtung einer separaten islamischen Gesellschaft abstellt. In seinen extremen Formen ist er äußerst gewaltbereit, wie die jährlichen grausamen Massaker in Algerien zeigen. Der Kosovo-Konflikt motivierte Serben und Kosovo-Albaner in Deutschland zu zahlreichen Demonstrationen und Spendenaktionen. Trotz massiver Drohungen sind größere Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Volksgruppen ausgeblieben. Deutliche Die Zahl der Gewalttaten ausländischer Extremisten, insbesondere Zunahme der von PKK-Anhängern, hat im Vergleich zum Vorjahr erheblich zugeGewalttaten nommen. 4. Scientology-Organisation Die Scientology-Organisation (SO) in Deutschland verfolgt nach übereinstimmender Auffassung der Verfassungsschutzbehörden des Bun- Entwicklung des politischen Extremismus 19 des und der Länder verfassungsfeindliche Ziele. Scientology will die Missachtung der Staaten der Welt letztlich nach eigenen Regeln beherrschen und Grundprinzipien regieren. Diese Regeln missachten nicht nur die Grundprinzipien der unserer Verfassung freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie Gewaltenteilung, Rechtsstaatsprinzip und Demokratieprinzip, sondern sie würden auch zu einer massiven Beeinträchtigung der Menschenrechte führen, da Nicht-Scientologen im Rechtssystem der SO rechtlos wären. Scientology versuchte auch 1999, die Aufklärungsund Abwehrmaßnahmen des Staats zu diffamieren und mit der Verfolgung der Juden im Dritten Reich gleichzusetzen, jedoch stoßen diese Aktionen in der internationalen Öffentlichkeit wie bereits 1998 auf zunehmende Ablehnung. 5. Haltung extremistischer Organisationen zum Kosovo-Konflikt Der militärische Einsatz der NATO im Kosovo-Konflikt zur Unterbindung der "ethnischen Säuberungen" durch serbische Einheiten im Kosovo wurde von nahezu allen extremistischen Gruppen in Deutschland abgelehnt. Nach dem Rückzug der jugoslawischen Truppen und Sondereinheiten sowie dem Einmarsch der mit einem Mandat der UN versehenen KFOR-Friedenstruppen gefährdet der Kosovo-Konflikt die Sicherheitslage in Deutschland nicht mehr. Nach Auffassung der deutschen Rechtsextremisten bewiesen die Rechtsextremisten Militärschläge im Kosovo gegen Serbien den imperialen Machtanspruch der USA. Die deutsche Beteiligung habe klar gemacht, dass die Bundesrepublik lediglich den Status eines "Vasallenstaats" besitze, der nach wie vor dem Besatzungsrecht der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs unterliege. Für viele Rechtsextremisten war es zudem verwerflich, die Gesundheit auch nur eines einzigen deutschen Soldaten zu riskieren, um die Menschenrechte von Angehörigen fremder Völker zu verteidigen. Die REP, die NPD und die DVU kritisierten in ihren Stellungnahmen die deutsche Beteiligung am "Angriffskrieg" der NATO gegen Serbien als "Verbrechen", Verletzung des Völkerrechts und verfassungswidrigen Verstoß gegen Art. 26 des Grundgesetzes. Linksextremisten nahmen den Kosovo-Konflikt zum Anlass, sich Linksextremisten innenund außenpolitisch als angebliche Kriegsgegner zu profilieren. Damit versuchten sie, an die frühere Friedensbewegung anzuknüpfen und pazifistisch orientierte Personen zu gewinnen. Die PDS war 20 Entwicklung des politischen Extremismus bestrebt, mit verschiedenen internationalen Initiativen die Agitation gegen einen Einsatz von NATO-Streitkräften zu verstärken. Der Vorsitzende der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag Dr. Gregor Gysi traf sich am 14. April in Belgrad mit dem jugoslawischen Staatspräsidenten Slobodan Milosevic. Der Vorsitzende der DKP Heinz Stehr und der Vorsitzende der jugoslawischen Kommunisten Goran Latinovi forderten in einer gemeinsamen Erklärung vom 31. März alle "demokratischen Kräfte" zum entschlossenen Widerstand gegen den amerikanischen Imperialismus, gegen Hegemonismus und Faschismus auf. Der Angriff auf Jugoslawien sei brutale Gewalt zur Herstellung der amerikanischen Dominanz über Menschen und Völker. Auch Angehörige der autonomen Szene agitierten gegen die NATO und die sich ausbreitende "imperialistische Vorherrschaft". Geringe BedeuDie Bedrohung der Inneren Sicherheit durch die in Deutschland tung für die lebenden etwa 320.000 Kosovo-Albaner war überraschend gering. Innere Sicherheit Mit Beginn der NATO-Intervention in Jugoslawien am 23. März rief die linksextremistische Volksbewegung von Kosovo (LPK) verstärkt zur Unterstützung der im Kosovo operierenden Befreiungsarmee von Kosovo (UCK) durch Spenden auf. Sie forderte auch männliche Kosovo-Albaner dazu auf, sich im Kosovo am Kampf zu beteiligen. In Versammlungen und Demonstrationen bekundeten Kosovo-Albaner ihre Zustimmung zum NATO-Einsatz gegen Jugoslawien. Schwerwiegende Straftaten gegen Serben bzw. serbische Einrichtungen waren in Bayern nicht zu verzeichnen. Vereinzelt kam es anlässlich serbischer Demonstrationen zu verbalen Auseinandersetzungen. In Deutschland und mehreren europäischen Hauptstädten demonstrierten zehntausende Serben gegen den NATO-Einsatz. Die erste serbische Demonstration noch vor dem Eingreifen der NATO fand am 13. März auf Initiative des Jugoslawischen Generalkonsulats in München statt. Daneben beteiligten sich viele Serben an den von deutschen Linksextremisten initiierten Protestkundgebungen. Die verfeindeten Gruppen der Kosovo-Albaner und Serben verhielten sich in Deutschland während des Kosovo-Konfliktes weitgehend friedlich. Vereinzelt kam es zu anonymen Bombendrohungen und Drohschreiben. Damit versuchten Anhänger der Serben, eine entsprechende Drohkulisse zu errichten mit dem Ziel, die Bevölkerung und auch die Bundesregierung zu verunsichern. Die angekündigten Gewalttaten blieben indes aus. Gerüchte, wonach mit dem albanischen Flüchtlingsstrom auch Serben mit terroristischer Ausbildung nach Deutschland gekommen seien, wurden nicht bestätigt. Entwicklung des politischen Extremismus 21 6. Graphische Darstellungen Die Entwicklung der Zahlen der Anhänger extremistischer Bestrebungen sowie der politisch motivierten Gewalttaten ist den folgenden Graphiken zu entnehmen. Entwicklung Rechtsextremisten* Linksextremisten** der MitgliederAusländische Extremisten zahlen extremisMitglieder Scientology Organisation Deutschland*** tischer Organi80.000 sationen 60.000 59.700 49.350 51.400* 40.000 34.500 34.200** 32.300 20.000 Deutschland 10.000 5.500*** 0 1990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 * Die Republikaner 1994 erstmals erfasst. ** Die Kurve beruht auf Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz, das von Mitgliedern der PDS nur die der Kommunistischen Plattform (KPF) erfasst. Die PDS Deutschland hatte 1999 insgesamt 94.000 Mitglieder, davon 2.000 in der KPF. *** Scientology-Organisation 1998 erstmals konkret erfasst; Angaben für die Vorjahre geschätzt. Rechtsextremisten* Linksextremisten Ausländische Extremisten Mitglieder Scientology Organisation Deutschland** 12.000 10.400 10.000 8.000 7.020 7.970* 6.000 5.040 4.830 4.000 4.010 3.000 2.600** 2.000 Bayern 0 1990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 * Die Republikaner 1994 erstmals erfasst. ** Scientology-Organisation 1998 erstmals konkret erfasst; Angaben für die Vorjahre geschätzt. 22 Entwicklung des politischen Extremismus Entwicklung 1997 1998 1999 politisch 900 833 motivierter 790 783 Gewalttaten 800 746 in Deutschland 711 708 700 600 500 391 400 314 300 258 200 100 0 linksextremistisch rechtsextremistisch Gewalttaten durch motivierte motivierte ausländische Gewalttaten Gewalttaten Extremisten Entwicklung politisch 1997 1998 1999 motivierter Gewalttaten 60 56 in Bayern 50 39 40 40 30 25 25 19 20 20 16 10 8 0 linksextremistisch rechtsextremistisch Gewalttaten durch motivierte motivierte ausländische Gewalttaten Gewalttaten Extremisten Jede gewaltsame Aktion wird nur einmal erfasst, auch wenn sie aus mehreren Einzeltaten besteht. Dies gilt z.B. für mehrere Delikte bei den Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten am 7. Februar und 26. September 1998 in Passau. Rechtsextremismus 23 3. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus weist keine gefestigte einheitliche Ideologie Ablehnung der auf. Die Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen in Grundlagen der Deutschland sind im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass sie Demokratie die Grundlagen der Demokratie ablehnen und statt dessen - aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt - eine totalitäre Regierungsform unter Einschluss des Führerprinzips anstreben, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist. Bestimmende Merkmale des organisierten Rechtsextremismus sind vor allem - die pauschale Überbewertung der Interessen der "VolksgemeinKollektivismus schaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die zu einer Aushöhlung der Grundrechte führt (völkischer Kollektivismus), - ein den Gedanken der Völkerverständigung missachtender NatioNationalismus nalismus, - die offene oder verdeckte Wiederbelebung rassistischer Thesen, Rassismus unter anderem des Antisemitismus, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, - immer wiederkehrende Versuche, die nationalsozialistische GewaltRelativierung des herrschaft unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des NS-Unrechts Dritten Reichs zu rechtfertigen, die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige VerunVerunglimpfung glimpfung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten. der Demokratie Ziel dieser Angriffe ist es, die eigene Organisation und ihre Repräsentanten als die alleinigen Wahrer der Interessen von Staat und Bürgern 24 Rechtsextremismus darzustellen, was im Ergebnis auf die Ablehnung des Mehrparteienprinzips und des Rechts auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition hinausläuft. Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen Rechtsextremisten zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Strategie des Kampfes gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. Sozialpolitische Seit 1996 treten in der Propaganda von Rechtsextremisten sozialund Themen wirtschaftspolitische Themen zunehmend in den Vordergrund. Durch Verknüpfung sozialer Problemfelder mit rechtsextremistischen Theorie-Elementen hoffen Rechtsextremisten, aus der hohen Arbeitslosigkeit und den Fragen der Bevölkerung zur Finanzierung der Renten Kapital schlagen zu können und in der politischen Auseinandersetzung akzeptiert zu werden. Teile des rechtsextremistischen Spektrums bedienen sich immer offensiver des "Antikapitalismus". Sie propagieren einen "volksbezogenen Sozialismus" mit dem Ziel, in das PDS-Wählerpotenzial einzudringen. Antiamerikanismus Organisierte und unorganisierte Rechtsextremisten sind sich einig in der Ablehnung der "One-World-Ideologie" der Weltmacht USA. Ihr lagerübergreifendes, im Antiamerikanismus begründetes Feindbild ist die westliche Werteordnung. Sie empfinden diese als wesensfremd, da sie den Deutschen von der "amerikanischen Fremdherrschaft" aufgezwungen worden sei. Dementsprechend nahmen Rechtsextremisten aller Schattierungen die Intervention der NATO im Kosovo-Konflikt zum Anlass, gegen die "Oneworld-Mafia" sowie die "selbst ernannte amerikanische Weltpolizei" zu agitieren und die deutsche Beteiligung am "Angriffskrieg" der NATO zu verurteilen. 1.2 Entwicklung der Organisationen Die Entwicklung der Zahl rechtsextremistischer Organisationen in Bayern und deren jeweilige Mitgliederstärke ist aus den nachfolgenden Übersichten zu ersehen. Bei erkannten Mehrfachmitgliedschaften wurde die Person nur bei einer Organisation mitgezählt. Die REP sind in Bayern wie im Vorjahr trotz rückläufiger Mitgliederzahlen die personell größte Partei mit rechtsextremistischer Zielsetzung. Einen leichten Mitgliederzuwachs hatte nur die NPD aufgrund des Zulaufs von rechtsextremistischen Skinheads und Neonazis zu verzeichnen. Rechtsextremismus 25 Zahl und Mit1997 1998 1999 gliederstärke rechtsextremisAnzahl der Organisationen 25 27 30 tischer Organisationen in Mitgliederstärken Bayern Die Republikaner (REP) 4.300 4.300 4.200 NPD mit JN und NHB 740 870 950 DVU* 1.800 2.000 1.800 Neonazistische Organisationen 130 110 60 Sonstige Organisationen 250 250 250 7.220 7.530 7.260 Neonazistische Einzelaktivisten 80 70 60 Rechtsextremistische Skinheads 600 600 650 Rechtsextremisten insgesamt 7.900 8.200 7.970 * Die Zahlen umfassen die Mitglieder der Partei und des gleichnamigen Vereins. Mitglieder 70.000 Deutschland * 60.000 51.400 50.000 40.000 30.000 32.300 20.000 Bayern * 10.000 7.970 5.040 0 1990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 * Republikaner 1994 erstmals erfasst. 26 Rechtsextremismus Teilnahme an Bei Wahlen blieben die rechtsextremistischen Parteien im Allgemeinen Wahlen erfolglos. Eine Ausnahme bildete die DVU, die bei der Landtagsbzw. Senatswahl in Brandenburg und Bremen in die dortigen Parlamente einzog. Mit den dabei erreichten Stimmenanteilen von 5,3 % bzw. 3,0 % verfehlte sie indes deutlich ihr Ziel, an das Ergebnis der Landtagswahl 1998 in Sachsen-Anhalt anzuknüpfen, wo sie 12,9 % der Stimmen erhalten hatte. BündnisEin formelles Bündnis zwischen rechtsextremistischen Parteien kam bemühungen auch 1999 nicht zustande. Die Absprache von REP und DVU, im Interesse der Bündelung der Kräfte bei Wahlen möglichst nicht gegeneinander anzutreten, blieb aber bestehen. Die NPD richtet ihre Parteiarbeit auf Eigenständigkeit aus. Sowohl die Führung der REP als auch der DVU lehnt die NPD als Bündnispartnerin ab. Die Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH), die "patriotische" Gruppierungen und Parteien unter einem Dach zusammenführen möchte, besitzt nur geringen Einfluss. Stagnierender Der weitgehend inaktive organisierte Neonazismus sucht nach einem Neonazismus Konzept zur Überwindung der eigenen politischen Isolation und Ohnmacht. Sozialistische Ideologiemerkmale werden wieder stärker betont. Die Skinhead-Szene ist strukturell nicht gefestigt, die Zahl ihrer Anhänger aber gestiegen. 1.3 Rechtsextremistische Gewalt Zunahme der Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten in Deutschland Gewalttaten ist mit 746 gegenüber 708 im Jahr 1998 gestiegen. In Bayern stieg die Zahl der Gewalttaten auf 56 (1998: 40). Im Vergleich der Bundesländer liegt Bayern unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahl im unteren Bereich. Die Gewalttäter waren zu über 90 % Skinheads. Tötungsdelikt Erstmals seit 1988 forderte eine rechtsextremistisch motivierte in Bayern Gewalttat in Bayern wieder ein Todesopfer. Am 29. September erlag ein 35-jähriger Mosambikaner den Folgen der schweren Verletzungen, die ihm ein 31-jähriger Deutscher am 15. August vor einem Lokal in Kolbermoor, Landkreis Rosenheim, zugefügt hatte. Der Täter hatte das Opfer im Verlauf von Streitigkeiten, an denen noch andere Personen beteiligt waren, aus fremdenfeindlichen Motiven heraus angegriffen und mit Faustschlägen und Fußtritten erheblich verletzt. Rechtsextremismus 27 Führende Vertreter des organisierten Rechtsextremismus lehnen - zum Teil aus taktischen Gründen - die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele nach wie vor ab. Zunehmend wird aber ein Widerstandsrecht gegenüber dem "System" und ein Recht zur völkischen Notwehr gefordert. Ein gewaltbereites Gefahrenpotenzial ist bei Einzeltätern und meist jugendlichen Angehörigen Gefahrenpotenzial der Skinhead-Szene vorhanden. Auch 1999 wurden Gewalttaten nur in Ausnahmefällen zielgerichtet geplant. Die in Bayern bekannt gewordenen Gewalttaten mit rechtsextremistischer Motivation wurden überwiegend von Skinheads gegen deren Feindbilder (Ausländer, Aussiedler, "Linke") spontan verübt, wobei in vielen Fällen Alkoholgenuss eine Rolle spielte. Für die Existenz von Wehrsportgruppen in Bayern gibt es ebenso wie für rechtsterroristische Strukturen derzeit keine Anhaltspunkte. 2. Parteien, Organisationen und Verlage 2.1 Die Republikaner (REP) Deutschland Bayern Mitglieder: 14.000 4.200 Vorsitzender: Dr. Rolf Schlierer Johann Gärtner Gründung: 1983 Sitz: Berlin Publikation: Der neue Republikaner 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort In den öffentlichen Verlautbarungen der REP wurden auch 1999 Aussagen mit eindeutig rechtsextremistischer Zielsetzung weitgehend vermieden. Äußerungen der Partei lassen aber immer wieder einen übersteigerten Nationalismus, verbunden mit Feindschaft gegen Nationalismus fremde Staaten und Minderheiten, erkennen. So forderte das Parteiorgan eine "Politik für Deutsche" und "Schluss mit der Zahlmeisterrolle Deutschlands für Europa": "Solange die deutschen Politiker von rot-grün bis schwarz im Büßerhemd alle Flüchtlinge in Deutschland begrüßen wollen, bleibt der deutsche Steuerzahler der Dumme, der als Esel in Europa alle Lasten tragen und dafür tief in die Tasche greifen darf." (Der neue Republikaner Ausgabe 4-5/1999, Seite 1) 28 Rechtsextremismus Der Bundesvorsitzende Dr. Rolf Schlierer erklärte unter dem Titel "Bürgerkrieg in Deutschland": "Wir sind nicht mehr Herr im eigenen Land. Zuwanderer, die wir nicht gerufen haben, haben Deutschland zum Bürgerkriegsland gemacht. Wer FremdenMulti-Kulti sät, wird Bürgerkrieg ernten! ... Sie alle tragen Schuld: feindlichkeit CDU/CSU und FDP, die mit Öcalan ein Stillhalteabkommen schlossen und ihm erlaubten, Deutschland als Basis für seine Untergrundarmee aufzubauen. ... Und dann die groteske Idee, zehntausende kleiner Öcalans in unserem Land per Doppelpass auch noch dauerhaft einzubürgern. Damit wäre das Kurdenproblem endlich eine innerdeutsche Angelegenheit. Durch ihre Feigheit und Realitätsverweigerung haben die Altparteien uns diesen Bürgerkrieg ins Haus geholt. Die Humanitätsduselei der FriedeFreude-Eierkuchen-Apostel macht Deutschland schrittweise unregierbar." (Der neue Republikaner Ausgabe 1-2/1999, Seite 1) Dr. Schlierer sprach sich auch gegen die Aufnahme von Kosovo-Flüchtlingen in Deutschland aus: "Wer kosovo-albanische Flüchtlinge fern von ihrer Heimat in Deutschland unterbringt, macht sich zum Komplizen der ethnischen Säuberung durch die Serben." In einem Flugblatt behauptete der REP-Landesverband Bayern: "Die neue Regierung tauscht kaltblütig das eigene Volk aus, von dem sie sich eben noch hat wählen lassen. Das deutsche Staatsvolk wird Schritt für Schritt durch eine multikulturelle Mischbevölkerung ersetzt." Hinsichtlich der CDU/CSU-Unterschriftenaktion zur doppelten Staatsangehörigkeit unterstellten Dr. Schlierer und der REP-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Christian Käs, der Union heuchlerische Motive. Die Union habe zusammen mit der FDP die Ausländer ins Land geholt, die die Bonner Koalition aus SPD und Grünen nun einbürgern wolle. Dennoch könne die Aktion den Rechten nur nützen, da sie den Positionen der REP zur Ausländerpolitik eine breitere Plattform in der Öffentlichkeit verschaffe. Die REP warben erneut mit eigenen Aktionen für einen "konsequenten Stopp der andauernden Masseneinwanderung". Diffamierung Teile der REP verunglimpfen ferner planmäßig die bestehende Staatsdemokratischer form und ihre Repräsentanten. So diffamierte der REP-Kreisverband Institutionen Kempten/Oberallgäu demokratische Parteien in einem Schreiben vom Rechtsextremismus 29 12. Juli an den bayerischen Innenminister als "schwarzfaschistische" Organisationen, die durch Verleumdungen ihre eigenen "perversen Machtansprüche" sicherten. Darüber hinaus waren erneut Verstöße von Funktionären und MitAushöhlung gliedern gegen den von der REP-Bundesführung offiziell vertretenen des offiziellen Abgrenzungskurs festzustellen, der eine Zusammenarbeit mit andeAbgrenzungsren Rechtsextremisten formell untersagt, aber offenbar selbst von der kurses Parteispitze nicht mehr ernst genommen wird. Mitte Februar lehnte der REP-Bundesvorstand nur mit knapper Mehrheit eine Listenverbindung mit der DVU bei Wahlen ab. Dies zeigt, dass viele Funktionäre nach wie vor für eine enge Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten eintreten. So äußerte der Vorsitzende des REP-Kreisverbands Bergstraße/Hessen in einem Gespräch mit dem NPD-Organ: "Eine Zusammenarbeit auch mit der NPD ist nicht nur sinnvoll, sondern überlebenswichtig für alle nationalen und demokratischen Kräfte aus dem sogenannten 'rechten Lager'." (Deutsche Stimme Nummer 11/1999, Seite 10): Diese Haltung ist kein Einzelfall. Bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg am 24. Oktober kandidierten in Karlsruhe vier Mitglieder der NPD auf der Liste der REP. Der Spitzenkandidat der Karlsruher REP erklärte zur Parteizugehörigkeit dieser vier Kandidaten am 20. Oktober gegenüber den Medien: "Für mich persönlich spielt das keine Rolle, das sind Bürger von Karlsruhe. Wer sich zur Wahl stellt und möglicherweise gewählt wird, vertritt die Bürger von Karlsruhe." 2.1.2 Interne Richtungskämpfe Der Parteivorsitzende und der Landesverband Bayern waren weiterhin darauf bedacht, die REP als demokratische Partei darzustellen. Ungeachtet der Anstrengungen der REP-Führung, nach außen hin Interne Kritik am Geschlossenheit zu zeigen, mehrten sich aber in der Partei die Stimoffiziellen Kurs men, die den Kurs Dr. Schlierers kritisierten und einen Richtungswechsel verlangten. Erneut zeigte sich, dass zumindest Teile der Partei ein Ende des Abgrenzungskurses fordern und Schlierers Strategie und Taktik, aber auch seiner Person zunehmend kritisch gegenüberstehen. 30 Rechtsextremismus Wohl als Reaktion auf das schlechte Ergebnis (1,7 %) bei der Europawahl am 13. Juni forderte der REP-Kreisverband Odenwald/Hessen in Rücktrittseiner öffentlichen Erklärung den sofortigen Rücktritt Dr. Schlierers. forderungen Die Partei sei in einem desolaten Zustand. Schuld an der Erfolglosigkeit habe die Parteiführung mit ihrer verfehlten Politik. Notwendig sei ein Zusammenschluss aller nationalen demokratischen Kräfte. Gegenüber den "Stuttgarter Nachrichten" räumte der REP-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Christian Käs, Unruhe in der Partei ein: "Einige sagen, so kann es nicht weitergehen." Dr. Schlierer bestritt ein "Gären" in der Partei. Die Rücktrittsforderung sei eine südhessische Einzelmeinung, im Vorstand oder einer größeren Gruppe sei das kein Thema. Käs tritt schon seit längerer Zeit für eine stärkere Akzentuierung und für eine Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten ein. Weitere Wahlniederlagen verstärkten in Teilen der Partei die Unzufriedenheit mit dem Kurs der Parteiführung. Die Kreistagsfraktion Waldeck-Frankenberg/Hessen beklagte die lähmende Resignation der Partei. Der Kreisverband Fürstenfeldbruck trat für eine Kurskorrektur ein. Nach einer Pressemitteilung des REP-Kreisverbands Bergstraße/Hessen vom 8. November forderte die Versammlung der Vorsitzenden aller hessischen Kreisverbände anlässlich ihrer Sitzung am 6. November in Bad Nauheim Dr. Schlierer sowie den gesamten Bundesvorstand der REP auf, wegen der katastrophalen Wahlergebnisse der letzten Jahre zurückzutreten. Die Versammlung verurteilte die Abgrenzung gegenüber anderen Patrioten und die "Wohlverhaltenspolitik" gegenüber den "Etablierten". Es müsse sofort ein Sonderparteitag mit dem Ziel der personellen Erneuerung und des Wiederaufbaus der REP einberufen werden. Der Vorsitzende des REP-Kreisverbands Bergstraße/Hessen, der zuvor eine Zusammenarbeit mit der NPD befürwortet und den REP-Bundesvorsitzenden schon nach der sächsischen Landtagswahl am 19. September zum Rücktritt aufgefordert hatte, warf dem Vorsitzenden mangelnde Basisnähe vor. Der Mitherausgeber der Zeitschrift Nation & Europa (NE), Harald Neubauer, kritisierte in Vorträgen vor REP-Kreisverbänden ebenfalls die Parteiführung. Bereits im Mai hatte deshalb das Bundespräsidium Auftrittsverbot der REP ein generelles Auftrittsverbot für Neubauer beschlossen, um für Neubauer zu verhindern, dass sich der frühere Generalsekretär der REP, der im Rechtsextremismus 31 Jahr 1990 aus der Partei ausgeschlossen wurde, erneut etabliert. Neubauer plädiert für eine Annäherung der rechtsextremistischen Parteien auf der Basis gemeinsamer ideologischer Grundpositionen. Seine Bemühungen um eine "Vereinigte Rechte" finden bei Teilen der REP Zustimmung. Der innerparteilichen Opposition fehlt es aber derzeit an einer Führungsperson, die bereit wäre, sich offen dem Abgrenzungskurs des Parteivorsitzenden gegenüber anderen rechtsextremistischen Parteien entgegen zu stellen. Schlierers Stellvertreter Käs, einer der bedeutendsten Kritiker von Schlierers Kurs, hält sich zumindest derzeit noch zurück, weil er im Parteivorstand keine uneingeschränkte Unterstützung findet. Der Landesverband Bayern vertritt den politischen Kurs Dr. Schlierers. 2.1.3 Organisation Die REP befinden sich in einer schweren Krise. Mitgliederverluste Rückläufige als Folge anhaltender Erfolglosigkeit bei Wahlen kennzeichnen die Mitgliederzahlen Lage. Der Partei gehörten Ende 1999 im Bundesgebiet rund 14.000 (1998: 15.000) Mitglieder an. Die Schwerpunkte liegen in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Stärkste regionale Untergliederung ist der Landesverband Bayern mit 4.200 Mitgliedern. Der Bundesverband, der Landesverband Bayern, die Republikanische Homepage Jugend und weitere REP-Gliederungen sind im Internet mit einer im Internet Homepage vertreten. 2.1.4 Teilnahme an Wahlen Die Absprache zwischen DVU und REP vom Herbst 1998, eine "unnötige Konkurrenz" beider Parteien bei Wahlen zu vermeiden, wurde überwiegend eingehalten. So verzichteten die REP auf eine Kandidatur bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen am 6. Juni und bei den Landtagswahlen in Brandenburg am 5. September. Ihre Chancen haben sich durch diese Strategie indes nicht verbessert. Bei der Landtagswahl in Hessen am 7. Februar erhielten die REP Landtagswahlen 2,7 % (1995: 2,0 %) der Stimmen, verfehlten aber den erhofften Einzug in den hessischen Landtag. Die REP hatten sich vor der Wahl zuversichtlich gezeigt, weil es erstmals gelungen war, in allen 55 Wahlkreisen Direktkandidaten aufzustellen. Darüber hinaus hatten sie sich vom Verzicht der DVU auf eine Kandidatur und der Ausein- 32 Rechtsextremismus andersetzung um die Einführung einer doppelten Staatsangehörigkeit Rückenwind versprochen. Auch bei weiteren Landtagswahlen blieben die REP erfolglos. Im Saarland erzielten sie am 5. September einen Stimmenanteil von 1,3 % (1994: 1,4 %), in Thüringen am 12. September 0,8 % (1994: 1,3 %) und in Sachsen am 19. September 1,5 % (1994: 1,3 %). Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin am 10. Oktober blieb der Zweitstimmenanteil mit 2,7 % konstant; die DVU war hier nicht angetreten. Für die REP besonders enttäuschend war das Ergebnis in Thüringen, wo die Partei mit dem nichtextremistischen "Bund Freier Bürger" (BFB) und Einzelmitgliedern der "Pro-DM-Partei" ein Wahlbündnis geschlossen hatte, das den Eindruck einer breiten Wahlplattform vermitteln sollte. Die deutlichen Verluste in Thüringen waren u.a. auch darauf zurückzuführen, dass die DVU sich dort nicht zu einem Wahlverzicht bereit fand. Europawahl Eine besonders schwere Niederlage erlitten die REP bei der Europawahl am 13. Juni. Sie erhielten bundesweit 1,7 % (1994: 3,9 %) der Stimmen. Die höchste Einbuße mussten sie in Bayern mit einem Stimmenanteil von 1,9 % gegenüber 6,6 % im Jahr 1994 hinnehmen. Offensichtlich wirkte sich die fehlende Konkurrenz der DVU nicht zugunsten der REP aus. Einen weiteren Rückschlag hatten die REP am 24. Oktober bei den Kommunalwahlen in ihrer Hochburg Baden-Württemberg zu verzeichnen, wo die Zahl ihrer Sitze in den Kommunalparlamenten um 20 Mandate auf 29 zurückging. Ob die Partei, insbesondere der Bundesvorsitzende, unter diesen Umständen die offizielle Abgrenzung zur DVU aufrechterhält, ist offen. 2.1.5 Aktivitäten in Bayern Politischer Beim politischen Aschermittwoch am 17. Februar in Geisenhausen, Aschermittwoch Landkreis Landshut, gab sich der bayerische Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende Johann Gärtner vor rund 750 Zuhörern noch optimistisch hinsichtlich der Aussichten der REP. Er erklärte, die Partei sei trotz der Wahlniederlagen des Jahres 1998 nicht ins Abseits geraten, sondern stehe erst am Anfang ihres politischen Weges. Der Bundesvorsitzende Dr. Rolf Schlierer forderte die sofortige Abschiebung aller PKK-Mitglieder. Ferner behauptete er, mit den Plänen zur Einführung einer doppelten Staatsangehörigkeit strebe die Rechtsextremismus 33 Bundesregierung den Austausch des Staatsvolkes an. Es gelte, die mit der Massenzuwanderung verbundene schleichende Landnahme durch einen Zuwanderungsstopp und ein klares Rückführungsprogramm für Ausländer abzuwehren. Ein Mahnmal für die Opfer des Holocaust lehnte Schlierer ab. Damit werde versucht, die Deutschen an den Pranger zu stellen. Auf dem Landesparteitag am 25. September in Taufkirchen, Landkreis Landesparteitag Erding, wurde der bisherige Landesvorsitzende Johann Gärtner mit 103 von 122 Stimmen wieder gewählt. Der REP-Kreisvorsitzende von Passau, der für einen härteren Kurs der REP eintritt, kandidierte ohne Erfolg für einen Sitz im Landesvorstand. Gärtner betonte in seinem Rechenschaftsbericht die gute Pressearbeit des Landesverbands. Ferner ging er auf die Rentenproblematik, die REP-Wahlkämpfe und die Aktivitäten der Jungen Republikaner ein. 2.1.6 Verwaltungsgerichtsverfahren Der REP-Landesverband Bayern ist in allen von ihm angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterlegen. Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies am 25. März alle Klagen und Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz ab, die sich gegen die Bewertung der REP als extremistisch in den bayerischen Verfassungsschutzberichten Bayern 1994 bis 1997 und in den Verfassungsschutzinformationen Bayern für das 1. Halbjahr 1998 wandten und eine Erwähnung der REP in künftigen Verfassungsschutzberichten verhindern wollten. Nach Feststellung des Gerichts gibt es hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Zielsetzung der REP, so der häufige Gebrauch des Begriffs "Umerziehung", die Bezeichnung anderer Parteien als "Altparteiendiktatur", die sich gegen das Mehrparteiensystem richte, sowie die von Teilen der Partei betriebene Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten. Sämtliche Entscheidungen sind inzwischen rechtskräftig. Eine vom REP-Landesverband Bayern im September 1998 erhobene Klage, dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz die künftige Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu untersagen, wurde Ende Oktober 1999 zurückgenommen. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hob in einer Verhandlung am Rheinland-Pfalz 10. September ein Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. Dezember 1997 auf, das die weitere Beobachtung des REP-Landesver- 34 Rechtsextremismus bands Rheinland-Pfalz mit nachrichtendienstlichen Mitteln untersagt hatte. Niedersachsen Ohne Erfolg blieb auch eine Klage des REP-Landesverbands Niedersachsen gegen seine Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Zwar verwies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Dezember die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zurück. Dieses habe noch zu prüfen, ob der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche. Es bestätigte aber im Ergebnis die Entscheidung der Vorinstanz, dass die Beobachtung der REP durch die Verfassungsschutzbehörden grundsätzlich zulässig sei. So verwende die Partei typisch rechtsextremistische Argumentationsmuster und greife Institutionen und Repräsentanten der freiheitlichen Demokratie ständig pauschal und polemisch an. 2.2 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Deutschland Bayern Mitglieder: 6.000 950 Vorsitzender: Udo Voigt Franz Salzberger Gründung: 1964 Sitz: Stuttgart Publikationen: Deutsche Stimme (DS), Deutsche Stimme EXTRA Die NPD versteht sich als "die nationale Weltanschauungspartei", die sich an einem "lebensrichtigen" Menschenbild orientiert. Sie sieht sich als "grundsätzliche Alternative zum gegenwärtigen Parteienspektrum", bekennt sich zu einem "deutschen Sozialismus" und fordert die "Schaffung einer neuen Ordnung als die Alternative zum liberalkapitalistischen System des BRD-Deutschlands der Westalliierten". Völkischer "Für uns Nationalisten gibt es keinen Zweifel daran, daß die soziale Kollektivismus Gerechtigkeit nur durch nationale Solidarität - durch die Volksgemeinschaft und somit durch eine Gemeinschaftsleistung aller Deutschen - geschaffen werden kann." (Deutsche Stimme Nummer 9/99 Seite 2) Rechtsextremismus 35 Der einzelne Mensch ist nach der Vorstellung der NPD lediglich ein unselbständiger Teil dieser Volksgemeinschaft. Die fremdenfeindliche Agitation der NPD ist rassistisch und nationalistisch geprägt. So erklärte die Partei im Zusammenhang mit einer eigenen Unterschriftenaktion "Nein zu doppelter Staatsbürgerschaft und Ausländerintegration!": "Mit ihrer Politik der systematischen Überfremdung Deutschlands verfolgt die rot-grüne Bundesregierung eine Politik, die nahtlos an 16 Jahre politischer Mißwirtschaft der alten Bundesregierung anknüpft. Mit 8 Millionen Ausländern im Land traut man sich, nun auch die letzte Hürde zum Rassismus Multi-Kulti-Staat zu nehmen." (Deutsche Stimme EXTRA Ausgabe 02/99, Seite 4) Ferner behauptete die NPD, die Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei der "Einbürgerung von 4 Millionen Ausländern" bedeute die "praktische Abschaffung des deutschen Staatsbürgerschaftsrechtes". Die NPD lehne auch ein Dauerbleiberecht für Ausländer in Deutschland ab. "Ausländerintegration ist Schwindel - Durch Volksbetrug soll das deutsche Volk ausgetauscht werden" (Deutsche Stimme Nummer 3/99, Seite 2) "Die doppelte Staatsbürgerschaft und Integration bedeuten den AusverNationalismus kauf Deutschlands! ... Die Ausländer bestimmen immer mehr, welche Politik in Deutschland gemacht wird. ... Wenn es so weitergeht, werden wir Deutsche bald nichts mehr in unserem Land zu sagen haben. ... Noch können wir die Zeitbombe entschärfen: ... Mit unserem Stimmzettel können wir die Heimreisefahrkarten für unsere ausländischen Gäste besorgen." (Flugblatt des NPD-Parteivorstands) Demokratische Parteien und ihre Repräsentanten wurden in einem Diffamierung Flugblatt des NPD-Parteivorstands als "Erfüllungsgehilfen der internationalen Konzernzentralen" und "Politbonzen" diffamiert, die "dieses Land seit Jahrzehnten in Grund und Boden regieren". Mit einer verstärkten Betonung sozialer Themen will die NPD den Durchbruch zur Massenorganisation schaffen. Dabei greift sie Elemente der Arbeiterbewegung auf, indem sie zum Beispiel seit 36 Rechtsextremismus Kombination von 1996 eine eigene Großkundgebung zum 1. Mai durchführt. Revisozialistischen und sionistisches Gedankengut trat dagegen in den Hintergrund. Mit rechtsextremisAussagen wie "Der Hauptfeind aller freien Völker ist der Kapitischen Ideologietalismus" und "Der kapitalistische Sumpf muss trockengelegt werElementen den" thematisiert die NPD seit einiger Zeit eine sozialistische Komponente, die sie mit dem rechtsextremistischen Ideologie-Element der "Volksgemeinschaft" zu einem "volksbezogenen Sozialismus" verknüpft. "Drei-SäulenMit einer Intensivierung des bereits 1997 beschlossenen "Drei-SäuKonzept" len-Konzepts" will der Parteivorsitzende die NPD zu größeren Erfolgen führen. Neben dem ideologischen "Kampf um die Köpfe" zählt dazu auch das Engagement in der außerparlamentarischen Opposition ("Kampf um die Straße"), mit deren Hilfe die NPD langfristig eine parlamentarische Verankerung ("Kampf um die Parlamente") zu erreichen hofft. Öffnung Neben der Führung der Jungen Nationaldemokraten (JN) nehmen gegenüber Neonazis zunehmend Einfluss auf die Politik der NPD. Auch die ÖffNeonazis nung der Partei gegenüber neonazistischen Skinheads zeigt, dass frühere Abgrenzungsbeschlüsse keine Geltung mehr haben. Die Doppelstrategie des Parteivorsitzenden Voigt, einerseits durch Fortführung des traditionellen Kurses die NPD als Wahlpartei zu präsentieren, andererseits Aktionsbündnisse mit anderen Gruppierungen, insbesondere Neonazis einzugehen, hat sich nach außen endgültig durchgesetzt. Die enge Zusammenarbeit mit dem Neonazi-Lager und den Skinheads, aber auch die aktionistische Ausrichtung der NPD, sind gleichwohl in Teilen der Partei nicht unumstritten. Unter den Bezeichnungen "Soziale Volkspartei" (SVP) bzw. "Bund Deutscher SpaltungsPatrioten" (BDP) spalteten sich inzwischen in Mecklenburg-Vorpomtendenzen mern und Thüringen unzufriedene NPD-Anhänger von der Partei ab. Dennoch ist die NPD entschlossen, den bisher praktizierten Kurs beizubehalten. So erklärte Voigt im März, man werde künftig den "Kampf um die Straße" verstärken, sich "zeitgeistlicher" Protestformen der Skinheads annehmen und weiter versuchen, Skinheads in die JN zu integrieren. 2.2.2 Organisation Unter der Führung des seit März 1996 amtierenden Bundesvorsitzenden Udo Voigt und seiner Stellvertreter Udo Holtmann, Jürgen Schön Rechtsextremismus 37 und Dr. Jürgen Eisenecker nahm die NPD zunächst eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung. Ursächlich war neben der neonazistiEnde des schen Ausrichtung der Partei ihre wachsende Bereitschaft, mit NeoAufwärtstrends nazis und Skinheads zusammenzuarbeiten. Der bisher vor allem in den neuen Ländern festgestellte Aufschwung hat sich im Berichtszeitraum jedoch nicht fortgesetzt. Ende 1999 zählte die NPD wie im Vorjahr bundesweit rund 6.000 Mitglieder. Sie gliedert sich in 15 Landesverbände, die wiederum in Bezirksund Kreisverbände unterteilt sind. Voigt verlegte am 1. März seinen Wohnsitz von Moosburg a.d. Isar nach Brandenburg. Der Landesverband Bayern mit Sitz in München, der zahlreiche Landesverband Angehörige der Neonaziund Skinhead-Szene an sich binden konnBayern te, zählt rund 950 (1998: 800) Mitglieder (ohne JN und NHB). Dazu gehören auch Rechtsextremisten aus Österreich, die wegen des dort bestehenden Wiederbetätigungsverbots neue Aktionsmöglichkeiten suchten. Der Landesverband gliedert sich in sieben Bezirksund rund 50 Kreisverbände, von denen aber mehr als die Hälfte nicht aktiv ist. Redaktion und Anzeigenabteilung des Parteiorgans "Deutsche StimParteiorgan me" (DS) befinden sich seit Anfang 1998 in Sinning, Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Ende 1999 wurde der Redaktionssitz nach Riesa/Sachsen verlegt. Die NPD verfügt mittlerweile über das umfassendste Angebot aller Nutzung des rechtsextremistischen Parteien im Internet. Sie bietet als Provider über Internets eine Domain "NPD.net" in Bochum einen eigenen Zugangsservice in das Internet an und verbreitet aktuelle Informationen zu besonders bedeutenden Veranstaltungen. Die Netzseite verfügt über mehrere Diskussionsforen sowie ein eigenes Textarchiv mit Schlagwortsuchmodus, über den alle bislang von der NPD veröffentlichten Texte verfügbar sind. Über die Linkliste sind alle Angebote von Untergliederungen der NPD und ihrer Jugendorganisation zugänglich. 2.2.3 Teilnahme an Wahlen Die vom Parteivorsitzenden eingeleitete Öffnung gegenüber Neonazis und dem rechtsextremistischen Teil der Skinhead-Szene hat der Partei zwar erhöhte Medienaufmerksamkeit und einen Reputationsgewinn im rechtsextremistischen Lager verschafft, in Wählerstimmen ließ sich dieser Trend jedoch nicht ummünzen. 38 Rechtsextremismus Landtagswahlen Bei der Landtagswahl in Hessen am 7. Februar erzielte die NPD einen Stimmenanteil von 0,2 %. In Bremen erreichte sie bei der Bürgerschaftswahl am 6. Juni 0,3 % der Stimmen. Ähnlich erfolglos blieb die NPD bei den Landtagswahlen am 5. September in Brandenburg (0,7 %), am 12. September in Thüringen (0,2 %) und am 19. September in Sachsen (1,5 %) sowie bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 10. Oktober (0,8 %). Für die NPD besonders enttäuschend war das Ergebnis in Sachsen. Die dortige Wahl galt als Schwerpunktaufgabe der Gesamtpartei, die in Sachsen mit 1.250 Mitgliedern organisatorisch relativ stark verankert ist. Um potenzielle Wähler nicht abzuschrecken, hatte die NPD während des Wahlkampfs auf Aufmärsche weitgehend verzichtet und mit Flugblättern, Plakaten und Info-Ständen geworben. Diese Landtagswahlergebnisse belegen erneut die Bedeutungslosigkeit der NPD als Wahlpartei. Darüber können auch vereinzelte örtliche Erfolge bei Kommunalwahlen in den neuen Bundesländern nicht hinwegtäuschen. Nur unter den Jugendlichen der neuen Länder schneidet die Partei besser ab. In Sachsen wählten 8,5 % der Jungwähler NPD. Europawahl Bei der Europawahl am 13. Juni erhielt die NPD 0,4 % (1994: 0,2 %) der Stimmen. Die besten Ergebnisse erzielte sie in den neuen Ländern, wo bis zu 1,2 % der Wähler der NPD ihre Stimme gaben. Die NPD hatte der Wahl lediglich taktische Bedeutung beigemessen, um Präsenz zu demonstrieren. Der Wahlkampf wurde mit Forderungen wie "Nationaler Widerstand gegen die Eurokraten-Clique", "Volksgemeinschaft statt EU-Diktatur" und "Ausländerrückführung statt Integration" geführt. Als Teil des "Kampfes um die Straße" dienten die Wahlkundgebungen vor allem dem Zweck, die Partei in die Schlagzeilen zu rücken. 2.2.4 Sonstige Aktivitäten Die NPD sieht sich als Zentrum des "Nationalen Widerstands" und bezeichnet ihre Kundgebungen dementsprechend als Demonstrationen des "Nationalen Widerstands". Durch ihre öffentlichen Auftritte will sie die Aufmerksamkeit der Bevölkerung gewinnen und eine Füh- Rechtsextremismus 39 rungsrolle gegenüber der unorganisierten rechtsextremistischen Szene entfalten. So protestierte die NPD am 20. Februar mit einem AufProtestzug in Saarbrücken gegen die "Wehrmachtsausstellung". Weitere kundgebungen Kundgebungen unter dem Motto "Keine deutschen Pässe für Ausländer" fanden am 27. Februar und 17. April in Magdeburg/Sachsen-Anhalt statt. Ein schwerer Rückschlag war das Verbot einer für den 1. Mai in Bremen geplanten Großdemonstration und aller angemeldeten Ersatzveranstaltungen. Die Partei führte deshalb zwischen dem 22. und 24. Mai kleinere Demonstrationen in Köln, Berlin, Bremen und Bruchsal/Baden-Württemberg durch. Am 6. November veranstaltete der NPD-Kreisverband RosenAnti-Drogenheim-Traunstein in der Innenstadt von Rosenheim eine DemonstraDemonstration tion zum Thema "Kampf gegen die Drogenmafia sowie Unterstützung der Drogensüchtigen". Daran nahmen etwa 400 bis 450 Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum teil, davon waren 80 % Skinheads. Als Redner traten die Neonazis Christian Worch, Manfred Roeder und Sascha Roßmüller auf. Bei Protestaktionen gegen die Versammlung kam es zu einer Reihe von Gewalttaten. Davon waren vier Körperverletzungen Rechtsextremisten zuzurechnen. Die Demonstrationen der NPD lösten häufig größere Protestaktionen mit zum Teil beträchtlicher linksextremistischer Beteiligung aus. Zur Vermeidung gravierender Ausschreitungen waren oft starke Polizeikräfte erforderlich. Unter dem Motto "Alles Große steht im Sturm" veranstaltete die NPD Jubiläumsfestakt am 27. November in München einen "Jubiläumsfestakt" zum 35-jährigen Bestehen der Partei. An der Feier, die ohne Öffentlichkeitswirkung verlief, beteiligten sich rund 550 Mitglieder und Gäste, darunter auch etwa 200 Skinheads. 2.2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) Deutschland Bayern Mitglieder: 400 75 Vorsitzender: Sascha Roßmüller Carsten Beck (bis Oktober 1999) Gründung: 1969 Sitz: Sinning Publikation: Der Aktivist 40 Rechtsextremismus Die JN als Jugendorganisation der NPD bekennen sich in Ideologie und Zielsetzung zum Programm ihrer Mutterpartei. Führungskader Neonazistische der JN verlagern ihre Aktivitäten zunehmend in den Bereich der NPD Tendenzen und pflegen weiterhin intensive Kontakte zur Neonazi-Szene und zu Skinheads. Der Anteil der Neonazis und Skinheads unter den JN-Mitgliedern liegt bei etwa 40 %. Unter dem Motto "30 Jahre Junge Nationaldemokraten - 30 Jahre Kampf - Aktion - Widerstand" feierten am 13. März rund 350 PersoGedenknen in Mitterskirchen, Landkreis Rottal-Inn, das 30-jährige Bestehen veranstaltung der JN. Der damalige JN-Bundesvorsitzende Holger Apfel bezeichnezur Gründung te die JN als revolutionäre Jugendbewegung, die das herrschende der JN System überwinden wolle. Frühere Abgrenzungsbeschlüsse zum Neonazi-Lager seien inzwischen aufgehoben. Das repressive Staatssystem habe durch eine Serie von Verbotsverfügungen zu einer Solidarisierung zwischen den verschiedenen Gruppierungen beigetragen. Der Kongress bildete zugleich den Auftakt eines Aktionsmonats unter dem Motto "Einwanderung stoppen - Widerstand jetzt!". Dazu erklärten die JN, mit der Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit plane die rot-grüne Bundesregierung eine "völkische Katastrophe". Durch die Verwirklichung des Wahlrechts für Ausländer werde das deutsche Volk als verfassungsmäßiger Souverän endgültig abgelöst und das Ende des deutschen Volks als rassische und blutgebundene Gemeinschaft auch staatsrechtlich besiegelt. Bundeskongress Beim Bundeskongress am 10. April in Klingenberg, Landkreis Miltenberg, wählten die Delegierten den damaligen bayerischen JN-Landesvorsitzenden Sascha Roßmüller zum neuen JN-Bundesvorsitzenden. Auch seine Stellvertreter Alexander Delle und Alexander von Webenau, der allerdings im November wieder zurücktrat, stammen aus Bayern. In seiner Schlussansprache kündigte Roßmüller einen radikaleren politischen Kurs an. Roßmüller war Aktivist des 1993 verbotenen neonazistischen Nationalen Blocks (NB). Seine Wahl unterstreicht deutlich die neonazistische Ausrichtung der JN, die auch von seinen Stellvertretern mitgetragen wird. Drei weitere zu Beisitzern bestellte Rechtsextremismus 41 Vorstandsmitglieder entstammen ebenfalls dem neonazistischen Bereich. Der bei der Wahl des JN-Bundesvorsitzenden unterlegene ehemalige Interner JN-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen Achim Ezer eröffnete Machtkampf einen internen Machtkampf. In Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Sachsen kam es zu Austritten. Die ausgeschiedenen Mitglieder schlossen sich dem von der Oppositionsgruppe am 5. Juni gegründeten "Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) an. Die bayerischen JN wählten am 29. Mai in Ebermannstadt, Landkreis Landeskongress Forchheim, Carsten Beck aus München zum neuen Landesvorsitzenden. Auch die übrigen Funktionen wurden neu besetzt, da die bisherigen Mitglieder des Landesvorstands nicht mehr kandidierten. Seit Becks Rücktritt im Oktober wird der JN-Landesverband kommissarisch von seinem Stellvertreter Frederick Seifert geleitet. Unter dem Motto "Europas Nationen - Erbe und Auftrag" hielten die 6. Europäischer JN am 30. Oktober in Falkenberg, Landkreis Rottal-Inn, ihren "6. EuroKongress der päischen Kongress der Jugend" ab. An der Veranstaltung beteiligten Jugend sich rund 400 Personen, überwiegend aus dem Skinhead-Bereich, sowie mehrere Vertreter rechtsextremistischer Organisationen aus ganz Europa. Das Hauptreferat hielt der österreichische Revisionist Herbert Schweiger, ein ehemaliger Untersturmführer der SS-Division "Leibstandarte Adolf Hitler". Die JN unterstrichen mit diesem Kongress ihren Anspruch auf eine führende Rolle innerhalb der europäischen Nationalisten. Der angestrebten europäisch-nationalistischen Einheitsfront sind die Akteure indes nicht näher gekommen. Die gegenwärtige Situation der JN ist durch ein geringes Engagement der Basis gekennzeichnet. Der neue JN-Bundesvorsitzende Sascha Roßmüller konnte der Organisation bisher keine neuen Impulse Führungsdefizite geben. An den diesjährigen "Rudolf-Heß-Aktionen" beteiligten sich die JN nicht. Die Einbindung von Neonazis und Skinheads gelingt auch innerhalb der bayerischen JN nicht immer. So wurde der im Frühjahr gegründete JN-Stützpunkt Passau bereits nach einigen Monaten wieder aufgelöst. Offenbar war die Mehrzahl der bei der Gründungsveranstaltung anwesenden Skinheads für eine kontinuierliche politische Arbeit nicht zu gewinnen oder nicht geeignet. 42 Rechtsextremismus 2.3 Deutsche Volksunion (DVU) Deutschland Bayern Mitglieder: 17.000 1.800 Vorsitzender: Dr. Gerhard Frey Bruno Wetzel Gründung: 1987 Sitz: München Publizistische Deutsche National-Zeitung (DNZ) bis Ende Aug. Sprachrohre: Deutsche Wochen-Zeitung (DWZ) bis Ende Aug. National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung (NZ) seit September 2.3.1 Ideologisch-politischer Standort In ihrem Programm bekennt sich die DVU formal zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, doch will sie einige für alle MenExtremistische schen gültige Grundrechte zu Bürgerrechten reduzieren, die ausGrundhaltung schließlich Deutschen zustehen sollen. Die rechtsextremistische Grundeinstellung der Partei wird in Äußerungen führender Funktionäre sowie im Inhalt der im Verlag des Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey erscheinenden Zeitungen deutlich. Revisionismus Wie bisher zählt die revisionistische Kritik an der "extrem einseitigen Vergangenheitsbewältigung" zu den Schwerpunkten der Programmatik. So polemisiert die Partei gegen den "abstoßenden Nationalmasochismus der derzeitigen politischen Klasse", die "keine Gelegenheit auslässt, um Deutschland anzuklagen". "Kollektiv und immerwährend soll den Deutschen wegen dem vor mehr als einem halben Jahrhundert von der Bildfläche verschwundenen Hitler ein Minderwertigkeitsgefühl eingekeult werden." (DNZ vom 22. Januar, Seite 11) Dabei werden die Verbrechen der Nationalsozialisten zwar nicht vollständig geleugnet, doch wird versucht, die deutsche Schuld an der massenhaften Ermordung der Juden durch wiederholte Hinweise auf historische Verbrechen anderer Völker zu bagatellisieren: "Es ist übergenug, was wir immer hören über unsere Schandtaten, die ja jeder bedauert, aber wir wollen dann aber auch sagen: Ihr seid doch die Rechtsextremismus 43 Allerletzten, die aus dem Glashaus heraus auf uns Steine werfen dürfen. Ihr habt doch so viel Dreck am Stecken, dass es einfach zu viel schon ist! Und da bauen die in Amerika ein Holocaust-Mahnmal nach dem anderen, unserer Untaten wegen. Ja, habt ihr denn euere eigenen Untaten vergessen?" (Dr. Frey auf dem Parteitag der DVU am 16. Januar in München) Wie in den Vorjahren ist die DVU bestrebt, auch die deutsche Schuld an der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs zu relativieren. "Die Behauptung, Deutschland sei am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges allein schuld, ignoriert, dass sich der deutsch-polnische Konflikt erst durch die Kriegserklärungen Großbritanniens und Frankreichs vom 3. September 1939 an Deutschland auszuweiten begann (...). Dafür wiegte man sich in Warschau in dem Wahn, die polnische Armee werde innerhalb von Tagen bis Berlin vorstoßen und Polen könne sich halb Deutschland einverleiben." (NZ vom 10. September, Seite 7) Die DVU versucht, offenen Antisemitismus zu vermeiden, doch wird Latenter ihre antisemitische Grundhaltung in ihren publizistischen SprachrohAntisemitismus ren deutlich: "Im Jüdischen Weltkongreß unter dem Vorsitz des Nachfolgers Goldmanns, des amerikanischen Schnaps-, Chemieund Medienmilliardärs Edgar Bronfman, spannen maßgebliche Kreise den Bogen immer straffer. (...) Nachdem man die Schweiz unter dem Stichwort 'Nazigold' bereits weichgeklopft hat und auch bei anderen Staaten nicht mehr nur an die Tür klopft, sondern schon den Rammbock angesetzt hat, ist jetzt Frankreich an der Reihe." (DNZ vom 5. März, Seite 10) "Da bekommen Journalisten feuchte Hände und überbieten sich in Kotaus, wenn sie sich dem unerträglichen Schmus des televisionären Tausendfüßlers Friedman ausgesetzt sehen." (DNZ vom 12. März, Seite 6) "Große Teile des hiesigen Polit-Establishments verhalten sich bei Verlautbarungen des jüdischen Zentralrats wie der aus der Tonträger-Werbung bekannte niedliche Vierbeiner, der aus dem Grammophon 'His Master's Voice' erlauscht. (...) Doch das alles reicht dem Herrn Friedman nicht aus." (NZ vom 24. September, Seite 6) Häufig werden demokratische Institutionen und ihre Repräsentanten diffamiert. Auf diese Weise soll das Vertrauen in diese Institutionen 44 Rechtsextremismus und den von ihnen getragenen demokratischen Rechtsstaat untergraben werden: Diffamierung "Immer wenn das Bundesverfassungsgericht gegen grundgesetzwidrige demokratischer Machenschaften Etablierter ... entscheidet, gehen herrschende Politiker Institutionen nicht etwa daran, den Spruch der höchsten Richter dieser Republik ... in die Tat umzusetzen, sondern es wird fieberhaft überlegt, wie man Karlsruhe austricksen und alles beim Alten belassen kann. Da Verfassungsbruch durch Etablierte zwar verboten, doch nicht strafbar ist ..., kommen selbst notorische Verfassungsbrecher in Bonn nicht hinter Gitter." (DNZ vom 2. Juli, Seite 1) "Abzockerund Raffgiermentalität ist leider kennzeichnend für eine Vielzahl von Politikern in Bonn und Brüssel." (DNZ vom 9. Juli, Seite 1) "Während in der Bundesrepublik der Rotstift regiert und die soziale Armut wächst, richten sich Politiker in Bonn, Berlin und Brüssel zunehmend ein Polit-Schlaraffenland auf Steuerzahlers Kosten ein. ... Im Vergleich zu ihren Parlamentskollegen in aller Welt sind Bonner Politiker Spitzenreiter im Absahnen." (DNZ vom 16. Juli, Seite 7) "Dass die DEUTSCHE VOLKSUNION (DVU) ... etablierten Parteien ein Dorn im Auge ist, hat vor allem auch damit zu tun, dass die Volksunion schonungslos skandalöse Machenschaften herrschender Polit-Bonzen anprangert. Der Skandal-Sumpf des etablierten Parteien-Kartells ist geradezu grenzenlos." (DWZ vom 27. August, Seite 7) "Die soziale Glaubwürdigkeit der 'sozial'demokratisch geführten Bundesregierung sinkt durch Eichels neue Sparschweinerei auf das Niveau von Keuschheitsgelübden gewerbsmäßig horizontal tätiger Personen ab." (NZ vom 3. September, Seite 1) "Während unverschämte Polit-Bonzen bei ständig steigenden Diäten und immer neuen Vergünstigungen ihr Absahner-Schlaraffenland weiter ausbauen, wird der einfache Bürger gnadenlos geschröpft und ausgeplündert. Je hilfloser und ärmer das Opfer, desto unerbittlicher schlagen die Polit-Raubritter zu." (NZ vom 10. September, Seite 10) Rassismus In der Agitation der DVU kommt deren fremdenfeindliche und rassistische Grundhaltung zwar nicht offen zum Ausdruck, sie ist jedoch erkennbar von einer derartigen Motivation geprägt. Rechtsextremismus 45 "Eine irrsinnige Bonner Einwanderungsund Überfremdungspolitik aber führt dazu, daß sich die Bundesrepublik balkanesische Zustände ins eigene Land holt." (DWZ vom 5. März, Seite 1) "Verantwortungslose Politiker mitsamt einer zutiefst deutschfeindlichen Meinungsindustrie haben dann noch die Stirn, dem deutschen Volk den ganzen Wahnwitz, der alljährlich mit Dutzenden Milliarden deutscher Steuergelder bezahlt werden muß, als 'multikulturelle Bereicherung' vorzugaukeln." (DWZ vom 30. April, Seite 8) Insbesondere Straftaten von Ausländern werden umfassend dargestellt und verallgemeinernd kommentiert: "Das Treiben krimineller Ausländer wird immer schlimmer. Die Meinungsindustrie aber versucht das Thema totzuschweigen. (...) Was steckt dahinter? Dürfen sich Ausländer wirklich alles erlauben? ... Es ist wahrhaftig ein Unding, dass Straftaten krimineller Ausländer mehr und mehr von der Meinungsindustrie heruntergespielt und verharmlost werden. Dies geschieht bewusst und auf politischen Druck 'von oben'." (DNZ vom 13. August, Seite 3) Nach wie vor ist die Partei bestrebt, das Ausmaß rechtsextremistisch Relativierung motivierter Militanz zu relativieren. Dabei knüpft sie vielfach an Strafrechtsextremistitaten mit rechtsextremistischem Anfangsverdacht an, der sich nachscher Gewalt träglich als unzutreffend herausstellte. "Immer dasselbe Spiel: Findet irgendwo in Deutschland eine Gewalttat gegen Ausländer statt, steigen Massenmedien groß ein und schieben - ohne auch nur den Hauch eines Beweises - die Schuld 'den Rechtsradikalen' zu. Stellen sich früher oder später ganz andere Hintergründe des Verbrechens heraus, erfolgt - wenn überhaupt - nur eine kleinlaute Berichterstattung." (DNZ vom 27. August, Seite 13) 2.3.2 Organisation Die Mitgliederzahl der DVU ist bundesweit von 18.000 auf 17.000 Rückläufige zurückgegangen, da viele Neumitglieder, die im Vorjahr der DVU Mitgliederzahlen nach deren Erfolg bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt beigetreten waren, die Partei bald wieder verließen. Die DVU hat keine Jugendorganisation und betreibt keine Jugendarbeit. Sie verfügt in allen Bundesländern nominell über Landesverbände, die jedoch nach 46 Rechtsextremismus außen kaum in Erscheinung treten. Auf Kreisund Ortsebene ist die DVU ebenfalls kaum vertreten. Zusammenlegung Im Verlag des Parteivorsitzenden erschienen bisher als Werbeträger der publizistischen und publizistische Sprachrohre der DVU die "Deutsche National-ZeiSprachrohre tung" (DNZ) und die teilweise inhaltsgleiche "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ). Die Gesamtauflage ist in den letzten zehn Jahren um 50 % zurückgegangen. Anfang September wurden DNZ und DWZ - wohl aus Kostengründen - unter der Bezeichnung "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) zusammengelegt. Hoher Nach einer Reihe von kostspieligen Wahlkämpfen ist die Partei bei Schuldenstand ihrem Vorsitzenden mit über elf Millionen DM verschuldet. Die Personalunion von Vorsitzendem und Kreditgeber verleiht Dr. Frey eine im Vergleich zu anderen Parteien einzigartige Machtfülle. 