Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern, Odeonsplatz 3, 80539 München Druck: Color-Offset GmbH, Geretsrieder Straße 10, 81379 München Stand: März 1998 Gedruckt auf Recyclingpapier aus 100% Altpapier Vorwort Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaats Bayern haben eine wertgebundene demokratische Staatsordnung geschaffen. Sie stellt ausdrücklich die Freiheit des Bürgers in den Mittelpunkt. Nie zuvor in der deutschen Geschichte und auf deutschem Boden war die Freiheit des einzelnen in so großem Maße garantiert. Damit diese Freiheit nicht von ihren Gegnern wie in der Vergangenheit mißbraucht und letztlich beseitigt werden kann, wurde die Staatsordnung streitbar und abwehrbereit ausgestaltet. Einen wichtigen Beitrag zum Schutz unserer Demokratie vor ihren Feinden leistet hierbei der jährlich erscheinende Verfassungsschutzbericht. Die geistig-politische Auseinandersetzung mit extremistischem Gedankengut kann nur dann mit Aussicht auf Erfolg geführt werden, wenn Klarheit über die wirklichen Ziele und Absichten derer besteht, die Grundprinzipien der Verfassung bekämpfen. Mit dem Verfassungsschutzbericht informiert das Bayerische Staatsministerium des Innern die Öffentlichkeit darüber, von welchen Gruppierungen und in welchem Umfang der freiheitliche demokratische Rechtsstaat aktuell bedroht ist. Da extremistische Organisationen ihre Zielsetzung und Tätigkeit oftmals hinter unverfänglich klingenden Namen und Aktionsbündnissen tarnen, kann dieser Bericht insbesondere auch politisch engagierten Bürgerinnen und Bürgern helfen, nicht ungewollt Verfassungsfeinde in ihren Bestrebungen zu unterstützen. Der Bericht gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Arbeit des Verfassungsschutzes bei der Beobachtung des politischen Extremismus, der Spionageabwehr, der Beobachtung von Bestrebungen der Organisierten Kriminalität und auch der Scientology-Organisation in Bayern im Jahr 1997. Er zeigt wiederum, daß Extremisten nicht in der Lage waren, unsere Staatsordnung ernsthaft zu gefährden. Allerdings haben im Vergleich zum Vorjahr die politisch motivierten Gewalttaten wieder zugenommen. Sorge bereitet vor allem auch der Anstieg rechtsextremistischer Aktivitäten. Die aktuellen Zahlen geben Anlaß zu größter Wachsamkeit. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz danken wir für ihre engagierte Arbeit. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung unserer freien Ordnung. München, im März 1998 ' Dr. Günther Beckstein Hermann Regensburger Staatsminister Staatssekretär 4 Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz in Bayern Einführung 12 1. Gesetzliche Grundlagen 13 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes 13 3. Informationsbeschaffung 14 4. Kontrolle 15 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes 16 1. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines 19 1.1 Merkmale des Rechtsextremismus 19 1.2 Entwicklung 20 2. Die Republikaner (REP) 23 2.1 Ideologisch-politischer Standort 23 2.2 Verstöße gegen den offiziellen Abgrenzungskurs 24 2.3 Organisation 26 2.4 Teilnahme an Wahlen 27 2.5 Aktivitäten in Bayern 27 2.6 Verwaltungsgerichtsverfahren 29 3. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 29 3.1 Ideologisch-politischer Standort 29 3.2 Organisation 32 3.3 Teilnahme an Wahlen 34 3.4 Sonstige Aktivitäten 34 3.5 Strafverfahren 37 3.6 Junge Nationaldemokraten (JN) 37 4. Deutsche Volksunion (DVU) 40 4.1 Ideologisch-politischer Standort 40 4.2 Organisation 45 4.3 Bündnispolitik 46 4.4 Teilnahme an Wahlen 46 4.5 Sonstige Aktivitäten 47 5. Neonazismus 48 Inhaltsverzeichnis 5 5.1 Allgemeines 48 5.2 Freiheitlicher Volks Block (FVB) 50 5.3 Deutscher Bund e.V. (DB) 51 5.4 Neonazistisches Potential bei Skinheads 51 5.5 Aktionen zum 10. Todestag von Rudolf Heß (17. August) 54 5.6 Aktivitäten ehemaliger FAP-Funktionäre 55 5.7 Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 56 6. Sonstige rechtsextremistische Organisationen 57 6.1 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 57 6.1.1 Ideologisch-politischer Standort 57 6.1.2 Organisation 58 6.1.3 Aktivitäten 59 6.2 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 60 6.3 Freundeskreis Ulrich von Hütten e.V. 61 6.4 Deutsches Kolleg (DK) 61 6.5 Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung (Artgemeinschaft) 62 7. Revisionismus-Kampagne 63 7.1 Ziele und Methoden 63 7.2 Entwicklung 63 7.3 Träger der Revisionismus-Kampagne 64 8. Organisationsunabhängige Publizistik 67 8.1 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) 67 8.2 Nation Europa Verlag GmbH 68 9. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus 69 9.1 NSDAP-Auslands-und Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 69 9.2 Verlag Samisdat Publishers Ltd 71 9.3 Kontakte zur französischen Front National (FN) 72 10. Nutzung moderner Informationstechnologien durch Rechtsextrem isten 72 10.1 Internet 72 10.2 Mailboxen 74 10.3 Nationale Info-Telefone (NIT) 76 10.4 Strafverfahren 77 10.5 Ausblick 77 11. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 78 6 Inhaltsverzeichnis 2. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines ; 80 1.1 Merkmale des Linksextremismus 80 1.2 Entwicklung in Bayern 81 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 83 2.1 Überblick 83 2.2 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 83 2.2.1 Ideologische Ausrichtung 83 2.2.2 Organisation 92 2.2.2.1 Bundesweite Gliederung 92 2.2.2.2 Landesverband Bayern 94 2.2.3 Plattformen und Arbeitsgemeinschaften 96 2.2.3.1 Kommunistische Plattform (KPF) 97 2.2.3.2 Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS 100 2.2.3.3 Marxistisches Forum 102 2.2.4 Teilnahme an Wahlen 103 2.2.5 Zusammenarbeit mit inund ausländischen Linksextremisten 103 2.2.5.1 Kommunistischer Internationalismus 103 2.2.5.2 Inländische Zusammenarbeit 107 2.2.5.3 Erfurter Erklärung 109 2.3 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 110 2.3.1 Ideologische Ausrichtung 110 2.3.2 Organisation 114 2.3.3 Teilnahme an Wahlen 115 2.3.4 Umfeld der DKP 115 2.4 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD).. 117 2.5 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 118 2.6 Marxistische Gruppe (MG) 119 3. Münchner Bündnis gegen Rassismus 120 4. Autonome 121 4.1 Überblick 121 4.2 Ideologische Ausrichtung und Agitationsschwerpunkte 121 Inhaltsverzeichnis 7 4.3 Autonome Strukturen 124 4.3.1 Autonome in Bayern 124 4.3.2 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) 126 4.3.3 Bemühen um Jugendliche und Heranwachsende 127 4.3.4 Informationelle Vernetzung 131 4.3.5 Internationale Verbindungen 131 4.4 Autonome Publikationen 132 4.5 Aktivitäten autonomer Gruppen in Bayern 135 4.5.1 Autonome München 135 4.5.2 Autonome Nürnberg 137 4.5.3 Autonome Passau 139 4.6 Autonome Bündnisse 141 4.7 Entwicklungstendenzen 142 5. Linksextremistischer Einfluß auf die Antikernkraftbewegung 143 5.1 Entwicklung im Bundesgebiet 143 5.2 Entwicklung in Bayern 145 5.3 Ausblick 147 6. Nutzung moderner Kommunikationsmittel durch Linksextremisten 148 7. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 151 3. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines 154 2. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 156 2.1 Ideologie und Organisation 156 2.2 Unterstützer und Strategie 160 2.3 Aktivitäten 163 2.4 Exekutivmaßnahmen und Strafverfahren 165 3. Türkische Gruppen 167 3.1 Linksextremisten 167 8 Inhaltsverzeichnis 3.1.1 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 167 3.1.2 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 168 3.1.3 Marxistisch-leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 170 3.2 Extreme Nationalisten 171 3.3 Islamische Extremisten 172 3.3.1 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) 172 3.3.2 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB) 175 4. Algerische Gruppen 177 5. Iranische Gruppen 178 6. Volksbewegung von Kosovo (LPK) 181 7. Nutzung des Internets durch extremistische Ausländerorganisationen 182 7.1 Linksextremisten 182 7.2 Extreme Nationalisten 183 7.3 Islamische Extremisten 183 8. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 184 4. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) 1. Zur Geschichte der SO 188 2. Scientology - eine verfassungsfeindliche Bestrebung ... 191 2.1 Aussteigerberichte 191 2.2 SO-Schriften und Aktivitäten 192 2.2.1 Die Errichtung einer scientologischen Gesellschaft 192 2.2.2 Die Lenkung der Regierung durch Scientology 193 2.2.3 Die Einführung eines scientologischen Rechtssystems.. 195 2.2.4 Abwehr von Kritik an Lehre und Praxis 196 3. Die Organisations-und Kommandostruktur der SO .... 198 3.1 Die Struktur der SO 198 3.2 Organisationen der SO in Deutschland 200 3.2.1 Scientology-Sektor 202 3.2.1.1 "Scientology Kirchen" 202 Inhaltsverzeichnis 9 3.2.1.2 "Missionen" der "Scientology Kirche" 203 3.2.1.3 Celebrity Centres der "Scientology Kirche" 203 3.2.2 WISE-Sektor 203 3.2.3 ABLE-Sektor 204 3.3 Die Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte (KVPM) 204 3.4 Office of Special Affairs (OSA) in Deutschland 205 4. Mitgliederstand der SO 205 5. Mitgliederwerbung der SO 205 6. Veranstaltungen in Bayern 206 7. Reaktionen der SO auf die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden 207 8. Propaganda-Aktivitäten von Scientology 207 8.1 Demonstration der SO in Frankfurt am Main am 21. Juli 208 8.2 Beschwerdeschreiben der SO an Justiz und Legislative 208 8.3 Demonstration der SO in Berlin am 27. Oktober 209 9. Vertrauliches Telefon 209 5. Abschnitt Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 1. Entwicklung im Bundesgebiet 211 1.1 Rechtsextremistische Gewalt 213 1.2 Linksextremistische Gewalt 216 1.3 Gewalt zwischen Links-und Rechtsextremisten 218 1.4 Gewalttaten ausländischer Extremisten und Strafverfahren 219 2. Politisch motivierte Gewalt in Bayern 225 2.1 Rechtsextremistische Gewalt 226 2.1.1 Brandanschläge 227 2.1.2 Sonstige Gewalttaten 228 2.2 Linksextremistische Gewalt 230 2.2.1 Brandanschläge 231 2.2.2 Sonstige Straftaten 231 2.3 Gewalt zwischen Links-und Rechtsextremisten 234 10 Inhaltsverzeichnis 2.4 Gewalttaten durch ausländische Extremisten 236 2.4.1 Tötungsdelikte und Brandanschläge 236 2.4.2 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 237 2.4.2.1 Straftaten der PKK 237 2.4.2.2 Festnahmen und Strafverfahren 239 2.4.3 Sonstige Gewalttaten und Exekutivmaßnahmen 239 3. Die Rote Armee Fraktion (RAF) und ihr ideologisch nahestehende Terrorgruppen 240 3.1 Terrorgruppe Rote Armee Fraktion (RAF) 240 3.1.1 Entwicklung der RAF 240 3.1.2 Aufarbeitung der "RAF-Geschichte" unter dem Motto "20 Jahre Deutscher Herbst" 241 3.1.3 Mutmaßliche Mitglieder der RAF stellen sich 242 3.1.4 Inhaftierte terroristische Gewalttäter 242 3.2 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) 243 3.2.1 Antiimperialistische Zelle (AIZ) 243 3.2.2 Internationale Zusammenhänge im antiimperialistischen Widerstand 244 3.2.3 Solidaritätsveranstaltungen zum "Tag der politischen Gefangenen" 247 3.3 Revolutionäre Zellen (RZ) und Frauengruppe Rote Zora 247 3.4 Ausblick 248 6. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage 250 2. Rußlands Spionageaktivitäten 251 3. Proliferation und illegaler Technologietransfer durch Krisenund Schwellenländer 251 4. Aufklärung ausländischer, zu ihrer Heimat in Opposition stehender Personen und Gruppen in Deutschland durch Nachrichtendienste totalitärer Staaten 253 5. Entwicklung auf dem Balkan 254 6. Stetige Anpassung der angewandten Spionagemethoden 254 7. Ausblick 256 Inhaltsverzeichnis 11 7. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Aufgabe des Verfassungsschutzes 257 2. Besondere Eignung des Verfassungsschutzes 257 3. Erfolge der bisherigen Arbeit 261 4. Ausblick 261 Anhang Entwicklung der Mitgliederzahlen extremistischer Organisationen 262 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 263 Sachwortregister 271 12 Einführung Verfassungsschutz in Bayern Einführung Wehrhafte Die Bundesrepublik Deutschland ist nach ihrer Verfassung eine wertDemokratie gebundene, wachsame und wehrhafte Demokratie. Der Staat kann gegen Bestrebungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen, die in der Verfassung vorgesehenen Abwehrmittel einsetzen, sei es durch ein Parteioder Vereinsverbot, sei es durch die Aberkennung demokratischer Grundrechte. Dies setzt voraus, daß er solche Bestrebungen oder Aktivitäten, die als "extremistisch" oder als "verfassungsfeindlich" bezeichnet werden - diese Begriffe sind gleichbedeutend -, erkennen kann. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes ein. Er dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie dem Schutz des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Freiheitliche Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter demokratische der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Ordnung zu Grundordnung verstehen, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören mindestens: - die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, - die Volkssouveränität, - die Gewaltenteilung, - die Verantwortlichkeit der Regierung, - die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, - die Unabhängigkeit der Gerichte, - das Mehrparteienprinzip, - die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Einführung 13 1. Gesetzliche Grundlagen Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzRechtliche lieh genau festgelegt. Das Gesetz über die Zusammenarbeit des BunGrundlagen des und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt die von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben. Es ist zugleich Rechtsgrundlage für die Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz. Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Ländern eigene Verfassungsschutzgesetze. In Bayern regelt das im Anhang abgedruckte Bayerische Verfassungsschutzgesetz die Aufgaben und Befugnisse des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, das seinen Sitz in München hat und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnet ist. Für das Landesamt wurden im Haushaltsplan 1997 insgesamt 421 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter ausgewiesen; das Haushaltsvolumen 1997 betrug 38,1 Millionen DM. 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes Nach dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz hat das Landesamt Beobachtungsfür Verfassungsschutz im wesentlichen den Auftrag, auftrag - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, - sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (Sabotage und Spionage), - Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und - Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität zu beobachten. Darüber hinaus wirkt das Landesamt für Verfassungsschutz u.a. bei Sicherheitsüberprüfungen mit. Rechtsgrundlage hierfür ist seit dem 1. April 1997 das Bayerische Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Im Mittelpunkt der Beobachtung stehen Aktivitäten von extremistischen Organisationen. Dabei müssen zwangsläufig auch die handelnden Personen, die Mitglieder dieser Organisationen sind oder die 14 Einführung deren Aktivitäten unterstützen, erfaßt werden. Aber auch die Beobachtung von Einzelpersonen ist zulässig. Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland. Er informiert die politisch Verantwortlichen und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Beobachtung, vor allem über mögliche Gefahren. Er versetzt die zuständigen staatlichen Stellen des Bundes und der Länder in die Lage, verfassungsfeindlichen Kräften rechtzeitig und angemessen zu begegnen. Die Erkenntnisse bilden die Grundlage für Exekutivmaßnahmen wie beispielsweise Verbote von Vereinen, Verbotsanträge gegen Parteien, Verbote von Versammlungen, Verhinderung finanzieller oder sonstiger Förderung, Verweigerung erforderlicher Erlaubnisse (z.B. für Sammlungen, Info-Stände). Abgrenzung zu Im Gegensatz zum Verfassungsschutz beschafft der BundesnachrichBND und MAD tendienst (BND) Informationen über das Ausland, die für die Bundesrepublik Deutschland außenund sicherheitspolitisch von Interesse sind. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) nimmt Verfassungsschutzaufgaben im Bereich der Bundeswehr wahr. 3. Informationsbeschaffung Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz verpflichtet, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil aus offenen Quellen gewonnen (z.B. aus Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern, Programmen, Broschüren und sonstigem Material extremistischer Organisationen sowie bei deren öffentlichen Veranstaltungen). Nur etwa 20% der Informationen erhält der Verfassungsschutz durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel. Zu diesen Mitteln dienstliche Mittel gehören im wesentlichen: - der Einsatz von verdeckt arbeitenden V-Leuten ("V" steht für "Vertrauen") in extremistischen Organisationen, - das Beobachten verdächtiger Personen (Observation) sowie - verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen. Eingriffe in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis (Öffnen von Briefen, Abhören von Telefongesprächen) sind besonders strengen rechtsstaatlichen Anforderungen unterworfen. Sie sind in einem Einführung 15 eigenen Gesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des Brief-, PostBriefund und Fernmeldegeheimnisses "Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz" (G 10) Telefonkontrolle genannt wird. Ein Verfahren mit mehreren voneinander unabhängigen Kontrollinstanzen stellt sicher, daß in dieses Grundrecht nur eingegriffen wird, wenn die im Gesetz genannten besonderen Gründe vorliegen. Rechtsstaatliche Sicherungen gelten auch für den Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes, also für den Einsatz von Abhörgeräten oder versteckten Kameras in Wohnungen und Büros. Dem Verfassungsschutz stehen keine polizeilichen Befugnisse zu. Keine polizeiPolizeibehörden und Verfassungsschutz sind voneinander getrennt. lichen Befugnisse Deshalb dürfen die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes keinerlei Zwangsmaßnahmen, wie z.B. Festnahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen usw., durchführen. Verfassungsschutzbehörden dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Dies steht aber einer Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung in Form der Amtshilfe nicht entgegen. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Sicherheitsbehörde unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 4. Kontrolle Die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden unterliegt einer vielVielfältige fältigen Kontrolle. Dazu gehört die allgemeine parlamentarische Kontrollen Kontrolle, die durch die Berichtspflicht des verantwortlichen Ministers gegenüber dem Landtag im Rahmen von aktuellen Stunden, Anfragen von Abgeordneten, Petitionen usw. ausgeübt wird. Eine besondere Kommission des Bayerischen Landtags, die Parlamentarische Kontrollkommission, überwacht die Arbeit des Verfassungsschutzes. Die G 10-Kommission überprüft die Maßnahmen zur Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs. Die Verwaltungskontrolle obliegt dem Innenminister im Rahmen der Dienstund Fachaufsicht, ferner dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und dem Bayerischen Obersten Rechnungshof. Diese Kontrollen werden ergänzt durch eine mögliche gerichtliche Nachprüfung belastender Einzelmaßnahmen sowie durch die Öffentlichkeit in Form von Presse, Funk und Fernsehen. 16 Einführung 5. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes AufklärungsDie freiheitliche demokratische Grundordnung kann dauerhaft nicht tätigkeit ohne die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus gesichert werden. Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes gewährleistet, daß Regierung und Parlament, aber auch die Bürger über Aktivitäten und Absichten verfassungsfeindlicher Organisationen informiert werden. In Bayern werden die Aufgaben des "Verfassungsschutzes durch Aufklärung" vom Bayerischen Staatsministerium des Innern mit Unterstützung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz wahrgenommen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit werden kostenlos der Verfassungsschutzbericht sowie weitere Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Vor dem Hintergrund der Zunahme überwiegend politisch motivierter Gewalttaten gegen Ausländer und ihre Unterkünfte beschlossen die AufklärungsInnenminister des Bundes und der Länder 1992 eine bundesweite kampagne Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Fremdenfeindlich- Einführung 17 keit. Ziel dieser im März 1993 mit dem Logo "FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß" eingeleiteten und auch im Jahr 1997 fortgeführten Kampagne ist die Aufklärung der Bevölkerung über den Extremismus und ..""^""g seine Gefahren, über Fremdenfeindlichkeit, über Rassismus und Antisemitismus als ' Elemente rechtsextremistischer Ideologie und Propaganda. Im Rahmen dieser Aufklärungskampagne wurden in Bayern im Jahr 1997 u.a. 11.000 CD-ROM-Computerspiele "Im Netzwerk gefangen - DUNKLE SCHATTEN 2" kostenlos abgegeben. Das Bayerische Staatsministerium des Innern stellte zur Aufklärung über extremistische Bestrebungen und über die Arbeit des Verfassungsschutzes darüber hinaus eigene Publikationen vor: Die Broschüren der seit 1995 bestehenden Reihe "DER VERFASSUNGSSCHUTZ &ll 1**deg? * * *Srmn j j j i i i l i DEMO""TI" * * PS Hfl REVISI NISMU 18 Einführung INFORMIERT" mit den Themen "Kurdischer Extremismus", "Islamischer Extremismus" und "Revisionismus" wurden in unveränderter dritter Auflage mit jeweils 5.500 Heften nachgedruckt. Ergänzt wurde diese Reihe um die Publikation "SCIENTOLOGY - eine verfassungsfeindliche Bestrebung" mit einer Auflage von 23.500 Exemplaren. Von der erstmals 1995 vorgestellten Broschüre "Portrait eines Nachrichtendienstes" wurden 1997 weitere 6.000 Exemplare kostenlos verteilt. Eine Faltblattreihe informiert in knapper und übersichtlicher Form über wesentliche Erscheinungsformen des Extremismus. Teil der Öffentlichkeitsarbeit ist auch dieser Verfassungsschutzbericht. Rechtsextremismus 19 1. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus weist keine gefestigte einheitliche Ideologie Ablehnung der auf, ganz im Gegensatz zum Linksextremismus, der mit dem MarxisGrundlagen der mus-Leninismus bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Demokratie Machtblocks über ein weitgehend geschlossenes ideologisches Weltbild verfügte. Die Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen in Deutschland sind im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß sie die Grundlagen der Demokratie ablehnen und - aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt - statt dessen eine totalitäre Regierungsform unter Einschluß des Führerprinzips anstreben, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist. Bestimmende Merkmale des organisierten Rechtsextremismus sind vor allem - die pauschale Überbewertung der Interessen der "VolksgemeinKollektivismus schaff zu Lasten der Interessen und Rechte des einzelnen, die eine Aushöhlung der Grundrechte bedeutet (völkischer Kollektivismus), - ein den Gedanken der Völkerverständigung mißachtender NatioNationalismus nalismus, - die offene oder verdeckte Wiederbelebung des Antisemitismus Rassismus und anderer rassistischer Thesen, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, - immer wiederkehrende Versuche, die nationalsozialistische GewaltVerharmlosung herrschaft unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des des NS-Unrechts Dritten Reiches zu rechtfertigen, die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige VerunVerunglimpfung glimpfung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten, der Demokratie 20 Rechtsextremismus Ziel dieser Angriffe ist es, die eigene Organisation und ihre Repräsentanten als die alleinigen Wahrer der Interessen von Staat und Bürgern darzustellen, was im Ergebnis auf die Ablehnung des Mehrparteienprinzips und des Rechts auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition hinausläuft. Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen Rechtsextremisten zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Mittel des Kampfes gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. 1.2 Entwicklung Die Entwicklung der Zahl rechtsextremistischer Organisationen in Bayern und ihrer Mitgliederstärken ist aus der folgenden Übersicht zu ersehen. Bei erkannten Mehrfachmitgliedschaften wurde die Person nur bei einer Organisation mitgezählt. Zahl und Mitgliederstärke 1995 1996 1997 rechtsextremistischer OrganiAnzahl der Organisationen 23 26 25 sationen Mitgliederstärken Die Republikaner (REP) 4.000 4.000 4.300 NPD mit JN und NHB 790 715 740 DVU* 2.000 1.800 1.800 Neonazistische Organisationen 65 85 130 Sonstige Organisationen 360 300 250 7.215 6.900 7.220 Neonazistische Einzelaktivisten 45 75 80 Rechtsextremistische Skinheads 325 360 600 Rechtsextremisten insgesamt 7.585 7.335 7.900 Die Zahlen umfassen die Mitglieder der Partei und des gleichnamigen Vereins. Rechtsextremismus 21 Wie bisher stellte die Partei "Die Republikaner" (REP) in Bayern mehr als die Hälfte des gesamten rechtsextremistischen Potentials. Ihre Mitgliederzahl hat sich gegenüber dem Vorjahr erhöht. Insgesamt ist nahezu durchgängig ein Mitgliederzuwachs bei den rechtsextremistischen Organisationen und Parteien zu verzeichnen. Während in früheren Jahren das Thema "Überfremdung" und die ideologische rassistisch motivierte Hetze gegen Ausländer und Asylanten dominieNeuorientierung rende Bestandteile rechtsextremistischer Propaganda waren, greifen Rechtsextremisten seit 1996 zunehmend sozialund wirtschaftspolitische Fragen auf. Diese Neuorientierung bedeutet zwar nicht den völligen Verzicht auf bekannte Argumentationsmuster wie Nationalismus und NS-Apologie, aber eine neue Gewichtung. Durch Verknüpfung sozialer Problemfelder mit rechtsextremistischen Theorieelementen hoffen Rechtsextremisten, aus der derzeitigen wirtschaftlichen Situation, der hohen Arbeitslosigkeit und den Sorgen der Bevölkerung um die Sicherheit der Renten Kapital schlagen zu können und in der allgemeinen politischen Auseinandersetzung akzeptiert zu werden. So rufen sie zum Widerstand gegen die "kapitalistische Ausbeutungspolitik" und die "Zerstörung des Sozialstaates" auf. Dabei sehen sie vor dem Hintergrund einer von ihnen erwarteten Zunahme sozialer Spannungen eine Chance, sich als politische Alternative zu präsentieren. 22 Rechtsextremismus Teilnahme an Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg am 21. September verhinWahlen derte nur die Zerstrittenheit der kandidierenden rechtsextremistischen Parteien einen möglichen Erfolg des Rechtsextremismus. Die REP mußten mit nur 1,9 % der Stimmen (1993: 2,9 %) eine Wahlniederlage hinnehmen. Dagegen profitierte die Deutsche Volksunion (DVU) von den Verlusten der REP und erzielte vor allem aufgrund ihres hohen finanziellen Aufwands ein überraschend gutes Ergebnis mit 4,9 % (1993: 2,8 %). Für die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) stimmten lediglich 0,1 % der Wähler. Unverändertes In den öffentlichen Verlautbarungen der REP werden Aussagen mit extremistisches eindeutig extremistischer Zielsetzung seltener. Die REP-BundesPotential führung lehnt offiziell eine Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten ab. Dennoch kam es zur Teilnahme einzelner Funktionäre an "Runden Tischen" rechtsextremistischer Gruppierungen. Nach wie vor gibt es innerhalb der REP ein rechtsextremistisches Potential, dessen Hauptakteure auf allen Parteiebenen Unterstützung für ihre Ziele und Positionen finden. Auffallend verschärft haben sich die Aussagen der NPD. Das Engagement von Neonazis bei ihrer Jugendorganisation ist weiter gestiegen. Erfolglose BundDas rechtsextremistische Lager ist nach wie vor zersplittert. Versuche nisbemühungen einer Bündelung der "rechten" Kräfte blieben ohne nennenswerten Erfolg, zumal der DVU-Vorsitzende Dr. Gerhard Frey nach wie vor kein ernstzunehmendes Interesse an einer rechtsextremistischen Allianz hat. Außerdem sind durch den offiziellen Abgrenzungskurs der REP die Chancen für eine Einigung des rechtsextremistischen Spektrums erheblich gesunken. Neonazismus Die Anzahl der neonazistischen Aktivisten ist gestiegen. Die festgestellte höhere Personenzahl beruht aber auch auf einer verbesserten Erkenntnislage. Die organisierten Aktivitäten sind weiter rückläufig; eine Ausnahme bildet lediglich der "Freiheitliche Volks Block" (FVB). Bisher ist es dem neonazistischen Spektrum in Bayern nicht gelungen, durch Bildung strukturloser Zusammenschlüsse auf regionaler Ebene ("Kameradschaften") neue schlagkräftige Organisationsformen zu finden. Die "Kameradschaften" leiden unter Inaktivität. nformationelle Fortlaufende Verbesserungen in der Informationstechnik mit immer /ernetzung höheren Übertragungsgeschwindigkeiten zu relativ niedrigen Kosten haben die informelle Vernetzung auch im rechtsextremistischen Bereich erheblich gefördert. Info-Telefone, Mailboxverbundsysteme und das Internet als die wichtigsten modernen Kommunikations- Rechtsextremismus 23 Systeme erlauben es, schnell und ohne größeren technischen Aufwand weltweit Informationen auszutauschen. In der rechtsextremistischen Szene werden militante Verhaltensweisen weiterhin diskutiert. Es gibt aber nach wie vor keine Hinweise auf terroristische Strukturen; insbesondere fehlt ein entsprechendes Sympathisantenumfeld. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten, insbesondere der fremZunahme der denfeindlichen Gewalttaten war ansteigend. Obwohl der RechtsGewalttaten extremismus für unseren Staat derzeit keine akute Bedrohung bedeutet, gefährdet er oftmals die öffentliche Ordnung und das internationale Ansehen Deutschlands. Er ist Brutstätte menschenverachtender Gewalt und Nährboden für Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und nationalistische Exzesse. Rechtsextremistisch motivierte Gewalt gefährdet zwar nicht die Verfassungsordnung; sie stellt aber unverändert eine Herausforderung für die Innere Sicherheit dar. 2. Die Republikaner (REP) 2.1 ideologisch-politischer Standort In Äußerungen aus der Partei ist ein übersteigerter Nationalismus, Nationalismus verbunden mit Feindschaft gegen fremde Staaten und Minderheiten zu erkennen. Fremdenfeindliche Tendenzen kamen z.B. in der Rede des stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Landesvorsitzenden von Baden-Württemberg Christian Käs auf dem "Republikanertag 1997" am 3. Oktober in Stuttgart deutlich zum Ausdruck: "Heute stellt sich die Frage, ob es den Umvolkern schon gelungen ist, all das Deutsche zu zerstören, in das das Fremde zu integrieren wäre. (...) Wir Fremdenschulden unserem Volk Arbeit, den Ausländern aber schulden wir nichts! feindlichkeit (...) Trachten sind nur fein, wenn es türkische sind und die sind fast so schön wie die der Neger, die man gestern im Amt gesehen hat, als Beamte selbstverständlich. (...) Ausländer, die angeblich am deutschen Wohlstand mitgearbeitet haben, wo waren sie denn, als es Deutschland dreckig ging? (...) Sie wollen einfach nur schön leben. Dafür haben wir Verständnis, aber nicht bei uns und nicht auf unsere Kosten. Wir sagen: die Zeit ist abgelaufen. Sie müssen raus!" Der REP-Funktionär Dr. Rudolf Krause wandte sich auf dem JahDiffamierung reskongreß der Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) in demokratischer Gera/Thüringen in seiner Rede zum Thema "Wir wollten die Freiheit Institutionen und keine andere Diktatur" gegen den angeblich weiter steigenden 24 Rechtsextremismus staatlichen "Terror gegen die Forschungs-, Informationsund Meinungsfreiheit und die Aushöhlung des Rechtsstaats in der BRD Helmut Kohls": "Die heutige Kohl-Administration muß ihre politische Rechtsbeugung mit den Zuständen im Stalinismus und im real existierenden preußischen Nationalsozialismus Erich Honeckers vergleichen lassen und ist in manchem ersterer wesensverwandter als der schon ausgeleierten Diktatur der letzten DDR-Jahre." Im Parteiorgan (Der Republikaner 11/1997, Seite 3) hieß es: " Wir wollen keine Altparteiendiktatur. Wir stellen vielmehr eines an den Pranger, nämlich den Mißbrauch der Demokratie durch die Altparteien." Diese Diffamierung demokratisch legitimierter Institutionen und Personen sowie der Vergleich der Bundesregierung mit dem System der ehemaligen DDR offenbaren eine Tendenz zur Ablehnung des Mehrparteienprinzips und des Grundsatzes der Chancengleichheit der Parteien. Rückgang Der Parteivorsitzende und der Landesverband Bayern waren weiterextremistischer hin darauf bedacht, keine Angriffsflächen zu bieten und die REP Äußerungen i gegenüber potentiellen Interessenten und Sympathisanten als demokratische Partei darzustellen. *Ä^H2ie zerstöre ich e." Land? 100/g00^ Sie bemühten sich um den Ausschluß extremistischer Strömungen. Dieser Kurs war nur zum Teil erfolgreich. Auch 1997 kam es an der Basis zur Zusammenarbeit mit Vertretern anderer rechtsextremistischer Organisationen. Insbesondere nach der Niederlage der REP bei der Hamburger Bürgerschaftswahl wurden in der Partei wieder Forderungen nach "rechten" Bündnissen erhoben, was den Parteivorsitzenden Dr. Rolf Schlierer zu einer vorsichtigen Kurskorrektur veranlaßte. Offensichtlich ist der interne Druck für ein Ende des Abgrenzungskurses gewachsen. Dr. Schlierers Stellung innerhalb der REP ist nicht mehr unangefochten. Allerdings fehlt der innerparteilichen Opposition eine Führungsalternative. 2.2 Verstöße gegen den offiziellen Abgrenzungskurs Nach wie vor kann der Bundesvorsitzende seinen Abgrenzungskurs nicht in allen Teilen der Partei durchsetzen. Er hat zwar die Mehrheit Rechtsextremismus 25 der Mitglieder hinter sich und ist weiterhin bemüht, Befürworter Interne Gegner einer "Vereinigten Rechten" zurückzudrängen. Es gibt aber nach wie des Parteivorsitvor ein rechtsextremistisches Potential, dessen Hauptakteure - wie zenden z.B. Dr. Rudolf Krause und der mittlerweile aus der Partei ausgeschiedene bayerische REP-Funktionär Otmar Wallner - weiterhin auf allen Parteiebenen Unterstützung für ihre Ziele und Positionen fanden. Dies wurde u.a. beim Parteitag des Landesverbands Sachsen-Anhalt deutlich, wo sich Dr. Schlierers Gegner erneut durchsetzten und den ehemaligen Parteivorsitzenden Franz Schönhuber - einen Vordenker der "Vereinigten Rechten" - zum Ehrenmitglied ernannten. Diese Entscheidung bestätigte die bündnispolitische Orientierung des Landesverbands. Trotz der von Dr. Schlierer offiziell vertretenen Abgrenzungspolitik sind auf allen Ebenen der Partei Verbindungen zu anderen RechtsKontakte zu extremisten feststellbar. So nahm der REP-Kreisvorsitzende des Wartanderen Rechtsburgkreises in Thüringen im April an einer Gesprächsrunde des extremisten "Eisenacher Signals" (Runder Tisch der Nationalen) teil. Nach seinem Ausschluß wechselten viele Mitglieder aus Solidarität zur NPD. In Baden-Württemberg initiierte ein örtlicher REP-Funktionär am 3. Mai in Rottweil eine Veranstaltung mit dem "Franz Schönhuber Freundeskreis", dem er auch als Sprecherrat vorsteht. Der Vorsitzende des REP-Bundesschiedsgerichts Hartmut Koch, der Kritiker des Absich zunehmend als Kritiker des Parteivorsitzenden Dr. Schlierer grenzungskurses exponierte, erklärte in einer "Betrachtung zur Lage" vom 8. Juni, im Schiedsgerich die "völlig verfehlte Extremismusabgrenzung" habe die Partei weithin gelähmt und gespalten. Erforderlich sei eine "umfassende Aussöhnung zwischen den internen Fronten und mit den ausgeschiedenen oder ausgeschlossenen Parteifreunden". Er schlug vor, alle bisherigen Abgrenzungsbeschlüsse aufzuheben, erforderlichenfalls durch eine Mitgliederabstimmung, um durch dieses "Signal für Einheit und Versöhnung" die Partei allen "national gesinnten Deutschen" wieder zu öffnen. Koch gab den Vorsitz im Bundesschiedsgericht im August an seinen Stellvertreter ab. Danach wurde er aus der Partei ausgeschlossen, weil er eine Zusammenarbeit mit NPD und DVU befürwortet habe. Mitte September äußerte Dr. Schlierer als Gast der extrem nationalistischen französischen Front National (FN) und des belgischen Vlaams Blök (VB) im Europäischen Parlament in Straßburg überraschend die Absicht, im Falle eines Erfolgs der REP bei der Europawahl 1999 eine 26 Rechtsextremismus Geplantes Fraktionsgemeinschaft mit FN und VB eingehen zu wollen. Er bekräfBündnis mit tigte diese Haltung auf dem Bundesparteitag am 18. Oktober. Diese ausländischen Absicht verstößt eindeutig gegen die Intention - wenn auch nicht gegen den Wortlaut - der innerparteilichen Abgrenzungsbeschlüsse Rech tsextremisten und belegt die Zugehörigkeit der REP zum rechtsextremistischen Spektrum. Noch im Juni hatte Dr. Schlierer in einem Rundschreiben Bemühungen kritisiert, die FN im Hinblick auf eine "nationale Allianz" als leuchtendes Beispiel zu präsentieren. Beiträge von Die Monatsschrift "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" entREP-Funktionärenhielt in der November/Dezember-Ausgabe einen Beitrag des Vorsitin der NE zenden des "Republikanischen Hochschulverbands" (RHV) Eike Erdel. Der Verfasser polemisierte darin gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944". In derselben Ausgabe versuchte der stellvertretende Bundesvorsitzende Christian Käs in einem Interview, die bündnispolitischen Positionen der REP einem breiteren rechtsextremistischen Spektrum zu erläutern. Bemerkenswert ist, daß sich hier offizielle Vertreter der REP entgegen den Abgrenzungsbeschlüssen der Partei in einem der wichtigsten rechtsextremistischen Theorieorgane äußerten. 2.3 Organisation Bundespartei Mitgliederzahl und Finanzsituation der Partei haben sich stabilisiert. Die Partei zählte Ende 1997 bundesweit rund 1 5.500 (1996: 1 5.000) Mitglieder in 16 Landesverbänden. Die Schwerpunkte liegen in Süddeutschland und in Nordrhein-Westfalen. Bundesvorsitzender ist seit Dezember 1994 Dr. Rolf Schlierer. Seine Stellvertreter sind Bernd Bernhard, Ursula Winkelsett, Christian Käs, Johann Gärtner und Hans Hirzel. Landesverband Der Landesverband Bayern gliedert sich weiterhin in acht BezirksverBayern bände, die in rund 85 Kreisund etwa 290 Ortsverbände mit insgesamt rund 4.300 (1996: 4.000) Mitgliedern unterteilt sind. Der Landesvorsitzende Johann Gärtner ist ein enger Vertrauter Dr. Schlierers. Auch die Funktionäre auf Bezirksebene sind in Bayern durchwegs dem gemäßigten Flügel der Partei zuzurechnen. Austritt Wallners Der stellvertretende bayerische Landesvorsitzende Otmar Wallner erklärte Ende August seinen Parteiaustritt, obwohl er erst im März 1997 zum Vorsitzenden des Bezirksverbands Niederbayern gewählt worden war. Damit verlor der rechtsextremistische Flügel der Partei in Rechtsextremismus 27 Bayern seinen exponiertesten Vertreter. Weitere Gegner der Abgrenzungsbeschlüsse folgten Wallners Beispiel. Das rechtsextremistische Potential im Bereich des Landesverbands Bayern hat sich dadurch reduziert. 2.4 Teilnahme an Wahlen Bei der Bürgerschaftswahl am 21. September in Hamburg erreichte Bürgerschaftsöle Partei nur einen Stimmenanteil von 1,9 % (1993: 4,8 %). In einer wähl in Hamburg Pressemitteilung bezeichnete der Bundesvorsitzende das Wahlergebnis als herbe Niederlage. Man habe das Wahlziel deutlich verfehlt. Der Partei hätten insbesondere die notwendigen finanziellen Mittel gefehlt, um die Protestwähler zu mobilisieren. Im Hinblick auf die Landtagswahl 1998 in Niedersachsen kündigte Dr. Schlierer eine schonungslose Analyse der Wahlkampfführung an. Notwendige Konsequenz sei eine akzentuiertere Außendarstellung der Partei, die sich auf den Feldern Innere Sicherheit und Ausländerpolitik nicht beiseite schieben lasse: Man brauche keine Einwanderungs-, sondern Rückführungsquoten; statt eines Einwanderungsgesetzes oder einer doppelten Staatsbürgerschaft müsse der Ausländeranteil in Deutschland deutlich gesenkt werden. Eine "irgendwie geartete Zusammenarbeit mit rechten Phantomparteien wie der DVU" schloß er auch in Zukunft aus. Eine solche Kooperation würde nicht zur Addition der Stimmenanteile führen. Vor allem aber wäre die Umsetzung etwaiger Wahlerfolge solcher Allianzen unmöglich. 2.5 Aktivitäten in Bayern Der REP-Landesverband Bayern hielt am 1. März in Lauben, Landkreis Landesparteitag Oberallgäu, seinen Parteitag ab. Bei den Neuwahlen bestätigten die Delegierten den Landesvorsitzenden Johann Gärtner in seiner Funktion. Sein unterlegener Gegenkandidat Otmar Wallner, ein bekannter Vertreter rechtsextremistischer Positionen und exponierter Kritiker des Bundesvorsitzenden, wurde anschließend von rund 38 % der Delegierten zu einem der vier stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt. Das Bundesschiedsgericht hatte zuvor das gegen Wallner eingeleitete Parteiausschlußverfahren wegen eines Formfehlers gestoppt. 28 Rechtsextremismus Auf dem Parteitag des REP-Bezirksverbands Niederbayern am 23. März in Deggendorf-Fischerdorf konnte sich Wallner bei der Wahl des Bezirksvorsitzenden mit 29 von 57 Stimmen gegen seinen Mitbewerber durchsetzen. Wallners Wahlergebnisse zeigen, daß rechtsextremistisches Gedankengut in Teilen der Partei breite Unterstützung findet. Am 18. Oktober hielten die REP in Dietmannsried, Landkreis Oberallgäu, Bundesparteitag ihren Bundesparteitag ab. Vor rund 400 Delegierten sprachen als Gäste u.a. der mit großem Beifall empfangene Europa-Abgeordnete der extrem nationalistischen Front National (FN) Yvan Blot und der Politologe Alfred Mechtersheimer. Blot überbrachte die Grüße des FN-Vorsitzenden Jean-Marie Le Pen. Er beschwor eine deutsch-französische Zusammenarbeit, zumal die Probleme der "nationalen Rechten" in Deutschland wie in Frankreich identisch seien. Mechtersheimer rief in seinem Grußwort zur Bewahrung der nationalen Identität durch die REP auf: Nicht ein Zusammenschluß, sondern die Konzentration der Wähler auf die aussichtsreichste Partei sei das Gebot der Stunde. Der Bundesvorsitzende Dr. Schlierer erteilte in seiner Grundsatzrede einer Zusammenarbeit mit der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und der Deutschen Volksunion (DVU) erneut eine klare Absage. Dagegen werde - so Schlierer - Mechtersheimers "Deutschland-Bewegung" weiterhin mit allen Kräften unterstützt; auch sei beabsichtigt, die Zusammenarbeit mit der FN künftig auszubauen. Für Unruhe sorgte die Anwesenheit des ehemaligen Vorsitzenden des Bundesschiedsgerichts Hartmut Koch, gegen den die Partei zuvor wegen seines Eintretens für eine Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten Ordnungsmaßnahmen verhängt hatte. Als er mit Hilfe der Polizei des Saales verwiesen wurde, stieß dies bei einem Teil der Delegierten, insbesondere aus den neuen Bundesländern, auf scharfe Kritik. Der Schatzmeister des REP-Landesverbands Sachsen-Anhalt Dr. Rudolf Krause lehnte deswegen eine Nominierung zur Wahl als Tagungspräsident ab und sprach von "stalinistischen" Methoden. Kampagne Im Rahmen einer Kampagne gegen die europäische Einigung warb gegen die euroder REP-Landesverband Bayern im Herbst 1997 verstärkt für ein päische Einigung Volksbegehren gegen die "Einführung der Europäischen Einheitswährung Euro". Hierzu verteilte die Partei in der Öffentlichkeit Flugblätter, Broschüren und Informationsschriften. Verstärkt fanden auch Kundgebungen und Informationsstände zu diesem Thema statt, das für die REP "höchste Priorität" besitzt. Die Partei sah in ihrer Initiative zudem ein geeignetes Mittel der Wahlwerbung. Die Sammlung der Rechtsextremismus 29 dem Zulassungsantrag beizufügenden Unterschriften stellte damit für die REP in Bayern zugleich den Auftakt des Landtagswahlkampfs 1998 dar. Bisher liegen keine Hinweise vor, daß die REP mit ihrer Aktion nennenswerte Resonanz gefunden hätten. 2.6 Verwaltungsgerichtsverfahren Die Partei hat - wie berichtet - in der Vergangenheit mehrmals erfolglos versucht, gegen ihre Bewertung als rechtsextremistisch auf dem Rechtsweg vorzugehen. Die letzten von den REP in Bayern angestrengten Eilverfahren, die sich gegen die Bewertung der Partei im Verfassungsschutzbericht wandten, wurden im Herbst 1997 endgültig abgewiesen. Die Verfahren in der Hauptsache hat die Partei bisher nicht weiterbetrieben. 3. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 3.1 Ideologisch-politischer Standort Die NPD versucht, eine Führungsrolle im rechtsextremistischen Lager zu erlangen. Das auf einem außerordentlichen Bundesparteitag am 7./8. Dezember 1996 bei Bremen verabschiedete neue Parteiprogramm läßt keine Abkehr von extremistischen Positionen erkennen. Nach wie vor lehnt die NPD wesentliche Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab und erstrebt einen Staat mit einer Völkischer von völkisch-kollektivistischen Strukturen bestimmten "VolksgemeinKollektivismus schaff: "Volksherrschaft setzt die Volksgemeinschaft voraus. (...) Der Staat hat dabei über den Egoismen einzelner Gruppen zu stehen und die Gesamtverantwortung wahrzunehmen." (Parteiprogramm, Abschnitt 3) "Nicht das Volk dient der Wirtschaft, vielmehr muß die Wirtschaft dem Volke dienen." (Parteiprogramm, Abschnitt 4) "Aus sozialer Gerechtigkeit wächst die nationale Volksgemeinschaft. Sozialpolitik ... muß die Geborgenheit des Einzelnen in der Gemeinschaft sichern. (...) Wir... setzen uns ... für eine neue Gemeinschaftsordnung ein, die in nationaler Solidarität vorhandene Gruppenegoismen überwindet und zu sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit führt." (Parteiprogramm, Abschnitt 7) 30 Rechtsextremismus Im Parteiorgan (Deutsche Stimme Ausgabe 6/97, Seite 7) propagierte die NPD "das Einläuten einer neuen geschichtlichen Epoche, die dann jedoch unter völkischem Primat stehen wird". Die Partei knüpft damit an ein Leitbild an, das wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war. Der von ihr vertretene völkische Kollektivismus ordnet die Interessen und Rechte des Individuums generell denen des Staats und der "Volksgemeinschaft" unter. Diese Betrachtungsweise läuft dem Rang der in Art. 1 des Grundgesetzes normierten Menschenwürde, insbesondere dem daraus resultierenden Vorrang des rz^\ einzelnen vor dem Staat, zuwider. Die Absicht, ^^m^^"^"""""""deg'""(tm)"'rdeg"'OTQ*|||ji|)0'i Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft ** * T L T I D C W ^ ^ rL^"'"""8 ---* d u r c h die Unterordnung des einzelnen unter ; ':T^^^ ^ " ^ ^ P ^ * ^ * * 1 8 nicht näher definierte Gemeinschaftsinteressen l^SjWB"^^^^^ aufzuheben, steht außerdem im Gegensatz zur Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber der staatlichen Gewalt. Rassismus und Ferner lassen Veröffentlichungen der Partei nach wie vor rassistische Nationalismus und nationalistische Zielsetzungen und Denkweisen erkennen. Die NPD versucht, ihre für Rechtsextremisten charakteristische Ablehnung alles Andersartigen unter Berufung auf die "Vielfalt des Lebens und seiner Erscheinungen" zu rechtfertigen. Ihre Überzeugung von der Höherwertigkeit der eigenen Rasse und Nation verbirgt sie nur unvollkommen unter dem Deckmantel eines rechtsintellektuellen Ethnopluralismus. Sie propagiert die "Grundsätze des lebensrichtigen Menschenbildes" (Deutsche Stimme Ausgabe 11/97, Seite 12) und präsentiert sich dabei als Gegnerin des "Dogmas der angeblichen Gleichheit aller Menschen". Diese Grundeinstellung läuft auf eine mit Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes unvereinbare Rassendiskriminierung hinaus. Dementsprechend behandelt die Partei das Ausländerund Asylantenproblem vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der "Überfremdung". "Im Zusammenspiel von Großkapital, Regierung und Gewerkschaften wurden Millionen von Ausländern wie Sklaven der Neuzeit nach Deutsch land geholt. Diese Politik wird durch eine menschenund völkerverach tende Integration fortgesetzt. (...) Ein grundlegender politischer Wande muß die menschenfeindliche Integrationspolitik beenden sowie die deut sche Volkssubstanz erhalten." (Parteiprogramm, Abschnitt 8) Agitation gegen Nationalistische Bestrebungen kamen in Forderungen wie "Deutdie EU sches Geld für deutsche Aufgaben!" und "Arbeitsplätze zuerst für Rechtsextremismus 31 Deutsche!", insbesondere aber in der Agitation gegen die europäische Einigung zum Ausdruck: "Die Euro-Diktatur zielt geradewegs auf die "Vernichtung der deutschen Währungsvorherrschaft". (...) Maastricht, das ist der Versailler Vertrag ohne vorausgegangenen Krieg!" (Deutsche Stimme Ausgabe 3/97, Seite 6) " Die etablierten Politiker in Bonn spielen russisches Roulette mit dem ersparten Vermögen der Bürger. (...) Wirtschaftlich wird Deutschland durch die EU vernichtet. (...) Maastricht ist ein Versailles mit anderen Mitteln ... und der Untergang des heutigen Systems. (...) Der Nationalismus wird der letzte Ausweg für viele sein. Die, die durch Maastricht Deutschland vernichten wollten, werden dann einer neu geschaffenen Volksgemeinschaft gegenüberstehen." (Deutsche Stimme Ausgabe 5/97, Seiten 2 und 6) "Die Deutschen müssen arbeiten und zahlen, damit andere auf unsere Kosten leben können. Das darf nicht sein!" (Deutsche Stimme Ausgabe 9/97, Seite 13) Das demokratische Verfassungsleben nach 1945 wird als Ergebnis NS-Apologie einer verfälschten Geschichtsschreibung und einer "Umerziehung" zum Schlechten herabgesetzt. "Wir wehren uns gegen die moralische Selbstvernichtung unserer Nation durch die einseitige Schuldzuweisung zu Lasten Deutschlands, die Aufwertung des Landesverrats und die Verherrlichung alliierter Kriegsverbrecher. " (Parteiprogramm, Abschnitt 6) Nach Ansicht der NPD läßt sich das "1945 aufgezwungene Besatzungsdiktat der westalliierten Siegermächte" nur "über die Knochen der herrschenden imperialistischen Systeme und deren Eliten" überwinden (Deutsche Stimme Ausgabe 5/97, Seite 7). Zu den Hauptangriffszielen der Partei gehören nach wie vor die Diffamierung demokratischen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland und demokratischer ihre Repräsentanten. Dabei tritt an die Stelle konstruktiver Kritik an Institutionen einzelnen Mißständen eine bewußt entstellende und überspitzt verallgemeinernde Form der Darstellung. So diffamierte die NPD die "Lizenzparteien" als "Kollaborateure der Siegermächte" (Deutsche Stimme Ausgabe 6/97, Seite 10) und behauptete, die "etablierten Versagerparteien" betrieben immer intensiver die "Überfremdung Deutschlands" (Deutsche Stimme Ausgabe 9/97, Seiten 2 und 6). 32 Rechtsextremismus Jeder Tag, an dem das gegenwärtige System weiterexistiert, mindert die Chancen erheblich, daß das deutsche Volk es noch überleben wird!" (Deutsche Stimme Ausgabe 6/97, Seite 7) "Für die Abgeordneten der Systemparteiengilt: Sparen heißt, sich die Taschen füllen." (Deutsche Stimme Ausgabe 10/97, Seite 2) Ferner bezeichnete die NPD die Bundesregierung als "Bonner Machtkartell" und warf ihr gravierende Grundrechtsverstöße im Zusammenhang mit einer politischen "Säuberungswelle" bei der Bundeswehr vor. Diese diffamierende Polemik läßt darauf schließen, daß die NPD die Prinzipien des Mehrparteiensystems und der Chancengleichheit der Parteien trotz ihres formalen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt. Öffnung gegenDie schwindende Abgrenzung gegenüber Neonazis zeigt sich nicht über Neonazis nur in der Tolerierung der Kontakte von Mitgliedern der Jungen Nationaldemokraten (JN) zum neonazistischen Spektrum, sondern auch in der Aufnahme von Neonazis aus verbotenen Vereinigungen, die immer mehr in Führungspositionen drängen. Diese Entwicklung wird von den Vorsitzenden der NPD und JN geduldet bzw. sogar unterstützt. Nach Ansicht der NPD darf es bei der Massenmobilisierung keine Tabus geben. Mobilisierbar seien nicht "vernünftige Bürger", sondern in erster Linie junge Menschen, die um ihre berufliche Zukunft und ihr nationales Selbstwertgefühl betrogen würden, wie z.B. Skinheads. Mit diesem Kurs verfolgt der Parteivorsitzende offensichtlich eine Doppelstrategie: Einerseits will er mit der NPD traditionelle rechtsextremistische Positionen besetzen, deren Vertreter deutliche Vorbehalte gegen neonazistische Bestrebungen haben, andererseits über die JN als der "Speerspitze der Partei" Einfluß auf das neonazistische Spektrum nehmen. Die Parteiführung war bisher bestrebt, ehemals führenden Exponenten verbotener Gruppierungen den Eintritt zu erschweren, um das Erscheinungsbild der NPD nicht übermäßig zu beeinträchtigen. Mit der Wahl von Jens Pühse, eines ehemaligen Anhängers der verbotenen Nationalistischen Front (NF), zum Vorsitzenden des NPD-Kreisverbands Freising unterstrich sie ihre zunehmende Öffnung gegenüber Neonazis. 3.2 Organisation Die am 28. November 1964 in Hannover von Funktionären der ehemaligen Deutschen Reichspartei (DRP) gegründete NPD gliedert sich Rechtsextremismus 33 derzeit in 15 Landesverbände, die wiederum in Bezirksund Kreisverbände unterteilt sind. Die Partei zählte Ende 1997 bundesweit rund 4.300 (1996: 3.500) Mitglieder. Ursachen dieses vor allem in den neuen Ländern zu verzeichnenden Aufwärtstrends sind zum einen Aufwärtstrend die zunehmende Öffnung gegenüber dem Lager der Neonazis und Skinheads, zum anderen der intensivierte Gebrauch populistischer Agitationstechniken. Dies zeigt sich vor allem im Aufgreifen sozialund wirtschaftspolitischer Probleme (Sozialabbau, Euro-Debatte) und der Abkehr von Vergangenheitsbezogenen Themen (z.B. Revisionismus). Parteivorsitzender ist seit März 1996 der Diplom-Politologe Udo Voigt Bundespartei aus Moosburg a.d. Isar. Seine Stellvertreter sind der Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen Udo Holtmann und der bisherige Beisitzer im Bundesvorstand Jürgen Schön aus Sachsen. Der bisherige stellvertretende Parteivorsitzende Günter Deckert aus Weinheim wurde auf einer Sitzung des Parteivorstands am 17. August wegen fortwährender und schwerwiegender Verletzung der Treuepflicht gegenüber der Partei mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthoben. Ihm wurden finanzielle Manipulationen und Veruntreuungen vorgeworfen. Außerdem betrachtete die NPD-Führung die Veröffentlichung von Parteiinternas in der Publikation "Deckert-Stimme" sowie Deckerts ständige Hetze gegen Vorstandsmitglieder als parteischädigend. Der Landesverband Bayern mit Sitz in München zählt rund 680 Landesverband (1996: 650) Mitglieder (ohne JN und NHB). Er gliedert sich in sieben Bayern Bezirksund rund 50 Kreisverbände, von denen aber mehr als die Hälfte nicht aktiv ist. Nach einer Erhebung der Bundesgeschäftsstelle sind 23,8 % der Mitgliederstruktur Mitglieder zwischen 1964 und 1970 der Partei beigetreten, 7,4 % zwischen 1971 und 1980, 29,6 % zwischen 1981 und 1990 sowie 13,8 % zwischen 1991 und 1995. 25,4 % der Mitglieder haben sich seit Anfang 1996 der NPD angeschlossen. Mit einer Initiative "Aktion 1.000 - hinein in die NPD" hoffte die ParMitgliedertel, im Laufe des Jahres rund 1.000 neue Mitglieder zu gewinnen. Werbung Nach eigenen Angaben konnte sie seit Anfang 1997 einen Zuwachs von 1.305 Mitgliedern verzeichnen. Die Zahl der Austritte ist dabei nicht berücksichtigt. Der stärkste Anstieg war in Sachsen festzustellen. In Bayern gab es nur eine geringe Zunahme. Das Parteiorgan "Deutsche Stimme" erscheint seit einigen Monaten mit deutlich verändertem Layout. Es berichtet über unterschiedliche 34 Rechtsextremismus rechtextremistische Strömungen und versucht so, dem strategischen Anspruch der Partei, eine neue nationale Sammlung zu initiieren, gerecht zu werden. Die Auflage betrug zuletzt ca. 40.000 Exemplare. 3.3 Teilnahme an Wahlen BürgerschaftsBei der Bürgerschaftswahl am 2 1 . September in Hamburg erreichte die wähl in Hamburg NPD lediglich einen Stimmenanteil von 0 , 1 % ; 1993 hatte sie nicht kandidiert. Die NPD blieb damit als Wahlpartei bedeutungslos. Insbesondere gelang es ihr nicht, ein nach dem Parteiengesetz für den Anspruch auf staatliche Mittel notwendiges Ergebnis zu erzielen. Im Vorfeld der Bürgerschaftswahl hatte sie den REP und der DVU vergeblich ein Wahlbündnis angeboten. Das desolate Wahlergebnis bedeutet für die NPD nicht nur im Hinblick auf kommende Wahlen, sondern auch für die weitere Entwicklung der Partei insgesamt einen schweren Rückschlag. Nicht zuletzt dürfte auch die Doppelstrategie des Bundesvorsitzenden zu einer Verunsicherung potentieller Wähler geführt haben. Gesellschaftlich ist die Partei ohnehin zu sehr als extremistisch stigmatisiert, um sich als "rechte Alternative" etablieren zu können. 1998 will sich die NPD sowohl an der Bundestagswahl als auch an der Landtagswahl in Bayern beteiligen. Als Spitzenkandidaten der Landeswahlliste für die Bundestagswahl wurden der bayerische Landesvorsitzende Udo Voigt sowie seine beiden Stellvertreter Franz Salzberger und Klaus Beier nominiert. 3.4 Sonstige Aktivitäten WehrmachtsUnter dem Motto "Unsere Großväter waren keine Verbrecher" verdemonstration anstaltete die NPD am 1. März in München eine Protestkundgebung in München gegen die umstrittene Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944". Schon Wochen zuvor hatten die Partei und ihre Jugendorganisation u.a. im Internet für diese "Demonstration des nationalen Widerstands" geworben und nach eigenen Angaben etwa 50.000 Flugblätter verteilt. Auch in nationalen Info-Telefonen und im Thule-Netz wurde zur Teilnahme aufgerufen. Neonazistische Gruppen hatten ebenfalls für den 1. März mobilisiert, darunter Skinheads und "Kameradschaften" aus mehreren Bundesländern. Hingegen hatten die REP und die DVU eine Beteiligung abgelehnt. An dem Aufzug beteiligten sich rund 4.300 Personen. Damit war die Kundgebung die größte von der NPD organisierte Demon- Rechtsextremismus 35 stration seit dem Jahre 1970. Die Teilnehmerzahl übertraf selbst die eigenen optimistischen Erwartungen erheblich. Etwa 2.000 Personen aus dem linksextremistischen Lager versuchten, den Aufmarsch des rechtsextremistischen Spektrums zu stoppen. Um beide Lager voneinander getrennt zu halten, wurden der Weg des Aufzugs und die Schlußkundgebung verlegt, da Gegendemonstranten den Marienplatz besetzt hatten. Die Polizei trennte die Kontrahenten durch einen Korridor und verhinderte eine mögliche Gewalteskalation. Die Rechtsextremisten verhielten sich trotz der Angriffe und Störungen von Gegendemonstranten weitgehend friedlich. Insgesamt nahm die Polizei 76 Personen vorläufig fest, davon 43 Rechtsextremisten u.a. wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, und 33 dem linksextremistischen Lager zuzurechnende Personen wegen Landfriedensbruchs, Widerstands, Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Fünf Polizeibeamte erlitten leichte Verletzungen. Die rechtsextremistische Szene, insbesondere die NPD und ihre Jugendorganisation, wertete die weitgehend friedlich verlaufene Demonstration als vollen Erfolg. In einer Pressemitteilung bezeichnete die NPD die Kundgebung als "die größte nationale Demonstration", die es in Deutschland seit 20 Jahren gegeben habe. Der 1. März sei somit "der Startschuß für eine bundesweite NPD-Demonstrationsoffensive, die in Zukunft zehntausende Teilnehmer auf die Straßen bringen" werde. Die Nationaldemokraten ließen es nicht zu, daß die Deutschen als ein Volk von Verbrechern diffamiert würden. Mehr als 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg beginne sich das "anständige Deutschland" zu wehren. NPD und JN ist es damit gelungen, ein weit über ihre Anhängerschaft hinausgehendes breites rechtsextremistisches Spektrum bis hin zu Neonazis und Skinheads zu mobilisieren. Eine Teilnehmerzahl von rund 4.300 konnten sie in den vergangenen Jahren auch nicht annähernd erreichen. Erstmals ließ sich auch das Skinheadpotential in größerer Breite für eine politische Aktion gewinnen. Auffallend waren die relativ hohe Disziplin der Skinheads, ihr Verzicht auf Alkohol und ihre Unterordnung unter die Leitung der JN. Die von NPD und JN bereits im Vorfeld ausgesprochenen internen Auflagen (absolutes Alkoholverbot, Verbot des Mitführens von Waffen, der Reichskriegsflagge sowie von Uniformen) wurden im allgemeinen befolgt. Zwar entsprach der Verlauf der Kundgebung nicht der ursprünglichen Planung; auch für eine vorgesehene Saalveranstaltung wurde kein 36 Rechtsextremismus geeigneter Raum gefunden. Insgesamt haben NPD und JN jedoch - auch durch die ausführliche Berichterstattung in den Medien und die bis in den parlamentarischen Raum hineingehende Reaktion auf die Veranstaltung - im rechtsextremistischen Lager an Ansehen gewonnen und einen stimulierenden Motivationsschub erfahren. Mit hohem Aufwand warb die NPD auch für eine Kundgebung des Versammlungs"nationalen Widerstandes", die unter dem Motto "Arbeitsplätze verbot in Leipzig zuerst für Deutsche" am 1. Mai in Leipzig stattfinden sollte. Nach eigenen Angaben versandte die Partei rund 70.000 Einladungen und organisierte etwa 40 Busfahrten. Neben NPD und JN mobilisierten auch militante Neonazis und Skinheads für die Veranstaltung. Aus Sicht der NPD ließ die enorme Resonanz der rechtsextremistischen Szene eine Wiederholung des "Erfolgs von München" erhoffen. Nach einer gerichtlich bestätigten Verbotsverfügung der Versammlungsbehörde gelang es dem rechtsextremistischen Lager jedoch nicht mehr, das für die Kundgebung in Leipzig auf mehrere tausend Personen geschätzte Potential an einem anderen Ort zu einer vergleichbaren Großdemonstration zusammenzuführen. Ein Teil der anreisenden Demonstranten - vorwiegend Neonazis und JN-Anhänger - hielt dezentrale Spontankundgebungen ab, so in Burgdorf/Niedersachsen, Grimma/Sachsen und Hannoversch Münden/Niedersachsen. Ein massiver Polizeieinsatz verhinderte eine in Aschaffenburg geplante Ersatzveranstaltung, zu der sich etwa 120 Personen eingefunden hatten. Eine am 8. November vor der SPD-Zentrale in München geplante VersammlungsDemonstration der NPD/JN wurde von der Landeshauptstadt Münverbot in enen verboten. Nachdem eingelegte Rechtsbehelfe erfolglos blieben, München verzichtete die NPD auf die Durchführung der Kundgebung, um sich als "verfassungstreu" darstellen zu können. Dazu erklärte der Partei-' Vorsitzende in einer Pressemitteilung: "Recht haben und Recht bekommen ist immer eine Frage der Macht. Noch nie hat man mit Verboten den Erfolg einer politischen Bewegung verhindern, allenfalls für eine bestimmte Zeit von eigenen Problemen ablenken können." Ein Teil der NPD-Anhänger trat die Fahrt nach München nicht an, andere kehrten um. Offenbar wollte es die Parteiführung vermeiden, ihre Anhänger "staatlicher Repression" auszusetzen. Rechtsextremismus 37 3.5 Strafverfahren Das Landgericht Mannheim verhängte gegen den stellvertretenden NPD-Vorsitzenden Günter Deckert am 11. April u.a. wegen Volksverhetzung eine inzwischen rechtskräftige Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Einbezogen wurde ein Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. November 1996, das Deckert wegen eines gleichen Delikts zu sieben Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt hatte. Daraufhin hob das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe auf, das eine 1995 gegen Deckert verhängte zweijährige Freiheitsstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt hatte. 3.6 Junge Nationaldemokraten (JN) Die JN als Jugendorganisation der NPD bekennen sich in Ideologie Zunehmende und Zielsetzung zum Programm der Mutterpartei. Sie sehen sich als neonazistische organisatorisches Zentrum verschiedener revolutionär-nationalistiAusrichtung scher Strömungen des "nationalen Widerstandes" an und verstehen sich auch als Scharnier zwischen NPD, anderen rechtsextremistischen Organisationen und Neonazis. Nach wie vor unterhalten die JN Kontakte zur neonazistischen Szene mit dem Ziel einer engen Zusammenarbeit. Sie versuchen, dort Interessenten zu werben und auch "politikfähige" ehemalige Angehörige verbotener Organisationen für die JN zu gewinnen. Der Beitritt solcher Personen und ihr Aufstieg in Führungspositionen verstärkte die neonazistische Ausrichtung der JN und machte deutlich, daß die JN dem Erstarken neonazistischer Kräfte in den eigenen Reihen keinen ernsthaften Widerstand entgegensetzen. Offenbar bestehen auch keine Berührungsängste gegenüber Skinheads. Diese Entwicklung wird von den Vorsitzenden der NPD und JN geduldet bzw. sogar unterstützt. Seit dem Scheitern der am 1. Mai in Leipzig geplanten Großkundgebung gab es keine längerfristige Zusammenarbeit zwischen den JN und führenden Aktivisten der Neonaziszene mehr. Die Weigerung der JN, sich offiziell an der Vorbereitung und Durchführung der Aktivitäten zum 10. Todestag von Rudolf Heß zu beteiligen, hat vorübergehend zu einer Abkühlung der Beziehungen zu den neonazistischen "Kameradschaften" geführt. Aus Sicht der JN-Führung war die Heß-Thematik zu sehr vergangenheitsbezogen. Der Bundesvorstand will sich auf zugkräftigere, dem Bürger eher vermittelbare Themen (z.B. "Euro") konzentrieren. 