2.3.3 Teilnahme an Wahlen Die DVU verzichtete wie schon 1994 auf eine Teilnahme an der EuropaErfolge in Bremen wahl und konzentrierte sich statt dessen auf die Bremer Bürgerschaftswahl am 6. Juni. Ihr Wahlkampfetat betrug rund 1,3 Millionen DM. Die Partei erhielt landesweit 3,0 % (1995: 2,5 %) der Stimmen. In den getrennt gezählten Wahlbereichen Bremen und Bremerhaven erzielte sie 2,5 % bzw. 6,0 %. Da die Überwindung der 5 %-Sperrklausel in einem Landesteil ausreicht, ist die DVU mit einem Abgeordneten im Landesparlament vertreten. und Brandenburg Die DVU beteiligte sich ferner an den Landtagswahlen am 5. September in Brandenburg und am 12. September in Thüringen. In Brandenburg konnte sie mit einem Stimmenanteil von 5,3 % fünf Abgeordnete in den Landtag entsenden, in Thüringen scheiterte sie mit 3,1 % der abgegebenen Stimmen an der 5 %-Klausel. Der Wahlerfolg in Brandenburg wurde durch die geringe Wahlbeteiligung, aber auch durch den Verzicht der REP auf eine Kandidatur, begünstigt. Die DVU ist damit in drei Landesparlamenten vertreten. In den mit erheblichem finanziellen Aufwand geführten Wahlkämpfen hatte die Partei vor allem auf flächendeckende Plakatierung, Postwurfsendungen und aggressive Parolen wie "Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche!" und "Den totalen Untergang unseres Geldes in der Eurowährung verhindern!" gesetzt. In Rundschreiben wurden die Parteimitglieder zu Spenden aufgefordert. Allein in Brandenburg wurden nach Angaben der DVU rund 50.000 Plakate geklebt und 500.000 Wahlprogramme verteilt. Rechtsextremismus 47 Bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven am 26. September erzielte die DVU 5,2 % und zog erneut mit drei Abgeordneten in die Kommunalvertretung ein. An den Landtagswahlen am 7. Februar in Hessen und am 19. September in Sachsen sowie an der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 10. Oktober nahm die DVU aufgrund der mit den REP getroffenen Absprache nicht teil. In Sachsen fürchtete die DVU außerdem die Konkurrenz des stärksten Landesverbandes der NPD. Bei der Europawahl sah sie schon wegen der Kandidatur der REP keine Erfolgschancen; zudem stellte sich der als Spitzenkandidat vorgesehene ehemalige REP-Vorsitzende Franz Schönhuber nicht zur Verfügung 2.3.4 Bündnispolitik DVU und REP hielten sich im wesentlichen an die Absprache vom Wahlabsprache 17. November 1998, bei Wahlen nicht gegeneinander anzutreten. mit den REP Mit einer darüber hinausgehenden inhaltlichen Zusammenarbeit beider Parteien ist jedoch nicht zu rechnen, da die REP nicht bereit sind, die von Dr. Frey beanspruchte Führungsrolle im rechtsextremistischen Spektrum anzuerkennen. Im Vorfeld der Europawahl betriebene Vorstöße des DVU-Vorsitzenden zur Einigung des rechtsextremistischen Lagers scheiterten an der mangelnden Bereitschaft zu gegenseitigen Zugeständnissen. Insbesondere das Verhältnis zur NPD, die den Führungsanspruch der DVU Distanz zur NPD offen in Frage stellt, ist deutlich abgekühlt. Die im Vorjahr aufgenommenen Kontakte zwischen Dr. Frey und dem Vorsitzenden des französischen Front National (FN), Jean-Marie Le Pen, wurden nicht erneuert. 2.3.5 Sonstige Aktivitäten Am 16. Januar hielt die DVU in München ihren Bundesparteitag mit Bundesparteitag über 400 Teilnehmern ab. Bei der Neuwahl des Parteivorstands wurde 48 Rechtsextremismus Dr. Frey in seiner Funktion bestätigt. Seine Stellvertreter und die Beisitzer sind wie bisher langjährige DVU-Funktionäre. Landesparteitag Am selben Tag fanden in München der Parteitag des DVU-Landesverbands Bayern und die Mitgliederversammlung der DVU e.V. statt. Bezeichnend für das Verständnis innerparteilicher Demokratie der DVU ist das Tempo der Tagungen. Der Bundesparteitag dauerte nur eine Stunde, die beiden anderen Veranstaltungen jeweils zehn Minuten. Großkundgebung Unter dem Motto "Wir lieben Deutschland" fand am 25. September in Passau in der Passauer Nibelungenhalle die alljährliche Großkundgebung der DVU statt. Daran beteiligten sich rund 2.000 Personen, deutlich weniger als im vergangenen Jahr. Der Hauptredner Dr. Frey agitierte u.a. gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für jugendliche Ausländer und gegen das geplante zentrale Holocaust-Denkmal in Berlin. Ferner griff er die früheren Bundespräsidenten Herzog und von Weizsäcker an, die versucht hätten, die Deutschen zu ewiger Sühne zu verpflichten. Zum gleich bleibenden Ritual der Veranstaltung gehörten Preisverleihungen für "Verdienste um die deutsche Sache" und eine Totenehrung. Den Freiheitspreis der NZ erhielt das DVU-Gründungsmitglied Hans Otto Weidenbach; der Andreas-Hofer-Preis ging an Ernst Franke für seine Volkstumsarbeit in Schlesien. Gegen die Veranstaltung protestierten insgesamt rund 500 Personen, darunter zahlreiche Angehörige des lokalen autonomen Spektrums. 2.4 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) Deutschland Bayern Mitglieder: 500 100 Gleichberechtigte Jürgen Schützinger, Werner Eichinger Sprecher (Vorsitzende): Ingo Stawitz, Andre Beiersdorf Gründung: 1991 (1996 Verzicht auf den Parteistatus) Sitz: Coburg Inoffizielles Organ: Nation & Europa - Deutsche Monatshefte Rechtsextremismus 49 Die DLVH versteht sich seit der 1996 beschlossenen Umwandlung in Nationalismus und einen Verein als eine "überparteiliche und unabhängige GemeinKollektivismus schaft demokratischer Patrioten", die Gleichgesinnte über Parteiund Vereinsgrenzen hinaus integriert und deren Kräfte bündelt. Trotz vorsichtiger Formulierung sind in ihrem "Manifest" nationalistische und völkisch-kollektivistische Elemente feststellbar: "Die DEUTSCHE LIGA bekennt sich zu einer Wirtschaftsund Sozialordnung der nationalen Präferenz. (...) Ihr Ziel ist eine sozialpatriotische Solidargemeinschaft des Ganzen." Die nach wie vor weitgehend inaktive DLVH konnte ihr Ansehen Weitgehende innerhalb des rechtsextremistischen Lagers nicht erhöhen. Ihre BedeuInaktivität tung beruht vor allem auf ihrer Nähe zu wichtigen Organen der rechtsextremistischen Publizistik (z.B. Nation & Europa - Deutsche Monatshefte). Zur Mitgliederversammlung am 30. Oktober in Kist, Landkreis Würzburg, fanden sich wieder nur etwa 40 Personen ein. Die gleichberechtigten Sprecher wurden in ihren Funktionen bestätigt. 2.5 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) Deutschland Bayern Mitglieder: 450 40 Vorsitzender: Dr. Rolf Kosiek Gründung: 1960 Sitz: München Publikation: Das Freie Forum Die von ehemaligen SSund NSDAP-Angehörigen gegründete, von dem früheren NPD-"Chefideologen" Dr. Rolf Kosiek geleitete GFP stellt als "Kulturvereinigung" vor allem ein Forum für rechtsextremisForum rechtstische Verleger, Buchhändler, Redakteure und Schriftsteller dar. Sie extremistischer gibt vor, "tabuisierte Lebensfragen der Deutschen" zu thematisieren Verleger, Buchund sich für die "Freiheit und Wahrheit des Wortes" einzusetzen. In händler und Vorträgen und auf GFP-Veranstaltungen wird rechtsextremistisches Autoren Gedankengut verbreitet. Die GFP will in einer angeblich "durch Siegerrechte und Besiegtenpflichten beschränkten Öffentlichkeit" eine "Freistatt für den deutschen Gedanken und das deutsche Wort" schaffen und erhalten. 50 Rechtsextremismus Jahreskongress Unter dem Motto "Deutschland und Europa - Erneuerung statt Völkertod" fand in der Zeit vom 16. bis 18. April in Wernigerode/Sachsen-Anhalt der GFP-Jahreskongress statt. Die Redner kritisierten die "verheerenden Folgen der Umerziehung" und warfen den Historikern an deutschen Hochschulen "mangelnden Mut zur Wahrheit in der Zeitgeschichte" vor. Dr. Kosiek griff in seinem Jahresbericht die "Einschränkung der Presseund Meinungsfreiheit" und die "Zunahme der politischen Justiz" an, die durch "mehrere skandalöse Verurteilungen von Verlegern und Publizisten" gekennzeichnet sei. 2.6 Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V. Deutschland Bayern Mitglieder: 280 30 Vorsitzender: Lisbeth Grolitsch Gründung: 1982 Sitz: Starnberg Publikation: Huttenbriefe - für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht Der von Rechtsextremisten gegründete Freundeskreis Ulrich von Hutten vertritt rechtsextremistische, insbesondere rassistische Thesen und verbreitet Äußerungen, die das NS-Regime verharmlosen und die Bundesrepublik Deutschland verunglimpfen. Der Freundeskreis trat vorwiegend mit der Herausgabe seiner "Huttenbriefe" in Erscheinung, in denen er völkische, rassistische und antisemitische Verschwörungstheorien formulierte. "Die Siegermächte haben also schon vor 55 Jahren neben der politischen auch noch die ethnische und religiöse Zerstückelung Deutschlands beschlossen." "Dieser Staat betreibt eine Bevölkerungspolitik, die auf Völkermord aus ist ... . (...) Die gleichzeitige Alimentierung der Kindervielzahl der Fremden mit mehreren Milliarden Mark jährlich erweist mithin, daß er die Geburt deutscher Kinder vermeiden und die Kinder der Fremden fördern will ..." Rechtsextremismus 51 2.7 Freiheitlicher Volks Block (FVB) Deutschland Bayern Mitglieder: 60 5-10 Vorsitzender: Thomas Scharf Gründung: 1994 Sitz: Neu-Ulm Publikation: FVB-Spiegel (im Jahr 1999 nicht erschienen) Der neonazistische FVB wurde 1994 in Nürnberg gegründet. Die Neonazistische Mehrheit der Gründungsmitglieder hatte zuvor der 1993 vom InnenAusrichtung ministerium Baden-Württemberg verbotenen neonazistischen Heimattreuen Vereinigung Deutschlands (HVD) angehört. In der Vergangenheit trat der FVB bei verschiedenen Demonstrationen des "Nationalen Widerstands" als einheitlicher "Schwarzer Block" in Erscheinung. Im September 1998 wurde der ehemalige Bundesvorsitzende Konrad Rückläufige Petratschek wegen Verdachts des Bandendiebstahls festgenommen. Aktivitäten Das Amtsgericht Neuburg a.d. Donau verurteilte ihn unter Einbeziehung von Vorstrafen wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Die Inhaftierung des Bundesvorsitzenden war ein erheblicher Rückschlag für den FVB. Unter dem neuen Vorsitzenden Thomas Scharf gingen die politischen Aktivitäten des FVB zurück. In Bayern trat der FVB im Jahre 1999 öffentlich nicht in Erscheinung. 2.8 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) Der 1958 gegründete, von Dr. Gerhard Frey geleitete DSZ-Verlag in Bedeutendstes München ist weiterhin das bedeutendste rechtsextremistische Proparechtsextremistigandainstrument in Deutschland. Die im Verlag sches Propagandaerscheinenden Wochenzeitungen "Deutsche instrument National-Zeitung" (DNZ) und "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ) wurden wegen stark rückläufiger Verkaufszahlen Anfang September unter der Bezeichnung "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) zusammengelegt. Die wöchentliche Auflage beträgt nunmehr rund 50.000 Exemplare. 52 Rechtsextremismus Unter Schlagzeilen wie "Millionen Türken rein, Milliarden DM raus" und "Bald mehr Ausländer als Deutsche?" vertritt die NZ wie ihre Vorgängerinnen als publizistisches Sprachrohr der DVU deren nationalistische, rassistische und revisionistische Grundhaltung. Die Beiträge sind geprägt von Vereinfachung, Schematisierung und dem Aufbau von Freund-Feind-Bildern. Rassismus "Geschützt sind nach der derzeitigen politischen Rechtsordnung nur Minderheiten wie konkret Juden und Zigeuner, nicht aber das deutsche Mehrheitsvolk." (NZ vom 12. November, Seite 3) Revisionismus "Obgleich das Land Berlin in großer Finanznot steckt ... , sprudeln für die einseitige Beschwörung deutscher Schuld die Millionen munter weiter." (NZ vom 5. November, Seite 2) Antisemitismus "Dr. Nahum Goldmann, damals Vorsitzender des Jüdischen und des Zionistischen Weltkongresses, ging bei der Erlangung von immer mehr Milliarden Wiedergutmachung genial vor und war am Ende selbst ... entzückt über die Vervielfachung der erwarteten Tribute." (NZ vom 24. Dezember, Seite 3) Teilweise werden Meldungen der nicht-extremistischen Presse übernommen; gelegentlich werden diese systematisch umgeschrieben: Fremden"Massive Klagen von Kosovo"Luxus für Kosovo-Flüchtlinge? feindlichkeit Flüchtlingen 'Wir sind dem (...) Die Kosovo-Albaner haben deutschen Staat dankbar für jetzt eine Petition verfaßt, weil seine Gastfreundschaft', sagt T. sie beispielsweise mit 25-Qua- - der Satz ist auch der Petition dratmeter-Zimmern unzufrieden vorangestellt. ... Bis zu sechs sind, ... . Von Dankbarkeit ist Personen zwängten sich unter den 400 Flüchtlingen aus momentan in 25-qm-Zimmern." dem Kosovo nichts zu spüren." (Süddeutsche Zeitung vom (DNZ vom 9. Juli, Seiten 1/2) 25. Juni) 2.9 Nation Europa Verlag GmbH Der Nation Europa Verlag in Coburg wurde 1953 gegründet. Ein Jahr später konstituierte sich der mit den politischen Interessen des Verlags eng verbundene Verein Nation-Europa-Freunde e.V., dem derzeit etwa 200 Mitglieder angehören. Herausgeber der im Verlag erscheinenden Monatsschrift "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" Rechtsextremismus 53 sind die DLVH-Funktionäre Peter Dehoust und Harald Neubauer. Mit Sprachrohr der einer Auflage von 16.000 Exemplaren gehört die Zeitschrift zu den DLVH wichtigsten rechtsextremistischen Theorieorganen. Sie bietet insbesondere Rechtsextremisten eine publizistische Plattform. So veröffentlicht der frühere REP-Bundesvorsitzende Franz Schönhuber in der Zeitschrift regelmäßig seine Kolumne "Aus meiner Sicht". "Nation & Europa" verbreitet sowohl revisionistische als auch rassistische Thesen. Als Strategieorgan tritt die Schrift seit Jahren ohne Erfolg dafür ein, die Zersplitterung der rechtsextremistischen Parteien durch die Orientierung an ausländischen Sammlungsparteien wie dem Front National (FN) in Frankreich und dem Vlaams Blok (VB) in Belgien zu überwinden. Scharfe Kritik galt der derzeitigen REP-Führung, die im Mai mehrheitlich beschlossen hatte, den Parteigliederungen Veranstaltungen mit dem Mitherausgeber der Schrift Harald Neubauer, einem ehemaligen REP-Funktionär, zu untersagen. 3. Organisationsunabhängiger Neonazismus 3.1 Allgemeines Der Neonazismus umfasst alle Aktivitäten und Bestrebungen, die ein offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und auf die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären bzw. totalitären Staats gerichtet sind. Schwerpunktthemen waren wie im Vorjahr die Ausländerund Asylpolitik, die angebliche staatAgitationsliche Verfolgung des "nationalen Lagers" sowie - meist nur gruppenschwerpunkte intern - die Verherrlichung der NS-Diktatur sowie rassistische und antisemitische Agitation. Darüber hinaus führte der Einsatz deutscher Soldaten im Kosovo-Konflikt zu einer verstärkten Betonung des Antiamerikanismus: "Was haben die USA als raumfremde Macht überhaupt in Europa zu suchen? (...) Da muß man sich auch fragen dürfen, für was denn deutsche Soldaten ihr Leben opfern sollen: (...) für die hinter den Vereinigten Staaten stehende Machtelite mit ihren Plänen für die Eine-Welt-Diktatur unter Abschaffung aller Nationen sowie Einebnung aller rassischen, ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede der Völker?" (Der Scheinwerfer Nummer 5/1999) 54 Rechtsextremismus Einige Neonazis betonen derzeit verstärkt die sozialistischen ElemenÖffnung gegente ihrer nationalsozialistischen Überzeugung und öffnen sich dabei über ehemaligen auch ehemaligen Linksextremisten. So propagierte eine seit Frühjahr Linksextremisten 1999 kursierende Schrift eine Anlehnung an ehemalige "linke" Kräfte. Der Autor Thomas Brehl war ein Anhänger des 1991 verstorbenen Neonazis Michael Kühnen, der das NSDAP-Programm von 1920 insbesondere als Forderung nach einer "sozialistischen Volksgemeinschaft" interpretiert hatte. Wie viele andere Rechtsextremisten sieht sich Brehl durch den ideologischen Seitenwechsel ehemaliger "Linker" in seiner Weltanschauung bestätigt. Er spricht sich für eine Zusammenarbeit zwischen "rechten" und "linken" Sozialisten aus und verweist dazu auf Äußerungen von Protagonisten der ehemaligen "68er-Bewegung". So betrachte etwa der frühere RAF-Mitbegründer Horst Mahler die wegen Volksverhetzung oder Leugnung des Holocaust verurteilten Neonazis als politische Gefangene und Märtyrer der nationalen Wiedergeburt. Die von dem bekannten Neonazi Friedhelm Busse herausgegebene Publikation "Nachrichten - Informationen - Meinungen" (NIM) warb Synthese von in der Mai/Juni-Ausgabe für eine Synthese von Nationalismus und Nationalismus Sozialismus. Der Imperialismus der Siegerstaaten und der Kapitaund Sozialismus lismus der Hochfinanz seien die ausbeuterischen Feinde des deutschen Volkes. Sie hätten es in "linke" Sozialisten und "rechte" Nationalisten gespalten. Die unheilvollen Verbindungen von Nationalismus und Kapitalismus sowie Sozialismus und Internationalismus müssten deshalb beendet werden. Dann könne der Zusammenschluss der beiden großen, sich einander bedingenden Grundkräfte Nationalismus und Sozialismus die Kräfte des deutschen Volkes neu sprießen lassen. Solche Appelle von Neonazis für eine Zusammenarbeit mit Linksextremisten fanden jedoch in beiden Lagern nur geringe Resonanz. Erfolglosigkeit Eindeutige Verlierer der seit den Organisationsverboten ab 1992 der Freien Natioanhaltenden Ideologieund Strategiedebatte des "nationalen Lagers" nalisten sind die auch unter der Bezeichnung "Freie Nationalisten" (FN) bekannten "autonomen Kameradschaften". Führenden Neonazis wie Christian Worch und Thomas Wulff aus Hamburg (Freie Nationalisten Norddeutschland) sowie Michael Swierczek aus Augsburg (Freie Nationalisten Süddeutschland) ist es nicht gelungen, ihr Konzept der Vernetzung autonomer nationaler Gruppen attraktiv zu gestalten. Rechtsextremismus 55 Gewinner dieser Debatte sind die NPD und die JN bzw. deren aus dem neonazistischen Lager stammende Führungskader. Diese konnten "rechtsorientierte" junge Menschen, insbesondere Skinheads, mobilisieren und unter dem Dach des "Nationalen Widerstands" integrieren. Die Neonazis, die strikt an der "Vorbildfunktion" des Dritten Reichs festhalten, leiden dagegen unter eigener Inaktivität, Konzeptionslosigkeit, Desinteresse geeigneter Sympathisanten und dadurch bedingter personeller Auszehrung. Das dem neonazistischen Lager zuzurechnende Potenzial hat sich in Rückgang des Bayern seit 1998 von 180 auf rund 120 Personen verringert; davon neonazistischen sind etwa 60 in neonazistischen Organisationen aktiv. Daneben sind Potenzials rund 650 rechtsextremistisch orientierte Skinheads bekannt. Weiterhin bestehen in verschiedenen Regionen Bayerns strukturlose Gruppen mit rechtsextremistischen Verhaltensweisen, die sich aus Skinheads, Neonazis, aber auch aus sonstigen "rechtsorientierten" Jugendlichen zusammensetzen. Hierbei handelt es sich um jugendliche Mischszenen, die sich von rechtsextremistischen Parolen leicht beeinflussen und mobilisieren lassen. Die Anzahl und Auflagenstärke neonazistischer Publikationen stagnierte auf dem Vorjahresniveau. 3.2 Autonome Kameradschaften Nach dem Verbot zahlreicher rechtsextremistischer Organisationen seit 1992 entwickelten führende Neonazis das Konzept strukturloser Zusammenschlüsse, für das alsbald der Begriff der "autonomen Kameradschaften" gebräuchlich wurde. Dadurch sollen staatliche Gegenmaßnahmen erschwert werden. In Bayern existieren noch folgende derartige in ihrem Erscheinungsbild vielfältige Gruppierungen: 3.2.1 Katakombenakademie des Friedhelm Busse Die Katakombenakademie des Friedhelm Busse in München-Putzbrunn ist nur noch eingeschränkt aktiv. Busse selbst trat bundesweit mehrfach als Referent bei Veranstaltungen der NPD und der "Freien Nationalisten" (FN) auf. Er ist Herausgeber der Publikation "Nachrichten - Informationen - Meinungen" (NIM) und Betreiber des Nationalen Info-Telefons Bayern (NIT). Das ehemals um Busse vor- 56 Rechtsextremismus handene Potenzial junger Skinheads und Neonazis hat stark abgenommen, Busse selbst ist zunehmend isoliert. 3.2.2 Freizeitverein Isar 96 e.V. (FZV) Der 1996 gegründete FZV zählt wie im Vorjahr rund 15 Mitglieder, die sich in der Tradition des verstorbenen Neonazis Michael Kühnen sehen. Die Aktivitäten des FZV beschränkten sich auf kleinere Veranstaltungen, interne Stammtische und Grillpartys. An einer vom FZV organisierten Saalveranstaltung mit Horst Mahler beteiligten sich am 3. Juli in München rund 70 Personen aus dem gesamten rechtsextremistischen Spektrum. Der ehemalige RAF-Mitbegründer trug seine aus anderen bundesweiten Auftritten bekannten Thesen eines nationalen Sozialismus vor. 3.3 Informationelle Vernetzung Seit mehreren Jahren nutzen Rechtsextremisten moderne Kommunikationstechniken, insbesondere um die nach den Verboten neonazistischer Organisationen weggefallenen Kontaktmöglichkeiten zu Internet ersetzen. Der Zugriff auf das Internet, das einen weltweiten, rechtlich und tatsächlich schwer fassbaren Raum darstellt, bietet Rechtsextremisten eine willkommene Plattform zur Verbreitung verfassungsfeindlicher Ziele. Zu den Schwerpunkten ihres Angebots gehören einschlägige Literatur und Musik, Propagandamaterialien aus dem Inund Ausland, Informationen über rechtsextremistische Organisationen, deren Postanschriften und Telefonnummern, so genannte "Schwarze Listen" mit den Namen politischer Gegner sowie Verzeichnisse weiterer Internet-Inhalte mit rechtsextremistischen Bezügen. In zunehmendem Maße dient das Internet aber auch der Mobilisierung der rechtsextremistischen Szene. So wurden auf einigen Homepages Flugblätter mit Aufrufen zu verschiedenen Demonstrationen eingestellt. Zunehmende Derzeit sind über 300 deutsche rechtsextremistische Homepages Bedeutung als bekannt, 1998 waren es mehr als 200. Hinzu kommt eine Vielzahl Propagandaträger ausländischer Homepages; die Schätzungen belaufen sich derzeit auf weltweit über 1.400 einschlägige Seiten aus über 30 Staaten. Deutsche Rechtsextremisten werben für ihre verfassungsfeindlichen Ziele mit immer anspruchsvollerer Technik. So binden sie aufwendige Gra- Rechtsextremismus 57 fiken ein und bieten sogar indizierte Skinhead-Musik über Tondateien an, die auf dem heimischen PC gespeichert und vervielfältigt werden können. Die attraktiven Gestaltungsmöglichkeiten des Internet-Bereichs "world wide web" (www) mit Farbgrafiken, Audiound Videosequenzen machen dieses kostengünstige Medium für rechtsextremistische Organisationen zu einem wichtigen Werbeund Propagandaträger, mit dem sich ungefiltert neue Interessentenkreise, vor allem Jugendliche, ansprechen lassen. Dem Internet kommt daher bei der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts sowie bei der Koordinierung von Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene eine weiterhin steigende Bedeutung zu. Die zunehmende Anonymisierung der Homepage-Benutzer und die Strafbare Inhalte Nutzung ausländischer Provider (z.B. in den USA) erschweren die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden. So halten sich Rechtsextremisten, die ihre politischen Inhalte über Dienste in Deutschland anbieten, im Allgemeinen an die deutschen Gesetze. Bei Nutzung ausländischer Anbieter, beispielsweise in Übersee, geben sie ihre Zurückhaltung auf. So werden rassistische, revisionistische und volksverhetzende Aufrufe verbreitet, etwa durch den kanadischen Revisionisten Ernst Zündel, dessen Propaganda auch per Tonund Videosequenzen abrufbar ist. Zum rechtsextremistischen Internetspektrum zählen ferner detaillierte Anleitungen zur Herstellung von Sprengund Brandsätzen sowie sonstiger Sabotagemittel, aber auch gezielte Aufforderungen zur Gewaltanwendung gegen politische Gegner bis hin zu Mordaufrufen. Allerdings sind selbst anonyme Homepage-Benutzer identifizierbar, wenn auch mit großem Aufwand. Strafbare Inhalte führten daher wiederholt zu Strafverfahren. So rief ein rechtsextremistischer Skinhead aus Baden-Württemberg unter der Bezeichnung "Davids Kampftruppe" im Internet dazu auf, gegen eine Belohnung von 10.000 DM "unsere Lieblings-Zecke" zu töten. Den gleichen Betrag setzte er für die Ermordung eines Lehrlings aus, der mit "Russen und anderem Gesindel" verkehre und gegen Nazis hetze. Bei einer Durchsuchung am 22. Juni stellte die Polizei eine Datei mit einem Mordaufruf und weiteres strafrechtlich relevantes Beweismaterial sicher. Neonazis und Skinheads in Bayern verfügen allerdings nur in Ausnahmefällen über eigene Internet-Homepages. Der informationellen Vernetzung von Rechtsextremisten dienen auch Nationale die Nationalen Info-Telefone (NIT), die mittels Anrufbeantworter MelInfo-Telefone dungen verbreiten und die Möglichkeit bieten, Nachrichten zu hinter- 58 Rechtsextremismus lassen. Sie mobilisieren die rechtsextremistische Szene insbesondere zu bestimmten Anlässen, so zur verbotenen Maikundgebung der NPD in Bremen und zu Demonstrationen gegen die "Wehrmachtsausstellung". Daneben fungieren die NIT auch als eine Art Binde-Element und Motivationsinstrument innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Das von dem Münchener Neonazi Friedhelm Busse betriebene Nationale Info Telefon Bayern (NIT-Bayern) hat sich inzwischen in der rechtsextremistischen Szene etabliert. Busse agitiert im NIT-Bayern nach wie vor massiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und ruft regelmäßig zur Teilnahme an Veranstaltungen des rechtsextremistischen Spektrums auf. In einem Beitrag zum Jahrestag des 9. November 1939 kritisierte er den "feigen Bombenanschlag" auf Adolf Hitler. Die größere Attraktivität und Breitenwirksamkeit des Internet trug Mailboxen letztlich dazu bei, dass die Mailboxen ihre einstige Bedeutung als Kommunikationsmedium verloren. Die Mailbox-Systeme Thule-Netz und Nordland-Netz stellten im Sommer 1999 ihre Aktivitäten ein. 3.4 Aktivitäten zum 12. Todestag von Rudolf Heß Anlässlich des zwölften Todestages von Rudolf Heß initiierte das neonazistische Spektrum in der Zeit vom 9. bis 22. August "Rudolf-Heß-Aktionswochen". Anders als in früheren Jahren bildete sich kein zentrales Organisationskomitee; auch länderübergreifende Absprachen zwischen führenden Neonazis kamen nicht zustande. Insgesamt blieb die Beteiligung an den Aktionswochen relativ Erneutes schwach. Mit dem Ausbleiben effektvoller Versammlungen scheiterte Fehlschlagen auch die diesjährige Strategie der Initiatoren, mit dezentraler Organisation Maßnahmen der Sicherheitsbehörden zu unterlaufen. Vereinzelte Demonstrationen außerhalb Bayerns, an denen sich jeweils bis zu 50 Personen beteiligten, wurden meist schon im Ansatz unterbunden. So verhinderte die Polizei am 17. August, dem Todestag von Heß, Aufmärsche in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Schleswig-Holstein. Bereits am 14. August hatten sich vor der deutschen Botschaft in Bern/Schweiz rund 150 Neonazis, darunter auch deutsche Staatsangehörige, zu einer Heß-Kundgebung versammelt. Eine ähnliche Veranstaltung am 21. August in Prag wurde von der Polizei aufgelöst. Gemessen an den Zielen sind die Aktionswochen daher auch dieses Jahr fehlgeschlagen. Rechtsextremismus 59 In Bayern kam es lediglich zu kleinen Einzelaktionen. Im Landkreis Aschaffenburg wurden Plakate mit dem Aufdruck "Unserem toten Helden Rudolf Heß zum ewigen Gedächtnis" geklebt. An einem Brückengeländer bei Roding, Landkreis Cham, wurde ein Transparent mit der Aufschrift "Rudolf Heß - Das war Mord!" angebracht. In Neustadt b. Coburg wurden Heß-Aufkleber festgestellt. Auf dem Friedhof von Wunsiedel legten vier schwarzgekleidete Männer ein Blumenbukett zum Gedenken an Heß nieder. 3.5 Strafverfahren Am 14. Oktober verhängte das Landgericht Ingolstadt gegen einen Neonazi aus dem Raum Ingolstadt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren Haftstrafe für und acht Monaten wegen Verstoßes gegen das Waffenund das Neonazi wegen Kriegswaffenkontrollgesetz. Ein Mittäter aus Rheinland-Pfalz wurde Waffenbesitzes unter Einbeziehung von Vorstrafen zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen einen weiteren Beteiligten verhängte das Amtsgericht Neuburg a.d. Donau am 19. Oktober eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten mit Bewährung. Bei einer umfangreichen Exekutivmaßnahme hatte die Polizei am 24. Juni 1998 Schusswaffen, Handgranaten und Munition sichergestellt. Der ursprüngliche Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung bestätigte sich indes nicht (vgl. auch Verfassungsschutzbericht Bayern 1998, Seite 51 f.) Das Amtsgericht Grevesmühlen/Mecklenburg-Vorpommern verurteilte am 2. Dezember den bekannten Neonazi Manfred Roeder zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Volksverhetzung. Roeder hatte am 22. August 1998 auf einer Wahlkampfveranstaltung der NPD den Völkermord an den Juden geleugnet. 3.6 Skinheads Die Skinhead-Bewegung entstand in Großbritannien und trat erstmals Ende der 70er Jahre auch im Bundesgebiet in Erscheinung. Sie war ursprünglich eine jugendliche Subkultur, die durch ihr Auftreten eine extreme Ablehnung der bürgerlichen Gesellschaft signalisierte. Äußerlichkeiten wie Kleidung oder Haarschnitt lassen heute keine eindeutigen Schlüsse auf eine Zuordnung zur Skinhead-Szene mehr zu, da mittlerweile auch viele unpolitische Jugendliche ein entspre- 60 Rechtsextremismus chendes Aussehen zeigen. Entscheidend für die Einbindung in die Skinhead-Szene ist daher in erster Linie das Zugehörigkeitsgefühl. Weltanschauung Skinheads sind häufig zu keiner rational bestimmten politischen Meiund Politikvernungsbildung fähig und deshalb an einer fundierten politischen Ausständnis einandersetzung kaum interessiert. In ihren Kreisen hat sich eine vom organisierten Rechtsextremismus unabhängige diffuse rechtsextremistische Weltanschauung herausgebildet. Sie ist vielfach von rassistisch motivierter Fremdenfeindlichkeit sowie übersteigertem Nationalbewusstsein geprägt und knüpft insofern an wesentliche Elemente des Nationalsozialismus an. Diese Einstellung spiegelt sich in meist spontanen, zum Teil gewaltsamen Aktionen wider, wobei häufig Alkohol eine Rolle spielt. Mögliche Jugendliche suchen bei Skinheads eine Art von Geborgenheit in Form Einstiegsmotive von Kameradschaft, Zusammenhalt, Selbstwertgefühl, Identität und für Jugendliche Stärke. Die rechtsextremistische Skinhead-Szene erfährt seit Jahren verstärkt Zulauf durch Jugendliche, die sich für Skinhead-Musik als Stilrichtung der Rockmusik interessieren. Dieser Bereich ist somit auch für unpolitische Jugendliche attraktiv. Daneben finden Jugendliche Spaß an dem in dieser Szene üblichen exzessiven Lebensgenuss einschließlich des enormen Alkoholkonsums unter dem Motto "Fun & Froide". Die Grenzen zur rechtsextremistischen Skinhead-Szene sind vielfach fließend. Die Skinhead-Szene unterliegt einer starken Fluktuation und kennt in der Regel weder feste Organisationsstrukturen noch formelle Mitgliedschaften. Die Bindungen zur Gruppe reichen von losen gelegentlichen Kontakten über regelmäßige Beteiligung an Aktionen bis zur vollen sozialen Integration oder der Wahrnehmung von Führungsfunktionen. Gruppen in In Bayern sind rund 650 Skinheads mit rechtsextremistischem HinterBayern grund bekannt. Im Jahr 1999 entstanden im Raum Altötting, Freising und Zwiesel neue Szenen, in denen rechtsextremistisches Gedankengut artikuliert wird. Andererseits lösten sich in den Räumen Erlangen, Regensburg, Schweinfurt, Neumarkt, Beilngries und Neu-Ulm Gruppen teilweise oder ganz auf. Von den Anhängern des 1996 verbotenen Vereins "Skinheads Allgäu" sind nur noch wenige auf örtlicher Bestandskräftiges Ebene aktiv. Das Vereinsverbot wurde am 4. August durch den BayeVereinsverbot rischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt. Das Gericht stellte fest, der Verein habe sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sowie nationalsozialisti- Rechtsextremismus 61 Rechtsextremistische Skinhead-Szenen in Bayern 1999 Coburg Raum Oberfranken Aschaffenburg ca. 80 Bayreuth Würzburg Raum Unterfranken ca. 50 Nürnberg Großraum Nürnberg/Erlangen ca. 140 Regensburg Angehörige der Großraum Skinhead-Szenen Ingolstadt ca. 60 Ingolstadt Passau Landshut Raum Passau/ Vilshofen Neu-Ulm Augsburg ca. 40 Großraum München München ca. 200 Großraum Raum Rosenheim/ Rosenheim Freilassing Allgäu ca. 40 ca. 50 sches und antisemitisches Gedankengut verbreitet. Endgültig aufgelöst hat sich die Gruppe Skinheads Schwaben, einzelne Anhänger sind allerdings noch in Memmingen, Kempten und Neu-Ulm aktiv. Die Räume München, Nürnberg und Passau waren Schwerpunkte der von Skinheads begangenen Gewalttaten. Eine besonders gewaltgeneigte Teilszene in München zerfiel nach der Festnahme von fünf führenden Mitgliedern. Skinheads dienen rechtsextremistischen Organisationen vor allem als Mobilisierungspotenzial für öffentlichkeitswirksame Aktionen. Wenn 62 Rechtsextremismus Skinheads an Demonstrationen rechtsextremistischer Parteien teilnehmen, werden sie weniger durch eindeutig politische Motive geleitet, sondern finden sich in der Hoffnung auf emotionale Gemeinschaftserlebnisse und Randale zusammen. Grundsätzlich herrscht in der Szene eine Abneigung gegen organisatorische Bindungen. AllerKontakte zu NPD dings werden Aktionen der NPD und JN von Skinheads mitunter masund JN siv unterstützt; frühere Vorbehalte der Skinheads gegenüber diesen Organisationen haben stark abgenommen. In Eggenfelden beteiligten sich Skinheads an einer Veranstaltung der NPD. Enge Kontakte bestanden in Ingolstadt und Rosenheim zwischen den dortigen Skinhead-Szenen und den JN. Versuche von Neonazis, Skinheads für eine längerfristige ernsthafte politische Tätigkeit zu gewinnen, waren bislang wenig erfolgreich, da Skinheads einer intensiven ideologischen Schulung kaum zugänglich sind. Für rechtsextremistisch motivierte Versuche von Skinheads, auf Hooligans Einfluss zu nehmen, gibt es derzeit keine Anhaltspunkte; allerdings bestehen einzelne Kontakte zwischen den jeweiligen Szeneangehörigen. Einfluß der Rechtsextremistische Skinhead-Bands verbreiten in ihren Liedtexten Skinhead-Bands neonazistische Ideologiefragmente und rufen zum Hass gegen Skinhead-Feindbilder wie Ausländer, "Linke" und Juden auf. In Bayern treten derzeit zehn derartige Musikgruppen auf. Skinhead-Musik wird daneben auch von sieben rechtsextremistischen Tonträgervertrieben angeboten. Führend ist dabei die der NPD angegliederte Deutsche Stimme Verlags GmbH. Nach der Betriebsaufgabe eines Szenelokals in Oberfranken im Juli 1998 ist die Zahl der Skinhead-Konzerte in Bayern gegenüber dem Vorjahr von 21 auf zwölf zurückgegangen. Die Sicherheitsbehörden treffen bei solchen Konzerten nach wie vor die erforderlichen Maßnahmen, um Straftaten zu verhindern. Im Berichtszeitraum waren insbesondere folgende Veranstaltungen erwähnenswert: Skinhead-KonAn einem Skinhead-Konzert am 29. Mai in Berching, Landkreis Neuzerte in Bayern markt i.d. OPf., beteiligten sich rund 500 Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Die über Telefonketten mobilisierten Teilnehmer wurden mit Handys konspirativ zum Veranstaltungsort dirigiert. Aus Bayern trat die Gruppe "Sturmtrupp" aus Neuburg a.d. Donau auf. Zu den Mitwirkenden gehörten ferner die rechtsextremistischen Bands "Ultima Ratio" aus Stuttgart sowie "Mistreat" aus Finnland und "Gesta Bellica" aus Italien. Bei Kontrol- Rechtsextremismus 63 len stellte die Polizei neonazistische Schriften und zahlreiche Skinhead-Publikationen mit fremdenfeindlichem Inhalt sicher. Rund 110 Skinheads aus Bayern und Baden-Württemberg trafen sich am 25. Juni zu einer Feier in einem Lokal in Bruckmühl, Landkreis Rosenheim. An der Veranstaltung beteiligten sich auch örtliche NPDund JN-Funktionäre. Bei Vorkontrollen konnten 90 mit Hakenkreuzen versehene CDs und ein Baseballschläger sichergestellt werden. Zu einem Skinhead-Konzert am 26. Juni auf einem Sportplatz in Großheirath, Landkreis Coburg, erschienen rund 250 Besucher. Neben der deutschen rechtsextremistischen Band "Stahlgewitter" traten die britischen Skinhead-Bands "Blackshirts", "Razor's Edge" und "No Remorse" auf. Unter den Anwesenden befanden sich auch Anhänger der militanten britischen Neonazi-Gruppe "Combat 18". Am 27. November fand in Friedenfels, Landkreis Tirschenreuth, ein als Geburtstagsfeier getarntes Skinhead-Konzert mit rund 300 Teilnehmern statt. Die Polizei löste die konspirativ vorbereitete Veranstaltung auf und nahm 267 Personen vorübergehend fest. Außerdem stellten die Beamten einen Schlagring, ein Springmesser, Reizgas und rechtsextremistisches Propagandamaterial sicher. Neben der Skinhead-Musik sind die "Fanzines" (Skinhead-Magazine) "Fanzines" ein wichtiges Kommunikationsmittel der Szene. Diese Magazine berichten über Skinhead-Bands, Skinhead-Konzerte und Szene-Neuigkeiten. Die Publikation "Frankens Widerstand" aus Iphofen, Landkreis Kitzingen, enthält daneben auch politische Beiträge zu neonazistischen Themen. 4. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 4.1 Gewalttaten Bundesweit wurden 746 Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation gegenüber 708 Gewalttaten des Vorjahrs festgestellt. In Bayern betrug die Gesamtzahl der Gewalttaten 56 (1998: 40); das sind rund 7,5 % der bundesweit Zunahme der registrierten Delikte. Bayern liegt damit, bezogen auf die EinwohnerGewalttaten zahl, im Ländervergleich im unteren Bereich. Die erhebliche Zahl der Gewalttaten im Rechtsextremismus belegt weiterhin die hohe kriminelle Energie und extreme Gewaltbereitschaft insbesondere von Skinheads. 64 Rechtsextremismus Entwicklung 790 rechtsextremis800 746 tisch motivier708 ter Gewalttaten 700 600 500 400 300 200 100 39 40 56 0 1997 1998 1999 Deutschland Bayern Erstmals seit 1988 verübten Rechtsextremisten in Bayern wieder ein Fremdenfeindvollendetes Tötungsdelikt. Am 29. September verstarb ein 35-jähriger liches TötungsMosambikaner an den Folgen seiner schweren Verletzungen, die ihm delikt ein 31-jähriger Deutscher am 15. August in Kolbermoor, Landkreis Rosenheim zugefügt hatte. Der Farbige war zufällig Opfer dieser Gewalttat geworden. Der Haupttäter hatte am Abend des 15. August zusammen mit seiner Freundin und einem weiteren Begleiter ein Lokal besucht. Beim Verlassen des Lokals geriet er mit anderen Farbigen, die den PKW seiner Freundin zugeparkt hatten, in Streit und griff diese tätlich an. Dabei äußerte er: "Die Drecksneger gehören alle totgeschlagen". Die Angegriffenen konnten flüchten. Im Anschluss daran griff er den erst jetzt aus dem Lokal kommenden Mosambikaner mit Faustschlägen und Fußtritten massiv an. Das Opfer erlitt schwerste Gehirnverletzungen, denen es schließlich erlag. Auch bei der polizeilichen Vernehmung unterstrich der Täter seine rechtsextremistische und fremdenfeindliche Einstellung. Massive Straftaten Auf die 56 Gewalttaten entfallen das vorgenannte Tötungsdelikt, ein Brandanschlag und zwei Fälle des Landfriedensbruchs. Von 36 im Vorjahr auf 52 Delikte zugenommen haben die Körperverletzungen. Diese Entwicklung ist auch auf eine erhebliche Steigerung der Gewalttaten bei Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern zurückzu- Rechtsextremismus 65 führen. 15 Delikte (Vorjahr : sechs) sind diesem Bereich zuzurechnen. Diese Zunahme ist offenbar die Reaktion auf die in Bayern seit Jahren andauernden massiven Angriffe von Linksextremisten auf Rechtsextremisten und deren Veranstaltungen. Die Auseinandersetzungen zwischen beiden verfeindeten Lagern drohen weiter zu eskalieren. So sind auf beiden Seiten wieder verstärkt gezielte Aufrufe und Steckbriefe zu Angriffen auf die politischen Gegner bekannt geworden (vgl. auch Nummer 3.3 dieses Abschnitts und Nummer 3.1.6.1 des 4. Abschnitts). Diese Entwicklung ist besorgniserregend. Darüber hinaus ist auch die Zahl der fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten erneut angestiegen. Insgesamt sind diesem Deliktsbereich 31 Gewalttaten, darunter das Tötungsdelikt in Kolbermoor, 28 Körperverletzungen, ein Brandanschlag und ein Landfriedensbruch (1998: insgesamt 23 Gewalttaten) zuzurechnen. Im Gegensatz zu den Gewalttaten hat die Zahl der sonstigen fremdenfeindlich motivierten Straftaten ohne Anwendung physischer Gewalt, wie Bedrohungen und Nötigungen sowie der Propagandadelikte deutlich von 198 im Jahr 1998 auf 167 und damit um etwa 15 % abgenommen. Die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten sind zu über 90 % Hoher Anteil der äußerst gewaltbereiten Skinhead-Szene zuzurechnen. Dies zeigt von Skinheads die erschreckende kriminelle Energie und Brutalität dieses Personenkreises. Von 152 ermittelten Tatverdächtigen waren 119 zur Tatzeit jünger als 21 Jahre. Der Anteil der erstmals in Erscheinung getretenen Gewalttäter liegt bei 58 % (89 Tatverdächtige). Die Gewalttaten wurden ganz überwiegend nicht von Einzeltätern allein, sondern zusammen mit anderen Gruppenmitgliedern begangen. Dabei entstand der Tatentschluss vielfach spontan aus gruppendynamischen Prozessen, gefördert durch Alkohol und Musik mit rechtsextremistischem Inhalt. Räumliche Schwerpunkte waren die Großstadtregionen München und Nürnberg sowie der Großraum Passau. Das typische Ablaufmuster für rechtsextremistisch motivierte Gewalt ist gleich geblieben. Gewalt geht überwiegend von Personen aus, die nicht in politischen Gruppen oder Parteien organisiert sind. Eine überregionale Steuerung durch rechtsextremistische Organisationen Keine rechtskonnte in keinem Fall festgestellt werden. Rechtsterroristische Strukterroristischen turen in Art einer "Braunen Armee Fraktion" sind in Deutschland Strukturen in nicht bekannt geworden. Konkrete Erkenntnisse über Planungen von Deutschland Terroranschlägen liegen nicht vor. Auch eine Strategiedebatte über eine gewaltsame Beseitigung des politischen und gesellschaftlichen 66 Rechtsextremismus System in Deutschland findet im rechtsextremistischen Lager derzeit Exekutivnicht statt. Durch intensive Beobachtung und rechtzeitige Exekutivmaßnahmen maßnahmen konnten rechtsextremistische Gruppen, die Waffen oder Sprengstoff zur Durchführung von Gewalttaten vorrätig hielten oder beschafften oder durch Ausspähungen derartige Taten gezielt vorbereiteten, bereits in der Entstehungsphase zerschlagen werden. So durchsuchte die Polizei am 20. und 26. Oktober wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung in den Ländern Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zehn Wohnungen von Angehörigen der neonazistischen Szene. Ihnen wird in unterschiedlicher Tatbeteiligung vorgeworfen, zur Vorbereitung von Straftaten politische Gegner und Bedienstete von Strafverfolgungsbehörden gezielt ausgespäht und die Daten aufbereitet zu haben. Bei den Durchsuchungen wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, darunter auch eine Anleitung zum Bau von Splitterbomben. Bei einer weiteren Exekutivmaßnahme gegen vier Neonazis am 30. November im Raum Göttingen wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung konnte die Polizei Chemikalien, Anleitungen und Vorrichtungen zum Bau von Sprengvorrichtungen sicherstellen. In beiden Fällen sind bisher keine Verbindungen zu Bayern bekannt. Beispiele der 1999 verübten Gewalttaten: Gewalttaten In Erlangen belästigten und beleidigten am 23. Januar drei Skinin Bayern heads, darunter ein Bosnier, in einer Gaststätte drei Mädchen, darunter eine Farbige, und schlugen anschließend auf sie ein. Bei der tätlichen Auseinandersetzung erlitt auch ein Angestellter der Gaststätte Verletzungen. Bei der Festnahme leisteten die angetrunkenen Täter Widerstand, wodurch ein Polizeibeamter ebenfalls verletzt wurde. Am 25. Januar griffen in München im Westpark sieben unbekannte Täter in Skinhead-Outfit zwei Schülerinnen ausländischer Herkunft an. Die Mädchen wurden mit ausländerfeindlichen Parolen beschimpft, geschlagen und mit Stiefeln getreten. Am 26. Februar versuchten unbekannte Täter, mittels Papier den Fußabstreifer vor der Wohnung einer Türkin in München anzuzünden. Auch in den Briefkasten warfen sie brennendes Papier. Außerdem brachten sie am Briefkasten die Parole "Türken raus" an. Es entstand leichter Sachschaden. In Nürnberg griffen am 26. Februar zwei stark angetrunkene Skinheads hinterrücks einen Mann an, der dem äußeren Anschein Rechtsextremismus 67 nach aus Nordafrika stammte. Sie schlugen ihn unvermittelt mit Fäusten, rissen ihn zu Boden und traten mit Füßen auf den am Boden Liegenden ein. Der Geschädigte entfernte sich vor dem Eintreffen der Polizei. In München beleidigten am 28. Februar drei alkoholisierte Skinheads einen Türken mit fremdenfeindlichen Parolen. Einer von ihnen versetzte dem Türken ohne Vorwarnung einen Faustschlag ins Gesicht. Als das Opfer schützend seine Arme vor das Gesicht nahm und sich nach vorne beugte, schlugen zwei der Täter auf den Geschädigten ein. Die Angreifer konnten noch in der Nähe des Tatorts festgenommen werden. In einer Coburger Gaststätte bespuckte und beleidigte am 12. März ein Deutscher einen Gesprächspartner, der sich während einer politisch kontroversen Diskussion als DKP-Befürworter zu erkennen gegeben hatte. Der Täter soll ferner bei der Diskussion den nationalsozialistischen Massenmord an Juden während des Zweiten Weltkriegs geleugnet und auf dem Nachhauseweg seinen Kontrahenten so zu Boden gestoßen haben, dass sich dieser einen Oberarmbruch zuzog. Am 17. März verfolgten in Regensburg zwei Skinheads mit ihrem Fahrzeug einen PKW, in den ein Schwarzafrikaner zugestiegen war. Bei verkehrsbedingten Stopps bedrohten die Täter die Insassen des PKW mit einer Schreckschusswaffe und deuteten die Abgabe von Schüssen an. Bei einem weiteren Halt stieg einer der Täter aus, bedrohte die Opfer mit einem Messer und beschimpfte den Fahrer als "Niggerfreund". Die Täter konnten festgenommen werden. In einer Münchner Gaststätte, die als Treffpunkt des linksextremistischen Spektrums bekannt ist, pöbelten am 9. April zwei Skinheads die Gäste an und riefen "Heil Hitler". Ein Skinhead bedrohte mehrere Gäste mit einem Werkzeug und versetzte einem weiblichen Gast einen Faustschlag ins Gesicht. Auch bei ihrer Festnahme skandierten die Skinheads "Sieg Heil" und "Hitler ist unser Führer". Am 30. April wurden in Passau drei irakische Asylbewerber von vier zum Teil alkoholisierten Skinheads mit Parolen wie "Kanaken", "Scheiß Ausländer" und "Sieg Heil" beleidigt und anschließend mit Fußtritten und Steinwürfen traktiert. Des weiteren raubten die Skinheads ein Handy und einen Rucksack. Am 1. Mai zogen in Ingolstadt zwölf Skinheads aus Verärgerung über das Verbot einer NPD-Kundgebung in Bremen, an der sie teilnehmen 68 Rechtsextremismus wollten, durch die Innenstadt. Dabei riefen sie Parolen wie "Hier marschiert der nationale Widerstand" und "Ausländer raus" und zeigten den Hitlerund den Kühnengruß. In der Nähe des Rathausplatzes kam es zu gegenseitigen verbalen Provokationen und schließlich zu körperlichen Auseinandersetzungen mit einer Gruppe von Russlanddeutschen. Ein Übersiedler aus Kasachstan erlitt dabei eine Platzwunde am Kopf und Prellungen am Körper. Am 11. Mai sangen in München zwei Skinheads in der S-Bahn "rechtes Liedgut". Beim Verlassen der S-Bahn rief ein Student den Skinheads "Nazis raus" zu. Daraufhin stiegen die beiden Skinheads ebenfalls aus und schlugen und traten gemeinsam auf den Studenten ein. Dieser erlitt Verletzungen im Gesicht und am linken Oberschenkel. Am 19. Juni beschimpften in Kempten Skinheads drei ausländische Jugendliche mit "Kanaken" und "Juden". Daraus entwickelte sich eine Schlägerei. Ein Skinhead und zwei ausländische Jugendliche wurden verletzt. Am 2. Juli schlug bei einem Schulabschlussfest in Aresing, Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, ein Skinhead einem dunkelhäutigen Deutschen eine Bierflasche auf den Kopf. Der Angegriffene wurde erheblich verletzt. Am 6. Juli ging in Höchstadt a.d. Aisch, Landkreis Erlangen-Höchstadt, ein Skinhead plötzlich auf einen dunkelhäutigen Schüler und seinen Begleiter los, schlug die beiden mit den Köpfen zusammen und trat mit seinen Springerstiefeln nach ihnen. Als die Angegriffenen wegrannten, verfolgte er sie, schlug erneut auf beide ein und trat anschließend auf den am Boden liegenden Schüler mit Stiefeln ein. Am 25. Juli griffen etwa zehn Skinheads in Vilshofen, Landkreis Passau, eine Schülerin, die mit einem Mofa unterwegs war, tätlich an. Die Skinheads hielten die Jugendliche, die dem Anschein nach als Punk zu erkennen war, auf, nahmen ihr den Zündschlüssel weg, schlugen mit Fäusten auf ihren Sturzhelm ein und traten sie mit Füßen. Mit einem Messer schnitten die Skinheads die roten Schuhbänder der Stiefel des Mädchens und das T-Shirt mit der Aufschrift "Gegen Nazi" auf, rissen ihr das Hemd vom Körper und verbrannten das Kleidungsstück. Am 16. August hetzten zwei Skinheads in München grundlos ihre Hunde (Rottweiler) auf zwei Punks. Die Punks erlitten Bisswunden. Rechtsextremismus 69 Am 18. September griff in München eine Gruppe von acht Skinheads einen farbigen Deutschen an. Dabei zeigten sie mehrmals den Hitlergruß und riefen "Sieg Heil". Sie beschimpften den Angegriffenen als "Neger" und "Negerschwein", rissen ihn zu Boden und traten ihn in den Kopfund Brustbereich. Auch zwei Passanten, die dem Opfer helfen wollten, wurden angegriffen und von den Skinheads verletzt. Am 6. November lauerten in Vilshofen, Landkreis Passau, zehn Skinheads, die zuvor an einer Versammlung der NPD in Rosenheim teilgenommen hatten, am Bahnhof zurückkehrenden Gegendemonstranten zu dieser Veranstaltung auf. Dabei griffen sie drei von ihnen erkannte Personen tätlich an und verletzten sie erheblich. Am 4. Dezember pöbelten in Nürnberg zwei angetrunkene Skinheads zwei Iraker an. Die Skinheads beschimpften die Opfer zunächst mit ausländerfeindlichen Parolen. Anschließend schlugen und traten sie auf die beiden Iraker ein. 4.2 Sonstige Straftaten Die Gesamtzahl der in Bayern bekannt gewordenen sonstigen neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Straftaten beträgt 970. Sie ist gegenüber 1998 mit 1.009 derartigen Delikten leicht zurückgegangen. Dabei handelte es sich wie im Vorjahr vielfach um Sachbeschädigung, Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung und insNS-Kennzeichen besondere das Verbreiten von Propagandamitteln bzw. Verwenden und Volksvervon Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. So wurden hetzung Hakenkreuzaufkleber mit Aufschriften wie "Judentyrannei brechen" und Flugblätter einer Aktion "Keine Lügen mehr über Auschwitz" festgestellt, Parolen wie "Sieg Heil" und "Ausländer raus" gerufen und antisemitische Pamphlete verbreitet. Anonyme Schmierschriften wie "Heil Hitler", "Deutschland den Deutschen", "Wir werden ewig leben - NSDAP" und "Türken, Araber und Griechen - ich kann den Abschaum nicht mehr riechen" wurden vielfach in Verbindung mit Hakenkreuzen und SS-Runen angebracht. Beispiele für die im Berichtszeitraum verübten Straftaten sind folgende Vorfälle: Am 24. Januar wurde der israelitische Friedhof in Gerolzhofen, Landkreis Schweinfurt, mit Hakenkreuzen, SS-Runen und der Parole "Sieg Heil" besprüht. 