38 Rechtsextremismus Zeitweise war die JN-Führung bemüht, den zunehmenden neonazistischen Einfluß auf die Organisation zu begrenzen. Symptomatisch hierfür war der Austritt des Chefredakteurs der JN-Zeitschrift "Einheit und Kampf" (EuK) Markus Privenau aus der JN. Der Bundesvorstand hatte ihm vorgeworfen, sich nicht an die "JN-Linie" gehalten zu haben, da eine EuK-Ausgabe eine Reihe neonazistischer Beiträge und ein Portrait von Rudolf Heß enthielt. Diese Auseinandersetzung belegt den Wankelmut der JN in strategisch-taktischen Fragen. Bundesweiter Obwohl die JN derzeit der größte und aktivste Zusammenschluß jünAufwärtstrend gerer Rechtsextremisten sind, konnten sie die angestrebte Meinungsführerschaft im "Nationalen Widerstand" nur teilweise erringen. Die geplante Umwandlung in eine Kaderorganisation ist bisher nicht gelungen. Ende 1997 zählten die JN bundesweit rund 400* (1996: 200) Mitglieder, davon etwa 60 (1996: 55) in Bayern. Der Landesverband Bayern gliedert sich nach wie vor in die beiden "Regionalen Arbeitsgruppen" (RAG) Franken und München/Oberbayern mit jeweils vier örtlichen Stützpunkten. Bemerkenswert ist der im bundesweiten Vergleich deutlich höhere Anteil von rund 40 % Skinheads und Neonazis, der insbesondere auf einen Zulauf aus dem im Vorjahr verbotenen Verein "Skinheads Allgäu" zurückzuführen ist. Bei der Neuwahl des JN-Landesvorstands am 9. März in Augsburg wurde Sascha Roßmüller, ein ehemaliger Funktionär des verbotenen neonazistischen "Nationalen Blocks" (NB), zum Landesvorsitzenden gewählt. Der bisherige Vorsitzende Rainer Hatz hatte nicht mehr kandidiert. Die beiden stellvertretenden Landesvorsitzenden Jürgen Distler und Klaus Beier wurden in ihren Ämtern bestätigt. Nach dem Kongreß versammelten sich 16 JN-Anhänger auf dem Rathausplatz in Augsburg. Sie zeigten ein Transparent mit der Aufschrift "Jugend für Deutschland - Junge Nationaldemokraten". Die Polizei löste das Treffen auf, stellte das Transparent sicher und leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Bundeskongreß Am 10. Mai fand in Roding bei Cham der JN-Bundeskongreß mit Neuwahlen des Bundesvorstandes statt. An der Veranstaltung, zu der auch der NPD-Vorsitzende Udo Voigt und der Vorsitzende der neonazistischen Gruppierung "Die Nationalen e.V." Frank Schwerdt * Mitgliedsanwärter sind hier 1997 erstmals mit eingerechnet, da die JN intern zwischen Mitgliedern und Mitgliedsanwärtern nicht unterscheiden. Rechtsextremismus 39 erschienen waren, nahmen über 100 Personen teil. Der JN-Bundesvorsitzende Holger Apfel wurde wiedergewählt. Zu den Beisitzern im Bundesvorstand gehören der Landesbeauftragte für Sachsen-Anhalt Steffen Hupka und der JN-Bundesorganisationsleiter Jens Pühse, zwei ehemalige Mitglieder verbotener neonazistischer Organisationen. Mit dem bisherigen stellvertretenden Bundesvorsitzenden Andreas Storr und dem ehemaligen Landesvorsitzenden von Hamburg Jan Zobel wurden zwei bekannte Befürworter des "progressiven Nationalismus" nicht mehr in den JN-Bundesvorstand berufen. Nachfolger von Storr wurde der bayerische Landesvorsitzende Sascha Roßmüller. Die Wahl Roßmüllers zum stellvertretenden JN-Bundesvorsitzenden und das Herausdrängen der "progressiven Nationalisten" aus den JN verdeutlichen die neonazistische Ausrichtung der NPD-Jugendorganisation. Die "progressiven Nationalisten" befürworten eine Abkehr von klassischen rechtsextremistischen Agitationsfeldern; statt dessen soll mittels volksnaher, zukunftsorientierter Themen der wirkliche Gegner, das "System", bekämpft werden. Unter dem Motto "Zerschlagt die EU-Diktatur des internationalen 4. Europäischer Großkapitals" hielten die JN am 18. Oktober ihren kurzfristig von Kongreß der Hessen nach Fürth im Wald verlegten "4. Europäischen Kongreß der Jugend Jugend" ab. Damit wollten sie "in Zeiten harter Repression und Verfolgung der nationalen Gesinnung" ein Zeichen "gelebter europäischer Solidarität" setzen. Tagungsleiter war das JN-Bundesvorstandsmitglied Jens Pühse. Unter den über 400 Teilnehmern befanden sich auch Gäste aus Dänemark, Frankreich, Griechenland, der Schweiz, Spanien, Südafrika und den USA. In einem Grußwort rief der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt dazu auf, sich den "Totengräbern der europäischen Nationen" mutig entgegenzustellen. Als Redner trat u.a. der ehemalige stellvertretende REP-Landesvorsitzende Otmar Wallner auf. Auf den offiziellen Teil folgte ein Kameradschaftsabend, den die rechtsextremistischen Liedermacher Jörg Hähnel und Frank Rennicke mitgestalteten. Zum musikalischen Abschluß spielte die Skinheadband "Zensur". Der Kongreß kann von den JN vor allem schon wegen der hohen Teilnehmerzahl als Erfolg gewertet werden. Insbesondere war gegenüber dem Vorjahr ein deutlich stärkeres Zusammenrücken der "europäischen Rechten" feststellbar.' Bemerkenswert ist auch die organisatorische Leistung der JN, die Teilnehmer kurzfristig zu einem 40 Rechtsextremismus neuen Veranstaltungsort umzudirigieren. Die hohe Zahl von Vertretern ausländischer rechtsextremistischer Parteien und Organisationen unterstreicht signifikant, welche Bedeutung die JN den Verbindungen vor allem ins europäische Ausland beimessen. Offenbar ist es den JN innerhalb der vergangenen Jahre gelungen, ihre Auslandsverbindungen zu intensivieren. 4 Deutsche Volksunion (DVU) 4.1 Ideologisch-politischer Standort Das Parteiprogramm aus dem Jahr 1993 läßt das Bestreben erkennen, problematische Aussagen zu vermeiden oder zumindest zu entschärfen, um die verfassungsfeindliche Zielsetzung der Partei besser zu tarnen. Die DVU warnt vor einer angeblich von Politikern geplanten Auflösung Deutschlands in einen "Vielvölkerstaat" und tritt mit Parolen wie "Bewahrung der deutschen Identität" und "Gleichberechtigung für Deutschland" dafür ein, den Ausländeranteil zu begrenzen, den "zunehmenden Ausländerzustrom" in das Bundesgebiet zu stoppen und die "Zuweisung von Kollektivschuld oder Kollektivverantwortung" an die Deutschen einzustellen. Sie bekennt sich zwar zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, reduziert jedoch die für alle geltenden Menschenrechte zu Bürgerrechten , die nur Deutschen zustehen. Die am Programm nicht ohne weiteres erkennbare rechtsextremistiExtremistische sehe Grundhaltung der Partei wird vor allem an den ihr zurechenbaren Grundhaltung Äußerungen führender Funktionäre sowie am Inhalt ihrer publizisti- , sehen Sprachrohre deutlich, die im Verlag des , __--r-ii iF^ftiiJr'il8Cton91 Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey erscheinen. *^r^l^BlßmHiW^^^^^aBiai l Qj ese greifen regelmäßig aktuelle Probleme auf, n e Kz-Lüge ge9 deg * J ^ r ^ l H l f f i f u r die sie ihre langjährig entwickelten Feind- * * l 3 a l ' i O l l 3 l ^ ' ^ ^ - = = ' r = " " " ' L " i bilder wie etwa die "unverschämten" Polen, die H " l l ' " y ^ ">"' . ".-annoch? u " A A A- i II """4 \ N \ P V 1 6 \ 6 M ! S Ö B P ^ ^ ^ ' "erpresserischen Juden oder die "kriminellen l^g3Q9"&B---r-_""<> Ausländer verantwortlich machen. Dabei r ^ y U Darf M ; S ; ? a s s e n ^ssen,-' bedient sich die Partei einer taktischen e "Ja - aber"Methodik, die darauf angelegt ist, brisante Aussagen sofort wieder zu relativieren in der Hoffnung, die extremistische "deg l '"t"f5ä , ' GO '" a98n Botschaft bleibe beim Adressaten dennoch ^igbuBeikfJSg^^ haften Rechtsextremismus 41 Wie im Vorjahr konzentrierte sich die DVU verstärkt auf Kritik an der NS-Apologie "extrem einseitigen Vergangenheitsbewältigung". Dabei versuchte die Partei, die deutsche Schuld an der massenhaften Ermordung der europäischen Juden zu relativieren, um damit den Nationalsozialismus zu rehabilitieren. Als Anknüpfungspunkte dienten aktuelle Ereignisse, z.B. der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus: "Unfaßbar ist die auch an diesem 27. Januar wieder offenbar gewordene Gier etablierter bundesdeutscher Medien und Politiker, dem deutschen Volk zusätzliche Tonnengewichte an Kollektivschuld, -Verantwortung, -haftung usw. aufzuladen." (DNZ vom 31. Januar) "Eine seit Kriegsende sich von Jahr zu Jahr steigernde antideutsche .Vergangenheitsbewältigung' sowie eine Flut von Mahnmalen in der ganzen Bundesrepublik, die einseitig nur deutsche Schuld beschwören, haben offenbar ihre Wirkung nicht verfehlt." (DWZvom 21. März) "Die wissenschaftliche Forschung wird enorm durch das auf Kohls Initiative weiter verschärfte politische Gesinnungsstrafrecht erschwert. Zwar ist zu Lasten Deutschlands jedwede Lüge, Erfindung und Fälschung erlaubt. Wer aber Zweifel am Ausmaß der NS-Untaten vorbringt, muß mit Haft bis zu fünf Jahren rechnen." (DNZ vom 28. März) "Geschützt sind Minderheiten, hauptsächlich also die Judenheit, nicht aber das Mehrheitsvolk in Deutschland. Gegen die deutsche Seite sind Lügen und Fälschungen jeder Art und in jedem Ausmaß zulässig und straffrei." (DNZ/DWZ vom 27. Juni) "Je länger der Zweite Weltkrieg zurückliegt, desto heftiger werden die Anklagen gegen Deutschland, unterstützt oder vorgetragen von maßgeblichen deutschen Politikern, ... Wird dieser Nationalmasochismus, wie ihn kein anderes Volk dieser Erde jemals kannte oder kennt, nie ein Ende nehmen?" (DNZ/DWZ vom 16. Mai) Diese ständige Relativierung dient nicht der historischen Wahrheitsfindung, sondern ergibt in der Gesamtschau eine systematische Verharmlosung der menschenverachtenden Politik des NS-Unrechtsstaats. 42 Rechtsextremismus -PS.*"\ Zur Bekräftigung ihrer Warnungen vor der AusländerT^iiPj^UfH \ kriminalität berief sich die DVU in der DWZ vom 25. April auf einen SPD-Reichstagsabgeordneten jüdischer Abstammung, der 1927 erklärt habe, auch seine Fraktion habe "kein Interesse daran, ausländisches Gesindel in Deutschland zu dulden". Im Lande gebe es bereits "genug einheimisches Ungeziefer, das man sehr gut entbehren" könne - um so weniger bestehe Anlaß, "den Zuzug und Aufenthalt ausländischer gemeingefährlicher Elemente zu unterstützen". Die rassistisch unterlegte Agitation der DVU erweckt den Eindruck, ausländische Zuwanderer seien - mit Ausnahme der Ausund Übersiedler - durchwegs Asylbetrüger, Kriminelle und Schmarotzer: "Von in diesem Jahr erheblich über 100.000 Asylbewerbern werden nach den Entscheidungen von Behörden und Gerichten etwa 5 Prozent als tatsächlich politisch oder anderweit Verfolgte anerkannt. Bei den übrigen annähernd 100.000 Personen handelt es sich um Scheinasylanten, also Asylbetrüger, von denen ein großer Teil zur Vortäuschung einer anderen Identität und nicht vorhandener Verfolgung Pässe und sonstige Personalunterlagen vernichtet hat." (DNZ/DWZ vom 22. August) "Darüber hinaus registrieren wir eine nie dagewesene Überfremdung und eine Explosion der Kriminalität, allen voran der Ausländerkriminalität." (DWZ vom 19. September) Die Warnung vor einer "Entdeutschung des deutschen Volkes" und die pauschale Abwertung fremdländischer Personen als Kriminelle zeugen von einer diskriminierenden, rassistisch motivierten fremdenfeindlichen Haltung, die mit Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Nationalismus Kennzeichnend für die nationalistische Einstellung der DVU ist ihre Ablehnung supranationaler Institutionen. Seit vielen Jahren agitiert die DVU gegen die europäische Einigung. Anfang 1997 wurde diese Kampagne insbesondere gegen den Euro intensiviert. "Wenn jemand ... seine Familie vollständig zu ruinieren droht, kann er entmündigt werden. Bundeskanzler Kohl aber darf munter weiterregieren, obgleich sein Euro-Wahn gleich das gesamte deutsche Volk an den Bettelstab bringt." (DWZ vom 27. Juni) Rechtsextremismus 43 "In der irrwitzigsten Währungsreform der Weltgeschichte will Kohl die stabile Deutsche Mark ... gegen einen zwangsläufig wachsweichen Euro ungeachtet immer stärkerer Widerstände auswechseln." (DNZ vom 27. Juni) "Die Wahnsinns-Politik wird quasi gekrönt durch eine ,Europa'-Politik, die auf die Abschaffung der D-Mark und letztlich gar auf die Auflösung der Bundesrepublik in der EU hinausläuft." (DWZvom 19. September) "Deutschland soll sich politisch entmannen sowie wirtschaftlich und finanziell ruinieren, damit seine Nachbarn ihre diffusen Ängste verlieren!" (DWZ vom 30. Mai) Die zunehmend subtiler gewordene Agitationsmethodik der DVU Latenter vermeidet offenen Antisemitismus. Gleichwohl sind ihre Aussagen zu Antisemitismus den Themen "Juden" und "Israel" vielfach tendenziös: "Israels Premier... hat den Friedensprozeß gegenüber den Palästinensern durch schwerwiegende Serien von Völkerrechtsund Vertragsbrüchen und immer neue Provokationen zusammenbrechen lassen." (DNZ vom 11. April) "Der Frankfurter Anwalt und Stadtverordnete Michel Friedman (41) aber wird von den bundesdeutschen Massenmedien derart hofiert und bejubelt, daß man glauben könnte, er sei der unumschränkte Alleinherrscher von ganz Deutschland. (...) Das Mitglied des Präsidiums des Zentralrats der Juden in Deutschland beherrscht virtuos das Vokabular antideutscher Kollektivanklagen, nach dem ein Großteil der Meinungsindustrie geradezu lechzt und von dem sie lebt." (DWZ vom 11. Juli) "In unvergleichlicher Arroganz geriert sich Friedman als Morallehrer der Deutschen." (DWZ vom 21. März) Ständige diffamierende Äußerungen über demokratische Parteien und Diffamierung deren Repräsentanten lassen das vom Mehrparteienprinzip und dem demokratischer Prinzip der Chancengleichheit der Parteien geforderte Mindestmaß an Institutionen Toleranz gegenüber politischen Konkurrenten vermissen. Hierbei geht es der DVU nicht um eine durch Art. 5 des Grundgesetzes gedeckte politische Auseinandersetzung. Vielmehr werden die demokratischen Parteien durch Polemik auf vielfältige Weise verächtlich gemacht. Dadurch soll das Vertrauen in die Wertordnung des Grundgesetzes erschüttert und insgesamt das Staatswertbewußtsein geschmälert werden. 44 Rechtsextremismus Hinter solchen Diffamierungen steht die Absicht, auf diesem Weg die freiheitliche demokratische Grundordnung zu treffen. Diese soll als Ganzes fragwürdig erscheinen, indem der Eindruck entstehen soll, die kritisierten "Mißstände" hätten letztlich ihre Ursache in der Grundordnung selbst. "SPD-Lafontaine und Konsorten schlagen in dieselbe ,Euro'-Kerbe wie Kohl und Waigel. Das etablierte Polit-Gesöff ir i Bonn: Inhalt derselbe,nur die Flaschen ändern sich." (DNZ vom 2. Mai) "Dreistigkeit im etablierten Polit-Kartell kennt keine Grenzen. Je mehr Normalbürger infolge herrschender Politik in Arbeitslosigkeit und soziale Not stürzen, desto weicher betten sich auf Kosten der Allgemeinheit politisch Verantwortliche." (DWZ vom 25. Juli) "Kohls Polit-Rezepte zeichnen sich aus durch Korruption, Selbstbereicherung, Diätenwahn, eine geradezu tödliche Sparpolitik und Entfremdung der, Volksvertreter' vom Bürgerwillen." (DWZ vom 19. September) "In dem Wahn, als Einiger Europas in die Geschichte einzugehen, strebt Kohl neben der Aufgabe der deutschen Währungssouveränität gar die Auflösung der Bundesrepublik Deutschland in einem europäischen Vielvölkerstaat an." (DWZ vom 24. Oktober) Nach wie vor ist die Partei bestrebt, das Ausmaß rechtsextremistisch Relativierung motivierter Militanz zu relativieren. Dabei knüpft sie vielfach an rechtsextremistiStraftaten mit rechtsextremistischem Anfangsverdacht an, der sich scher Gewalt nachträglich als unzutreffend herausstellte. Täter aus dem rechtsextremistischen Spektrum werden dagegen als Außenseiter bezeichnet. "Nicht auszuschließen ist übrigens, daß interessierte Kreise, die an der Lüge vom .rechten Terror' festhalten wollen, weitere Anschläge inszenieren werden. (...) Der sogenannte Rechtsterror ist in Wahrheit eine Propagandalüge antideutscher Kräfte!" (DNZ vom 7. November) "Die Drahtzieher der Desinformationen gegen die Rechte nehmen es dabei billigend in Kauf, daß ihre Sensationsberichterstattung über solche Vorfälle immer wieder Nachahmungstäter heranzüchtet, ...4 Aber offenbar ist das sogar ein gewünschter Nebeneffekt, der garantiert, daß die Hetze immer wieder neue Nahrung erhält." (DNZ vom 13. Juni) Rechtsextremismus 45 4.2 Organisation Die DVU zählte Ende 1997 nach Erkenntnissen des VerfassungsStagnierende Schutzes wie im Vorjahr bundesweit knapp über 15.000 Mitglieder, Mitgliederzahl davon etwa 1.800 in Bayern. Mit eingerechnet sind dabei die Angehörigen des bereits seit 1971 bestehenden gleichnamigen Vereins, die nach Vollendung des 16. Lebensjahres auch der Partei angehören, sofern sie nicht widersprechen. Mittelfristig ist mit einem Rückgang zu rechnen, da die Partei keine Jugendarbeit betreibt, obwohl die Mitgliedschaft überaltert ist. Bundesvorsitzender ist der auf dem Bundesparteitag am 15. März in München wiedergewählte Verleger Dr. Gerhard Frey aus München. Ende 1997 verfügte die Partei in allen Bundesländern nominell über Landesverbände, die jedoch teilweise völlig inaktiv waren. Insbesondere ist es der DVU bisher nicht gelungen, in den neuen Ländern Fuß zu fassen. In Bayern bestehen die Bezirksverbände Oberbayern, Niederbayern, Mittelfranken, Oberpfalz und Schwaben sowie 16 Kreisverbände und vier Ortsverbände, die kaum Aktivitäten zeigen. Vorsitzender des Landesverbands Bayern ist Bruno Wetzel. Im Verlag des Parteivorsitzenden erscheinen die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und die teilweise inhaltsgleiche "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ). Beide fungieren als Werbeträger und publizistische Sprachrohre sowohl der Partei als auch des gleichnamigen eingetragenen Vereins. Die Partei ist nach wie vor bei Dr. Frey hoch verschulFPSgr *^ det. Nach dem Rechen- a n c ,!?****(c)#"/-"__ _ schaftsbericht beträgt das " ^ " Ä C D " E V o u s u T i S , Ä ^^e/f.^** Defizit der DVU J 7,5 f ^ ^ ^ ^ ^ Millionen DM. Das Spen- W '""'atiw,"7ZT"~""i. denaufkommen ist rück- * fSS^S^^OS^rfl^'-läufig. Die Abhängigkeit j r lr,*"""~SSS, * ' der DVU "on den Finanz- + j^Ä!Sä#5iS5 Frey, den K u r i e r Parte, 4 % S ^ (tm) Ä S ^ r nicht nur inhaltlich, : tmideutschlp9 9e 9e" sondern auch perso- ' " ^ " ^ ' ' ^ Ä ^ ^ O G A ) nell zu bestimmen. ^*^**l***w*" 46 Rechtsextremismus 4.3 Bündnispolitik Die DVU bekennt sich formell zur "Einheit der Rechten". So schlug Dr. Frey dem REP-Vorsitzenden Dr. Schlierer in den Jahren 1995, 1996 und 1997 Wahlabsprachen vor. Diese Initiativen dürften indes kaum ernst gemeint gewesen sein, da Dr. Schlierer wie seinerzeit Schönhuber durch eine derartige Absprache seine politische Existenz riskiert hätte. Dr. Frey mußte also nicht damit rechnen, beim Wort genomDesinteresse men zu werden. Eine von der NPD angebotene gemeinsame Kandian Einigungsdatur bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg lehnte die DVU zwar bestrebungen nicht offiziell ab. Wegen der hinhaltenden Taktik des Dr. Frey sah sich die NPD jedoch veranlaßt, eigene Wahlvorbereitungen fortzuführen. Nach wie vor ist Dr. Frey ein entschiedener Gegner der Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH), die sich seit Jahren für die Zusammenarbeit des "rechten Lagers" einsetzt. Er scheint lediglich Interesse an einer Vereinigung der Rechten unter seiner Leitung zu haben. Dafür spricht auch, daß die DVU weder die NPD-Kundgebung am 1. März noch die Vorbereitungen auf die schließlich verbotene NPD-Demonstration am 1. Mai unterstützte. Auf dem Bundesparteitag am 15. März erteilte der Parteivorsitzende Bündnisbestrebungen eine Absage und warf anderen Organisationen gleichzeitig mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Die Kontakte zum Vorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei Rußlands (LDPR) Wladimir Schirinowski] spielten 1997 keine Rolle mehr. Der DVU-Vorsitzende hatte gehofft, durch Verbindungen zur LDPR seine nationale Isolierung überspielen zu können. Das Verhältnis hat sich nach erneuten antideutschen Äußerungen des LDPR-Vorsitzenden in Zusammenhang mit der Diskussion um die Frage der Rückgabe deutscher Kunstschätze durch die Sowjetunion erkennbar abgekühlt. Zudem hat Dr. Frey für seine Großkundgebungen inzwischen Redner aus Europa und den USA gefunden, die ebenfalls seine "Internationalst" belegen, aber nicht durch deutschfeindliche Aussagen belastet sind. 4.4 Teilnahme an Wahlen Knappe NiederBei den Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft am 21. September vertage in Hamburg fehlte die DVU mit einem Stimmenanteil von 4,97% nur knapp den Einzug in das Landesparlament. Die DVU spricht in diesem Zusammenhang von Wahlfälschung und hat das Wahlergebnis angefochten. Rechtsextremismus 47 Dennoch sieht sich die DVU im Aufwind, da sie die REP deutlich distanzieren und damit ihre Position im "rechten Lager" wieder festigen konnte. Das Ergebnis der DVU überraschte, da sie ihren finanziell aufwendigen Wahlkampf nahezu ausschließlich mittels Postwurfsendungen, Plakaten und Stelltafeln geführt hatte und in Hamburg kaum über funktionierende Strukturen verfügt. Im April 1998 will die Partei an den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt teilnehmen. 4.5 Sonstige Aktivitäten Abgesehen von der jährlichen Großkundgebung in Passau ist die DVU in Bayern kaum aktiv. Nach wie vor fehlt ein organisiertes Eigenleben. Die Partei tritt im allgemeinen nur durch die von ihrem Vorsitzenden herausgegebenen Wochenzeitungen öffentlich in Erscheinung, in denen sie die gewohnte Feindbildpflege und Gruppenstigmatisierung betreibt. Die diesjährige Großkundgebung der DVU am 27. September in der Jährliche Passauer Nibelungenhalle stand unter dem Motto "Deutsche Zukunft Großkundgebung - unsere Chance". An der Veranstaltung nahmen knapp 3.000 Persoin Passau nen teil. Als Hauptredner trat wie in den Vorjahren der DVU-Bundesvorsitzende Dr. Frey auf. Er bezeichnete das Ergebnis der DVU bei der Hamburger Bürgerschaftswahl als Erfolg und betonte, daß die DVU aus dieser Wahl als viertstärkste Kraft hervorgegangen sei. Des weiteren griff er Standardthemen wie "Scheinasylanten", "kriminelle Ausländer" sowie die umstrittene "Wehrmachtsausstellung" auf. Insbesondere kritisierte er die Bundesregierung wegen ihres Eintretens für die Verträge von Maastricht und ihres Festhaltens an der Einführung des Euro. Als Gastredner waren Vertreter von Schwarzenund Indianerbewegungen aus den USA erschienen. Delegationen aus Schlesien (Polen) und Südtirol (Italien) sollten unterstreichen, daß die DVU sich auch als Partei der Auslandsdeutschen versteht. Den Andreas-Hofer Preis der Deutschen Wochen-Zeitung (DWZ) erhielt der Flame Hubert Verheist. Er ist Abgeordneter und Vorsitzender der belgischen "Freiheitsbewegung Flandern". Der Freiheitspreis der Deutschen National-Zeitung (DNZ) ging an den ehemaligen österreichischen Nationalrat der FPÖ Dr. Otto Scrinzi, der als "Vorkämpfer für die Deutscherhaltung Österreichs und Südtirols" gewürdigt wurde. 48 Rechtsextremismus Gegen die DVU-Veranstaltung demonstrierten rund 400 Personen. Die Polizei nahm 39 Personen fest bzw. in Gewahrsam, davon neun aus dem rechtsextremistischen Spektrum. 5. Neonazismus 5.1 Allgemeines Eine besonders prägnante Erscheinungsform des Rechtsextremismus ist nach wie vor der Neonazismus (neuer Nationalsozialismus). Er umfaßt alle Aktivitäten und Bestrebungen, die ein offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und auf die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären bzw. totalitären Staats gerichtet sind. AgitationsDie Agitation der Neonazis richtet sich insbesondere gegen die vom schwerpunkte Grundgesetz (Art. 1, 3 und 20) garantierte Menschenwürde, den Gleichheitsgrundsatz und das Demokratieprinzip. Sie umfaßt vor allem Bestrebungen zur Wiedereinführung des NS-Systems, unverhohlenen Antisemitismus und sonstigen Rassismus, Verharmlosung und Leugnung der NS-Verbrechen sowie Verherrlichung von Institutionen und Personen der Hitler-Diktatur. Seit dem Vorjahr verknüpfen Neonazis zunehmend wirtschaftsund sozialpolitische Problemfelder mit völkischen Theorieelementen und nutzen sie im Sinn ihrer ausländerfeindlichen Argumentation. Mit gegenwartsbezogenen Themen wie z.B. der "Anti-Maastricht-Kampagne" versuchen sie, Aufmerksamkeit in der Bevölkerung zu erringen und in der allgemeinen politischen Auseinandersetzung Akzeptanz zu gewinnen. Neue OrganisaAufgrund der staatlichen Maßnahmen gegen rechtsextremistische tionund AktionsAktivitäten (Vereinsund Versammlungsverbote, Strafverfahren u.a.) konzepte betreiben führende Neonazis den Aufbau neuer Strukturen. Um den staatlichen Verfolgungsdruck möglichst zu unterlaufen und die eigene Aktionsfähigkeit zu erhalten oder noch zu steigern, entwickelten sie unterschiedliche Organisationsund Handlungskonzepte. Ein Teil von ihnen tritt für eine enge Kooperation mit den Jungen Nationaldemokraten (JN) ein, infiltriert sie und baut seinen Einfluß gezielt bis in die Führungskader aus, um sich damit eine legale Aktionsplattform unter dem Deckmantel einer nicht verbotenen Partei zu schaffen. Andere Neonazis forcieren mit regional unterschiedlichem Erfolg den Aufbau "autonomer" Kameradschaften. Die Anlehnung an Aktionsund Rechtsextremismus 49 Strukturnnodelle der Linksextremisten ist unverkennbar, obwohl der Begriff "autonom" für Neonazis lediglich das Fehlen überkommener Organisationsformen bedeutet. Dabei sollen statt fester Organisationen lose Strukturen geschaffen und der Aufbau eines Netzwerks regionaler Gruppierungen betrieben werden, die völlig selbständig agieren. Ihr Zusammenhalt soll durch regionale und bundesweite Führungstreffen und eine informationelle Vernetzung, also die Nutzung moderner Kommunikationsmittel (vgl. Nummer 10 dieses Abschnitts), gewährleistet sein. Auch in Bayern haben diese neuen Organisationsformen noch nicht zu einer Steigerung der Aktionsfähigkeit der Neonazis geführt; die einzelnen Gruppen sind weitgehend isoliert. Lediglich zu der von der NPD organisierten Demonstration am 1. März Mißlungene in München ließ sich unter der Aktionsbezeichnung "Nationaler Aktionen Widerstand" eine größere Anzahl von Neonazis und Skinheads gleichzeitig mobilisieren. Eine Erneuerung dieses Bündnisses mißlang bereits anläßlich einer geplanten NPD-Demonstration am 1. Mai in Leipzig. Danach verharrte das neonazistische Spektrum in abgekapselten Positionen und ignorierte bzw. bekämpfte Einigungsbemühungen. Als Fehlschlag erwiesen sich auch die "Rudolf-Heß-Aktionswochen" im August, nachdem die JN eine Beteiligung offiziell abgelehnt hatten. Führende Vertreter des neonazistischen Spektrums haben sich inEinigungszwischen in Diskussionszirkeln sogenannter "Freier Nationalisten" bestrebungen bzw. "Freier Strukturen" zusammengefunden. Initiatoren einer in einem Flugblatt, im Internet und in Nationalen Info-Telefonen (NIT) angekündigten neuen Zeitschrift mit dem Titel "Zentralorgan" sind die Herausgeber der Schriften "Freie Stimme", "Widerstand" und "Moonstomp". Sie wollen damit ein Zeichen gegen die Zersplitterung der Kräfte - auch im publizistischen Bereich - setzen, die finanziellen Kräfte bündeln und durch überregionale Zusammenarbeit stärken. Zielgruppe sind zunächst wohl in erster Linie die Skinheads, darüber hinaus aber auch am "rechten Rand" angesiedelte Bürger und insbesondere Jugendliche. Ob das Projekt einer weiteren Zersplitterung entgegenwirkt, ist derzeit nicht abzusehen. Die Zahl der Neonazis in Bayern betrug Ende 1997 rund 210 (1996: Zunahmeder 160); davon gehören etwa 130 (1996: 85) neonazistischen OrganisaNeonazis in tionen an. Die Zunahme beruht wie im Vorjahr u.a. auf einem verbesBayern serten Erkenntnisstand. Insgesamt sind die Aktivitäten neonazistischer Gruppen in Bayern nicht gestiegen. Eine Ausnahme bildet der "Freiheitliche Volks Block" (FVB). An dieser Vereinigung wird deutlich, daß 50 Rechtsextremismus es trotz der zahlreichen in der Vergangenheit verfügten Vereinsverbote noch immer aktionsfähige und organisationswillige Neonazis gibt. Aufmerksamer Beobachtung bedarf ein im Umfeld von Neonazis und Skinheads entstandenes Potential von Jugendlichen, die durch Schmierereien wie "Rechts ist geil" Sympathien mit neonazistischem Gedankengut offenbaren, ohne sich organisatorisch zu binden. Die zur Ausspähung und Abwehr politischer Gegner geschaffene Anti-Antifa-Bewegung, die insbesondere als Initiative einzelner führender Aktivisten zur Bildung von Aktionsbündnissen und zur Integration der Szene beitragen sollte, wird nur noch von Einzelpersonen repräsentiert und spielt in Bayern keine nennenswerte Rolle. 5.2 Freiheitlicher Volks Block (FVB) Der 1994 nach dem Verbot der neonazistischen Heimattreuen Vereinigung Deutschlands (HVD) gegründete FVB stellt einen Sonderfall im ansonsten weitgehend inaktiven Spektrum der organisierten Neonazis dar. Dem Führungskader gehören ehemalige HVD-Funktionäre an. Bis etwa Mitte 1996 lag der Schwerpunkt des FVB in Baden-Württemberg, obwohl bereits ein Landesverband Bayern bestand. Inzwischen verlagerte sich das Hauptbetätigungsfeld nach Bayern und darüber hinaus auch in andere Bundesländer. Neben weiteren Landesund Kreisverbänden entstanden auch eine FVB-Frauenfront und eine FVB-Burschenschaft. Im Landesverband Bayern bestehen drei Stützpunkte in Augsburg, Neu-Ulm und Nürnberg. Mit Veranstaltungen, Konzerten und dem Verteilen von Flugblättern und Broschüren versucht der FVB, sich insbesondere ein Potential junger Leute auch aus dem bürgerlichen Spektrum zu erschließen. Daneben intensiviert er seine Verbindungen in die Skinheadszene, einem Rekrutierungsbereich der Neonazis. Bei öffentlichen Versammlungen tritt der FVB zumeist als sogenannter "Schwarzer Block" auf, da die Teilnehmer überwiegend schwarz gekleidet sind und schwarze Fahnen mit dem Emblem des FVB mitführen. Dabei kann er ein über die eigenen Mitglieder hinausreichendes Potential mobilisieren. So marschierten bei der NPD-Kundgebung am 1. März in München im Block des FVB rund 80 Demonstranten mit. Der FVB grenzt sich von anderen Gruppierungen des Nationalen Lagers weitgehend ab, was zu einer zunehmenden Isolierung zu führen Rechtsextremismus 51 scheint. Beim Internationalen Falangistentreffen in Madrid/Spanien vom 21. bis 23. November kam es sogar zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des FVB und der NPD/JN. 5.3 Deutscher Bund e.V. (DB) Der 1993 von Rechtsextremisten in Coburg gegründete DB erstrebt den Wiederaufbau des Deutschen Reiches und versteht sich nach seiner inneren Ausrichtung als ein "Orden" in der Tradition der deutschen Ritterorden: "Die Aufgabe des Ordens ist das Reich und seine Zukunft. Germanisches Bürger-, Staatsund Strafrecht ist in anwendbare Gesetze zu gießen." Vorsitzender des Vereins ist Günther Leyk. Je nach Zugehörigkeitsdauer, ideologischer Festigung und Zuverlässigkeit gibt es mehrere Stufen der Mitgliedschaft. Im Publikationsorgan "Burgpost" wurden die Bundesrepublik Deutschland und ihre Vertreter verunglimpft, das NS-Regime verherrlicht, NS-Verbrechen relativiert und rassistisches Gedankengut vertreten: "Rassenvermischung ergibt nicht schlechthin untüchtigere Menschen, aber charakterlich unsichere (labile), schwankende Persönlichkeiten." Der Verein, dem auch Rechtextremisten aus Bayern angehören, veranstaltete bundesweit konspirative Treffen. 5.4 Neonazistisches Potential bei Skinheads Die in Großbritannien entstandene, Ende der 70er Jahre erstmals auch im Bundesgebiet in Erscheinung getretene Skinhead-Bewegung war ursprünglich eine jugendliche Subkultur. Ihr Auftreten (kahlrasierte Köpfe, Uniformjacken) signalisierte eine extreme Ablehnung der bürgerlichen Gesellschaft. Inzwischen passen sich Skinheads in ihrem äußeren Erscheinungsbild oft der bürgerlichen Umgebung an und sind damit von anderen militanten Rechtsextremisten kaum noch Weltanschauung zu unterscheiden. Obwohl sie zu einer rational bestimmten politiund Politikverschen Meinungsbildung häufig nicht fähig und deshalb an einer funständnis dierten politischen Auseinandersetzung kaum interessiert sind, hat sich in diesen Kreisen inzwischen eine vom organisierten Rechtsextremismus unabhängige diffuse rechtsextremistische Weltanschauung herangebildet. Sie ist vielfach von rassistischer Ausländerfeind- 52 Rechtsextremistnus lichkeit und übersteigertem Nationalbewußtsein geprägt. Diese Einstellung, die vor allem wegen ihrer rassistischen Grundhaltung an wesentliche Elemente des Nationalsozialismus anknüpft, ist nicht verstandesmäßig begründet und spiegelt sich daher nicht in programmatisch-ideologischen Aussagen, sondern meist in spontanen Aktionen wider. Besonders ausgeprägt ist der Hang zur Gewalt (vgl. auch Nummer 2.1.2 des 5. Abschnitts). Mögliche EinDie Hinwendung Jugendlicher zum Skinheadspektrum ist häufig die stiegsmotive für Folge von Sozialisationsdefiziten bzw. einer Lebensfehlentwicklung Jugendliche des einzelnen, die unterschiedliche Ursachen (z.B. familiäre Probleme) haben kann. Ein möglicher Grund ist ferner ein Statusverfall, bedingt durch das Scheitern in Schule oder Lehre und damit verbundene Arbeitslosigkeit. Jugendliche suchen und finden sowohl in neonazistischen Zusammenschlüssen als auch bei Skinheads "soziale Wärme" in Form von Kameradschaft, Zusammenhalt, Selbstwertgefühl, Identität und Stärke. Auch für unpolitische Jugendliche aus intakten Familien kann die Skinheadszene attraktiv sein, weil die Skinheadmusik als eine Stilrichtung der Rockmusik Interesse weckt, der in dieser Szene übliche exzessive Lebensgenuß einschließlich des enormen Alkoholkonsums Spaß macht und diese Subkultur sich absichtlich und deutlich sichtbar von der "spießbürgerlichen" Gesellschaft abgrenzt. Außerdem finden "rechte" Meinungen und skinheadtypische Kleidung (Lederjacke, Doc-Martens-Boots) als Ausdruck eines derzeitigen Modetrends auch bei unpolitischen Jugendlichen (z.B. bei Fußballfans) Anklang; die Grenzen zur rechtsextremistischen Skinheadszene sind vielfach fließend. Die Skinheadszene unterliegt einer starken Fluktuation und kennt in der Regel weder feste Organisationsstrukturen noch formelle Mitgliedschaften. Die Bindungen zur Gruppe reichen von losen gelegentlichen Kontakten über regelmäßige Beteiligung an Aktionen bis zur WahrNeue Gruppen nehmung von Führungsfunktionen. In Bayern haben sich seit Jahresin Bayern beginn mehrere neue Zusammenschlüsse gebildet, in denen rechtsextremistisches Gedankengut vertreten wird, insbesondere in Oberbayern und Schwaben. Umgekehrt sind in anderen Bereichen keine oder nur noch geringe Aktivitäten feststellbar. Insgesamt sind derzeit in Bayern aufgrund eines verbesserten Erkenntnisstands rund 600 (1996: 360) Skinheads mit rechtsextremistischem Hintergrund bekannt. Teilweise Obwohl sich Skinheads nur selten für eine längerfristige politische Einbindung in dieMitarbeit gewinnen lassen, ist in Teilbereichen eine zunehmende EinNPD/JN bindung von Skinheads in das rechtsextremistische Parteienspektrum Rechtsextremismus 53 festzustellen. So kann ein NPD-Funktionär, der an der Spitze einer Gruppierung von rund 30 Skinheads im Raum Herzogenaurach eine Art Scharnierfunktion ausübt, für NPD-Veranstaltungen bis zu 50 Skinheads mobilisieren. Rechtsextremistische Skinheads sind intern akzeptierter, fester Bestandteil der JN-Stützpunkte Augsburg, Freising und München, wobei der JN-Stützpunkt Augsburg sogar von einem Skinhead geleitet wird. Inzwischen rekrutieren sich etwa 40 % der JN-Sympathisanten in Bayern aus der rechtsextremistischen Skinheadszene. Die von Skinhead-Bands vorgetragene sogenannte Oi-Musik ist das Einfluß der wichtigste Medium der Szene und übt einen anhaltenden rechtsSkinhead-Bands extremistischen Einfluß aus. In den Texten dieser Musik kommt die und "Fanzines" gewalttätige und menschenverachtende Einstellung rechtsextremistischer Skinheads zum Ausdruck. Die Lieder propagieren Antisemitismus und Nationalismus und glorifizieren den Nationalsozialismus. Sie rufen zum Kampf für die eigene "weiße Rasse" auf und verunglimpfen Ausländer, Juden sowie politische Gegner. Auch die intern verbreiteten szenetypischen Skinhead-Publikationen ("Fanzines") weisen vielfach rechtsextremistische Bezüge auf. Sie nennen Treffpunkte und Termine, stellen Tonträger von Skinhead-Bands vor und geben diesen ein Forum zur Selbstdarstellung. Innerhalb der ansonsten strukturarmen Skinheadszene bilden der Zunahme Besuch von Skinhead-Konzerten sowie die Fanzines wichtige Elemente der Skinheadder Kommunikation und des Zusammenhalts. Hier werden Kontakte Konzerte zu Gleichgesinnten aus anderen Regionen geknüpft und Neuigkeiten aus der Szene ausgetauscht. Während die Zahl solcher Konzerte bundesweit deutlich zunahm, war sie in Bayern mit drei (1996: sechs) Veranstaltungen am 5. April in Herzogenaurach, Landkreis Erlangen-Höchstadt, am 12. April in Stockheim, Landkreis Kronach, und am 19. Juli in Putzbrunn, Landkreis München, rückläufig. Auch die übrigen Aktivitäten wiesen in der zweiten Jahreshälfte 1997 aufgrund des konsequenten polizeilichen Einschreitens eine sinkende Tendenz auf. Die im Januar, Juni und Juli in Erlangen, Nürnberg und Zirndorf vor Skinhead-Publikum veranstalteten Liederabende mit neonazistischen Interpreten unterstreichen die Bedeutung des nordbayerischen Raums für die rechtsextremistische Musikszene. Die sieben (1996: sechs) bayerischen Skinhead-Bands haben im Laufe des Jahres ihre Liedtexte zunehmend von strafbaren Inhalten bereinigt. Der Inhalt ihrer CDs beschränkt sich im allgemeinen auf nationalistische, heroische Aussagen sowie Kritik an der Gesellschaft und den Skinhead-Feindbildern. 54 Rechtsextremismus Rund 30 in Deutschland ansässige Skinhead-Vertriebe sowie weitere Firmen im Ausland, insbesondere in Skandinavien, Großbritannien und den USA bieten zum Teil auch über Internet Tonträger rechtsextremistischer Skinhead-Bands und Liedermacher an. Die Tonträger werden direkt oder über Zwischenhändler vertrieben und finden in der deutschen Szene über den Postvertrieb und über den Direktverkauf bei Veranstaltungen Verbreitung. In dem hart umkämpften Markt rechtsextremistischer Skinhead-Musik sind aggressive Lieder besonders gewinnbringend. Die Produktion verlagert sich zunehmend ins Ausland, da Produzenten und Vertreiber in Deutschland die konsequente Strafverfolgung befürchten müssen. Um dem zunehmenden Angebot von Tonträgern mit rechtsextremistischen und volksverhetzenden Inhalten zu begegnen, wurden im Juli und August Exekutivim Rahmen bundesweiter Exekutivmaßnahmen ("Aktion Notenmaßnahmen Schlüssel II") die Geschäftsräume mehrerer Versandfirmen durchsucht. Dabei konnte die Polizei neben rechtsextremistischem Propagandamaterial und Waffen insgesamt rund 45.000 CDs mit strafrechtlich relevantem Inhalt beschlagnahmen. Die Sicherstellung von PCs und Geschäftsunterlagen hatte außerdem für eine Reihe von Firmen eine empfindliche Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs zur Folge. In Bayern waren am 6. August der "Tonträgervertrieb Jens Pühse" in Freising und die Firma "Di-Al Records" in Nürnberg von der Maßnahme betroffen. 5.5 Aktionen zum 10. Todestag von Rudolf Heß (17. August) Auch 1997 wurde der gesamte "Nationale Widerstand" zu Gedenkaktionen für den "Stellvertreter des Führers" aufgerufen. Die diesjährigen Planungen lagen wie im Vorjahr bei einem neonazistisch orientierten "Aktionskomitee Rudolf Heß 1997", das den 10. Todestag seines Idols in besonders eindrucksvoller und öffentlichkeitswirksamer Weise begehen wollte. Bereits seit Mai wurde das rechtsextremistische Spektrum mit Aufklebern, Plakaten, diversen Publikationen, in Nationalen Info-Telefonen (NIT), im Internet und im rechtsextremistischen Thule-Netz mobilisiert. Im Gegensatz zum Vorjahr gelang es dem Aktionskomitee allerdings nicht, die Jungen Nationaldemokraten (JN) in die Planung und Durchführung der angekündigten "Aktionswochen" und des zentralen "Rudolf-Heß-Marsches" am 16. August mit einzubeziehen. Damit entfiel ein wesentliches Mobilisierungspotential. Rechtsextremismus 55 Bundesweit wurden alle öffentlichen Aktionen mit Rudolf-Heß-Bezug verboten, darunter auch mehrere in Norddeutschland geplante Autokorsos und eine von dem Rechtsextremisten Jürgen Rieger für den 17. August angemeldete Kundgebung in Wunsiedel. Die Polizei unterband die meisten Veranstaltungen bereits im Ansatz, insbesondere einen am 16. August von rund 100 Neonazis versuchten "Zentralen Rudolf-Heß-Marsch" in Wolfenbüttel/Niedersachsen. Eine danach in Königslutter/Niedersachsen vorgesehene Demonstration konnte ebenfalls verhindert werden. Dabei kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen mit angereisten Linksextremisten und zur Konfrontation mit der Polizei, die 80 Rechtsund 15 Linksextremisten vorläufig festnahm. In Dänemark fanden sich zu einer von der Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung (DNSB) in Koege bei Kopenhagen durchgeführten Heß-Kundgebung 130 Personen ein, darunter zehn Teilnehmer aus Deutschland. In Bayern waren lediglich etwa 20 kleinere Einzelaktionen (z.B. Kranzniederlegungen, verdeckte Verbreitung von Flugblättern und Aufklebern) zu verzeichnen. Obwohl sich an den "Rudolf-Heß-Aktionen" bundesweit insgesamt rund 800 Personen (1996: 500) des "Nationalen Lagers", hauptsächlich aus dem neonazistischen Bereich, beteiligten, bedeutete das Scheitern öffentlichkeitswirksamer Aktionen und insbesondere der fehlgeschlagene Versuch einer zentralen Veranstaltung für die Initiatoren eine empfindliche Niederlage. Gerade dem zehnten Todestag von Heß hatte die Szene eine besondere Bedeutung beigemessen. Auch die vorherige Absage der JN hat die Neonazis sichtlich getroffen. Führende neonazistische Aktivisten versuchten gleichwohl, den Fehlschlag ihrer Bemühungen in einen propagandistischen Erfolg umzumünzen. Sie behaupteten, die Aktionswochen hätten trotz "wachsender staatlicher Repression" ein weltweites Medienecho gefunden, obwohl über 15.000 Polizeibeamte zur Verhinderung der im Grundgesetz garantierten Rechte eingesetzt gewesen seien. In einem Klima kaum zu beschreibender Hysterie sei es gelungen, die amtliche Legende vom "Selbstmord" des "Friedensfliegers" vor breitem Publikum in Frage zu stellen. 5.6 Aktivitäten ehemaliger FAP-Funktionäre Obwohl keine Anzeichen für die Fortführung der 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) oder den Aufbau von Nachfolgeorganisationen vorliegen, sind ehemalige FAP-Funktionäre 56 Rechtsextremismus extremistisch aktiv. So trat der ehemalige FAP-Vorsitzende Friedhelm Busse auch 1997 wieder als Teilnehmer und Redner bei etlichen Veranstaltungen auf, u.a. bei einer Zusammenkunft von Neonazis am 15. März in Baden-Württemberg. Am 19. Juli wollte er mit einer Gruppe von Rechtsextremisten das "Führerhauptquartier" auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden besichtigen. Als die Polizei bei einer Kontrolle die Weiterfahrt verhinderte, sprach er in Putzbrunn, Landkreis München, auf einem Skinhead-Treffen. Busse veranstaltete außerdem unter der Bezeichnung "Katakomben-Akademie" Kameradschaftsabende in München; es gelang ihm aber nicht, das Interesse seines insbesondere aus Skinheads bestehenden Umfeldes auf Dauer zu erhalten. Nachdem sich Busse im Vorjahr noch an dem bundesweiten Zeitungsprojekt "Berlin-Brandenburger Zeitung" aktiv beteiligt hatte, ist er seit Anfang 1997 Herausgeber der Publikation "Nachrichten-Informationen-Meinungen" (NIM). Die Schrift erscheint nach eigenen Angaben zweimonatlich mit einer Auflage von 250 Exemplaren im Eigendruck. Sie kommentiert aktuelle politische Ereignisse, gibt einzelne Presseartikel wieder oder berichtet über besondere Ereignisse oder Persönlichkeiten des Dritten Reiches. Auch 1997 nahm der ehemalige FAP-Vorsitzende wieder Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen auf, so beim Internationalen Falangistentreffen im November in Spanien. 5.7 Rechtsextremistisch motivierte Straftaten Straftaten mit Die Gesamtzahl der bekanntgewordenen neonazistischen, antisemitineonazistischen, sehen und rassistischen Straftaten ist in Bayern auf 1.143 (1996: 811) antisemitischen gestiegen. Dabei handelte es sich vielfach um Sachbeschädigung, und rassistischen Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung und Verbreiten von PropaMotiven gandamitteln bzw. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Insbesondere bei Schmierund Klebeaktionen wurden Hakenkreuze und SS-Runen gesprüht oder Parolen wie "Heil Hitler", "Sieg Heil" und "Ausländer raus" verbreitet. Aktionen zu HitEine Häufung solcher Aktionen war wie in den Vorjahren zu Hitlers lers Geburtstag Geburtstag (20. April) zu verzeichnen. Bei Veranstaltungen im privaten Rahmen wurden vor allem der "Hitler-Gruß" entboten und rechtsextremistische Parolen skandiert. Rechtsextremismus 57 So versammelten sich rund 100 Skinheads am 19. April bei Leipheim, Landkreis Günzburg, in einem Zelt, um Hitlers 108. Geburtstag zu feiern. Die Teilnehmer riefen "Sieg Heil" und sangen NS-Lieder. Die Polizei löste das Treffen auf und nahm 73 Teilnehmer in Gewahrsam. Ferner beschlagnahmte sie zahlreiche Schlagwerkzeuge und Gegenstände mit NS-Symbolen. Ein unbekannter Täter versandte seit Mitte Januar aus München Antisemitismus unter dem Pseudonym "Richard Wahnfried Eichmann" volksverhetzende Schreiben, die mit "Heil Hitler" unterzeichnet waren. Darin diffamierte ein "NSDAP & OSTORIA-Geheimbund" deutsche Politiker als "Landeshochverräter" sowie "Gralshüter der jüdischen Unterjochungsund Zersetzungsgier" und behauptete, die Juden wollten aus Deutschland "wieder" einen "Juden-Saustaat" machen. Seit 1991 sind bereits über 180 Fälle bekanntgeworden, bei denen der unbekannte Verfasser antisemitische Pamphlete verschickte. Bei der von der NPD initiierten Kundgebung am 1. März in München Neonazismus trugen Teilnehmer aus den neuen Ländern Gauabzeichen der ehemaligen Hitlerjugend (HJ) mit der Aufschrift "Sachsen" bzw. "Schlesien". Derartige Delikte häufen sich seit Anfang 1997. Die seinerzeit vom "Deutschen Jungvolk" der HJ verwendeten Kennzeichen (Armdreiecke) dienen insbesondere Neonazis als Zeichen ihrer Verbundenheit zur NS-Ideologie. Ein 68jähriger Rentner aus Rosenheim verbreitete seit Mitte 1997 Rassismus bundesweit zahlreiche Broschüren mit dem Titel "Aufruf an alle Deutschen zur Notwehr gegen die Überfremdung". Darin polemisierte der Verfasser gegen die Ausländerpolitik der Bundesregierung und den damit angeblich geplanten Völkermord am deutschen Volk. Der Text des Pamphlets wurde außerdem mittels Disketten verbreitet. Bei einer Hausdurchsuchung am 19. November.stellte die Polizei einen PC mit Scanner und weiteres Beweismaterial sicher. 6. Sonstige rechtsextremistische Organisationen 6.1 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 6.1.1 Ideologisch-politischer Standort Die DLVH hatte im Herbst 1996 die Umwandlung der Partei in einen Verein beschlossen. Sie versteht sich seitdem als eine "überparteiliche und unabhängige Gemeinschaft demokratischer Patrioten". Ein neues 58 Rechtsextremismus "Manifest", in dem sich die Vereinigung formal zur Wertordnung des Grundgesetzes bekennt, ist noch zurückhaltender formuliert als das einstige Parteiprogramm. Die nationalistische, rassistische und völkisch-kollektivistische Grundhaltung, die den Vorrang der in den Grundrechten konkretisierten Menschenrechte (Art. 1 Abs. 3 des Grundgesetzes) und das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes) in Frage stellt, ist gleichwohl unverkennbar: Nationalismus "Die DEUTSCHE LIGA wendet sich entschieden gegen maßlose und unkontrollierte Einwanderung, gegen Asylmißbrauch und Überfremdung. Deutschland darf nicht zum Vielvölkerstaat werden, ... Die DEUTSCHE LIGA bekennt sich zu einer Wirtschaftsund Sozialordnung der nationalen Präferenz. Arbeitsplätze, Wohnraum und soziale Versorgung müssen vorrangig den Einheimischen zur Verfügung gestellt werden. (...) Ihr Ziel ist eine sozialpatriotische Solidargemeinschaft des Volksganzen." Revisionismus Unverändert sind auch die revisionistischen Tendenzen: "Die DEUTSCHE LIGA verlangt die Wiederherstellung der Meinungs-, Informationsund Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Gesetze ... dürfen nicht dazu mißbraucht werden, mißliebige Auffassungen und unerwünschte Forschungsergebnisse zu unterdrücken. Strafrechtliche Gruppenprivilegierung hat zu unterbleiben." Die extremistische Zielsetzung des Vereins wird durch die personelle Zusammensetzung der Führungsspitze bestätigt. Dem Bundesvorstand gehören - ebenso wie dem bayerischen Landesvorstand - mehrere Personen mit rechtsextremistischer Vergangenheit an, die bisher nicht erkennen ließen, daß sie ihre frühere politische Überzeugung geändert haben und nunmehr demokratische Positionen anstreben. Die frühere Abgrenzung gegenüber Neonazis wurde erheblich gelockert. 6.1.2 Organisation Bundesvorstand Die DLVH zählte Ende 1997 bundesweit knapp 700 Mitglieder, davon wie im Vorjahr etwa 120 in Bayern. An der Spitze des Vereins stehen nach wie vor als gleichberechtigte Vorsitzende Jürgen Schützinger (früher: NPD) und der ehemalige DVU-Funktionär Ingo Stawitz, der nunmehr der NPD angehört. Bei der Mitgliederversammlung am 12. Oktober in Höchstadt a.d. Aisch kandidierte der damalige Vor- Rechtsextremismus 59 Standssprecher Harald Neubauer nicht mehr; er wurde durch den DLVH-Beisitzer Andre Beiersdorf abgelöst. Die DLVH hat kein eigenes Presseorgan; die im Nation Europa Verlag in Coburg erscheinende Monatsschrift "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" kann - mit Einschränkung - als Sprachrohr der DLVH betrachtet werden. Landesverbände bestehen mittlerweile in Baden-Württemberg, Bayern, Landesverbände Berlin, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Vorsitzender des Landesverbands Bayern ist Werner Eichinger. 6.1.3 Aktivitäten Die bisherigen Bündnisbemühungen waren regelmäßig daran gescheitert, daß insbesondere die Spitzenfunktionäre der DLVH im übrigen rechtsextremistischen Lager durchwegs auf entschiedene Ablehnung stoßen. Auch nach der Umwandlung in einen Verein gingen von der DLVH kaum noch eigenständige Aktivitäten aus. So fanden im Gegensatz zu 1996 keine "Runden Tische" mehr statt, bei denen Mitglieder anderer Rechtsparteien für eine Zusammenarbeit mit der DLVH gewonnen werden sollten. Über 700 Anhänger rechtsextremistischer Organisationen folgten am Bündnis2. November dem Aufruf der DLVH und der ihr nahestehenden Verbemühungen einigung "Nation-Europa-Freunde e.V." zu einer Kundgebung unter dem Motto "Patrioten aller Länder, vereinigt Euch" in Kösching, Landkreis Eichstätt. Mit diesem Treffen sollte ein parteiübergreifendes Signal zur Neuformierung der deutschen Rechten gesetzt werden. Als Redner traten neben rechtsextremistischen Verlegern u.a. der frühere REP-Vorsitzende Franz Schönhuber, der DLVH-Beisitzer Harald Neubauer sowie der Europa-Abgeordnete der Front National (FN) Yvan Blot und der Vorsitzende des belgischen Vlaams Blök (VB) Frank Vanhecke auf. In Kösching sprach auch der Gründer des "Friedenskomitees 2000" Alfred Mechtersheimer. In einer Resolution wandten sich die Teilnehmer gegen die europäische Integration und riefen die "demokratische Rechte in Deutschland" zur Einigung nach dem Beispiel von FN und VB auf. Vor dem Tagungslokal protestierten etwa 140 Demonstranten gegen die Veranstaltung. Die Polizei nahm 13 Personen, darunter sieben Rechtsextremisten, vorübergehend fest und beschlagnahmte u.a. Baseballschläger, Springmesser und Sturmhauben. 60 Rechtsextremismus Mit dieser Veranstaltung setzte die DLVH ihre Bemühungen um ein Bündnis des rechtsextremistischen Lagers fort. Angesichts der hohen Teilnehmerzahl bezeichnete sie das Treffen als "wegweisenden Erfolg". 6.2 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) Die von ehemaligen SSund NSDAP-Angehörigen gegründete GFP stellt vor allem ein Podium für Publizisten dar, die rechtsextremistisches Gedankengut vertreten. Sie will in einer angeblich "durch SieZielsetzung gerrechte und Besiegtenpflichten beschränkten Öffentlichkeit" eine "Freistatt für den deutschen Gedanken und das deutsche Wort" schaffen und erhalten. So wendet sie sich gegen die "Entstellungen in der deutschen Geschichtsbetrachtung" und die "unwahren Darstellungen der Ursachen und Hintergründe beider Weltkriege". Ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung ergibt sich u.a. aus der Mitgliedschaft führender Aktivisten rechtsextremistischer Organisationen, insbesondere der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), und der Verbreitung deren Gedankenguts bei Vorträgen. Die Vereinigung, die ihren Sitz in München hat, zählt im Bundesgebiet rund 450 (1996: 400) Mitglieder, davon etwa 40 in Bayern. Vorsitzender ist seit Mai 1992 der frühere "Chefideologe" der NPD Dr. Rolf Kosiek. Jahreskongreß Unter dem Motto "Sind wir noch zu retten? Deutschland zwischen Systemkrise und Systemwechsel" hielt die GFP in der Zeit vom 25. bis 27. April in Gera/Thüringen ihren Jahreskongreß ab. Daran beteiligten sich über 350 Personen. Verschiedene Redner äußerten, daß bei ausbleibenden Erfolgen der etablierten Rechtsparteien spätestens bis zur Europawahl die Gründung neuer Organisationen bzw. Parteien erforderlich sei. Ein Mitarbeiter der REP-Bundesgeschäftsstelle erhob den Vorwurf, die deutsch-tschechische Erklärung habe "die Entmachtung der Vertriebenen durch ihre Verhöhnung gekrönt". Die Wahrung deutscher Interessen werde auch künftig eine der vornehmsten Aufgaben der Verbände und Organisationen der deutschen Heimatvertriebenen sein. "Gegenüber einer Bundesregierung, die das Völkerrecht im Zweifelsfalle bedenkenlos ignoriert oder für nicht zuständig erklärt, wenn es um deutsche Interessen geht, genügt das Festhalten an Rechtspositionen jedoch nicht mehr. (...) Man wird sich auf quasi-totalitäre Methoden der Gesin- Rechtsextremismus 61 nungskontrolle gefaßt machen müssen, vertritt man weiterhin konsequent deutschlandpolitische Positionen." Die GFP war ferner Mitinitiatorin der Großveranstaltung deutscher Rechtsextremisten am 2. November in Kösching. 6.3 Freundeskreis Ulrich von Hütten e.V. Der von Rechtsextremisten gegründete Freundeskreis Ulrich von Hütten vertritt rechtsextremistische, insbesondere rassistische Thesen und verbreitet Äußerungen, die das NS-Regime verharmlosen und die Bundesrepublik Deutschland verunglimpfen. Die Vereinigung zählt wie im Vorjahr bundesweit rund 280 Mitglieder, davon etwa 30 in Bayern. Vorsitzende ist die Präsidentin der Deutschen Kulturgemeinschaft (DKG) in Österreich Lisbeth Grolitsch. Der Freundeskreis trat vorwiegend mit der Herausgabe und Verbreitung der Schrift "Huttenbriefe - für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Huttenbriefe Recht" in Erscheinung. Darin hieß es, die "Bonner Erfüllungsgehilfen der Siegermächte" hätten absichtlich mißachtet, daß "der geistige Zusammenhalt und die seelische Übereinstimmung seiner Gemeinschaft das höchste Gut eines Volkes" sei. Zahlreiche Kritiken am "durch und durch korrupten Parteiensystem der Bundesrepublik" hätten "gerade in letzter Zeit dessen verantwortungslosen Charakter entlarvt". Ferner war der Freundeskreis an der Gästewoche der DKG vom 30. August bis 6. September in Altenberg/Sachsen beteiligt. 6.4 Deutsches Kolleg (DK) Das seit Ende 1994 bestehende Deutsche Kolleg (DK) mit Sitz in Berlin versteht sich als Schulungseinrichtung der "nationalen IntelliSchulungsgenz". Sein "Chefideologe" Dr. Reinhold Oberlercher, derseine polieinrichtung tische Laufbahn beim Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) begann, orientiert sich an den Agitationsmustern der 68er Bewegung. Er bezeichnet sich als "völkisch-germanischen Nationalmarxisten" und versucht, nationalistische und sozialistische Ideologieelemente zu vereinen. Da er dem parteipolitisch organisierten Rechtsextremismus keine Chance einräumt, tritt er für ein Zusammenwirken von Rechtsund Linksextremisten ein, um als gemeinsames Ziel die Beseitigung des demokratischen Systems zu erreichen. 62 Rechtsextremismus Das DK kommt mit seinem Programm einer in der rechtsextremistischen Szene vorhandenen Überzeugung entgegen, es sei notwendig, die politischen Kader sorgfältig zu schulen. Seine Veranstaltungen werden von Rechtsextremisten, insbesondere Neonazis, besucht und stellen damit einen Treffpunkt verschiedener bisher nebeneinander wirkender Teile des Rechtsextremismus dar. Dr. Oberlercher bietet auf diese Weise ein Forum für Aktivitäten, die scheinbar zwingend in Richtung einer nationalen Revolution weisen. Allerdings sind viele Schulungsteilnehmer nicht fähig, Dr. Oberlerchers intellektueller Diktion geistig zu folgen. 6.5 Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung (Artgemeinschaft) NeugermanischDie 1951 gegründete Artgemeinschaft ist eine der neugermaheidnische Ausnisch-heidnischen Gruppen, die unter Berufung auf den alten norrichtung disch-germanischen Götterglauben auch völkisch-rassistisches und antisemitisches Gedankengut pflegen und zu verbreiten versuchen. Seit 1988 wird sie von dem Hamburger Rechtsanwalt und Neonazi Jürgen Rieger geleitet, über den sie auch mit anderen Gruppierungen verbunden ist. Ihre Mitgliederzahl wird bundesweit auf rund 150 Personen geschätzt. Sie gibt vierteljährlich die Publikation "Nordische Zeitung" (NZ) heraus, die auch im Internet abgerufen werden kann. In der Öffentlichkeit wird die Artgemeinschaft insbesondere durch die von ihr mitgetragenen jährlichen "Hetendorfer Tagungswochen" in Niedersachsen bekannt, die regelmäßig von politischen Gegnern zum Teil gewalttätig gestört werden. Diese Tagungswochen fanden in Räumen des ebenfalls von Rieger geführten und am 11. Februar 1998 verbotenen Vereins "Heide-Heim e.V." statt. Veranstaltungen In Nordbayern organisiert die Artgemeinschaft meist jährlich einmal in Bayern eine bundesweite Veranstaltung, die von rund 200 Personen (darunter auch Familienangehörige und Kinder) besucht wird. Daneben finden in Oberbayern unregelmäßig regionale Ernteund Sonnwendfeiern, Vorträge und andere Treffen mit bis zu 60 Teilnehmern statt, so z.B. ein "Baumpflanztag" am 15. März auf dem Grundstück des Rechtsextremisten Anton Pfahler in Sinning. Die Veranstaltungen in Bayern verliefen bisher ohne jegliche Außenwirkung. Strafrechtlich relevante Handlungen wurden nicht bekannt. Rechtsextremismus 63 7. Revisionismus-Kampagne 7.1 Ziele und Methoden Das rechtsextremistische Lager ist sich weitgehend darin einig, daß Versuch einer das deutsche Volk in wesentlichen Fragen seiner jüngeren Geschichte Rehabilitierung rehabilitiert werden müsse. Der Revisionismus, der die Geschichtsdes Nationalschreibung über die Zeit des Dritten Reichs ändern will, ist daher Sozialismus zu einem Bindeglied zwischen den unterschiedlichsten rechtsextremistischen Strömungen geworden. Seinen Repräsentanten geht es allerdings nicht um die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern gezielt um die Rechtfertigung bzw. Aufwertung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Im Mittelpunkt der revisionistischen Agitation steht die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmords an europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager während des Zweiten Weltkriegs (Holocaust). Im Bestreben, das nationalsozialistische Unrechtsregime zu verteidigen, müssen die rechtsextremistischen Revisionisten freilich Regeln der kritischen Geschichtswissenschaft mißachten und Forschungsergebnisse negieren, die nicht ihrem vorgefaßten Geschichtsbild entsprechen. Ihre Behauptungen zielen darauf ab, das auf seriöser Forschung beruhende Geschichtsbild propagandistisch zu unterminieGeschichtsren, um sich von einem vermeintlich aufgezwungenen "Schuldkomverfälschung plex" zu befreien. Die Revisionisten hoffen, mit Hilfe ihres angeblichen Wissenschaftlichkeitsanspruchs zunehmend aus der "braunen Ecke" heraustreten zu können und größere Publizität und Zustimmung zu finden. Dabei machen sie sich zunutze, daß das Wissen über den Nationalsozialismus vielfach nur noch bruchstückhaft vorhanden ist. Vor allem Jugendliche laufen Gefahr, der in wissenschaftlichem Gewand daherkommenden Vielzahl von unbewiesenen Behauptungen, Verdrehungen und absurden Thesen zu erliegen. Nationalismus und Antisemitismus bilden die Wurzeln dieses Revisionismus, der letztlich die Opfer zu Tätern und die Täter zu Opfern einer angeblich falschen Geschichtsschreibung machen will. 7.2 Entwicklung Revisionismus war von Anfang an keine deutsche, sondern eine internationale Erscheinung, wobei der Anstoß zunächst aus Frankreich Ursprung des und den USA kam. Seit Beginn der 50er Jahre erschien eine große Schlagworts Anzahl von Büchern, die unter dem Schlagwort "Auschwitzlüge" den "Auschwitzlüge" 64 Rechtsextremismus "historischen" Nachweis führen wollten, daß es keine Tötung von Juden in Gaskammern gegeben habe. Es fällt auf, daß die maßgeblichen Autoren keine Historiker waren, sondern andere Berufe hatten. Größere Publizität erlangte der Revisionismus durch ein 1989 veröf"Leuchter-Behcht" fentlichtes technisches "Gutachten" des Amerikaners Fred A. Leuchter, wonach es in Auschwitz und einigen anderen Konzentrationslagern aufgrund der technischen Gegebenheiten nicht möglich gewesen sei, Menschen in Gaskammern zu töten. Die Fehler und Widersprüche dieses als "Leuchter-Bericht" bekanntgewordenen "Gutachtens" sind in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen ausführlich nachgewiesen worden. Dies hinderte Revisionisten beiderseits des Atlantiks indes nicht, Leuchters Machwerk als überzeugenden Beweis ihrer Thesen anzusehen und als "Sieg für Deutschland" sowie als "Anfang vom Ende des Auschwitz-Mythos" zu feiern. Weiteren Auftrieb erhielt die Revisionismus-Kampagne "Rudolfdurch das 1994 verbreitete "Rudolf-Gutachten", das sich u.a. auf Gutachten" den "Leuchter-Bericht" bezieht. Verfasser ist der Diplomchemiker Germar Scheerer geb. Rudolf, ein ehemaliges Mitglied der Partei "Die Republikaner" (REP). In seinem "Gutachten über die Bildung und Nachweisbarkeit von Zyanidverbindungen in den .Gaskammern' von Auschwitz" kam er zu dem Schluß, daß die "behaupteten Menschentötungs-Gaskammern in Auschwitz niemals mit Zyklon B in Berührung gekommen sind". Dabei verkannte er - wie Leuchter -, daß die beim Freisetzen von Blausäure entstehenden chemischen Verbindungen unter dem Einfluß der Witterung innerhalb kurzer Zeit zerfallen und dann nicht mehr nachweisbar sind. 7.3 Träger der Revisionismus-Kampagne Wegen behördlicher Gegenmaßnahmen und strafrechtlicher Verfolgung meiden die international aktivsten Revisionisten Deutschland als Betätigungsfeld. Sie weichen zunehmend in Länder aus, in denen Strafbestimmungen gegen das Verbreiten revisionistischen Gedankenguts fehlen. Entsprechendes gilt für die Veröffentlichung revisionistischer Publikationen. So setzte sich der deutsche Revisionist Germar Scheerer Germar Scheerer im Frühjahr 1996 ins Ausland ab, nachdem ihn das Landgericht Stuttgart am 23. Juni 1995 u.a. wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten ohne Bewährung verurteilt hatte. Aufgrund der bisher bekannten internationalen Verbindungen Rechtsextremismus 65 der Revisionisten verschiedener westeuropäischer Länder kommen insbesondere Spanien oder Belgien als mögliche Aufenthalte Scheerers in Betracht. Scheerer setzte im Ausland seine revisionistische Agitation fort. Er veröffentlichte u.a. unter dem Pseudonym Ernst Gauss die revisionistischen Schriften "Vorlesungen über Zeitgeschichte" und "Grundlagen zur Zeitgeschichte". Als weitere Pseudonyme benutzt er die Namen Dr. Werner Kretschmer, Dr. Christian Konrad, Manfred Köhler, Dr. Dr. Rainer Scholz, Jakob Sprenger, Tuisco (Stammvater der Germanen) und Wilhelm Schlesinger. Des weiteren bediente er sich gemeinsam mit dem Revisionisten Karl Philipp der Alias-Namen Heiko Schwind und Gerhard Körner. Der wohl bekannteste Vertreter des Revisionismus ist der international agierende britische Schriftsteller David Irving. Seine Aktivitäten in David Irving Deutschland wurden durch die 1993 von der Landeshauptstadt München verfügte Ausweisung unterbunden. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Einer der aktivsten Exponenten des Revisionismus ist der deutsche Staatsangehörige Ernst C.F. Zündel, der 1958 nach Kanada überErnst Zündel siedelte. Seit 1976 tritt er als Inhaber des Verlags Samisdat Publishers Ltd. in Toronto in Erscheinung. Er verfaßt und verschickt in erster Linie den "Germania"-Rundbrief, der neonazistische und antijüdische Thesen enthält (vgl. Nummer 9.2 dieses Abschnitts). Nach jahrelangen Bemühungen ist es Zündel gelungen, für sein in deutscher und englischer Sprache ausgestrahltes Programm "Stimme der Freiheit" einen Radiosender in Stockholm zu finden. Dabei wurde er nach eigenen Angaben von einem "Mohammedaner" unterstützt. Hierbei dürfte es sich um den marokkanischen Revisionisten Ahmed Rami handeln, der im Internet unter der Website "Radio Islam" vertreten ist und Kontakte zu David Irving unterhält. Das Programm war nur im Umkreis von Stockholm gut zu empfangen. Für seine Agitation nutzt Zündel bereits seit mehreren Jahren erfolgreich das weltumspannende Internet. Darin erscheinen täglich neue Beiträge mit dem Titel "Good morning from the Zündelsite". Zündel behauptet, diese Artikel würden monatlich von jeweils mehr als 10.000 Interessenten eingesehen. Ferner berichtete er im "Germania"Rundbrief seit Mai über die damals beginnenden Sitzungen des "Menschenrechts-Tribunals" in Toronto/Kanada. Dabei sollte entschieden werden, ob Zündel der Zugang zum Internet verwehrt werden kann. 66 Rechtsextremismus Institute for Das 1979 unter rechtsextremistischer Beteiligung gegründete InstituHistorical Review te for Historical Review (IHR) mit Sitz in Kalifornien/USA trägt durch (IHR) Veranstaltungen und Publikationen antisemitische und neonazistische Positionen an die amerikanische und internationale Öffentlichkeit. Es unterhält Verbindungen zu Rechtsextremisten in allen Kontinenten. Seit geraumer Zeit ist es auch im Internet vertreten. Mit seiner Zeitschrift "Journal of Historical Review" und vor allem mit seinen jährlichen Kongressen bietet es revisionistischen Amateur-Historikern aus aller Welt eine Plattform, um gegen die Ergebnisse der seriösen zeitgeschichtlichen Forschung zu polemisieren. Auf diesen Tagungen traten nahezu alle bekannten Vertreter des Revisionismus auf. Das monatlich im Verlag des britischen Rechtsextremisten Antony -nal" Hancock in Uckfield erscheinende "National Journal" weist in Umfang, Aufmachung und Themenwahl Übereinstimmung mit dem ehemaligen "Deutschland Report" auf. Die Schrift betreibt massive Hetze gegen Ausländer und Juden und leugnet oder bagatellisiert den Holocaust. Der Herausgeberkreis führt die Bezeichnung "Die Freunde im Ausland" (DFiA). Da das "National Journal" inzwischen mit einer eigenen "homepage" im Internet vertreten ist, können deutsche Rechtsextremisten nunmehr auf einfachem Weg Zugriff auf die Zeitschrift nehmen. Vrij Historisch Die in Berchem/Belgien ansässige Organisation "Vrij Historisch Onderzoek Onderzoek" (V.H.O.) verbreitet seit März eine neue Zeitschrift mit (v.H.O.) dem Titel "Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung" (VffG). Unter den Autoren befinden sich mit dem Engländer David Irving, dem Franzosen Robert Faurisson und dem Deutschen Germar Scheerer drei der bedeutendsten Revisionisten. Die Schrift rechtfertigt die Politik des Dritten Reiches und leugnet den Völkermord an den europäischen Juden. Ferner polemisiert sie gegen die angeblich ungerechtfertigte Verfolgung der Revisionisten. Ihr Erscheinen eröffnet deutschen Rechtsextremisten die Möglichkeit, revisionistisches Propagandamaterial zu beziehen, dessen Herstellung und Verbreitung in Deutschland strafbar ist. Die 1985 in Antwerpen gegründete V.H.O. verfügt über weltweite Kontakte zu führenden Revisionisten und bietet nahezu alle wichtigen revisionistischen Schriften u.a. auch in deutscher Sprache an. Während in den ersten beiden Ausgaben der VffG lediglich Holocaust-Leugner im klassischen Sinn zu Wort kamen, enthielt die Ausgabe Nummer 3/97 auch Beiträge von Historikern wie Dr. Alfred Rechtsextremismus 67 Schickel und Dr. Joachim Hoffmann, die als Revisionisten im weiteren Sinn anzusehen sind. A u f g r u n d der internationalen Ausrichtung, des umfangreichen Kontaktund Literaturangebots und der pseudowissenschaftlichen A u f m a c h u n g könnte sich die VffG bei regelmäßigem Erscheinen als zentrales revisionistisches Organ etablieren. 8. O r g a n i s a t i o n s u n a b h ä n g i g e Publizistik Die sieben Verlage, Vertriebsund Buchdienste in Bayern, die Publikationen mit rechtsextremistischem Inhalt herausgeben bzw. verbreiten, entwickelten wiederum eine beachtliche Tätigkeit. Die Auflage der periodisch herausgegebenen einschlägigen Druckschriften, die im Vorjahr um rund 17 % zurückgegangen war, blieb mit monatlich 250.000 (1995: 248.000) Exemplaren annähernd konstant, wobei erhöhte Auflagen zu besonderen Anlässen nicht eingerechnet sind. Das Angebot umfaßte außerdem Bücher und sonstige Druckschriften sowie Tonkassetten und Videofilme mit rechtsextremistischem Inhalt. 8.1 Druckschriften- u n d Zeitungsverlag G m b H (DSZ-Verlag) Wirkungsvollstes Propagandainstrument des Rechtsextremismus in DSZ-Verlag Deutschland ist weiterhin der DSZ-Verlag in München unter der Schwerpunkt der Leitung von Dr. Gerhard Frey. Im Verlag erscheinen die "Deutsche rechtsextremistiNational-Zeitung" (DNZ) mit einer " " _ . sehen Publizistik Wochenauflage von etwa 35.000 und die "Deutsche Wochen-Zeii^HSS^flcBcfi* e " s i a t u n g " (DWZ) mit wöchentlich rund 20.000 (1996: 21.000) National**";*, Exemplaren. Allerdings w i r d ein erheblicher Teil der Auflage nicht verkauft. Muß Deutschland ewig zahlen? Endlose jüdische Forderungen iseite" Die Wochenzeitungen Dr. Freys verbreiteten als Sprachrohre der DVU deren nationaDmtfrljelöothm^eitung listische, rassistische und revisionistische . . | K * KULTUR UNO WIRTSCHAFT Grundhaltung: |Der Terror ausländischer Banden 1"^"^*^"*""*(tm)"*" "Wenn es um Zahlungen von Unsummen an Ausländer und ans Ausland geht, ist Bonn ganz, ganz weit vorn dabei. (...) Deutschland ist offensichtlich Zahlmeister der ganzen Welt." (DWZ vom 28. März) 68 Rechtsextremismus "Dabei ist es ein unglaublicher Skandal, daß in Bundesdeutschland mit Nachwuchs im Übermaß gesegnete Ausländerfamilien Unsummen an Kindergeld kassieren, während gleichzeitig junge deutsche Familien mangels finanzieller Grundlagen sich Nachwuchs nicht leisten können oder wollen." (DNZ/DWZ vom 20. Juni) "Hunderttausend Scheinasylanten kosten den deutschen Steuerzahler im Jahr etwa vier Milliarden Mark, die besser für das Millionenheer notleidender Deutscher ausgegeben würden." (DNZ7DWZ vom 22. August) "Die Entdeutschung des deutschen Volkes durch Einwanderung von Fremden aus oft fernen Kulturkreisen vollzieht sich vor unser aller Augen." (DNZ vom 20. Juni) "Me in der deutschen Geschichte gab es eine derartige Überfremdung wie heute." (DNZ vom 27 Juni) "Nach dem derzeitigen politischen Gesinnungsstrafrecht geschützt sind Minderheiten, konkret also Juden und Zigeuner. Straffrei hingegen sind Lügen und Fälschungen jeglichen Ausmaßes gegen Deutschland, das deutsche Volk, seine Geschichte, seine Soldaten und sogar seine Gefallenen. Jedes Dreckssubjekt kann hier nach Belieben seine Niedertracht austoben." (DNZ/DWZ vom 3. Januar) "Der Bonner Regierungschef beschwört bei Tag und bei Nacht deutsche Schuld und fordert, das deutsche Volk für alle Zeit in , Kollektivverantwortung' und ,Kollektivhaftung' zu nehmen. Unvorstellbar ist es, daß Kohl irgendeiner Behauptung über deutsche Untaten entgegentritt. Forderungen bald jeder Art erfüllt er, während die deutsche Wirtschaft zusammenbricht. " (DNZ/DWZ vom 29. August) Beiden Zeitungen ist nicht an Differenzierung und Aufklärung, sondern an Vereinfachung, Schematisierung und Schwarz-Weiß-Malerei bis zum Aufbau von Freund-Feind-Bildern gelegen. Unterschiedliche Ansichten zu manchen Themen werden - wenn überhaupt - höchstens in Leserbriefen wiedergegeben. 8.2 Nation Europa Verlag GmbH Sprachrohr der Die im Nation Europa Verlag in Coburg erscheinende Monatsschrift DLVH "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" wird von den DLVH-Funk- Rechtsextremismus 69 tionären Peter Dehoust und Harald Neubauer herausgegeben. Mit dem Verlag eng liiert ist der 1954 gegründete Verein "Nation-Europa-Freunde e.V.", ein Förderkreis aus der Leserschaft der Publikation, der auch die Arbeit des Verlags und die Bündnisbemühungen der DLVH unterstützt. Die Schrift bietet insbesondere Rechtsextremisten eine publizistische Plattform, so z.B. dem früheren REP-Vorsitzenden Franz Schönhuber, der inzwischen regelmäßig mit einer eigenen Kolumne vertreten ist. Sie gehört zu den einflußreichsten rechtsextremistischen Theorieorganen und propagiert neben revisionistischen vor allem rassistische Thesen. Die Septemberausgabe zeigte offen Sympathie für die volksverhetzende Musik von Skinhead-Bands, die auf "hemmungslosen Tabubruch" setzten: "Die deutsche Politik aber ist auf dem linken Auge blind und schürt damit die Erbitterung junger Leute, die sich durch Asylmißbrauch, Überfremdung und roten Terror bedroht fühlen. Fans der ,Zillertaler Türkenjäger' weisen immer wieder darauf hin, daß man sie und ihre Sorgen im Politikund Medienbereich ignoriere, so daß man gezwungen sei, mit schrillen Parolen die Schweigespirale zu durchbrechen." In der Rubrik "Aktuelles aus Multikultopia" (Ausgabe November/Dezember) hieß es: "Die multikulturelle Zeitbombe tickt ohne Unterlaß. In Duisburg wurde dieser Tage das erste Ausländer-Altenheim des Roten Kreuzes in Betrieb genommen - Symptom für die veränderte demographische Lage in diesem Land. Zur gleichen Zeit geben Islamisten die Losung aus, verstärkt deutsche Frauen zu heiraten, um mit der deutschen Staatsbürgerschaft auch zu islamischem Nachwuchs zu kommen. So setzt sich der Prozeß der ethnischen Aufweichung an vielen Stellen unserer Gesellschaft schleichend fort, trägt zur Destabilisierung und Enthomogenisierung dieses Gemeinwesens bei." 9. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus 9.1 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) Die neonazistische NSDAP-AO in den USA fordert die "Ausschaltung NS-Staat als Ziel des jüdischen Einflusses", die Überwindung des "Materialismus" durch den Nationalsozialismus und die "Neugründung der NSDAP als legale Partei". Endziel ist die "Schaffung eines nationalsozialistischen 70 Rechtsextremismus Staats" in einem "neuvereinigten Großdeutschen Reich" und die "Errichtung einer Neuen Ordnung auf einer rassischen Grundlage in der gesamten arischen Welt". Das von der NSDAP-AO in großen Mengen herausgegebene NS-Propagandamaterial geht von der "Auslandszentrale" in Lincoln/Nebraska den oft nur aus einer Person bestehenden Stützpunkten der NSDAP-AO im Bundesgebiet zu, denen die Weiterverbreitung im Inland obliegt. Die NSDAP-AO ist seit Mitte 1996 im Internet mit einer eigenen "homepage" vertreten, bisher allerdings nur mit englischen Texten. Das Angebot umfaßt .. * \ u.a. NS-Kennzeichen und Textdokumente sowie fein(c)"1 Fotografien von führenden Persönlichkeiten des IOI Ge*"" 1 . 3 UCK Dritten Reichs. Mit der Erweiterung des Angebots gSESSSy auf mehrere Sprachen soll künftig eine wesentlich größere Zahl von Interessenten weltweit angesprochen werden. Strafverfahren In einer am 14. März veröffentlichten Entscheidung verwarf der Bundesgerichtshof die Revision des "Propagandaleiters" der NSDAP-AO Gary Rex Lauck. Das Landgericht Hamburg hatte ihn am 22. August 1996 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß sowie Verbreitens von Propagandamitteln und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Rückläufige Die Propagandaflut der NSDAP-AO ist seit der Inhaftierung Laucks rückAktivitäten läufig. Zuvor war das wichtigste Publikationsorgan der NSDAP-AO "NS Kampfruf" zweimonatlich erschienen. 1997 wurden lediglich drei Ausgaben des "NS Kampfruf" bekannt. Die Schrift soll künftig vierteljährlich und mit erhöhtem Bezugspreis erscheinen. Die Ende März nach siebenmonatiger Unterbrechung verbreitete Ausgabe Nummer 117 wandte sich unter der Überschrift "Der Kampf geht weiter" vor allem gegen das "Bonner und Wiener Judensystem und seine Lakaien". In einem "Strategiepapier der NSDAP-AO" wies der Autor darauf hin, daß eine demokratische Machtübernahme bzw. die Beseitigung des bestehenden Systems aufgrund des polizeistaatlichen Charakters des westlichen kapitalistischen Systems nahezu ausgeschlossen sei. Aber es bestehe die Hoffnung, daß sich der Kapitalismus selbst zugrunde richte. Dann könne das bestehende System, zumindest in Deutschland, von den Nationalsozialisten abgelöst werden. Dem stürzenden System müßten die Kameraden noch den letzten Stoß versetzen. "Alles was dem System schadet, arbeitet für uns, und alles was dem System nutzt, schadet der NS-Bewegung." Rechtsextremismus 71 Der 10. Todestag von Rudolf Heß bildete den Themenschwerpunkt der Ausgabe Nummer 118 vom August, die dazu aufrief, in den Augustwochen auf den "Mord an Heß" und die hierüber von den "Judenknechten der BRD" verbreitete Vertuschungsund Lügenpropaganda aufmerksam zu machen. Im zweiten Teil des "Strategiepapiers" wurden Verhaltensmaßregeln für die endgültige Beseitigung der "Demokraturen in Bonn und Wien" aufgestellt: "Um am Tag X nicht mit leeren Händen dazustehen und die revolutionären Veränderungen für uns kalkulierbarer zu machen, sollte eine massive Unterwanderung durch nationalsozialistische Kräfte bei der jeweils hoffnungsvollsten nationalistischen oder konservativen Partei erfolgen und entsprechend Schlüsselpositionen besetzt werden." Des weiteren kündigte die Publikation an, die "Dänische Nationalsozialistische Bewegung" (DNSB), die sich als Teil der NSDAP-AO verstehe, werde eine europäische Verteilerkartei schaffen. Wer darin erfaßt sei, werde mit Informationen wie Demonstrationsaufrufen, aktuellen Bewegungsnachrichten usw. versorgt. Damit solle der durch das unregelmäßige Erscheinen des "NS Kampfrufs" verursachte Aktualitätsverlust ausgeglichen werden. Die Anfang Dezember erschienene Ausgabe Nummer 119 veröffentlichte erstmals Beiträge aus der ebenfalls von der NSDAP-AO herausgegebenen Publikation "The New Order" in deutscher Übersetzung. Auch die große Zahl von Fotos der Heß-Kundgebung in Koege/Dänemark deutet darauf hin, daß ein Mangel an qualifizierten Textbeiträgen besteht und die Schriftleitung überfordert ist. 9.2 Verlag Samisdat Publishers Ltd. Inhaber des in Toronto/Kanada ansässigen Verlags ist der deutsche Staatsangehörige Ernst C. F. Zündel. Er hat internationale Kontakte und verbreitet zahlreiche Publikationen, darunter den "Germania"-Rundbrief in einer geschätzten Auflage von 50.000 Exemplaren. Die Schrift, die auch über das Internet abgerufen werden kann, enthält hauptsächlich antisemitische und revisionistische Propaganda (vgl. Nummer 7.3 dieses Abschnitts). 72 Rechtsextremismus 9.3 Kontakte zur französischen Front National (FN) Die REP, die DLVH und ihr nahestehende Publizisten, z.B. des Nation Europa Verlags (NE-Verlag), pflegen Kontakte zur FN. Anknüpfungspunkt ist die Forderung nach parteiund gruppenübergreifender Zusammenarbeit der "Rechten" nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Der FN-Vorsitzende Le Pen wirbt dafür mit der Parole: "Patrioten aller Länder, vereinigt Euch!". So sprach der FN-Funktionär und "Deutschland-Referent" Yvan Blot auf dem Bundesparteitag der REP am 18. Oktober in Dietmannsried. Auch bei der "überparteilichen Europakundgebung" am 2. November in Kösching trat er als Redner auf. Veranstalter waren die "Nation-Europa-Freunde e.V.", die organisatorisch dem NE-Verlag zuzuordnen sind und der DLVH nahestehen. Auch Frank Vanhecke, Vorsitzender des belgischen Vlaams Blök, sprach bei dieser Veranstaltung. Blot und Vanhecke sind Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Blot hatte schon 1996 ein Treffen von hohen Funktionären der FN, der DLVH und ihr nahestehender Publizisten, darunter Franz Schönhuber, in Paris organisiert. 1997 nahmen Publizisten aus Deutschland an den Feiern der FN zum 1. Mai in Paris teil. 10. Nutzung moderner Informationstechnologien durch Rechtsextremisten Die Entwicklung der Informationstechnik bietet auch Rechtsextremisten neue Möglichkeiten der Strukturierung und internationalen Vernetzung. Dabei kommen ihren propagandistischen Aktivitäten die weltweite Datenfreiheit und die in einzelnen Staaten jeweils unterinternationale schiedlichen Rechtsvorschriften zustatten. Die zunehmende Nutzung Vernetzung der für einen überregionalen Informationsaustausch geeigneten Kommunikationswege durch rechtsextremistische Gruppen zeigt, daß dieses Spektrum darin offenbar eine Chance sieht, aus seinem Ghetto an das Licht der Öffentlichkeit zu gelangen. 10.1 Internet Das Internet ist mit derzeit rund 95 Millionen Teilnehmern das weltweit größte Kommunikationssystem. Im Bundesgebiet gibt es etwa 6,2 Millionen Anwender; Deutschland steht damit an zweiter Stelle in Rechtsextremismus 73 der Welt. Das Internet verzeichnet eine jährliche Wachstumsrate von 80 bis 100%. Es gliedert sich in die Bereiche "world wide web" (www), Electronic Mail (E-Mail), News-Dienst (Newsgroups), Mailing Lists und File Transfer Protocol (FTP). Der Zugang ist jedermann über sogenannte Service-Provider (gegen Gebühr tätige kommerzielle Unternehmen) möglich. Das Computernetz verfügt über keine zentrale Verwaltung und ist nicht hierarchisch konzipiert. Da das Verbreiten extremistischen Gedankenguts über das Internet aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nur schwer eingedämmt werden kann, übt dieser Verbund auf deutsche Rechtsextremisten eine besondere Anziehungskraft aus. Vor allem eröffnet er ihnen ungehinderten Zugang auch zu Beiträgen mit strafbarem Inhalt, die vielfach von ausländischen Gesinnungsgenossen eingespeichert werden. Die Nutzung des Internet ist fest in die rechtsextremistische Strategie Anstieg des eingebunden. Entsprechend dieser Zielsetzung ist das Angebot in Angebots jüngster Zeit stark angestiegen. Schwerpunkte bilden einschlägige Literatur, Propagandamaterial aus dem Inund Ausland, Informationen über rechtsextremistische Organisationen sowie Verzeichnisse weiterer Internet-Angebote mit rechtsextremistischen Bezügen. Daneben wird das Internet auch zur Mobilisierung der Szene genutzt, z.B. anläßlich der Demonstration am 1. März in München gegen die Wehrmachtsausstellung. Der zunehmende Einsatz dieses Mediums für die Interessen rechtsextremistischer Personenzusammenschlüsse und Organisationen wird u.a. an der "Patria-Versand GmbH - Spezialversand für nationale Aktivisten" in Landshut deutlich. Neben Bundeswehrartikeln sind dort CDs einschlägiger Musikgruppen und Fahnen wie beispielsweise die Reichskriegsflagge "online" beziehbar. Nachdem sich seit Mitte des Jahres auch die DVU im Internet präsenNutzung durch tiert, sind in diesem Medium nunmehr alle bedeutenden Parteien und deutsche RechtsGruppierungen des rechtsextremistischen Spektrums vertreten. Die extremisten NPD tritt seit April sogar als Anbieter von Dienstleistungen auf. Zusätzlich ist die NPD mit ihrer Jugendorganisation über eine eigene Domain* im Internet erreichbar. Auch einige Thule-Mailboxen (vgl. Nummer 10.2 dieses Abschnitts), die wiederum "links" (automatisierte Datenverbindungen) zu weiteren Mailboxen des Thule-Netzes * Bei einer Domain handelt es sich um eine Namensadresse im Internet, unter der mehrere "homepages", d.h. "private Seiten" von Teilnehmern im Internet-Bereich "world wide web" (www), betrieben werden können. 74 Rechtsextremismus aufweisen, richteten eigene "homepages" ein. Diese Einstellungen in das Internet sind ein weiterer Schritt zur informationellen Vernetzung der rechtsextremistischen Szene in Deutschland. Gleichzeitig wird damit auch die internationale Vernetzung ausgebaut. Angebote ausDas überwiegend aus den USA stammende ausländische Angebot ländischer Rechtshat weiter zugenommen. Zu den bekanntesten Anbietern gehören extremisten die NSDAP-AO und die Stormfront. Im Bereich des Revisionismus offeriert der in Kanada ansässige Neonazi Ernst C. F. Zündel nach wie vor umfangreiches Material, darunter auch die in Deutschland der Beschlagnahme unterliegenden Bücher "Der Holocaust auf dem Prüfstand" und "Todesursache Zeitgeschichte". Im Skinhead-Bereich stammen die Angebote überwiegend aus Nordamerika. Sein Internet-Angebot erheblich gesteigert hat der von \ Schweden aus agierende Revisionist Ahmed Rami. In mehreren Sprachen, darunter auch in deutsch, französisch, arabisch und englisch, bietet er umfangreiches revisionistisches Material an, so das in Deutschland der Beschlagnahme unterliegende Buch von Germar Scheerer "Grundlagen der Zeitgeschichte". Einen Schwerpunkt im Angebot von Ahmed Rami bildete der Tod des Revisionisten Otto Ernst Remer am 4. Oktober in Spanien. 10.2 Mailboxen Eine Mailbox ist ein Computer, der über ein Modem oder einen ISDN-Anschluß mit der Telefonleitung verbunden ist, von anderen Computern angerufen werden kann und dem Anrufer Kommunikationsdienste anbietet. In der Mailbox können Informationen (Texte, Graphiken, Flugblätter etc.) abgelegt und abgerufen werden. Dies geschieht in Foren, sogenannten "Brettern", die aus Gründen der Übersichtlichkeit nach Themenbereichen gegliedert sind. Bei den Nutzern einer Mailbox unterscheidet man zwischen Gast und User. Als Gast kann prinzipiell jeder, der über einen eigenen PC, ein Modem und eine entsprechende Software verfügt, Verbindung zu einer Mailbox aufnehmen. Der Interessent erhält jedoch, insbesondere bei politischen Mailboxen, nur eine sehr begrenzte Auswahl der vorhandenen Dateien zur Einsicht. Der Umfang dieses "Gastbereichs" Rechtsextremismus 75 wird vom jeweiligen Mailbox-Betreiber (Systemoperator bzw. Sysop) festgelegt. Der User verfügt nach seiner Registrierung durch den Mailbox-Betreiber, die durch Zuteilung eines Paßwortes und einer persönlichen Userkennung erfolgt, über eine benutzerbezogene dauernde Zugriffsberechtigung auf dessen Mailbox. In einem Mailboxverbund können beliebig viele Informationen zwischen den einzelnen Boxen ausgetauscht werden. Für den User bedeutet dies, daß er Zugriff auf die Informationen aller Mailboxen des Netzes hat. Das auch im Internet präsente Thule-Netz wurde im Frühjahr 1993 Thule-Netz von den Betreibern der Mailbox "Widerstand BBS" und der heute nicht mehr existierenden "Phantom BBS" ins Leben gerufen. Ziel der Mailboxbetreiber war die "flächendeckende Verteilung" der angeschlossenen Mailboxen im Bundesgebiet. Im Thule-Netz gibt es unterschiedliche Kommunikationsebenen, die den Teilnehmern verschiedene Sicherheitsstufen bieten. Ein einheitliches Verschlüsselungsverfahren soll die Sicherheit von privaten Nachrichten gewährleisten. Bislang gehörten dem Netzverbund etwa 35 Boxen im Inund Ausland in wechselnder Besetzung an, wobei einige aus unterschiedlichen Gründen (z.B. Strafverfahren, Exekutivmaßnahmen, persönliche Differenzen) wieder ausgeschieden sind. Die Betreiberin der "Asgard BBS", die sich mit der Anti-Antifa-Arbeit befaßte, wurde der Ausspähung von Thule-Netz-Teilnehmern verdächtigt. Nach internen Diskussionen erfolgte im März der Ausschluß der Mailboxen "Elias BBS" und "Asgard BBS" aus dem Thule-Netz. Deren Betreiber gründeten im Juni das "Nordland-Netz". Die Mailbox "Elias BBS" hat sich im Dezember wieder dem Thule-Netz angeschlossen. Nachdem im September den Mailbox-Betreibern der "Kraftwerk BBS" und der "Janus BBS" bei einer Exekutivmaßnahme die gesamte Hardware beschlagnahmt wurde, sind die Aktivitäten im Thule-Netz sehr stark zurückgegangen. Nachrichten werden derzeit nur mehr von wenigen eingestellt. Die Beiträge sind von Unlust und Frustration gekennzeichnet. In Bayern war Ende 1997 nur mehr die Mailbox "Widerstand BBS" aktiv; auch sie stellte inzwischen den Betrieb ein. Dem aus den Mailboxen "Asgard BBS" und "Elias BBS" gebildeten Nordland-Netz Nordland-Netz schloß sich auch der Betreiber der Mailbox "Störte- 76 Rechtsextremismus becker BBS" in Stavenhagen/Neubrandenburg an. Während das Thule-Netz stagnierende Teilnehmerzahlen aufwies, waren beim "Nordland-Netz" Zuwächse zu verzeichnen. Bei den Usernamen handelt es sich meistens um Pseudonyme. Die Klarnamen sind nur dem Sysop bekannt. 10 3 Nationale Info-Telefone (NIT) Nationale Info-Telefone sind Anrufbeantworter mit Ansagetexten, die in der Regel wöchentlich wechseln. Während im linksextremistischen autonomen Spektrum Info-Telefone nur kurzzeitig zu besonderen Anlässen eingerichtet werden, stellen sie in der rechtsextremistischen Szene einen festen Bestandteil zur Informationsbündelung und Koordination von Veranstaltungen dar. Die aktivsten Nationalen Info-Telefone in Deutschland sind das NIT Rheinland, das NIT Preussen, das NIT Berlin-Brandenburg , das NIT Schleswig-Holstein und das NIT Hamburg, wobei letzteres unter der Leitung des Neonazi Andre Goertz eine führende Rolle einnimmt und auch im Internet mit einer eigenen "homepage" und mehreren "links" zu anderen rechtsextremistischen Einrichtungen vertreten ist. Zu besonderen Anlässen, wie beispielsweise den alljährlichen "Rudolf-Heß-Aktionen", werden zusätzliche Nationale Info-Telefone eingerichtet. Das NIT Franken in Pommersfelden bei Bamberg hat seit April seinen Betrieb eingestellt. Ein neuer Hauptanschluß wurde seither nicht beantragt. Während der "Rudolf-Heß-Aktionswochen 1997" wurden die "aktionswilligen nationalen Bürger" aufgerufen, das NIT Rheinland, das NIT Mitteldeutschland und das Sonder-NIT Sauerland abzuhören, die wöchentlich mehrfach die neuesten Informationen zum "Aufmarsch" bekanntgaben. Das in verschiedenen rechtsextremistischen Publikationen angekünNITBayern digte NIT Bayern hat am 19. Dezember in München seinen Betrieb aufgenommen. Ob es trotz finanzieller Schwierigkeiten länger existieren wird, ist derzeit nicht absehbar. Es ist das elfte im Verlauf des Jahres 1997 zumindest zeitweise aktive Nationale Info-Telefon. Die Ansage ist in weiten Teilen identisch mit dem NIT Hamburg und dem NIT Schleswig-Holstein. Rechtsextremismus 77 10.4 Strafverfahren Im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I wegen Volksverhetzung u.a. fand im September beim Sysop des Thule-Netzes eine Durchsuchung statt. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial, insbesondere 1.000 Computerdisketten sowie mehrere vernetzte PCs, darunter die Mailbox "Janus BBS", beschlagnahmt. Der Beschuldigte hatte im Dezember 1995 in der Mailbox "Janus BBS" Zündels revisionistische "Power-Letters" veröffentlicht, in denen das Vernichtungsschicksal der europäischen Juden während der NS-Zeit geleugnet wird. Gleichzeitig führte das Bundeskriminalamt im Auftrag des GeneralbunExekutivdesanwalts aufgrund eines Ermittlungsverfahrens u.a. wegen des Vermaßnahmen dachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung beim Sysop der "Kräftwerk BBS" und vier weiteren Rechtsextremisten Wohnungsdurchsuchungen durch. Anlaß war die öffentliche Aufforderung zu Straftaten gegen politische Gegner, Polizeiund Justizbeamte im Thule-Netz. 10.5 Ausblick Seit Oktober gibt es innerhalb der Thule-Netzund Nordland-Netz-Betreiber Überlegungen, welche Möglichkeiten für eine Verbesserung der Kommunikation bestehen. Als erster Schritt wurde der wechselseitige Transport von Informationen (Brett-Routen) in den Netzen vereinbart. Federführend bei Bestrebungen zur Wiedervereinigung der Mailboxverbundsysteme ist die Redaktion der Berlin-Brandenburger Zeitung (BBZ), die in beiden Netzwerken publiziert. Die Bretter "Aktuell/Diskussionen" enthielten nachstehende Schlagzeilen: "Der Wiederaufbau eines geeinten und schlagkräftigen Netzwerkes muß im Interesse der gesamten nationalen Opposition liegen. Eine schlagkräftige Kommunikations-Struktur ist das Gebot der Stunde. Unsere beste Waffe ist das veröffentlichte Wort, dazu ist ein schneller und funktionierender Informations-Weg unabdingbar; davor hat der politische Gegner am meisten Angst." Zur Verwirklichung der Ziele wurde in Berlin der "Arbeitskreis vernetzte Medien" gegründet, der auf seiner Sitzung am 3 1 . Oktober zu folgendem Schluß kam: "In Zeiten zunehmender Verfolgung ist der Aufbau eigener Medien für die nationale Opposition unverzichtbar." 78 Rechtsextremrsmus 11. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1997 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Parteien einschließlich integrierter Vereinigungen Die Republikaner (REP) 4.300 15.500 Der Republikaner 26.11.1983, Berlin monatlich, 20.000 Nationaldemokratische Partei 680 4.300 Deutsche Stimme (DS) Deutschlands (NPD) monatlich, 40.000 28.11.1964, Stuttgart Bayern-Stimme unregelmäßig, 1.000 Junge Nationaldemokraten (JN) 60 400 Einheit und Kampf (EuK) 1969, Stade unregelmäßig, 2.000 Der Aktivist unregelmäßig, 900 Nationaldemokratischer HochschulFunktionärsgruppe bund (NHB) 1967, Nürnberg Deutsche Volksunion (DVU) 1.800 15.000 (Publizistische Sprachrohre: 05.03.1987, München siehe DSZ-Verlag) Deutsche Volksunion e.V. einschließlich Aktionsgemeinschaften 16.01.1971, München 2. Neonazistische Organisationen Hilfsorganisation für nationale 90 400 Nachrichten der HNG politische Gefangene und deren monatlich, 500 Angehörige e.V. (HNG) 02.07.1979, Frankfurt am Main Freiheitlicher Volks Block (FVB) 20 60 Deutscher Bund (DB) 30 Burgpost 22.05.1993, Bodenkirchen monatlich Kameradschaft Franken 20 Nürnberg Bund Frankenland Füriktionärsgruppe Dezember 1991, Würzburg NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation NS Kampfruf (NSDAP-AO) unregelmäßig, 1.000 1972, Lincoln/USA Rechtsextremismus 79 Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1997 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 3. Sonstige Organisationen Deutsche Liga für Volk und Heimat 120 700 (Publizistisches Sprachrohr: (DLVH) siehe Nation Europa Ver03.10.1991, Berlin lag GmbH) Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 40 450 Das Freie Forum 1960, München vierteljährlich, 1.500 Freundeskreis Ulrich von Hütten e.V. 30 280 Huttenbriefe - für Volkstum, Februar 1982, Starnberg Kultur, Wahrheit und Recht zweimonatlich, 4.000 Die Artgemeinschaft - Germanische 150 Nordische Zeitung (NZ) Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer vierteljährlich Lebensgestaltung (Artgemeinschaft) Schutzbund für das 200 Deutsche Volk e.V. (SDV) September 1981, München Deutsches Kolleg (DK) Funktionärsg ruppe 1994, Berlin 4. Verlage Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH Deutsche National-Zeitung (DSZ-Verlag) (DNZ), wöchentlich, 35.000 München Deutsche Wochen-Zeitung (DWZ), wöchentlich, 20.000 Nation Europa Verlag GmbH Nation & Europa - 1953, Coburg Deutsche Monatshefte monatlich, 16.000 Verlag Hohe Warte - Franz von Bebenburg KG Mensch und Maß 1949, Pähl zweimal monatlich, 2.000 Denk mitl-Verlag Denk mit! Nürnberg unregelmäßig, 1.000 Odal-Verlag Der Scheinwerfer Rodach b. Coburg monatlich, 7.000 VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH Deutsche Geschichte Berg zweimonatlich, 10.000 Castel del Monte Verlag Staatsbriefe München monatlich, 1.000 80 Linksextremismus 2. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines 1.1 Merkmale des Linksextremismus Ideologisches Das ideologische Spektrum der Linksextremisten reicht von AnhänSpektrum gern des "wissenschaftlichen Sozialismus/Kommunismus" in seiner klassischen Form über Sozialrevolutionäre mit unterschiedlichen diffusen Konzeptionen bis hin zu Anarchisten. Theoretische Grundlagen bilden im wesentlichen die Werke von Marx und Lenin, aber auch von Trotzki, Stalin, Mao Tse-tung und anderen. Die Bestrebungen der Linksextremisten sind darauf gerichtet, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung zu beseitigen und durch eine ihren ideologischen Vorstellungen entsprechende kommunistische Ordnung zu ersetzen. Diese Bestrebungen sind verfassungsfeindlich, weil die Ziele und oft auch die Mittel, mit denen sie erreicht werden sollen, gegen die grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen. Ziele der LinksSo erstreben Linksextremisten, auch wenn sie es häufig nicht offen extremisten aussprechen, - die "sozialistische" Revolution, - Klassenkampf und Klassenherrschaft, - die Diktatur des Proletariats. Diese Ziele verstoßen vor allem gegen das Mehrheitsund das Freiheitsprinzip sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz. Eine Reihe von linksextremistischen Gruppierungen bekennt offen, Anwendung daß ihre Ziele nur unter Anwendung von Gewalt zu erreichen sind. von Gewalt Teilweise verüben sie Gewalttaten oder arbeiten zur Erreichung ihrer Ziele mit Gewalttätern zusammen. Dies verstößt gegen den Grundsatz des Ausschlusses jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft und verletzt, wenn sich die Gewalt gegen Personen richtet, das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Linksextremismus 81 Die wahren Ziele werden oftmals in Aktionsfelder und Themen einSchwächung der gebunden, die selbst nicht extremistisch sind. Beispiele hierfür sind Abwehrbereitder sogenannte Antifaschismus und die Antikernkraftbewegung, schaft unserer Durch gewandte Agitation gelingt es Linksextremisten teilweise, den Demokratie bisherigen Konsens aller Demokraten in der Ablehnung jedweden gegenüber Linkspolitischen Extremismus zu durchbrechen. Indizien für eine Aufweiextremisten chung dieser klaren Grenzziehung sind öffentliche Diskussionen über eine mögliche Beteiligung von Linksextremisten an Koalitionsregierungen und das Zusammenwirken demokratischer Gruppierungen mit Linksextremisten bei einzelnen Protestthemen wie z.B. in der Antikernkraftbewegung. Linksextremistische Positionen werden dadurch nicht als solche erkannt. Dies schwächt die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie gegenüber linksextremistischen Entwicklungen. Für ihre Agitation nutzen Linksextremisten seit mehreren Jahren zunehmend die Vorteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten. Mailboxen und Mailbox-Systeme wie "Spinnennetz" werden mehr Mailboxen und und mehr durch das Internet ergänzt. Internet 1.2 Entwicklung in Bayern Die Zahl der linksextremistischen und linksextremistisch beeinflußten Konstante MitParteien und Gruppierungen sowie ihre Mitgliederzahlen sind kongliederzahlen stant geblieben. In Bayern ist lediglich die Zahl der beitragspflichtigen PDS-Mitglieder leicht zurückgegangen. Waren es Ende 1996 noch rund 230 Mitglieder, so bewegt sich die aktuelle Mitgliederzahl bei 200. Dagegen ist die Zahl der Sympathisanten, denen laut Statut Mitgliederrechte übertragen werden können, von etwa 220 auf rund 250 gestiegen. Die PDS-Anhängerschaft in Bayern blieb damit im vergangenen Jahr unverändert. Die Mitgliederzahl der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) blieb gleich. Die Zahl der Anhänger autonomer Gruppen, die eine der bedeutendsten und gewalttätigsten Strömungen des Linksextremismus darstellen, blieb unverändert. Sie werden von anderen linksextremistischen Gruppen wie der PDS zunehmend als Partner für Aktionen akzeptiert. Zentrale Agitationsthemen der Linksextremisten waren NeonazisAgitationsthemen mus/Faschismus, Rassismus, Asylund Abschiebeproblematik, Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und Transport von abgebrannten Brennelementen aus Kernkraftwerken in Castor-Behältern sowie Abrüstung und Abschaffung der Wehrpflicht. 82 Linksextremismus Die Entwicklung der Zahl linksextremistischer und linksextremistisch beeinflußter Organisationen in Bayern und ihrer Mitgliederstärken ist aus der folgenden Übersicht zu ersehen. Erkannte Mehrfachmitgliedschaften werden jeweils nur bei einer Organisation erfaßt. Zahl und Mitgliederstärke 1995 1996 1997 linksextremistischer OrganiAnzahl der Organisationen 42 42 42 sationen Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Kernorganisationen 2.150 2.150 2.230 Nebenorganisationen 110 110 70 beeinflußte Organisationen 830 920 920 Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre 550 520 500 Linksextremisten insgesamt 3.640 3.700 3.720 Mitglieder 60.000 56.000 50.000 40.000 -^ ueuT.31.1 l l <änu ^^-- M M B 30.000 34 800 20.000 10.000 o 11.100 aay n JS./ZU 0 1988 89 90 91 92 93 94 95 96 97 * Die Kurve für die bundesweite Entwicklung beruht auf Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz, das von den Mitgliedern der PDS nur die der Kommunistischen Plattform (KPF) erfaßt. Die PDS Deutschland hatte 1997 insgesamt 104.000 Mitglieder, davon unter 2.500 in der KPF. Linksextremismus 83 Die Bemühungen der Autonomen um Einfluß in der Antikernkraftbewegung halten an. Der Kampf gegen die vermeintlichen Gefahren der friedlichen Nutzung der Kernenergie dient den Autonomen als Vorwand für ihren Kampf gegen den Staat und für ihre Gewaltaktionen. Auch die Antifa-Kampagne ist letztlich gegen den Staat gerichtet, denn sie unterstellt, der Staat würde den Rechtsextremismus schützen. 2. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1 Überblick Marxistisch-leninistisch ausgerichtete Organisationen und andere Versuch der revolutionäre Marxisten bemühen sich weiterhin, durch massive Kritik Bündelung extre an den "herrschenden Verhältnissen" und Forderung nach "Fundamistischer Kräfte mentalopposition" ihren sozialistischen und kommunistischen Zielen näherzukommen. Dabei gelang es nur begrenzt, die unterschiedlichen Ideologien und Strömungen zu bündeln. Die PDS, die nach dem Zusammenbruch des SED-Unrechtsregimes einen neuen Weg des "demokratischen Sozialismus" beschreiten will, versucht, Linksextremisten sämtlicher Couleur von Radikalsozialisten bis zu sogenannten Basisdemokraten aus dem ökologischen Bereich zu integrieren. 2.2 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) Die ehemals in der DDR herrschende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hat sich nach der friedlichen Revolution und dem Zusammenbruch ihres Unrechtsregimes nicht aufgelöst. Sie beschloß Umbenannte SE auf ihrem Sonderparteitag am 16./17. Dezember 1989 in Berlin-Weißensee, sich in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS)" umzubenennen. Auf einer Tagung des Parteivorstands der SED-PDS am 4. Februar 1990 wurde der Parteiname endgültig in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) geändert. Der 1. Parteitag der PDS am 24725. Februar 1990 bestätigte die Namensänderung. 2.2.1 Ideologische Ausrichtung Die PDS versteht sich als linke "Strömungspartei" für sozialistische Gruppen und Personen, denen Kritik und Ablehnung der bestehen- 84 Linksextremismus den politischen und ökonomischen Verhältnisse gemein sind. Das auf der 1. Tagung des 3. Parteitags der PDS vom 29. bis 31. Januar 1993 in Berlin beschlossene und bis heute gültige Parteiprogramm erklärt hierzu, die PDS sei ein Zusammenschluß unterschiedlicher linker Kräfte, die - bei allen Meinungsverschiedenheiten - darin übereinstimmGegen ten, daß die Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums überKapitalismus wunden werden müsse. Die Beseitigung des Kapitalismus, die Überwindung des mit ihm verbundenen politischen Systems und damit der Demokratie im Sinn unseres Grundgesetzes sowie die Errichtung einer neuen "sozialistischen Gesellschaft" gehören somit, auch wenn die Revolutionsrhetorik des Marxismus-Leninismus vermieden wird, zu den Zielen der Partei, die vor allem außerparlamentarisch erreicht werden müßten. Im Parteiprogramm erklärt die PDS: "Die Existenzkrise der Zivilisation macht die Umwälzung der herrschenden kapitalistischen Produktionsund Lebensweise zu einer Frage menschlichen Überlebens." Das Bekenntnis der Partei zum außerparlamentarischen Kampf und zum Widerstand gegen die "Herrschenden" und "gegebenen Verhältnisse" ist mit der Grundidee der parlamentarischen repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes unvereinbar. Die PDS vertritt einen konsequenten Internationalismus und ist dem Bekenntnis zu Erbe von Marx und Engels, den vielfältigen Strömungen der revoluMarx und Engels tionären und internationalen Arbeiterbewegung sowie anderen revolutionären und "demokratischen" Bewegungen kritisch verbunden und dem Antifaschismus verpflichtet. Die Berufung auf Marx und Engels, die historische Entwicklung der Partei sowie die politische Herkunft ihrer Mitglieder aus kommunistischen Organisationen, insbesondere der SED, müssen auch bei der Auslegung ihrer programmatischen Äußerungen berücksichtigt werden. Die PDS verwendet Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte, die sie auch schon als SED gebraucht hat. Die Realität der DDR bewies jedoch, daß diese Begriffe dort anders, nämlich freiheitsund demokratiefeindlich, definiert waren. Ursache für die andere InterUmwidmung pretation politischer Begriffe ist deren bewußte Umwidmung im Lehrvon Begriffen gebäude des Marxismus-Leninismus, in dessen Denkschule die Masse der Mitglieder der PDS erzogen wurde. Deshalb besitzen die in ihrer Programmatik verwendeten Begriffe für den unvoreingenommenen Beobachter eine schwer einschätzbare Doppeldeutigkeit. Linksextremismus 85 In den programmatischen Äußerungen der PDS fällt die Kritik an den früheren kommunistischen Zwangssystemen Mittelund Osteuropas sowie der DDR zurückhaltend aus. Die bolschewistische Oktoberrevolution von 1917 und die mit ihr verbundenen globalen politischen Umwälzungen bewertet das Parteiprogramm positiv: "Dem welthistorischen Ereignis der sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 verdankt die Menschheit grundlegende günstige Entwicklungen im 20. Jahrhundert." Die Kritik am "realen Sozialismus" reduziert sich auf eine Verurteilung stalinistischer Herrschaftspraktiken. Entsprechend milde wird auch die Errichtung der SED-Diktatur in der ehemaligen DDR beurteilt. Das Parteiprogramm führt dazu aus: "Die antifaschistisch-demokratischen Veränderungen im Osten Deutschlands und später das Bestreben, eine sozialistische Gesellschaft zu gestalten, standen in berechtigtem Gegensatz zur Rettung des Kapitalismus in Westdeutschland, der durch die in der Menschheitsgeschichte unvergleichlichen Verbrechen des deutschen Faschismus geschwächt und diskreditiert war. Zum Sozialismusversuch in der DDR gehören wertvolle Ergebnisse und Erfahrungen im Kampf um soziale Gerechtigkeit, um die Bestimmung der Ziele der Produktion im Interesse der werktätigen Bevölkerung, um ein solidarisches und friedliches Gemeinwesen auf deutschem Boden. Es gab jedoch auch Fehler, Irrwege, Versäumnisse und selbst Verbrechen. " Das Parteiprogramm widmet der Rechtfertigung des "SozialismusverRechtfertigung suchs" in der DDR und den übrigen osteuropäischen Staaten breiten des DDR-Regimes Raum. Folgende Passagen sprechen für sich: "Millionen Menschen setzten sich nach 1945 für den Aufbau einer besseren Gesellschaftsordnung und für ein friedliebendes Deutschland in Überwindung des faschistischen Erbes ein. Das bedarf keiner Entschuldigung." "Der Sozialismus in Osteuropa und in der DDR war nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sein Zusammenbruch war eine notwendige Folge seiner zunehmenden Unfähigkeit, das Eigentum an den Produktionsmitteln in einer für die Produzenten spürbaren Weise zu vergesellschaften." Zur weiteren programmatischen Orientierung verabschiedete der Par- " 10 Thesen" teivorstand der PDS am 28. November 1994 "10 Thesen zum weiteren Weg der PDS", die eine noch anhaltende Ideologiedebatte entfacht haben. Auf der 1. Tagung des 4. Parteitags der PDS vom 27. bis 86 Linksextremismus 29. Januar 1995 in Berlin wurden diese Thesen zur weiteren Diskussion an die Basisorganisationen der Partei überwiesen. Anstelle dieser Thesen verabschiedete der Parteitag, der die ablehnende Haltung gegenüber der Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland bestätigte, das von Prof. Dr. Lothar Bisky (Parteivorsitzender), Dr. Gregor Gysi (Vorsitzender der Abgeordnetengruppe PDS im Deutschen Bundestag) und Dr. Hans Modrow (PDS-EhrenvorsitFünf-Punkte-Papier zender) verfaßte Fünf-Punkte-Papier "Sozialismus ist Weg, Methode, Wertorientierung und Ziel". Das Fünf-Punkte-Papier steht in Kontinuität zum Parteiprogramm und hält am Anspruch grundlegender Veränderung der Staatsund Gesellschaftsordnung fest. Der "sozialistische Charakter der PDS" wird hervorgehoben: "Er resultiert aus unserer Überzeugung, daß die kapitalistischen Gesellschaftsstrukturen die großen Menschheitsfragen nicht nur nicht gerecht, sondern gar nicht lösen können." Ablehnung der Das Papier dokumentiert auch die ablehnende Haltung der PDS freiheitlichen gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wenn demokratischen festgestellt wird Grundordnung "(...), daß die PDS in prinzipieller Opposition zu den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland steht." Weiter heißt es im beschlossenen Fünf-Punkte-Papier: "Einig sind wir uns dahingehend, daß die PDS unabhängig von der konkreten parlamentarischen Rolle das Schwergewicht ihrer Tätigkeit in außerparlamentarischen Bewegungen und Aktionen sieht und ihr gesellschaftliches Oppositionsverständnis von der jeweiligen Rolle in einem Parlament nicht berührt wird." Festhalten am "Als sozialistische Partei kann und darf die PDS nicht antikommunistisch Kommunismus sein. Sie ist nicht bereit, auf demokratisch-kommunistische Positionen in ihren Reihen zu verzichten." Die Begriffe "Demokratie" und "Kommunismus" schließen sich gegenseitig aus. Deshalb ist die Verwendung des Begriffspaars "demokratisch-kommunistisch" ein Beispiel dafür, daß die PDS Demokratie nicht im Sinn des Grundgesetzes versteht. Am 9. Januar wurde im Berliner Karl-Liebknecht-Haus das im parteieigenen Dietz-Verlag Berlin (von 1946 bis 1989 Hausverlag der SED) Linksextremismus 87 erschienene, von der PDS-nahen Bundesstiftung "Gesellschaftsanalyse Programmund Politische Bildung" herausgegebene Buch "Zur Programmatik kommentar der Partei des Demokratischen Sozialismus. Ein Kommentar" vorgestellt. Der von sieben Mitgliedern der PDS (u.a. von dem Mitglied der Grundsatzkommission der PDS Prof. Dr. Michael Brie sowie den Mitgliedern des PDS-Bundesvorstands Dr. Andre Brie, Prof. Dr. Michael Schumann, Dr. Judith Dellheim und Dieter Klein) geschriebene Programmkommentar stellt eine Revision alter Marxismus-LeninismusLehrbücher dar. Die PDS wird als eine Partei neuen Typs klassifiziert, die mit den Traditionen der Staatspartei gebrochen habe. Nach Auffassung der Autoren sei die Publikation ein Buch, "geschrieben für eine Wende nach der Wende". Sie sehen den Marxismus als wichtigsten ideengeschichtlichen Bezugspunkt. In einer Antwort auf eine veröffentlichte Kritik des Sprechers des Marxistischen Forums der PDS Prof. Dr. Uwe-Jens Heuer an dem Kommentarbuch führte der Mitverfasser Prof. Dr. Michael Brie in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 28729. Juni aus: "Für uns (die Autoren) ist der grundlegende, der im Kern revolutionäre Wandel der Eigentumsund Machtverhältnisse zentral (...). Nur im gleichen Maße können auch die modernen Vergesellschaftungsformen in Einheit mit neuen Eigentumsund Machtverhältnissen das bilden, was wir .sozialistische Moderne' nennen." Die 1. Tagung des 5. Parteitags der PDS vom 17. bis 19. Januar in Schweriner Schwerin mit dem Motto "Sozial, solidarisch, alternativ" hat weder Parteitag eine Änderung in der ideologischen Ausrichtung der Partei noch eine Veränderung des Kräfteverhältnisses innerhalb der Partei erbracht. Auch der Medieninszenierung im Vorfeld des Parteitags - mit offenen und versteckten Rückzugsdrohungen der Parteispitze - ist es zuzuschreiben, daß erneut größere innerparteiliche Konflikte vermieden wurden. Der Kurs der Parteiführung wurde im wesentlichen bestätigt. Ziel der Parteiführung ist, mittels der - auch selber initiierten - Debatte um Regierungsbeteiligungen aus der Isolation auszubrechen und gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Die Durchsetzung der politischen Strategie der Parteiführung bedeutet keine Aufgabe der systemüberwindenden Ziele der Partei. Der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 20. Januar zufolge macht sich die PDS "fit für eine eventuelle Zusammenarbeit mit SPD und Bündnisgrünen". An der Tagung nahmen 524 Delegierte (von 538 gewählten) und etwa 250 Gäste teil. Der PDS Landesverband Bayern war mit vier 88 Linksextremismus Delegierten (darunter die umweltpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsgruppe Eva-Maria Bulling-Schröter aus Ingolstadt) sowie einigen Gastdelegierten vertreten. Im Mittelpunkt des Parteitags stand neben der Neuwahl des Parteivorstands die Verabschiedung der im Leitanträge Vorfeld heftig diskutierten Leitanträge, insbesondere des Antrags zu den Grundsätzen und Zielen der PDS bei den Wahlen 1998/99 und des Antrags zur Veränderung des Statuts der PDS. n dem vom Parteivorstand der PDS bereits am 10. Juni 1996 beschlossenen und auf dem Parteitag mit großer Mehrheit der Delegierten als Leitantrag angenommenen Papier "Grundsätze und Ziele der PDS bei den Wahlen 1998/99" wird eine Regierungsbeteiligung unter bestimmten Bedingungen für realisierbar gehalten. In dem in der PDS-Mitgliederzeitschrift "DISPUT" Nummer 1/1997 auf den Seiten 16 bis 18 wiedergegebenen Beschluß der 1. Tagung des 5. Parteitags heißt es hierzu: "Die PDS bleibt zugleich außerparlamentarische Kraft. Sie ist offen für Ideen, Mitwirkung und Einflußnahme gesellschaftlicher Bewegungen und Außerparlameneinzelner, die den außerparlamentarischen Kampf mit uns gemeinsam tarischer Kampf führen wollen. Ohne gesellschaftliche Bewegung, ohne Bewegung von unten wird es keine dauerhaften und keine radikalen Wandlungen geben. Die Frage, ob eine Parlamentsfraktion der PDS sich innerhalb des Parlaments in eine Oppositionsrolle, in eine Situation des Tolerierens einer Regierung oder in eine Koalitionsrolle begibt, wird von der PDS - soweit es von ihr abhängt - je nach Zeit und Situation danach entschieden, wie ein Höchstmaß an gesellschaftlichen Veränderungen im Sinne der politischen Zielstellung der PDS erreicht werden kann. Die Frage einer Regierungsbeteiligung stellt sich für die PDS deshalb unter gesamtpolitischen Rahmenbedingungen und Kräfteverhältnissen dann, wenn diese die Schaffung oder Bewahrung von Voraussetzungen für einen sozialen, ökologischen und demokratischen Wandel der Bundesrepublik ermöglichen. (...) Die PDS will auch 1998 ohne Parteiegoismus und ohne sektiererische Einengung mit offenen Listen zu den Wahlen antreten. Die PDS wird zur Linksextremismus 89 Wahrung ihres Profils keine direkten oder indirekten Parteienbündnisse eingehen. Für die offenen Listen will die PDS in erster Linie qualifizierte eigene Mitglieder und darüber hinaus parteilose Persönlichkeiten aus sozialen, politischen und kulturellen Bewegungen des linken demokratischen antifaschistischen Spektrums gewinnen, um die gesellschaftliche Basis und öffentliche Wirksamkeit sozialistischer Politik zu stärken." Der Parteitag beschloß auch den Leitantrag "PDS-Positionen für eine soziale und ökologische Reform von Steuern und Abgaben". In ihrer Rede zur Begründung dieses Leitantrags - abgedruckt in der PDS-Mitgliederzeitschrift "DISPUT" Nummer 1/1997, Seiten 38 bis 41 - erklärte die PDS-Bundestagsabgeordnete und letzte DDR-Wirtschaftsminsterin Prof. Dr. Christa Luft, "(...), daß ich nicht einer Politik des Alles oder Nichts anhänge, sondern dort (im Wahlkreis) verlangt man von mir, daß ich mich einsetze für das, was jetzt und heute machbar ist, ohne das große Ziel aus dem Auge zu "Das g verlieren." Bei der Wahl des Parteivorstands setzten sich die Kandidaten durch, die zu den "Reformern" oder "Realpolitikern" gerechnet werden. Insgesamt zehn der 18 Vorstandsmitglieder wurden wiedergewählt, Neuwahl des darunter auch der Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky sowie die Parteivorstands beiden Stellvertreter Wolfgang Gehreke und Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann. Als neue Stellvertreterin anstelle von Angela Marquardt (AG Junge Genossinnen), die eine erneute Kandidatur für den Parteivorstand ablehnte, wurde das bisherige Vorstandsmitglied Gabriele Zimmer - sie ist auch Landesvorsitzende der PDS in Thüringen - gewählt. Prof. Dr. Christa Luft wurde erstmals in den Parteivorstand gewählt; sie erhielt mit 88,88 % die mit Abstand meisten Delegiertenstimmen. Der bisherige Schatzmeister Dr. Dietmar Bartsch wurde zum Bundesgeschäftsführer, zu seinem Nachfolger wurde Uwe Hobler vom / " V * " J ^ " Landesverband Brandenburg gewählt. Unter den weiteren Mit- / A " * * 0 gliedern des Parteivorstands befindet sich auch der wiederge- / \ A " ^ * wählte "ideologische Vordenker" der Partei, Dr. Andre Brie. ( (tm) t(tK6 ***"" Mit Halina Wawzyniak bleibt die AG Junge Genossinnen im Parteivorstand vertreten. Auf den freigewordenen Platz von Dr. Gregor Gysi rückte der Redakteur der Hamburger Zeit schrift "Sozialismus", Dr. Joachim Bischoff, nach. Gysi! Die Kommunistische Plattform der PDS (KPF) konnte wiederum keinen Vertreter in den Parteivorstand entsenden. Zwar erhielt ihr Kandidat Prof. Dr. Michael Benjamin 37,63 % der Delegiertenstim- 90 Linksextremismus men, ihm fehlten aber sechs Stimmen für einen Sitz im Parteivorstand. Damit gehört bereits seit Januar 1995 kein Vertreter der KPF mehr dem Parteivorstand an. Allerdings bezeichnet die Tageszeitung "junge Welt" vom 2 1 . Januar eine der Neugewählten, Dorothee Menzner aus Hannover, als KPF-nah. Zur Position der PDS, der "außerparlamentarische Kampf" sei entscheidend, hatte der Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky in einem Gespräch des Magazins "Der Spiegel" vom 20. Januar u.a. ausgeführt: "Das Volk steht nun einmal außerhalb der Parlamente. Also läßt sich zwischen den verschiedenen politischen Artikulationsformen nicht so klar trenAußerparlamennen, ... Die verfassungsmäßig verbürgte Demonstrationsfreiheit schließt tarischer Widerfür mich das Recht auf außerparlamentarischen Widerstand sehr wohl stand ein." Unter der Überschrift "Die PDS ist die einzige konsequente Opposition zur Regierungspolitik" druckt die PDS-nahe Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 22. April den Entwurf der Wahlstrategie der PDS Papiere für die Europa-, Bundestagsund Landtagswahlen in den Jahren 1998 und 1999 ab. Der vom zentralen Wahlbüro der PDS vorgelegte Entwurf knüpft inhaltlich an den Beschluß des Schweriner Parteitags vom Januar "Grundsätze und Ziele der PDS bei den Wahlen 1998/99" an. Das Papier enthält jedoch konkretere Überlegungen, beispielsweise die Absicht, einen bundesweiten Medienwahlkampf und vor allem im Osten einen Basiswahlkampf zu führen. Der PDS-Pressedienst Nummer 24 vom 13. Juni dokumentiert die durch eine Arbeitsgruppe "Wahlstrategie" überarbeitete und vom Parteivorstand am 9. Juni beschlossene Fassung des Gesamtentwurfs des Papiers unter dem Titel "Wahlstrategie der PDS 1998/99 Oder: Warum es noch nie so wirkungsvoll war, PDS zu wählen" sowie die dazu beschlossene Anlage "Wahlkampf gezielt auf eigene Arbeit der vergangenen Jahre stützen!". In dem beschlossenen Papier heißt es u.a.: "Es ist höchste Zeit für Alternativen, für eine gesellschaftliche und politische Reformwende, die diesen Namen verdient und die sozialstaatlichen Reformen der Vergangenheit bewahrt und erneuert. Es geht um einen Regierungswechsel als Schritt zum dringend notwendigen Politikwechsel. Die PDS wird gebraucht - als Partnerin für außerparlamentarische Aktivitäten, für bundesweite konkrete Alternativen, soziale Kompetenz, selbstbewußte ostdeutsche Interessenvertretung, gesellschaftliche Solida- Linksextremismus 91 rität, demokratische, antikapitalistische Positionen in einem Parteiensystem, in dem ansonsten der Wettbewerb um die Gunst der Konzernzentralen und Unternehmerverbände dominiert. Ziel der PDS ist es, eine andere Politik, eine Politik gesellschaftlicher Erneuerung, des sozialen, Erneuerung der ökologischen und emanzipatorischen Umbaus durchzusetzen. (...) Die PDS Gesellschaft versteht sich als bundesweite sozialistische Partei. Als solche, nicht als ostdeutsche Regionalpartei und schon gar nicht mit einem ,antiwestdeutschen' oder .antiwestlichen' Tenor, ... (...) Der Gefährdung von Sozialstaat, Demokratie und zivilgesellschaftlicher Gestaltungsfähigkeit durch Neoliberalismus und Stammtischdenken wollen wir die Demokratisierung der Demokratie, die entschiedene Stärkung direkter Demokratieformen und die umfassende Realisierung der politischen und sozialen Menschenrechte entgegensetzen. (...) Die Wahlstrategie der PDS 1998/99 ist daher Für eine andere eine Strategie für eine andere Bundesrepublik ..." Bundesrepublik Als Auftakt für die bevorstehenden Wahlkämpfe veranstaltete die PDS am 23. August in Berlin eine zentrale Wahlkonferenz mit etwa 250 Teilnehmern. Den Entwurf eines Wahlpro,<-- : **"""..**, gramms zur Bundestagswahl im September 1998 stellte der Parteivorstand der PDS am 15. Dezember vor. Der im PDS-Pressedienst fresset/* Nummern 51/52 vom 19. Dezember dokumentierte 20seitige Text des Entwurfs "Für den politischen Richtungswechsel! Für eine gerechte Republik!" soll nach Diskussion in Für den politischen der PDS auf der 2. Tagung des 5. Parteitags in "RichtungsRostock vom 3. bis 5. April 1998 beschlossen werden wechsel" Im Vorfeld des geplanten Castor-Transports nach Gorleben rief die PDS bundesweit zum Widerstand auf. In einem vom Bundesvorstand Aufruf zum der PDS unterstützten Aufruf - veröffentlicht in der PDS-nahen Widerstand Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 24. Februar - heißt es dazu: "Hiermit rufen wir alle Aktivistinnen und Aktivisten der Partei des Demokratischen Sozialismus dazu auf, sich in der Woche ab Montag den 3. März im Landkreis Lüchow-Dannenberg zu versammeln. Wir werden uns friedlich und ohne Waffen dem kommenden Castor-Transport in den Weg stellen. Die Verantwortlichen in Industrie und Politik sollen erfahren, daß für den Betrieb von Atomanlagen gegen den erklärten Willen der Bevölkerung ein hoher Preis zu zahlen ist." Bei der Auseinandersetzung um die Castor-Transporte zeigt sich das Verhältnis der PDS zur Gewalt. Während die Partei noch Ende Februar 92 Linksextremismus in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" dazu aufforderte, sich friedlich und ohne Waffen dem Castor-Transport in den Weg zu stellen, rechtfertigte der PDS-Landesvorsitzende von Sachsen, Reinhard Lauter, in einem Beitrag in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 3. März das Zerstören eines für AtomRechtfertigung mülltransporte genutzten Bahngleises als zivilen Ungehorsam. Er von Gewalt führte darin aus: "Der Widerstand der Betroffenen zum Beispiel im Wendland ist also nicht nur legitim, sondern ein Gebot der Vernunft;... Daß die Herrschenden dagegen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, ist zu erwarten. Daß friedlich Protestierende - und das Zerlegen eines nur noch für Atommülltransporte genutzten Gleises ist friedlicher Protest und Widerstand - aus den eigenen Reihen als Chaoten beschimpft und in einen Topf mit denen, die Nachbars Auto anzünden, geworfen werden, ist bitter und Ausdruck eines merkwürdig eingeschränkten Politikverständnisses." Zur Unterstützung des Widerstands gegen den Castor-Transport hatte die PDS nach einem weiteren Bericht in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 3. März ein "kommissarisches Anti-Atom-Büro" eingerichtet. Dieses Büro habe dem Bericht zufolge den Zweck, "praktische Koordinierungshilfe zu leisten sowie Informationen um den kommenden Castor-Transport zu sammeln und zu verbreiten". Die bayerische PDS-Bundestagsabgeordnete Eva-Maria Bulling-Schröter, die ihre Unterschrift unter einen Aufruf zu gewaltsamen Protestformen am Kernkraftwerk Gundremmingen in einer aktuellen Stunde des Deutschen Bundestags am 17. April 1996 verteidigt hatte und deren Immunität im Anschluß daran vom Deutschen Bundestag aufStrafbefehl gehoben worden war, verbreitete am 22. August über Internet die wegen Aufrufs zu Meldung, daß das Amtsgericht Tiergarten in Berlin gegen sie wegen gewaltsamen des öffentlichen Verbreitens von Flugblättern und Aufrufen einen Protestformen Strafbefehl in Höhe von 18.000 DM verhängt habe. 2.2.2 Organisation 2.2.2.1 Bundesweite Gliederung Die PDS ist eine auf Bundesebene organisierte Partei mit Sitz in Berlin. Sie gliedert sich in 16 Landesverbände, deren Gebiete mit den Linksextremismus 93 Ländern identisch sind, mit Kreisverbänden und Basisorganisationen. Sie verfügt über etwa 104.000 (Ende 1996: 105.029) Mitglieder, davon rund 2.400 in den alten Bundesländern. Die Mitgliederentwicklung ist weiterhin rückläufig. Ursache für den Rückgang der MitglieBundesweit derzahl ist weniger der Austritt als vielmehr der Tod älterer Mitglierückläufige der. Angesichts der Altersstruktur kann dies nicht verwundern: 67 % Mitgliederzahl der Parteimitglieder in Ostdeutschland sind 60 Jahre und älter und nur 2 % jünger als 30 Jahre. Laut PDS-Pressedienst Nummer 23 vom 6. Juni fand am 24. Mai ein zentraler Auftaktworkshop zum Projekt "Mitgliedergewinnung PDS Mitglieder2000" statt, das auf der Sitzung des Parteivorstands am 12. Mai werbung beschlossen wurde. Von einer Koordinierungsgruppe, in der unter der Leitung des Bundesgeschäftsführers Dr. Dietmar Bartsch auch Dr. Andre Brie als Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit und zugleich Leiter des zentralen Wahlbüros mitarbeitet, wurde in der Folgezeit eine Werbekonzeption und eine Kommunikationsstrategie erarbeitet. Hintergrund der Aktion sind der Mitgliederschwund sowie die Überalterung der Partei. Der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 21. Oktober zufolge will die PDS mit dem tags zuvor offiziell gestarteten Werbeprojekt "junge Leute, Frauen sowie sonstige einstige Mitglieder von SED und DDR-Blockparteien gewinnen". Dem seit Januar amtierenden Parteivorstand gehören wie bisher 18 Personen an (wegen der Zusammensetzung siehe Nummer 2.2.1 dieses Abschnitts). Der ehemalige Ministerpräsident der DDR, Dr. Hans Modrow, ist Ehrenvorsitzender der PDS. An bundesweiten Zusammenschlüssen sind bedeutsam: - Kommunistische Plattform (KPF) - Arbeitsgemeinschaft (AG) Junge Genossinnen in und bei der PDS - AG Cuba Sf - AG Antifaschismus und Antirassismus - AG Autonome Gruppen in und bei der PDS - Forum kommunistischer Arbeitsgemeinschaften [Umbenennung der "AG Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) in der PDS" seit April] 94 Linksextremismus - Libertäres Forum bei der PDS - Marxistisches Forum. Parteifinanzen Die Partei kann es sich leisten, ihren Apparat mit hohem Aufwand weiter zu unterhalten und aufwendige Wahlkampagnen zu führen. Trotz gesunkener Mitgliederzahl hat die PDS im Jahr 1996 mit mehr als 16,9 Millionen DM das höchste Aufkommen an Mitgliedsbeiträgen seit 1990 erzielt. Nutzung des Seit Anfang des Jahres 1996 nutzt die PDS die Kommunikationsmöginternets lichkeiten im Internet. Verschiedene Gliederungen der Partei, wie der Bundesvorstand, die Abgeordnetengruppe PDS im Deutschen Bundestag, mehrere PDS-Basisorganisationen und die Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS, sowie Einzelpersonen der PDS sind neben einer sogenannten Startseite der PDS bereits mit eigenen "homepages" vertreten. 