70 Rechtsextremismus Unbekannte Täter brachten in der Nacht zum 18. Mai bei Bruckmühl im Landkreis Rosenheim an einer Staatsstraße, auf der zwei Tage zuvor fünf Türken tödlich verunglückt waren, ein Schild mit folgenden Aufschriften an: "Wir danken Hakki !" (Lenker des Unfallwagens) ... Die Moral der Geschicht - Tote Türken stören nicht!" Fünf Monate später wurde ein an der Unfallstelle errichteter Gedenkstein beschädigt; dabei wurden die darauf angebrachten Bilder der Verstorbenen und die türkische Fahne zerstört. Unbekannte Täter ritzten am 25. Juni in die Tür der Synagoge in Ermreuth, Landkreis Forchheim, ein Hakenkreuz und zwei SS-Runen. An einen Baum vor dem Anwesen wurden weitere Hakenkreuze geschmiert. Eine von einem ausländischen Provider in englischer Sprache ins Internet eingestellte Homepage zielte speziell auf minderjährige Nutzer. Das Angebot enthielt das im Dritten Reich als Lehrmittel verwendete antisemitische Buch "Der Giftpilz", das im Stürmer-Verlag des Julius Streicher erschienen war. Unbekannte Täter zerstörten in der Nacht zum 14. November am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Passau einen Kranz, den der Oberbürgermeister bei einer Gedenkveranstaltung zum 61. Jahrestag des nationalsozialistischen Judenpogroms niedergelegt hatte. In der Nacht zum 26. Dezember warfen unbekannte Täter den Gedenkstein für eine ehemalige Synagoge in Bad Königshofen i. Grabfeld um, dabei zerbrach der Stein in mehrere Teile. Der Sachschaden beträgt rund 3.000 DM. 5. Revisionismus 5.1 Ziele Versuch einer Der Revisionismus, der die Geschichtsschreibung über die Zeit des Rehabilitierung Dritten Reichs ändern will, ist zu einem Bindeglied zwischen den des Nationalunterschiedlichsten rechtsextremistischen Strömungen geworden. sozialismus Seinen Repräsentanten geht es allerdings nicht um die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern gezielt um die mittelbare Rechtfertigung bzw. Aufwertung der nationalsozialistischen Rechtsextremismus 71 Gewaltherrschaft durch einseitige, relativierende oder verharmlosende Darstellung des NS-Regimes. Im Mittelpunkt der revisionistischen Agitation stehen die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmords an europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager während des Zweiten Weltkriegs (Holocaust) sowie die Behauptung, Deutschland trage keine Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Auf diese Weise soll das auf seriöser Forschung beruhende Geschichtsbild propagandistisch unterminiert werden, um die Deutschen von einem vermeintlich aufgezwungenen "Schuldkomplex" zu befreien. Revisionisten machen sich zunutze, dass das Wissen über den Nationalsozialismus vor allem bei Jugendlichen oft nur bruchstückhaft vorhanden ist. 5.2 Entwicklung und Träger der Revisionismus-Kampagne Revisionismus war von Anfang an eine internationale Erscheinung, wobei der Anstoß zunächst aus Frankreich und den USA kam. Seit Beginn der 50er Jahre erschien eine große Anzahl von Büchern, die den historischen Nachweis führen wollten, dass es entgegen der Feststellung seriöser Forscher und Zeitzeugen keine Tötung von Juden in Gaskammern gegeben habe. Hervorzuheben ist hierbei das 1989 veröffentlichte "Gutachten" des Amerikaners Fred A. Leuchter, wonach "Leuchter-Bericht" es in Auschwitz und einigen anderen Konzentrationslagern aufgrund der technischen Gegebenheiten nicht möglich gewesen sei, Menschen in Gaskammern zu töten. Dieselbe Behauptung stellte der Diplomchemiker Germar Scheerer geb. Rudolf, ein ehemaliges REP-Mitglied, "Rudolfin seinem 1994 verbreiteten "Gutachten über die Bildung und NachGutachten" weisbarkeit von Zyanidverbindungen in den 'Gaskammern' von Auschwitz" auf. Die international aktivsten Revisionisten weichen zunehmend in Länder aus, in denen Strafbestimmungen gegen das Verbreiten und die Veröffentlichung revisionistischen Gedankenguts fehlen. So setzte sich der deutsche Revisionist Germar Scheerer im Frühjahr 1996 nach einer Verurteilung u.a. wegen Volksverhetzung ins Ausland ab, wo er seine revisionistische Agitation fortsetzte. Derzeit hält er sich in Großbritannien auf. Der wohl bekannteste Vertreter des Revisionismus ist der internatioDavid Irving nal agierende britische Schriftsteller David Irving, der 1993 aus Deutschland ausgewiesen wurde. Gegen ihn besteht seither ein Einreiseverbot. 72 Rechtsextremismus Ein weiterer Protagonist des Revisionismus ist der deutsche StaatsanErnst Zündel gehörige Ernst C. F. Zündel, der 1958 nach Kanada übersiedelte. In Toronto besitzt Zündel den Verlag Samisdat Publishers Ltd. Er unterhält internationale Kontakte und verfasst und verschickt zahlreiche Publikationen, darunter in erster Linie den "Germania"Rundbrief, der neonazistische und antisemitische Thesen enthält und auch über Internet abrufbar ist. Im Internet erscheint ferner seit mehreren Jahren der Beitrag "Good morning from the Zündelsite", der - so Zündel - monatlich von mehr als 10.000 Interessenten eingesehen wird und z.B. die Ausarbeitung "Holocaust 101 - Einführung in den Holocaust-Revisionismus" enthält. Institute for Das 1979 unter rechtsextremistischer Beteiligung gegründete InstiHistorical Review tute for Historical Review (IHR) mit Sitz in Kalifornien/USA pflegt Ver(IHR) bindungen - auch über das Internet - zu Rechtsextremisten in allen Kontinenten. Mit seiner Zeitschrift "Journal of Historical Review" und vor allem mit seinen jährlichen Kongressen bietet es eine Plattform, um gegen die Ergebnisse der zeitgeschichtlichen Forschung zu polemisieren. Das monatlich im Verlag des britischen Rechtsextremisten Antony National Journal Hancock in Uckfield erscheinende "National Journal", das ebenfalls mit einer Homepage im Internet vertreten ist, betreibt massive Hetze gegen Ausländer und Juden und leugnet oder bagatellisiert den Holocaust. Der Herausgeberkreis führt die Bezeichnung "Die Freunde im Ausland" (DFiA). Vrij Historisch Die 1985 in Antwerpen gegründete, in Berchem/Belgien ansässige Onderzoek Organisation Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) hat sich inzwischen (V.H.O.) zu einer bedeutenden Vertreiberin revisionistischen Propagandamaterials entwickelt. Sie verfügt über weltweite Kontakte zu führenden Revisionisten und bietet nahezu alle wichtigen, in Deutschland teilweise beschlagnahmten oder indizierten revisionistischen Veröffentlichungen an. Seit Anfang 1997 gibt die V.H.O. die revisionistische Zeitschrift "Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung" (VffG) heraus. Autoren sind u.a. David Irving, Robert Faurisson und Germar Scheerer; letzterer fungiert seit September 1999 auch als Herausgeber. Die Schrift rechtfertigt die Politik des Dritten Reichs und leugnet den Völkermord an den europäischen Juden. Ferner polemisiert sie gegen die angeblich ungerechtfertigte Verfolgung der Revisionisten. Das Amtsgericht Starnberg ordnete am 30. März die Einziehung der von der V.H.O. herausgegebenen Schrift "Antwort auf die Gold- Rechtsextremismus 73 hagenund Spielberglügen" an. Die Schrift leugnet unter Berufung auf den "Leuchter-Bericht" den nationalsozialistischen Massenmord an Juden. Sie wurde - wie die nahezu identische Broschüre "Eine deutsche Antwort auf die Goldhagenund Spielberglügen" - im Vorjahr massenhaft versandt. Als Ersatz beider Druckwerke ist das ins Internet eingestellte, auch in Bayern verbreitete Flugblatt "33 Fragen und Antworten zum Holocaust" vorgesehen, in dem die wichtigsten revisionistischen Thesen zusammengefasst sind. 6. Einfluss des ausländischen Rechtsextremismus 6.1 Kontakte zur französischen Front National (FN) Die Kontakte von Rechtsextremisten aus den Reihen der REP, der DVU Schwindende und anderer Organisationen zur FN sind zurückgegangen. Die FN Kontakte kämpft nach ihrer Spaltung im Sommer mit eigenen Problemen. Ihr Vorsitzender Jean-Marie Le Pen wurde Anfang Juni vom Amtsgericht München wegen Volksverhetzung rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er Ende 1997 auf einer Pressekonferenz mit dem früheren REP-Vorsitzenden Schönhuber in München die Gaskammern des NS-Regimes als "Detail" der Geschichte bezeichnet hatte. 6.2 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) Der amerikanische Neonazi und Propagandaleiter der NSDAP-AO, Laucks Gary Rex Lauck, wurde am 23. März nach vollständiger Verbüßung Haftentlassung einer vierjährigen Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen und in die USA abgeschoben. Laucks Entlassung wurde von der rechtsextremistischen Szene kaum beachtet. Dies zeigt, dass Lauck in Deutschland nur über eine geringe Anhängerschaft verfügt und die Bedeutung seiner Organisation weitgehend auf den Versand neonazistischer Propagandamittel beschränkt ist. Noch Anfang März hatte das NSDAP-AO-Sprachrohr "NS Kampfruf" in einem Beitrag "Endspurt für Gerhard Lauck!" einen Vergleich zwischen dem amerikanischen Rechtsempfinden und dem angeblich inquisitorischen und alttestamentarischen Hassund Rachejustizsystem der "Judenrepublik" Deutschland gezogen und angekündigt, der deutsche Strafvollzug werde Lauck nicht von seinem rastlosen Tun und seiner 74 Rechtsextremismus Fixierung auf Hitler abbringen. Siegen bedeute, das Bonner und Wiener "Judensystem" gnadenlos zu vernichten und die verlogenen mosaischen Demokratien endgültig zu zerschlagen. Gestaltung und Inhalt der seit Juli neu erschienenen Ausgaben des "NS Kampfruf" lassen erkennen, dass Lauck bei der Herausgabe wieder die Federführung übernommen hat. Durch die Wiedereinführung eines zweimonatigen Herausgabezyklus versucht er, die frühere Kontinuität von neuem herzustellen. Ferner kündigte er an, er wolle die Machenschaften seiner "Entführer" und deren Helfer im Inund Ausland entlarven und den "Politgangstern in Bonn und Washington" bedeutenden Schaden zufügen. Dazu plane er ein medienwirksames Verfahren mit politischen Aktionen. Eine Verbreitung des "NS Kampfruf" unter bayerischen Rechtsextremisten war nicht feststellbar. Rechtsextremismus 75 7. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1999 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Parteien einschließlich integrierter Vereinigungen Die Republikaner (REP) 4.200 14.000 Der Republikaner 26.11.1983, Berlin monatlich, 20.000 Nationaldemokratische Partei 950 6.000 Deutsche Stimme (DS) Deutschlands (NPD) monatlich, 10.000 28.11.1964, Stuttgart Deutsche Stimme EXTRA monatlich, 80.000 Junge Nationaldemokraten (JN) 75 400 Der Aktivist unregelmäßig, 1.000 Nationaldemokratischer HochschulFunktionärsgruppe bund (NHB) 1967, Nürnberg Deutsche Volksunion (DVU) 1.800 17.000 (Publizistische Sprachrohre: 05.03.1987, München siehe DSZ-Verlag) Deutsche Volksunion e.V. einschließlich (siehe DVU) Aktionsgemeinschaften 16.01.1971, München 2. Neonazistische Organisationen Hilfsorganisation für nationale 50 450 Nachrichten der HNG politische Gefangene und deren monatlich, 500 Angehörige e.V. (HNG) 02.07.1979, Frankfurt am Main Freiheitlicher Volks Block (FVB) 10 60 1994, Neu-Ulm Deutscher Bund (DB) 30 Burgpost 22.05.1993, Bodenkirchen monatlich NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation NS Kampfruf (NSDAP-AO) unregelmäßig, 500 1972, Lincoln/USA 3. Sonstige Organisationen Deutsche Liga für Volk und Heimat 100 500 (Inoffizielles Organ: (DLVH) siehe Nation Europa Ver03.10.1991, Berlin lag GmbH) 76 Rechtsextremismus Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1999 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 40 450 Das Freie Forum 1960, München vierteljährlich, 1.500 Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V. 30 280 Huttenbriefe - für Volkstum, Februar 1982, Starnberg Kultur, Wahrheit und Recht zweimonatlich, 4.000 Die Artgemeinschaft - Germanische 120 Nordische Zeitung (NZ) Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer vierteljährlich Lebensgestaltung (Artgemeinschaft) Schutzbund für das 200 Deutsche Volk e.V. (SDV) September 1981, München Deutsches Kolleg (DK) Funktionärsgruppe 1994, Berlin 4. Skinheads und sonstige militante Rechtsextremisten 650 9.000 5. Verlage Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH National-Zeitung/Deutsche (DSZ-Verlag) Wochen-Zeitung (NZ), wöchentlich, 50.000 Nation Europa Verlag GmbH Nation & Europa - 1953, Coburg Deutsche Monatshefte monatlich, 16.000 Verlag Hohe Warte - Franz von Bebenburg KG Mensch und Maß 1949, Pähl zweimal monatlich, 2.000 Denk mit!-Verlag Denk mit! Nürnberg unregelmäßig, 1.000 Odal-Verlag Der Scheinwerfer Rodach monatlich, 600 VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH Deutsche Geschichte Berg zweimonatlich, 10.000 Castel del Monte Verlag Staatsbriefe München monatlich, 1.000 Linksextremismus 77 4. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Linksextremismus Das ideologische Spektrum der Linksextremisten reicht von Anhängern Ideologisches des "wissenschaftlichen Sozialismus/Kommunismus" in seiner klassiSpektrum schen Form über Sozialrevolutionäre mit unterschiedlichen diffusen Konzeptionen bis hin zu Anarchisten. Theoretische Grundlagen bilden im wesentlichen die Werke von Marx und Lenin, aber auch von Trotzki, Stalin, Mao Tse-tung und anderen. Die Bestrebungen der Linksextremisten sind darauf gerichtet, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung zu beseitigen und durch ein ihren ideologischen Vorstellungen entsprechendes kommunistisches und zum Teil anarchistisches System zu ersetzen. Diese Bestrebungen sind verfassungsfeindlich, weil die Ziele und oft auch die Mittel, mit denen sie erreicht werden sollen, gegen die grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen. So erstreben Linksextremisten, auch wenn sie es häufig nicht offen Ziele der Linksaussprechen, extremisten - die "sozialistische" Revolution, - Klassenkampf und Klassenherrschaft, - die Diktatur des Proletariats. Diese Ziele verstoßen vor allem gegen das Mehrheitsund das Freiheitsprinzip sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz. Linksextremisten stellen sich in ihrer Propaganda als Vertreter einer hohen Moral, als Kämpfer gegen Unterdrückung und Verfechter von Frieden und sozialer Gerechtigkeit dar. Ihre politische Praxis zeigt jedoch etwas anderes. Sie missachten demokratische Mehrheitsentscheidungen und das Gewaltmonopol des Staats. Sie setzen sich über das Recht der Menschen auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit hinweg, wenn dieses Recht ihren Interessen entgegensteht. Einige der linksextremistischen Gruppierungen bekennen offen, dass ihre Ziele nur unter Anwendung von Gewalt zu erreichen sind. Teil- 78 Linksextremismus Anwendung von weise verüben sie Gewalttaten oder arbeiten zur Erreichung ihrer Gewalt Ziele mit Gewalttätern zusammen. Dies verstößt gegen den Grundsatz des Ausschlusses jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft und verletzt, wenn sich die Gewalt gegen Personen richtet, das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die wahren Ziele werden oftmals in Aktionsfelder und Themen eingebunden, die selbst nicht extremistisch sind. Durch gewandte Agitation gelingt es Linksextremisten teilweise, den bisherigen Konsens aller Demokraten in der Ablehnung jeder Art politischen Extremismus zu durchbrechen. Beispiele für eine Aufweichung dieser klaren Grenzziehung sind das Zusammenwirken demokratischer Gruppierungen mit Linksextremisten bei einzelnen Protestthemen wie z.B. in der Antifaschismusbewegung, in der Antikernkraftbewegung und in Fällen der Zusammenarbeit in der Landespolitik einzelner Bundesländer. So ist es der linksextremistischen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) nach den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 27. September 1998 als erster extremistischer Partei seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland gelungen, an einer Koalitionsregierung mitzuwirken. In Sachsen-Anhalt wird die Landesregierung seit 1994 über ein Tolerierungsmodell von der PDS mitgetragen. Die Zusammenarbeit von Demokraten mit Extremisten schwächt die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie. Für ihre Agitation nutzen Linksextremisten seit mehreren Jahren zunehmend die Vorteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten. Mailboxen und Mailbox-Systeme werden mehr und mehr durch das Internet Internet ersetzt. Zentrale Agitationsthemen der Linksextremisten waren Neonazismus/Faschismus, Rassismus, Asylund Abschiebeproblematiken, Arbeitslosigkeit und vermeintlicher Sozialabbau, aber auch wichtige tagespolitische Ereignisse wie die Ergreifung und Verurteilung des Generalvorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Kosovo-Konflikt. 1.2 Entwicklung der Organisationen Leichter Anstieg Die Zahl der Mitglieder linksextremistischer und linksextremistisch der Mitgliederbeeinflusster Parteien und Gruppierungen ist leicht gestiegen. In Bayzahlen ern nahm die Zahl der PDS-Mitglieder und -Sympathisanten zu. Die Mitgliederzahl der DKP blieb gleich. Linksextremismus 79 Die Zahl der Anhänger autonomer Gruppen, die eine der bedeutendsten und gewalttätigsten Strömungen des Linksextremismus darstellen, blieb unverändert. Sie werden von anderen linksextremistischen Organisationen wie der PDS zunehmend als Partner für Aktionen akzeptiert. Die Entwicklung der Zahl linksextremistischer und linksextremistisch beeinflusster Organisationen in Bayern und ihrer Mitgliederstärken ist aus der folgenden Übersicht zu ersehen. Erkannte Mehrfachmitgliedschaften sind jeweils nur bei einer Organisation erfasst. 1997 1998 1999 Zahl und Mitgliederstärke Anzahl der Organisationen 42 41 40 linksextremistiMarxisten-Leninisten und scher Organiandere revolutionäre Marxisten sationen in Bayern PDS 450 450 600 DKP 600 600 600 Marxistische Gruppe (MG) 700 700 700 weitere Kernorganisationen 480 510 460 Nebenorganisationen 70 70 70 beeinflusste Organisationen* 1.120 1.080 1.080 Anarchisten und Sozialrevolutionäre 500 500 500 Linksextremisten insgesamt 3.920 3.910 4.010 * Die Änderungen im Vergleich zu den Vorjahren beruhen auf einem verbesserten Erkenntnisstand. Mitglieder 40.000 34.500 34.200 30.000 Deutschland * 20.000 Bayern 10.000 7.020 4.010 0 1990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 * Die Kurve für die bundesweite Entwicklung beruht auf Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz, das von den Mitgliedern der PDS nur die der Kommunistischen Plattform (KPF) erfasst. Die PDS Deutschland hatte 1999 insgesamt 94.000 Mitglieder, davon rund 2.000 in der KPF. 80 Linksextremismus 1.3 Linksextremistische Gewalt Die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten hat in Deutschland von 783 auf 711 abgenommen. In Bayern ist die Zahl der Gewalttaten gleich geblieben und beträgt 25. Schwerpunkt waren wie im Vorjahr Angriffsziele tätliche Auseinandersetzungen mit tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten. Wie in den Vorjahren liegt Bayern im bundesweiten Vergleich im unteren Bereich. Die linksextremistischen Gewalttaten wurden wieder zu über 80 % von Gruppen und Einzeltätern aus dem gewaltbereiten autonomen und anarchistischen Spektrum begangen. Ziel der gewalttätig agierenden linksextremistischen Gruppen ist nach wie vor die Destabilisierung der gegenwärtigen Staatsund Gesellschaftsordnung, in der sie ein "Instrument zur Durchsetzung weltweiter kapitalistischer und imperialistischer Ausbeuterinteressen" sehen. Bei der Auseinandersetzung zwischen Linksund Rechtsextremisten Schwere kam es wieder zu schweren Gewalttaten gegen tatsächliche oder verGewalttaten meintliche Rechtsextremisten. Die Angriffe der Linksextremisten, die sie als "Kampf gegen den Faschismus" zu rechtfertigen versuchen, richteten sich dabei vor allem gegen Veranstaltungen, aber auch einzelne Personen werden individuell angegriffen. Das Thema "Antifaschismus" wird auch in Zukunft eines der wichtigsten Aktionsfelder autonomer Politik und damit auch autonomer Militanz bleiben. Auch hier ist aber das eigentliche Angriffsziel der Staat, dem unterstellt wird, "Faschisten" zu schützen. 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Marxistisch-leninistisch ausgerichtete Organisationen und andere revolutionäre Marxisten bemühen sich weiterhin, durch massive Kritik an den "herrschenden Verhältnissen" und Forderungen nach "Fundamentalopposition" ihren sozialistischen und kommunistischen Zielen näher zu kommen. Dabei gelang es nur begrenzt, die unterschiedlichen Ideologien und Strömungen zu bündeln. Die PDS, die nach dem Zusammenbruch des SED-Unrechtsregimes einen neuen Weg des "demokratischen Sozialismus" zu beschreiten vorgibt, versucht, Linksextremisten sämtlicher Couleur von Radikalsozialisten bis zu so genannten Basisdemokraten aus dem ökologischen Bereich zu integrieren. Linksextremismus 81 2.1 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) Deutschland Bayern Mitglieder: 94.000 600 Vorsitzender: Prof. Dr. Lothar Bisky Sima Sorayya, Stephan Straub Umbebennung der SED: 16./17.12.1989 Gründung: 11.09.1990 Sitz: Berlin München Publikationen: Neues Deutschland (PDS-nahe Zeitung), DISPUT, PDS-Pressedienst, UTOPIE-kreativ, TITEL Die ehemals in der DDR herrschende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hat sich nach der friedlichen Revolution und dem Zusammenbruch ihres Unrechtsregimes nicht aufgelöst. Sie beschloss auf ihrem Sonderparteitag am 16./17.Dezember 1989 in Berlin-Weißensee, sich in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS)" umzubenennen. Auf einer Umbenannte SED Tagung des Parteivorstands der SED-PDS am 4. Februar 1990 wurde der Parteiname endgültig in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) geändert. Der 1. Parteitag der PDS am 24./25. Februar 1990 bestätigte die Namensänderung. 2.1.1 Ideologische Ausrichtung Die PDS versteht sich als linke "Strömungspartei" für sozialistische Gruppen und Personen, die die bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland kritisieren und ablehnen. Das auf der 1. Tagung des 3. Parteitags der PDS vom 29. bis 31. Januar 1993 in Berlin beschlossene und bis heute gültige Parteiprogramm - ein neues Programm ist in Vorbereitung - stellt fest, die PDS sei ein Zusammenschluss unterschiedlicher linker Kräfte, die - bei allen Meinungsverschiedenheiten - darin übereinstimmten, dass die Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums überwunden werden Gegen müsse. Die Beseitigung des Kapitalismus, die Überwindung des mit Kapitalismus ihm verbundenen politischen Systems der Freiheit und der Demokratie im Sinn unseres Grundgesetzes sowie die Errichtung einer neuen "sozialistischen Gesellschaft" gehören somit, auch wenn die Revolutionsrhetorik des Marxismus-Leninismus vermieden wird, zu den Zie- 82 Linksextremismus len der Partei, die vor allem außerparlamentarisch erreicht werden müssten. Das Bekenntnis der Partei zum außerparlamentarischen Kampf und zum Widerstand gegen die "Herrschenden" und die "gegebenen Verhältnisse" ist mit der Grundidee der parlamentarischen repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes unvereinbar. Die PDS vertritt einen konsequenten Internationalismus und ist dem Bekenntnis zu Erbe von Marx und Engels, den vielfältigen Strömungen der revoluMarx und Engels tionären und internationalen Arbeiterbewegung sowie anderen revolutionären und "volks-demokratischen" Bewegungen verbunden und dem Antifaschismus verpflichtet. Die Berufung auf Marx und Engels, die historische Entwicklung der Partei sowie die politische Herkunft ihrer Mitglieder aus kommunistischen Organisationen, insbesondere der SED, müssen auch bei der Auslegung ihrer programmatischen Äußerungen berücksichtigt werden. Die PDS verwendet Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte, die sie auch schon als SED gebraucht hat. Die Realität der DDR bewies jedoch, dass diese Begriffe dort anders, nämlich freiheitsund demokratiefeindlich, definiert waren. Ursache für die andere Interpretation politischer Umwidmung Begriffe ist deren bewusste Umwidmung im Lehrgebäude des Marvon Begriffen xismus-Leninismus, in dessen Denkschule die Mehrheit der Mitglieder der PDS erzogen wurde. Deshalb besitzen die in ihrer Programmatik verwendeten Begriffe eine Doppeldeutigkeit. In den programmatischen Äußerungen der PDS fällt die Kritik an den früheren kommunistischen Zwangssystemen Mittelund Osteuropas sowie der DDR zurückhaltend aus. Die bolschewistische Oktoberrevolution von 1917 und die mit ihr verbundenen globalen politischen Umwälzungen bewertet das Parteiprogramm positiv. Es widRechtfertigung met auch der Rechtfertigung des "Sozialismusversuchs" in der DDR des DDR-Regimes und den übrigen osteuropäischen Staaten breiten Raum. Einer weiteren programmatischen Orientierung dienen auch die vom Parteivorstand der PDS am 28. November 1994 beschlossenen "10 Thesen zum weiteren Weg der PDS" und das anlässlich der 1. Tagung des 4. Parteitags der PDS vom 27. bis 29. Januar 1995 in Berlin verabschiedete Fünf-Punkte-Papier "Sozialismus ist Weg, Methode, Wertorientierung und Ziel", das in Kontinuität zum Parteiprogramm steht und am Anspruch grundlegender Veränderung der Staatsund Gesellschaftsordnung festhält. Berliner Parteitag An der 1. Tagung des 6. Parteitags der PDS am 16. und 17. Januar in Berlin nahmen 462 Delegierte sowie Gäste von 52 Parteien und Linksextremismus 83 Organisationen aus 40 Ländern teil. Auf der Tagung unter dem Motto "Druck von links" wurden kontroverse ideologisch-politische Positionen sichtbar, innerparteiliche Richtungskämpfe aber vermieden. Der von der Parteiführung ausgegebene Appell zur Geschlossenheit der Partei wurde weitgehend befolgt. Die im Vorfeld des Parteitags diskutierten Streitthemen - wie die Ankündigung des Entwurfs eines Strafverfolgungsbeendigungsgesetzes mit Rehabilitierung und Haftentschädigung für "DDR-Hoheitsträger" sowie der beabsichtigte Abschluss eines Beratervertrags mit dem verurteilten Agenten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Rainer Rupp, zu außenund sicherheitspolitischen Fragen - spielten eine untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt des Parteitags stand neben der Neuwahl des Parteivorstands die Verabschiedung eines Leitantrags des Parteivorstands zur Eröffnung einer neuen programmatischen Debatte in der Partei. In seiner Rede zur Eröffnung des Parteitags forderte der PDS-Ehrenvorsitzende und ehemalige Ministerpräsident der DDR, Dr. Hans Modrow, die PDS auf, "ihr programmatisches Selbstverständnis als sozialistische Partei in Deutschland links von der Sozialdemokratie zu definieren und zu profilieren". Der Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky mahnte in seinem Grundsatzreferat "Sozialistische Politik zur Jahrtausendwende" die Partei zur Geschlossenheit und stellte fest, dass das "durch eine ganze ReiMahnung zur he von Fehlern in eine Schieflage" geratene öffentliche ErscheiGeschlossenheit nungsbild der PDS verändert werden müsse und auf diesem Parteitag der Partei damit zu beginnen sei. Er sprach sich für eine baldige Parteidebatte und -reform aus. In einem Beitrag äußerte das Mitglied des Bundeskoordinierungsrats der Kommunistischen Plattform der PDS (KPF), Sahra Wagenknecht, für sie sei es beängstigend, wie führende Genossen Marktwirtschaft mit Demokratie gleichsetzten. Die Partei brauche nicht programmatische Rückzüge, sondern konkrete sozialistische Konzepte und Visionen und müsse vor allem als gesellschaftliche Opposition und Unterstützerin außerparlamentarischer Initiativen erkennbar bleiben. Für ihre Rede erhielt die auf den letzten Parteitagen noch weitgehend isolierte Funktionärin der orthodoxen KPF großen Beifall. 84 Linksextremismus Zur Begründung des Leitantrags des Parteivorstands zur "Organisation einer programmatischen Debatte in der PDS" bat das Parteivorstandsmitglied Prof. Dr. Dieter Klein alle Delegierten, die "die Befürchtung haben, die PDS könnte in einer programmatischen Diskussion ihren sozialistischen Charakter aufgeben und damit zu einer zweiten, also überflüssigen, sozialdemokratischen Partei werden, diesen Verdacht zurückzustellen". Das eigentliche Problem der Programmdebatte Programmdebatte sei, wie die PDS als Minderheitspartei eine Gesellschaft mitgestalten könne, die eine - von ihr abgelehnte - kapitalistische Grundstruktur habe. Nach zahlreichen Änderungswünschen beschlossen die Delegierten des Parteitags, eine 17-köpfige Programmkommission - darunter auch Vertreter des Marxistischen Forums der PDS (MF) und der KPF - einzuberufen, die einen "Standpunkt zum Umfang der Programmdebatte der PDS" erarbeiten soll. Auf einem Programmparteitag im ersten Halbjahr 2001 soll letztlich über einen neuen bzw. überarbeiteten Programmentwurf entschieden werden. Der Fraktionsvorsitzende der PDS im Deutschen Bundestag, Dr. Gregor Politik des moderGysi, stellte am 3. August in Berlin "Zwölf Thesen für eine Politik des nen Sozialismus modernen Sozialismus" vor. Die Vision für das 21. Jahrhundert sei, Moderne und Sozialismus zu verbinden. Der sozial gebändigte Kapitalismus müsse abgelöst werden. In dem Papier - veröffentlicht im PDS-Pressedienst Nummer 31 vom 6. August - heißt es: "Sozialistische Politik nach dem Untergang des Staatssozialismus bedeutet, die Entwicklungspotentiale des Wettbewerbs in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Bildung, Medien und Kultur von der Dominanz der Kapitalverwertung zu befreien bzw. sie davor zu bewahren und ihre patriarchale Verfasstheit zu überwinden. (...) Es steht nicht weniger als der Umbau der Weltgesellschaft selbst auf der Tagesordnung. Das Aufbrechen von Herrschaftsstrukturen betrifft die Vorherrschaft der Kapitalverwertung über die Gesellschaft, das zerstörerische Herrschaftsstreben der Gesellschaft über die irdische Natur, die Herrschaft des 'Nordens' über den 'Süden' und die Herrschaft von Männern über Frauen." Das Thesenpapier bestätigt die ideologische Ausrichtung der Partei. Insbesondere findet die in der Öffentlichkeit behauptete Sozialdemokratisierung der Programmatik der PDS nach ausdrücklichem Bekenntnis der PDS selbst nicht statt, wenngleich die PDS für sich die Bewahrung von "Errungenschaften des sozialdemokratischen Zeitalters" in Anspruch nimmt. Die Politik der PDS zielt beständig darauf, Linksextremismus 85 die "in den Eigentumsverhältnissen wurzelnden kapitalistisch geprägten Machtstrukturen zurückzudrängen und letztlich zu überwinden". Dies räumt die Partei selbst ein. Am 23. November legte die Programmkommission der PDS ein Papier "Thesen zur programmatischen Debatte" - abgedruckt im PDS-PresseThesen zur dienst Nummer 47 vom 26. November - vor. Darin wird ausgeführt, programmatischen dass die bestehende Gesellschaft mehr sei als nur patriarchaler KapitaDebatte lismus. Im Laufe der Geschichte seien unverzichtbare Zivilisationsgewinne erwachsen, die mit dem Begriff der "Moderne" erfasst würden. Die pluralistische Demokratie biete als Herrschaftsmechanismus Chancen für Gegenmächte. Der Markt sei trotz seiner zerstörerischen Wirkungen ein unverzichtbarer dezentraler Selektionsmechanismus. Der Rechtsstaat sichere zwar keineswegs Gerechtigkeit, ermögliche aber die Durchsetzung von Bürgerrechten. Politischer Pluralismus, Markt und Rechtsstaat dürften so nicht bleiben wie sie sind. Die Bewahrung dieser Institutionen der "Moderne" verlange deren Herauslösung aus der deformierenden Profitdominanz, aus patriarchaler Macht. Diese Äußerungen zeigen die Doppelbödigkeit des Denkens der PDS. Sie kann sich nicht dazu durchringen, Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaat zu bejahen, sondern begreift diese als Ausgangsbasis, um die eigenen verfassungsfeindlichen Ziele zu verwirklichen. 2.1.2 Organisation Die PDS ist eine auf Bundesebene organisierte Partei mit Sitz in Berlin. Sie gliedert sich in 16 Landesverbände, deren Gebiete mit den Ländern identisch sind, mit Kreisverbänden und Basisorganisationen. Sie verfügt bundesweit über annähernd 94.000 Mitglieder (Ende Bundesweit 1998: 94.447), davon etwa 3.200 (1998: 2.917) in den alten Bundesrückläufige ländern. Während die Mitgliederentwicklung in den neuen BundesMitgliederzahl ländern rückläufig ist, steigt sie in den alten Bundesländern leicht an. Ursache für den Rückgang der Mitgliederzahl insgesamt ist weniger der Austritt als vielmehr der Tod älterer Mitglieder. Über 60 % der Parteimitglieder in Ostdeutschland sind 60 Jahre und älter, nur 2 % sind jünger als 30 Jahre. Bei den Wahlen zum 18-köpfigen Parteivorstand anlässlich der 1. Tagung des 6. Parteitags der PDS am 16. und 17. Januar in Berlin sorgte vor allem der Aufstieg des hessischen Autors und Musikverlegers 86 Linksextremismus Dr. Diether Dehm zum stellvertretenden Parteivorsitzenden - er Neuwahl des ersetzt den nicht mehr kandidierenden Wolfgang Gehrcke - für AufParteivorstands sehen. Er war erst im September 1998 aus der SPD ausund in die PDS eingetreten und zumindest von 1971 bis 1978 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR als "Inoffizieller Mitarbeiter" geführt worden. Insgesamt zwölf der 18 Vorstandsmitglieder wurden wieder gewählt, darunter der Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky sowie die beiden Stellvertreterinnen Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann und Gabriele Zimmer. Erstmals seit Januar 1995 gelangte mit Prof. Dr. Michael Benjamin wieder ein Vertreter der KPF in den Parteivorstand; er erhielt 38,75 % der Delegiertenstimmen. Dr. Andre Brie, "ideologischer Vordenker" der Partei sowie Leiter des zentralen Wahlbüros der PDS, kandidierte nicht wieder für den PDS-Bundesvorstand, dem er seit Februar 1990 angehört hatte. Beachtenswert ist, dass die PDS-West mit fünf Mitgliedern innerhalb des 18-köpfigen Parteivorstands im Hinblick auf die Mitgliederzahlen deutlich überrepräsentiert ist. Der ehemalige Ministerpräsident der DDR, Dr. Hans Modrow, ist Ehrenvorsitzender der PDS. Nutzung des Seit Jahren nutzt die PDS die Kommunikationsmöglichkeiten im InterInternets net. Verschiedene Gliederungen der Partei, wie der Bundesvorstand, die Fraktion der PDS im Deutschen Bundestag, mehrere PDS Basisorganisationen und die AG Junge Genossinnen sowie Einzelpersonen der PDS sind neben einer so genannten Startseite der PDS mit eigenen Homepages vertreten. Seit Ende April ist auch die am 2. Mai 1998 gegründete PDS Basisorganisation Dachau im Internet vertreten. In einem Positionspapier der Gruppe heißt es: "Der Kapitalismus produziert seinen eigenen Untergang. Einige wenige Monopole liefern sich auf dem globalen Markt einen ökonomischen sozialen und auch militärischen Krieg, dessen Ziel ihre jeweilige Vormachtstellung in der Weltwirtschaft ist. (...) Doch die geknechteten Völker wehren sich, auch die deutschen Arbeiter, anderen Werktätigen und Arbeitslosen, kurz die Besitzlosen dieses Systems sind entgegen der bürgerlichen Ideologie vom obrigkeitshörigen Deutschen mehrheitlich antikapitalistisch, dem System kritisch gegenüber eingestellt." Die Dachauer PDS will sozialistisch, antifaschistisch, feministisch, antimilitaristisch und demokratisch sein. Sie kämpft für eine soziale und solidarische, eine gerechte, eine sozialistische Republik gegen die Herrschenden, die Machenschaften der Monopolisten und deren Handlanger in Regierung, staatlichen Organen und Medien. Linksextremismus 87 2.1.3 Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften sowie ähnliche innerparteiliche Zusammenschlüsse sind wesentlich für die Bündnisund Integrationspolitik der PDS. Sie wirken im Rahmen des Statuts in der Partei und können sich eigene Satzungen geben. Sie sind damit integrale Bestandteile der PDS. Diese Strukturen können nach Integrale Bestanddem Statut der PDS ihre politischen Ziele in der Partei offen vertreten. teile der PDS Die PDS muss sich deshalb die Tätigkeit der Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften wie auch das Wirken der sonstigen innerparteilichen Zusammenschlüsse sowie die Äußerungen ihrer Mitglieder als Gesamtpartei zurechnen lassen. Plattformen sind in der Regel Zusammenschlüsse mit gemeinsamer Ideologie, während Arbeitsund Interessengemeinschaften themenbezogen auf wichtigen Aktionsfeldern tätig werden. Die Arbeitsgemeinschaften Junge GenossInnen in und bei der PDS, Autonome Gruppen in und bei der PDS sowie das Libertäre Forum bei der PDS zeigen, dass die PDS auch mit gewaltGewaltbereite bereiten Gruppen zusammenarbeitet und diese sogar in den eigenen Gruppen in der Reihen duldet und agieren lässt. PDS 2.1.3.1 Kommunistische Plattform (KPF) Die am 30. Dezember 1989 gegründete KPF der PDS - ihr sind etwa 2.000 Mitglieder zuzurechnen - ist eine marxistisch-leninistische Organisation. Sie betrachtet die DKP als natürliche Verbündete und arbeitet auch mit der noch in der DDR gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen. Innerhalb der PDS ist die KPF die Gruppierung, die sich am deutlichsten zum Kommunismus bekennt. Sie strebt die Fortsetzung marxistischer und leninistischer Bekenntnis zum Politik, also die Diktatur des Proletariats, an. In ihren Thesen zur Marxismus-LeniGründung der KPF betonte sie: nismus "Die revolutionäre Arbeiterbewegung mit dem Wissenschaftlichen Kommunismus, mit dem Marxismus-Leninismus, zu verbinden, aufgrund der marxistisch-leninistischen Analyse der realen Gesellschaftsentwicklung Strategie und Taktik zu bestimmen und Politik zu organisieren - ist vornehmste Aufgabe der Kommunisten und sie bleibt es." Nach einer programmatischen Erklärung vom Februar 1994, verfasst von drei Sprechern der KPF, bildet der Wissenschaftliche Kommunismus, wie er durch Lenin, Luxemburg, Gramsci, Trotzki, Bucharin oder Mao Tse-tung weiterentwickelt worden ist, die Grundlage für 88 Linksextremismus die Politik der KPF. Ziel der KPF sei die revolutionäre Transformation Klassenlose der alten, der Klassengesellschaft, in eine neue, klassenlose GesellGesellschaft als Ziel schaft. Prof. Dr. Michael Benjamin, seit Januar neu in den PDS-Bundesvorstand gewählt, lobt in einem in Heft 9 der "Mitteilungen der KPF" vom September abgedruckten Kommentar die Programmdiskussion seiner Partei. Die Arbeit der Programmkommission sei vom Streben Antikapitalistische nach Konsens getragen. Die "sozialistische und antikapitalistische Orientierung Orientierung der PDS" sei bekräftigt worden. Das Parteiprogramm von 1993 beziehe Position zur sozialistischen Erneuerung; diese Aussagen wolle man nicht aufgeben, sondern vertiefen. Die "Ausführungen zum Sozialismus als Ziel, Bewegung und Wertesystem, zur Umwälzung der herrschenden kapitalistischen Produktionsund Lebensweise als eine Frage des menschlichen Überlebens, zur Überwindung der Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums" seien bei der Erarbeitung des Fragenkatalogs für das neue Parteiprogramm zugrunde gelegt worden. Im Hinblick auf die Geschichte der DDR werde ausdrücklich an den Aussagen des geltenden Programms zum sozialistischen Versuch - der Berechtigung und Rechtmäßigkeit einer über den Kapitalismus hinausgehenden Entwicklung - angeknüpft. Bereits kurz nach seiner Wahl in den Parteivorstand hatte Prof. Dr. Michael Benjamin in einem in der "Welt am Sonntag" vom 24. Januar veröffentlichten Interview den Bau der Mauer am 13. August 1961 Verteidigung des verteidigt. Er bestritt, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. Baus der Mauer Die Schließung und Befestigung der Staatsgrenze der DDR könne nicht außerhalb von Raum und Zeit bewertet werden; sie sei eine völkerrechtlich zulässige Maßnahme gewesen. Auf die Frage, ob er in der DDR einen Unrechtsstaat sehe, sagte er: "Nein". 2.1.3.2 Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen in und bei der PDS Die AG Junge GenossInnen trat bisher als bundesweiter Zusammenschluss auf, der innerhalb der PDS unter eigenem Namen agierte. Diese Gruppierung, der sich rund 500 Mitglieder und 1.000 Sympathisanten zurechneten - die Hälfte stammte aus den westlichen Ländern -, diente als Bindeglied der PDS zu jugendlichen undogmatischen Linksextremisten, besonders Autonomen. In einem auf dem Bundeskongress der AG Junge GenossInnen am 16. und 17. März Grundsatzpapier 1996 in Bielefeld vorgelegten Grundsatzpapier, das im PDS-Presse- Linksextremismus 89 dienst Nummer 13 vom 29. März 1996 und Nummer 14 vom 4. April 1996 veröffentlicht wurde, hieß es: "Die AG Junge GenossInnen sammelt Menschen um sich, die zum einen als linkes Korrektiv innerhalb der PDS mit vorwiegend außerparlamentarischen Bezugspartnern wirken wollen, einen antietatistischen Ansatz vertreten, und ... (...) Auf die PDS beziehen wir uns, da sie als einzige politisch relevante Kraft den Anspruch hat, sozialistische Partei zu sein. (...) Linksradikale Forderungen können in Parteien nicht unbeschränkt diskutiert werden, da sie zu einem Verbot führen könnten. (...) Auf die außerparlamentarische und undogmatische Linke wollen wir uns beziehen, da wir viele ihrer Ansätze und Diskussionen interessant finden, mit ihnen zusammenarbeiten wollen, gerade weil ihre Forderungen weiter gehen als die der Partei, sie nicht in parlamentarischen Zwängen stecken." Weil der AG Junge GenossInnen in der Vergangenheit organisatoriOrganisatorische sche Schwächen vorgehalten wurden, ist ein neuer PDS-naher JugendSchwächen verband (vgl. auch Nummer 2.1.4 dieses Abschnitts) gegründet worden. Ein offizieller Auflösungsbeschluss der AG Junge GenossInnen, die kaum noch öffentlich in Erscheinung trat, ist bisher nicht bekannt geworden. 2.1.3.3 Marxistisches Forum (MF) Am 6. Juni 1995 konstituierte sich in Berlin das orthodox-kommunistisch ausgerichtete MF. Es will die soziale, ökonomische und politische Situation mit den Mitteln des Marxismus analysieren, die marxistische Theorie weiterentwickeln und zur theoretischen Fundierung der Politik der PDS beitragen. Dazu gehöre neben der marxistischen Weiterentwicklung Aufarbeitung der Geschichte der DDR und des Sozialismus auch die der marxistischen Untersuchung der Dialektik von systemimmanenten und systemüberTheorie windenden Reformen. Außerdem solle auf die notwendige Verstärkung des antimilitaristischen Kampfes aufmerksam gemacht werden. Im April wurde vom MF die Broschüre "Marxistisches Forum 1999" mit mehreren Beiträgen eigener Mitglieder zum "Umgang mit der DDR" verbreitet, um dem herrschenden Zeitgeist im politischen Diskurs - gemeint ist der Antikommunismus - entgegenzuwirken. Einer der Autoren führt darin aus, niemand müsse sich dafür entschuldigen, dass es die DDR gegeben habe. Sie sei das Ergebnis welthistorischer Veränderungen gewesen und habe den Willen der Mehrheit der Bevölkerung ausgedrückt, entschiedene gesellschaftliche Verän- 90 Linksextremismus derungen auch in Deutschland herbeizuführen. Die Totalabsage an die DDR könne die Position einer sozialistischen Bewegung in Deutschland nur schwächen. 2.1.4 Jugendverband "'solid" Am 19. Juni wurde in Hannover der Jugendverband "'solid - die sozialistische Jugend" gegründet. Der Name des zunächst 175 Mitglieder zählenden Verbands stehe für "sozialistisch, links und demokratisch". Ziel des Jugendverbands ist es nach der im PDS-PresseGründungsdienst Nummer 25 vom 25. Juni abgedruckten Gründungserklärung, erklärung in organisierter Form der "rechten Hegemonie in der Gesellschaft" entgegenzutreten. Man wolle keine "Kampfreserve" der PDS werden, sondern strebe "eine gleichberechtigte Zusammenarbeit auch mit den regionalen und lokalen Jugendstrukturen in und bei der PDS" an; "'solid" sei nicht die Jugendorganisation der PDS. Tatsächlich sucht die PDS seit 1991 nach Wegen für eine bessere Einbindung der Jugend. Die AG Junge GenossInnen (vgl. auch Nummer 2.1.3.2 dieses Abschnitts) war der erste Versuch einer solchen Jugendarbeit. Mit "'solid" versucht die PDS einen Neuanfang. 2.1.5 PDS Landesverband Bayern Organisation Die in Bayern seit dem 11. September 1990 bestehende PDS setzt in Bayern sich aus dem Landesverband, acht Kreisverbänden und 23 Basisorganisationen zusammen. Der Sitz des Landesverbands Bayern befindet sich in München. Für eine Reihe von örtlichen Strukturen, die keine Basisorganisationen sind, bestehen Kontaktund Anlaufadressen. Verbreiterung Die organisatorische Basis des PDS Landesverbands Bayern verbreider Basis terte sich insgesamt. Am 7. Februar gründeten in Ingolstadt Aktivisten der KPF eine landesweite Arbeitsgemeinschaft, der etwa 30 Personen angehören. Die KPF betrachtet es als ihre Aufgabe, die Arbeiterbewegung mit dem wissenschaftlichen Sozialismus zu verbinden, den Marxismus zu verteidigen und für den Aufbau einer kommunistischen Bewegung in Deutschland zu arbeiten. Als Grundpositionen werden unter anderem Antikapitalismus, Antiimperialismus und Antimilitarismus, der Vorrang außerparlamentarischer Politik vor Parlamentarismus und die Ablehnung der Teilnahme an bürgerlichen Regierungen genannt. Anlaufstelle ist das Landesbüro der PDS in Linksextremismus 91 München. Die KPF ist in Nürnberg mit einer Regionalgruppe und in München mit einer Ortsgruppe vertreten. Beide Organisationen streben eine enge Zusammenarbeit mit anderen kommunistischen Parteien und Organisationen an und suchen die Beteiligung an außerparlamentarischen Initiativen. Als Publikationsorgan der KPF der PDS München erscheint die Flugschrift "was tun". Im Juli wurden die PDS Kreisverbände Aschaffenburg-Untermain und Main-Spessart sowie im Oktober die PDS Basisorganisation Ulm/Neu-Ulm gegründet. Die AG Junge GenossInnen verfügt über Ortsgruppen in Ingolstadt, Nürnberg und München. Auch der Jugendverband "'solid" ist inzwischen in Nürnberg und München mit Ortsgruppen vertreten. Ein SPD-Bundestagsabgeordneter trat im September zur PDS mit dem Ziel über, mehrere PDS Basisorganisationen in Oberfranken zu gründen In Bayern ist die Zahl der beitragspflichtigen Mitglieder der PDS einschließlich Plattformen und Arbeitsgemeinschaften weiter angestiegen. Waren es Ende 1998 noch 230 Mitglieder, so liegt derzeit die Mitgliederzuwachs aktuelle Mitgliederzahl bei etwa 400. Die Zahl der Sympathisanten, die den Mitgliedern gleichgestellt sind, sank von 220 auf 200. Das Durchschnittsalter der bayerischen PDS-Mitglieder ist deutlich niedriger als das der Parteimitglieder in Ostdeutschland. Am 17. Oktober führte in Ingolstadt der PDS Landesverband Bayern seinen Landesparteitag durch. Als Landessprecher wurden Sima Neuwahlen zum Sorayya und Stephan Straub bestätigt. Zusammen mit dem für die Landesvorstand Finanzverwaltung verantwortlichen Vorstandsmitglied Martin Fochler und dem für Organisationsaufgaben zuständigen Vorstandsmitglied Kristina Hadeler bilden sie den geschäftsführenden Vorstand. In den erweiterten Landesvorstand wurde erneut auch die bayerische PDS-Bundestagsabgeordnete Eva-Maria Bulling-Schröter (früher DKP) gewählt. Etwa 250 Personen nahmen am 17. Februar an der Aschermittwochsveranstaltung der PDS Bayern in Ingolstadt teil. Als Hauptredner traten der Vorsitzende der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag Dr. Gregor Gysi und die Bundestagsabgeordnete Eva-Maria Bulling-Schröter auf. Der PDS-Fraktionsvorsitzende bekundete seine Solidarität mit den Kurden. Bestimmte kritikwürdige Methoden des Solidarität mit Kurdenführers Öcalan seien allein das Ergebnis der lang anhaltenden Kurden 92 Linksextremismus Unterdrückung des kurdischen Volkes, die endlich beendet werden müsse. Der PDS Landesverband Bayern reagierte mit einer Solidaritätserklärung auf die Ergreifung des PKK-Generalvorsitzenden und die gegen ihn erhobene Anklage. Öcalan habe in den letzten Monaten mit großem persönlichen Einsatz den Friedenswillen des kurdischen Volkes der Weltöffentlichkeit bekannt gemacht. Er sei einem kriminellen Geheimdienstkomplott zum Opfer gefallen. 2.1.6 Teilnahme an Wahlen Bei der Europawahl am 13. Juni erreichte die PDS mit bundesweit Einzug in das 5,8 % der abgegebenen Stimmen erstmals den Einzug in das EuroEuropäische päische Parlament. 1994 war sie noch mit bundesweit 4,7 % der Parlament Wählerstimmen an der 5 %-Sperrklausel gescheitert. Die Partei entsendet sechs Abgeordnete - darunter die Spitzenkandidatin und stellvertretende Parteivorsitzende Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, den Leiter des Wahlbüros der PDS Dr. Andre Brie und den PDS-Ehrenvorsitzenden Dr. Hans Modrow - in das Europäische Parlament. Die Wahl bestätigte die PDS als Ost-Partei; sie erreichte in den neuen Bundesländern durchschnittlich 21,9 %, in den alten Bundesländern dagegen nur knapp 1,9 % der Wählerstimmen. In Bayern erhöhte sich der PDS-Stimmenanteil von 0,4 % auf 0,7 %. Die sechs PDS-Abgeordneten schlossen sich der "Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke" an. Stellvertretende Vorsitzende dieser Fraktion ist Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann. Trotz heftiger Auseinandersetzungen im Hinblick auf den Schweriner Parteitagsbeschluss vom Januar 1997 (wonach in erster Linie Angehörige der eigenen Partei oder Parteilose wahlfähig seien) war anlässEuropawahllich der 2. Tagung des 6. Parteitags - des Europawahlparteitags - am parteitag 6./7. März in Suhl/Thüringen der Münchner DKP-Funktionär Leo Mayer, der sich zunächst um Listenplatz 6 bewarb, auf Platz 12 der Bundesliste der PDS für die Europawahl gewählt worden. Mit der Aufstellung galt es, das Wählerpotenzial der DKP für die PDS zu gewinnen. Die DKP, die nicht mit einer eigenen Liste zur Europawahl antrat, hatte sich anlässlich des 14. DKP-Parteitags vom 22. bis 24. Mai 1998 einmütig für die Bewerbung Leo Mayers um einen Platz auf der Bundesliste der PDS ausgesprochen. Die Einbeziehung des DKP-Kandidaten auf der PDS-Wahlliste wurde von Funktionären der KPF begrüßt. Der Linksextremismus 93 DKP-Funktionär konnte aber nicht in das Europäische Parlament einziehen. Zur Landtagswahl in Hessen am 7. Februar trat die PDS nicht an. Bei den Wahlen zur Bremer Bürgerschaft am 6. Juni erhielt die PDS insgesamt 8.419 Wählerstimmen (= 2,98 %). Damit verfehlte sie ihr Im Westen erklärtes Ziel, in die Bürgerschaft einzuziehen. Die PDS erzielte bei den Deutschlands Landtagswahlen in Brandenburg am 5. September einen StimmenSplitterpartei anteil von 23,3 %, im Saarland ebenfalls am 5. September 0,8 %, in Thüringen am 12. September 21,4 % und in Sachsen am 19. September 22,2 %. In Thüringen und Sachsen wurde sie jeweils zweitstärkste Partei. Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 10. Oktober erhielt die PDS 17,7 % der abgegebenen Stimmen. Mit einem Anteil von knapp 40 % der Stimmen wurde die PDS im Ostteil der Stadt stärkste Partei; in West-Berlin erhielt sie rund 4,5 % der Wählerstimmen. 2.1.7 Kommunistischer Internationalismus Im Rahmen der so genannten internationalen Solidarität unterhält die PDS vielfältige Verbindungen und Kontakte zu ausländischen kommunistischen Parteien und anderen ausländischen Linksextremisten. Das Parteiprogramm der PDS nennt dies "Internationalismus" und orientiert sich damit an der Idee des Weltkommunismus. Diese Praxis knüpft an das marxistisch-leninistische Prinzip des "Proletarischen Proletarischer Internationalismus" - der Lehre von der "welthistorischen Mission der Internationalismus Arbeiterklasse" - an. 2.1.8 Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten Die PDS pflegt Kontakte zu fast allen anderen inländischen linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Gruppierungen sowie zu gewaltbereiten Autonomen und arbeitet mit ihnen zusammen. Am 31. Juli veranstalteten die "Antifaschistische Aktion Würzburg", Veranstaltungen die "Autonome Antifa Würzburg", die Vereinigung der Verfolgten in Bayern des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) und der PDS Kreisverband Würzburg eine Demonstration in Würzburg anlässlich eines lokalen Skinhead-Treffens. Unter dem Motto "Kein Fußbreit den Faschisten" protestierten etwa 100 Personen gegen den Rechtsextremismus. 94 Linksextremismus Antikriegstag Am 1. September fand in München eine Kundgebung zum "Antikriegstag 1999" statt, an der rund 200 Personen teilnahmen. An der Veranstaltung waren u.a. das "Münchner Bündnis gegen Rassismus", die MLPD, die PDS, der "Revolutionär-Sozialistische Bund/IV. Internationale" (RSB), die VVN-BdA, die "Ökologische Linke", die Tarnorganisation "Linksruck-Netzwerk" und die "Antifaschistische Aktion München" beteiligt. Anlässlich einer Großkundgebung der DVU in Passau am 25. September protestierte neben autonomen Bündnissen auch die PDS mit einer Gruppe unter der Führung der bayerischen PDS-Bundestagsabgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter gegen die Rechtsextremisten. Während der Protestaktion, an der sich bis zu 300 Personen beteiligten, wurden rote Fahnen mit dem Emblem der "Antifaschistischen Aktion" und der PDS gezeigt. Der PDS Kreisverband Ingolstadt und die VVN-BdA Ingolstadt beteiligten sich am 30. Oktober an einem "Antifaschistischen Aktionstag" (vgl. auch Nummer 3.1.3.3 dieses Abschnitts) im Ortsteil Sinning der Gemeinde Oberhausen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Damit sollte gegen die Ansiedlung des Büros des NPD-Organs "Deutsche Stimme" demonstriert werden. 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Deutschland Bayern Mitglieder: 5.000 600 Vorsitzender: Heinz Stehr Gründung: 26.09.1968 Sitz: Essen Nürnberg und München Publikation: Unsere Zeit (UZ) 2.2.1 Ideologische Ausrichtung Die bis zur Wende von der SED der DDR ideologisch und materiell abhängige DKP bestätigte ihre gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung in den auf dem 12. Parteitag am 16./17. Januar 1993 in Mannheim beschlossenen "Thesen zur programmatischen Orientierung der DKP". In der Einleitung zu den "Thesen" heißt es, die DKP kämpfe für eine Politik, die im Sozia- Linksextremismus 95 lismus die Zukunft, im Klassenkampf die zentrale Triebkraft der Geschichte und in der Arbeiterklasse die entscheidende soziale Kraft für Bekenntnis zu den gesellschaftlichen Fortschritt sehe. Sie stütze sich auf die materiSozialismus und alistische Wissenschaft, die von Marx und Engels begründet und von Klassenkampf Lenin weiterentwickelt worden sei. In einem in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 28. September 1998 mit dem Titel "Nötig ist knallharter Klassenkampf" veröffentlichten Interview zum 30-jährigen Bestehen der DKP bestätigte der Parteivorsitzende Heinz Stehr, dass die neue Gesellschaftsordnung, für die die DKP nach wie vor eintrete, Sozialismus "und in der Perspektive Kommunismus" heiße. Dazu führte er weiter aus: "Das bedeutet einen Bruch in den Machtund Eigentumsverhältnissen, Festhalten am weil der Kapitalismus nur so überwunden werden kann. (...) Der KapitaMarxismus-Lenilismus wird die Menschheitsprobleme nicht lösen. Um die Verhältnisse nismus grundlegend zu ändern, braucht man aus unserer Sicht den Sozialismus." 2.2.2 Organisation Die DKP ist eine bundesweit organisierte Partei mit Sitz in Essen. Sie Organisationsist in 14 Bezirksorganisationen - zwölf in den westlichen Bundeslänstrukturen dern sowie eine in Berlin und eine weitere in Brandenburg, die beide zugleich die Mitglieder in den übrigen vier neuen Ländern betreuen - gegliedert, die in 110 Kreisund in 230 Grundorganisationen unterteilt sind. Die Zahl der Mitglieder liegt derzeit bei 5.000, davon etwa 210 in Ostdeutschland. Die DKP ist damit in Westdeutschland weit stärker vertreten als die PDS. Eine Verbesserung der Altersstruktur erreichte sie in den letzten Jahren nicht. Mehr als zwei Drittel der Parteimitglieder sind älter als 60 Jahre. In Bayern bestehen zwei Bezirksorganisationen (Nordund Südbayern) und zehn Kreisverbände sowie zwei Betriebsgruppen. Die Mitgliederzahl in Bayern stagnierte bei rund 600. Die DKP wird überwiegend von Altkommunisten repräsentiert. Die Finanzierung der Parteiarbeit bereitet seit Jahren Probleme. Das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) erscheint aber trotz dieser erheblichen Finanzierungsprobleme weiterhin wöchentlich. An dem von der DKP vom 27. bis 29. August in Dortmund durchgeführten traditionellen Pressefest ihres Zentralorgans UZ nahmen rund 96 Linksextremismus 15.000 Personen - unter ihnen auch viele Funktionäre von PDS und KPF - teil. 2.2.3 Teilnahme an Wahlen Verzicht auf Die DKP unterstützte die Kandidatur der PDS zur Bremer Bürgereigene Wahlschaftswahl am 6. Juni und zur Europawahl am 13. Juni; sie verzichteilnahmen tete auf eine eigene Wahlteilnahme. Es gelang ihr, mehrere DKP-Mitglieder auf der PDS-Liste zur Bürgerschaftswahl zu platzieren. Der Münchner DKP-Funktionär Leo Mayer erhielt Platz 12 der PDS-Bundesliste zur Europawahl; er konnte aber nicht in das Europäische Parlament einziehen. Bei der Landtagswahl in Hessen am 7. Februar erhielt die DKP, die in sechs von 55 Wahlkreisen angetreten war, landesweit 0,1 % der abgegebenen gültigen Zweitstimmen. Gegenüber 1995 konnte sie ihren Stimmenanteil nur geringfügig verbessern. Kommunalwahlen Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 12. September in Nordrhein-Westkonnte die DKP vor allem in früheren Hochburgen, in denen noch falen Reste klassischen proletarischen Milieus existieren, eine geringe Anzahl von Ratsmandaten bzw. Sitzen in Bezirksvertretungen erringen. Im neuen Stadtrat von Bottrop ist sie mit drei Mandaten vertreten. In Duisburg, Gladbeck, Oberhausen und Düren wurde je ein DKP-Mitglied in den Stadtrat gewählt. 2.2.4 Umfeld der DKP 2.2.4.1 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Deutschland Bayern Mitglieder: 6.200 900 Vorsitzender: neun Bundessprecher Gründung: 15.-17.03.1974 Sitz: Hannover (Bundesgeschäftsstelle seit 1996) Publikation: antifa-rundschau Zahlenmäßig Die VVN-BdA blieb die zahlenmäßig stärkste Organisation im Spekstarke Organisatrum des linksextremistischen Antifaschismus. In ihr wirken untertion schiedliche linksorientierte Kräfte zusammen, wobei jedoch nach wie vor aktive und ehemalige Mitglieder der DKP politisch tonangebend sind. Auch in der VVN-BdA Bayern ist auf Landeswie auch auf Kreis- Linksextremismus 97 ebene der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, aus der PDS und aus der SDAJ, maßgeblich. Sie unterstützte vielfach linksextremistisch beeinflusste Aktionen. Die PDS-nahe Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 29. November berichtete über geplante Umgruppierungen und Fusionen der drei traditionell ausgerichteten "antifaschistischen" Organisationen VVN-BdA, "Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstandskampf, Verfolgter des Beabsichtigte Naziregimes und Hinterbliebener e.V." (IVVdN) und "Bund der AntiUmgruppierungen faschisten (Dachverband) e.V." (BdA). Der BdA habe auf einer und Fusionen Bundesdelegiertenversammlung am 27. November in Berlin beschlossen, mit dem IVVdN einen gemeinsamen Vorstand von zwei Dutzend Personen zu bilden und für dieses Gremium bereits seine zwölf Kandidaten benannt. Der gemeinsame Vorstand solle am 26. März 2000 gewählt werden. VVN-BdA-Bundessprecher Peter-Christian Walther habe erklärt, sein Verband wolle sich anschließen. Er wünsche auch, dass der gemeinsame Dachverband den Namen der VVN-BdA trage. Repräsentanten von VVN-BdA und BdA erklärten zugleich, dass der gemeinsame Dachverband keine Fusion bedeute; die Organisationen sollten innerhalb seines Rahmens selbständig bleiben. Am 3. April beteiligte sich die VVN-BdA am Ostermarsch in München, Veranstaltungsan dem insgesamt 450 Personen teilgenommen haben. Am 31. Juli schwerpunkte führte sie mit anderen, auch linksextremistischen, Gruppierungen eine Demonstration in der Würzburger Innenstadt durch. Die Veranstaltung mit etwa 100 Teilnehmern wandte sich primär gegen den als verstärkt empfundenen Aktionismus rechtsextremistischer Personen und Gruppierungen im Raum Würzburg. Zum "Antikriegstag 1999" am 1. September führte die VVN-BdA in Bamberg und Hof Veranstaltungen durch. 2.2.4.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Deutschland Bayern Mitglieder: 300 50 Vorsitzender: Michael Götze Gründung: 04./05.05.1968 Sitz: Essen Publikation: position 98 Linksextremismus Ideologischer Die mit der DKP eng verbundene SDAJ versteht sich als SelbstorganiGleichklang mit sation von Schülerinnen und Schülern, Studentinnen und Studenten, der DKP Auszubildenden und jungen Arbeitenden, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, unabhängig von ihrer Herkunft. Die SDAJ kämpft nach eigener Darstellung für eine Welt ohne Ausbeutung und Rassismus, für eine Welt, in der die Menschen und nicht die Konzerne das Sagen haben. Am 10. Januar beteiligte sich die SDAJ in Berlin-Friedrichsfelde an Gedenkfeier dem von der PDS veranstalteten traditionellen "ehrenden Gedenken" in Berlin an der Grabstätte der vor 80 Jahren am 15. Januar 1919 ermordeten Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Rund 100.000 Personen nahmen an dieser Veranstaltung teil. Nach einem Bericht des DKP-Zentralorgans "Unsere Zeit" (UZ) vom 19. November hat die SDAJ am 6. November im Hamburger GewerkJugendkonferenz schaftshaus eine "Jugendkonferenz gegen Militarismus und Krieg" durchgeführt. Unter den rund 100 Teilnehmern habe sich auch der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr befunden. Ein IG-Medien-Funktionär habe die Gelegenheit zur Agitation gegen den DGB genutzt, weil dieser dem NATO-Angriffskrieg ohne Einschränkungen zugestimmt habe. SDAJ-Redner hätten behauptet, der imperialistische Gegner stehe heute wie vor 80 Jahren im eigenen Land. Eine Neuformierung der "Friedensbewegung" sei erforderlich. 2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Deutschland Bayern Mitglieder: 2.000 140 Vorsitzender: Stephan Engel Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen Publikationen: Rote Fahne und Theorieorgan "lernen und kämpfen" Die MLPD wurde 1982 in Bochum als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in der BRD und Westberlin" gegründet. Die Partei bekennt sich zu den Lehren von Marx, Engels, Lenin und Mao Tse-tung. In ihrem Zentralorgan "Rote Fahne" führt sie in ihren stän- Linksextremismus 99 digen "Informationen für neue Leserinnen und Leser" unter anderem aus: "Die MLPD wendet den Marxismus-Leninismus und die Maotsetungideen schöpferisch auf die heutige Situation an." Die Mitglieder stammen vor allem aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Sie sind in Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirken organisiert, die einer "zentralen Leitung" mit Sitz in Gelsenkirchen unterstehen. Die MLPD zählt bundesweit rund 2.000 Mitglieder, davon etwa 140 in Bayern. Nebenorganisation der Partei ist der Jugendverband REBELL. Von der MLPD beeinflusst ist der Frauenverband Courage. Die MLPD ist aufgrund ihrer sektiererischen Haltung im gesamten Weitgehende linksextremistischen Lager isoliert. Von anderen linksextremistischen Isolierung Parteien grenzt sie sich durch scharfe kritische Äußerungen ab. Der Schwerpunkt der Aktivitäten lag in der parteiinternen Programmdiskussion sowie in der konspirativen Durchführung ihres VI. Parteitags im Dezember. Auf dem so genannten "Gelsenkirchner Parteitag" beschloss die Partei ein neues Programm, das nach Berichten im ParNeues Parteiteiorgan Rote Fahne vom 17. und 24. Dezember überzeugende und programm motivierende Antworten auf alle wesentlichen Fragen über das "kapitalistische System" gebe. In mehreren Kapiteln werden in diesem Programm die Bundesrepublik Deutschland als System des staatsmonopolistischen Kapitalismus beschrieben, angebliche Lehren aus dem Scheitern des realen Sozialismus gezogen und der "echte Sozialismus" als Ziel propagiert. In Bayern betrieb die MLPD lediglich einzelne Info-Stände zur Programmdiskussion und zu Themen wie Arbeitslosigkeit und dem NATO-Einsatz im Kosovo. 2.4 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Deutschland Bayern Mitglieder: 200 100 Gründung: 1973 Sitz: München Publikation: Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) Mehrere örtlich tätige maoistisch orientierte Arbeiterbasisgruppen schlossen sich 1973 zum AB zusammen. Dieser beruft sich in seinen programmatischen Aussagen auf den Marxismus-Leninismus und die 100 Linksextremismus Ideen Stalins sowie Mao Tse-tungs. Sein Ziel ist die Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse" und die "Errichtung einer Diktatur des Proletariats", um den Kommunismus in einer "klassenlosen Gesellschaft" zu verwirklichen. Der AB bekennt offen, dass dies nur mit Gewalt zu erreichen sei, da die "herrschende Klasse" nicht freiwillig auf ihre Macht verzichte. Der AB ist vorwiegend in Bayern tätig. Es bestehen Gruppen in Augsburg, München, Nürnberg und Regensburg. "Freundeskreise" in München, Nürnberg und Regensburg sollen den AB finanziell unterstützen. In weiteren Städten des Bundesgebiets verfügt der AB über Ortsgruppen bzw. Stützpunkte. Die Gesamtmitgliederzahl blieb konstant bei etwa 200, davon rund 100 in Bayern. Der AB ist Zwei AB-Flügel in zwei Flügel gespalten. Der größere, die Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung (Gruppe KAZ) steht der DKP, der kleinere Flügel der PDS nahe. Der Großteil der Mitglieder der Gruppe KAZ hat sich 1997 in Form einer Doppelmitgliedschaft der DKP angeschlossen. Beide Flügel sehen sich in der Tradition des AB, zeigten aber wie in den Vorjahren nur geringe Aktivitäten. 2.5 Marxistische Gruppe (MG) Deutschland Bayern Mitglieder: 10.000 700 Aktive Leitung: Funktionärsgruppe Gründung: 1969/1970 ("aufgelöst" zum 1. Juni 1991) Sitz: München Publikation: GEGENSTANDPUNKT Die MG, 1969/1970 aus der Gruppierung Rote Zellen hervorgegangen, hat am 21. Mai 1991 ihre "Auflösung" erklärt. Sie blieb jedoch mit etwa 10.000 Anhängern eine der größten linksextremistischen Organisationen in Deutschland. Von den rund 4.200 Anhängern in Bayern sind etwa 700 aktiv. Die Aktivisten trafen sich bei regelmäßiRegelmäßige gen "Jour fixe" bzw. GEGENSTANDPUNKT-DiskussionsveranstaltunVeranstaltungen gen in München und Nürnberg. Dabei wird nicht der frühere Organi- Linksextremismus 101 sationsname verwendet, sondern die Bezeichnung der von führenden MG-Funktionären herausgegebenen politischen Vierteljahreszeitschrift GEGENSTANDPUNKT. Diese Publikation erscheint seit 1992. Die MG befasste sich in ihren öffentlichen Äußerungen insbesondere mit dem "Balkankrieg der NATO". 2.6 Münchner Bündnis gegen Rassismus An dem linksextremistisch beeinflussten Münchner Bündnis gegen LinksextremistiRassismus mit seinen rund 40 Anhängern beteiligen sich neben scher Einfluss demokratischen Gruppierungen die PDS, DKP, AB, Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP), die Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) und die linksextremistisch beeinflusste Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Die Leitung bei Treffen und Veranstaltungen oblag meist Aktivisten der linksextremistischen Gruppierungen. Diese zeichneten auch für Flugblätter des Bündnisses presserechtlich verantwortlich. Das Bündnis fungierte als Träger für eine Vielzahl von Aktivitäten, zu denen kleinere Gruppen alleine nicht in der Lage waren. Es beteiligte sich auch an Veranstaltungen von linksextremistischen, insbesondere autonomen Gruppierungen. Schwerpunktthemen des Münchner Bündnisses gegen Rassismus waren der Bundeswehrund NATO-Einsatz im Kosovo sowie Asylund Abschiebeproblematiken. Hierzu wurden zahlreiche Demonstrationen, Diskussionsveranstaltungen, Flugblattverteilungen, Info-Stände und Mahnwachen durchgeführt. Eine Veranstaltung des Münchner Bündnis gegen Rassismus am 13. März in München richtete sich unter dem Motto "Gegen die ausländerfeindliche und rassistische Kampagne der CSU" gegen die Unterschriftenaktion der Unionsparteien zur Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit. Daran beteiligten sich auch Mitglieder der trotzkistischen SAG. Die SAG betreibt mit Hilfe ihrer 1994 gegründeten Tarnorganisation "Linksruck-Netzwerk" eine gezielte Infiltration bei den Jungsozialisten der SPD. Mit dieser "Entrismus" genannten Strategie sollen Kader zur Stärkung der eigenen Organisation unter den Jusos 102 Linksextremismus angeworben werden. Das "Linksruck-Netzwerk" verfügt in Bayern über Ortsgruppen in Augsburg, München, Regensburg, Rosenheim und Würzburg. 3. Gewaltorientierte Linksextremisten 3.1 Autonome Gruppen Deutschland Bayern Mitglieder: über 6.000 500 Gründung: meist themenbezogene Zusammenschlüsse seit Ende der 70er Jahre Sitz: lokale Gruppen Publikationen: Szeneblätter, z.B. INTERIM; auf lokaler Ebene unter anderem: barricada 3.1.1 Überblick Unverminderte Die Gewaltbereitschaft der Autonomen stellt weiterhin eine wesentGewaltbereitliche Bedrohung der Inneren Sicherheit in Deutschland dar. Über 80% schaft der linksextremistisch motivierten Gewalttaten sind auf Autonome zurückzuführen. Autonome Gruppierungen beschäftigen sich mit nahezu allen Themenbereichen linksextremistischer Propaganda. Durch geschickte Agitation versuchen sie, auch demokratische Protestbewegungen für ihren Kampf gegen den Staat zu mobilisieren. Die Schwerpunkte ihrer Aktivitäten liegen im Bereich "Antifaschismus", d.h. der Bekämpfung von rechtsextremistischen Bestrebungen und des "Repressionsapparats" des Staats. Gerade bei ihren Aktionen gegen den Rechtsextremismus gelingt es ihnen, demokratische Gruppen einzubeziehen, die sich gegen ein Erstarken des Rechtsextremismus wenden. 3.1.2 Ideologische Ausrichtung Autonome haben kein einheitliches ideologisches Konzept. Sie folgen unklaren anarchistischen und anarchokommunistischen Vorstellungen. Die einzelnen Gruppen bilden sich meist über Aktionsthemen. Ablehnung von Einig sind sich die Autonomen in der Ablehnung von Staat und Staat und GesellGesellschaft. Ihr Ziel ist die gewaltsame Abschaffung des Staats und schaft seiner Institutionen, um an seiner Stelle eine "herrschaftsfreie Gesell- Linksextremismus 103 schaft" zu errichten. Das provozierende Auftreten der Autonomen in der Öffentlichkeit, ihre staatsfeindliche Haltung, die Ablehnung gesellschaftlicher Normen und Werte, aber auch das Bejahen von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Forderungen und Ziele kommen der Protesthaltung mancher junger Menschen entgegen, vor allem, wenn Attraktivität für diese mit Problemen im Elternhaus oder in der Schule bzw. Ausbiljunge Menschen dung konfrontiert werden. Dieses gemeinsam empfundene, alle Bereiche umfassende Lebensgefühl geht über - möglicherweise unterschiedliche - politische Vorstellungen hinaus und schafft Bindungen. Angehörige bzw. Aktivisten der Autonomen unterscheiden sich soziologisch zunächst kaum von anderen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Sie sind Schüler, Studenten und Auszubildende, schließen aber vielfach ihre Lehre oder ihr Studium nicht ab. Ein Beispiel für die ideologische Ausrichtung der Autonomen ist die Münchner Gruppierung Zusammen Kämpfen (ZK). Diese Gruppe hat ein ausgeprägtes antikapitalistisches Grundverständnis und versteht die staatliche und gesellschaftliche Ordnung Deutschlands als "Klassengesellschaft", in der ein "gnadenloser Klassenkampf von oben" gegen die "proletarische Klasse" betrieben werde. Nach Beseitigung der bestehenden gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung in Deutschland soll an deren Stelle eine klassenlose, kommunistische Gesellschaftsform treten, aufgebaut nach dem Räteprinzip. Dies Rätesystem erfordere den Aufbau einer breiten revolutionären Bewegung, die einen gemeinsamen antikapitalistischen und antistaatlichen Kampf führen müsse. 3.1.3 Strukturen 3.1.3.1 Autonome in Bayern Örtliche Brennpunkte der Autonomen in Bayern sind Nürnberg, MünSchwerpunkte chen und Passau. Die Passauer Autonomen zeigten insgesamt gerinin Bayern ge Aktivitäten. Sie sind allerdings nach wie vor gewaltbereit. Dies zeigte sich am 25. September, als vier Aktivisten der Autonomen Antifa Passau (AA Passau) zwei Teilnehmer der DVU-Veranstaltung tätlich angriffen. Die Autonome Szene in Nürnberg ist gefestigt. Für ihre ideologische und organisatorische Tätigkeit haben das "Stadtteilzentrum Schwarze Katze" und das "Internationale Kulturhaus" als Anlaufund Kontaktstellen das "Künstlerhaus K4", vormals "Kommunikationszentrum (KOMM)", abgelöst. Die etwa 150 Münchner 104 Linksextremismus Autonomen beschäftigten sich ganz überwiegend mit dem Thema "Antifaschismus". Als Anlaufund Kontaktstelle hat für sie der autonome Info-Laden im Stadtteil Haidhausen nach wie vor zentrale Bedeutung. Daneben bestehen autonome Gruppierungen unter anderem in den Bereichen Aschaffenburg, Augsburg, Bayreuth, Neu-Ulm, Sulzbach-Rosenberg und Würzburg. Auch aus anderen Städten wurden Aktivitäten der autonomen Szene bekannt; dort bestehen meist nur Kleinstgruppen. 500 Autonome Insgesamt gehören den autonomen Strukturen in Bayern rund 500 in Bayern Personen an. Die Anhängerzahl hat sich zwar nicht erhöht, die Autonomen sind aber nach wie vor sehr motiviert. Die autonomen Gruppierungen tragen Namen wie rote antifa nürnberg (ran), Zusammen Kämpfen (ZK), Antifaschistische Jugendfront (AJF), Antifaschistische Aktion (AA), Jugend gegen Rassismus (JgR), Antifa Kritik & Kampf (AKuK) und Organisierte Autonomie (OA). Die frühere grundsätzliche Ablehnung von Organisationsformen und verbindlichen Strukturen haben die Autonomen größtenteils aufgegeben. Seit 1998 tritt das Antifaschistische Aktionsbündnis Bayern (AABB) Bayerisches öffentlich in Erscheinung. Dieses Bündnis dient vor allem dazu, den Aktionsbündnis "antifaschistischen Widerstand" in Bayern zu beleben bzw. zu organisieren. Die gemeinsamen Treffen der an diesem Bündnis teilnehmenden autonomen Antifa-Gruppierungen bilden die Grundlage für die Koordination der politischen Arbeit und der bayernweiten Kampagnen und Aktionen. Durch das Bündnis wird die örtliche Antifaarbeit wesentlich verstärkt. Im AABB sind knapp 20 Gruppierungen organisiert, darunter Gruppen aus Aschaffenburg, Augsburg, Bayreuth, Ingolstadt, Landshut, München, Nürnberg, Passau, Regensburg, Sulzbach-Rosenberg, Ulm/Neu-Ulm und Würzburg. In Bayern sind derzeit keine autonomen Zusammenhänge feststellbar, die - nach dem Vorbild terroristischer Gruppierungen wie etwa die Revolutionären Zellen (RZ) - Modelle des "Guerillakampfes" propagieren und aus der "Legalität" heraus als so genannte Feierabendterroristen planmäßig terroristische Straftaten verüben. 3.1.3.2 Antifaschistische Aktion/ Bundesweite Organisation (AA/BO) Der AA/BO ist es gelungen, im autonomen Bereich eine dauerhafte Organisationsstruktur zu schaffen. Sie hat wesentliche Bedeutung für Linksextremismus 105 Autonome in Bayern 1999 Coburg* (Schwerpunkte) Aschaffenburg Bayreuth Raum Aschaffenburg Raum Würzburg Bayreuth ca. 25 Raum ca. 20 Würzburg ca. 30 Nürnberg Sulzbach-Rosenberg Großraum Nürnberg, Raum Fürth, Erlangen Sulzbach-Rosenberg ca. 140 ca. 30 Regensburg* Angehörige der autonomen Szenen *) Ingolstadt* Passau Autonome Großraum Landshut* Raum Kleinstgruppen Passau Augsburg Neu-Ulm* ca. 20 ca. 20 Augsburg Großraum München München ca. 150 Rosenheim* die gewaltbereite autonome antifaschistische Szene und ist eine Art Dach für gewaltorientierte Gruppierungen zur Verankerung und Verbreiterung des Widerstands. Der AA/BO gehören Gruppierungen aus über zehn Städten im Bundesgebiet an. Eine zentrale Rolle in dieser Organisation nimmt die militante Autonome Antifa (M) in Göttingen ein. Die Aktivitäten der Mitgliedsgruppe AA Passau sind derzeit durch ein Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gebremst. Aus Bayern gehören der AA/BO außerdem noch die rote antifa nürn- 106 Linksextremismus berg (ran) und die Antifa Kritik & Kampf (AKuK) aus Nürnberg an. Im Rahmen der Vernetzung von Gruppen spielen vor allem ehemalige Wichtige Rolle Passauer Aktivisten bundesweit eine wichtige Rolle. In Berlin, HamPassauer Aktiburg und Göttingen wirken sie stabilisierend auf die politische Arbeit visten der dortigen Gruppierungen. Die linksextremistische Zielsetzung der AA/BO zeigt sich unter anderem an der von ihr propagierten These, dass sich der Antifaschismuskampf gegen die Grundpfeiler der "bürgerlichen Herrschaft" richten müsse. Die Parole lautet: "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System." Werbung neuer Die AA/BO wirbt seit 1997 mit einem farbig gestalteten Faltblatt Anhänger sowie im Internet in der linksextremistischen Szene. Die AA/BO empfiehlt sich als Sammlungsbewegung, welche die Zersplitterung der "Linken" überwinden will. Sie propagiert Widerstand gegen bürgerliche Kräfte und das "bestehende Herrschaftssystem". Weiter heißt es: "Eine antifaschistische, freie Gesellschaft kann nur entstehen, wenn das System mit all seinen Übeln gekippt wird. Denn für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn es nicht niedergerissen wird." 3.1.3.3 Antifa-Offensive 1999 Die autonome Szene sieht sich in den letzten Jahren mit einer angeblich stetig wachsenden "faschistischen Bewegung" in Deutschland konfrontiert. Zum einen meint sie damit rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen (Wahlerfolge, Zunahme rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten und Großveranstaltungen), zum anderen den "hochgerüsteten Polizeiapparat". Die AA/BO initiierte daher zur konzeptionellen und strategischen Neuorientierung die Kampagne "Antifa-Offensive 1999". Damit versuchte die AA/BO, eine bundesweite Vernetzung für ein Jahr auf eine breitere Basis zu stellen, Bundesweite mit dem Ziel, bundesweit koordiniert vor allem gegen organisierten Kampagne Rechtsextremismus offensiv vorgehen zu können. Kennzeichnend dabei war, dass Zeit und Ort autonomer Aktionen von den Autonomen selbst bestimmt wurden. Daneben zeigte die Kampagne die neue Bereitschaft der AA/BO, sich gegenüber anderen autonomen Antifa-Gruppen zu öffnen, indem sie diesen die Möglichkeit gab, sich zu beteiligen. Unter dem Kampagnen-Logo "Antifa-Offensive 1999 - Den rechten Vormarsch stoppen!" fanden bundesweit koordiniert Veranstaltungsreihen, Demonstrationen, Konzerte und andere Aktionen statt, die Linksextremismus 107 vor allem gegen rechtsextremistische Parteien gerichtet waren. Die "Antifa-Demonstration" zur NPD-Bundesgeschäftsstelle am 9. Oktober in Stuttgart, an der sich rund 1.000 Personen größtenteils aus autonomen und anderen linksextremistischen Gruppierungen beteiligten, wurde als "Höhepunkt" der Kampagne angesehen. Auch in Bayern organisierte die autonome Antifa-Szene im Rahmen Aktionen der "Antifa-Offensive 1999" Aktionen (Demonstrationen, Kundin Bayern gebungen, Informationstische) gegen so genannte Nazistrukturen. Am 30. Oktober veranstalteten Autonome in Sinning, Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, im Rahmen der "Antifa Offensive 99" einen "Antifaschistischen Aktionstag". Unter dem Motto "Kein braunes Endlager in Sinning" demonstrierten rund 150 Personen gegen die damals dort residierende Geschäftsstelle der NPD Bayern sowie gegen Redaktion und Versandhandel des Parteiorgans der NPD "Deutsche Stimme". Im Anschluss an die Demonstration fand eine so genannte Antifa-Soliparty statt. Für diese Versammlung hatte ein Sprecher des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Bayern (AABB) beim Aktionstag gegen die DVU-Kundgebung am 25. September in Passau geworben. Am 19. November demonstrierten in Fürth etwa 150 Personen unter dem Motto "Faschisten bekämpfen! Weg mit dem Naziladen in Fürth" gegen ein in Fürth von Rechtsextremisten betriebenes Geschäft. Zu dieser Demonstration hatten mehrere örtliche autonome und andere linksextremistischen Gruppen aufgerufen. 3.1.4 Informationelle Vernetzung Durch die Zugehörigkeit der AA Passau und ran zur AA/BO sind die bayerischen Schwerpunktszenen in den bundesweiten Informationsaustausch autonomer und anderer linksextremistischer Gruppierungen eingebunden. Für den lokalen, überregionalen und internationalen Informationsaustausch verwenden Autonome Szenepublikationen, Info-Läden, Szenelokale sowie verdeckte informelle Strukturen wie Telefonketten, aber auch Mailboxverbundsysteme und das Internet. In Bayern bestehen Info-Läden in München, Nürnberg und Landshut. Info-Läden Linksextremisten nutzen seit Jahren die Vorteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten. Das in früheren Jahren genutzte "Spinnennetz" ist nicht mehr existent. Eine immer größere Bedeutung hat Nutzung des inzwischen die Nutzung des Internets erlangt. Darin werden, zum Teil Internets 108 Linksextremismus über ausländische Anbieter, Nachrichten und Publikationen mit teilweise strafbarem Inhalt verbreitet. "Antifa-Treffen" werden in der Regel frühzeitig im Netz angekündigt. Die Beiträge umfassen auch Selbstdarstellungen autonomer Zusammenschlüsse sowie Angebote verschiedener linksextremistischer Publikationen, z.B. die anarchistische "graswurzelrevolution". 3.1.5 Autonome Publikationen Eine weitere Informationsmöglichkeit bietet sich den Autonomen durch die Szenepublikationen. Diese werden oft konspirativ hergestellt und verbreitet. Neben der Berichterstattung über autonome und terroristische Aktivitäten schüren die Publikationen vor allem den Hass gegen die Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Sie enthalten ferner unverhohlene Aufforderungen und Anleitungen zu Gewalttaten, u.a. gegen Rechtsextremisten und deren Einrichtungen, sowie - vor allem im Bereich der Anti-AKW-Kampagne - gegen Einrichtungen der Deutschen Bahn AG. Von den bundesweiten Szeneblättern hat nach wie vor die regelmäßig erscheinende, aus Berlin stammende Publikation INTERIM zentrale Bedeutung. ThemenThemenschwerpunkte in den autonomen Publikationen waren "Antischwerpunkte faschismus", "revolutionäre Organisierung der Linken", "rassistische Flüchtlingspolitik" und "Repression gegen Antifaschisten". Daneben waren wie in den Vorjahren eine Vielzahl von Selbstbezichtigungsschreiben zu Anschlägen sowie Handlungsanleitungen zu Straftaten abgedruckt. Die Themenbereiche "kurdischer Befreiungskampf" und die "Anti-AKW-Bewegung" fanden nur geringe Beachtung. Anfang Juni wurde - nach einer über einjährigen Pause - eine neue Ausgabe (Nummer 156) der militanten autonomen Untergrundzeitschrift "radikal" bekannt. In einem Vorwort zur neuen Ausgabe betonten die "Macher", das Blatt als einen subversiven Raum zu sehen, in dem Kommunikationsprozesse stattfänden und militante Strategien verhandelt und organisiert werden könnten. In einem Beitrag schreibt "eine gruppe aus der radikal": "wenn wir diese gesellschaft umwälzen wollen, dann gilt es, sie jetzt zu bekämpfen, mit allen mitteln, die uns in die köpfe und in die hände fal- Linksextremismus 109 len. dazu gehören flugblätter und sitzblockaden genauso wie sekundenkleber in schlössern und brennende karren (oder eben auch die radi). (...) gezielte politische aktionen gegen sachen und auch personen sind völlig legitim. (...) vielmehr ist eine militante haltung für uns eine, bei der aus der grundlegend ablehnenden haltung gegen diesen und jeden staat, gegen die akteure und profiteure der herrschaftsverhältnisse praktische konsequenzen folgen. (...) wir sind jedenfalls nicht bereit, diesem staat das gewaltmonopol zu überlassen! wir sind illegal und kriminell in der definition dieses staates, etwas anderes können und wollen wir hier auch nicht sein!" Auf den letzten Seiten der radikal werden jugendliche SympathisanAufruf zu ten unter dem Motto "Militant ins nächste Jahrtausend" zu AnschläGewalttaten gen aufgefordert. Auch in bewegungsarmen Zeiten seien militante Aktionen notwendig, um in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen "linksradikale" Standpunkte präsent zu machen. Den Abschluss der Zeitschrift bildet eine detaillierte Anleitung zum Bau eines Brandsatzes mit Zeitzünder, um "jüngeren (aber durchaus auch älteren) Linksradikalen einen Zugang zu solchem Wissen zu ermöglichen. Wie sonst sollen wir militante Praxis weiterentwickeln?" In Bayern publizieren die Autonomen ihre politischen Artikel vor allem in den regelmäßig erscheinenden Schriften barricada und bambule aus Nürnberg, Fight the Power aus Passau, PARTISAN aus Ulm/Neu-Ulm und Pro.K aus München. Oft werden darin auch nur Artikel aus bundesweiten Szenepublikationen wie INTERIM übernommen und durch Hinweise auf aktuelle Themen und Termine der örtlichen oder regionalen Szene ergänzt. 3.1.6 Schwerpunktthemen und Aktionen Beherrschendes Thema für die Autonomen in Bayern war auch in diesem Jahr der Antifaschismus. Eine untergeordnete Rolle spielten der Kosovo-Konflikt und die Festnahme des PKK-Generalvorsitzenden Abdullah Öcalan. Im Zusammenhang mit den Aktionen war auch eine Reihe von Gewaltund Straftaten zu verzeichnen. Die Zahl der Gewalttaten beträgt wie im Vorjahr 25 Stagnation der (vgl. auch Nummer 3.2 dieses Abschnitts). Gewalttaten 110 Linksextremismus 3.1.6.1 Antifaschismus Schwerpunkt aller Aktivitäten autonomer Gruppen in Bayern bildeten wie im Vorjahr Aktionen und auch Gewalttaten gegen rechtsextremistische Veranstaltungen, aber auch gezielte Angriffe gegen tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten. Von den 25 in Bayern Motiv der verübten Gewalttaten entfallen 21 auf diesen Bereich. Antifaschismus Gewalttaten hat insbesondere für die Autonomen nach wie vor große Attraktivität. Für entsprechende Aktionen sind die Autonomen wie sonst zu kaum einem anderen Thema in der Lage, den größten Teil ihres Hohes MobilisiePotenzials zu mobilisieren. Auch bundesweit hat dieses Thema erhebrungspotenzial lich an Bedeutung gewonnen. So hat die Zahl der bundesweit verübten Gewaltdelikte mit der Begründung Antifaschismus um rund 15 % zugenommen. Ihr Anteil an den insgesamt verübten Gewalttaten in Deutschland beträgt rund 42 %. Linksextremisten spähen ihre politischen Gegner ebenso wie Rechtsextremisten gezielt aus und verSteckbriefe öffentlichen seit Jahren entsprechende Steckbriefe in ihren Publikationen. Jüngstes Beispiel ist die linksextremistische Publikation "barricada-Zeitung für autonome Politik und Kultur aus Nürnberg", Ausgabe Dezember 1999. In einem redaktionellen Beitrag zur "Nazi-Skinhead-Bewegung und ihre Strukturen in Franken/Nordbayern" werden sieben Rechtsextremisten aus der Region mit Porträts, Namen und Adressen genannt. In einem anschließend abgedruckten Interview mit der Überschrift "Was tun? Was tun!" wird unverhohlen zu Gewalttaten gegen die "wirklichen Drahtzieher" aufgefordert. Die Ausspähungen werden aber nicht immer nur für direkte Auseinandersetzungen genutzt, sondern sollen die Opfer häufig auch in ihrem persönlichen Umfeld treffen. So brachten in München unbekannte Täter, die der autonomen Szene zugerechnet werden, Ende Juli am Wohnanwesen eines Skinheads die Schmierschrift "Nazis im zweiten Stock angreifen - Für ein rotes Westend" an und warfen einen Farbbeutel an ein Fenster im zweiten Stock. In einem Selbstbezichtigungsschreiben, das die Täter im Briefkasten des Geschädigten hinterlassen hatten, bedrohten sie den Skinhead. Parolenhaft forderten die Verfasser "Faschisten angreifen! Für die militante antifaschistische Offensive". Zu nennen sind folgende weitere Aktionen: Wie schon in früheren Jahren agitierte die autonome Szene auch heuer gegen den Pfingstkongress des "Coburger Convents" (CC). Dieser Dachverband von 104 studentischen Korporationen vertritt nach Ansicht von Linksextremisten nationalistische und rassistische Linksextremismus 111 Grundhaltungen. Am 24. Mai beteiligten sich etwa 350 Personen, darunter zahlreiche Autonome, an einer von der linksextremistischen Szene in Coburg ausgerichteten "Anti-CC-Demonstration". Die Polizei verhinderte Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern des CC. 80 Autonome versuchten, einen Fackelzug durch die Coburger Innenstadt und die anschließende Abschlusskundgebung mit Trillerpfeifen zu stören. Sie wurden jedoch von der Polizei abgedrängt. Auch der Wahlkampf der NPD zur Europawahl war Ziel von linksAngriffe auf NPDextremistischen Angriffen. Am 5. Juni störten 300 GegendemonstVeranstaltungen ranten, darunter etwa 150 Linksextremisten in Nürnberg eine Kundgebung der NPD zur Europawahl erheblich. Unter Führung der zur Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) gehörenden Roten Antifa Nürnberg versperrten Gegendemonstranten den Rechtsextremisten den Weg zum Versammlungsort. Die Polizei erzwang daraufhin den Zutritt. Während der NPD-Veranstaltung standen den rund 150 NPD-Anhängern zahlreiche Linksextremisten gegenüber. Diese erzeugten mit Zwischenrufen und Trillerpfeifen so viel Lärm, dass der Redner der NPD kaum zu verstehen war. Angehörige der PDS, VVN-BdA und Autonome beteiligten sich am 24. Juli an einer Veranstaltung gegen einen Aufzug des JN-Landesverbands in Ingolstadt. Insgesamt nahmen an der Demonstration des Bündnisses gegen Rechts rund 140 Personen teil. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Stoppt den (Vor)Marsch der Rechten". Die Teilnehmer führten Transparente und Plakate mit antifaschistischen Aufschriften mit. Nach Abschluss der Veranstaltung zogen etwa 30 Teilnehmer zum Aufzugsgelände der JN und versuchten, den Abmarsch durch eine kurze Sitzblockade zu verhindern. Als Reaktion auf die alljährlich stattfindende Großkundgebung der DVU am 25. September in Passau organisierten der dem lokalen autonomen Spektrum zuzurechnende "Verein zur Förderung des antifaschistischen Bewusstseins junger Menschen e.V." und die Antifaschistische Aktion Passau einen Aktionstag. Den Schwerpunkt bildete mit etwa 3.000 Teilnehmern ein Aufzug unter dem 112 Linksextremismus Motto "Den Faschisten immer und überall entgegentreten". Als Rednerin trat - neben Vertretern der Autonomen - die bayerische Bundestagsabgeordnete der PDS, Eva-Maria Bulling-Schröter, auf. Im Verlauf des Aktionstags griffen vier Sympathisanten der autonomen AA Passau zwei mutmaßliche Teilnehmer der DVU-Veranstaltung tätlich an. Die Polizei leitete insgesamt 26 Ermittlungsverfahren gegen Personen der linksextremistischen Szene ein, unter anderem wegen Körperverletzung, Widerstands, Beleidigung und Mitführens von Waffen. Unter dem Motto "Kampf gegen den Drogenmissbrauch und Kampf der Drogenmafia" fand am 6. November in Rosenheim ein Aufzug Ausschreitungen der NPD mit rund 400 Teilnehmern statt. Der Demonstrationszug bei NPD-Verwurde von mehreren hundert linksextremistischen Gegendemonstsammlung ranten durch Pfeifkonzerte, Rufen von Parolen sowie durch das Werfen von Gegenständen wie Bierdosen, Glasflaschen, Steinen und Eiern massiv gestört. Die Polizei konnte einzelne Täter aus dem Störerblock herausgreifen und eine Eskalation der Auseinandersetzung verhindern, die zuletzt auch in tätlichen Angriffen mit Faustschlägen und Fußtritten gipfelte. Dabei wurden mehrere Personen verletzt. Die Polizei nahm 28 Personen, meist Jugendliche beider Gruppierungen, darunter 13 Linksextremisten, wegen mehrerer Straftaten vorübergehend fest. Die Linksextremisten begingen unter anderem neun Körperverletzungen. Darüber hinaus nahm die Polizei zwölf weitere Linksextremisten in Unterbindungsgewahrsam. Den festgenommenen Rechtsextremisten werden unter anderem vier Körperverletzungen und das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole zur Last gelegt (vgl. auch Nummer 2.2.4 des 3. Abschnitts). 3.1.6.2 Weitere Aktionen Solidarität für Autonome beteiligten sich auch an Protesten gegen die Verhaftung kurdische PKK Abdullah Öcalans. Das Berliner Szeneblatt INTERIM beklagte in der Nummer 470 vom 25. Februar aber die "relativ lasche Beteiligung" an den Aktionen. In der Ausgabe vom 11. März (Nummer 471) wurde eine Liste angeblicher deutscher Waffenlieferanten an die Türkei veröffentlicht. Die Auflistung endet mit der Parole "Rüstungsexporte stoppen, Waffenlieferanten bekämpfen!". Der Tätigkeitsschwerpunkt der in Bayern besonders aktiven Kurdistan-Solidaritätsgruppen in München und im Raum Allgäu/Oberschwaben lag in der Organisation von Info-Tischen, Kundgebungen und Demonstrationen. Linksextremismus 113 Ein weiteres wichtiges Thema autonomer Gruppen war die von den Unionsparteien durchgeführte Unterschriftenaktion zur doppelten Staatsangehörigkeit. In mehreren Städten außerhalb Bayerns zerstörten Autonome Info-Stände der CDU. Diese Protestund Störaktionen weiteten sich außerhalb Bayerns zeitweise zu Angriffen auf CDU-Einrichtungen und einzelne Parteimitglieder aus. Autonome zerstörten unter anderem am 23. Januar in Hamburg und Berlin Info-Stände. Darüber hinaus griffen meist unbekannte Täter Parteieinrichtungen der CDU in mehreren Ländern an und störten eine Reihe von Veranstaltungen der CDU. Dabei kam es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. In der Nacht zum 26. Januar wurden die Scheiben der RCDS-Geschäftsstelle in Bonn mit Pflastersteinen eingeworfen. Am 28. Januar wurden zwei Scheiben der CDU-Kreisgeschäftsstelle in Potsdam eingeworfen und ein Brandsatz entzündet. Zu Beginn der UnterschriftenAngriffe gegen aktion der CSU in Bayern versuchten Linksextremisten zunächst, dieUnterschriftenser durch Desinformationsmaßnahmen zu schaden. Dazu wurden aktion zur doppelwiederholt Flugblätter verteilt, die der Unterschriftenaktion nachten Staatsangehöempfunden waren. Mit der Aufschrift "C.D.U. Unterschriftenaktion rigkeit - Nein zur doppelten Staatsangehörigkeit - Ja zur Integration der CSU" wurde darin gegen die Aktion polemisiert. Das Flugblatt war mit dem Kürzel "Ihre C.D.U. Clowns Danken UnterstützerInnen" unterzeichnet. Gegen den Auftakt der Unterschriftenaktion am 26. Januar in München protestierten auf dem Marienplatz unter anderem Autonome und andere Linksextremisten. Am 6. Februar versuchten Angehörige der linksextremistischen Szene in Augsburg, im Rahmen einer Versammlung der dortigen CSU zum Thema "Doppelte Staatsbürgerschaft" die Aufstellung eines Info-Stands zu verhindern. Sie beschimpften die handelnden Personen und griffen sie tätlich an. Am gleichen Tag versuchten acht Mitglieder der autonomen Antifa-Gruppierung "Zusammen-Aktiv-Kämpfen" (Z.A.K.), die Unterschriftenaktion des CSU Kreisverbands Amberg zu verhindern. Angehörige der autonomen/antiimperialistischen Szene, Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten protestierten gegen den Militäreinsatz der NATO im Kosovo im März/April. Mit zunehmender Dauer des Konflikts stieg die Aggressivität bei den 114 Linksextremismus Linksextremisten, die vom Festhalten der "Rot-Grünen-Bundesregierung" an der Beteiligung deutscher Bundeswehrsoldaten am NATO-Einsatz im "Kosovo-Krieg" enttäuscht waren. Dies brachten Autonome in einem Internet-Beitrag mit der Parole "Zerschlagen wir die NATO! Fangen wir mit den Grünen an!" zum Ausdruck. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen anlässlich der DemonstraKrawalle am tionen zum 1. Mai in Berlin zeigten die nach wie vor große Militanz der 1. Mai in Berlin autonomen Szene. Bei einer Demonstration mit rund 800 Teilnehmern kam es zu Straßenblockaden und Steinwürfen. Die am Abend im Bezirk Kreuzberg durchgeführte "Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration" mit rund 10.000 Teilnehmern war erneut von gewalttätigen Ausschreitungen begleitet. Die Teilnehmer stürzten Container um, setzten Papierkörbe in Brand, schlugen Schaufenster ein und warfen Flaschen und Steine gegen Polizeibeamte und auf Einsatzfahrzeuge. Die Polizei musste immer wieder Seitenstraßen und U-Bahnhöfe abriegeln, um die Gewalttäter einzudämmen. Sie nahm über 300 Personen in Gewahrsam. In Bayern verliefen die Kundgebungen mit linksextremistischer Beteiligung dagegen weitgehend friedlich. An der von der regionalen linksextremistischen Szene in Nürnberg durchgeführten 1.-Mai-Demonstration unter dem Motto "Den Kampf gegen die herrschenden Verhältnisse organisieren - auf allen Ebenen - mit allen Mitteln" beteiligten sich bis zu 400 Personen. Eine Angehörige des autonomen Zusammenschlusses Organisierte Autonomie (OA) äußerte, angesichts der "herrschenden Verhältnisse" sei es notwendig, eine Entwicklung einer "revolutionäre Perspektive jenseits kapitalistischer Ausbeutung und revolutionären Unterdrückung zu entwickeln und voranzutreiben. Die stattfindenPerspektive den Teilbereichskämpfe im sozialen Bereich, gegen Rassismus, Nationalismus und Faschismus, gegen das Patriarchat, gegen die Aufrüstung zum Polizeiund Überwachungsstaat, gegen den imperialistischen Krieg, gegen Atomkraft und Castor-Transporte, usw." müssten zusammengeführt und als gemeinsamer Kampf gegen das kapitalistische System begriffen werden. In München beteiligten sich etwa 200 Angehörige linksextremistischer Institutionen und Parteien an der 1.-Mai-Veranstaltung des DGB. Darunter waren Vertreter der Autonomen, der PDS, Linksruck, MLPD, DKP, Münchner Bündnis gegen Rassismus und andere. In Augsburg nahmen rund 120 Linksextremisten an der traditionellen 1.-Mai-Kundgebung teil, unter anderem Angehörige der Antifaschistischen Aktion Augsburg, der DKP und der PDS. Linksextremismus 115 3.1.6.3 Einflussnahme auf die Antikernkraftbewegung Am 3. Juli fand in Kassel eine Konferenz von Antikernkraftinitiativen aus dem gesamten Bundesgebiet statt. Die Teilnehmer, unter denen sich auch Linksextremisten befanden, einigten sich darauf, gemeinsam Blockaden und Demonstrationen gegen Atommülltransporte vorzubereiten. Die Teilnehmer hofften, dass sich beim nächsten Castor-Transport noch mehr Menschen beteiligen würden als bei den früheren Transporten nach Ahaus/Nordrhein-Westfalen und Gorleben/Niedersachsen. Der "atompolitische Kurs" der Bundesregierung treibe nach Ansicht der Konferenzteilnehmer die Menschen geradezu auf Schienen und Straßen. Zur Organisierung des Widerstands sei die Bundesrepublik in die Regionen Südwest, Südost, Ost, West und Nord aufgeteilt worden. Die Bundesregierung habe nicht die Macht, die Transporte durchzusetzen, da die Polizei Großeinsätze nicht in einem monatlichen Rhythmus fahren könne. Am 6. Juli führte die Polizei eine Durchsuchungsaktion in 13 WohExekutivmaßnungen und Büros in Berlin, Hamburg, Bremen und Niedersachsen nahme wegen durch. Dabei konnten angesägte Gleisstücke, die Handskizze einer Anschlägen gegen Hakenkralle, Kopien von Gleisplänen, Werkzeuge zum Lockern von Bahnanlagen Schienen, Fotos von Tatorten und Schutzwesten für Bahnarbeiter sichergestellt werden. Der Aktion gingen lange Ermittlungen des Bundeskriminalamts voraus. Den Beschuldigten werden gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr und die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Seit der Ankündigung des ersten Transports abgebrannter Kernbrennstäbe in das Zwischenlager Gorleben im Sommer 1994 war die Bahn zunehmend Opfer gezielter Anschläge. Allein im Jahr 1994 wurden rund 200 derartige Anschläge verübt. Schienen und Schwellen wurden zersägt, Brände gelegt, Gleiskörper unterhöhlt, Schrauben gelockert, Signalanlagen zerstört und Baumstämme auf Schienen gestürzt. Weitere Anschlagsserien folgten im Zusammenhang mit Castor-Transporten im Oktober 1996 und Februar 1997. Bei den bayerischen Autonomen spielten die Themen "Atom-Politik" und "Castor-Transporte" bisher eine untergeordnete Rolle. 3.1.7 Ermittlungsverfahren Das von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen mittlerweile über 30 Beschuldigte 116 Linksextremismus wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung innerhalb der Antifa Passau ist noch nicht abgeschlossen. Diese Vereinigung soll seit 1993 über 100 Straftaten wie Raub, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Bedrohung verübt haben. Bei einer Durchsuchungsaktion im Mai 1998 in Wohnungen und Geschäftsräumen von Beschuldigten in acht Städten im Bundesgebiet konnte umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt werden. Auch 1999 kam es wieder zu Veranstaltungen der linksextremistischen Szene gegen den "staatlichen Repressionsapparat" und seine "Kriminalisierungsversuche". In der linksextremistischen Publikation "EinSatz!" vom Mai rufen die Antifaschistische Aktion Passau und die militante Göttinger Gruppierung Autonome Antifa (M) für den Fall einer Anklageerhebung zu einer bundesweiten Demonstration in Passau auf. 3.2 Gewalttaten und sonstige Straftaten Bundesweit wurden 711 Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Motivation gegenüber 783 Gewalttaten des Vorjahrs festgestellt. In Bayern wurden wie im Vorjahr insgesamt Entwicklung der 25 linksextremistisch motivierte Gewalttaten begangen. Der Anteil Gewalttaten Bayerns an diesen Straftaten in Deutschland beträgt 3,5 %. Brandstiftung Linksextremisten waren für einen Brandanschlag (1998: zwei) am 21. Juni in Krumbach, Landkreis Günzburg, verantwortlich. Aufgrund der seit einiger Zeit bestehenden Konfliktsituation zwischen der dortigen Punk-Szene und der Skinhead-Szene drangen zwei Punks in eine Freizeithütte der Skinhead-Gruppierung ein, entwendeten zunächst CDs, eine Stereoanlage, Flaggen und Baseballschläger, schütteten schließlich auf den Holzboden im Inneren der Hütte eine geringe Menge Benzin und entzündeten es. Der Brand erlosch nach kurzer Zeit, der Sachschaden war gering. Vorrangige Motive für die von Linksextremisten in Bayern verübten Gewalttaten waren der Antifaschismus und die Unterschriftenaktion der CSU gegen die doppelte Staatsangehörigkeit. Die meisten der so motivierten Gewalttaten (18 von 25) wurden wie im Vorjahr am Rande von Veranstaltungen begangen. Sie sind weitgehend unter Nummer 3.1.6 dieses Abschnitts dargestellt. Daneben waren Linksextremisten folgende Taten zuzurechnen: Am 29. April griffen in der Passauer Altstadt Autonome zwei Rechtsextremisten aus Hauzenberg, Landkreis Passau, an. Nach anfäng- Linksextremismus 117 Entwicklung 900 833 linksextremis783 tisch motivier800 711 ter Gewalttaten 700 600 500 400 300 200 100 25 25 19 0 1997 1998 1999 Deutschland Bayern lichen Beschimpfungen und Provokationen warf eine Autonome mehrere Pflastersteine nach den Rechtsextremisten und sprühte einem von ihnen Tränengas ins Gesicht. Am 12. Juni griffen etwa zehn unbekannte Punks in Schweinfurt Angriff auf einen Info-Stand der NPD an. Nach einer heftigen Diskussion brachen NPD-Info-Stand die Betreiber des Info-Stands die Aktion ab. Während der Aufräumarbeiten entwendeten mehrere Punks einen Karton mit Flugblättern und ein Handy. Bei der Abfahrt bewarfen sie einen PKW der Betreiber mit Eiern und zerschlugen anschließend die Frontscheibe. Zwei der Info-Stand-Betreiber wurden ferner durch Tritte und Schläge verletzt. Es entstand Sachschaden von etwa 1.600 DM. Am 16. Juli griffen in Gerolzhofen, Landkreis Schweinfurt, Autonome drei Personen einer örtlichen Skinhead-Gruppe tätlich an. Die Skinheads erlitten Prellungen und ein Skinhead teilweise stark blutende Schnittwunden am Kopf. Ein Angreifer hatte ihn mit einer Glasflasche am Kopf verletzt. Am 8. August schossen unbekannte Täter in Arzberg, Landkreis Wunsiedel, aus einem fahrenden PKW mit einer Gaspistole gezielt in das 118 Linksextremismus Gesicht eines Jugendlichen. Das Opfer, das der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen ist, musste ärztlich versorgt werden. Am 11. August griffen in Arzberg unbekannte Täter, die der regionalen autonomen Szene zugerechnet werden, erneut mehrere Skinheads mit Holzlatten an. 3.3 Sozialrevolutionäre Tendenzen in Bayern Seit 1998 versuchen Anhänger sozialrevolutionärer Thesen verstärkt, Mitstreiter zu gewinnen. Bei den Verfechtern dieser Thesen handelt es sich sowohl um Autonome als auch um Anhänger von Gruppen aus dem Bereich des Antiimperialistischen Widerstands (vgl. Nummer 3.4 dieses Abschnitts). Als gesellschaftliches und politisches Ziel streben die Anhänger eine sozialrevolutionäre Umgestaltung mit der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats und der Enteignung der Unternehmer an. Die regelmäßig erscheinende linksextremistische Publikationen "Pro.K - Zeitung des revolutionären Aufbau München" dient als Sprachrohr. Die Publikation enthält starke antikapitalistische und antistaatliche Sichtweisen sowie kommunistische IdeoGeringe logie-Elemente. Die Gruppierung zeigte insgesamt nur geringe AktiAktivitäten vitäten. Ähnliche Ansätze werden von dem Nürnberger Zusammenschluss Organisierte Autonomie (OA) propagiert. Unter dem Motto "Ein Jahr Rot/Grün - Ein Wechsel ist nicht wählbar, er muss erkämpft werden!" initiierte die OA am 2. Oktober in der Nürnberger Innenstadt eine Demonstration, deren Motto "Für den freien Kommunismus: Es lebe die soziale Revolution!"antikapitalistisch und antistaatlich ausgerichtet war. An der Veranstaltung, zu der bayernweit aufgerufen wurde, nahmen rund 150 Personen teil. 3.4 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) Beim AIW handelt es sich um militante Gruppen, die ihren bewaffneten Widerstandskampf gegen die in Deutschland bestehende Gesellschaftsordnung aus verdeckten Strukturen heraus führen wollen. Der Berufung auf AIW orientiert sich an den ersten ideologischen Leitlinien der RAF und RAF-Ideologie will Gewalttaten nach dem Prinzip der Revolutionären Zellen (RZ) verüben. Das Ziel sind zunächst Sachbeschädigungen; es werden aber langfristig auch Angriffe auf Menschen nicht ausgeschlossen. Wegen des Festhaltens am "bewaffneten Kampf" mit dem Ziel der gewalt- Linksextremismus 119 samen Veränderung des gesellschaftlichen und politischen Systems in Deutschland stellt dieser Bereich eine Gefahr für die Innere Sicherheit dar. Dies zeigen unter anderem intensive Kontakte zu Gruppen, wie z.B. der kurdischen PKK und der baskischen ETA. Auch die BeteiliKontakte zur ETA gung von Personen aus dem früheren RAF-Umfeld und ehemals inund PKK haftierter terroristischer Gewalttäter an den Diskussionen zur Entwicklung künftiger Perspektiven, insbesondere zur Internationalisierung des Widerstands, zeigt die Attraktivität dieser Zusammenhänge für "Widerstandsbewegungen". Die von Gruppen des AIW vom 1. bis 5. April in Berlin nach langen Vorbereitungen organisierte Internationale Arbeitskonferenz verlief aus Sicht der Veranstalter sehr erfolgreich. Einen großen Anteil daran hatten Vertreter von Gruppen aus Spanien, der Türkei und Palästina, die die deutschen Veranstalter "LIBERTAD" und Internationale "Kein Friede" unterstützten. Konferenz in Berlin In den sechs Arbeitsgruppen - "Politische Justiz und Verteidigung" - "Verhaftet, verschleppt und verschwunden" - "Frauen und Knast" - "Menschenwürde, Widerstand und Organisierung in der Gesellschaft" - "Staatliche Repression und Widerstand von unten" - "Der Kampf um die Solidarität" diskutierten insgesamt 350 Teilnehmer das Kongressthema "Befriedung oder Befreiung". Breiten Raum nahm die Solidarität mit "politischen Gefangenen" ein. Die eigentliche Zielsetzung ging jedoch viel weiter. Unter dem Beifall der Teilnehmer erklärte eine Vertreterin der Initiative "LIBERTAD", Ziel des Kongresses sei nicht die Gründung eines Solidaritätskomitees für Gefangene, sondern die Organisierung einer radikalen, internationalistischen, antiimperialistischen Bewegung, der Kampf gegen die imperialistische Gesellschaftsformation als höchster Stufe des Kapitalismus. Der Kongress hat die Erwartungen der Veranstalter übertroffen. Erstmals seit 1986 sei es gelungen, ein breites internationales Spektrum von "Antiimperialisten" zu einem gemeinsamen Kongress zusammenzuführen. 