2.2.2.2 Landesverband Bayern Organisation Die in Bayern seit September 1990 bestehende PDS setzt sich aus in Bayern dem Landesverband, acht Kreisverbänden und etwa 22 Basisorganisationen zusammen. Der Sitz des PDS Landesverbands Bayern befindet sich in München. Für eine Reihe von örtlichen Strukturen, die noch keine Basisorganisationen sind, bestehen Kontaktund Anlaufadressen. Im März waren der Kreisverband Nordost-Oberfranken und im Mai eine Basisorganisation in Germering gegründet worden. Neu errichtet wurde als eine weitere Basisorganisation im Mai in Erlangen das "Büro für direkte Einmischung". Neben diesen Organisationseinheiten bestehen noch die "Erfurter Gruppe München" und der "Nürnberger Initiativkreis der Erfurter Erklärung". Im Juli wurde die Gründung einer "Kommunistischen Plattform Regionalgruppe Nürnberg/Erlangen/Fürth" bekannt, der etwa 15 Mitglieder und Sympathisanten des PDS-Kreisverbands Nürnberg angehören. Örtliche Gruppierungen der bundesweit agierenden AG Junge Genossinnen in und bei der PDS existieren in München und Nürnberg. Seit 25. Oktober gibt es die AG Kommunistisches Forum in und bei der PDS München, deren Ziel es der Gründungserklärung zufolge ist, "marxistische Theorie und kommunistische Politik in populärer Weise in der PDS und der Öffentlichkeit zu vermitteln und umzusetzen". In Bayern ist die Zahl der beitragspflichtigen Mitglieder weiter leicht zurückgegangen. Waren es Ende 1996 noch rund 230 Mitglieder, so Linksextremismus 95 bewegt sich die aktuelle Mitgliederzahl bei 200. Dagegen ist die Zahl der Sympathisanten - laut PDS-Statut können den Sympathisanten Mitgliederrechte übertragen werden - von etwa 220 auf rund 250 gestiegen. Die PDS-Anhängerschaft in Bayern blieb damit konstant. Sammelbecken Von den beitragspflichtigen Mitgliedern des Landesverbands sind von Linksextreetwa 50 bereits früher als Linksextremisten misten aufgetreten bzw. zum Teil als solche noch aktiv tätig. Rund 30 Personen sind der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und ihren Nebenorganisationen zuzurechnen bzw. standen hiermit in Verbindung. Der Rest verteilt sich auf VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten), """*MM, VSP (Vereinigung für Sozialistische Politik) und andere Organisationen. Der PDS Landesverband Bayern hielt am 2. März in Augsburg seinen 1. Landesparteitag 1997 ab. Es beteiligten sich I ^ * " * " " T i n daran rund 30 Personen, darunter auch einige PDS-Aktivisten aus Thüringen Sewe/te;? und sowie der Bundesschatzmeister Uwe Hobler. Auf den bisher noch offenen Posten des zweiten PDS-LanLandesparteitage dessprechers wurde der PDS-Aktivist Günter Grimme-Ruhland gewählt, der bereits früher diese Funktion innehatte. In Ingolstadt trafen sich am 14. Juni etwa 30 Delegierte zum 2. Landesparteitag 1997. Der PDS-Ehrenvorsitzende Dr. Hans Modrow referierte zu den Themen "Friedenspolitik und Deutsche Einheit". Die NATO-Osterweiterung sei abzulehnen, weil sie zu einer einseitigen Machtverteilung führe, die bei künftigen Konflikten den Frieden gefährde. Die bayerische PDS-Bundestagsabgeordnete Eva-Maria Bulling-Schröter, die die Veranstaltung leitete, erklärte, außer in Niederbayern gebe es in allen Regierungsbezirken Basisorganisationen. Die stärksten Verbände existierten in München, Nürnberg, Augsburg und Weiden. Bayern nehme unter den alten Bundesländern einen "sozialistischen Mittelplatz" ein. Nordrhein-Westfalen sei deutlich stärker, das Saarland sei das Schlußlicht. Trotzdem beteilige sich die Partei nicht an der bayerischen Landtagswahl 1998, denn hierfür fehlten doch noch die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen. 96 Linksextreimismus Neuwahl des An dem 3. Landesparteitag 1997 am 27. September in Nürnberg Landesvorstands nahmen etwa 50 Personen teil. Nach den dort durchgeführten Neuwahlen zum Landesvorstand - seine Amtsdauer beträgt ein Jahr - gehören diesem Gremium derzeit acht Personen an, von denen fünf in anderen linksextremistischen Gruppierungen tätig waren bzw. aktiv sind. In ihrem Amt als Sprecherin des Landesvorstands und damit als geschäftsführendes Vorstandsmitglied wurde Sima Sorayya bestätigt. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied Stephan Straub löste Günter Grimme-Ruhland in der Funktion des zweiten Landessprechers ab. Unter den weiteren Vorstandsmitgliedern befindet sich auch die bayerische PDS-Bundestagsabgeordnete Eva-Maria Bulling-Schröter (früher DKP). Der 4. Landesparteitag 1997 des PDS Landesverbands Bayern fand am 7. Dezember in München statt; es waren etwa 70 Personen erschienen. Im Mittelpunkt stand dabei die Aufstellung der Kandidaten für die Landesliste zur Bundestagswahl 1998. Die schon 1994 als Spitzenkandidatin angetretene Bundestagsabgeordnete Eva-Maria Bulling-Schröter konnte ihren Spitzenplatz behaupten und führt die acht Personen umfassende Landesliste an. Für die PDS in Bayern sieht die Spitzenkandidatin ihr Ziel bei mm .^."."""s*"*-' '"AmA~"\M 100.000 Wählerstimmen. Zur Unterrichtung der Mitglieder gibt der Landesverband in unregelmäßigen Abständen die Publikation "TITEL - Informationsforum der PDS Bayern" heraus. 2.2.3 Plattformen und Arbeitsgemeinschaften Plattformen und Arbeitsgemeinschaften sind wesentlich für die Bündnisund Integrationspolitik der PDS. Sie wirken im Rahmen des Statuts in der Partei und können sich eigene Satzungen geben. Sie Integrale Bestandsind damit integrale Bestandteile der PDS. Diese Strukturen können teile der PDS gemäß den statuarischen Bestimmungen der PDS ihre politischen Ziele in der Partei offen vertreten. Die PDS muß sich deshalb die Tätigkeit der Plattformen und Arbeitsgemeinschaften sowie die Äußerungen ihrer Mitglieder als Gesamtpartei zurechnen lassen. Plattformen sind in der Regel Zusammenschlüsse mit gemeinsamer Ideologie, wohingegen Arbeitsgemeinschaften themenbezogen auf wichtigen Linksextremismus 97 Aktionsfeldern tätig werden. Arbeitsgemeinschaften dienen der PDS auch dazu, Potentiale außerhalb der Partei zu gewinnen und zu binden. Zur Kontrolle und Steuerung dieser Zusammenschlüsse sind Mitglieder des Parteivorstands in Plattformen und Arbeitsgemeinschaften vertreten. Die Arbeitsgemeinschaften Junge Genossinnen in und bei der PDS, Gewaltbereite Autonome Gruppen in und bei der PDS sowie das Libertäre Forum bei Gruppen in der der PDS zeigen, daß die PDS auch mit gewaltbereiten Gruppen zuPDS sammenarbeitet und diese sogar in den eigenen Reihen duldet und agieren läßt. 2.2.3.1 Kommunistische Plattform (KPF) Die am 30. Dezember 1989 gegründete Kommunistische Plattform Bekenntnis zum (KPF) der PDS - ihr sind unter 2.500 Mitglieder zuzurechnen - ist eine Marxismus-Lenimarxistisch-leninistische Organisation. Sie betrachtet die DKP als nismus natürliche Verbündete und arbeitet auch mit der noch in der DDR gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen. Innerhalb der PDS ist die KPF die Gruppierung, die sich am deutlichsten zum Kommunismus bekennt. Sie strebt die Fortsetzung marxistischer und leninistischer Politik, also die Diktatur des Proletariats, an. In ihren Thesen zur Gründung betonte sie: "Die revolutionäre Arbeiterbewegung mit dem wissenschaftlichen Kommunismus, mit dem Marxismus-Leninismus, zu verbinden, aufgrund der marxistisch-leninistischen Analyse der realen Gesellschaftsentwicklung Strategie und Taktik zu bestimmen und Politik zu organisieren - ist vornehmste Aufgabe der Kommunisten und sie bleibt es." Nach einer programmatischen Erklärung vom Februar 1994, verfaßt von drei Sprechern der KPF, bildet der Wissenschaftliche Kommunismus, wie er durch Lenin, Luxemburg, Gramsci, Trotzki, Bucharin oder Mao Tse-tung weiterentwickelt worden sei, die Grundlage für die Politik der KPF. Ziel der KPF sei die revolutionäre Transformation der Klassenlose alten, der Klassengesellschaft, in eine neue, klassenlose Gesellschaft. Gesellschaft In der Erklärung heißt es: als Ziel "Der politische Übergang zur klassenlosen Gesellschaft, der nunmehr dritte revolutionäre Versuch, den Kapitalismus zu überwinden, kann vielfältige Formen annehmen. Er muß sich nicht unbedingt gewaltsam vollziehen. (...) Der Übergang zu dieser neuen Zivilisationsstufe, die revolutionäre 98 Linksextremismus Transformation der alten, der Klassengesellschaft, in eine neue, klassenlose Gesellschaft, dieser Übergang wird ein komplizierter, langwieriger, mehrere Phasen umfassender historischer Prozeß des erbitterten Klassen - kämpf es sein, ..." Die PDS-nahe Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 11. März 1996 veröffentlichte auszugsweise Beiträge eines Streitgesprächs von Ende Februar zum Thema "Kommunistische Plattform - Fluch oder Segen der PDS?". Podiumsteilnehmer waren die Mitglieder des Bundeskoordinierungsrats der KPF, Prof. Dr. Michael Benjamin und Ellen Brombacher - sie ist auch Sprecherin der KPF -, sowie der PDS-Bundestagsabgeordnete Gerhard Zwerenz. Zur Strategie der PDS und zur Rolle der KPF in der Partei führte Prof. Dr. Benjamin aus: "Notwendig scheint zu sein, daß wir den antikapitalistischen Charakter unserer Partei, der ja in Programm und Statut niedergelegt ist, konsequent durchhalten und deutlich zum Ausdruck bringen. Entscheidend ist, alles zu tun, was den Menschen nützen kann. Das bedeutet aber auch, daß wir die juristischen und finanziellen Grenzen dieses Systems ausloten, Kampf gegen den daß wir bis an die Grenzen gehen, sie deutlich machen und versuchen, sie demokratischen zu durchbrechen, zu verschieben. Dazu ist parlamentarischer und außerRechtsstaat parlamentarischer Kampf notwendig." " Wir sind Mitglieder der PDS. Wir haben kein Programm, das nicht das Programm der PDS wäre. Allerdings meinen wir, daß wir zu den entschiedeneren, linkeren, radikaleren Kräften in dieser Partei gehören. Darauf sind wir einigermaßen stolz. (...) Für die PDS behaupte ich, ein sehr großer Teil der Mitglieder fühlt sich in der einen oder anderen Weise dem Kommunismus verbunden. Damit sind sie keineswegs alle Anhänger der PlattAufrechterhaltung form. Aber kommunistische Traditionen werden in dieser Partei von vielen kommunistischer geschätzt. Daß es in der PDS eine Kommunistische Plattform gibt, wissen die Traditionen Leute. Trotzdem haben sie in Berlin 30 Prozent und mehr PDS gewählt." KPF-Mitglieder gehören zu den politisch aktivsten Personen in der Partei. Die Parteiführung bekennt sich zur KPF. Auf der 2. Tagung des 4. Parteitags im Januar 1996 erklärte der Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky, die Diskussionsangebote der KPF gehörten zum Meinungsbildungsprozeß der Partei. In einem im DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" vom 5. September veröffentlichten Interview äußerte der Parteivorsitzende u.a. zur Position der KPF in seiner Partei: "Die Kommunistische 'Plattform in unseren eigenen Reihen ist ein wichtiger Bestandteil der PDS. Und kein Mensch, am allerwenigsten ich, denkt Linksextremismus 99 daran, diese Plattform zu verteufeln oder gar aus der Partei entfernen zuKeine Abgrenzung wollen. Es ist doch normal, wenn es um den Weg zu einer gerechten Geder PDS gegensellschaft, in der Einschätzung der bestehenden Gesellschaft und in der über anderen Analyse unterschiedliche Ansätze gibt. Der eine setzt eben da mehr auf Kommunisten Klassenkampf, teilweise noch auf Weltrevolution, und ein Großteil der PDS und ihrer Mitglieder will (auf) diese Gesellschaft nicht vom Rande aus einwirken, sondern sich mitten in sie hinein begeben und sozialistisch und demokratisch wirken." Das Mitglied des Bundeskoordinierungsrats der KPF, Sahra Wagenknecht, hat in einem Interview der Tageszeitung "Stuttgarter Nachrichten" vom 22. Januar die Anwendung von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung nicht ausgeschlossen. Auf die Frage, ob "gegen den Sozialabbau Druck von unten" außerparlamentarisch und nicht mit demokratischen Mitteln erfolgen solle, führte sie aus: "Es kommt darauf an, was man unter demokratischen Mitteln versteht." Auf die Frage, ob die Kommunistische Plattform auch "revolutionäre Gewalt" befürworte, erklärte sie: "Da wir schon vom Grundgesetz sprechen: Das Grundgesetz selbst forGewalt als Mittel dert zum Widerstand auf, wenn die herrschende Politik dazu zwingt. Wir der Politik bevorzugen gewaltfreie Methoden. Aber es kommt immer darauf an, wie der Staat auf diesen Widerstand reagiert." Die "Bunte Liste Lindau" organisierte am 3. März mit Sahra WagenVorrang des knecht und dem PDS-Bundestagsabgeordneten Dr. Winfried Wolf eine außerparlamenPodiumsdiskussion. Sahra Wagenknecht stufte die Auffassung, bloße tarischen WiderRegierungswechsel könnten Grundsätzliches an den Machtr____ Stands Verhältnissen ändern, als weltfremd ein. Kräftekonstellationen seien änderbar durch innerund vor allem außerparlamentarischen Widerstand. Dr. Heinz Marohn, einer der Sprecher der KPF und verantdegr K( "(!milnj * * > """," wortlich für die "Mitteilungen der Kommunistischen PlattStand:Punkte form der PDS", spricht sich in Heft 3 vom März ebenfalls J 4nai yi für Widerstand gegen das bestehende Gesellschafts;' Disfc, "ssionen System aus. Die Lage in Deutschland sei bekannt, jeder '"form.afionej erlebe sie selbst tagtäglich vor Ort. Sie zu erkennen sei das eine, sie zu ertragen oder gegen sie zu kämpfen sei / fc das andere, das Wichtige. Selbst Wissenschaftler stellten fest, das bestehende System sei nicht reformierbar. 100 Linksextremismus Abschaffung des Die KPF wisse dies auch, aber wohl noch nicht alle in der Partei. Das parlamentarischSystem, mit dem es keinen Frieden geben könne, müsse geändert demokratischen werden, nicht nur Kohl müsse weg. Weiter führt er aus: Systems "Jede Kraft, die über Reformen hinaus konsequent eine neue Gesell schaftsordnung anstrebt, wird den Herrschenden ein Gegner sein. Die zentrale Frage ist und bleibt: WIDERSTAND!" Ständiger Rat Über die KPF ist die PDS nach wie vor im "Ständigen Rat marxistischer marxistischer Parteien" vertreten. Diesem 1991 in Berlin gegründeten Gremium Parteien gehören neben der PDS auch die Anfang 1990 in den fünf neuen Ländern gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD/DDR) sowie der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) an. Ziel des Ständigen Rats ist die Kommunikation und Koordination der Marxisten Deutschlands in Theorie und Praxis. 2.2.3.2 Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS Die Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS (AG Junge Genossinnen) ist ein bundesweiter Zusammenschluß, der innerhalb der PDS unter eigenem Namen agiert. Diese Gruppierung, die sich rund 500 Mitglieder und 1.000 Sympathisanten zurechnet - ein Drittel der Mitglieder gehöre auch der PDS an; die Hälfte stamme aus den westlichen Ländern -, dient als Bindeglied der PDS zu jugendlichen undogmatischen Linksextremisten, besonders Autonomen. In einem auf dem Bundeskongreß der AG Junge Genossinnen Grundsatzpapier am 16. und 17. März 1996 in Bielefeld vorgelegten Grundsatzpapier - veröffentlicht im PDS-Pressedienst Nummer 13 vom 29. März 1996 und Nummer 14 vom 4. April 1996 - heißt es: "Die AG Junge Genossinnen sammelt Menschen um sich, die zum einen als linkes Korrektiv innerhalb der PDS mit vorwiegend außerparlamentarischen Bezugspartnern wirken wollen, einen antietatistischen Ansatz vertreten, und ... (...) Auf die PDS beziehen wir uns, da sie als einzige politisch relevante Kraft den Anspruch hat, sozialistische Partei zu sein. (...) Linksradikale Forderungen können in Parteien nicht unbeschränkt diskutiert werden, da sie zu einem Verbot führen könnten. (...) Auf die außerparlamentarische und undogmatische Linke wollen wir uns beziehen, da wir viele ihrer Ansätze und Diskussionen interessant finden, mit ihnen zusammenarbeiten wollen, gerade weil ihre Forderungen weiter gehen als die der Partei, sie nicht in parlamentarische Zwängen stecken." Linksextremismus 101 Bei dem vom 9. bis 11. Mai in Magdeburg abgehaltenen BundeskonBundeskongreß in greß der AG Junge Genossinnen wurde Angela Marquardt (bis Januar Magdeburg amtierende stellvertretende Parteivorsitzende der PDS) mit überwältigender Mehrheit in den Sprecherinnenrat der Organisation wiedergewählt. Hauptthema des Bundeskongresses, an dem rund 70 Personen teilnahmen, war die Erarbeitung eines Positionspapiers mit dem Titel "Radikal in die Zukunft! Anstatt auf der Stelle zu treten". Berichten in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 12. Mai und einem Beitrag im PDS-Pressedienst Nummer 21 vom 22. Mai zufolge will die AG die innerparteiliche Lethargie der PDS vor den Wahlkämpfen aufbrechen und helfen, den eigenen kritischen Anspruch zu verwirklichen. In dem Positionspapier, das sich zu Themen wie Schulund Hochschulpolitik, Arbeitswelt, Antifaschismus und Drogenpolitik äußert, wird die Mutterpartei hart kritisiert. In der ParKritik an Pragtei verselbständige sich zunehmend eine Kaste von Pragmatikern, die matikern in der eine gesellschaftliche Alternative nicht mehr anstrebe. Weiter heißt es: Partei "Der mangelnde Wille und die teilweise Unfähigkeit, eine notwendige Verbindung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Vision und Realität, zwischen systemüberwindender Strategie und konkretem Eingreifen in die Tagespolitik herzustellen, ist das zentrale Dilemma der PDS. Angela Marquardt äußerte sich zum Positionspapier in einem in der Tageszeitung "junge Welt" vom 12. Mai abgedruckten Interview wie folgt: t 'JIIKiWl W D'eTageszeicimg "Wir könnten ja alle den lieben langen Tag Forderungen aufstellen, die einfach nur mit einem Systemwechsel verbunden sind. Da wir aber nicht * * * in der Situation sind, daß der Systemwechsel morgen kommt: Warum sollen da nicht auch Forderungen gestellt werden, die innerhalb des Systems bleiben?" Der Bundeskongreß spiegelt die Probleme der AG wider: Einerseits attackiert sie den "Anpassungskurs" der Partei, andererseits ist sie gewillt, die PDS im Wahlkampf zu unterstützen und bei der Mitgliedergewinnung zu helfen. Zugleich muß sie sich auch gegen Kritik aus den eigenen Reihen zur Wehr setzen. Die AG Junge Genossinnen plädiert für außerparlamentarische InitiaAußerparlamentiven zur Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft und zur Abtarische Initiativen schaffung der parlamentarischen Demokratie. Mit ihrem Bekenntnis zu "unkonventionellen Methoden zivilen Ungehorsams" und zu "Normübertretungen" propagiert sie die Anwendung von Gewalt als 102 Linksextremismus Mittel der politischen Auseinandersetzung. Die AG unterhält Verbindungen zu gewaltbereiten Autonomen außerhalb der Partei und sympathisiert mit ausländischen extremistischen Gruppen. Außerdem plädiert die AG für eine Zusammenarbeit mit militanten Antifa-Gruppen. Angela Marquardt bekundete im Vorfeld der Ende Januar 1995 durchgeführten 1. Tagung des 4. Parteitags - auf dem sie dann zur stellvertretenden Parteivorsitzenden der PDS gewählt worden war -, Zusammenarbeit daß die AG mit Autonomen zusammenarbeite. Sie selbst versuche, mit Autonomen "außerparlamentarische Gruppen wie die Antifa" in eine Diskussion mit der PDS zu bringen. Ihre Einstellung zum demokratischen Rechtsstaat faßte sie wie folgt zusammen: "... Ich lebe jetzt und heute in dieser BRD. Sie will mich nicht und ich will sie auch nicht." 2.2.3.3 Marxistisches Forum Am 6. Juni 1995 konstituierte sich in Berlin das orthodox-kommunistisch ausgerichtete "Marxistische Forum" (MF). In der vom PDS-Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Uwe-Jens Heuer - einer der fünf Sprecher des MF - moderierten Gründungsveranstaltung wurden Standort und Aufgaben des Forums erörtert. Es will die soziale, ökonomische und politische Situation mit den Mitteln des Marxismus analysieren, die marxistische Theorie weiterentwickeln und zur theoretischen FundieWeiterentwicklung rung der Politik der PDS beitragen. Dazu gehöre neben der marxistider marxistischen sehen Aufarbeitung der Geschichte der DDR und des Sozialismus auch Theorie die Untersuchung der Dialektik von systemimmanenten und systemüberwindenden Reformen. Außerdem solle auf die notwendige Verstärkung des antimilitaristischen Kampfes aufmerksam gemacht werden. In der Generaldebatte zur Frage möglicher Regierungsbeteiligungen anläßlich der 1. Tagung des 5. Parteitags der PDS vom 17. bis 19. Januar in Schwerin forderte der rechtspolitische Sprecher der PDS-Bundestagsgruppe und Sprecher des MF, Prof. Dr. Uwe-Jens Heuer, eine gründlichere (marxistische) Analyse aktueller Entwicklungen und Kräfteverhältnisse. Die PDS-Mitgliederzeitschrift "DISPUT" Nummer 1/1997, Seiten 13 und 14, dokumentiert seine Ausführungen wie folgt: "Fazit seiner dialektischen Überlegungen: Im Kern geht es um eine Widerstandsstrategie, verbunden mit einem Reformprojekt. (...) Notwendig sei aber eine konkrete Entscheidung, ob eine Regierungsbeteiligung der PDS Linksextremismus 103 gesellschaftlichen Widerstand und linke Reformmöglichkeiten stärke oder schwäche." Prof. Dr. Heuers Plädoyer, entsprechende Bedingungen für etwaige Regierungsbündnisse der PDS per Beschluß festzuschreiben und zu gegebener Zeit einen Bundesparteitag einzuberufen, fand jedoch ebensowenig Mehrheiten wie ähnlich lautende Anträge der KPF. 2.2.4 Teilnahme an Wahlen Bei den hessischen Kommunalwahlen am 2. März konnte die PDS in Kommunalwahlen der Stadt Marburg 2.085 Stimmen (= 6,2 %) erzielen. Damit hat sie in Hessen erstmals bei Wahlen in einem westlichen Bundesland in einer größeren Stadt die 5 %-Hürde überwunden. Die Partei hatte mit der Liste "PDS/Marburger Linke" kandidiert; auf sie entfielen vier Sitze in der Stadtverordnetenversammlung. Unter ihren Mandatsträgern befindet sich die Studentin Pia Maier, Mitglied des neugewählten PDS-Bundesvorstands. Abgesehen von dieser Ausnahme blieb die PDS auf Landesebene mit 9.572 Stimmen (= 0,3 %) eine Splitterpartei. Die PDS/Linke Liste erhielt bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft Wahl zur am 2 1 . September 5.350 Stimmen (= 0,7 %). Der PDS-Parteivorstand Hamburger hatte sich bereits im Vorfeld gegen eine Beteiligung an der Wahl ausBürgerschaft gesprochen und den PDS-Landesverband weder personell noch materiell unterstützt. Er sah offensichtlich durch einen Mißerfolg seine wahltaktische Gesamtplanung gefährdet. 2.2.5 Zusammenarbeit mit inund ausländischen Linksextremisten 2.2.5.1 Kommunistischer Internationalismus Die PDS unterhält im Rahmen der sogenannten internationalen Solidarität vielfältige Verbindungen und Kontakte zu ausländischen kommunistischen Parteien und anderen ausländischen Linksextremisten. Das Parteiprogramm der PDS nennt dies "Internationalismus" und orientiert sich damit an der Idee des Weltkommunismus. Diese Praxis Proletarischer knüpft an das marxistisch-leninistische Prinzip des "Proletarischen InterInternationalismus nationalismus" - der Lehre von der "welthistorischen Mission der Arbeiterklasse" - an. Die stellvertretende PDS-Vorsitzende Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann - verantwortlich für die internationalen Beziehungen der 104 Linksextremismus PDS - bekräftigte in einem Beitrag in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 24. Juli 1995 den "internationalistischen Charakter" der Partei und die Zusammenarbeit mit linkssozialistischen und kommunistischen Parteien in Europa. Auch zu den Nachfolgeorganisationen der ehemaligen kommunistischen Staatsparteien des Ostblocks unterhält die PDS kontinuierliche freundschaftliche Beziehungen. Sie entsendet Delegationen zu Parteitagen sowie sonstigen wichtigen Parteiveranstaltungen und pflegt regelmäßige Beziehungen zu Gesprächskontakte. In Europa sind die "Französische KommunistiParteien in Europa sche Partei", die "Kommunistische Partei Österreichs", die "Kommunistische Partei Böhmens und Mährens", die kommunistisch dominierte "Vereinigte Linke" in Spanien, die italienische "Kommunistische Neugründung" und die "Kommunistische Partei der Russischen Föderation" die bevorzugten Adressaten dieser Politik. Seit Mitte 1995 gehört die PDS auch dem auf Initiative der spanischen "Vereinigten Linken" gegründeten Forum der Neuen Europäischen Linken (NELF) an, einer - so die Partei - "Struktur links neben der Sozialdemokratie", in der überwiegend Linkssozialisten und Kommunisten zusammenarbeiten. Zur NELF gehören 16 linkssozialistische, grün-linke und kommunistische Parteien aus 14 Ländern. 12. Tagung des Vom 18. bis 20. April fand in Berlin die 12. Tagung des NELF unter NELF in Berlin dem Motto "Laßt die Völker über die Zukunft Europas selbst entscheiden" statt. Die PDS war erstmals seit der Gründung des Forums im Jahre 1991 Gastgeber. Die Ausrichtung der Tagung des NELF kann als Erfolg für die Bemühungen der PDS gewertet werden, im internationalen linken und linksextremistischen Spektrum "hoffähig" zu werden, zumal die Partei erst 1995 Vollmitglied des NELF geworden war. Zuvor hatte sie über mehrere Jahre lediglich einen Beobachterstatus innegehabt. Die Kommunistische Partei Portugals veranstaltete am 24. Mai in Lissabon unter dem Motto "Für ein Europa des sozialen Fortschritts, des Friedens und der Zusammenarbeit" eine Konferenz kommunistischer und linkssozialistischer Parteien. Etwa 15.000 teilnehmende Linke aus Protest gegen zehn Staaten der EU protestierten gegen die angeblich unsoziale und Politik der neoliberale Politik der EU-Mitgliedstaaten und demonstrierten gleichEU-Mitgliedstaa ten zeitig für ein Europa der sozialen Gerechtigkeit, des Friedens und des Fortschritts. 14 führende Linkspolitiker Westeuropas ergriffen zu den Themen Massenarbeitslosigkeit, Maastrichter Vertrag und Währungsunion das Wort. Sie erklärten einem Bericht der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 26. Mai zufolge, die europäische Lin- Linksextremismus 105 ke müsse den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit entschiedener führen und sich Maastricht II widersetzen. Die PDS war in Lissabon mit einer Delegation unter Führung des Parteivorsitzenden Prof. Dr. Lothar Bisky vertreten. Nach einem Bericht der Tageszeitung "junge Welt" vom 30. Mai warnte der PDS-Vorsitzende in seiner Rede vor einem "abenteuerlichen Marsch zu einer Union des Geldes und des Kapitals" und vor einem Europa der "Macht, der Diktatur der Ökonomie, des Geldes, der Banken und des Kapitals". In Berlin trafen sich am 29. und 30. Januar Vertreter der "ArbeitsgeSolidarität mit meinschaft Cuba Sf beim Parteivorstand der PDS" (AG Cuba Sf) und Kuba der Vereinigung "Cuba Si - France" aus Paris zu einem Meinungsund Erfahrungsaustausch. Themen dieses Treffens waren praktizierte Formen der Solidaritätsarbeit und die Einschätzung der aktuellen Situation in Kuba. Der PDS-Pressedienst Nummer 7 vom 14. Februar berichtete dazu: " Während des Arbeitstreffens wurden eine Reihe weiterer politischer Gemeinsamkeiten festgestellt. (...) Eine engere Zusammenarbeit wurde im kulturellen Bereich sowie bei verschiedensten Formen der praktischen Solidarität mit Kuba festgestellt. (...) Wichtiger Bestandteil der Gespräche war das anspruchsvolle Vorhaben einer stärkeren Vernetzung von europäischen Gruppen und Organisationen mit dem Ziel, die Solidarität mit Kuba, insbesondere für die Erhaltung der Errungenschaften der kubanischen Revolution, wirksamer zu organisieren." Die PDS unterstützte aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Parteivorstands vom 17. Februar auch die Vorbereitung und Durchführung der XIV. Weltfestspiele der Jugend und Studenten unter der xiv. Weltfestspiele Losung "Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundin Havanna schaff vom 28. Juli bis 5. August in Havanna/Kuba. Im Gegensatz dazu hatte die AG Junge Genossinnen schon auf ihrer Bundeskonferenz in Berlin am 19. und 20. Oktober 1996 beschlossen, sich nicht an den XIV. Weltfestspielen zu beteiligen. Die AG Junge Genossinnen ist der Meinung, daß die Weltfestspiele sich in der Vergangenheit immer mehr zu einer reinen legitimatorischen Angelegenheit staatssozialistischer Systeme entwickelt hätten. Sie seien als "Jubelfeiern" zu beschreiben; man wolle sich nicht mehr vor einen solchen Karren spannen lassen. Nach seiner Rückkehr von den XIV. Weltfestspielen, an denen 12.326 Delegierte aus 132 Ländern - das sechststärkste Kontingent bildeten die 461 Delegierten aus Deutschland - teilnahmen, erklärte der Ehrenvorsitzende der PDS, Dr. Hans Modrow, in 106 Linksextremismus einem in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland' vom 15. August veröffentlichten Beitrag: "Die Weltfestspiele, schon tot geglaubt oder totgeredet, erlebten einen neuen Höhepunkt. Sie offenbarten: Unter der Asche ist noch Glut. (...) Politische Aussage, Wille zum Kampf für die Interessen der Jugend, für Frieden und Freundschaft waren nicht zu überhören. Sichtbar wurde die Suche nach neuen Ideen und Visionen für eine Zukunft, in der andere gesellschaftliche Verhältnisse herrschen als jene, die der reale KapitalisChe Guevara mus heute für die Jugend bereithält. Und Che erschien so nicht als eine als Kultfigur Kultgestalt von gestern, sondern als jemand, der für den heute notwendigen Wandel auf dieser Erde steht, wenn es um die Zukunft der Jugend, um das Leben und Überleben der Menschheit auf unserem Planeten geht." Die stellvertretende PDS-Vorsitzende Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann gratulierte der Nationalen Befreiungsbewegung Farabundo Marti (FMLN) El Salvadors zum Erfolg bei den Parlamentsund Kommunalwahlen am 16. März. Die FMLN hatte bei den Parlamentswahlen ihren Stimmenanteil von 25 % auf 34 % ausbauen können. In der ehemaligen Guerilla-Bewegung FMLN sind die "Kommunistische Partei El Salvadors" (PCS), die "Volksbefreiungskräfte" (FPL) und die "Revolutionäre Partei der Arbeiter Zentralamerikas" (PRTC) zusammengeschlossen. Der Bundeskoordinierungsrat der KPF hat in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 7. Mai eine Traueranzeige für die bei der Befreiung der Geiseln in der Residenz des japanischen Botschafters Solidarität mit in Lima ums Leben gekommenen Terroristen der "Revolutionären Terroristen in Peru Bewegung Tupac Amaru" (MRTA) veröffentlicht. Darin heißt es: " Wir trauern um die ermordeten jungen Genossinnen und Genossen der MRTA - hingerichtet von der Terror-Soldateska des peruanischen Regimes." Unterstützung für Im Rahmen der Unterstützung sogenannter Befreiungsbewegungen militante Kurden unterhalten PDS-Funktionäre und PDS-Mitglieder seit längerem Kontakte zur marxistisch-leninistischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Der PDS Landesverband Bayern bemüht sich seit Anfang 1994, das Thema "Kurdistan" in die Agitation und Propaganda einzubinden. Seit Januar 1995 übt die bayerische PDS-Bundestagsabgeordnete Eva-Maria Bulling-Schröter heftige Kritik am Verbot der PKK, dem Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen PKK-Straftäter und der Abschiebepraxis. Die Abgeordnete war Mitglied von Vereinen in Ingolstadt, die als Tarnorganisationen der PKK verboten wurden. Linksextremismus 107 PDS-Mitglieder stellten sich wiederholt als versammlungsrechtliche Anmelder von PKK-Demonstrationen und sogenannten Kulturfesten zur Verfügung oder traten als Redner auf Veranstaltungen der PKK auf. 14 Mitglieder der Abgeordnetengruppe PDS im Deutschen Bundestag - unter ihnen Eva-Maria Bulling-Schröter aus Ingolstadt und Heinrich Graf von Einsiedel aus München - unterstützten ferner eine Protestaktion gegen das Betätigungsverbot der PKK mit einer Buskampagne vom 3. bis 26. November durch 22 Städte im Bundesgebiet (vgl. auch Nummer 2.1.3 des 3. Abschnitts). Führende PDS-Funktionäre betonen die Solidarität der Partei mit dem sogenannten Befreiungskampf des kurdischen Volkes und zeigen Sympathie und Verständnis für die PKK. Die PDS lehnt zwar öffentlich die terroristischen Aktivitäten der PKK ab, unterstützt jedoch propagandistisch die strategischen Ziele, die die PKK u.a. mit ihren gewalttätigen Aktionen zu erreichen sucht, wie Aufhebung der Vereinsund Betätigungsverbote, Abschiebestopp für Kurden, Einstellung der Waffenlieferungen der Bundesrepublik Deutschland an die Türkei, Für Anerkennung Druck der Bundesregierung auf die Türkei zur Lösung des "Kurdender PKK als Verproblems", Anerkennung der PKK als Verhandlungspartner. handlungspartner 2.2.5.1 Inländische Zusammenarbeit Im Inland hält die PDS Kontakte zu fast allen anderen linksextremistischen Gruppierungen, aber auch zu gewaltbereiten Autonomen. Die vielfältigen Verbindungen der PDS zu linksextremistischen Organisationen außerhalb der Partei bis hin zu Autonomen kommen u.a. in Freundschaftsbekundungen, gemeinsamen Veranstaltungen und Demonstrationen zum Ausdruck. Art und Intensität dieses Umgangs lassen eine politisch-ideologische Verbundenheit zu diesen erkennen. Das Verhältnis der PDS zur DKP ist von kritischer Solidarität geprägt. Verhältnis zur Intensive Kontakte unterhält die PDS zur DKP vor allem auf regionaler DKP und örtlicher Ebene. I n einem im DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" vom 5. September veröffentlichten Interview äußerte der Parteivorsitzende Prof. Dr. Lothar Bisky zu einer Zusammenarbeit mit der DKP: "Die DKP und die PDS sind zwei unterschiedliche Parteien. Die PDS ist keine kommunistische Partei. Ich habe oft gesagt, daß sie nie eine antikommunistische Partei sein darf und habe mich, wenn Kommunisten in der PDS angegriffen wurden, stets schützend vor sie gestellt. Ich denke aber auch, daß sich eine linkssozialistische Partei, die in der Gesellschaft 108 Linksextremismus verändern will, die aus dem Osten kommt, aus einer ehemaligen allmächtigen Staatspartei hervorgegangen ist, an deren Tropf die DKP bis 1989 gehangen hat, eine andere Entwicklung nehmen muß als die DKP der Bundesrepublik Deutschland, die 1968 nach schweren Verbotsjahren wiedererstanden ist. Wechselseitige Beziehungen sind möglich, und es gibt sie übrigens vielerorts, nicht nur von der Kommunistischen Plattform, sondern auch von vielen Basisorganisationen und z.B. auch zwischen Heinz Stehr (DKP-Vorsitzender) und mir. Und wie sie sich entwickeln, dazu können beide Parteien beitragen. Eine Unterstützung von DKP-Genossen und -Wählern in den Wahlen zum 14. Deutschen Bundestag - ich denke an die Zweitstimme - wäre eine kluge Entscheidung der DKP. Und der Beschluß des Schweriner Parteitags der PDS, zu den nächsten Wahlen mit einer offenen Liste anzutreten, heißt eben, daß die PDS antritt und keine Parteienkoalition (bei) dieser Wahl eingehen will und eingehen kann. Ich denke, wenn das akzeptiert wird, kann es zu einer guten fruchtbaren Zusammenarbeit kommen." Zusammenarbeit Weiterhin pflegt die PDS Kontakte zum Arbeiterbund für den Wiemit anderen deraufbau der KPD (AB) und zur trotzkistischen Vereinigung für SoLinksextremisten zialistische Politik (VSP). Ein führender Funktionär der VSP (Dr. Winfried Wolf) gehört zur Abgeordnetengruppe PDS im Deutschen Bundestag. Die KPF der PDS unterhält darüber hinaus auch Kontakte zur Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD). Entsprechend dem zweideutigen Verhältnis zur Gewalt arbeitet die PDS auch mit gewaltbereiten Linksextremisten (z.B. Autonomen) zusammen. Der sich laut Tageszeitung "junge Welt" vom 4. September 1995 den Autonomen und Hausbesetzern zurechnende Frederik Over wurde am 22. Oktober 1995 für die PDS in das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Insbesondere im Rahmen der "Antifaschismus"und auch "Antimilitarismus"-Arbeit tritt die Partei als Veranstalter und Anmelder von Demonstrationen und Kundgebungen von Bündnissen auf, an denen auch Autonome beteiligt sind. Die Partei ist durch ihre Gliederungen in Vorbereitung und Planung solcher Veranstaltungen eingebunden und leistet logistische Unterstützung. 