120 Linksextremismus Gruppen aus dem AIW, die dem Organisationskomitee für die Internationale Arbeitskonferenz "Befriedung oder Befreiung? Perspektiven internationaler Solidarität" angehören, haben unter dem Motto Solidarität mit "Wir sind alle PKK" zur Solidarität mit dem "kurdischen Befreiungsder PKK kampf" aufgerufen. Zum Kampf der Kurden schreiben sie: "Ihre Sache zu unserer Sache machen, heißt, überall da, wo wir selbst handeln, den Mund aufzumachen, sich nicht wegzuducken, heißt, die Einheit suchen." Dies sei nicht nur eine Frage der Solidarität, sondern verlange das direkte Eingreifen in die "deutschen Zustände", das Verbinden der eigenen Initiativen mit den Zielen der Kurden. Die Schüsse aus den Konsulatsfenstern in Berlin seien die Botschaft von Clinton, Schröder und Netanjahu. Der kurdische Kampf sei seinem Charakter nach antiimperialistisch. Folgetreffen in An einem Folgetreffen in Nürnberg Anfang November beteiligten Nürnberg sich rund 50 Personen. Die Teilnehmer kamen überein, zu den gemeinsamen Perspektiven und Vorhaben ein politisches Konzept zu erarbeiten. Dabei sollen bereits bestehende Kampagnen einbezogen werden. Genannt wurde insbesondere die Kampagne zur Freilassung der RAF-Gefangenen mit einem bundesweiten Aktionstag am 18. März 2000, der sich "gegen die staatliche Unterdrückung" richtet und zu dessen Beteiligung und Unterstützung aufgerufen wurde. Am 19. Juli erhielten die Pressereferate mehrerer Innenministerien in Deutschland, darunter auch das Bayerische Staatsministerium des Innern, gleich lautende Erklärungen über die Gründung einer Gruppierung mit der Bezeichnung "Bewaffnete Widerstand Aktion" (BWA). Darin wurde der Beginn einer Terrorwelle gegen führende Persönlichkeiten der Bundesrepublik angekündigt. Es dürfte sich um einen Drohbrief gehandelt haben, dessen Verfasser über keinen direkten Zugang zum militanten linksextremistischen Lager verfügen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte am 1. September zwei Haftstrafen für Mitglieder der Antiimperialistischen Zellen (AIZ) zu langen HaftstraAIZ-Mitglieder fen. Wegen gemeinschaftlichen vierfachen Mordversuchs und der Verabredung zum Mord in einem weiteren Fall wurden Bernhard Falk zu 13 Jahren und Michael Steinau zu neun Jahren Haft verurteilt. Der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wurde fallengelassen, da die Hauptverhandlung nach Auffassung des Linksextremismus 121 Gerichts keine Klarheit darüber schaffen konnte, ob die AIZ aus mehr als zwei Mitgliedern bestanden habe. Die Angeklagten hatten im Jahr 1995 vier Sprengstoffanschläge auf die Privathäuser von drei CDU-Politikern und auf das Peruanische Generalkonsulat in Düsseldorf verübt. Ein weiteres geplantes Attentat gegen einen Hamburger SPD-Abgeordneten gelangte nicht mehr zur Ausführung. Die Verurteilung der beiden Mitglieder der AIZ löste keine Aktivitäten der linksextremistischen Szene aus. 3.5 Rote Armee Fraktion (RAF) Die terroristische RAF hat am 20. April 1998 mit einem achtseitigen Papier ihre Auflösung erklärt. Mit dieser Erklärung bestätigte sich die Auflösung Einschätzung der Sicherheitsbehörden, dass die RAF als aktionsder RAF willige terroristische Gruppierung nicht mehr existiert. Gleichwohl sind die Verbrechen dieser Terrorgruppe ab 1985 ungesühnt. Die polizeiliche und die justizielle Aufarbeitung dauern an. Die seit 1985 als Mitglied der RAF gesuchte Barbara Meyer kehrte am 8. Mai freiwillig aus dem Libanon zurück und stellte sich den Behörden. Meyer soll am 3. Juni 1985 zusammen mit anderen Mitgliedern der RAF in der Nähe von Tübingen den Geldboten eines Supermarkts überfallen haben. Die Täter streckten das Opfer mit einem Schuss aus nächster Nähe nieder und entwendeten seine Geldtasche mit rund 157.000 DM. Am 15. September wurde der mutmaßliche RAF-Terrorist Horst LudTod Horst Ludwig wig Meyer in Wien bei einem Schusswechsel mit der österreichischen Meyers in Wien Polizei getötet. Seine Komplizin Andrea Klump konnte unverletzt festgenommen werden. Meyer und Klump lebten seit Mitte der 80er Jahre im Untergrund. Am 23. Dezember wurde Klump im Rahmen Auslieferung von eines Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts von den Andrea Klump österreichischen Behörden nach Deutschland überstellt. Klump werden Mord, versuchter Mord, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und andere Straftaten vorgeworfen. Sie ist dringend verdächtig, sich 1984 der RAF angeschlossen zu haben und an einem versuchten Anschlag in Rota/Spanien am 17. Juni 1988 beteiligt gewesen zu sein. Zudem wird gegen sie wegen der Beteiligung am Sprengstoffattentat auf den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank AG, Dr. Alfred Herrhausen, in Bad Homburg am 30. November 1989 ermittelt. 122 Linksextremismus Die Reaktionen der linksextremistischen Szene waren gering. Die militante Autonome Antifa (M) in Göttingen äußerte sich zum Tod von Meyer in einem "Nachruf". "Mit großer Wut und Trauer haben wir vom Tod Horst Ludwig Meyers und der Festnahme von Andrea Klump erfahren." Der Tod Meyers mache deutlich, dass auch nach der Beendigung des bewaffneten Kampfes die "Killfahndung" als Bestandteil der Vernichtungsstrategie gegen die radikale Linke weiterbestehe. Notwendig sei die Freilassung der Gefangenen und eine Amnestie für die Gesuchten. Zur Zeit sind noch sechs frühere RAF-Terroristen in deutschen Gefängnissen inhaftiert. Am 17. September führte eine "Aktionsgruppe Horst Ludwig Meyer" auf die Österreichische Botschaft in Kopenhagen einen Brandanschlag durch. In einem in dänischer Sprache verfassten Selbstbezichtigungsschreiben solidarisierten sich die Täter mit der früheren RAF. 3.6 Revolutionäre Zellen (RZ) Die erstmals im Jahre 1972 in Erscheinung getretenen RZ sind unabhängig voneinander operierende Kleingruppen, die sich als antiimperialistisch und sozialrevolutionär bezeichnen. Ihre Taktik besteht im Allgemeinen darin, mit Anschlägen bei möglichst geringem Einsatz und Risiko möglichst hohen Sachschaden anzurichten, der nach ihrer Auffassung den betroffenen Einrichtungen bzw. Unternehmen mehr schadet als der Ausfall einer Führungsperson. Die Mitglieder agieren aus streng abgeschotteten Zellen heraus. Sie leben jedoch nicht im Untergrund und sind deshalb auch nicht darauf angewiesen, sich Keine Anschläge eine konspirative Logistik zu schaffen. Anschläge der RZ bzw. der aus der RZ abgespaltenen autonomen Frauengruppe Rote Zora waren seit 1995 nicht mehr zu verzeichnen. Am 19. Mai nahm die Polizei in Berlin den in Beirut geborenen deutFestnahme von schen Staatsangehörigen Tarek Mohamad Ali Mousli fest. Er steht im Mousli Verdacht, die RZ zumindest von Januar bis März 1995 unterstützt zu haben. Ihm wird vorgeworfen, 4,8 kg Sprengstoff in einem von ihm in Berlin angemieteten Keller aufbewahrt zu haben. Unbekannte Mitglieder der RZ hatten diesen Sprengstoff am 4. Juni 1987 aus dem Zweigwerk einer in Salzhemendorf/Niedersachsen ansässigen Firma entwendet. Sprengstoff aus diesem Diebstahl wurde im Februar und März 1988 und Januar 1991 bei versuchten Anschlägen auf das Bio- Linksextremismus 123 technologische Zentrum der Technischen Universität Braunschweig, die nordrhein-westfälische Staatskanzlei, das Arbeitsministerium in Düsseldorf und bei einem Anschlag auf die Berliner Siegessäule verwendet. Am 7. Juli war der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt worden. Aufgrund von weiteren Erkenntnissen, die im Rahmen der Exekutivmaßnahmen im Mai gewonnen wurden, bzw. aufgrund von Nachermittlungen, wurde Mousli am 23. November wegen des dringenden Verdachts der Rädelsführerschaft in der terroristischen Vereinigung RZ erneut festgenommen. Nach weiteren Ermittlungen nahm die Weitere Polizei am 19. Dezember zwei Männer und eine Frau in Berlin und Festnahmen Frankfurt am Main fest. Sie sind der Mitgliedschaft in der RZ verdächtig. Sie stehen im Verdacht, als Mitglieder der RZ in unterschiedlicher Beteiligung an der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber in Berlin am 6. Februar 1987, am Anschlag auf einen Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht am 1. September 1987 in Berlin und am 28. Oktober 1986 am Anschlag auf den ehemaligen Leiter der Berliner Ausländerbehörde mitgewirkt zu haben. Der schon am 8. September 1998 verhaftete frühere RZ-Angehörige Hans-Joachim Klein wurde am 20. Mai von Frankreich an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Er wird beschuldigt, an dem Überfall der RZ auf die Konferenz der Erdöl exportierenden Länder am 21. Dezember 1975 in Wien beteiligt gewesen zu sein, bei dem drei Personen getötet und 70 Personen als Geiseln genommen wurden. Aufgrund der Aussagen Kleins konnte die Polizei am 13. Oktober in Frankfurt am Main einen weiteren mutmaßlichen Mittäter festnehmen. Mit diesen Ermittlungserfolgen ist es den Sicherheitsbehörden gelungen, wesentliche Strukturen der RZ aufzuklären. Ob über die in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen Strukturen hinaus noch Erkenntnisse über weitere aktionswillige Gruppen der seit 1995 inaktiven RZ bestehen, RZ-Strukturen bedarf noch der weiteren Abklärung. Die Reaktionen der linksextremistischen Szene waren gering. In Erfurt warfen unbekannte Täter aus Anlass der Durchsuchungsmaßnahmen in der Nacht zum 22. Dezember mit Farbe gefüllte Luftballons an die Fassade eines Gebäudes des Thüringer Innenministeriums. Vermutlich mit demselben Begründungszusammenhang warfen unbekannte Täter am 2. Januar 2000 einen Molotowcocktail vor den Haupteingang des Thüringer Innenministeriums. Dabei entstand kein Sachschaden. 124 Linksextremismus 4. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1999 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 1.1 Kernorganisationen: Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 600 5.000 Unsere Zeit (UZ) 14 Bezirksorganisationen, aufgeteilt wöchentlich, 10.000 in Kreisund Grundorganisationen Marxistische Blätter 26.09.1968, Essen zweimonatlich, 3.000 Partei des Demokratischen 94.000 Neues Deutschland (ND) Sozialismus (PDS) - PDS-nahe Zeitung - - neuer Name beschlossen werktäglich, 70.000 auf SED-Parteitag am DISPUT 16./17.12.1989 -, Berlin monatlich, 11.000 PDS-Pressedienst wöchentlich, 2.200 UTOPIE-kreativ-Diskussion sozialistischer Alternativen monatlich, 800 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS monatlich, 1.000 PDS Landesverband Bayern 600 TITEL (Informationsforum mit 8 Kreisverbänden und (einschließlich der PDS Bayern) 23 Basisorganisationen Sympathisanten) unregelmäßig, 500 11.09.1990, München Verein für Arbeiterbildung Nordbayern 50 Nordbayerischer Landbote 28.03.1993, Fürth unregelmäßig, 100 Arbeiterbund für den Wiederaufbau 100 200 Kommunistische der KPD (AB) Arbeiterzeitung (KAZ) 1973, München vierteljährlich Marxistisch-Leninistische 140 2.000 Rote Fahne Partei Deutschlands (MLPD) wöchentlich, 7.500 10 Parteibezirke, über 100 lernen u. kämpfen (luk) Ortsgruppen und Stützpunkte monatlich, 1.000 17./18.06.1982, Essen Linksextremismus 125 Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1999 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 25 100 Sozialistische Zeitung (SoZ) 24./25.06.1995, Köln vierzehntägig, 2.000 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 30 1.000 Sozialismus von unten Frankfurt am Main zweimonatlich, 3.500 Linksruck monatlich, 7.000 Marxistische Gruppe (MG) München 700 (Aktive) 10.000 GEGENSTANDPUNKT 1969/70 AK Rote Zellen, München Herausgeber: ehemalige ("aufgelöst" zum 01.06.1991) Funktionäre der MG vierteljährlich, 7.000 1.2 Nebenorganisationen: Nebenorganisation der DKP: Sozialistische Deutsche 50 300 position Arbeiterjugend (SDAJ) unregelmäßig, 1.500 Landesverbände, Kreisverbände und Ortsgruppen, 04./05.05.1968, Essen Nebenorganisation der MLPD: Jugendverband REBELL 20 Rebell - Beilage zur Roten Fahne - 1.3 Beeinflusste Organisationen: DKP-beeinflusst: Vereinigung der Verfolgten des 900 6.200 antifa-rundschau Naziregimes - Bund der Antifaschivierteljährlich, 7.500 stinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Landesvereinigungen mit Kreisund Ortsvereinigungen 15.-17.03.1947, Frankfurt am Main MLPD-beeinflusst: Frauenverband Courage 20 500 Courage vierteljährlich Trotzkistisch beeinflusst: Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) 50 300 Vorfeldorganisation der trotzkistischen "Sozialistischen Alternative VORAN" (SAV) 1992, Köln 126 Linksextremismus Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1999 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 2. Autonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten Autonome etwa über zum Teil unregelmäßig 500 6.000 erscheinende Szeneblätter wie: radikal, INTERIM; auf lokaler Ebene u.a: barricada davon: Antifaschistische Aktion/Bundes40 unregelmäßig erscheinende weite Organisation (AA/BO) Publikationen, für die die Juli 1992 AA/BO als Herausgeber verantwortlich zeichnet 3. Von mehreren Strömungen des Linksextremismus beeinflusst Münchner Bündnis gegen Rassismus 40 München Antifaschistisches Aktionsbündnis 20 Nürnberg Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitee 20 München Ausländerextremismus 127 5. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Ausländerextremismus Ausländergruppen werden als extremistisch eingestuft, wenn sie sich Einstufung als gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Dazu extremistisch zählen insbesondere die Organisationen islamischer Extremisten, die als Endziel einen islamischen Staat, wie z.B. im Iran, auch in Deutschland errichten und damit wesentliche Grundsätze unserer freiheitlichen Verfassung beseitigen wollen. Der gesetzlichen Beobachtung unterliegen auch Gruppierungen, die eine gewaltsame Änderung der politischen Verhältnisse im Heimatland erstreben und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 1.2 Entwicklung der Organisationen Die Gesamtzahl der Mitglieder extremistischer AusländervereinigunLeicht rückläufige gen verringerte sich in Bayern geringfügig von 10.580 im Jahre 1998 Mitgliederzahl auf 10.400. Darin eingerechnet sind rund 2.000 Anhänger der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Wie in den Vorjahren stellten die Organisationen extremistischer Türken (einschließlich kurdischer Volkszugehöriger) mehr als 90 % aller ausländischen Extremisten in Bayern. Über die Hälfte aller ausländischen Extremisten ist dem islamischen Fundamentalismus zuzurechnen. LinksExtreme Islamische Gesamtzahl Mitgliederstärke extremisten Nationalisten Extremisten Mitglieder extremistischer Kurden 2.150 (2.300) - - - - 2.150 (2.300) AusländerTürken 375 (590) 2.000 (1.700) 5.170 (5.170) 7.545 (7.460) organisationen Sonstige* 245 (330) 90 (120) 370 (370) 705 (820) in Bayern Gesamtzahl 2.770 (3.220) 2.090 (1.820) 5.540 (5.540) 10.400 (10.580) (in Klammern die Vergleichszahlen des Vorjahrs) * Albaner, Araber, Inder, Iraner, Srilanker u.a. 128 Ausländerextremismus Entwicklung Mitglieder der Mitglie100.000 derzahlen extremistischer 80.000 Ausländer60.000 Deutschland organisationen 49.350 59.700 40.000 20.000 4.830 Bayern 10.400 0 1990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 Ausländische Extremisten in Deutschland 31.800 35.000 31.350 Islamische Extremisten 30.000 25.000 20.000 16.800 19.550 15.000 Linksextremisten 10.000 5.000 6.900 Extreme Nationalisten 8.800 0 1995 1996 1997 1998 1999 Ausländische Extremisten in Bayern 6.090 7.000 6.000 Islamische Extremisten 5.540 5.000 4.000 2.780 3.000 Linksextremisten 2.770 2.000 1.000 1.030 2.090 Extreme Nationalisten 0 1995 1996 1997 1998 1999 Ausländerextremismus 129 Im Vergleich zur aktuellen Bedrohung der Inneren Sicherheit durch militante türkische Linksextremisten bedeutet der islamische Fundamentalismus eine zwar weniger spektakuläre, langfristig aber größere Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, insbesondere im Hinblick auf seine weltweiten Expansionsbestrebungen. Die konsequente Durchsetzung der Vereinsund Betätigungsverbote gegen türkische Linksextremisten in Bayern hat sich bewährt; die relativ geringe Zahl von Gewalttaten in Bayern anlässlich der Ergreifung des PKK-Generalvorsitzenden Öcalan ist dafür Beweis. Die strafrechtliche Aufarbeitung der mörderischen Auseinandersetzungen beider Flügel der verbotenen Devrimci Sol vor allem in Norddeutschland führt die Brutalität der Anhänger dieser verbotenen Organisationen nochmals deutlich vor Augen. Arabische und iranische Extremisten stellen in Bayern kein akutes Sicherheitsrisiko dar. Gleiches gilt für die Angehörigen kosovo-albanischer Volksgruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien. 1.3 Integrationsfeindlichkeit des islamischen Extremismus Der Islam als Religion und seine Ausübung werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Beobachtung unterliegen jedoch BeGesetzlicher strebungen, die von islamischen Gruppen ausgehen und sich gegen Beobachtungsdie freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand Bayauftrag erns bzw. des Bundes richten (islamischer Fundamentalismus), aber auch solche, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Der Islamismus verwirklicht sich durch die Rechtsordnung der Scharia, die für Staat und Gesellschaft unmittelbar verbindlich ist und den Lebensrahmen des Muslim absteckt. Die Trennung von Staat und Religion in westlichen Staaten wird dabei nicht nur als "un-islamisch" abgelehnt, sondern auch aktiv bekämpft. Eine Gleichheit der Menschen wird verneint. Nur Muslime sind völlig Verstoß gegen rechtsfähig und können gleiche Rechte haben, sofern diese nicht im das GleichheitsWiderspruch zur Scharia stehen. Menschenrechte nach westlichem prinzip Verständnis werden nur zum Teil anerkannt. Die Scharia liefert die Legitimation für unmenschliche Strafen. Der islamische Fundamentalismus ist geprägt von Intoleranz gegenIntoleranz über Andersgläubigen. Aufgrund des Absolutheitsanspruchs fordert der islamische Fundamentalismus einen aktiven Kampf gegen alle 130 Ausländerextremismus "Ungläubigen" und die weltweite Islamisierung, falls nötig durch Unterwerfung aller Nichtmuslime. Ablehnung der Westliche Demokratieund Gesellschaftsvorstellungen werden abgeDemokratie lehnt, sofern sie nicht im Einklang mit dem Koran und der Scharia stehen. Dies bedeutet die Ablehnung des demokratischen Prinzips der Volkssouveränität und der Chancengleichheit der Parteien. Ferner gibt es keine Gewaltenteilung, keine Legislative, keine Kontrolle der obersten Staatsgewalt. Eine Eingliederung von Muslimen in demokratische Systeme ist damit wesentlich erschwert. Der islamische Fundamentalismus ist daher in einem demokratischen Staat zwangsläufig integrationsfeindlich. Islamische fundamentalistische Gruppen, insbesondere die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), wenden sich massiv gegen eine Integration. Sie versuchen, vor allem junge Menschen zu beeinflussen und sie zu einer Ablehnung unserer demokratischen Ordnung und unserer freien Gesellschaft zu bewegen. Dazu dienen die privaten Koranschulen extremistischer Organisationen wie auch die Pflicht für Frauen und Mädchen, Kopftücher zu tragen. Dies trägt zur bewussten Abgrenzung von westlichen Lebensgewohnheiten bei. 1.4 Entwicklung der Gewalttaten Bundesweit wurden im Berichtszeitraum 391 Gewalttaten mit erwieErheblicher senem oder zu vermutendem ausländerextremistischen Hintergrund Anstieg bekannt. Dies entspricht einem Anstieg von etwa 52 % gegenüber dem Vorjahr (258 Gewalttaten). Der Anstieg der Gewalttaten ist weitgehend auf die Aktionen von PKK-Anhängern nach der Ergreifung des PKK-Generalvorsitzenden Öcalan am 15. Februar in Nairobi/Kenia bzw. nach der Verkündung des Todesurteils gegen ihn am 29. Juni in der Türkei zurückzuführen. Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten von Ausländern in Bayern ist im Berichtszeitraum von acht auf 20 angestiegen. Der Anteil Bayerns an den bundesweiten Gewalttaten beträgt 5,1 %. Bayern liegt damit, bezogen auf die hier lebenden Ausländer, im Ländervergleich im unteren Bereich. Ausländische Extremisten begingen ein versuchtes Tötungsdelikt, elf Körperverletzungen, vier Brandstiftungen, zwei versuchte Spendengelderpressungen, eine Freiheitsberaubung und einen Landfriedensbruch. Ausländerextremismus 131 Entwicklung der 391 400 Gewalttaten durch ausländi350 314 sche Extremisten 300 258 250 200 150 100 50 20 16 8 0 1997 1998 1999 Deutschland Bayern Die Hälfte der Gewalttaten (zehn) ist Anhängern der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zuzurechnen, bei vier Gewalttaten liegt die Ursache im Kosovo-Konflikt. Darüber hinaus beteiligten sich Ausländer auch an Aktionen deutscher Rechtsund Linksextremisten und begingen dabei Gewalttaten wie z.B. am 23. Januar in Erlangen, als drei Skinheads - darunter ein Bosnier - ein Mädchen beleidigten und verletzten, oder am 25. September in Passau, wo eine türkische Schülerin eine Flasche auf Teilnehmer der DVU-Kundgebung warf. Am 4. April erpressten in München unbekannte Täter einen 20-jährigen Schüler. Die Täter forderten von dem Schüler unter anderem einen Geldbetrag von 500 DM. Andernfalls würde der Schüler nach Albanien bzw. in den Kosovo verbracht und müsse dort "kämpfen". Der Schüler erhielt zudem ein Flugblatt, in dem zum Kampf in der Heimat aufgerufen wurde. Das Flugblatt war von einem Funktionär des allgemeinen Rates der "Volksbewegung von Kosovo" (LPK) unterzeichnet, der im Verdacht stand, kampfbereite Kosovo-Albaner zu rekrutieren. Der Schüler zahlte schließlich 100 DM. In Senden, Landkreis Neu-Ulm, geriet am 20. Juni der Wortführer einer Gruppe von Kurden mit einem Türken, angeblich Sympathisant der "Grauen Wölfe", in einem Lokal wegen eines angeblich nationalistischen türkischen Liedes in Streit. Die Kurden wurden daraufhin des Lokals verwiesen. Vor dem Lokal rotteten sie sich zusammen und 132 Ausländerextremismus warfen mit Pflastersteinen die Glasscheiben des Lokaleingangs ein. Die Polizei leitete Ermittlungen wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs ein. Am 1. Juli griff eine Gruppe unbekannter Täter in Regensburg zwei Sprachdozenten, die ein Gespräch in englischer Sprache führten, tätlich an. Die beiden erlitten erhebliche Verletzungen. Der Haupttäter sprach serbokroatisch. Unmittelbar vor dem Angriff hörten die Opfer unter anderem das Wort "NATO" fallen. Am 23. Juli verübte ein gebürtiger Kroate einen HandgranatenVersuchtes anschlag auf ein türkisches Reisebüro in München. Zwei Angestellte Tötungsdelikt erlitten leichte Verletzungen, der Sachschaden belief sich auf etwa 30.000 DM. Ein zunächst aufgrund des Zielobjekts befürchteter Bezug zur PKK konnte nach der Festnahme des Täters ausgeschlossen werden. Dieser zählt sich zu einer den Sicherheitsbehörden bislang unbekannten Organisation, die seit mehreren Jahren in Bosnien, Slowenien und Kroatien operieren soll. Mit dem Anschlag sollte die deutsche Regierung zu einer härteren Politik gegenüber der Türkei bewogen werden. Weitere extremistischen Ausländern zuzurechnende Gewalttaten in Bayern sind bei den entsprechenden Organisationen dargestellt. 2. Türkische Gruppen 2.1 Islamische Extremisten 2.1.1 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) Deutschland Bayern Mitglieder: 27.000 5.000 Vorsitzender: Dr. Yusuf Isik (kommissarisch) Gründung: 1985 Sitz: Köln Publizistisches Sprachrohr: Milli Gazete (Nationale Zeitung) Islamisch-extremisDie IGMG, die bis 1995 die Bezeichnung "Vereinigung der neuen tische Ideologie Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) führte, erstrebt die Einführung des Korans als Grundlage des Staatsaufbaus und als Verhaltenskodex des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Mittelfristig will sie die laizisti- Ausländerextremismus 133 sche Staatsordnung in der Türkei abschaffen und durch ein islamisches System nach dem Beispiel des Iran ersetzen. Fernziel der IGMG ist die weltweite Islamisierung im Sinn eines doktrinären Islam-Verständnisses. Schon seit längerer Zeit vermeidet die IGMG Aussagen mit eindeutig extremistischem Gehalt und hält sich mit öffentlichen Äußerungen zurück. Gleichwohl hat sie ihren Anspruch auf gesellschaftliche Dominanz nicht aufgegeben. Durch eine Teilnahme am politischem Prozess verspricht sie sich größeren Einfluss auf die hier lebenden türkischen Muslime und auf die deutsche Staatsund Gesellschaftsordnung. Für die in Deutschland lebende muslimische Bevölkerung fordert die IGMG volle Bürgerrechte, insbesondere das allgemeine Wahlrecht. Trotz taktisch motivierter anders lautender Erklärungen lehnt sie aber jede Integration der Muslime in die IntegrationsGesellschaft ab und widersetzt sich sogar einer begrenzten Anpasfeindlichkeit sung an die Lebensverhältnisse in Deutschland. Ihrem Ziel, der Errichtung eines weltweiten islamischen Gottesstaats, will sie vor allem mit einer Islamisierung der Jugend näher kommen. In letzter Zeit nimmt die Bildungsarbeit für Jugendliche, Studenten und Frauen einen erhöhten Stellenwert ein. Dabei ist die IGMG bestrebt, die "muslimische Identität" unter den in nichtmuslimischen Staaten lebenden Türken zu stärken und die muslimischen Kinder in einem Umfeld mit anderer Religion und anderer Kultur vor den "Fallen der fremden Kultur und des unmoralischen Lebenswandels" zu schützen. Die IGMG ist ein Sammelbecken von Anhängern der seit 1998 in der Türkei verbotenen Wohlfahrtspartei (RP) und deren Nachfolgerin, der Tugendpartei (FP). Richtungsstreitigkeiten in der FP wirken sich mittlerweile auch auf die IGMG in Deutschland aus. Innerhalb der IGMG-Vereine haben sich bereits größere Gruppen gebildet, die offen ihre Unterstützung für eine liberalere und demokratischere OppositionsInterne gruppe in der FP bekunden. Vor allem jüngere Mitglieder der IGMG Differenzen wollen den doktrinären Kurs der RP unter ihrem ehemaligen Vorsitzenden Prof. Necmettin Erbakan nicht mehr unterstützen. Die älteren IGMG-Mitglieder befürworten dagegen weiterhin die politische Linie Erbakans. Die Gemeinsamkeiten überwiegen jedoch die Differenzen, sodass derzeit noch keine Spaltungstendenzen erkennbar sind. Der bisherige IGMG-Vorsitzende Ali Yüksel trat im April zurück. Bis zur endgültigen Entscheidung über seinen Nachfolger übernahm Dr. Yusuf Isik, ein altgedienter IGMG-Funktionär, kommissarisch den Vorsitz. 134 Ausländerextremismus Unterstützung Die IGMG unterstützte die islamistische FP anlässlich der türkischen der FP Parlamentswahlen am 18. April und transportierte viele in Deutschland lebende Türken zu türkischen Grenzstationen, wo sie abstimmen konnten. Dennoch gehörte die FP zu den Wahlverlierern. Sie erhielt nur 15 % der abgegebenen Stimmen. Die Kontakte der IGMG zu anderen islamisch-türkischen Verbänden haben sich intensiviert. So besuchte eine Delegation der IGMG anlässlich des Fastenmonats Ramadan die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB), eine Außenstelle der staatlichen türkischen Religionsbehörde in Köln. Die IGMG wendet sich auch an Muslime nichttürkischer Volkszugehörigkeit und bietet ihnen Teilnahme an ihren Aktivitäten an. Die IGMG-Zentrale in Köln rief wiederholt zu Spendenaktionen auf, so z.B. für hilfsbedürftige Kriegsopfer im Kosovo oder für Muslime in Tschetschenien. Insbesondere ihr Engagement für die Erdbebenopfer in der Türkei brachte der IGMG viele Sympathien in der türkischen Bevölkerung. Jahreskongress Etwa 40.000 Anhänger der IGMG aus dem gesamten Bundesgebiet und den westeuropäischen Nachbarländern beteiligten sich am 22. Mai in Köln an der 5. Jahresversammlung des Verbands. Auf der auch als Friedensund Kulturfest bezeichneten Veranstaltung forderte der IGMG-Generalsekretär Mehmet Sabri Erbakan die Einführung islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen. Transparente in deutscher Sprache enthielten Forderungen wie "Schluss mit Diskriminierung. Wir erinnern SPD/B90/Grüne an ihr Versprechen", "Wir sind keine Ausländer, sondern Inländer" und "Deutschland ist auch unsere Heimat". Die Anziehungskraft des Jahrestreffens der IGMG ist unverändert groß. In Aschaffenburg, Erding und Regensburg fanden im Mai Jugendund Kulturfeste statt, an denen mehrere hundert IGMG-Anhänger teilnahmen. 4. Europäischer Am 4. Europäischen Jugendtag der IGMG am 16. Oktober in DüsselJugendtag dorf beteiligten sich rund 6.000 Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Im Tagungslokal waren Transparente mit Aufschriften wie "Für den Dialog der Religionen" und "Integration ja - Assimilation nein" angebracht. Der IGMG-Generalsekretär erläuterte in seiner Rede die Strategie der Organisation. Ziel sei ein Leben als respektierte religiöse Minderheit in Europa, der Aufbau von Beziehungen zu den politischen Parteien in den Aufent- Ausländerextremismus 135 haltsländern zur Wahrung der eigenen Rechte und die Gründung einer neuen islamischen Zivilisation in Europa. 2.1.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) früher: Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB) Deutschland Bayern Mitglieder: 1.100 170 Vorsitzender: Metin Kaplan Gründung: 1984 Sitz: Köln Publikation: Ümmet-i Muhammed (Die Gemeinde Mohammeds) Der Kalifatsstaat (Hilafet Devleti) ist eine am "Führerprinzip" orienGewalttierte, streng hierarchisch gegliederte Organisation. Er fordert eine bereitschaft islamische Revolution in der Türkei nach dem Beispiel des Iran. Seine religiös verbrämte Polemik richtet sich immer wieder gegen die laizistische Verfassung der türkischen Republik und den westlichen Parlamentarismus. Mit Aufrufen zum gewaltsamen Vorgehen gegen den türkischen Staat und zu militanten Aktionen in der Türkei beeinträchtigt der Verband auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Der islamistische Alleinvertretungsanspruch des Kalifatsstaats, sein Antisemitismus sowie die Verfolgung früherer Anhänger, die sich vom Verband getrennt haben, gefährden darüber hinaus die Innere Sicherheit. Mit Nachdruck wendet sich der Kalifatsstaat gegen die Integration türkischer Staatsangehöriger in Deutschland. Das Vereinsleben vollzieht sich in kleinen abgeschotteten Zirkeln, zu Abgrenzungsdenen fremde Personen keinen Zugang haben. Mit seiner totalen strategie Abgrenzungsstrategie gegenüber anderen islamistischen bzw. islamischen Organisationen sowie seinen militanten Aussagen hat sich der Kalifatsstaat zwischenzeitlich in muslimischen Kreisen fast völlig isoliert. Der "aktuelle Treue-Eid", auf den alle Anhänger nach eigenen Angaben des Verbands vereidigt sind, belegt eindrucksvoll, dass viele von ihnen auf Geheiß ihres selbst ernannten "Kalifen" auch zu Gewalttaten bereit sind. Er lautet: "Unser Hodscha! Vor den Augen Allahs schwören wir, dass wir - solange du die im Koran und in den Aussprüchen Mohammeds formulierten Vorschriften beachtest - deine Befehle, ungeachtet dessen, ob sie uns gefal- 136 Ausländerextremismus len, ausführen werden, auch wenn die Ausführung dieser Befehle uns den Tod oder eine Gefängnisstrafe bringen würde." Verurteilung eines Das Landgericht Augsburg verurteilte am 26. Januar den bayerischen Funktionärs Gebietsverantwortlichen des Kalifatsstaats, Hasan Pala, wegen seines Aufrufs zur Tötung des Dissidenten Halil Sofu im Berufungsverfahren zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Pala hatte in der Mevlana-Moschee in Augsburg eine "Todes-Fetwa" des Vorsitzenden Metin Kaplan gegen den abtrünnigen "Gegenkalifen der islamischen Nation" verbreitet. Sofu war am 8. Mai 1997 in Berlin von einem Killerkommando ermordet worden. Der Verband steht im Verdacht, Sofus Ermordung initiiert zu haben. Strafverfahren Am 25. März wurde der Verbandsvorsitzende Metin Kaplan in Köln gegen Kaplan festgenommen. Er befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Am 8. Februar 2000 begann vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf die Hauptverhandlung wegen Verdachts des öffentlichen Aufforderns zu Straftaten und der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung. Kaplan wird unter anderem beschuldigt, seine Anhänger dazu aufgerufen zu haben, internen Gegnern notfalls auch gewaltsam entgegenzutreten und Anschläge auf staatliche Ziele in der Türkei zu verüben. Das Verbandsorgan "Ümmet-i Muhammed" protestierte wiederholt gegen Kaplans Verhaftung, die von seinen Anhängern als Teil einer Verschwörung des Zionismus gegen den Islam gewertet wird. Ziel der "imperialistisch-zionistischen Ungläubigen" sei es, einen islamischen Kalifatsstaat in Anatolien zu verhindern. "Infolge schmutziger und geheimer Pläne wurde Metin Kaplan in den Kerker geworfen. Die Heuchler, vor allem aber die Imperialisten, sollten sich aber nicht voreilig darüber freuen. Die eigentlichen schweren Kämpfe kommen noch (...) Die große Eroberung Istanbuls und die Verrichtung des Freitagsgebetes in der Hagia Sophia werden realisiert werden." (Ümmet-i Muhammed vom 19. August) In der Ausgabe des Verbandsorgans vom 15. April hieß es, die Festnahme sei allein auf Ersuchen des türkischen Regimes erfolgt und basiere auf Lügen und Verleumdungen. Die feindliche Haltung des Generalbundesanwalts gegen den Islam und die Muslime sei gleichbedeutend mit einem "Krieg gegen Allah". Der Beitrag gipfelte in der kaum verhüllten Drohung, alle Nationen, die Allah bekriegten, seien "durch harte Strafen heimgesucht" worden. In der Ausgabe vom Ausländerextremismus 137 27. Mai wurde Kaplan unter anderem als "ruhmreicher Glaubenskämpfer", "großer Kommandant" und "Schrecken der Ungläubigen" bezeichnet. Ihm wurde versichert, dass islamische "Selbstopferer" zur "Selbstaufopferungskampagne" herbeieilen würden. Kaplans Anhänger demonstrierten mehrmals für die Freilassung ihres Protestaktionen Oberhaupts. Bei gewaltsamen Protesten unmittelbar nach Kaplans Festnahme wurden in Köln mehrere Polizeibeamte verletzt und rund 40 Personen vorübergehend festgenommen. Etwa 600 Gefolgsleute Kaplans protestierten am 26. März vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe gegen die Verhaftung und forderten seine Freilassung. Am Abend des Vortags hatten sich vor der verbandseigenen Moschee in Ingolstadt rund 40 Aktivisten eingefunden, um eine Anreise mit privaten PKWs zu dieser Protestaktion zu organisieren. Über 2.000 Anhänger versammelten sich am 9. April vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. An einer weiteren Kundgebung zugunsten Kaplans am 25. April in Karlsruhe beteiligten sich rund 2.500 Muslime aus dem gesamten Bundesgebiet, Belgien und den Niederlanden. Am 5. Juni mobilisierte die Organisation erneut 2.000 Personen zu einem Protestmarsch in Karlsruhe. Mit Sprechchören wie "Wir sind Muslime, keine Terroristen" und "Es lebe der Islam" bekundeten die Teilnehmer ihre Solidarität mit Kaplan. Mit einer Kundgebung am 13. November in Berlin, an der sich rund 2.300 Aktivisten beteiligten, solidarisierte sich der Verband darüber hinaus auch mit allen angeblich unterdrückten Muslimen in Palästina und der Türkei. Dabei polemisierte er gegen Israel und schilderte seine Vision eines "zionistischen Weltstaats", der die Muslime vernichten wolle. Die bisher gezeigte relative Mäßigung der Verbandsmitglieder bei öffentlichen Aktionen dürfte vor allem der Strategie dienen, Kaplan als Opfer einer religionsfeindlichen Intrige deutscher und türkischer Behörden erscheinen zu lassen. 2.2 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) Deutschland Bayern Mitglieder: 7.800 2.000 Vorsitzender: Cemal Cetin Gründung: 1978 Sitz: Frankfurt am Main Publikation: Türk Federasyon Bülteni 138 Ausländerextremismus Die ADÜTDF ist ein Sammelbecken von Anhängern der extrem nationalistischen türkischen Partei der Nationalen Bewegung (MHP), die eine Großtürkei nach osmanischem Vorbild propagiert. Eigenen Angaben zufolge versteht sich der Verband als eine Bewegung Nationalistische nationalistischer Türken, deren Hauptanliegen die Schaffung eines Ideologie starken türkischen Staats und die Sicherstellung der territorialen Integrität des Landes ist. Alle persönlichen Belange müssten den Interessen des Volks untergeordnet und die türkische Fahne, die die Farbe des Blutes der Märtyrer der ADÜTDF trage, hochgehalten werden. Die Führung der ADÜTDF bekennt sich offen zu ihrer Leitfigur Alparslan Türkes, dem 1997 verstorbenen langjährigen MHP-Vorsitzenden. Die ADÜTDF bemüht sich insbesondere um die zweite und dritte Generation junger Türken in Deutschland. Ihre Ideologie vereint EleIslamistische mente des extremen Nationalismus mit islamistischen Positionen. DiePositionen se Mischung aus übersteigertem Nationalgefühl und Religion macht sie für türkische Jugendliche besonders attraktiv, zumal eine formelle Verpflichtung der jugendlichen Mitglieder auf islamisch-extremistische Positionen trotz zunehmender Tendenzen zum Islamismus unterlassen wird. Jugendarbeit Zur Mitgliederwerbung ist die ADÜTDF auch in zahlreichen Sportund Elternvereinen tätig, die keine politischen Ziele haben. Die Jugendlichen werden für Ordnerdienste herangezogen und frühzeitig als Vereinsfunktionäre in die politische Arbeit integriert. Bei der ADÜTDF finden sie darüber hinaus ein Forum gegen die von türkischen Linksextremisten praktizierte Militanz. Ferner gibt der Nationalismus vielen türkischen Jugendlichen ein "Wir-Gefühl" gegenüber der komplex organisierten deutschen Gesellschaft. Die Forderung nach einer Abkehr von der "westlichen Dekadenz" hat dabei negative Auswirkungen auf die Integrationsbereitschaft in Deutschland. Unterstützung Der Wahlerfolg der MHP, die bei den türkischen Parlamentswahlen der MHP am 18. April mit einem Stimmenanteil von 18,1 % ihr Ergebnis gegenüber den letzten Wahlen mehr als verdoppelte, verbreitete in den Reihen der ADÜTDF Hochstimmung. Die ADÜTDF hatte Billigflüge in die Heimat organisiert, damit ihre Anhänger von ihrem Wahlrecht in der Türkei Gebrauch machen konnten. Jahreskongress Am 2. Oktober fand in Oberhausen der 21. Jahreskongress der ADÜTDF statt. Unter den rund 5.000 Teilnehmern befanden sich auch ADÜTDF-Mitglieder aus Bayern. Als Redner bzw. Gäste waren aus der Ausländerextremismus 139 Türkei mehrere Parlamentarier und Minister der MHP anwesend; auch eine Grußbotschaft des MHP-Vorsitzenden Devlet Bahceli verdeutlichte die engen Verbindungen zwischen ADÜTDF und MHP. Der bisherige ADÜTDF-Vorsitzende Mehmet Erdogan kandidierte nicht wieder; zum neuen Vorsitzenden wurde Cemal Cetin gewählt. 2.3 Linksextremisten 2.3.1 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Deutschland Bayern Anhänger: 1.100 160 Gründung: 1978 in der Türkei (in Deutschland seit 1983 verboten) Die Organisation ist gespalten in: Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (DHKP-C) Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP-C Devrimci Sol) (beide Gruppierungen in Deutschland seit 1998 verboten) Die auch in der Türkei verbotene revolutionär-marxistische Devrimci Revolutionäre Sol versteht sich als eine an den Grundsätzen des Marxismus-LeniZielsetzung nismus ausgerichtete Volksbewegung. Sie zählt zu den militantesten türkischen Extremistengruppen, die mit Hilfe einer bewaffneten Revolution auf die Zerschlagung des türkischen Staats zielen und in der Türkei terroristisch aktiv sind. Seit 1993 ist die Devrimci Sol in zwei verfeindete Lager gespalten. Aus dem "Karatas-Flügel" ging in der Folgezeit die Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (DHKP-C) hervor; aus dem "Yagan-Flügel" entwickelte sich die Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP-C Devrimci Sol). Das Bundesministerium des Innern verfügte am 13. August 1998 gegen die DHKP-C als Ersatzorganisation der Devrimci Sol ein Vereinsverbot und gegen die VerbotsTHKP-C Devrimci Sol ein Betätigungsverbot. Die Sicherheitsmaßnahmen behörden in Deutschland waren schon bisher davon ausgegangen, dass beide Gruppierungen als Teile der Devrimci Sol verboten sind. Örtliche Schwerpunkte der DHKP-C mit insgesamt rund 150 Anhängern in Bayern bestehen in Aschaffenburg, München und Nürnberg; für die THKP-C Devrimci Sol sind in Bayern nur Einzelmitglieder aktiv. 140 Ausländerextremismus AgitationsObwohl das Verhältnis zur PKK seit längerem belastet ist, erklärte sich schwerpunkte die Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKC), der militärische Arm der DHKP-C, wiederholt mit dem kurdischen Widerstandskampf solidarisch: "Die Befreiung unserer Völker kann allein durch die revolutionäre Macht und den Befreiungskrieg unter dem Leitspruch 'Vereinigen, kämpfen und siegen' verwirklicht werden." Ein weiterer Agitationsschwerpunkt war der Kampf gegen den "Imperialismus". Im Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt behauptete die DHKC im Internet: "Der Imperialismus versucht den Kosovo zu seinem Satellitenstaat zu machen (...) Was die US-Imperialisten, mit anderen Worten die Nazis von heute, und ihre Kollaborateure mit der Besetzung des Kosovo eigentlich bewerkstelligen wollen, ist die Sicherung der imperialistischen Hegemonie auf dem gesamten Balkan." In einer im Internet verbreiteten Stellungnahme äußerte die DHKP-C, ihr bewaffneter Kampf werde nicht in Deutschland, sondern nur in der Türkei geführt. Die Bundesrepublik sei allerdings ein ausbeuterisches imperialistisches Land, das nach wie vor die Politik des "faschistischen Nazi-Deutschlands" vertrete. Ferner bestritt die Gruppierung das Ausmaß der ihr in der Verbotsverfügung vorgeworfenen Auseinandersetzungen mit der rivalisierenden THKP-C Devrimci Sol. In weiteren ins Internet eingestellten Erklärungen bezichtigte sich die DHKC, am 4. Juni und 10. September terroristische Anschläge in Istanbul versucht bzw. verübt zu haben. Wegen des Verbots der DHKP-C und der THKP-C Devrimci Sol in Deutschland weichen beide Organisationen mit ihren Großveranstaltungen in Nachbarländer aus. So führte die DHKP-C ihre diesjährige Veranstaltung Gedenkveranstaltung zum 5. Jahrestag der Parteigründung am 10. April in Belgien in Genk/Belgien durch. Die über 5.000 Teilnehmer huldigten in Sprechchören dem Generalsekretär Dursun Karatas und gedachten mit einer Schweigeminute der "Gefallenen der Revolution". Rede-, Lichtbildund Filmbeiträge glorifizierten Aktionen der DHKP-C, insbesondere das "heldenhafte Todesfasten" inhaftierter DHKP-C-Mitglieder, die Ermordung eines türkischen Industriellen und Guerillaüberfälle auf türkische Militäreinheiten. Ein Redner bezeichnete die Bundesrepublik Deutschland als "Feind des Volkes und des Sozialismus". Ausländerextremismus 141 Die noch bis Frühjahr 1998 auch mit Schusswaffen ausgetragenen GewaltverzichtsFlügelkämpfe scheinen vorläufig beendet. In einer Erklärung vom erklärung 12. Februar kündigte der Generalsekretär der DHKP-C Dursun Karatas einen sofortigen Gewaltverzicht für Deutschland an. Dieser Schritt ist indes weniger auf einen Gesinnungswandel, sondern eher auf die erhebliche Schwächung beider Flügel durch staatliche Strafverfolgungsmaßnahmen zurückzuführen. So ist inzwischen die gesamte bisher bekannte Deutschlandund Europaführung der DHKP-C inhaftiert. Seit 1997 konnten bundesweit über 30 Führungsfunktionäre und Aktivisten beider Flügel festgenommen und zahlreiche Waffen und Sprengmittel beschlagnahmt werden. Im April konnte ein im Raum Aschaffenburg lebender Aktivist der ExekutivDHKP-C ermittelt werden, der am 6. Januar 1996 zwei Brandmaßnahmen anschläge in Erlenbach/Main und Michelstadt/Hessen verübt haben soll. Diese waren Teil einer bundesweiten Serie von 26 Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen als unmittelbare Reaktion auf eine Häftlingsrevolte in türkischen Gefängnissen. Am 26. Mai nahmen Beamte des Bundeskriminalamts in Radebeul/Sachsen einen Aktivisten der DHKP-C fest. Gegen den Festgenommenen besteht ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Der Beschuldigte steht im Verdacht, im Jahre 1997 an den Flügelkämpfen zwischen DHKP-C und THKP-C Devrimci Sol beteiligt gewesen zu sein. Am 15. Oktober wurde in der Schweiz der mit internationalem Haftbefehl gesuchte mutmaßliche Deutschlandund Europaverantwortliche der DHKP-C festgenommen. Ihm werden u.a. Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, Mittäterschaft bei einem versuchten Mord und versuchte Anstiftung zum Mord vorgeworfen. Ein am 14. November ebenfalls in der Schweiz festgenommener Funktionär ist dringend verdächtig, als mutmaßlicher Verantwortlicher der DHKP-C für den Raum Stuttgart maßgeblich an einem versuchten Brandanschlag auf ein Wohnhaus in Singen/Baden-Württemberg am 16. Mai 1996 und an der Verabredung zur Tötung von Anhängern der THKP-C Devrimci Sol ab August 1997 in Hamburg beteiligt gewesen zu sein. Die Festnahmen in der Schweiz zeigen, dass die Führungsverantwortlichen der DHKP-C angesichts des Fahndungsdrucks in Deutschland ihre Aktivitäten ins Ausland verlagert haben. 142 Ausländerextremismus Strafverfahren Das Landgericht Hamburg verurteilte am 26. Januar einen 40-jährigen Türken zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten wegen eines Verbrechens nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Verstößen gegen das Waffenund Sprengstoffgesetz. Der Verurteilte gehörte der Führung der THKP-C Devrimci Sol an und war für die Organisation als Waffenbeschaffer und Passfälscher tätig. Am 11. Februar verurteilte das Oberlandesgericht Hamburg zwei Mitglieder der THKP-C Devrimci Sol unter anderem wegen versuchten Totschlags zu Jugendstrafen von dreieinhalb bzw. zweieinhalb Jahren. Die Verurteilten hatten am 29. Januar 1998 in Hamburg Anhänger der verfeindeten DHKP-C mit Schusswaffen erheblich verletzt. Das Oberlandesgericht Hamburg verhängte am 17. Februar gegen Hohe Haftstrafen drei Funktionäre der DHKP-C langjährige Haftstrafen. Der ehemalige Deutschlandund Europaverantwortliche der DHKP-C wurde wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung und wegen eines 1997 in Frankfurt am Main und Hamburg verübten zweifachen Totschlags zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Zwei Mitangeklagte erhielten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, versuchten Totschlags und versuchter Geiselnahme Haftstrafen von sieben bzw. fünf Jahren. Die Verurteilten waren an mehreren Schusswaffenanschlägen auf Anhänger der rivalisierenden THKP-C Devrimci Sol beteiligt. Am 6. Juli verurteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth drei türkische Staatsangehörige wegen versuchter räuberischer Erpressung und Verstoßes gegen das Vereinsgesetz zu Bewährungsstrafen zwischen acht und 16 Monaten. Die Verurteilten hatten am 17. Dezember 1998 in Nürnberg versucht, vom türkischen Betreiber eines Imbissstands eine Spende für die DHKP-C einzutreiben. Ein 27-jähriger Türke wurde am 23. November vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Angeklagte hatte als Mittäter am 22. April 1998 eine Bar in Castrop-Rauxel/Nordrhein-Westfalen überfallen, um Spendengelder für die DHKP-C zu erpressen. Dabei waren der Wirt durch Schläge mit einem Baseballschläger und dessen Bruder durch zwei Beinschüsse schwer verletzt worden. Das Oberlandesgericht Hamburg verurteilte am 29. November einen 33-jährigen Aktivisten der DHKP-C wegen Mordes und versuchter Ausländerextremismus 143 Geiselnahme zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Verurteilte hatte am 25. April 1997 in Hamburg nach vorausgegangenem Streit um den Verkauf der DHKP-CPublikation "Kurtulus" den türkischen Inhaber eines Imbisslokals erschossen und am 5. September 1997 als Mittäter versucht, einen Angehörigen der rivalisierenden THKP-C Devrimci Sol zu entführen. Daneben sind beim Generalbundesanwalt noch weitere Strafverfahren wegen Verdachts der Rädelsführerschaft bzw. Mitgliedschaft und der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C anhängig; unter den Beschuldigten befinden sich 14 Personen aus Bayern. 2.3.2 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Deutschland Bayern Mitglieder: 1.900 170 Gründung: 1972 in der Türkei Die Organisation ist gespalten in: Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) Partizan-Flügel Die TKP/ML vertritt die Ideologie des Marxismus-Leninismus, ergänzt Revolutionärum die Ideen Mao Tse-tungs. Sie ist davon überzeugt, dass der einzimarxistische ge Weg zur Befreiung des türkischen Volkes über den bewaffneten Ideologie Volkskrieg mit anschließender Bildung einer Volksregierung führt. Ihr militärischer Zweig ist die Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO). Die Entwicklung der TKP/ML ist seit Ende der 70er Jahre durch eine Zahlreiche Vielzahl von Fraktionsbildungen und Abspaltungen geprägt. In Abspaltungen Deutschland organisierten sich die Anhänger der TKP/ML in der 1976 gegründeten Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) und der Ende 1986 gebildeten Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK), die sich als demokratische Massenorganisationen präsentieren und ihre Verbindungen zur TKP/ML weitgehend tarnen. Die Abspaltung des DABK im Jahr 1994 (nach einer 144 Ausländerextremismus zuvor aufgehobenen erstmaligen Trennung im Jahr 1987) setzte sich in den Basisorganisationen der TKP/ML fort. Um sich vom Partizan-Flügel abzugrenzen, haben sich beide Basisorganisationen des DABK im Sommer 1997 in Föderation der demokratischen Rechte in Deutschland (ADHF) bzw. Konföderation der demokratischen Rechte in Europa (ADHK) umbenannt. Organisatorische Eine neuerliche Umstrukturierung des Partizan-Leitungsgremiums Schwächen sowie strukturelle und personelle Probleme bei den Basisorganisationen der TKP/ML zeigen, dass trotz des mehrjährigen zeitlichen Abstands die Spaltung noch nicht bewältigt ist. Der Mitgliederschwund von 200 auf 170 Mitglieder in Bayern, rückläufige Spendenergebnisse sowie die Auflösung von zwei Vereinen zum Jahreswechsel 1998/99 in Straubing und Plattling sind offenbar eine Folge dieser Uneinigkeit. Erstmals führte der Partizan-Flügel der TKP/ML keine zentrale europaGedenkfeiern weite Gedenkveranstaltung zu Ehren des Parteigründers Ibrahim Kaypakkaya durch. Die eigens für Deutschland organisierte Feier am 24. April in Gießen wurde von rund 5.600 Personen besucht. Zur Veranstaltung des DABK-Flügels anlässlich des 26. Todestags des Parteigründers am 15. Mai in Leverkusen fanden sich etwa 4.000 Besucher ein. 2.3.3 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Deutschland Bayern Mitglieder: 700 60 Gründung: 1964 in der Türkei Publikation: Politikada Atilim (Der politische Angriff) Die in der Türkei terroristisch operierende MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Wie die TKP/ML und die Devrimci Sol erstrebt sie die Revolutionäre gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die ErZielsetzung richtung einer kommunistischen Diktatur. Ihre Basisorganisation ist die Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V. (AGIF) in Köln. 5. Gründungstag Zum 5. Jahrestag ihrer Gründung führte die MLKP am 13. November in Leverkusen eine Saalveranstaltung mit rund 4.000 Besuchern durch. Nach einer Gedenkminute für die im "Kampf gefallenen Ausländerextremismus 145 Revolutionäre" wurden insbesondere die anwesenden Jugendlichen aufgefordert, deren Plätze im Kampf für den Sozialismus einzunehmen. Ein Redner verwies ferner auf die Bereitschaft inhaftierter Aktivisten, für die Verwirklichung der Revolution zu sterben. Das Landgericht Duisburg verurteilte am 30. Juni einen 24-jährigen Strafverfahren MLKP-Angehörigen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Angeklagte war am 27. August 1996 in Duisburg an der Ermordung eines Funktionärs einer mit der MLKP rivalisierenden Gruppierung beteiligt. Gegen seinen Komplizen hatte das Gericht bereits 1997 eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt. 2.3.4 Plattform der Vereinten Revolutionären Kräfte (DBGP) Die DBGP wurde im Sommer 1998 von der PKK und sieben weiteren revolutionär-marxistischen Organisationen (darunter die MLKP, die THKP-C Devrimci Sol und beide Flügel der TKP/ML) als Aktionsbündnis gegründet. In der Folgezeit entfaltete das Bündnis kaum AußenKaum noch wirkung; in Bayern trat es lediglich mit einer InformationsveranstalBedeutung tung am 2. Mai in Nürnberg in Erscheinung. Nach internen Streitigkeiten schied im Frühjahr 1999 der Partizan-Flügel der TKP/ML aus der Plattform aus. Eine nochmalige Schwächung erfuhr das Bündnis, als die PKK und zwei weitere Organisationen im September in einer gemeinsam unterzeichneten Erklärung ihre Trennung von der DBGP bekannt gaben. 3. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Deutschland Bayern Anhänger: 12.000 2.000 Vorsitzender: Abdullah Öcalan Leitung: "Präsidialrat" Gründung: 1978 in der Türkei (in Deutschland seit 1993 verboten) Publikationen: u.a. Serxwebun (Unabhängigkeit) 3.1 Ideologie Die auch in der Türkei verbotene PKK ist eine straff organisierte Kaderorganisation, die sich ideologisch auf den Marxismus-Leni- 146 Ausländerextremismus nismus stützt. In ihrem Programm forderte sie ursprünglich einen unModifizierte abhängigen Kurdenstaat unter ihrer Führung. Zeitweise propagierte Programmatik sie auch eine Föderation im Südosten der Türkei oder ein bundesstaatliches Modell nach Schweizer Vorbild. Ihr bewaffneter Arm, die Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK), führte seit 15. August 1984 im Südosten der Türkei einen erbitterten Guerillakrieg gegen die türkischen Streitkräfte, die umgekehrt ebenfalls mit großer Härte gegen die PKK vorgingen. Auf einem außerordentlichen Parteikongress im Januar 2000 soll nunmehr eine Modifizierung des Parteiprogramms im Sinn der neuen Linie herbeigeführt worden sein. Der neue Kurs zielt auf einen friedlichen politischen Ausgleich mit der Türkei ab. Die Novellierung des Parteiprogramms und der außerordentliche Kongress unterstreichen die Entschlossenheit der PKK, den neuen Kurs glaubwürdig erscheinen zu lassen. Ob die PKK die nunmehr beschlossene Linie konseSymbol der PKK quent umsetzt und durchhält, ist indes noch nicht abzusehen. AlleinvertretungsDie PKK versteht sich nach wie vor als die alleinige Vertretung der in anspruch Deutschland lebenden rund 500.000 türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit, obwohl sich nur etwa zehn Prozent dieser Volkszugehörigen zur PKK bekennen. 3.2 Organisation Verlust der Basis Im Herbst 1998 verlor die PKK ihre Zentrale in Syrien und ihre Stützin Syrien punkte im syrischen Einflussbereich, als die syrische Regierung auf Druck der Türkei der PKK die bisherige Unterstützung entzog. Der PKK-Generalvorsitzende Abdullah Öcalan räumte sein Exil in Damaskus und setzte sich auf der Suche nach einer neuen Operationsbasis über Russland nach Italien ab. Dort wurde er vorübergehend festgenommen und bat um politisches Asyl. Mitte Januar 1999 verließ er Italien mit unbekanntem Ziel. Seine erfolglose Suche nach einem sicheren Aufenthaltsort endete schließlich in Kenia. Dort wurde er am 15. Februar nach dem Verlassen der griechischen Botschaft in Nairobi aufgegriffen, in die Türkei verbracht Ergreifung und dort vor Gericht gestellt. Nach Öcalans Ergreifung übernahm als Öcalans oberstes Entscheidungsgremium der aus sieben Personen bestehende "Präsidialrat" die Führung der PKK. Am 18. Dezember meldete eine türkische Tageszeitung, das Mitglied des "Präsidialrats" Cemil Bayik werde künftig die PKK leiten. Ausländerextremismus 147 Das 1993 vom Bundesministerium des Innern verfügte vereinsrechtliche Betätigungsverbot konnte die PKK auch 1999 nicht vollständig daran hindern, trotz erheblich erschwerter Bedingungen weiter aus dem Untergrund heraus zu operieren. In Deutschland ist die PKK in sechs Regionen gegliedert. Die Region Bayern umfasst die Gebiete München, Nürnberg und Ulm mit Teilen Baden-Württembergs. Diese Gebiete sind wiederum in Teilgebiete unterteilt. Den Regionen steht als Regionsverantwortlicher ein professionelles Kadermitglied vor, dem die Gebietsverantwortlichen unterstellt sind. Der Regionsleiter erhält seine Anweisungen von der Europäischen Frontzentrale - Avrupa Cephe Merkezi - (ACM), die vorwiegend in den Niederlanden tätig ist. Die hauptamtlichen Kader der PKK leben mit häufig wechselnden Aufenthaltsorten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich äußerst konspirativ. So Konspirative ist beispielsweise - von wenigen Ausnahmen abgesehen - den Organisation Gebietsund Regionsverantwortlichen das Benutzen von Handys nicht mehr gestattet. Von den rund 2.000 PKK-Anhängern in Bayern können bis zu 1.500 zu Großveranstaltungen der PKK mobilisiert werden. Die PKK-Anhängerschaft ist in zahlreichen der Föderation kurdischer Tarnorganisationen Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) angegliederten örtlichen Verder PKK einen organisiert. Diese Vereine, die sich nach außen als reine Kulturvereine darstellen, haben die Aufgabe, Ziele und Politik der PKK unter den Anhängern zu verbreiten und zu fördern. Die in das bundesweite Betätigungsverbot einbezogene "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) vertritt außerhalb Deutschlands als politischer Arm der Organisation die Interessen und Ziele der PKK sowohl materiell als auch propagandistisch. Darüber hinaus bedient sich die PKK zahlreicher vom Betätigungsverbot nicht erfasster Nebenorganisationen ("Y-Gruppen"). Diese haben die Aufgabe, verschiedene Zielgruppen innerhalb der kurdischen Bevölkerung wie Arbeiter, Frauen, Juristen, Lehrer oder Jugendliche für den "Befreiungskampf" der PKK zu gewinnen. Aus den Reihen der Union der Jugendlichen aus Kurdistan (YCK) rekrutierte sich bisher die Guerilla der PKK. Nicht selten wurden dabei Jugendliche gegen den Willen ihrer Eltern zwangsverpflichtet und in Ausbildungslagern im benachbarten Ausland geschult, bevor sie zum Kampfeinsatz in die Türkei geschleust wurden. In Bayern wurde zuletzt 1998 ein solcher Fall bekannt. 148 Ausländerextremismus Neuer PKK-naher Ein wichtiges Propagandamedium ist der PKK-nahe Satellitensender Sender MEDYA-TV, der am 30. Juli in Paris seinen Betrieb aufnahm. Die Beiträge gleichen in wesentlichen Punkten der Berichterstattung seines Vorgängers MED-TV, jedoch bemüht sich der neue Sender in seinen Nachrichten um eine sachliche Darstellung. Die britische Fernsehaufsichtsbehörde hatte MED-TV am 23. April endgültig die Sendelizenz entzogen mit der Begründung, der Sender habe durch Verbreitung von Aufrufen zur Gewalt gegen geltendes Recht verstoßen. Finanzierung Die PKK finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen, dem Verkauf von Publikationen und den Einnahmen bei Veranstaltungen. Des weiteren gibt es Hinweise, dass die Organisation auch vom Rauschgifthandel profitiert, indem sie kurdische Drogenhändler abschöpft. Den größten Anteil der Einnahmen erbringt die jeweils gegen Jahresende durchgeführte Spendenkampagne. Die Zielvorgabe für Bayern, die wie im Vorjahr bei 1,5 Millionen DM lag, wurde auch 1999 nicht annähernd erreicht. 3.3 Reaktionen auf die Ergreifung und Verurteilung Öcalans Die Nachricht von der Inhaftierung Öcalans in der Türkei führte zu Gewaltaktionen zahlreichen, vielfach gewaltsamen Reaktionen seiner Anhänger. nach Öcalans Betroffen waren insbesondere Einrichtungen der Türkei, GriechenInhaftierung lands, Israels und Kenias in mehreren europäischen Städten, wobei es am 16. Februar in Bonn, Den Haag, London, Wien und Zürich auch zu Geiselnahmen kam. Daneben waren zahlreiche Anschläge auf türkische Einrichtungen wie Reisebüros, Imbissstände und Vereinslokale zu verzeichnen. Vereinzelt kam es auch zu Selbstverbrennungen fanatischer PKK-Anhänger. Der folgenschwerste Zwischenfall ereignete sich am 17. Februar in Berlin. Dort durchbrachen zahlreiche mit Eisenstangen bewaffnete Kurden eine Polizeiabsperrung vor der Israelischen Botschaft. Beim Versuch, in das Gebäude einzudringen, wurden vier Angreifer von israelischen Sicherheitskräften erschossen. Nach dieser von starken Emotionen bestimmten Aktionsphase forderte die PKK-Führung zur Besonnenheit auf und war bestrebt, mittels gewaltfreier Protestaktionen, wie Kundgebungen für "Frieden und Freiheit in der Türkei", auf dortige Menschenrechtsver- Ausländerextremismus 149 letzungen hinzuweisen. Auch der am 31. Mai gegen Öcalan eröffnete Strafprozess war in Deutschland bis zur Urteilsverkündung von zahlreichen weitgehend friedlichen Solidaritätsbekundungen begleitet. Ein Staatssicherheitsgericht verurteilte Öcalan am 29. Juni auf der türReaktionen auf kischen Gefängnisinsel Imrali wegen Hochverrats und mehrfachen das Todesurteil Mordes zum Tode. In der ersten Phase nach Verhängung des Todesurteils reagierten die PKK-Anhänger in Deutschland mit Enttäuschung und Wut; ihre Demonstrationen in zahlreichen deutschen Städten verliefen jedoch meist gewaltfrei. Daneben waren aber auch nächtliche Brandanschläge sowie sonstige Gewaltaktionen gegen türkische Ziele zu verzeichnen. Nach Appellen deutscher sowie ausländischer Politiker und Gremien an die Türkei, die Todesstrafe nicht zu vollstrecken, entspannte sich die Lage zunehmend. Deeskalierend wirkte auch eine am 29. Juni veröffentlichte Erklärung des "Präsidialrats" der PKK, der zwar das Todesurteil heftig kritisierte, aber zugleich dazu aufrief, sowohl in der Türkei als auch im Ausland nur in einem "demokratisch-politischen" Rahmen zu protestieren. Auch die Europavertretung der ERNK lehnte Anschläge in Deutschland ab und forderte die kurdische Bevölkerung in Europa auf, ihrem Protest im Rahmen der geltenden Gesetze Ausdruck zu verleihen. Das oberste türkische Berufungsgericht bestätigte am 25. November das Todesurteil der ersten Instanz. Die PKK reagierte auf diese Entscheidung verhalten. In einer vom Kurdistan-Informationszentrum (KIZ) verbreiteten Erklärung der PKK hieß es: "Die Türkische Republik beharrt weiterhin auf ihrer Vernichtungspolitik gegenüber dem kurdischen Volk." Die PKK-Anhänger bekundeten wie zuvor ihre konstante Verbundenheit mit ihrem Idol Öcalan durch zahlreiche Aktionen wie Mahnwachen und Demonstrationen unter dem Motto "Freiheit für Öcalan - für eine politische Lösung in Kurdistan". Zu Ausschreitungen kam es nicht; auch war insgesamt ein erheblicher Rückgang der Aktionsbereitschaft festzustellen. 3.4 Strategie Die Strategie der PKK war bisher von periodischen Friedensappellen und Drohungen bestimmt. So hatte Öcalan noch vor seiner Abreise 150 Ausländerextremismus aus Italien am 16. Januar eine Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfs gegen die Türkei angekündigt, da er sein Ziel, durch seinen Aufenthalt in Rom den Weg zu einer internationalen Friedenskonferenz über die Rechte des kurdischen Volkes zu ebnen, nicht erreicht habe. Inzwischen ist die PKK bemüht, ihrem auch formell beschlossenen Friedenskurs Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Bereits nach der Festnahme Öcalans in Kenia hatte der Kommandant der ARGK Cemil Bayik, ein Mitglied des "Präsidialrats", betont, dass die Kurden ihren Protest nur im Rahmen der Gesetze und mit demokratischen Mitteln zum Ausdruck bringen dürften. Aufruf zur Mit Beginn seines Prozesses intensivierte Öcalan Bemühungen um Einstellung des eine politische Lösung der kurdischen Frage. Anfang August forderte bewaffneten er die PKK auf, den bewaffneten Kampf ab 1. September einzustelKampfs len und die Guerillaeinheiten aus der Türkei zurückzuziehen. Der "Präsidialrat" der PKK begrüßte diesen Aufruf und erklärte, man werde Öcalans Direktive gewissenhaft Folge leisten. Osman Öcalan, Mitglied im "Präsidialrat" der PKK und Bruder des inhaftierten Generalvorsitzenden, erklärte am 1. September im Fernsehsender MEDYA-TV den 15-jährigen bewaffneten Kampf der PKK für beendet. Dies gelte grundsätzlich auch dann, wenn das Todesurteil gegen seinen Bruder vollstreckt werde. Allerdings seien in diesem Fall die Reaktionen der PKK-Anhänger für die Führungsspitze möglicherweise nicht mehr kontrollierbar. Im Herbst 1999 verließ die PKK die "Plattform der Vereinten Revolutionären Kräfte" (DBGP). Offenbar waren die Gegensätze zwischen den gewaltorientierten Zielen dieses Bündnisses und dem neuen Kurs der PKK nicht überbrückbar (vgl. auch Nummer 2.3.4 dieses Abschnitts). Symbolische Am 1. Oktober ergab sich eine Gruppe von acht bewaffneten Kapitulation PKK-Kämpfern, darunter auch der frühere Europasprecher der ERNK, an der irakisch-türkischen Grenze dem türkischen Militär. Anlässlich des Staatsgründungstags der türkischen Republik (29. Oktober) stellte sich eine weitere Gruppe von acht PKK-Funktionären den Behörden in Istanbul. Bei diesen Personen handelte es sich größtenteils um hochrangige Funktionäre, die als Gebietsoder Regionsleiter in Europa tätig waren. Unter diesen befand sich auch eine ehemalige Regionsverantwortliche für Bayern und Westfalen. Diese symbolischen Schritte sollten die Ernsthaftigkeit der neuen politischen Linie der PKK unterstreichen. Ausländerextremismus 151 Die türkische Presse berichtete am 8. November über einen Aufruf Öcalans an die Kurden, in die Heimat zurückzukehren. Es sei - so Öcalan - an der Zeit, das Kurdenproblem auf der "Linie des Friedens und der Demokratie" in der Türkei voranzutreiben. Nur so könne der Wiederaufbau der Republik und die Phase der "Demokratiebegründung" gelingen. Die in Europa lebenden Kurden nahmen diesen Appell mit Interesse auf und erörterten ihn bei "Volksversammlungen". Ob die PKK den Wandel von einer bewaffneten zu einer politischen Kraft auf Dauer bewältigen kann, bleibt abzuwarten. Immerhin dürfte sie bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Hinrichtung ihres Vorsitzenden an ihrer derzeitigen Linie festhalten und eine Lösung der Kurdenfrage mit friedlichen Mitteln suchen. Angesichts der anhaltenden Angriffe der türkischen Armee auf Einheiten der ARGK, die sich aus der Türkei zurückziehen wollen, wachsen allerdings in Teilen der Basis die Zweifel an der Zweckmäßigkeit dieses Kurses. Bei einer Vollstreckung des Todesurteils gegen Öcalan ist daher auch in Deutschland mit gewalttätigen Ausschreitungen und Selbstverbrennungen zu rechnen. An derartigen Aktionen würden sich voraussichtlich nicht nur gewaltbereite PKK-Anhänger, sondern auch bisher friedliche Kurden beteiligen. Ferner ist dann zu befürchten, dass sich zumindest Teile der PKK wieder dem bewaffneten Kampf oder terroristischen Aktivitäten zuwenden. 3.5 Unterstützer der PKK Zahlreiche deutsche linksextremistische Gruppen unterstützen die PKK, insbesondere fordern sie die Aufhebung des PKK-Verbots. Neben der PDS treten bundesweit rund 30 Kurdistan-Solidaritäts"Kurdistan-Solidagruppen mit Demonstrationen, Info-Ständen oder Podiumsdiskussioritätsgruppen" nen für die Interessen der PKK ein. Von den vier in Bayern bestehenden Unterstützerkomitees sind die in München und Allgäu/Oberschwaben tätigen Gruppen besonders aktiv. In Europa intensiviert die PKK derzeit die Kontakte zu anderen kurdischen Organisationen. Zu diesem Zweck wurde am 24. Mai in Amsterdam ein Kurdischer Nationalkongress (KNK) gegründet. Zur konKurdischer Natiostituierenden Sitzung hatten neben der PKK 28 kurdische Parteien nalkongress (KNK) und Organisationen Delegationen entsandt. Wichtige Kurdenparteien aus dem Iran und Irak, insbesondere die Demokratische Partei Kurdistans/Irak (DPK/I) und die Patriotische Union Kurdistans (PUK), 152 Ausländerextremismus waren allerdings der Gründung des KNK ferngeblieben. Im Gegensatz zu dem Ende September im KNK aufgegangenen "Kurdischen Exilparlament", in dem überwiegend kurdische Organisationen aus der Türkei vertreten waren, repräsentiert der offenbar ebenfalls von der PKK dominierte KNK nunmehr auch Kurdengruppierungen aus Armenien, dem Iran, dem Irak und Syrien. Am 29. September führte der KNK in München eine Repräsentationsveranstaltung für Deutschland durch. Unter den rund 50 Teilnehmern befanden sich auch Angehörige der linksextremistischen deutschen Unterstützerszene. Der Hauptredner erklärte, die Kurden hätten der Gewalt abgeschworen. Wegen mangelnden Interesses der Besucher endete der offizielle Teil der Veranstaltung schon nach etwa 25 Minuten. 3.6 Aktivitäten in Deutschland PKK-Anhänger organisierten nach den gewaltsamen Ausschreitungen anlässlich der Inhaftierung ihres Generalvorsitzenden Öcalan mit Unterstützung deutscher Sympathisanten öffentliche Kundgebungen, bei denen sie mitunter Symbole der PKK zeigten oder PKK-ParoGroßkundgebung len skandierten. So fand am 17. April unter dem Motto "Frieden für in Bonn Kurdistan - Demokratie in der Türkei" in Bonn eine Großdemonstration - die größte ihrer Art seit Bestehen der PKK - statt. Die rund 80.000 Teilnehmer, darunter auch über 1.000 PKK-Anhänger aus Bayern, forderten die Freilassung Öcalans. Veranstalter war eine auch von deutschen Parlamentariern unterstützte internationale Initiative "Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan". Als Redner traten unter anderem der Vorsitzende des "Kurdischen Exilparlaments" Yasar Kaya und die PDS-Bundestagsabgeordnete Ursula Lötzer auf, die der Bundesregierung Doppelzüngigkeit und Heuchelei vorwarf. Aufrufe zum Im Frühjahr 1999 verbreiteten PKK-Anhänger auch in Bayern wieder Tourismusboykott Plakate, die zum Tourismusboykott gegen die Türkei aufriefen. Die Plakate zeigten einen Soldaten, auf dessen Helm die türkische Flagge angebracht ist. Mit einem blutigen Finger zeigt er auf den Betrachter. Der Text dazu lautet: "Kommen Sie! Wir brauchen Ihr Geld für unseren Krieg in Kurdistan. Wollen Sie diese Einladung wirklich annehmen?" Im Anschluss an die Verurteilung Öcalans am 29. Juni führten PKK-Anhänger bundesweit zahlreiche Demonstrationen und Mahn- Ausländerextremismus 153 wachen durch, die weitgehend friedlich verliefen. So protestierten rund 70 PKK-Anhänger am 29. Juni vor einem Pressegebäude in Nürnberg gegen das Urteil. In München demonstrierten am 3. Juli rund 800 Kurden, darunter 200 Kinder, unter dem Motto "Freiheit für Öcalan - Frieden für Kurdistan". Die Redner kritisierten das Todesurteil und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Weitere Veranstaltungen in Bayern fanden nur geringes Interesse. Zu einer Demonstration am 21. Oktober in Nürnberg zum Thema "Frieden für die Kurden in der Türkei" fanden sich anstelle der erwarteten 300 bis 400 Besucher nur 80 Personen ein. Zum europaweit organisierten "7. Internationalen Kurdistan-Festival Großveranstaltung für Kultur und Nationale Einheit" am 28. August im Dortmund erin Dortmund schienen rund 50.000 Besucher, darunter auch etwa 1.500 PKK-Anhänger aus Bayern. Im Vorfeld der Veranstaltung war in Kreisen der PKK für eine möglichst große Beteiligung geworben worden. Das Festival setzte die Tradition der seit 1993 jährlich von der PKK durchgeführten, ihrer Selbstdarstellung dienenden Friedensbzw. Kulturveranstaltungen fort. Es stand unter dem Motto "Nein zur Todesstrafe - Frieden jetzt - Freiheit für Abdullah Öcalan". Das Programm bestand aus kulturellen Darbietungen und mehreren Redebeiträgen. Neben einem nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach der Vorsitzende des "Kurdischen Exilparlaments". Er erklärte, die Kurden hätten gekämpft, als es notwendig gewesen sei; heute jedoch wollten sie einen "ehrenhaften Frieden". In einer über Lautsprecher eingespielten Rede äußerte Osman Öcalan, der Bruder des PKK-Generalvorsitzenden, der jetzige Weg werde beibehalten, weil er zur Demokratie und zum Sieg führe. In einer im Stadion verlesenen Grußbotschaft rief der inhaftierte PKK-Generalvorsitzende alle Kurden dazu auf, sich an dem Friedensprozess zu beteiligen. Die "Informationsstelle Kurdistan e.V." (ISKU), ein bundesweiter Zusammenschluss von Gruppen und Einzelpersonen der linksextremistischen Kurdistansolidarität mit Sitz in Berlin, startete am 22. Oktober unter dem Motto "Freiheit für Abdullah Öcalan - Für eine politische Lösung in Kurdistan" eine Bustour zur Unterstützung der PKK. Die Bustour Propagandaaktion verlief für die PKK eher enttäuschend, da die Bevölkerung nur geringes Interesse zeigte und eine umfassende Solidarisierung der linksextremistischen Szene ausblieb. Bei der einzigen Zwischenstation in Bayern erschienen am 2. November in Landshut lediglich etwa 30 Personen zur angekündigten Kundgebung. 154 Ausländerextremismus Kundgebungen Am 9. Oktober veranstaltete die "Föderation kurdischer Vereine in der YEK-KOM Deutschland e.V." (YEK-KOM) in Frankfurt am Main eine bundesweite Großkundgebung unter dem Motto "Nein zur Todesstrafe - Frieden jetzt - Freiheit für Öcalan". Daran beteiligten sich rund 17.000 Personen, darunter auch PKK-Anhänger aus Bayern. Auf zahlreichen Spruchbändern und Plakaten warben die Demonstranten für die Freilassung des inhaftierten PKK-Generalvorsitzenden. In einer Grußbotschaft bezeichnete dieser die Ereignisse des letzten Jahres als eine der PKK von der Geschichte auferlegte Tragödie. Zu einer ähnlichen Kundgebung der YEK-KOM am 4. Dezember in Köln unter dem Motto "Nein zur Todesstrafe - Frieden jetzt" fanden sich nur noch 5.000 Besucher ein, darunter auch Teilnehmer aus Bayern. Mit der Veranstaltung reagierte die PKK auf die Bestätigung des Todesurteils gegen Öcalan durch das türkische Kassationsgericht. Die Demonstranten zeigten Symbole der verbotenen PKK und skandierten PKK-Parolen. In einem auf der Schlusskundgebung verlesenen Brief betonte Öcalan seinen Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben von Türken und Kurden unter Wahrung der kurdischen Identität. 3.7 Gewalttaten und Straftaten in Bayern Die PKK-Anhängern zuzurechnenden Gewalttaten stehen überwiegend in zeitlichem Zusammenhang mit einer europaweiten Welle massiver Ausschreitungen anlässlich der Ergreifung Öcalans am 15. Februar. So kam es am 16. Februar nach einer Versammlung in München zu tätlichen Übergriffen auf Polizeibeamte, als diese versuchten, einen PKK-Anhänger festzunehmen, der während der Veranstaltung ein Portrait Öcalans gezeigt hatte. Die Festnahme wurde durch Versammlungsteilnehmer verhindert. Am 17. Februar drangen zehn PKK-Aktivisten in das Gebäude des SPD-Landesverbands in München ein. Sie führten unter anderem ein Plakat mit der Aufschrift "Solidarität mit der PKK" und ein Bild Öcalans mit. Bei der Festnahme leisteten sie Widerstand und verletzten Polizeibeamte. Am 18. Februar schleuderten mutmaßliche PKK-Aktivisten in NürnBrandanschläge berg einen Brandsatz in ein türkisches Reisebüro, wobei ein Sachschaden von rund 10.000 DM entstand. Die Polizei konnte das Feuer löschen. Ausländerextremismus 155 Auch zwei Brandstiftungen am 20. Februar in Schweinfurt dürften nach Tatobjekt und Tathergang PKK-Aktivisten zuzurechnen sein. In einem Fall warfen die Täter zwei Molotowcocktails in ein türkisches Büro für Buchhaltung, Finanzund Steuerberatung, wobei ein Sachschaden von 50.000 DM entstand. Der Brand konnte von der Polizei gelöscht werden. Ein weiterer Brandanschlag richtete sich gegen das Büro des islamischen Kulturvereins. Der Brandsatz brannte vor dem Gebäude ab, ohne Schaden anzurichten. Eine PKK-Aktivistin versuchte, sich am 20. März in München ihrer Gewalt gegen Festnahme durch Polizeibeamte unter Zuhilfenahme einer brennenPolizeibeamte den Fackel zu entziehen. Sie hatte bei einer Newroz-Veranstaltung Plakate mit dem Bild Öcalans verteilt. Bei einem Info-Stand zum Thema "Politische Lösung in Kurdistan - Freiheit für Öcalan" kam es am 27. März in München unter den Anwesenden während eines Streits zu einer tätlichen Auseinandersetzung. Gegen einen mutmaßlichen PKK-Sympathisanten wurde Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. Am 30. Juni warfen in Kempten unbekannte Täter einen Sonnenschirmständer in das Fenster einer Gaststätte. Der Inhaber des Lokals ist Türke. Es entstand ein Sachschaden von rund 1.000 DM. Auch noch mehrere Tage nach dem Todesurteil gegen Abdullah Öcalan am 29. Juni wurden bundesweit Anschläge auf türkische Einrichtungen verübt. In Kaufering, Landkreis Landsberg a. Lech, scheiterte in der Nacht zum 3. Juli der Versuch, einen Kebab-Verkaufswagen in Brand zu setzen. Anschließend beschädigten vermutlich dieselben Täter zwei Schaufensterscheiben eines türkischen Obstund Lebensmittelgeschäfts. Am 8. August suchten drei PKK-Aktivisten einen 17-jährigen Kurden Bestrafungsaktion an seiner Wohnadresse in München auf und zwangen diesen, bei ihnen im PKW mitzufahren. Die Täter gaben dem Jugendlichen zu verstehen, dass sie ihn bestrafen (schlagen) würden. Nachdem Angehörige des Geschädigten die Polizei verständigt hatten, konnten die Täter in Olching, Landkreis Fürstenfeldbruck, festgenommen werden. Hintergrund der beabsichtigten Bestrafungsaktion sei die angebliche Lossagung des 17-jährigen Kurden von der PKK gewesen. Der Geschädigte war nach eigenen Angaben noch bis vor einem Jahr für die PKK tätig. 156 Ausländerextremismus 3.8 Strafverfahren und Exekutivmaßnahmen Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte am 6. Mai die ehemalige PKK-Regionsverantwortliche für Westfalen zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Sie hatte anlässlich einer Großdemonstration am 16. März 1996 in Dortmund Jugendliche in drei Fällen zu Brandanschlägen mit Molotowcocktails angestiftet. Am griechisch-türkischen Grenzübergang Ipsala wurden am 6. April Sprengstoffin einem in Deutschland zugelassenen PKW drei Sprengsätze mit je transport 800 Gramm Sprengstoff und Metallkugeln sichergestellt. Die drei festgenommenen Insassen des PKW gaben an, das Fahrzeug mit den bereits darin versteckten Sprengkörpern in Deutschland übernommen zu haben. Am 30. April nahm die Polizei am Grenzübergang Elten/Nordrhein-Westfalen ebenfalls drei mutmaßliche PKK-Aktivisten fest, die in ihrem PKW über 2,5 kg Sprengstoff mitführten. Festnahme Am 17. August wurde in Adelsried, Landkreis Augsburg, ein 28-jähwegen Spendenriger Türke festgenommen. Er steht im Verdacht, im Frühjahr 1996 in erpressung Passau Spenden für die PKK erpresst zu haben. In Berlin nahm die Polizei am 5. Oktober einen 43-jährigen Kurden wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Urkundenfälschung fest. Er soll hauptamtlicher Kader des so genannten PKK-Heimatbüros gewesen sein, das im Auftrag der Parteiführung die illegalen Strukturen der PKK in Deutschland aufrechterhält. Im Rahmen der Exekutivmaßnahmen konnten Strukturunterlagen sowie eine Pistole mit Munition sichergestellt werden. Ebenfalls am 5. Oktober nahm die Polizei in Paris aufgrund eines Hoher Funktionär Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Leipzig einen 35-jährigen Kurden festgenommen fest. Ihm wird vorgeworfen, für die Europäische Frontzentrale und als Regionsverantwortlicher für Berlin tätig gewesen zu sein. Ferner soll er die Besetzung des griechischen Generalkonsulats am 16. Februar in Leipzig angeordnet haben. Dabei waren 73 Kurden aus Anlass der Ergreifung des PKK-Generalvorsitzenden Öcalan gewaltsam in die diplomatische Vertretung eingedrungen und hatten drei Geiseln genommen. Der ehemalige Leiter des PKK-Gebiets Mainz/Wiesbaden wurde am 5. Dezember auf dem Gelände einer Autobahn-Rastanlage bei Würzburg festgenommen. Er reiste als Beifahrer in einem PKW mit österreichischem Kennzeichen. In der Abschiebehaft zündete er sich selbst an; er erlitt dabei schwere Verletzungen. Ausländerextremismus 157 Am 17. Dezember nahm die Polizei in Duisburg/Nordrhein-Westfalen die ehemalige Regionsverantwortliche der PKK für das Gebiet Westfalen fest. Ihr wird unter anderem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Mitverantwortung für eine Reihe von Brandanschlägen zwischen Ende 1995 und Mitte 1996 vorgeworfen. 4. Arabische Gruppen 4.1 Muslimbruderschaft (MB) in der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Deutschland Bayern Mitglieder: 1.200 200 Gründung: 1928 in Ägypten Sitz: München Die von Hassan Al-Banna in Ismailija/Ägypten gegründete sunniSunnitisch-extretisch-extremistische MB ist eine multinationale Organisation, bei der mistische Ideologie eine Unterteilung in nationale Sektionen erkennbar ist. Ziel der MB ist unter anderem die Errichtung von islamischen "Gottesstaaten". Als deutsche Zentrale der MB gilt die Islamische Gemeinschaft in Einfluß der MB Deutschland e.V. (IGD). Der IGD sind mehrere Islamische Zentren in auf die IGD Deutschland nachgeordnet. Sie hat ihren Sitz im Islamischen Zentrum München. Die IGD steht unter maßgeblichem Einfluss des ägyptischen Zweigs der MB. Präsident der IGD ist Dr. Ghaleb Himmat, ein in der Schweiz lebender Syrer; Generalsekretär ist der in der Nähe von München wohnhafte Ägypter Ahmed El Khalifa. Viele Mitglieder und Funktionäre der IGD und der Islamischen Zentren stehen der MB und deren Zielsetzung nahe. Deshalb waren aus den Islamischen Zentren wie in den Vorjahren Verlautbarungen und Aufrufe zu vernehmen, die mit der offiziellen gemäßigten Linie der IGD, etwa dem Eintreten für das richtige Verständnis des Islam, nicht übereinstimmten, sondern die Nähe zur MB verdeutlichten. So enthielten die in den Islamischen Zentren gehaltenen Reden wiederholt Aufrufe zum Jihad (Heiliger Krieg zur Verteidigung und Verbreitung Latente Militanz des Islam) in Tschetschenien und zum Sturz der "un-islamischen" arabischen Regierungen. Auch die Schaffung eines gemeinsamen islamischen Staats mit einem Kalifat wurde befürwortet. 158 Ausländerextremismus 4.2 Islamische Heilsfront (FIS) - algerischer Zweig der MB - Deutschland Bayern Mitglieder: 300 45 Gründung: 1989 in Algerien Publikation: Al-Ribat (Das Band) Die FIS ist der algerische Zweig der international tätigen MB. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staatswesens in Algerien. Als sie 1992 in Algerien verboten wurde, gingen zahlreiche FIS-Funktionäre ins Ausland. Der Leiter der "Exekutivinstanz der FIS im Ausland", Rabah Kebir, hält sich in Deutschland auf. Nach dem Verbot waren die FIS und ihr militärischer Arm "Islamische Heilsarmee" (AIS) für zahlreiche Terroranschläge in Algerien verantwortlich. Seit Oktober 1997 halten sie an dem damals einseitig Waffenstillstand erklärten Waffenstillstand fest. Auch 1999 war die FIS bemüht, sich deutlich und nachhaltig von der mit ihr rivalisierenden "Bewaffneten Islamischen Gruppe" (GIA) zu distanzieren, die seit ihrer Gründung 1991 zahlreiche grausame Massaker an der algerischen Zivilbevölkerung verübte. In Bayern entwickelten die FIS-Anhänger keine öffentlichen Aktivitäten. 4.3 Al-Gamaa Al-Islamiya (GI) Deutschland Bayern Mitglieder: Einzelpersonen Einzelpersonen Die sunnitisch-extremistische Organisation Al-Gamaa Al-Islamiya (GI) Abspaltung von spaltete sich Mitte der 70er Jahre von der Muslimbruderschaft ab. Die der MB Anhänger der GI verfolgen unter der Führung von Scheich Omar Abdelrahman das Ziel, durch die Schwächung der Wirtschaft die ägyptische Regierung zu stürzen und ein islamistisches Staatsgebilde in Form eines Gottesstaats zu errichten. In den Jahren 1992 bis 1997 war die GI für zahlreiche Anschläge in Ägypten, auch auf ausländische Touristen, verantwortlich. Mehrere in Ägypten inhaftierte Führer Taktisch der GI riefen inzwischen zum Waffenstillstand auf. Ein in London motivierter lebender Funktionär der GI bezeichnete im Juli die Beendigung der Waffenstillstand Gewaltaktionen allerdings nicht als Waffenstillstand nach dem Recht Ausländerextremismus 159 der Scharia, sondern als taktischen Schritt, um dem Islam zur Macht zu verhelfen. 4.4 Internationale Islamische Front Deutschland Bayern Mitglieder: Einzelpersonen Einzelpersonen Gründung: 1998 Die 1998 erstmals öffentlich in Erscheinung getretene Internationale Islamische Front unter der Führung von Usama Bin Laden wird für die Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Nairobi/Kenia und Daressalam/Tansania am 7. August 1998 verantwortlich gemacht. Bei Folgenschwere den zeitgleichen Anschlägen wurden über 250 Menschen getötet terroristische und weit über 5.000 verletzt. Bin Laden bemüht sich um Kontakte Anschläge zu anderen islamistischen Organisationen wie Hamas, GIA und Al-Gamaa Al-Islamiya. Er gilt als maßgeblicher finanzieller Unterstützer der islamistischen Bestrebungen. Besonders ausgeprägt ist sein Kontakt zur ägyptischen Terrororganisation Jihad Islami unter der Leitung von Ayman Al-Zawaheri. In Deutschland und Bayern halten sich nur vereinzelt Mitglieder und Sympathisanten der Internationalen Islamischen Front oder der Al Qaeda, einer weiteren von Bin Laden geführten islamistischen Organisation, auf. Ein im September 1998 in der Nähe von München festgenommener mutmaßlicher Bin Laden-Funktionär wurde Anfang 1999 mit Zustimmung des Oberlandesgerichts München an die USA ausgeliefert. Er steht im Verdacht, die Anschläge von Nairobi und Daressalam logistisch unterstützt zu haben. 4.5 Hizb Allah (Partei Gottes) Deutschland Bayern Mitglieder: 800 Einzelpersonen Gründung: 1982 im Libanon Sitz: Münster Publikation: Al-Ahd (Die Verpflichtung) 160 Ausländerextremismus Die Hizb Allah-Bewegung umfasst neben einer seit 1992 im libanesischen Parlament vertretenen Partei verschiedene Wohlfahrtsorganisationen sowie den Islamischen Widerstand, der als militärischer Arm der Organisation insbesondere den bewaffneten Kampf gegen israelische Militäreinheiten im südlichen Libanon führt. Vom Iran wird die Hizb Allah finanziell, materiell und ideologisch unterstützt. Während die Organisation ursprünglich für die Errichtung einer "Islamischen Republik" im Libanon nach dem Beispiel des Iran kämpfte, ist sie nunmehr zu einer Integration in das politische System des Libanon bereit, um dort gesellschaftliche Veränderungen durch politische Aktivitäten zu bewirken. In Deutschland versucht die Hizb Allah-Führung, die Anhängerschaft neu zu organisieren. Diese Anstrengungen werden durch häufige Besuche hochrangiger Funktionäre und islamischer "Geistlicher" deutlich. Öffentliche Aktivitäten der Hizb Allah waren in Bayern in den letzten Jahren nicht feststellbar. 5. Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Deutschland Bayern Mitglieder: 900 60 Gründung: 1981 in Paris Sitz: Köln Publikationen: Modjahed (Kämpfer), Schire Khorschid (Löwe und Sonne), Freiheit für Iran IslamischDer NWRI wurde unter Federführung der islamisch-extremistischen extremistische Volksmodjahedin als Zusammenschluss iranischer oppositioneller Ausrichtung Gruppierungen gegründet. Der Sitz des NWRI ist Paris. Im August 1993 schuf der NWRI ein Exilparlament und rief die Generalsekretärin der Volksmodjahedin, Maryam Radjavi, zur "künftigen Präsidentin des Iran" aus. Der NWRI unterhält im iranisch-irakischen Grenzgebiet eine mehrere tausend Kämpfer zählende Rebellenarmee, die Nationale Befreiungsarmee (NLA). Markanter Beweis seiner Gewaltbereitschaft ist die Ermordung des stellvertretenden Generalstabschefs Ali Shirazi am 10. April in Teheran, für die der NWRI die politische Verantwortung übernahm. AlleinvertretungsTrotz fehlenden Rückhalts in der iranischen Bevölkerung nimmt der anspruch NWRI für sich in Anspruch, die einzige legitime demokratische Alter- Ausländerextremismus 161 native zur iranischen Regierung zu sein. Der Machtanspruch der Volksmodjahedin, die fehlende innerparteiliche Demokratie und ihr Personenkult stoßen jedoch bei einem erheblichen Teil der iranischen Opposition auf Ablehnung. In Deutschland hat der NWRI mittlerweile die Iranische Moslemische Studentenvereinigung e.V. (IMSV) als offizielle Vertretung der Volksmodjahedin abgelöst. Der Verein existiert jedoch neben zahlreichen Tarnund Nebenorganisationen des NWRI weiter. Der NWRI tritt vor allem mit Spendensammlungen, aber auch mit Spendenaktionen Demonstrationen in Erscheinung. Die angeblich für humanitäre Zwecke bestimmten Gelder dienen in Wirklichkeit dem Unterhalt der weltweiten Strukturen der Volksmodjahedin sowie wohl auch der Unterstützung der NLA. Die hauptsächlich in Asylbewerberheimen angeworbenen Aktivisten der Volksmodjahedin sammeln seit Jahren oft unter Verstoß gegen ihre Aufenthaltsbeschränkungen und ohne Sammlungserlaubnis. Sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland war der NWRI bestrebt, mit einer Vielzahl von Demonstrationen die iranische Führung öffentlich zu diskreditieren, um die weitere Annäherung des Iran an den Westen zu stören und sich selbst als einzige Alternative zum System im Iran zu präsentieren. An den Kundgebungen beteiligten sich auch Sympathisanten des NWRI aus Bayern. 6. Volksbewegung von Kosovo (LPK) Deutschland Bayern Mitglieder: 500 120 Gründung: 1982 im Kosovo Publikation: Zeri i Kosoves (Die Stimme Kosovos) Zu den im Bundesgebiet lebenden Angehörigen der Volksgruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien gehören mehr als 180.000 Albaner aus dem Kosovo. Ein Teil von ihnen schloss sich der LPK an und unterstützte damit die im Heimatland operierende "Befreiungsarmee von Kosovo" (UCK). Mit Beginn der NATO-Luftangriffe auf serbische Ziele am 24. März verstärkte die LPK ihre Aktivitäten und führte bundesweit zahlreiche 162 Ausländerextremismus Hohe Spenden Demonstrationen durch. Große Resonanz fanden ihre Spendenaufrufe, die monatlich mehrere Millionen Mark erbrachten. Viele FreiwilViele Freiwillige lige folgten einem Aufruf der UCK, in den Kosovo zurückzukehren, um an den dortigen Kämpfen teilzunehmen. Nach Beendigung der NATO-Intervention in Jugoslawien fanden keine Informationsveranstaltungen, Mitgliederversammlungen oder Demonstrationen der LPK mehr statt. Die in Bayern noch bestehenden vier Volksund Kreisräte verfügen über etwa 120 Mitglieder. Die politisch aktiven LPK-Anhänger sind in den Kosovo zurückgekehrt, um dort eine Parteifunktion zu übernehmen. Unmittelbar nach dem Abzug der serbischen Einheiten aus dem Kosovo wurde die dortige LPK Anfang Juli auf Betreiben des ehemaligen politischen Führers der UCK Hashim Thaqi in "Partei der Demokratischen Vereinigung" (PBD) umbenannt. Thaqi bildete im Kosovo eine provisorische Regierung. Inzwischen ist die PBD in der "Partei für den Demokratischen Fortschritt Kosovos" (PPDK) aufgegangen, die Mitte Oktober als politische Nachfolgeorganisation der UCK unter dem Vorsitz von Thaqi gegründet wurde. In Deutschland bestehen Reststrukturen der LPK fort, die sich abwartend verhalten. Ein Großteil der in Deutschland und im Ausland lebenden Funktionäre ist mit der Umbenennung der Partei nicht einverstanden und beharrt deshalb auf der Bezeichnung LPK. Ihrer Meinung nach habe die LPK unter diesem Namen den Freiheitskampf gewonnen und müsse nicht aus optischen Gründen in eine "demokratische" Partei umbenannt werden. Ausländerextremismus 163 7. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) 1. Arabische und algerische Gruppen Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) Al Hourriah (Die Freiheit) marxistisch-leninistisch - wöchentlich - Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) Al Hadaf (Das Ziel) marxistisch-leninistisch - wöchentlich - Democratic Palestine - zweimonatlich - Volksfront für die Befreiung Palästinas Ila-Al-Amam (Vorwärts) -Generalkommando(PFLP-GC) - wöchentlich - marxistisch-leninistisch Hizb Allah (Partei Gottes) Al-Ahd (Die Verpflichtung) schiitisch-extremistisch - wöchentlich - Muslimbruderschaft (MB) Risalatul-Ikhwan Zentrale: Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) - wöchentlich - sunnitisch-extremistisch Islamische Heilsfront (FIS) Al Ribat (Das Band) sunnitisch-extremistisch - wöchentlich - Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) Al-Jamaa (Die Gruppe) sunnitisch-extremistisch - monatlich - Al Quital (Die Schlacht) - wöchentlich - Al-Gamaa Al-Islamiya (GI) sunnitisch-extremistisch Jihad Islami (JI) sunnitisch-extremistisch Internationale Islamische Front und Al-Qaeda sunnitisch-extremistisch 164 Ausländerextremismus Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) 2. Iranische Gruppen Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Modjahed (Kämpfer) - unregelmäßig - Freiheit für Iran - monatlich - Schire Khorschid (Löwe und Sonne) - unregelmäßig - Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV) Sitz: Köln islamisch-extremistisch Union islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) Qods (Jerusalem) islamisch-extremistisch - unregelmäßig - 3. Kurdische Gruppen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Serxwebun (Unabhängigkeit) marxistisch-leninistisch - monatlich - (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan-Report - unregelmäßig - Teilorganisationen der PKK: Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Nebenorganisationen der PKK: Kurdistan-Komitee e.V., Köln (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informationsbüro in Deutschland (KIB) (am 02.03.1995 verboten) Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) Ausländerextremismus 165 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) Haus der kurdischen Künstler e.V. (bisher: HUNERKOM) Union der freien Frauen aus Kurdistan (YAJK) Jina Serbilind (Die stolze Frau) - monatlich - Union der Journalisten Kurdistans (YRK) Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) Union zur Pflege der kurdischen Kultur und Kunst (YRWK) Welate Me (Unsere Heimat) Union der Jugendlichen aus Kurdistan (YCK) Sterka Ciwan (Stern der Jugend) - monatlich - Verband der StudentInnen aus Kurdistan (YXK) RONAHI (Licht) - dreimonatlich - Union der Aleviten aus Kurdistan (KAB) Zülfikar - monatlich - Islamische Bewegung Kurdistans (KIH) Baweri (Glaube) Kurdischer Roter Halbmond (HSK) Roja Kurdistane (Sonne Kurdistans) 4. Türkische Gruppen 4.1 Linksextremisten Türkische Kommunistische Partei/ Isci-Köylü Kurtulusu (ArbeiterMarxisten-Leninisten (TKP/ML) Bauern-Befreiung) - monatlich - Partizan-Flügel Partizan (Der Partisan) - monatlich - Halkin Günlügü (Volkstagesordnung) - vierzehntägig - DABK-Flügel Partizan (Der Partisan) (Ostanatolisches Gebietskomitee) - monatlich - Özgür Gelecek (Freie Zukunft) - vierzehntägig - Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) Frontorganisation der TKP/ML 166 Ausländerextremismus Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Basisorganisationen der TKP/ML: Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) Sitz: Duisburg -Partizan-FlügelFöderation der demokratischen Rechte in Deutschland (ADHF) -DABK-FlügelKonföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) Mücadele (Kampf) -Partizan-Flügel- - monatlich - Konföderation der demokratischen Rechte in Europa (ADHK) -DABK-FlügelBolschewistische Partei Nordkurdistan/Türkei Bolsevik Partizan (BP-KK/T) (Bolschewistischer Partisan) (Abspaltung von der TKP/ML) - monatlich - Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) in Deutschland seit 09.02.1983 verboten; nach dem Verbot in zwei Fraktionen (Karatasbzw. Yagan-Flügel) zerfallen Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (DHKP-C) Halk Icin Kurtulus aus dem Karatas-Flügel der Devrimci Sol hervorgegangen; (Befreiung für das Volk) in Deutschland seit 13.08.1998 verboten - wöchentlich - Halkin Sesi Kurtulus (Stimme des Volkes) - wöchentlich - Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP-C Devrimci Sol) Devrimci Cözüm (Revolutionäre aus dem Yagan-Flügel der Devrimci Sol hervorgegangen; Lösung) in Deutschland seit 13.08.1998 verboten - monatlich - Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei Özgür Atilim (Der freie Angriff) (MLKP) - vierzehntägig - Basisorganisation der MLKP: Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V. (AGIF) 4.2 Extreme Nationalisten Föderation der Türkisch-Demokratischen Türk Federasyon Bülteni Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) - monatlich - Sitz: Frankfurt am Main Ausländerextremismus 167 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) 4.3 Islamische Extremisten Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) Publizistisches Sprachrohr: Sitz: Köln Milli Gazete (Nationale Zeitung) - täglich - Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) Ümmet-i Muhammed (Die Gemeinde bisher: Verband der islamischen Vereine und Mohammeds) Gemeinden e.V. (ICCB) - wöchentlich - Sitz: Köln 5. Albanische Gruppen Volksbewegung von Kosovo (LPK) Zeri i Kosoves (Die Stimme Kosovos) linksextremistisch - monatlich - Befreiungsarmee von Kosovo (UCK) 168 6. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) Deutschland Bayern Mitglieder: 5.000 bis 6.000 etwa 2.600 Vorsitzender: David Miscavige Gründung: Los Angeles ("Church of Scientology International", CSI) 1952 Sitz: Los Angeles, USA in Deutschland unselbständige Teilorganisationen z.B. "Scientology Kirche Deutschland e.V." Publikationen: Freiheit, Impact, Ursprung u.a. 1. Zur Geschichte der SO PersönlichkeitsIm Jahre 1950 veröffentlichte der amerikanische Buchautor L. Ron manipulation als Hubbard (1911 bis 1986) in den USA das Buch "Dianetik - Die neue Therapie moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit". Darin stellte er seine "Technologie" zur "Heilung psychosomatischer Krankheiten und geistiger Störungen" vor. In den folgenden Jahren kam es zur Gründung so genannter "Dianetik-Zentren" und schließlich zum Aufbau der SO. Hubbard erklärte sein von ihm entwickeltes Verfahren der Psychomanipulation, das er zusammen mit einer totalitären EtikettenOrganisationslehre und -technik in Form eines Kommandosystems schwindel ("Admintech") entwickelt hat, zwei Jahre später zur Religion und gründete die erste "Kirche". Er hoffte, damit seine Organisation gegen staatliche Eingriffe abzusichern. Seit Jahrzehnten liegt Scientology im Konflikt mit den Rechtsordnungen demokratischer Staaten. Die Vorwürfe lauten z.B. auf Betrug und Wucher gegenüber Kunden, Bedrohung und Nötigung von Kritikern, auf Verschwörung gegen die Regierung, Steuerhinterziehung und BilErmittlungen dung einer kriminellen Vereinigung. Im Jahre 1972 begannen gegen die SO Bundesbehörden in den USA, umfangreiche Untersuchungen gegen Scientology-Organisation 169 Scientology und Hubbard einzuleiten. Die amerikanische Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) ermittelte gegen die SO wegen Steuervergehen. Auch Interpol war mit der SO und ihrer obersten Autorität, Hubbard, befasst. Hubbard antwortete im Jahr 1973 mit der "Operation Snow White" ("Operation Schneewittchen"). Ziel war, kritische Berichte über die SO bei Regierungsbehörden - vor allem in den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland - zu beseitigen. Die SO behauptet zwar, illegale Aktionen im Rahmen dieses Programms seien ohne Billigung von Hubbard durchgeführt worden. Ein maßgeblicher Mitarbeiter widerlegte dies jedoch. Im November 1973 erteilte die damals ranghöchste Scientologin im Angriff auf so genannten Guardian Office, Jane Kemper, im Rahmen der OperaInterpol tion Schneewittchen den Auftrag, alle Interpol-Dokumente in den Besitz der Organisation zu bringen, die sich mit Scientology und L. Ron Hubbard beschäftigen. Im Oktober 1974 gab Jane Kemper - zu dieser Zeit in der Position des "Guardian World-Wide" (weltweiter Sicherheitsbeauftragter) - die Anweisung, die Büros der IRS und die Steuerabteilung des Justizministeriums der Vereinigten Staaten "zu infiltrieren, um alle Akten über Scientology und ihren Gründer L. Ron Hubbard in ihren Besitz zu bringen sowie alle persönlichen Aufzeichnungen von Amtsanwälten, die die Regierung in Sachen Scientology vertreten". Im November 1974 installierten Scientology-Agenten im KonferenzKriminelle raum der Finanzbehörde eine elektronische Abhörvorrichtung. Damit Spionageangriffe wurden Gespräche von Finanzbeamten abgehört, bei denen über auf US-Behörden Steuerangelegenheiten der SO verhandelt wurde. Ebenfalls im November war es den Scientologen gelungen, einen Agenten als Schreibkraft in die Finanzbehörde einzuschleusen. Bereits 14 Tage später hatte dieser Akten beiseite geschafft. Dies war der Anfang eines Massendiebstahls von Behördenakten durch Scientology-Agenten, der sich über das ganze Jahr 1975 erstreckte. Nach der Unterwanderung der Finanzbehörde wurde erneut versucht, in den Besitz der Interpol-Akten über Scientology und Hubbard zu kommen. Der Auftrag verlangte eine Unterwanderung von Regierungsstellen, welche "die Befugnis hatten, Hubbard unter Strafandrohung vorzuladen oder Gerichtsverfahren gegen ihn einzuleiten". Im Februar 1976 war es den Scientologen gelungen, eine Sekretärin in das Justizministerium der USA einzuschleusen. Mitte März 1976 170 Scientology-Organisation brachen die Guardian-Office-Scientologen in den Raum der Finanzbehörde ein, in dem die Materialien zur Fertigung von Ausweisen lagen. Zwei Scientology-Agenten stellten sich selbst offizielle Beglaubigungsschreiben der Finanzbehörde aus. Immer neue Akten gelangten in den nachfolgenden Monaten in die Hände der SO. Der unablässige Schwund von Akten machte schließlich die Behörden aufmerksam. Am 11. Juni 1976 wurden zwei der Top-Agenten auf frischer Tat ertappt. Am 8. Juli 1977 führten daraufhin 134 FBI -"Detectives" in den Scientology-Büros in San Francisco und Los Angeles Hausdurchsuchungen durch. Dabei stellten sie umfangreiches Beweismaterial sicher, darunter die gestohlenen Akten aus den Behörden. Am 26. Oktober 1979 wurden neun hohe Funktionäre der "ScientoVerurteilungen logy-Kirche" von einem amerikanischen Bundesgericht wegen Diebwegen Verschwöstahls und Verschwörung gegen die Regierung verurteilt. Hauptangerung gegen die klagte war die Ehefrau Hubbards, Mary Sue Hubbard. Das BeweisUS-Regierung material zur Überführung Hubbards reichte damals nicht aus. In der Folge kam es zu einem internen Machtkampf. Die geplante Machtübernahme einiger junger Scientologen nahm nunmehr konkrete Züge an. Hubbard war krank und musste sich vor den Behörden verstecken. Hubbards Ende Am 24. Januar 1986 wurde L. Ron Hubbard von der neuen Führungsspitze der Scientology für tot erklärt. Die näheren Umstände von Hubbards Ableben sind ungeklärt. Auch nach dem Tode Hubbards dauerte der Machtkampf um die künftige Führung der SO an. An dessen Ende setzte sich David Miscavige durch. Er führt heute die SO. Steuerbefreiung 1993 erreichte Scientology mit einem Vergleich, von der obersten in den USA amerikanischen Steuerbehörde IRS als gemeinnützig anerkannt zu werden. Nach einem Bericht der "The New York Times" setzte die SO dabei schmutzige Methoden der Einschüchterung und Erpressung ein. Mitarbeiter der IRS wurden bis in die Privatsphäre hinein ausspioniert und zum Teil wegen erfundener Behauptungen mit rund 200 Prozessen überzogen. Die Anleitung für dieses Vorgehen ist in einem Richtlinienbrief Hubbards vom 15. August 1960 über die Ein- Scientology-Organisation 171 richtung eines "Department of Government Affairs" enthalten, der Methoden beschreibt, mit denen Regierungen gefügig gemacht werden sollen. 2. Ideologie und Aktivitäten Die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern stellte am Anhaltspunkte für 5./6. Juni 1997 fest, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsVerfassungsfeindfeindliche Bestrebungen der SO vorliegen. Bei der weiteren Beobachlichkeit tung verdichteten sich die Anhaltspunkte. Sie ergeben sich vor allem aus den Handlungsanleitungen für das so genannte Management, d.h. den Leitungskader, den Äußerungen führender Funktionäre und den weltweiten Aktivitäten der Organisation. Über das Ergebnis der Beobachtung wurden die Innenminister mit Bericht vom 12. Oktober 1998 von den Verfassungsschutzbehörden unterrichtet. Dieser Bericht ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.verfassungsschutz.nrw.de/dokument.htm 2.1 Schriften der SO Analysen einer Vielzahl von Primärmaterialien der SO zeigen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass bei der Organisation politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen vorliegen. Dies folgt aus dem generellen Absolutheitsanspruch der scientologischen Ideologie. Dieser bezieht sich nicht nur darauf, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein, sondern erfasst den Menschen in all seinen persönlichen sowie zwischenmenschlichen und gesellschaftlich-politischen Lebensbereichen, sobald er in das Kontrollsystem der Organisation eingebunden ist. Bereits vom Grundgedanken von Scientology Veränderung der ergeben sich politische Dimensionen daraus, dass mit scientoloGesellschaft mit gischer "Technologie" nicht nur der Einzelne, sondern die gesamten SO-Techniken gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse im Sinn einer grundsätzlichen Neuordnung der Gesellschaft verändert werden sollen. In diesem Sinn wird eine verfassungsfeindliche Wertordnung nicht nur propagiert, sondern eine solche soll als verbindlicher Ordnungsfaktor für Staat und Gesellschaft etabliert werden. Ziel der SO ist es, zur angeblichen Optimierung des Einzelnen und aller sozialen Bereiche Gesellschaft und Staat in ein nach psychound sozialtechnischen Technokratisches Prinzipien (social engineering) zentral gesteuertes Kommandosystem Kommandosystem zu verwandeln. 172 Scientology-Organisation Die SO in Deutschland bekennt sich in ihren neuerlichen Veröffentlichungen ausdrücklich zur Person und der unveränderbaren politischen Programmatik ihres Gründers. Verschiedene programmatische Äußerungen der SO deuten sogar darauf hin, dass sie ihre Ziele kämpferisch-aggressiv verwirklichen will. Von Mitgliedern wurde entsprechend einer Werbebroschüre der International Association of Scientologists (IAS) erwartet, dass sie "die Zerschlagung von Gruppen unterstützen, die den Zweck verfolgen, die Anwendung der ScientoFesthalten an logy-Technologie zu verhindern". Eine Änderung der ideologischen Hubbard Ausrichtung ist nicht erkennbar; vielmehr werden weiter Schriften im genannten Sinn veröffentlicht. Auch wird strikt an den internen Richtlinien und den so genannten "policy letters" festgehalten. 2.1.1 Errichtung einer scientologischen Gesellschaft Politische Bereits in seinem grundlegenden Buch "Dianetik" hatte Hubbard auf Zielsetzung die politische Relevanz und die Reichweite seiner Lehre und Technik hingewiesen. Mit der Entwicklung seiner totalitären "Admintech", die in elf Bänden niedergelegt ist, hat sich Hubbard ein sozialtechnisches Instrumentarium geschaffen, um sich Gruppen zu unterwerfen. Dies zeigt weiter, dass Hubbard mit der Schaffung und der Praktizierung seiner "Technologie" einen politischen Anspruch verfolgte. Es soll eine ausschließlich nach scientologischen Richtlinien funktionierende Welt geschaffen werden. Diese neue "wahre Demokratie" soll an die Stelle der bisherigen Demokratien treten. Alle gesellschaftlichen Probleme sollen dadurch gelöst werden, dass zunächst 10 bis 15 % der politischen Meinungsführer, dann 80 bis 98 % der Bevölkerung "geklärt" werden und die Gesellschaft schließlich nur noch aus den so genannten Nichtaberrierten, den Clears, besteht. Gleichzeitig soll die "Admintech" zur Organisation aller gesellschaftlichen Gruppen und der Regierungen weltweit Verwendung finden. Nach der SO-Schrift "Neue Zivilisation - Reference Pack", erschienen im Jahr 1990, ist Ziel der SO "eine neue Zivilisation". Um dies zu erreichen, sollen Scientologen u.a. "eine Verschwörung kreieren, durch die sich der Machtfaktor immer weiter und weiter ausdehnt". Auch die von der Kopenhagener Europazentrale der SO, dem Continental Liaison Office (CLO), herausgegebene "Sicherheitsbroschüre" enthält Passagen, die auf das politische Ziel der SO hindeuten, weltweit eine nach ihren Vorstellungen gestaltete totale Kontroll-Gesell- Scientology-Organisation 173 schaft zu errichten. Anlass für die Herausgabe dieser Schrift war die Durchsuchung von fünf Vereinsräumen der SO in München am 10. Februar 1998 durch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I. 2.1.2 Lenkung der Regierung durch Scientology Bereits am 20. März 1964 stellte Hubbard in einem Vortrag das Projekt "International City" vor. Hubbard hatte darin u.a. erklärt, Scientology sei nur am Planeten interessiert. Hubbard forderte in seinem Vortrag letztlich, alle derzeit existierenden Hauptstädte der verschiedenen Staaten zugunsten Scientology zu entmachten, die Welt Projekt quasi von seiner Hauptstadt - International City - aus zu regieren: Weltregierung "Wir hatten in letzter Zeit einige Probleme mit Regierungen. Meiner Meinung nach waren sie unverschämt. Sie waren respektlos und ich habe mir das gründlich angesehen und bin zu dem Entschluss gekommen, dass wir das nicht hinnehmen sollten." Im November 1997 wurde die Hubbard-Anweisung vom 13. März 1961 bekannt. Danach soll ein "Department für Behördenangelegenheiten" u.a. "ständigen Druck auf Regierungen ausüben, Druck auf um Gesetzgebung von Gruppen zu verhindern, die der Scientology Regierungen entgegenstehen". Behörden und Gerichte werden von der SO als "Gefahr" gesehen, der man begegnet, indem "immer ausreichend Drohungen gegen sie gesucht oder erfunden werden". Die genannte "Abteilung" hat über den Bereich "Sicherheit" hinaus zudem die wesentliche Aufgabe, die "Clear Deutschland-Kampagne" fortzusetzen. 2.1.3 Einführung eines scientologischen Rechtssystems Eine Ausgabe der SO-Zeitschrift "Freiheit" aus dem Jahr 1997 enthält unkommentiert einen Artikel Hubbards mit der Überschrift "Ehrliche Menschen haben auch Rechte". Dieser befasst sich mit der Bedeutung der Rechte des Beschuldigten oder Angeklagten im Strafverfahren und der Rechtsfähigkeit des Einzelnen aus der Perspektive der SO. Der Beschuldigte oder Angeklagte soll sich im Strafverfahren zu seiner Verteidigung nicht auf Rechte berufen dürfen. Vielmehr wird der Rechte nur Kreis der Rechtsträger auf die "Ehrlichen" beschränkt, also nur auf für "ehrliche" diejenigen, die sich der SO verschrieben haben. Nur ihnen räumt man Menschen 174 Scientology-Organisation letztlich eine Existenzberechtigung ein. Die nur eingeschränkte Geltung aller Rechte, also auch der Grundbzw. Menschenrechte, gehört zu den von Hubbard aufgestellten programmatischen Standardforderungen für die von ihm und der SO angestrebte "Zivilisation". Die Beschränkung der Rechtsfähigkeit auf die "Ehrlichen" ist auch in der Ausgabe 75/1997 der Zeitschrift "Impact" als Ziel der IAS für das Jahr 1998 aufgeführt. Es heißt dort unter der Überschrift "Die Ziele der IAS für 1998": "Der Zweck der IAS ist es, die Scientology-Religion und Scientologen in allen Teilen der Welt zu vereinigen, damit die Ziele, wie L. Ron Hubbard sie aufgestellt hat, erreicht werden: 'Eine Zivilisation, in der die Fähigen erfolgreich sein und ehrliche Wesen Rechte haben können', ..." "Handbuch des Im bereits 1959 erschienenen "Handbuch des Rechts" äußert sich Rechts" L. Ron Hubbard zur Funktion des scientologischen Rechtssystems. Es enthält verschiedene Passagen mit tatsächlichen Anhaltspunkten für das Ziel der SO, eine Gewaltund Willkürherrschaft zu errichten. Danach wird es im scientologischen Gesellschaftssystem keine Menschenund Grundrechte mehr geben, wie sie im Grundgesetz definiert sind. Im scientologischen Rechtssystem sind auch keine unabhängigen Gerichte vorgesehen. Vielmehr erforscht ein nicht an Recht und Gesetz gebundener Nachrichtendienst (vgl. auch Nummer 3.2.4 dieses Abschnitts) Sachverhalte und ergreift Maßnahmen. 2.1.4 Bekämpfung von Kritik an Lehre und Praxis/ aggressive Expansionstechnik Totale DiszipliIn einem Grundlagenwerk von Hubbard fordert dieser "totale Diszipnierung der lin". Um die Macht zu behalten, so offenbar der Gedanke von HubAnhänger bard in seinem Werk "Einführung in die Ethik der Scientology", müsse man kaltblütig, skrupellos, hemmungslos, gegebenenfalls auch heimtückisch, hinterlistig und mit Gewalt gegen die eigenen Feinde vorgehen, ansonsten würde man die Macht verlieren. Die im "Handbuch des Rechts" empfohlenen Operationen zur "Abwehr" von "Unterdrückern" lassen erkennen, dass die SO gewillt ist, die im Grundgesetz konkretisierten Grundrechte abzuschaffen oder hinsichtlich ihres Schutzbereichs verfassungswidrig einzuschränken und dadurch eine totale, das heißt eine nicht durch Gesetz und Recht im Sinn des Grundgesetzes begrenzte Kontrolle des Einzelnen durch die SO zu erreichen. Scientology-Organisation 175 Ein HCO-Richtlinienbrief vom 11. Mai 1971, der noch aktuell als Anweisungen Schulungsunterlage Verwendung findet, enthält u.a. Anweisungen zu subversiven für Scientologen, durch so genannte Schwarze Propaganda "den Ruf Aktionen von Personen und Gruppen zu vernichten". Zusätzlich enthält er Anweisungen, wie im Fall eines größeren Widerstands bei der Durchsetzung von Zielen der SO zu verfahren ist: "Wenn Geld und Gewalt regieren und Meinungsführer nicht beachtet werden, wenn sich im Management oder in der Regierung spezielle Privilegien einschleichen, sind Protest-PR, Streiks und Demonstrationen das Werkzeug, das man verwendet. Wenn das nicht funktioniert oder wenn sie unterdrückt wird (Anm.: werden), ereignen sich subversive Aktionen, allgemeine nachrichtendienstliche Aktionen, Schwarze Propaganda und andere Übel." 2.1.4.1 Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung Durch effiziente Techniken der Verhaltenskontrolle und -steuerung, der "Technologie", werden die Mitarbeiter in manipulativer Weise unter ständigen Verhaltenszwang gesetzt, um nach dem internen Sprachgebrauch des Managements wie "Maschinen" zu "produzieFabrikation der ren", d.h. neue Kunden zu werben und zu Anhängern des Systems Mensch-Maschine zu machen. Ziel ist es dabei, aus den als "rohes Fleisch" bezeichneten Kunden "Produktionsmaschinen" für die Werbung und Bearbeitung neuer Kunden zu "produzieren". Die Mitarbeiter unterwerfen sich diesem zynischen Reglement, weil sie aus dem engmaschigen, repressiven Kontrollsystem nur schwer ausbrechen können. Hinzu kommt, dass die meisten Mitarbeiter nach weiteren Trainings süchtig geworden sind. Der Leistungsdruck des Systems auf die Mitarbeiter ist dabei so stark, dass sie sich dem technokratischen Regelwerk der "Admintech" und den Befehlen ihrer Vorgesetzten auch unter Inkaufnahme der Verletzung staatlicher und strafbewehrter Normen ohne Widerspruch fügen. 2.1.4.2 Kritikerbekämpfung mit Methoden des Mobbings Personen, die berechtigte Kritik üben, sollen mit schikanösen Mobbingattacken als "Feinde" bekämpft werden. Ziel ist es dabei, die Kritiker mundtot zu machen, um die Expansion des Systems ungestört 176 Scientology-Organisation Psychofoltervorantreiben zu können. Gegen Kritiker wird wegen ihrer Gegnermethoden schaft zur SO deshalb "lautstark" oder verdeckt mit geheimdiensttotalitärer lichen Methoden diktatorischer Staaten ermittelt. Sie werden angeGeheimdienste zeigt, diffamiert, öffentlich bloßgestellt und verklagt, bisweilen bedroht, belästigt und zur Zermürbung auch psychisch gequält. In den USA scheuen sich daher manche Medien bereits, offen gegen Scientology Stellung zu nehmen. Anleitung zur Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg berichAusforschung tete über folgende Anweisung zur Ausforschung: "1. Mach dir eine Liste von allen Stellen, die evtl. für uns wichtige Informationen haben oder verbreiten ... 2. Fange an, regelmäßig dort Publikationen zu bestellen oder Scientologen, die sie bereits erhalten haben, dazu zu kriegen, sie für dich auszuwerten ... 4. Stürze dich auf den Lebenslauf von ... und ... Finde heraus, was sie in der Vergangenheit gearbeitet und veröffentlicht haben. 5. Berichte mir regelmäßig über den Fortschritt in o. e. Gebieten ..." Aus einem weiteren Schreiben der SO gehe eindeutig hervor, dass Ermittlungen über SO-Kritiker auch im Bereich von Schule und Jugendarbeit geführt werden sollten: "Nur wirklich echte Scientologen dann nach Lehrern und Schülern des ... Gymnasiums befragen. 3. Herrn ... noch einmal aufsuchen und mit ihm zusammen ... befragen; ... gibt sich dabei als ehemaliger Schüler von (Name der Zielperson) aus und erwähnt ein Verhältnis zu Mitschülerinnen. 4. Wer war Mitglied in der ev. Jugendgruppe in ... Liste von Namen bekommen." Dabei sollte die Ausforschung nicht nur die Zielperson betreffen, sondern sich auch gegen unbeteiligte Familienmitglieder richten, wie dasselbe Schriftstück belege: "6. Wo geht der Sohn von ... in die Schule? 7. Was macht er am Nachmittag - wer passt auf ihn auf? Ist er zuhause oder wo?" Zur Abklärung eines SO-Kritikers erging die schriftliche Anweisung: "DBC Dienstag früh 5 Uhr". DBC steht für "Dust Bin Collection". Dies bedeutet die Durchsuchung des Abfalls von Zielpersonen nach gegen sie verwertbarem Material. Ein vorliegender Erfahrungsbericht über eine solche "Mülleimeraktion" beschreibt die Vorgehensweise der Durchsuchung des Papierabfalls, wobei sich die agierenden Personen als "Müllmänner" tarnten. Scientology-Organisation 177 2.2 Aktivitäten der SO 2.2.1 Angriffe auf Repräsentanten des Staats Alle Aktivitäten der SO sind auf die Expansion der Organisation ausgelegt. In diesem Zusammenhang sind auch Maßnahmen der Kritikerbekämpfung zu sehen. Kritiker sind alle Personen und Institutionen, die den Zielen der SO nicht zustimmen und ihrer Ausbreitung entgegenstehen. Für deren "Handhabung" gibt es detaillierte Anweisungen, wie zu verfahren ist. Aus diesem Grund verunglimpft, beschimpft und verleumdet die SO Verunglimpfung seit mehreren Jahren Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschvon Politikern land. Darüber hinaus richten sich Verunglimpfungen auch gegen die Verfassungsordnung in Deutschland selbst. Sie wird - ähnlich wie in der Propaganda der früheren KPD - mit derjenigen des nationalsozialistischen Deutschlands gleichgesetzt. Eine Anfang 1998 erschienene Ausgabe der "Freiheit" enthält ArtiAngriffe gegen kel, die das Bestreben der SO sichtbar machen, Werturteile und Sachdie Verfassungsverhalte zu verbreiten, aus denen sich die Verwerflichkeit der in ordnung Deutschland bestehenden Verfassungsordnung ergeben soll. Deutschland wird als Polizeistaat beschrieben, der systematisch die Religionsausübung unterdrücke. Die SO veröffentlichte des Weiteren unter der Überschrift "Religiöse Apartheid: 1997/Teil 2 - Bericht über die fortgesetzte Unterdrückung von Grundrechten religiöser Minderheiten durch deutsche Behörden und Regierungsstellen" eine Schrift, die eine systematische staatliche Unterdrückung der Scientologen in Deutschland behauptet. Schließlich publizierte die SO im Internet in englischer Sprache unter der Bezeichnung "About Scientology Hatewatch, The Homepage, Hatewatch Germany 1997" Informationen über die angebliche Diskriminierung der Scientologen in Deutschland durch Zwangsund Willkürmaßnahmen, die insbesondere der nationalsozialistischen Judenverfolgung gleichen sollen. Die Verunglimpfung gipfelte in einem Schreiben des OSA vom November 1999 an alle Innenminister und Leiter der Verfassungsschutzbehörden. Darin wird dem Bayerischen Staatsminister des Innern "zweckpolitisches Handeln" vorgeworfen, weil er seine Warnungen vor Scientology sogar auf die Aussagen "eines drogenabhängigen und kriminellen Aussteigers" stütze. Damit soll der Ein- 178 Scientology-Organisation druck erweckt werden, der Staat verwende auch unrichtige Aussagen, wenn sie nur den eigenen Standpunkt stützten. 2.2.2 Aktivitäten im Ausland Frankreich In Frankreich sind nach Presseberichten vom Oktober 1998 in einem Gerichtsverfahren gegen die SO Hunderte von Gerichtsdokumenten aus dem Justizpalast verschwunden. In diesem Zusammenhang sieht sich die SO Vorwürfen der Unterwanderung des Rechtssystems ausgesetzt. Im Zusammenhang mit dem erneuten Verschwinden von diesmal 3,5 Tonnen Gerichtsakten vor einem Strafprozess gegen SO-Verantwortliche in Marseille im September 1999 wurden die Vorwürfe gegen die SO wegen Unterwanderung des Rechtssystems öffentlich wiederholt. Der Prozess endete mit einer Verurteilung von fünf Verantwortlichen der SO zu Haftstrafen wegen Betrugs. Zwei Angeklagte wurden freigesprochen. Belgien In Belgien kam es im September 1999 im Zusammenhang mit Ermittlungen der Behörden gegen SO-Verantwortliche u.a. wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und des Vorwurfs der organisierten Kriminalität zu umfangreichen Durchsuchungen in SO-Objekten. Die Ermittlungen dauern an. Schweiz In der Schweiz hat die Konsultative Staatsschutzkommission im Juli 1998 einen Bericht über Scientology in der Schweiz erstellt. Der Bericht bezeichnet die SO als hybride Gruppe mit Zügen, die ideologisch an totalitäre Systeme erinnern. Der SO wird bescheinigt, nachrichtendienstliche Aktivitäten - auch in der Schweiz - zu betreiben. Diese können bis zu dem Versuch gehen, Dienststellen des Staats zu infiltrieren. Österreich In Österreich wurde der für die SO zuständige Familienminister nach Presseberichten von einem SO-Verantwortlichen mit der Aufdeckung angeblich belastender Details aus dem Betrieb seiner Privatfirma bedroht. Im Jahre 1999 wurde bekannt, dass an führender Stelle bei der Telecom Austria in Wien ein hochtrainierter Scientologe sitzt. Der Mann hatte Zugang zum Behördennetz Österreichs und war über die staatlichen Telefonüberwachungsmaßnahmen in Österreich informiert. Großbritannien In Großbritannien wurde der SO im Dezember die Anerkennung als Wohltätigkeitsorganisation verweigert. Die Entscheidung stellt ausdrücklich fest, dass die SO keine Religionsgemeinschaft im Sinn der einschlägigen Vorschriften ist und nicht zum Wohl der Allgemeinheit gegründet wurde. Scientology-Organisation 179 Bei der Expansion der SO in Osteuropa spielt München eine bedeutende Rolle. In der Org München wird eine Vielzahl Osteuropäer durch Kurse ausgebildet. Dies gilt insbesondere für Ungarn. Über deutsche Firmen mit Niederlassungen in Osteuropa wurde bekannt, dass scientologische Beratungsunternehmen Verwaltungstechnologie nach Hubbard in die Unternehmen transportieren und so über die Vertriebsniederlassungen Zugang in die deutschen Hauptunternehmen erhalten. Nach Presseberichten sollen in Russland weit über Russland fünfzig Firmen, Banken und Kombinate Mitglied der scientologischen Wirtschaftsorganisation WISE geworden sein, darunter auch Rüstungsbetriebe. Dazu kämen noch Direktoren und Manager von 28 staatlichen oder halbstaatlichen Firmen mit Zehntausenden von Mitarbeitern. Auch soll Scientology Kontakte in die politische Führungsebene haben. So berichtete die Presse, im Jahr 1999 sei ein Mitglied der SO-Vereinigung Citizens Commission on Human Rights (CCHR) als neue Justitiarin der Stadt Moskau bestellt worden. 2.2.3 Kampagne gegen Schutzerklärung Über das Deutsche Büro für Menschenrechte der "Scientology Kirche Deutschland e.V." setzte die SO ihre 1997 begonnene Kampagne gegen die Verwendung von Schutzerklärungen durch deutsche Unternehmen und öffentliche Stellen auch 1999 fort. Mit den Schutzerklärungen gegenüber Mitarbeitern und Drittfirmen wollen sich Unternehmen und öffentliche Stellen gegen mögliche Einflussnahmeund Ausforschungsversuche von Scientologen schützen. Bemerkenswert ist, dass auch mutmaßliche Tarnorganisationen der SO wie das Oslo International Peace Commitee und die Alliance for Liberty and Rights of Minorities (ALARM) in die Kampagne eingebunden werden. Offenbar räumt die SO dem Ziel, die Verwendung von Schutzerklärungen in der Wirtschaft zu unterbinden, hohe Priorität ein. In einzelnen Fällen hatte sie damit Erfolg, z.B. bei Unternehmen, die zu US-Konzernen gehören. 2.3 Bewertung der Schriften und Aktivitäten Die zitierten Texte und Aktivitäten stellen tatsächliche Anhaltspunkte Ziel: Abschaffung dafür dar, dass die SO die bestehende demokratische und rechtsder freiheitlichen staatliche Ordnung durch die Etablierung einer Gesellschaft mit sciendemokratischen tologisch bestimmten Normen ersetzen will. Die aufgeführten HinGrundordnung weise deuten auch auf die Absicht der SO hin, lenkenden Einfluss auf 180 Scientology-Organisation Regierungen auszuüben. Als Ziel erscheinen nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Staaten, ihre Rechtssysteme und Regierungen. Die scientologische Gesellschaft ist auf die Beseitigung des in Art. 3 Grundgesetz konkretisierten Gleichheitsgrundsatzes, die Abschaffung der universalen Geltung der Menschenrechte, der Unabhängigkeit der Gerichte und der Meinungsfreiheit gerichtet. Der unverhüllte Absolutheitsanspruch der SO ist von Gleichschaltung und Unterdrückung geprägt. Meinungsfreiheit wird nur insoweit gewährt, als die "Leute dem Weg der SO folgen". Die SO bestreitet dagegen, die freiheitliche demokratische Grundordnung abschaffen zu wollen. Sie behauptet vielmehr, sie zu respektieren, und negiert jegliche politische Motivation für ihr Expansionsstreben. Sie betont, ihr gehe es vielmehr um die "Erlösung" des einzelnen Menschen. Zwar treten die einfachen Mitglieder nicht aus politischen Motiven der SO bei und bewerten Schriften mit gesellschaftsverändernden Absichten der SO ebenfalls wohl nicht als Äußerungen mit politischem Gehalt. Sie werden jedoch zu völligem Gehorsam gegenüber dem System trainiert und auf das Ziel eingeschworen, durch Verbreitung von Scientology die "Welt zu retten". Damit werden auch zunächst unpolitische Mitglieder in den Dienst der verfassungsfeindlichen scientologischen Ideologie gestellt. Umsetzung der Die SO will ihre extremistischen Ziele nicht über die Teilnahme an verfassungsfeindWahlen durchsetzen. Die Umgestaltung der Gesellschaft soll vielmehr lichen Ziele über eine durch detaillierte Vorgaben genau festgelegte Veränderung des Menschen - als "Befreiung" bezeichnet - erreicht werden. Wenn alle nach scientologischer Technologie verfahren und sich so in ihrem Willen dem System unterwerfen, werde die scientologische Gesellschaft entstehen. Zu ihrer Entstehung wird durch Werbefeldzüge, aggressive Anwerbungen und aktive Kritikerbekämpfung nach innen und außen unmittelbar angesetzt. Die scientologische Gesellschaft wird nach Aussagen von Insidern in übergeordneten Organisationen von der SO bereits in Planspielen skizziert. 3. Organisationsund Kommandostruktur der SO Ausländische 3.1 Weltweite Kommandostruktur der SO Vereinigung mit unselbständigen Die Einrichtungen der SO in Deutschland erscheinen zwar nach auTeilorganisationen ßen als rechtlich selbständig, sind jedoch der strikten Befehlsund Scientology-Organisation 181 Religious The Command Chart of SCIENTOLOGY Technology - Die Kommandostruktur der Scientology-Organisation - Center (RTC) WATCHDOG COMMITTEE (WDC) [Überwachungsausschuß] C Z E E Reserven OSA Programme Flag Ship Flag Sea Org Scientology Celebrity Scientology WISE ABLE Golden Era Verlags- N N Rücklagen Büro für DienstDienstDienstOrganisaCentres Missionen Weltinstitut für Gesellschaft Productions organisation T T Spezielle leistungsleistungsleistungstionen V.I.P. Zentren International Scientologyfür besseres Audiovisuelle R R Angeleorganisation organisation organisation Unternehmen Leben und Medien und A A genheiten Bildung Tonträger L L C C O O CMO INT Int Leitender - Direktor - International M M Commodore's Messenger Finance Office - Ebene der leitenden Mitarbeiter - Golden Era P P Organization International (IFO) - Vorstand des Internationalen Managements - Productions U U T T CMO GOLD E E R R / K O O R D I N I E R U N G D U R C H D E N Ü B E R WA C H U N G S A U S S C H U S S / V O R S TA N D D E S I N T E R N AT I O N A L E N M A N A G E M E N T S / D A B T CMO IXU - Flag-Netzwerk Koordinierungsausschuß, geleitet durch das Flag-Befehlsbüro - A E N N FLAG COMMAND BUREAUX (FCB) K B NETWORKS FLAG BUREAUX SCIENTOLOGY MISSIONS WORLD INSTITUTE OF ASSOCIATION FOR BETTER BRIDGE PUBLICATIONS A (FB) INTERNATIONAL SCIENTOLOGY ENTERPRILIVING AND EDUCATION INCORPORATED (BPI) N K (SMI INT) SES INTERNATIONAL INTERNATIONAL (Verlagshaus) (WISE INT) (ABLE INT) NEW ERA PUBLICATIONS CMO FSSO FSO CC INT C O N T I N E N TA L N E T W O R K C O O R D I N AT I O N C O M M I T T E E H E A D E D B Y C O - C O N T I N E N TA L L I A I S O N O F F I C E CONT C O N T I N E N TA L L I A I S O N O F F I C E ( C L O ) Flag Ship Flag Celebrity Service Service Centre NETWORKS FLAG SCIENTOLOGY MISSIONS WORLD INSTITUTE OF ASSOCIATION FOR CONTINENTAL Org OPERATIONS LIAISON INTERNATIONAL SCIENTOLOGY ENTERBETTER LIVING AND PUBLICATIONS LIAISON Org International OFFICE CONTINENTAL PRISES CONTINENTAL EDUCATION CONTINENTAL OFFICE (CPLO) (Kontinentales Verbindungsbüro für (FOLO) (SMI CONT) (WISE CONT) (ABLE CONT) Publikationen) Executiv Council Executiv Council Executiv Council Aufsichtsrat Aufsichtsrat Aufsichtsrat FIELD GROUPS MISSIONS WISE SOCIAL CELEBRITY SEA ORG - Feldauditoren CHARTER REFORM CENTRE SERVICE CLASS IV - Dianetikgruppen COMMITTEES ACTIVITIES ORGANIZATIONS ORGANIZATIONS ORGANIZATIONS - OT-Komitees - GUNG HO & MEMBERS Hinweise zum besseren Verständnis des Organigramms: Das RTC ist als selbständige Kontrollstelle konzipiert und nicht in das so genannte Internationale Management eingegliedert. Dennoch handelt es sich beim RTC um die Befehlszentrale der SO. Das WDC leitet über die "Führungskanäle" das Management. Ein Führungskanal stellt die Verbindung dar, über die die internationalen Scientology-Organisationen Autorität ausüben. Es ist ein Befehlsweg, durch den Programme, Empfehlungen und Managementbefehle zu den Stellen fließen, die mit der Durchführung beauftragt sind. Auf den "Beobachtungsund Durchsetzungslinien" überwacht als verlängerter Arm des WDC die CMO mit ihren den verschiedenen Managementebenen zugeordneten Einheiten CMO INT, CMO GOLD, CMO IXU und CMO CONT die Erfüllung der vom WDC dem Management gegebenen Befehle. Eine Beobachtungsund Durchsetzungslinie stellt die Verbindung dar, die von den CMO-Einheiten benutzt wird, um die Befolgung von Befehlen des Überwachungsausschusses (WDC) durchzusetzen und zu kontrollieren. Netzwerk der LRH-Kommunikatoren: * Oberstes HCO Netzwerk (HCO=Hubbard Kommunikationsbüro) (LRH=L. Ron Hubbard) * Bewahrer der Technologie und Richtlinienkenntnis Netzwerk * Oberstes Netzwerk der Qualifikationsabteilungen und der Internationalen Ausbildungsorganisation Finanznetzwerk: * Finanz Durchsetzungsbeauftragter Netzwerk * Flag Finanzbeauftragter Netzwerk (FBO=Flag Banking Officer) Unter-Netzwerke: Stellvertreter FBO-Netzwerk für M.O.R.E. * Netzwerk der Hauseigentümer Büro für Spezielle Angelegenheiten Netzwerk (OSA) Es handelt sich um selbständige Scientology-Gruppen, die nicht in den Konzern eingegliedert sind. Verbindungen zum Konzern bestehen über Kommissionsund Franchising-Verträge. Anmerkung: Das Organigramm wurde erstellt nach Renate Hartwig "Scientology. Das Komplott und die Kumpane", 1995, sowie nach Originalvorlagen der SO. 182 Scientology-Organisation Disziplinargewalt des Internationalen Managements in den USA unterworfen und sind daher unselbständige Teile. Das Religious Technology Center (RTC) hat die oberste Befehlsgewalt in der SO. Unterhalb des RTC ist das Internationale Management der SO angesiedelt. Dieses stellt nach dem RTC die höchste Führungsebene der SO dar und ist dafür verantwortlich, für jeden Sektor der SO Strategien und taktische Pläne zu entwickeln. Hier wird auch die Führung der verschiedenen Sektoren koordiniert. Derartige Sektoren sind u.a. die Bereiche "Church", "WISE", "ABLE" und "OSA". Das Internationale Management besteht demzufolge aus mehreren Gruppen, von denen jede eine ganz bestimmte Verantwortung trägt. Die oberste Stufe dieser Führungsebene ist das Watch Dog Committee (WDC). Hierbei handelt es sich um eine "Inspektionsund Überwachungsorganisation", welche die eigentlichen Management-Gruppen inspiziert und für deren Funktionieren sorgen soll. 3.2 Organisation der SO in Deutschland 3.2.1 "Scientology Kirchen" (Church-Sektor) Derzeit existieren im Bundesgebiet zehn "Kirchen" (Orgs) und "Celebrity Centres" (CC), und zwar zwei Einrichtungen in München (eine Org, ein CC), je zwei Einrichtungen in Düsseldorf (eine Org, ein CC) und Hamburg (eine Org, ein CC) sowie jeweils eine Org in Berlin, Stuttgart, Frankfurt am Main und Hannover. Außerdem gibt es in Deutschland insgesamt elf "Missionen", sechs in Baden-Württemberg, zwei in Bayern (München und Nürnberg) sowie jeweils eine in Sachsen, Bremen und Hessen. Die genannten Einrichtungen der SO sind in Deutschland überwiegend als eingetragene Vereine organisiert. Als Dachverband fungiert Scheinselbdie "Scientology Kirche Deutschland e.V.". Diese Vereine sind jedoch ständigkeit der nur scheinbar selbständig; sie haben im weltweiten, aus den USA Teilorganisationen gesteuerten System kaum eigenständige Funktionen. Faktisch erfolgt die Leitung der SO-Einrichtungen nicht durch die jeweiligen Vereinsvorstände, sondern durch die Executive Directors und die sonstigen Funktionsinhaber nach detaillierten schriftlichen Anweisungen und Vorgaben des Internationalen Managements in den USA über die jeweiligen Verbindungsstellen. Dies zeigt sich u.a. daran, dass Mitglieder der Eliteorganisation Sea-Org aus den USA und dem Kontinentalen Verbindungsbüro in Kopenhagen in deutsche Einrichtungen Scientology-Organisation 183 der SO abgeordnet wurden, um dort Befehle zu erteilen und für die richtige "Handhabung" der scientologischen Technologie zu sorgen. Die "Scientology Kirchen" (Orgs) und "Missionen" bieten Dianetik, Auditing und Ausbildung auf einer grundlegenden und einer mittleren Ebene an. "Celebrity Centres" offerieren Dienste für Künstler und Persönlichkeiten des Sports und der Geschäftswelt. In den Einrichtungen werden Mitglieder geworben und Leistungen (Kurse, Auditing) und Waren (Bücher) verkauft. Nachdem im Jahr 1998 ein deutlicher Umsatzrückgang zu verzeichnen war, scheinen sich die Umsätze der Org München wieder zu stabilisieren bzw. sich geringfügig nach oben zu entwickeln. 3.2.2 WISE-Sektor Das World Institute of Scientology Enterprises (WISE) wurde 1979 von Vereinigung mit der SO gegründet. Es besteht aus Geschäftsleuten oder Firmen aus wirtschaftlicher allen Bereichen der Wirtschaft. Nach der SO-eigenen WISE-Liste von und politischer 1991 handelte es sich bei WISE noch um eine "MitgliederorganisaAusrichtung tion von Geschäftsleuten, die die LRH-Verwaltungstechnologie anwenden". In der WISE-Liste von 1999 wird WISE nun als "gemeinnützige religiöse Mitgliederorganisation" dargestellt. Der Grund für diese auf eine Täuschung des Rechtsverkehrs abzielende Umetikettierung dürfte darin liegen, die 1993 im Vergleich mit der IRS (vgl. auch Nummer 1 letzter Absatz dieses Abschnitts) eingegangene Verpflichtung zu unterlaufen, WISE als Profitorganisation aufzulösen. Hauptangriffsziele in Deutschland und Bayern sind die Immobilienbranche und die Unternehmens-, Führungsund Personalberatung. Zweck von WISE ist, Geld für die SO zu beschaffen und Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Ersteres geschieht vorrangig durch Lizenzabgaben in Höhe von etwa 15 % bis 20 % des Umsatzes. Einfluss auf die Gesellschaft soll mit der Weiterverbreitung der Technologie genommen werden. Damit kommt WISE auch eine führende politische Bedeutung zu. Mit der Einführung der Hubbard'schen Technologie geht einher, dass im Rahmen der Unternehmenssteuerung rigide Führungsmechanismen in das Unternehmen eingebracht werden, die zu umfassender Kontrolle der 184 Scientology-Organisation Mitarbeiter sowie zur Kontrolle des Gesamtunternehmens durch die SO führen können. Ein bayerischer Unternehmer musste dies in seiner ungarischen Niederlassung erfahren, nachdem sein Niederlassungsleiter scientologisch geschult worden war. Über alle Mitarbeiter wurden so genannte "Ethik-Akten" geführt. Nach Presseberichten hat der Mitarbeiter täglich einer der scientologischen Beratungsfirmen, in denen er geschult worden war, Firmen-Interna weitergegeben. In Bayern scheinen die WISE-Aktivitäten nicht sehr ausgeprägt zu sein. Federführend für WISE in Bayern ist ein Starnberger Unternehmer. Unternehmen, die scientologisch geführt werden oder bei denen an zentralen Stellen Scientologen beschäftigt sind, müssen nicht WISE-Mitglied sein. Die Gefährdungslage kann jedoch auch hier in gleicher Weise bestehen, wenn die totalitäre Hubbard-Verwaltungstechnologie dort Einzug gehalten hat. 3.2.3 ABLE-Sektor Unterwanderung Die Association for better Living and Education (ABLE) versucht, für des Sozialbereichs die SO den sozialen Bereich der Gesellschaft zu durchdringen und scientologische Lösungsansätze zu realisieren. Zu den dem ABLE-Bereich zuzuordnenden Organisationen gehören - die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM), - das "Zentrum für individuelles und effektives Lernen" (ZIEL), - "Applied Scholastics" (Ausbildungsprogramm; u.a. Englisch-Fernkurse), - "Mitbürger unterstützen Toleranz - Initiative zur Wahrung der Menschenrechte in Deutschland" (MUT), - "NARCONON", eine angebliche Drogenrehabilitationsstätte, - "CRIMINON", ein Programm zur angeblichen Strafgefangenenrehabilitation, - "Freedom for Religions in Germany" (FRG). Scientology-Organisation 185 Mit diesen Organisationen versucht die SO, sich als humanitäre, karitative und sozial verantwortliche Organisation darzustellen. Die Auswahl von Ausbildung, Gefangenenund Drogenrehabilitation als weiteren Schwerpunkten lässt den Schluss zu, dass die gerade bei diesen Personengruppen gegebene Möglichkeit der leichteren Einflussnahme benutzt wird, um diese für die SO zu werben. Das Engagement im Bereich angeblicher Menschenrechtsverletzungen durch feindliche Staaten und ihre Behörden ist wesentlicher Bestandteil der Expansionsbemühungen. Der von Hubbard betriebene Kampf gegen die Psychiater als "Quelle allen Übels in der Welt" gehört mit zu den Hauptaktivitäten in diesem Bereich. 3.2.4 Office of Special Affairs (OSA) Die SO selbst stellt ihre OSA-Einrichtung für Deutschland mit Sitz in München als Büro für öffentliche Angelegenheiten oder als Presseund Rechtsamt dar. Es handelt sich dabei jedoch um die Nachfolgeorganisation einer bereits in den 60er Jahren aufgebauten Abteilung, die nach eigenem Selbstverständnis u.a. Nachrichtendienstund Spionagefunktionen hatte. Zahlreiche Grundlagenpapiere für den damaligen SO-Dienst Guardian Office (GO), z.B. für nachrichtendienstliche Schulung, wurden für den neuen Dienst als OSA-Network Orders übernommen. Im Gegensatz zur rigiden und direkten Vorgehensweise des GO, die in der Vergangenheit zu einem internationalen Ansehensverlust der SO geführt hat, operiert das OSA heute Geheimdienst erkennbar vorsichtiger, ohne seine Ziele im Wesentlichen geändert zu der SO haben. Vereinzelt konnten als Reaktion auf die Beobachtung der SO durch den Verfassungsschutz von OSA veranlasste "Verschärfungen" der Sicherheitsbestimmungen und -maßnahmen in und an den SO-Einrichtungen festgestellt werden. Einzelne OSA-Angehörige wurden dabei beobachtet, wie sie Methoden (z.B. Gegenobservation oder sonstiges konspiratives Verhalten) anwendeten, die offenbar durch spezielle nachrichtendienstliche Schulung vermittelt werden. Schließlich wurden Personen des öffentlichen Lebens, die der SO kritisch gegenüberstehen, abgeklärt und die über sie gewonnenen angeblichen Erkenntnisse in Sonderausgaben von SO-Publikationen veröffentlicht mit dem Ziel, ihren Ruf zu beschädigen. Diese Vorgehensweise wird von der SO als "Schwarze Propaganda" bezeichnet. 186 Scientology-Organisation 4. Mitglieder der SO Die SO hat bundesweit zwischen 5.000 und 6.000 Mitglieder, wobei die Organisation selbst eine deutlich höhere Zahl angibt. Der Anstieg der Mitgliederzahl in Bayern im Vergleich zum Vorjahr auf nunmehr etwa 2.600 beruht nicht auf einer Expansion der SO, sondern auf einem verbesserten Erkenntnisstand. Als Mitglieder werden solche Personen verstanden, die ihre Mitgliedschaft in einem SO-Verein oder einer sonstigen SO-Gliederung, z.B. im WISEoder ABLE-Bereich, schriftlich erklärt haben oder durch die Belegung von Kursen in einem Verein ihre Mitgliedschaft verdeutlichen. 5. Veranstaltungen der SO 5.1 IAS-Event in München AufklärungsAm 26. und 27. Februar fand in München eine Veranstaltung der IAS kongress mit dem Titel "Münchener Freiheit Kongress - der Wendepunkt für das nächste Jahrtausend" statt, an dem zeitweise über 500 Scientologen teilnahmen. Der international bekannte IAS-Vertreter und Präsident der Foundation for Religious Tolerance, Andrik Shapers, äußerte sich auch über die Situation in Deutschland aus der Sicht der SO und kritisierte das Vorgehen gegen die SO. Im weiteren Verlauf der Rede verglich er die gegen die SO ergriffenen staatlichen Maßnahmen mit der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Mit der im Herbst 1998 veröffentlichten Sonderausgabe der Publikation "Freiheit" habe die SO einen neuen Weg zu einer besseren Gesellschaft aufgezeigt. 5.2 Ausstellung "Was ist Scientology?" Im ersten Halbjahr organisierte die SO eine Wanderausstellung in den Städten Stuttgart, Frankfurt am Main, München und Hamburg, um sich als Religion darzustellen. In München fand die Ausstellung vom 5. bis 16. März zunächst in einem Hotel, dann in der Org München statt. Trotz des großen Aufwands war die Werbewirksamkeit nur mäßig. 5.3 Marathonlauf für Religionsfreiheit Wie schon 1998 veranstaltete das Bündnis Freedom for Religions in Germany (FRG) einen europaweiten "Marathonlauf für Religionsfrei- Scientology-Organisation 187 heit", der am 22. Juli in Athen begann und am 25. Oktober in Hamburg endete. Bayerische Standorte von SO-Einrichtungen waren 1999 nicht Zwischenziel einer Etappe. Weder der Lauf noch die einzelnen Veranstaltungen fanden Resonanz in der Öffentlichkeit. 5.4 Bundesweite Verteilaktion In einer bundesweit konzertierten Aktion wurde im August eine SO-Broschüre mit dem Titel "Verfassungsschutz als Rufmordinstrument" verteilt und versandt. Der Inhalt der Broschüre beschäftigt sich mit den hinreichend bekannten Vorwürfen gegen die Beobachtung und ist beispielhaft für das Vorgehen gegen Gegner der SO. In sarkastischer Weise werden Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland und Bayerns diffamiert und verleumdet. Das Vorwort zu Verleumdungsdieser Broschüre verfasste ein Münchener Rechtsanwalt, der auch als kampagne Rechtsvertreter der SO auftritt. Die Broschüre belegt eine gezielte Sammlung und Auswertung von Informationen zu Politikern und "Feinden" der SO und zeigt im Impressum deutlich, dass das Management in den USA federführend an derartigen Kampagnen beteiligt ist. 6. Verwaltungsgerichtsverfahren Die Landeshauptstadt München hatte dem "Celebrity Centre Sciento"e.V."-Entzug logy Kirche München e.V." mit Bescheid vom 13. November 1995 den Status eines eingetragenen Vereins mit der Begründung entzogen, die Organisation verkaufe mit Gewinnabsicht Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung und sei deshalb gewerblich tätig. Dagegen hatte das "Celebrity Centre" Klage erhoben. Mit Urteil vom 2. Juni wies das Bayerische Verwaltungsgericht München die Klage ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht stützte sich in seinem Urteil auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 1997 und stellte fest, das "Celebrity Centre" stehe mit anderen Unternehmen der SO, die im Wesentlichen in gleicher Weise Kurse, Bücher und Geräte anbieten, in einem wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis. Eine weitere Prozessniederlage erlitt die SO im Streit um die ZulässigVerbot der keit der Straßenwerbung in München. Das Baureferat der LandesStraßenwerbung hauptstadt München hatte der "Scientology Kirche" und drei ihrer 188 Scientology-Organisation Mitglieder untersagt, in der Leopoldstraße Passanten anzusprechen und zu einem Persönlichkeitstest zu überreden mit dem Ziel, Bücher und Kurse der "Scientology Kirche" zu verkaufen. Die Behörde hatte die Bescheide damit begründet, dass diese Art von Werbetätigkeit auf öffentlicher Straße unzulässig sei und für die Fußgänger eine Belästigung darstelle. Die "Scientology Kirche" und die drei besagten Mitglieder klagten gegen die Untersagung. Der Freistaat Bayern beteiligte sich im öffentlichen Interesse an dem Verfahren und unterstützte den Standpunkt der Beklagten. Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die Klagen mit Urteil vom 25. November ab. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zielt das Ansprechen von Passanten auf der Straße objektiv auf eine entgeltliche Tätigkeit hin "Kirche" als und ist somit dem gewerblichen Raum zuzuordnen. Dafür sei eine Gewerbebetrieb Sondernutzungserlaubnis nötig, die nicht vorliege. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 7. Vertrauliches Telefon und Informationsangebot im Internet Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz unterhält ein "vertrauliches Telefon" (Tel.-Nr. 0 89/31 20 12 96). Opfer, Aussteiger und Angehörige von Scientology-Mitgliedern können dort Hinweise über die SO geben. Für Beratungen stehen die anerkannten Beratungsstellen zur Verfügung. Das Bayerische Staatsministerium des Innern informiert im Internet über die Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung, über Pressemitteilungen und neue Gerichtsentscheidungen unter folgender Adresse: http://www.innenministerium.bayern.de/scientology Spionageabwehr 189 7. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage Die Spionageabwehr muss im Interesse der Sicherheit und zum Spionage trotz Schutz der Wirtschaft unseres Landes weiterhin ernst genommen Zusammenarbeit werden. Die positive Entwicklung der Zusammenarbeit von Ost und West, insbesondere auf den Gebieten von Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Militär, darf nicht davon ablenken, dass Geheimdienste fremder Staaten ihre Aufklärungsbemühungen gegen Deutschland richten. Insbesondere Dienste der GUS-Staaten, des Nahen und Mittleren Ostens sowie asiatischer Staaten bemühen sich, technisches Know-how abzuschöpfen und Exportkontrollen von Gütern, die zur Herstellung von Waffen geeignet sind, zu unterlaufen. Bayern mit seinen Hightechunternehmen vor allem im Raum München und im Städtedreieck Nürnberg-Fürth-Erlangen ist ein bevorzugtes Ziel. 2. Nachrichtendienste der GUS Unverändert intensive Spionageaktivitäten gehen von den russischen Nachrichtendiensten aus. Zu den bedeutendsten zählen der Inlandsdienst FSB, der Auslandsaufklärungsdienst SWR, der militärische Nachrichtendienst GRU und der für Fernmeldeund elektronische Auslandsaufklärung zuständige Nachrichtendienst FAPSI. FAPSI stellt sich in der Öffentlichkeit nicht als ein geheimer NachrichJanuskopf FAPSI tendienst dar. So weist er auf seine Tätigkeiten der Grundlagenforschung im Bereich der nationalen Informationssicherheit und den Aufbau sicherer Kommunikationsnetze für die staatliche Verwaltung, für Banken und private Unternehmen hin. Bei Messen tritt der Dienst als Aussteller und Anbieter selbstentwickelter Produkte auf, vor allem von Softund Hardware aus den Bereichen Datensicherheit und Verschlüsselungstechnik. Dass russische Nachrichtendienste verstärkt Wirtschaftsspionage betreiben, bekennen die für die Dienste Verantwortlichen offen. Die politische Unterstützung der Nachrichtendienste dürfte durch die 190 Spionageabwehr Berufung Wladimir Putins zum Staatspräsidenten Russlands noch deutlich zugenommen haben. Putin war mehr als 20 Jahre KGB-Offizier, ehe er 1998 zum Leiter des russischen Inlandsdienstes FSB und schließlich zum Leiter des Nationalen Sicherheitsrates aufstieg. Das "Gesetz der Russischen Föderation über die Auslandsaufklärung" gibt dem Nachrichtendienst in Nummer 5 einen eindeutigen Auftrag. Ziel der WirtschaftsSpionage sei u.a. die "Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung spionage und des wissenschaftlich-technischen Fortschritts des Landes durch die Beschaffung von wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Informationen durch die Organe der Auslandsaufklärung". Bayern steht mit seiner Vielzahl von Hightechunternehmen besonders im Blickfeld russischer Nachrichtendienste. Dies belegt der nachfolgende Fall: Am 28. Juli wurden ein Kaufmann aus Niedersachsen und ein Ingenieur eines bayerischen Unternehmens aus dem Bereich der Militärtechnik wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für einen russischen Nachrichtendienst festgenommen. Der Kaufmann hatte sich seit 1995 regelmäßig mit Angehörigen eines russischen Dienstes in der Regel in Moskau getroffen, wobei er wehrtechnische Unterlagen u.a. zur Panzerbewaffnung übergab. Die Reisen wurden konspirativ durchgeführt. Für die übergebenen Dokumente erhielt der Kaufmann nicht unerhebliche Geldbeträge. Der Kaufmann hatte die Unterlagen zum Teil von dem Ingenieur erhalten. Dieser war seit Mitte der 70er Jahre in waffentechnisch relevanten Bereichen des Konzerns in verschiedenen verantwortungsvollen Positionen beschäftigt. Bei der Festnahme des Kaufmanns kurz vor seinem geplanten Abflug wurden vertrauliche Dokumente aus dem Arbeitsbereich des Ingenieurs sichergestellt. In einem Versteck bewahrte er noch weitere dieser Unterlagen seines Arbeitgebers auf. Bei den Vernehmungen durch die Strafverfolgungsbehörden räumte der Ingenieur ein, vertrauliche Unterlagen gegen Geld an den Kaufmann übergeben zu haben. Dieser erklärte seinerseits, die Unterlagen in Russland verkauft zu haben. 3. Proliferation und illegaler Technologietransfer durch Krisenund Schwellenländer Wie in den vergangenen Jahren versuchen Krisenund Schwellenländer wie Syrien, Iran, Irak, Libyen, Pakistan, Indien, Nordkorea, aber auch die Volksrepublik China, illegal Technologie und Güter zur HerABC-Waffen und stellung von ABC-Waffen (Proliferation) und zur Entwicklung eigener Trägerraketen Trägerraketen mit großer Reichweite zu beschaffen, zum Teil mit Spionageabwehr 191 gegenseitiger Unterstützung. So versuchte Pakistan, mit Hilfe von Scheinunternehmen Giftgas-Komponenten zu beschaffen. Die Aktualität der Prolifertionsproblematik unterstrich Mitte des Jahres das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts im Fall eines Ingenieurs aus dem Allgäu. Dieser wurde zu fünf Jahren Freiheitsstrafe wegen Landesverrats verurteilt, weil er dem Irak vor dem Golfkrieg Gas-Ultra-Zentrifugen geliefert hatte, die diesen in die Lage versetzten, waffenfähiges Uran herzustellen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Oft geraten Unternehmen ohne eigenes Verschulden in Schwierigkeiten, weil sie die wahren Hintergründe ihres Geschäftspartners nicht erkennen.Im eigenen Interesse und im Interesse wirksamer Spionageabwehr sollten sich Unternehmen, die Geschäftskontakte mit Krisenländern beginnen und den Verdacht haben, dass sie in deren Proliferationsbzw. Hightechbeschaffungsaktivitäten eingebunden werden, sofort an die zuständigen VerfassungsschutzbehörBeratung durch den wenden.Der Verfassungsschutz ist keine Strafverfolgungsbehörden Verfassungsde und muss auch nicht jede ihm bekannt gewordene Straftat den schutz Strafverfolgungsbehörden mitteilen, weil er nicht dem Strafverfolgungszwang unterliegt. Das kommt sowohl dem Mitteiler als auch möglichen Abwehrmaßnahmen zugute. 4. Aufklärung ausländischer Oppositioneller in Deutschland durch Nachrichtendienste ihrer totalitären Heimatstaaten Totalitär geführte Staaten sehen oftmals ihre Sicherheit durch OppoBeobachtung sitionsbewegungen im Ausland gefährdet. Mit ihren AuslandsnachOppositioneller richtendiensten versuchen solche Länder, die Oppositionsbewegungen zu unterwandern und deren Aktivitäten zu unterlaufen. Auf Angehörige in der Heimat wird dabei oft Druck ausgeübt. Mit Repressalien und Drohungen versuchen diese Nachrichtendienste immer wieder, Informanten aus den Oppositionsbewegungen anzuwerben. Insbesondere die Volksrepublik China und die bereits im Zusammenhang mit Proliferation und illegalem Technologietransfer genannten Länder des Nahen Ostens Iran, Irak, Libyen und Syrien sind hier aktiv. So versucht der chinesische Geheimdienst aus diplomatischen Vertretungen heraus, Veranstaltungen von chinesischen Oppositionellen zu verhindern. Auch die Nachrichtendienste Vietnams sind in der Bundesrepublik Deutschland aktiv. Ähnlich wie die genannten totalitären Staaten beobachten auch sie oppositionelle Landsleute. 192 Spionageabwehr 5. Spionage im Bereich der Kommunikationstechnik Risiken der Heute nimmt die Nachrichtenbeschaffung auf technischem Weg modernen einen immer breiteren Raum ein. Erhebliche Möglichkeiten bietet hier Kommunikationsdie Satellitenaufklärung. Durch den Einsatz spezieller Technologien technik können Telefongespräche, Faxund Fernschreibverbindungen gezielt ausgefiltert, mitgehört, aufgezeichnet und mitgelesen werden. Daneben bedienen sich die Nachrichtendienste für ihre Spionage aber auch der neuen Kommunikationstechniken. Entwicklungen auf dem Gebiet der Kommunikationselektronik bieten schließlich fremden Nachrichtendiensten Ansatzpunkte, sich einen unbefugten Zugriff auf fremde Dateien und Computernetze zu verschaffen. Auch die neuesten Verschlüsselungsprogramme und Maßnahmen zum Schutz vor unerwünschten Zugriffen bieten keine völlige Sicherheit des Informationsaustauschs. 6. Ausblick Die Ausforschungsbemühungen fremder Nachrichtendienste, ob zur Beschaffung von Know-how, um ihrem Land eigene Forschungsanstrengungen und Entwicklungskosten für fortschrittliche Technologien zu ersparen, oder zur Erlangung von sensitiven Gütern, gehen weiter. Für Staat, Wissenschaft und Wirtschaft ist es im Interesse ihrer Sicherheit und ihres Bestehens im Wettbewerb unerlässlich, zumindest Kernbereiche von Wissen und Erfahrung vor ungewolltem Zugang zu schützen. Gefordert sind an erster Stelle eigene technische, organisatorische und personelle Maßnahmen des Selbstschutzes. Ein wesentliches Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit den Kernbereichen des schützenswerten Wissens in Berührung kommen und damit an sicherheitsempfindlichen Stellen tätig sind. Neben diesem Eigenschutz ist es im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der weiteren Entwicklung von Wissenschaft und Wirtschaft in Konkurrenz zu anderen Staaten Aufgabe des Verfassungsschutzes, nachrichtendienstliche Tätigkeiten fremder Staaten aufzudecken. Erst Eigenschutz und dieses Zusammenspiel von Eigenschutz der Wirtschaft und SpionageSpionageabwehr abwehr durch den Verfassungsschutz gewährleistet den bestmöglichen Schutz. Organisierte Kriminalität 193 8. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Aufgabe des Verfassungsschutzes Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz leistet seit dem Beitrag des Ver1. August 1994 einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Orgafassungsschutzes nisierten Kriminalität. Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz weist dem Landesamt die Aufgabe zu, durch langfristig angelegte Beobachtung kriminelle Strukturen und Personen vor allem im Vorfeld konkreter Straftaten aufzuklären. Damit kann das Amt seine nachrichtendienstlichen Mittel und Erfahrungen zur Aufklärung der Organisierten Kriminalität in Ergänzung der polizeilichen Arbeit einsetzen. 2. Beobachtungsschwerpunkte Die Erfahrungen der mehr als fünfjährigen Beobachtung zeigen, dass die langfristig angelegte Strukturaufklärung durch den Verfassungsschutz ein wichtiges Instrument ist, um konkrete Hinweise auf kriminelle Organisationen zu gewinnen. Die Aufklärung mündet oft in polizeiliche Ermittlungen. Schwerpunkt der Beobachtung sind nach wie vor Gruppen der so genannten Ost-Mafia, zunehmend jedoch auch asiatische Straftätergruppierungen. Beispiele aus der BeobachBeispiele erfolgtungsarbeit des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz: reicher Arbeit * GUS-Mafia In Bayern konnte ein verzweigtes Netz von Personen aus der GUS festgestellt werden, die in den unterschiedlichsten Funktionen und Arbeitsgebieten, vorwiegend als Geschäftsleute, tätig sind. Je nach Nützlichkeit werden einzelne Personen aus dem Geflecht für bestimmte OK-Geschäfte ausgewählt. Die umfangreichen Strukturermittlungen zeigen, dass es zwar keine Führungsperson mit "Statthalterfunktion" unter den Russen in Bayern gibt. Einzelne Personen nehmen aber herausgehobene Positionen im Gesamtgeflecht ein. Sie praktizieren nachweislich OK-typische Verhaltensweisen wie Drohung mit Anwendung von Gewalt sowie Einflussnahme auf Zeugen. Die 194 Organisierte Kriminalität Nutzung von familiären Kontakten, aber auch die Verbindung zu Angehörigen von Nachrichtendiensten oder zu politisch hoch gestellten Persönlichkeiten aus dem gesamten Bereich der GUS dienen der Erreichung der Ziele. Diese Vorgehensweise sowie andere Umstände zeigen Anhaltspunkte für ein zielgerichtetes Vorgehen zum Aufbau krimineller Strukturen. Hierzu folgende, abgewandelt dargestellte Fälle: - Das Landesamt beobachtete 1999 eine Gruppe von Russen, da eine Vielzahl von Indikatoren auf Geldwäscheaktivitäten hindeutete. Über verschiedene, weltweit verstreute Offshore-Banken wurden jeweils Beträge in Höhe von 50.000 bis 300.000 DM auf deutsche Konten überwiesen. Ein Teil dieser Gelder wurde zur Beschaffung von Luxusgütern verwendet, die unter Umgehung der Zollvorschriften nach Russland ausgeführt wurden. Die Ermittlungen ergaben, dass auffällig viele Angehörige der beobachteten Gruppe ehemaligen oder noch bestehenden russischen Nachrichtendiensten zuzuordnen sind. Zwei Personen konnten als Köpfe international operierender Verbrechersyndikate identifiziert werden. Sie halten sich zwar überwiegend in Russland auf, reisen jedoch regelmäßig nach Deutschland und werden hier von einer in Bayern ansässigen Person betreut. Einige Anzeichen deuten darauf hin, dass sie hier vermutlich illegal erworbene Gelder in den deutschen Wirtschaftskreislauf einbringen wollen. Die Ermittlungen haben zum Ziel, Detailinformationen über Kontaktpersonen sowie über die Herkunft der Gelder zu erlangen. - Verschiedene gleich lautende Meldungen aus der Beobachtung der russischen OK durch das Landesamt deuteten auf den Zuzug einer russischen OK-Größe in eine bayerische Kleinstadt hin. Die durchgeführten Ermittlungen zeigten, dass es sich um den Führer einer Teileinheit der Tschetschenen-Mafia handelte. Es konnte festgestellt werden, dass die Person Kontakte zu hochrangigen Kriminellen unterhält. Ziel ist es nun, im Zusammenwirken mit mehreren befreundeten Diensten festzustellen, ob in konspirativer Weise neue OK-Strukturen aufgebaut werden. - Durch den Informationsaustausch mit ausländischen Nachrichtendiensten konnte eine Gruppe von Russen festgestellt werden, die der Podolskaja, einer Moskauer Mafiagruppe, zuzurechnen sind. Organisierte Kriminalität 195 Die kriminellen Aktionsfelder der Podolskaja umfassen u.a. das illegale Glücksspiel, weshalb mit entsprechenden Aktivitäten auch in Bayern zu rechnen ist. Die Beobachtung führte zur Identifizierung einer Führungspersönlichkeit aus der GUS mit Wohnsitz im europäischen Ausland. Zudem konnten wichtige Personenverbindungen im OK-Bereich erkannt werden. * Asiatische Mafia Das Hauptaugenmerk in der Vorfeldbeobachtung im asiatischen Bereich lag auch in diesem Jahr bei Vietnamesen und Chinesen. Beide Volksgruppen agieren - ähnlich wie die Mitglieder russischer Organisationen - fast ausschließlich innerhalb ihres ethnischen Bereichs. Vietnamesische Straftätergruppierungen haben ihre Schwerpunkte unverändert in Berlin und den neuen Bundesländern. Nachdem in Berlin diese Gruppierungen durch umfangreiche polizeiliche Maßnahmen und Festnahmen vorübergehend geschwächt werden konnten, war in letzter Zeit ein erneuter Anstieg der Gewaltaktionen festzustellen. Nach wie vor geht von dieser Gruppierung eine erhebliche Gefährdung aus. Mittlerweile wurden in Bayern so genannte "Aussteiger" aus der vietnamesischen Szene Berlins festgestellt. Ersten Anhaltspunkten zufolge beabsichtigt dieser Personenkreis, seine kriminellen Aktivitäten in Bayern fortzusetzen. Im Bereich chinesischer Straftätergruppierungen konnten die im Vorjahr eingegangenen Hinweise über Triadenangehörige und deren Strukturen nunmehr weitestgehend bestätigt und ergänzt werden. Es gelang, Einzelinformationen zu den Kriminalitätsbereichen Menschenhandel und illegale Einschleusung von Ausländern zu sammeln. So wurde beispielsweise ein in Bayern ansässiges Triadenmitglied bekannt, das in engem Kontakt mit einer chinesischen Schleusergruppe in einem Nachbarland steht. Die illegal eingereisten Chinesen sollten nach Deutschland, Italien und Frankreich gebracht werden. Einem befreundeten Dienst konnten in diesem Zusammenhang wichtige Informationen über die Infrastruktur der Bande übermittelt werden. Unabhängig davon wurden auch Informationen über in Hongkong gefälschte Pässe bekannt, die über Triadenangehörige nach Europa gelangen sollten. Als weitere Domäne chinesischer Triaden gilt die Kontrolle des illegalen Glücksund Falschspiels unter Asiaten. Das Landesamt erhält in 196 Organisierte Kriminalität diesem Zusammenhang immer wieder Hinweise auf illegales Glücksspiel. In einem Fall wurden dabei mehrere Wohnungen von Asiaten ermittelt, in denen illegales Glücksspiel unter Einsatz hoher Geldbeträge veranstaltet wurde. Die Organisatoren verliehen dabei große Summen zu Wucherzinsen, einzelne Mitspielerinnen mussten in der Folge ihre Spielschulden durch die Ausübung der Prostitution begleichen. Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes wurden an die Polizei abgegeben und führten zu polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen. * Südosteuropa-Mafia Der Kosovo-Konflikt führte auch in Bayern zu einer Häufung OK-typischer Straftaten wie illegale Einschleusung von Ausländern, Menschenund Waffenhandel. Die schwerpunktmäßige Sammlung von Informationen erbrachte Hinweise auf u.a. eine Gruppierung von Waffenhändlern aus dem ehemaligen Jugoslawien, die in Bayern geschäftsmäßig Sprengstoff, Handgranaten und Maschinenpistolen vermittelten. Als Bezahlung wurde sogar Rauschgift akzeptiert. Das Umfeld des Hauptinitiators der Geschäfte wurde umfassend abgeklärt. Durch den Einsatz eines verdeckt operierenden Mitarbeiters des Landesamts wurde bekannt, dass ein entsprechendes Geschäft größeren Ausmaßes unmittelbar bevorstand. Eine Unterrichtung der Polizei führte zur Festnahme der Täter. Neben diesem Fall wurden durch die gezielte Beobachtung OK-typischer Strukturen unter Albanern in Bayern Hinweise auf die versuchte Beschaffung von Sprengstoff, auf vermehrte Schleusertätigkeit mit gefälschten Pässen sowie sogar auf die Lieferung von Boden-Luft-Raketen gewonnen. Diese Information diente zur Unterrichtung der Friedenstruppen im Kosovo-Konflikt. Im Rahmen der Informationsbeschaffung zum Bereich der südosteuropäischen kriminellen Tätergruppierungen verfolgte das Landesamt auch Hinweise auf einen Personenkreis, der sich auf die Durchführung illegaler Sportwetten spezialisiert hatte. Durch verdeckte Strukturermittlungen und den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel konnte das Umfeld mehrerer Veranstalter aus diesem Bereich aufgehellt werden. Die Drahtzieher hatten eine straff geführte Organisation, bestehend aus einer Zentralstelle, zahlreichen Wettannahmestellen und Geldkurieren aufgebaut. Als Annahmestellen wurden ausländische Lebensmittelläden und Lokale genutzt. Dort wurden Organisierte Kriminalität 197 Wetten abgeschlossen. Mittelsmänner verbrachten die eingenommenen Gelder ins westliche Ausland. Es handelte sich um Beträge in Millionenhöhe. Es bestanden Verbindungen in andere Bundesländer. Die gewonnenen Hinweise wurden an die Polizei übermittelt. Durchsuchungen und Beschlagnahmungen führten zu mehreren Festnahmen und zur Schließung der Wettannahmestellen. 3. Erfolge der bisherigen Arbeit und Ausblick Der Bayerische Staatsminister des Innern Dr. Günther Beckstein hat in seinem Bericht im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit des Bayerischen Landtags am 20. Oktober eine Erfolgsbilanz der mehr als fünfjährigen Arbeit des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz im OK-Bereich gezogen: "Die Beobachtung der OK durch den Verfassungsschutz hat sich bewährt. Der Verfassungsschutz kann greifbare Erfolge in den Tätigkeitsfeldern der OK ausweisen. Dabei tritt er nicht in Konkurrenz zur Polizei, sondern kann mit seinen nachrichtendienstlichen MöglichkeiZusammenarbeit ten zu den Ermittlungen der Polizei beitragen. Er kann aus rechtlichen von Polizei und und tatsächlichen Gründen bei der Bekämpfung der OK bestehende Verfassungsschutz Lücken schließen: - Der Verfassungsschutz in Bayern hat die Aufgabe, 'Bestrebungen der OK' zu beobachten und deshalb eine niedrige Einschreitschwelle. Er kann tätig werden, sobald tatsächliche Anhaltspunkte für solche Bestrebungen feststellbar sind. Weder ist ein Tatverdacht noch eine konkrete oder abstrakte Gefahr - wie im Polizeirecht verlangt - erforderlich. In Bayern kann deshalb der Verfassungsschutz bereits tatsächlichen Anhaltspunkten für OK nachgehen und unabhängig von einem Tatverdacht oder von einer Gefahr Informationen sammeln und zu weiteren Ermittlungsansätzen verdichten. - Die Freistellung des Verfassungsschutzes vom Legalitätsprinzip erleichtert die Gewinnung und Abschöpfung von Quellen. Die Erfahrungen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz zeigen, dass Quellen kooperativer sind, wenn sie erkennen, dass bei der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz gegebenenfalls nicht zwingend auch Strafverfolgung droht. - Der Verfassungsschutz erhält in seinen bisherigen Aufgabenfeldern regelmäßig Hinweise auf Organisierte Kriminalität. Diese Hin- 198 Organisierte Kriminalität weise sind oft vage und unterliegen dem Quellenschutz. Deshalb können sie nicht an die Polizei weitergegeben werden. In Bayern kann der Verfassungsschutz diesen Hinweisen nachgehen. Das führte in vielen Fällen zu erfolgreichen weiterführenden Ermittlungen des Verfassungsschutzes und der Polizei und zur Festnahme von Tätern im Bereich Organisierte Kriminalität. - Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz arbeitet im Bereich der Organisierten Kriminalität erfolgreich mit Nachrichtendiensten anderer Länder zusammen. In mehreren Nachbarstaaten und fast allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind die Inlandsnachrichtendienste umfassend oder zumindest in Teilbereichen mit der Beobachtung der OK befasst. In vielen Fällen geben Dienste vor allem aus Gründen des Quellenschutzes Informationen nicht an die Polizei weiter, sondern versuchen eine Abklärung mit anderen Diensten. Diese Zusammenarbeit führte zu einem verstärkten wirksamen Vorgehen gegen die OK und zu erfolgreichen Exekutivmaßnahmen." Viele Hinweise auf Organisierte Kriminalität führen in andere deutsche Länder. Eine Beobachtung der OK auch durch die Verfassungsschutzbehörden der anderen Länder und des Bundes liegt deshalb im Bundesweite Interesse einer wirksamen Bekämpfung der Organisierten KriminaBeobachtung lität. Als weiteres Land hat inzwischen Hessen erklärt, den Verfasals Ziel sungsschutz zur OK-Beobachtung einsetzen zu wollen. Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 199 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl S. 70, BayRS 12-1-I) Geändert durch SS 2 des Gesetzes zur Anpassung des Bayerischen Landesrechts an Art. 13 des Grundgesetzes vom 10. Juli 1998 (GVBl S. 383) und Art. 4 Abs. 1 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40) I. Abschnitt - unter Anwendung von Gewalt oder durch entspreOrganisation und Aufgaben chende Drohung oder des Verfassungsschutzes - unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft. Art. 1 Organisation des Verfassungsschutzes, (4) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist Verhältnis zur Polizei eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar (1) 1 Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen nachgeordnete Behörde. 2 Das Landesamt und DienstGrundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des stellen der Polizei dürfen einander nicht angegliedert Bundes und der Länder besteht in Bayern ein Landeswerden. 3Dem Landesamt für Verfassungsschutz amt für Verfassungsschutz. 2 Es dient auch dem Schutz steht ein Weisungsrecht gegenüber Dienststellen der vor Organisierter Kriminalität. Polizei oder die Befugnis zu polizeilichen Maßnahmen nicht zu. (2) 1 Freiheitliche demokratische Grundordnung nach Absatz 1 ist eine Ordnung, die unter Ausschluss Art. 2 jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsZuständigkeit staatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit gesetzlich festgelegten Aufgaben zu erfüllen. 2 Dazu gedarstellt. 2 Zu den grundlegenden Prinzipien dieser hört auch die Zusammenarbeit Bayerns mit dem Bund Ordnung gehören mindestens: Die Achtung vor den im und den anderen Ländern in Angelegenheiten des VerGrundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem fassungsschutzes. vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, (2) Verfassungsschutzbehörden der anderen Länder die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigdürfen in Bayern nur im Einvernehmen mit dem Lankeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, desamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für Gesetzes tätig werden. alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Art. 3 Aufgaben (3) Organisierte Kriminalität ist die von Gewinnoder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von Aufgabe, erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, 1. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetdurch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder zes, die gegen die freiheitliche demokratische unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des - unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnBundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine licher Strukturen oder ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung 200 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines 2. nach Maßgabe des Art. 14, insbesondere in EinbürLandes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, gerungsund Ordensverfahren zur Verleihung des 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes - mit Ausnahme der Verdienstmedaille - und des für eine fremde Macht, Bayerischen Verdienstordens, sowie nach Art. 15. 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder II. Abschnitt darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärAllgemeine Befugnisse und Datenverarbeitung tige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, Art. 4 4. Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Allgemeine Befugnisse Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur zu beobachten; solche Bestrebungen und Tätigkeiten Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz die dazu können von Gruppierungen oder Einzelpersonen auserforderlichen Informationen einschließlich personengehen. 2 Das Landesamt hat in Erfüllung dieser Aufgabe bezogener Daten auch ohne Kenntnis der betroffenen Informationen, insbesondere sachund personenbezoGruppierung oder Person erheben und in Akten und gene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solDateien verarbeiten, diese Informationen nutzen sowie che Bestrebungen oder Tätigkeiten zu sammeln und aus Akten und Dateien übermitteln, soweit nicht nachauszuwerten. 3 Die notwendige Koordinierung mit den folgend besondere Bestimmungen gelten. anderen Sicherheitsbehörden und den Strafverfolgungsbehörden wird in Richtlinien des Staatsministeriums (2) 1 Die Befugnisse des Landesamts für Verfasdes Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium sungsschutz bei der Mitwirkung nach Art. 3 Abs. 2 der Justiz geregelt. 4 Über diese Richtlinien wird die Nr. 1 sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom Parlamentarische Kontrollkommission gemäß Art. 20 27. Dezember 1996 (GVBl S. 509) geregelt; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 unterrichtet. Abs. 1 Satz 4 bleibt unberührt. 2Das Landesamt für Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die bestimmt ist, an einer Überprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Aufgabe, Nr. 2 nur mitwirken und nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 nur 1. nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes Auskunft erteilen, wenn die betroffene Person der an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen Durchführung der Überprüfung zugestimmt hat; werim öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige den der Ehegatte oder die Person, mit der die betrofTatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anverfene Person in eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher traut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder Gemeinschaft lebt, in die Überprüfung mit einbezogen, ihn sich verschaffen können, so ist auch deren Zustimmung erforderlich. 2. an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an (3) 1 Sind für die Erfüllung einer Aufgabe verschiesicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder dene Maßnahmen geeignet, so hat das Landesamt für verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die die betrofsind oder beschäftigt werden sollen, fene Gruppierung oder Person voraussichtlich am 3. an technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz wenigsten beeinträchtigt. 2 Eine Maßnahme unterbleibt, von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen, wenn sie einen Nachteil herbeiführt, der erkennbar die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsaußer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. bedürftig sind, gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte Art. 5 mitzuwirken. Erhebung personenbezogener Daten 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perso(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die nenbezogene Daten erheben, soweit das zur Erfüllung Aufgabe, amtliche Auskünfte zu erteilen seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. 1. im Rahmen der Überprüfung der Verfassungstreue 2 Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 Abs. 3 von Personen, die sich um Einstellung in den öffentNr. 1 darf das Landesamt für Verfassungsschutz persolichen Dienst bewerben, nenbezogene Daten jedoch nur im Rahmen von Nach- Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 201 ermittlungen erheben, soweit das zur Überprüfung von SS 1 Abs. 1 und SS 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Informationen erforderlich ist, die bei den VerfassungsBeschränkung des Brief-, Postund Fernmeldeschutzbehörden bereits vorliegen. geheimnisses (Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz) vom 13. August 1968 (BGBl I S. 949) in der jeweils gelArt. 6 tenden Fassung vorliegen oder Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel 2. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vorliegen, dass jemand Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 (1) Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem 1 Satz 1 Nrn. 1 oder 3 durch die Planung oder BegeGesetz darf das Landesamt für Verfassungsschutz auch hung von Straftaten nach SSSS 129, 130 oder 131 des nachrichtendienstliche Mittel anwenden. 2 Sie dienen Strafgesetzbuchs (StGB) verfolgt oder der verdeckten Informationsgewinnung und der Sicherheit des Landesamts für Verfassungsschutz und seiner 3. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht besteMitarbeiter. 3Nachrichtendienstliche Mittel sind Maßhen, dass jemand Bestrebungen oder Tätigkeiten nahmen zur Tarnung, der Einsatz geheimer Mitarbeiter nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 durch die Planung und andere Maßnahmen, die verbergen sollen, dass das oder Begehung von Straftaten nach SS l00a der StrafLandesamt für Verfassungsschutz Informationen erprozessordnung (StPO), SSSS 261, 263 bis 265, 265b, hebt. 4 Bei Sicherheitsüberprüfungen (Art. 3 Abs. 2 266, 267 bis 273, 331 bis 334 StGB oder SS 92 Nrn. 1 und 2) darf das Landesamt für VerfassungsAbs. 2 des Ausländergesetzes (AuslG) verfolgt schutz nur das nachrichtendienstliche Mittel der Tarnung von Mitarbeitern anwenden. und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2 Der ver(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich sonenbezogene Daten nach Art. 5 durch Anwendung nur gegen den Verdächtigen oder gegen Personen richnachrichtendienstlicher Mittel erheben, wenn ten, von denen auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Verdächtigen bestimmte oder von 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder auf weitergeben oder dass der Verdächtige sich in ihrer diese Weise Erkenntnisse über Nachrichtenzugänge Wohnung aufhält. 3 Die Anordnung des Einsatzes begewonnen werden können oder sonderer technischer Mittel nach Satz 1 trifft der Rich2. das zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, ter 4 Bei Gefahr im Verzug kann der Präsident des Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamts Landesamts für Verfassungsschutz einen Einsatz nach für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende Satz 1 anordnen; eine richterliche Entscheidung ist oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. unverzüglich nachzuholen. 5Die Anordnungen sind auf längstens drei Monate zu befristen; Verlängerungen um (3) 1 Personenbezogene Daten dürfen durch Anwenjeweils nicht mehr als drei weitere Monate sind auf dung nachrichtendienstlicher Mittel nur erhoben werAntrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der den, wenn die Daten nicht auf eine andere geeignete Anordnung fortbestehen. 6Liegen die Voraussetzungen Weise gewonnen werden können, die die betroffene der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Person weniger beeinträchtigt. 2 Die Anwendung nachEinsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung richtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unverVerhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverzüglich zu beenden. 7Der Vollzug der Anordnung erfolgt halts stehen. 3 Sie ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr unter Aufsicht eines Bediensteten des Landesamts für Zweck erreicht ist oder sich ergibt, dass er nicht oder Verfassungsschutz, der die Befähigung zum Richteramt nicht auf diese Weise erreicht werden kann. hat. 8Erkenntnisse und Unterlagen, die durch Maßnahmen nach Satz 1 gewonnen wurden, dürfen zur Verfolgung und Erforschung der dort genannten Bestrebun(4) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer gen oder Tätigkeiten sowie nach Maßgabe des SS 7 Abs. 3 Mittel zur Informationsgewinnung im Schutzbereich des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz verwendet werden. des Art. 13 des Grundgesetzes in Abwesenheit einer für 9 Für die Speicherung und Löschung der durch Maßnahdie Verfassungsschutzbehörde tätigen Person ist unter men nach den Absätzen 4 und 5 erlangten personenbesonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verbezogenen Daten sowie die Entscheidung über die hältnismäßigkeit gemäß Absatz 3 nur zulässig, wenn nachträgliche Information der von Maßnahmen nach 1. die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff Absatz 4 Betroffenen gelten SS 7 Abs. 4 und SS 5 Abs. 5 in das Brief-, Postoder Fernmeldegeheimnis nach des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz entsprechend. 202 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) (5) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, dass Mittel im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 3 Abs. 1 angefalausschließlich zum Schutz der für den Verfassungsschutz len sind. 3 Personenbezogene Daten über das Verhalten in diesem Bereich tätigen Personen bedarf der Geneheiner Person nach Vollendung des 16. und vor Vollendung migung des Präsidenten des Landesamts für Verfasdes 18. Lebensjahres sind zwei Jahre nach dem Verhalten sungsschutz oder eines von ihm bestellten Beauftragauf die Erforderlichkeit der Speicherung in Dateien zu ten.2Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten überprüfen und spätestens fünf Jahre nach dem VerhalErkenntnisse zu Zwecken der Gefahrenabwehr ist nur ten zu löschen, es sei denn, dass weitere Erkenntnisse im zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme Sinn des Art. 3 Abs. 1 angefallen sind über ein Verhalten richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die nach Eintritt der Volljährigkeit. 4 Für Akten, die zu einer richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. minderjährigen Person geführt werden, gelten die vorstehenden Prüfungsund Löschungsfristen entsprechend. (6) 1 Zuständiges Gericht zur Entscheidung nach den Absätzen 4 und 5 ist das Amtsgericht am Sitz des Lan(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die desamts für Verfassungsschutz. 2Für das Verfahren gelDauer der Speicherung in Dateien und in Akten, die zu ten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegeneiner bestimmten Person geführt werden, auf das Maß heiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. festzulegen, das zur Erfüllung seiner Aufgabe nach diesem Gesetz erforderlich ist. (7) 1 Die Staatsregierung unterrichtet den Landtag jährlich über die nach Absatz 4 und, soweit richterlich (4) Werden Bewertungen über Betroffene gespeiüberprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 angeordneten chert, muss erkennbar sein, wer die Bewertung vorgeMaßnahmen. 2Ein vom Landtag gewähltes Gremium nommen hat und wo die Informationen gespeichert übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarisind, die der Bewertung zugrunde liegen. sche Kontrolle aus. (8) Die Zulässigkeit von Maßnahmen nach dem Art. 8 Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz bleibt unberührt. Berichtigung und Löschen von Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Art. 7 Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu Speicherung und Veränderung berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten, die personenbezogener Daten zu einer bestimmten Person geführt werden, ist dies zu vermerken. (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz perso(2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in nenbezogene Daten in Dateien speichern und veränDateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu dern, wenn löschen, wenn ihre Speicherung nach Art. 7 unzulässig 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung seiner gesetzTätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder lich festgelegten Aufgaben nicht mehr erforderlich ist; 2. dies für die Erforschung und Bewertung von BestreAkten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, bungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 erfordersind unter diesen Voraussetzungen zu vernichten. 2 Ob lich ist oder die Voraussetzungen der Löschung und Vernichtung nach Satz 1 vorliegen, ist bei jeder Einzelfallbearbei3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach Art. 3 tung und nach festgesetzten Fristen zu entscheiden. Abs. 2 Nrn. 2 und 3 an Überprüfungen mitwirkt. 3 Die Löschung oder Vernichtung unterbleibt, wenn 2 In den Fällen des Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 dürfen personenGrund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzbezogene Daten in Dateien nur gespeichert werden, würdige Interessen der betroffenen Person beeinträchwenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen tigt würden. 4 In diesem Fall sind die Daten zu sperren; oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen. sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. (2) 1Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nicht (3) 1 Für die Archivierung gelten die Vorschriften in Dateien gespeichert werden. 2 Personenbezogene Daten des Bayerischen Archivgesetzes. 2 Die Anbietungsüber das Verhalten einer Person nach Vollendung des pflicht bestimmt sich nach Maßgabe der nach Art. 6 14. und vor Vollendung des 16. Lebensjahres sind zwei Abs. 2 BayArchivG abzuschließenden Vereinbarung. Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 203 Art. 9 (2) Soweit eine Person einer SicherheitsüberprüErrichtungsanordnung fung nach Art. 3 Abs. 2 unterzogen wird oder zu einer Person Auskunft nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 erteilt wird, (1) 1 Für den erstmaligen Einsatz einer automatisierhat diese Person abweichend von Absatz 1 einen ten Datei, in der personenbezogene Daten verarbeitet Anspruch auf Auskunft über die Daten des Landesamts werden, hat das Landesamt für Verfassungsschutz in für Verfassungsschutz, die es im Rahmen der Erfüllung einer Errichtungsanordnung, die der Zustimmung des dieser Aufgaben übermittelt hat. Staatsministeriums des Innern bedarf, festzulegen: (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. Bezeichnung der Datei, 1. eine Gefährdung der Erfüllung der Aufgaben nach 2. Zweck der Datei, Art. 3 durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 3. Betroffener Personenkreis, 2. durch die Auskunftserteilung nachrichtendienstliche 4. Art der zu speichernden Daten, Zugänge gefährdet sein können oder die Ausfor5. Eingabeberechtigung, schung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamts für Verfassungsschutz zu 6. Zugangsberechtigung, befürchten ist, 7. Regelmäßige Übermittlungen, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes 9. Protokollierung des Abrufs. Nachteile bereiten würde oder 2 Nach der Zustimmung des Staatsministeriums des 4. die Information oder die Tatsache der Speicherung Innern ist die Errichtungsanordnung dem Landesbeaufnach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen tragten für den Datenschutz unverzüglich mitzuteilen. nach, insbesondere wegen der überwiegenden 3 Entsprechendes gilt für wesentliche Änderungen des berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalVerfahrens. ten werden muss. (2) Die Zustimmung des Staatsministeriums des (4) 1 Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf Innern darf nur erteilt werden, wenn die Speicherung keiner Begründung. 2 Wird die Auskunftserteilung abgepersonenbezogener Daten auf das erforderliche Maß lehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für beschränkt ist. das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass er sich hinsichtlich der Verarbeitung personenbezo(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in angener Daten an den Landesbeauftragten für den Datengemessenen Abständen die Notwendigkeit der Weiterschutz wenden kann. 3 Dem Landesbeauftragten für den führung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Staatsministerium des Innern im EinArt. 10 zelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes Geltung des Bayerischen Datenschutzgesetzes oder eines Landes gefährdet würde. 4 Mitteilungen des Landesbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Bei der Erfüllung der gesetzlich festgelegten AufRückschlüsse auf den Kenntnisstand des Landesamts gaben durch das Landesamt für Verfassungsschutz finfür Verfassungsschutz zulassen, sofern dieses nicht den die Art. l0 bis 13, 15 bis 23 und 26 bis 28 des einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Bayerischen Datenschutzgesetzes keine Anwendung. Art. 11 III. Abschnitt Auskunftserteilung Übermittlungsregelungen (1) 1 Ein Anspruch auf Auskunft über die beim LanArt. 12 desamt für Verfassungsschutz in Dateien oder Akten Informationsübermittlung gespeicherten Informationen besteht nicht. 2 Hat eine an das Landesamt für Verfassungsschutz Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft über ohne Ersuchen die zu ihrer Person gespeicherten Daten, so entscheidet das Landesamt für Verfassungsschutz nach pflicht(1) Die Behörden, Gerichte hinsichtlich ihrer Regigemäßem Ermessen über das Auskunftsbegehren. ster, Gebietskörperschaften und andere der staatlichen 204 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) Aufsicht unterstehenden juristischen Personen des Dateien den Zweck der Maßnahme gefährden, einen öffentlichen Rechts sowie sonstige öffentliche Stellen übermäßigen Aufwand erfordern oder das Persönlichdes Freistaats Bayern haben von sich aus dem Landeskeitsrecht des Betroffenen unnötig beeinträchtigen würamt für Verfassungsschutz die ihnen bei Erfüllung ihrer de. 2 Über die Einsichtnahme in amtlich geführte Dateien Aufgaben bekannt gewordenen Informationen zu überhat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachmitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür besteweis zu führen, aus dem der Zweck und die eingesehene hen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der AufDatei hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz nach Art. 3 zubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern Abs. 1 oder entsprechender Aufgaben auf Grund eines und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Erstellung folgt, zu vernichten. Grundgesetzes erforderlich sein kann. (3) 1 Hält eine in Art. 12 Abs. 1 genannte öffentliche (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Stelle das Ersuchen nach Absatz 1 oder die Einsichtübermittelten Informationen nach ihrem Eingang unnahme nach Absatz 2 für unzulässig, so teilt sie das verzüglich darauf zu überprüfen, ob sie für die Erfüldem Landesamt für Verfassungsschutz mit. 2 Besteht lung seiner in Absatz 1 genannten Aufgaben erforderdieses auf dem Ersuchen oder der Einsichtnahme, so lich sind. 2 Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderentscheidet darüber die oberste fachliche Aufsichtslich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichbehörde, die für die ersuchte Stelle zuständig ist. ten. 3 Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung (4) Art. 12 Abs. 2 gilt entsprechend. der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall Art. 14 dürfen die nicht erforderlichen Informationen nicht verPersonenbezogene Datenübermittlung wendet werden. durch das Landesamt für Verfassungsschutz Art. 13 (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perInformationsübermittlung sonenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, an das Landesamt für Verfassungsschutz wenn das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem auf Ersuchen Gesetz erforderlich ist oder wenn die öffentliche Stelle die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen (1) 1 Die in Art. 12 Abs. 1 genannten öffentlichen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Stellen haben dem Landesamt für Verfassungsschutz Sicherheit einschließlich der Strafverfolgung benötigt. auf dessen Ersuchen die ihnen bei Erfüllung ihrer Auf- 2 Gleiches gilt, wenn der Empfänger die personenbezogaben bekannt gewordenen Informationen zu übermitgenen Daten zur Erfüllung anderer ihm zugewiesener teln, soweit das zur Erfüllung der Aufgaben des LanAufgaben benötigt, sofern er dabei auch zum Schutz der desamts für Verfassungsschutz nach diesem Gesetz freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen erforderlich ist. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz oder Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit oder darf Ersuchen nach Satz 1 nur stellen, wenn die Inforauswärtige Belange zu würdigen hat. 3 Der Empfänger mation auf andere Weise nur mit übermäßigem Aufdarf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts wand oder nur durch eine die betroffene Gruppierung anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu oder Person stärker belastende Maßnahme gewonnen dem sie ihm übermittelt wurden, es sei denn, dass das werden kann. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz Landesamt für Verfassungsschutz einer anderen Verwenhat Ersuchen zu begründen, es sei denn, dass eine Bedung für Zwecke nach den Sätzen 1 und 2 zugestimmt gründung dem Schutz der betroffenen Gruppierung hat. 4 Satz 1 gilt auch für die Übermittlung personenoder Person zuwiderläuft oder den Zweck der Maßnahbezogener Daten innerhalb des Landesamts für Verme gefährden würde. 4 Es hat die Ersuchen aktenkundig fassungsschutz. zu machen. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf 1 Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen Akten anderer öffentlicher Stellen und amtlich geführte von Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen Dateien unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 einzwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über sehen, soweit das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der diesem Gesetz erforderlich ist und die sonstige ÜberBundesrepublik Deutschland stationierten ausländimittlung von Informationen aus den Akten oder den schen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl II 1961 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 205 S. 1183) personenbezogene Daten übermitteln. 2 Der Art. 16 Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelNachberichtspflicht ten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung durch das Landesamt für Verfassungs(3) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perschutz als unvollständig oder unrichtig, sind sie unversonenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb züglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an wenn das zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der überoder zwischenstaatliche öffentliche Stellen überbetroffenen Person erforderlich ist. mitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz oder zur Wahrung Art. 17 erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforÜbermittlungsverbote derlich ist. 2 Die Übermittlung unterbleibt, wenn aus(1) Die Übermittlung von Informationen durch das wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder Landesamt für Verfassungsschutz nach den Art. 4 und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffe14 hat zu unterbleiben, wenn nen Person entgegenstehen. 3 Sie ist aktenkundig zu machen. 4 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass 1. erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet der Informationen und ihrer Erhebung das schutzwerden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. würdige Interesse der Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegt, oder (4) 1 Personenbezogene Daten dürfen an andere 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern. Empfänger als öffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheit(2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationslichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherübermittlungen zulassen oder verbieten, bleiben unheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und berührt. das Staatsministerium des Innern seine Zustimmung erteilt hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl von gleichartigen Fällen vorweg erteilt werden. IV. Abschnitt 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die ÜberParlamentarische Kontrolle mittlung aktenkundig zu machen. 3 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, Art. 18 zu dem sie ihm übermittelt wurden. 4 Das Landesamt Parlamentarisches Kontrollgremium für Verfassungsschutz hat den Empfänger darauf hinzuweisen. Die parlamentarische Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfas(5) 1 Übermittlungspflichten nach bundesrechtsungsschutz erfolgt nach den Bestimmungen des Gesetlichen Vorschriften bleiben unberührt. 2 Das Landesamt zes zur parlamentarischen Kontrolle der Staatsregierung für Verfassungsschutz kann andere Verfassungsschutzhinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 behörden auch dadurch unterrichten, dass es diesen den des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamts Abruf von Daten im automatisierten Verfahren ermögfür Verfassungsschutz - Parlamentarisches Kontrolllicht, soweit deren gesetzliche Aufgaben identisch gremium-Gesetz - vom 10. Februar 2000 (BayRS 12-4-I). sind. Art. 19 und 20 (aufgehoben) Art. 15 Unterrichtung der Öffentlichkeit V. Abschnitt 1 Das Staatsministerium des Innern und das LandesSchlussvorschriften amt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Art. 21 Abs. l. 2 Dabei dürfen der Öffentlichkeit personenbezoErfüllung bundesrechtlicher Aufgaben gene Daten bekanntgegeben werden, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an der Unterrichtung das schutzZur Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetwürdige Interesse der betroffenen Person an der Wahzes nach Art. 73 Nr. l0 Buchst. b und c des Grundrung ihrer Anonymität überwiegt. gesetzes stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz 206 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) die Befugnisse zu, die es zur Erfüllung der entspre2. In Art. 3 werden die Worte "den für Sicherheitschenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. fragen zuständigen Ausschuss des Landtags" durch die Worte "die Parlamentarische Kontrollkommission Art. 22 für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" Einschränkung von Grundrechten ersetzt. Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht Art. 24 der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 des In-Kraft-Treten Grundgesetzes und Art. l06 Abs. 3 der Verfassung eingeschränkt werden. 1 Dieses Gesetz tritt am 1. November 1990 in Kraft.* 2 Gleichzeitig treten außer Kraft: Art. 23 1. Das Gesetz über die Errichtung eines Landesamts Änderung des Gesetzes zur Ausführung für Verfassungsschutz (BayRS 12-1-I), des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz 2. Art. 8 Abs. 2 Nr. 5 des Bayerischen DatenschutzDas Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 gesetzes (BayRS 204-1-I). Grundgesetz (AGG 10) vom 11. Dezember 1984 (GVBl S. 522, BayRS 12-2-I) wird wie folgt geändert: 1. Art. 2 Abs. 3 Satz 6 erhält folgende Fassung: "6 Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, * Diese Vorschrift betrifft das In-Kraft-Treten des Gesetzes in der die der Zustimmung der Parlamentarischen Konursprünglichen Fassung vom 24. August 1990 (GVBl S.323). Der trollkommission für die Angelegenheiten des VerfasZeitpunkt des In-Kraft-Tretens der späteren Änderungen ergibt sungsschutzes bedarf." sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) 207 Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - PKGG) Vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40, BayRS 12-4-I) Art. 1 (4) Das Parlamentarische Kontrollgremium übt seine Parlamentarisches Kontrollgremium Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtags hinaus solange aus, bis der nachfolgende (1) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium übt die Landtag ein neues Parlamentarisches Kontrollgremium parlamentarische Kontrolle gemäß Art. 13 Abs. 6 Satz 3 gewählt hat. des Grundgesetzes zum Vollzug der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes nach Maßgabe Art. 2 der Art. 48a des Gesetzes zur Ausführung des GerichtsGeheimhaltung verfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (AGGVG), Art. 34 Abs. 6 des Polizeiaufgaben(1) 1 Die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgesetzes (PAG) und Art. 6 Abs. 7 des Bayerischen Vergremiums sind geheim. 2Die Mitglieder und stellverfassungsschutzgesetzes (BayVSG) aus. 2Dem Parlatretenden Mitglieder sind zur Geheimhaltung der mentarischen Kontrollgremium obliegt ferner die KonAngelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigtrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des keit im Parlamentarischen Kontrollgremium bekannt Landesamts für Verfassungsschutz; die Rechte des geworden sind. 3Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Landtags und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. Ausscheiden aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium. (2) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium besteht aus fünf Mitgliedern. 2Die Mitglieder des Parlamentari(2) 1 Das Parlamentarische Kontrollgremium tritt schen Kontrollgremiums werden zu Beginn jeder neuen mindestens einmal im Jahr zusammen. 2Jedes Mitglied Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte gewählt. 3In kann die Einberufung des Parlamentarischen Kontrollgleicher Weise wird für jedes Mitglied ein stellvertretengremiums verlangen. 3Das Parlamentarische Kontrolldes Mitglied gewählt. 4Gewählt ist, wer die Stimmen der gremium gibt sich eine Geschäftsordnung. 4Ferner obMehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint. liegt ihm die Wahl seiner bzw. seines Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden. (3) 1 Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Art. 3 Parlamentarischen Kontrollgremium; Absatz 4 bleibt Rechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums unberührt. 2Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein und Berichtspflichten der Staatsregierung neues Mitglied zu wählen; das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium (1) Das Staatsministerium der Justiz erstattet dem ausscheidet. 3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Parlamentarischen Kontrollgremium jährlich Bericht die stellvertretenden Mitglieder. nach Art. 48a AGGVG. 208 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) (2) 1 Das Staatsministerium des Innern erstattet dem 1. Art. 18 erhält folgende Fassung: Parlamentarischen Kontrollgremium jährlich Bericht nach Art. 34 Abs. 6 PAG und Art. 6 Abs. 7 BayVSG. "Art. 18 2 Die Berichterstattung nach diesen Vorschriften kann Parlamentarisches Kontrollgremium gesondert erfolgen. Die parlamentarische Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für (3) Das Staatsministerium des Innern unterrichtet 1 Verfassungsschutz erfolgt nach den Bestimmungen das Parlamentarische Kontrollgremium ferner regeldes Gesetzes zur parlamentarischen Kontrolle der mäßig umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach Landesamts für Verfassungsschutz und über Vorgänge Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der von besonderer Bedeutung. 2Darüber hinaus berichtet Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz es zu einem konkreten Thema aus dem Aufgaben- - Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz - vom bereich des Landesamts für Verfassungsschutz, sofern 10. Februar 2000 (BayRS 12-4-I)." das Parlamentarische Kontrollgremium dies verlangt. 3 Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung des Parlamen2. Art. l9 und 20 werden aufgehoben. tarischen Kontrollgremiums werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs (2) In Art. 3 des Gesetzes zur Ausführung des durch die politische Verantwortung der Staatsregierung Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) vom bestimmt. 11. Dezember 1984 (GVBl S. 522, BayRS 12-2-I), geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 24. August (4) 1 Das Staatsministerium des Innern erstattet dem 1990 (GVBl S. 323), werden die Worte "die ParlamenParlamentarischen Kontrollgremium ferner Bericht tarische Kontrollkommission für Angelegenheiten des nach Maßgabe des Art. 3 des Gesetzes zur Ausführung Verfassungsschutzes" durch die Worte "das Parlamendes Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10). 2Art. 2 tarische Kontrollgremium" ersetzt. AGG 10 bleibt unberührt. Art. 5 Art. 4 In-Kraft-Treten, Übergangsvorschrift Änderung von Gesetzen (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 2000 in Kraft. (1) Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (2) Die bestehende Parlamentarische Kontrollkom10. April 1997 (GVBl S. 70, BayRS 12-1-I), geändert mission übt ihre Tätigkeit im bisherigen Umfang bis durch SS 2 des Gesetzes vom 10. Juli 1998 (GVBl zur Bildung des Parlamentarischen Kontrollgremiums S. 383), wird wie folgt geändert: nach Art. l aus. Sachwortregister 209 Sachwortregister ABLE 184 Bund deutscher Patrioten (BDP) 36 Aktion Oder-Neiße (AKON) 47 Burgpost 75 Aktionsgruppe Horst Ludwig Meyer 122 AL-Gamaa al Islamiya (GI) 158 Castel del Monte Verlag 76 Al Quaeda 159 Courage 99 Antifa Kritik & Kampf (AKuK) 104 CRIMINON 184 Antifa-Offensive 1999 106 antifa-rundschau 96 Das Freie Forum 49 Antifaschistisches Aktionsbündnis Bayern Demokratische Front für die Befreiung (AABB) 104 Palästinas (DFLP) 163 Antifaschistische Aktion Passau (AA Passau) 105 Demokratische Partei Kurdistans/Irak Antifaschistische Aktion/Bundesweite (DPK/I) 151 Organisation (AA/BO) 104 Denk mit! 76 Antifaschistische Jugendfront (AJF) 104 Denk mit!-Verlag 76 Antifaschistisches Aktionsbündnis Der Aktivist 39 Nürnberg 126 Der neue Republikaner 27 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) 118 Der Scheinwerfer 76 Antiimperialistische Zellen (AIZ) 120 Deutsche Geschichte 76 Arbeiterbund für den Wiederaufbau Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 94 der KPD (AB) 99 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 48 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 145 Deutsche National-Zeitung (DNZ) 42 Arbeitsgemeinschaft Autonome Gruppen in und bei der PDS 87 Deutsche Stimme (DS) 34 Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen in Deutsche Stimme EXTRA 34 und bei der PDS (AG Junge GenossInnen) 88 Deutsche Volksunion (DVU) 42 Artgemeinschaft 76 Deutsche Volksunion e.V. 47 Autonome 102 Deutsche Wochen-Zeitung (DWZ) 42 Autonome Antifa (M) 104 Deutscher Bund (DB) 75 Autonome Antifa Passau (AA Passau) 103 Deutsches Kolleg (DK) 76 Devrimci Sol 139 bambule 109 Dianetik nach L. Ron Hubbard 168 barricada 109 Die Artgemeinschaft - Germanische Befreiungsarmee von Kosovo (UCK) 161 Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) 158 Lebensgestaltung (Artgemeinschaft) 76 Bewaffnete Widerstand Aktion (BWA) 120 Die Freunde im Ausland (DFiA) 72 Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft Die Republikaner (REP) 27 (BDVG) 41 DISPUT 81 Bolschewistische Partei NordDruckschriftenund Zeitungsverlag GmbH kurdistan/Türkei (BP-KK/T) 166 (DSZ-Verlag) 51 210 Sachwortregister Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Info-Läden der Autonomen 107 Schutz der Frontsoldaten 47 Informationsstelle Kurdistan e.V. (ISKU) 153 Europäische Frontzentrale (ACM) der PKK 147 Initiative für Ausländerbegrenzung (I.f.A.) 47 Institute for Historical Review (IHR) 72 Fight the Power 109 Internationale Islamische Front 159 Föderation der Arbeiter aus der Türkei INTERIM 108 in Deutschland e.V. (ATIF) 143 Iranische Moslemische StudenFöderation der Arbeiterimmigranten aus ten-Vereinigung Bundesrepublik der Türkei in Deutschland e.V. (AGIF) 144 Deutschland e.V. (IMSV) 161 Föderation der demokratischen Rechte Islamische Bewegung Kurdistans (KIH) 165 in Deutschland (ADHF) 144 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. 157 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) 132 der Bundesrepublik Deutschland e.V. Islamische Heilsarmee (AIS) 158 (FEYKA-Kurdistan) 164 Islamische Heilsfront (FIS) 158 Föderation der Türkisch-Demokratischen Islamisches Zentrum München 157 Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) 137 Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) 147 Jihad Islami 159 Frankens Widerstand 63 Journal of Historical Review 72 Freie Nationalisten 54 Jugend gegen Rassismus (JgR) 104 Freiheit 168 Jugendverband 'solid 90 Freiheitlicher Volks Block (FVB) 51 Junge Nationaldemokraten (JN) 39 Freizeitverein Isar e.V. (FZV) 56 Freundeskreis Ulrich von Hutten 50 Kalifatsstaat 135 Front National (FN) 73 Kameradschaften 55 Fünf-Punkte-Papier der PDS 82 Katakomben-Akademie 55 FVB-Spiegel 51 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte (KVPM) 184 Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) 99 GEGENSTANDPUNKT 100 Kommunistische Partei Deutschlands "Germania"-Rundbrief 72 (KPD/DDR) 87 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 49 Kommunistische Plattform (KPF) 87 graswurzelrevolution 108 Kommunistische Plattform Ortsgruppe München 91 Haus der kurdischen Künstler e.V. 165 Kommunistische Plattform Heimattreue Vereinigung Deutschlands Regionalgruppe Nürnberg 91 (HVD) 51 Konföderation der Arbeiter aus der Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) 135 Türkei in Europa (ATIK) 143 Hilfsorganisation für nationale politische Konföderation der demokratischen Rechte Gefangene und deren Angehörige e.V. in Europa (ADHK) 144 (HNG) 75 Kurdischer Nationalkongress (KNK) 151 Hizb Allah 159 Kurdischer Roter Halbmond (HSK) 165 Huttenbriefe 50 Kurdisches Exilparlament 152 Sachwortregister 211 Kurdistan Informationsbüro in Nationale Befreiungsfront Kurdistans Deutschland (KIB) 164 (ERNK) 147 Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) 164 Nationale Info-Telefone (NIT) 57 Kurdistan-Komitee e.V., Köln 164 Nationaler Block (NB) 40 Kurdistan-Solidaritätsgruppen 151 Nationaler Widerstand 38 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 160 lernen und kämpfen (luk) 98 National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zei"Leuchter-Bericht" 71 tung (NZ) 42 LIBERTAD 119 Neues Deutschland (ND) 81 Libertäres Forum bei der PDS 87 Nordbayerischer Landbote 124 Linksruck 125 Nordische Zeitung (NZ) 76 Linksruck-Netzwerk 101 Nordland-Netz 58 NS Kampfruf 73 Marxistisch-Leninistische Kommunistische NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation Partei (MLKP) 144 (NSDAP-AO) 73 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 98 Odal-Verlag 76 Marxistische Blätter 124 Office of Special Affairs (OSA) 185 Marxistische Gruppe (MG) 100 Operation Snow White 169 Marxistisches Forum (MF) 89 Organisierte Autonomie (OA) 104 MED-TV 148 Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) 143 MEDYA-TV 148 Mensch und Maß 76 Partei der Demokratischen Vereinigung Mitteilungen der Kommunistischen (PBD) 162 Plattform der PDS 124 Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 138 Münchner Bündnis gegen Rassismus 101 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 81 Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitee 126 Partei für den Demokratischen Fortschritt Muslimbruderschaft (MB) 157 Kosovos (PPDK) 162 PARTISAN 109 Nachrichten der HNG 75 Partizan-Flügel 143 Nachrichten-Informationen-Meinungen Patriotische Union Kurdistans (PUK) 151 (NIM) 54 PDS-Pressedienst 81 NARCONON 184 Plattform der Vereinten Revolutionären Nation Europa Verlag GmbH 52 Kräfte (DBGP) 145 Nation & Europa - Deutsche Monatshefte 52 position 97 Nation-Europa-Freunde e.V. 52 Pro.K - Zeitung des Revolutionären Aufbau München 118 National Journal 72 Proletarischer Internationalismus 93 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 34 Nationaldemokratischer Hochschulbund radikal 108 (NHB) 75 REBELL 99 Nationale Befreiungsarmee (NLA) 160 Revisionismus 70 212 Revolutionärer Aufbau München 118 Union der Journalisten Kurdistans (YRK) 165 Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front Union der Jugendlichen aus Kurdistan (YCK) 147 (DHKP-C) 139 Union der patriotischen Arbeiter Revolutionäre Zellen (RZ) 122 Kurdistans (YKWK) 165 Revolutionär-Sozialistischer Bund/IV. InterUnion islamischer Studentenvereine nationale (RSB) 94 in Europa (U.I.S.A.) 164 rote antifa nürnberg (ran) 104 Union zur Pflege der kurdischen Kultur Rote Armee Fraktion (RAF) 121 und Kunst (YRWK) 165 Unsere Zeit (UZ) 94 Rote Fahne 98 UTOPIE - kreativ - Diskussion sozialistischer Rote Zora 122 Alternativen 81 "Rudolf-Gutachten" 71 Rudolf-Heß-Aktionswochen 58 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB) 135 Samisdat Publishers Ltd. 72 Verband der StudentInnen aus Kurdistan Schutzbund für das Deutsche Volk e.V. (YXK) 165 (SDV) 76 Verein für Arbeiterbildung Nordbayern 124 Scientology-Organisation (SO) 168 Vereinigung der neuen Weltsicht Skinheads 59 in Europa e.V. (AMGT) 132 Skinheads Allgäu 60 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen 'solid - die sozialistische Jugend 90 und Antifaschisten (VVN-BdA) 96 Soziale Volkspartei (SVP) 36 Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 101 Sozialismus von unten 125 Verein zur Förderung des antifaschistischen Sozialistische Alternative VORAN (SAV) 125 Bewusstseins junger Menschen e.V. 111 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 101 Verlag Hohe Warte - Franz von Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend Bebenburg KG 76 (SDAJ) 97 VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH 76 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Vierteljahreshefte für freie Geschichts(SED) 81 forschung (VffG) 72 Sozialistische Zeitung (SoZ) 125 Vlaams Blok (VB) 53 Staatsbriefe 76 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 146 Volksbewegung von Kosovo (LPK) 161 Thule-Netz 58 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 163 TITEL - Informationsforum der PDS Bayern 81 Volksfront für die Befreiung Palästinas Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungs- - Generalkommando - (PFLP-GC) 163 armee (TIKKO) 143 Volksmodjahedin 160 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 143 Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) 72 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP-C Devrimci Sol) 139 WISE 183 Tugendpartei (FP) 133 Wohlfahrtspartei (RP) 133 Union der Aleviten aus Kurdistan (KAB) 165 Zusammen-Aktiv-Kämpfen (Z.A.K.) 113 Union der freien Frauen aus Kurdistan (YAJK) 165 Zusammen Kämpfen (ZK) 104