2.2.5.3 Erfurter Erklärung Aufruf"Bis hierher und nicht weiter. Verantwortung für die soziale Demoinszenierung kratie" lautet der Titel einer "Erfurter Erklärung" von Gewerkschaf- Linksextremismus 109 tern, Theologen, Wissenschaftlern und Künstlern, die am 9. Januar zeitgleich in Erfurt und Berlin vorgestellt wurde. Die 27 Erstunterzeichner des sieben Ziffern umfassenden Aufrufs - dokumentiert in der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 10. Januar - fordern einen Machtwechsel in Bonn, einen außerparlamentarischen Aufbruch, eine Abkehr von der auf "radikale Umverteilung zugunsten der Einfluß-Reichen" ausgerichteten Sozialpolitik der Bundesregierung und ein Linksbündnis für soziale Demokratie. In der Erklärung heißt es: "Die regierende Politik in unserem formal vereinten Land ist in einem Zustand von gnadenloser Ungerechtigkeit, Sozialverschleiß und fehlenden Perspektiven versunken. (...) Wir brauchen eine außerparlamentarische Bewegung. Sie muß auf die Opposition in den Parlamenten überspringen. Die Erfahrung von 1968 und der Geist von 1989 sind für 1998 aufgeruAufforderung fen, den Machtwechsel herbeizuführen. (...) Gebraucht wird eine Opposizum politischen tion, die den Wechsel mit allen Kräften will. Sie kann nur aus den bisher Wandel getrennten Oppositionskräften entstehen. Kein Nichtberührungsgebot darf sie schrecken, ... (...) Von der PDS fordern wir: Ihre Positionen zum historisch gescheiterten Sozialismusmodell weiter zu klären. Es geht nicht um Demutsgesten und den Verzicht auf antikapitalistische Strömungen. Es geht um demokratische Zuverlässigkeit bei aller Entschiedenheit, eine demokratisch-sozialistische Kraft im Spektrum der Parteien zu sein." Die "Erfurter Erklärung" ist von Funktionären der PDS und DKP begrüßt worden. In der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 11. Januar äußerte der Parteivorsitzende der PDS, Prof. Dr. Lothar Bisky, die "Erfurter Erklärung" sei so etwas wie eine Reaktion auf die Beschwörung einer Bolschewistengefahr durch die CDU. Dr. Andre Brie, Mitglied des PDS-Parteivorstands und Wahlkampfleiter, bezeichnete in einem Kommentar derselben Ausgabe der Tageszeitung "Neues Deutschland" die Ausführungen in der Erklärung als "realistisch". Der stellvertretende DKP-Vorsitzende Rolf Priemer hob im DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" vom 17. Januar hervor, die "Erfurter Erklärung" sei "ein Signal für eine andere, für eine neue Politik, deren oberstes Ziel die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit ist". Unter dem Motto "Einheit verpflichtet - sie soll dem Wohl des Volkes Versammlung dienen" fand am 3. und 4. Oktober in Erfurt eine Versammlung zur in Erfurt "Erfurter Erklärung" statt. Einem Bericht in dem DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" vom 10. Oktober zufolge verabschiedeten die rund 110 Linksextremismus 1.000 Teilnehmer einstimmig den Appell "Aus der Zuschauerdemokratie heraustreten! Mut für eine andere Politik!". In diesem Appell heißt es u.a.: " Wir wollen unsere Interessen nicht länger an die Parteien delegieren. Wir Notwendigkeit brauchen eine außerparlamentarische Bewegung. Eine Bewegung, die einer außerparladeutlich macht: Soziale Gerechtigkeit und Verantwortung für die Bewahmentarischen rung der natürlichen Lebensgrundlagen sind keine Utopien. Aber sie müsBewegung sen gewollt und erkämpft werden und zwar gegen die regierende Politik, die uns vorgaukelt, es gäbe keine Alternativen, weil überall der Sachzwang herrsche." Einem Bericht der PDS-nahen Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 8. Januar 1998 zufolge haben die "Erfurter Erklärung", die von 230 Initiativgruppen unterstützt werde, bislang bundesweit 50.000 Personen unterschrieben. 2.3 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.3.1 Ideologische Ausrichtung Bis zur Wende nahm die DKP - von der SED der DDR materiell und ideologisch abhängig - die Führung der Marxisten-Leninisten in Westdeutschland für sich in Anspruch. Seit 1990 unterstützt sie die PDS. In den auf dem 12. Parteitag am 16./17. Januar 1993 in Mannheim gegen heftige Kritik aus der oppositionellen "Hardliner-Gruppe" beschlossenen "Thesen zur programmatischen Orientierung der DKP" unterstrich die DKP ihre gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung. In der Einleitung zu den "Thesen" Bekenntnis zu heißt es, die DKP kämpfe für eine Politik, die im Sozialismus die ZuSozialismus und kunft, im Klassenkampf die zentrale Triebkraft der Geschichte und in Klassenkampf der Arbeiterklasse die entscheidende soziale Kraft für den gesellschaftlichen Fortschritt sehe. Sie stütze sich auf die materialistische Wissenschaft, die von Marx und Engels begründet und von Lenin weiterentwickelt worden sei. In einer bereits 1993 aufgelegten Broschüre "Über den dritten sozialistischen Anlauf in Europa" erläuterte ein DKP-Funktionär, die revolutionären Kräfte müßten sich auf Erfahrungen der Pariser Kommune von 1871, des "Großen Anlaufs 1917 - 1989" und auf Kenntnisse über Entwicklungen des Kapitalismus nach 1990 stützen. Eine revolutionäre Bewegung müsse letztlich die Entschlossenheit aufbringen, den bürgerlichen Staatsapparat zu Linksextrem ismus 111 zerschlagen. Als revolutionäres Instrument habe sich die Partei leniniBekenntnis zur stischer Konzeption bewährt, die bereit sei, Widerstände auch mit Gewalt Gewalt zu brechen. Zur politischen Ausrichtung erklärte - zitiert nach "DKP-Informationen" Nummer 7 vom 24. Oktober 1994 - Rolf Priemer, einer der seinerzeitigen Sprecher der DKP, auf der 8. Parteivorstandstagung: "Die Mehrheit unserer Mitglieder ist nach vielen Diskussionen über Politik und Praxis, über Thesen zur programmatischen Erneuerung und DKP-Statut zu der Erkenntnis gelangt, daß eine kommunistische Partei in Deutschland notwendig ist. Nämlich eine Partei, die festhält am sozialistischen Ziel im Sinne der im Manifest der Kommunistischen Partei von Marx und Festhalten am Engels formulierten Grundaussagen; die den grundlegenden Bruch mit Marxismus-Leniden kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen anstrebt; die sich nismus auf die moderne Arbeiterklasse als entscheidende gesellschaftsverändernde Kraft orientiert; die ihr theoretisches Fundament in der schöpferischen Anwendung und Weiterentwicklung der Theorie von Marx, Engels und Lenin für unsere heutigen Kampfbedingungen hat." Die orthodox-kommunistische DKP hat in ihrem Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) Nummer 35 vom 29. August ihre Sozialismusvorstellungen "Sozialismusin einer von der Programmkommission der Partei überarbeiteten FasVorstellungen" sung des Papiers "Sozialismus - die historische Alternative zum Kapitalismus" veröffentlicht; einen ersten Entwurf hatte das DKP-Zentralorgan UZ in seiner Ausgabe vom 3. Januar vorgestellt. Die in acht Abschnitte gegliederte Neufassung des Papiers soll in der DKP weiter diskutiert und dem 14. Parteitag im Mai 1998 zur Verabschiedung vorgelegt werden. Es soll die angebliche Notwendigkeit des Sozialismus begründen, Leistungen und Fehlentwicklungen des realen Sozia- i lismus benennen und die Wesensmerkmale des künftigen Sozialismus umreißen. Folgende Passagen sprechen für sich: "Der Kapitalismus ist Produktion nicht um des Menschen willen, sondern um des Profits willen. Nicht der Mensch beherrscht seine Produktion, sondern diese beherrscht die Gesellschaft und stellt sich in Form von Sachzwängen dar, Sachzwängen des Kapitalismus, der kapitalistischen Konkurrenz, der Profitmaximierung. (...) Ziel der Kommunistinnen und Kommunisten ist es, diese Ursache von Ausbeutung und Entfremdung, von Krieg und Hunger, von Armut und Obdachlosigkeit, von Arbeitshetze 112 Linksextremismus und Arbeitslosigkeit, von Umweltzerstörung, Diskriminierung, Rassismus, Nationalismus und Unterdrückung zu beseitigen. (...) Unverzichtbare Marxismus als weltanschauliche Grundlage für uns Kommunisten ist der Marxismus, sind unverzichtbare die wissenschaftliche Analyse und die sich daraus ergebenden PerspektiGrundlage ven. (...) Der Sozialismus führt einen grundlegenden Bruch mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise herbei, die auf die Erzielung maximalen Profits durch die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und den verschwenderischen Umgang mit den Naturressourcen gerichtet ist. (...) Um gegen die geballte Macht des Kapitals einen anderen Entwicklungsweg durchzusetzen, bedarf es umfassender Massenkämpfe. Der Beginn des sozialistischen Weges ist nicht als Putsch denkbar, sondern nur als Ergebnis des Handelns von Millionen - also als Ausdruck tiefer Demokratie. (...) Die DKP will dazu beitragen, daß immer größere Teile des arbeitenden Volkes sowie der durch Arbeitslosigkeit Ausgegrenzten, der Lernenden und Studierenden zur Erkenntnis der Notwendigkeit des Sozialismus und des Kampfes um seine Durchsetzung gelangen. (...) Das hauptsächliche Hindernis für den gesellschaftlichen Fortschritt stellt die ökonomische und politische Macht der Monopolbourgeoisie dar. Die Zurückdrängung und Notwendigkeit schließliche Überwindung der Herrschaft dieses mächtigsten Teils der einer "SystemBourgeoisie ist deshalb die entscheidende Voraussetzung für die Öffnung Überwindung" des Weges zum Sozialismus. (...) Im gemeinsamen Handeln für punktuelle Ziele können sich die Kräfte für weitergehende Bündnisse formieren, die auf grundlegende gesellschaftliche Veränderungen gerichtet sind. Die DKP hält es für möglich und erstrebenswert, daß im Ergebnis des antimonopolistischen Kampfes grundlegende antimonopolistisch-demokratische Umgestaltungen durchgesetzt werden können, die den Weg zum Sozialismus frei machen." E* WE" ^ Die "Sozialismusvorstellungen" haben kein Abrücken der DKP von ihren linksextremistischen Ansichten gebracht. Ebenso wie die PDS betont die DKP angebliche Leistungen des realen Sozialismus, stellt aber als Erklärung für dessen i Scheitern nicht so sehr innere Ursachen als viel- l mehr die "Konterrevolution" heraus. Die Vor- K A N N Sjsrsss- \ Stellungen der DKP im Abschnitt "Der Weg 1 \ zum Sozialismus" über Etappenziele und ?EBEN'"antimonopolistische" Bündnisse entsprechen klassischen kommunistischen Konzeptionen, wie sie seit den 30er Jahren entwickelt wurden. Linksextremismus 113 In einem im DKP-Zentralorgan UZ vom 7. Februar veröffentlichten InVerhälnis zur PDS terview mit dem DKP-Vorsitzenden Heinz Stehr äußerte sich dieser nach dem Parteitag der PDS zum Verhältnis PDS/DKP wie folgt: "Es wird geschätzt, daß sich 60 % der PDS-Mitglieder als Kommunistinnen und Kommunisten betrachten. (...) Allerdings ist die PDS in ihrer Abgrenzung gegen die DKP nun einen Schritt weitergegangen. Auf ihren offenen Wahllisten können DKP-Mitglieder nicht mehr kandidieren. Das wirft Fragen für unser eigenständiges Eingreifen in den Bundestagswahlkampf 1998 auf, mit dem wir, was in unseren Kräften steht, beitragen wollen und müssen, die Ära Kohl und die ganze sozialreaktionäre Kahlschlagspolitik zu beenden." Die in Deutschland tätigen kommunistischen Parteien Spaniens, PorGemeinsame tugals, Italiens, Griechenlands, Chiles, Kurdistans, der Türkei und des Erklärung SBiä Iran haben sich nach Angaben des DKP-Zentralorgans UZ *"-a C ä i i _ vom 28. Februar auf eine "Gemeinsame Erklärung" verständigt. Die Hauptforderungen, für deren Durchsetzung "gemeinsam mit allen anderen demokratischen, fortschrittlichen und linken Kräften in Deutschland" der Kampf stofrm geführt werden soll, sind in zwölf Punkten zusammengefaßt. Die die Erklärung unterstützenden Parteien fordern danach insbesondere das Verbot und die Auflösung ff,MPl/C"K*' T! aller neonazistischen und rassistischen Organisationen, die Aufhebung des KPD-Verbots und die Einstellung aller politischen Ermittlungsund Strafverfahren gegen ehemalige Funktionsträger der DDR. Auf der 6. Tagung des Parteivorstands der DKP am 7. und 8. Juni in Essen wurde über das Eingreifen der Kommunistinnen und Kommunisten in die Debatte um den Euro diskutiert. Im Beschluß zur Europapolitik heißt es: Euro-Debatte "Als internationalistische Partei tritt die DKP für ein vereinigtes Europa ein. Dieses Europa muß solidarisch, demokratisch, sozial und friedlich sein. Deshalb leistet die DKP Widerstand gegen eine Politik, die das Europa der Konzerne und Banken festigt, eine Festung Europa errichtet und auf ein Europa unter Hegemonie des deutschen Imperialismus hinausläuft." Als Alternative zum Maastricht-Europa fordert die DKP eine Volksabstimmung über die Teilnahme der Bundesrepublik an der Europäischen Währungsunion und die Ergebnisse der Regierungskonferenz in Amsterdam. 114 Linksextremismus Positionspapier Auf der 7. Tagung des Parteivorstands der DKP am 20. und 21. Sepzur Bundestagstember in Essen wurde das im DKP-Zentralorgan UZ vom 26. Sepwahl 1998 tember abgedruckte Positionspapier "Die DKP und die Bundestagswahl 1998" verabschiedet, das in der Partei weiter diskutiert und auf der Parteivorstandstagung Anfang 1998 beschlossen werden soll. In dem Positionspapier wird die Bedeutung des außerparlamentarischen Kampfes hervorgehoben. Auch in Deutschland gebe es eine wachsende Bereitschaft zum Widerstand. Er sei jedoch noch unzureichend und noch zu wenig vernetzt. Für Veränderungen genüge es nicht, daß die Herrschenden für alle wesentlichen Veränderungen keine Antworten hätten. Veränderungen gebe es nur, wenn die Betroffenen selbst handeln und es zu einem gesellschaftlichen Aufbruch aller Fortschrittskräfte komme. Ein Ausdruck dieser Entwicklung sei die von der DKP unterstützte "Erfurter Erklärung" (vgl. auch Nummer 2.2.5.3 dieses Abschnitts), die ein "wichtiges Signal zur Bündelung aller Kräfte gegen Rechts" darstelle. Es sei richtig, auch im Jahr der Bundestagswahl über den Sozialismus zu reden; ein revolutionärer Bruch mit dem Kapitalismus sei notwendig. Zu bündnispolitischen Überlegungen wird in dem Papier ausgeführt, daß die Politik der PDS nicht frei von Widersprüchen sei. Gleichwohl werde die DKP dazu aufrufen, mit der Zweitstimme PDS zu wählen, ohne eine Wählerinitiative der PDS zu werden. Zudem wolle die DKP einen eigenständigen Wahlkampf mit eigenen Aussagen, Aktionen und Kandidaten führen. Mitglieder der DKP seien bereit, auf offenen Listen der PDS zu kandidieren oder sich in Absprache mit örtlichen Gliederungen der PDS als Direktkandidaten für die PDS zu bewerben. Offensichtlich hofft die DKP, daß einzelne Landesverbände der PDS sich nicht an den Schweriner Parteitagsbeschluß halten werden, wonach Mitglieder anderer Parteien nicht auf PDS-Listen kandidieren dürfen. 2.3.2 Organisation OrganisationsDie DKP ist eine bundesweit organisierte Partei mit Sitz in Essen. Sie strukturen ist in 13 Bezirksorganisationen - zwölf in den westlichen Bundesländern und eine in Berlin, die die Mitglieder in den fünf neuen Ländern betreut - gegliedert, die in 109 Kreisund in 205 Grundorganisationen unterteilt sind. Die Zahl der Mitglieder liegt derzeit bei 6.200, davon etwa 300 in Ostdeutschland. Die DKP ist damit in Westdeutschland weit stärker vertreten als die PDS. Eine Verbesserung der Alters- Linksextremismus 115 struktur wurde nicht erreicht; nach wie vor sind mehr als zwei Drittel der Parteimitglieder älter als 60 Jahre. In Bayern bestehen zwei Bezirksorganisationen (Nordund SüdKonstante bayern) und zehn Kreisverbände sowie zwei Betriebsgruppen. Die Mitgliederzahl Mitgliederzahl in Bayern stagnierte bei rund 600. Die DKP wird überin Bayern wiegend von Altkommunisten repräsentiert. Vorsitzender der DKP ist seit der Neuwahl des Parteivorstands anläßParteivorstand lieh des 13. Parteitags am 3. und 4. Februar 1996 in Dortmund Heinz Stehr; zu seinen Stellvertretern wurden Rolf Priemer und Bruni Steiniger gewählt. Dem Parteivorstand gehören weitere 16 weibliche und 18 männliche Funktionäre an, unter ihnen Justine Wazansky-Krack aus Nürnberg und Leo Mayer aus München. Die DKP hat weiterhin Schwierigkeiten mit der Finanzierung der ParParteifinanzen teiarbeit. Das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) erscheint aber trotz erheblicher Finanzierungsprobleme weiterhin wöchentlich. 2.3.4 Teilnahme an Wahlen Bei den hessischen Kommunalwahlen am 2. März trat die DKP mit Kommunalwahlen eigenen Listen in Mörfelden-Walldorf, Neuberg und Reinheim an. in Hessen Erstmals seit 1989 stellte die DKP Listen in Darmstadt und Gießen auf. Daneben kandidierten DKP-Mitglieder vereinzelt auf Bündnislisten. Die DKP verlor fast überall an Stimmen; sie erhielt landesweit nur noch 1.648 Stimmen (= 0,1 %). Sie erzielte jedoch in Neuberg 5,3 %, in Reinheim 6,1 % und in ihrer traditionellen Hochburg Mörfelden-Walldorf 10,2 % der Stimmen. 2 3 4 Umfeld der DKP Am 15. März beging die Vereinigung der Verfolgten des Nazi50. Jahrestag der regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Gründung der in Frankfurt am Main mit einem Festakt den Jahrestag ihrer GrünVVN-BdA düng vor 50 Jahren. Zu der Veranstaltung unter dem Motto "Antifaschismus - Tradition und Zukunftsentwurf" erschienen rund 400 Personen, darunter 80 Angehörige der VVN-Gründergeneration. Der Ehrenpräsident des ostdeutschen Partnerverbands, des Interessenverbands ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstandskampf, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener e.V. (IVVdN), 116 Linksextremismus Kurt Julius Goldstein, sprach zum Thema "Gemeinsame Wurzeln - Perspektiven für den Antifaschismus". Er rief zur Schaffung einer einheitlichen antifaschistischen Organisation in ganz Deutschland auf. Der Historiker Dr. Ulrich \ Schneider (früher DKP), einer von acht Bundessprechern der VVN-BdA, erklärte einem Bericht des DKP-Zentralorgans "Unsere Zeit" (UZ) vom 2 1 . März zufolge, 50 Jahre VVN bedeuteten 50 Jahre Kampf gegen alte und neue Nazis, für demokratische Rechte, für Frieden und Entspannungspolitik. Das DKP-Zentralorgan UZ vom 4. April dokumentiert einen während des Festaktes verabschiedeten "Appell an die Jugend". In dem Papier heißt es: "Das Bedeutsamste und Kostbarste aus deutscher Geschichte ist und bleibt der antifaschistische Widerstand. (...) Nach der Befreiung war es für uns, die Überlebenden, unvorstellbar, daß fast nichts von unseren Visionen und Hoffnungen in Erfüllung gehen würde. Unfaßbar für uns, wie reibungslos sich der Übergang vom Nazireich in die Bundesrepublik vollzog." Der vom Bundesausschuß der VVN-BdA herausgegebenen Zeitschrift "antifa-rundschau" Nummer 32 vom Oktober zufolge befinden sich der IVVdN und der ebenfalls ostdeutsche Bund der Antifaschisten Beabsichtigte (BDA) auf dem Wege zum Zusammenschluß. Einerseits sollen damit Vereinigung die Kräfte gebündelt werden, andererseits gehe es nicht zuletzt auch darum, den IVVdN, dessen Mitglieder ein hohes Alter aufweisen, mit jungen Kräften zu verbinden. Dies sei "gewissermaßen eine Öffnung des IVVdN für die nachfolgenden Generationen; ein Schritt, den die VVN in der alten Bundesrepublik bereits 1971 vollzogen hat". Im Mai 1998 solle es deshalb eine gemeinsame Delegiertenkonferenz von IVVdN und BDA geben. In dem von Peter-Christian Walther - einem weiteren Bundessprecher der VVN-BdA - verfaßten Bericht heißt es weiter: "Gemeinsam sind uns die antifaschistischen Absichten und Ziele. Deshalb verstehen große Mehrheiten in allen drei Organisationen den jetzt beabsichtigten Zusammenschluß von IVVdN und BDA als ersten Schritt, dem zu gegebener Zeit als zweiter Schritt der Zusammenschluß von VVN-BdA mit dem vereinigten IVVdN-BDA folgen sollte." Linksextremismus 117 Die VVN-BdA setzt sich seit Mitte des Jahres in einer bundesweiten Gegen Aktion gegen die Erwähnung der Organisation in den VerfassungsErwähnung im schutzberichten zur Wehr. Peter-Christian Walther aus dem Bundesverfassungssprecherkreis der VVN-BdA führte dazu in f ^ -- schutzbericht l^^fe einem in der Zeitschrift "antifa-rundschau" Nummer 31 vom Juli abgedruckten Beitrag "Gegen ,amtliche' Diffamierung - Wir stehen auf dem Boden der Verfassung - Wer "1/ Antifaschisten verleumdet, arbeitet dem Neofaschismus in die Hände" aus: "Wir sind nicht gewillt, es länger hinzunehmen, daß entschiedenes und konsequentes Auftreten gegen Neofaschismus als etwas Verfassungsfeindliches hingestellt und diffamiert wird. Antifaschismus ist ein konstiKommunistische tutives Element dieser Republik. Es darf nicht länger zugelassen werden, Sicht des AntiAntifaschismus von beamteten Verfassungsschützern, politischen Scharffaschismus machern oder Nachschreiberlingen als etwas Verfassungsfeindliches diffamieren und kriminalisieren zu lassen. Jede antifaschistische Tätigkeit ist eine aktive Verteidigung und Sicherung der Demokratie und der Freiheitsund Menschenrechte. Deshalb sind wir Antifaschisten die wirklichen Verteidiger und Schützer der Verfassung. Wer dagegen Antifaschismus zu diffamieren und gar zu kriminalisieren versucht, arbeitet dem Neofaschismus in die Hände." Dieser Forderung steht entgegen, daß die VVN-BdA auch nach Auffassung des Bundesministeriums des Innern die zahlenmäßig stärkste Organisation im Spektrum des linksextremistischen Antifaschismus ist. In der VVN-BdA wirken unterschiedliche linke Kräfte zusammen, wobei jedoch nach wie vor aktive und ehemalige Mitglieder der DKP politisch tonangebend sind. Auch in der VVN-BdA Bayern ist auf Landeswie auch auf Kreisebene der Einfluß von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, aus der PDS und aus der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), maßgeblich. In ihrem öffentlichen Auftreten wirkt sich diese Dominanz dahingehend aus, daß die VVN-BdA eine Vielzahl von linksextremistisch beeinflußten Aktionen unterstützt. 2.4 Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die MLPD wurde 1982 in Bochum als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in der BRD und Westberlin" gegründet. Sie fordert in ihrem Programm den revolutionären "Sturz der Herrschaft der Monopolkapitalisten" und die "Einführung der sozialistischen Gesell- 118 Linksextremismus Diktatur des Schaftsordnung" unter einer "Diktatur des Proletariats". Die Partei Proletariats bekennt sich zu den Lehren von Marx, Lenin und Mao Tse-tung. In ihrem Zentralorgan "Rote Fahne" führt sie in ihren ständigen "Informationen für neue Leserinnen und Leser" unter anderem aus: "Die MLPD wendet den Marxismus-Leninismus und die Maotsetungideen schöpferisch auf die heutige Situation an." Die Partei hat vor allem im westund südwestdeutschen Raum Mitglieder. Sie sind in Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirken organisiert, die einer "zentralen Leitung" mit Sitz in Essen unterstehen. Die MLPD zählt bundesweit rund 2.500 Mitglieder, davon etwa 140 in Bayern. Nebenorganisation der Partei ist der Jugendverband REBELL. Von der MLPD beeinflußt ist der Frauenverband Courage. Als Vorfeldorganisationen bestehen seit Februar 1996 die in Kassel gegründete Solidarität International (Sl) sowie der am 2 1 . September 1996 in Gelsenkirchen gegründete Verein Deutsch-Philippinische Freunde. Mit diesen Vorfeldorganisationen sollen gleichgesinnte befreundete Gruppen in anderen Ländern bis hin zum bewaffneten Kampf unterstützt werden. Isolierung Die MLPD ist aufgrund ihrer sektiererischen Haltung im gesamten linksextremistischen Lagerweiterhin isoliert. Von anderen linksextremistischen Parteien grenzt sie sich durch scharfe kritische Äußerungen ab. StrukturTätigkeitsschwerpunkte der MLPD waren 1997 die interne Änderung veränderung der Organisationsstruktur sowie die "Selbstveränderung" der Partei. Die Partei löste den gesamten Organisationsund Kaderbereich als selbständige Einheit auf. Daneben verjüngte und veränderte sie den Funktionärskader in seiner Zusammensetzung. Erst nach Abschluß dieser Reorganisierung will die Partei im Februar 1998 entscheiden, auf welche Weise sie sich an der Bundestagswahl beteiligen wird. Anfang November 1997 führte die MLPD als erste größere Aktion bundesweit eine Sammelaktion zugunsten der im Kongo erscheinenden Zeitung "Nyota ya Afrika", durch. Diese Publikation wird von der Partei "Congres des Progressites pour la Liberation" (CPL) herausgegeben; sie war maßgeblich am Sturz des Mobutu-Regimes beteiligt. 2.5 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Zusammenschluß Mehrere örtlich tätige maoistisch orientierte Arbeiterbasisgruppen von Basisgruppen schlossen sich 1973 zum AB zusammen. Dieser beruft sich in seinen programmatischen Aussagen auf den Marxismus-Leninismus und die Ideen Stalins sowie Mao Tse-tungs. Sein Ziel ist die Beseitigung der Linksextremismus 119 "herrschenden Ausbeuterklasse" und die "Errichtung einer Diktatur des Proletariats", um den Kommunismus in einer "klassenlosen Gesellschaft" zu verwirklichen. Der AB bekennt offen, daß dies nur mit Gewalt zu erreichen sei, da die "herrschende Klasse" nicht freiwillig auf ihre Macht verzichte. Der AB ist vorwiegend in Bayern tätig. Es bestehen Gruppen in Augsburg, München, Nürnberg und Regensburg. "Freundeskreise" in München, Nürnberg und Regensburg sollen den AB finanziell unterstützen. In weiteren Städten des Bundesgebiets verfügt der AB über Ortsgruppen bzw. Stützpunkte. Die Gesamtmitgliederzahl blieb konstant """KW" -**** bei etwa 200, davon rund 100 in Bayern. Der AB ist in zwei Flügel gespalten. Der größere, die Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung (Gruppe KAZ) steht der DKP, der kleinere Flügel der PDS nahe. Der Großteil der Mitglieder der Gruppe KAZ hat sich 1997 in Form einer Doppelmitgliedschaft der DKP angeschlossen. Zu einem kollektiven Übertritt zur DKP und Auflösung des KAZ-Flügels konnten sich die Mitglieder jedoch nicht durchringen. Beide Flügel sehen sich in der Tradition des AB, zeigten aber nur geringe Aktivitäten. 2.6 Marxistische Gruppe (MG) Die Marxistische Gruppe, 1969/1970 aus der Gruppierung "Rote Zellen" hervorgegangen, hatte am 21. Mai 1991 ihre "Auflösung" erklärt. Sie blieb jedoch mit etwa 10.000 fest an die Gruppe gebundenen Mitgliedern und stabilen organisatorischen Strukturen eine der Stabile Strukture größten linksextremistischen Organisationen in Deutschland. Über die MG wurde zuletzt im Verfassungsschutzbericht Bayern für 1992 berichtet. Seither trat die MG nicht mit öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten in Erscheinung. Diese Zurückhaltung hat sie inzwischen zumindest zum Teil aufgegeben. Bereits Anfang 1992 veröffentlichten führende MG-Funktionäre die "Politische Vierteljahreszeitschrift .GEGENSTANDPUNKT'". Die Auflage beträgt seither etwa 7.000 Exemplare. Später begannen in München 120 Linksextremismus Regelmäßige und Nürnberg die regelmäßigen, in der Tradition früherer "teach-ins" Veranstaltungen stehende "Jour-fixe" bzw. "GEGENSTANDPUNKT"-Diskussionsveranstaltungen, ohne jedoch die frühere Gruppenbezeichnung MG zu verwenden. Diese Veranstaltungen werden jeweils von rund 250 Personen GEGEN.^^7 K ^ l * * * * - ' " besucht. Behandelt wurden unter anderem die Themen: Euro, Goldreserven, Weltwirtschaft und Börse. In vergangenen Jahr trat die MG erstmals wieder mit Flugblattverteilungen öffentlich in Erscheinung. Damit warb sie unter anderem für eine erstmals seit Jahren wieder in der Universität München durchgeführte Diskussionsveranstaltung. Ziel dieser Werbemaßnahmen ist Gewinnung neuer neben der Werbung von Veranstaltungsteilnehmern auch die GewinAnhänger nung neuer Anhänger. Derzeit hat die MG in Bayern etwa 4.200 Angehörige, von denen etwa 700 aktiv tätig sind. 3. Münchner Bündnis gegen Rassismus Linksextrem!An dem linksextremistisch beeinflußten Münchner Bündnis gegen stischer Einfluß Rassismus beteiligen sich neben demokratischen Gruppierungen die linksextremistisch beeinflußte VVN-BdA, marxistisch-leninistische Organisationen wie DKP, AB, Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) und die trotzkistische Sozialistische Arbeitergruppe (SAG). Die Leitung bei Treffen und Veranstaltungen oblag jeweils Aktivisten der linksextremistischen Gruppierungen. Diese zeichneten auch für Flugblätter des Bündnisses presserechtlich verantwortlich. Das Bündnis fungierte als Träger für eine Vielzahl von Aktivitäten, zu denen kleinere Gruppen alleine nicht in der Lage waren. So war das Münchner Bündnis gegen Rassismus Hauptinitiator der Aktionen gegen eine geplante Demonstration der NPD/JN am Veranstaltung 8. November in München. Trotz des Verbots des Aufzugs der NPD/JN gegen JN und der Gegendemonstration mobilisierte ein "Aktionsbündnis gegen den Nazi-Aufmarsch am 8. November 97". Dieses Aktionsbündnis und sein Unterstützerkreis bestanden aus bis zu 60 Gruppierungen und rund 20 Einzelpersonen. Organisatoren waren unter anderem das Münchner Bündnis gegen Rassismus, die Autonomen, die VVN-BdA, die DKP und die PDS. Obwohl der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das von der Landeshauptstadt München ausgesprochene Verbot für beide Versammlungen in zweiter Instanz bestätigt hatte, versammelten sich am 8. November in München ca. 100 Personen zu einer verbotenen Ersatzveranstaltung. Die Polizei unterband die weiteren Linksextremismus 121 Aktivitäten und leitete gegen den Leiter dieser Versammlung, einen Aktivisten des Münchner Bündnisses gegen Rassismus, ein Strafverfahren wegen Leitens einer verbotenen Versammlung ein. 4. Autonome 4.1 Überblick Die Gewaltbereitschaft der Autonomen hielt auch 1997 unverminUnverminderte dert an und hat einen wesentlichen Anteil an der Bedrohung der InGewaltbereitneren Sicherheit in Deutschland durch Extremisten. Autonomen sind schaft über 80% der linksextremistisch motivierten Gewalttaten zuzurechnen. Die ersten autonomen Gruppen entstanden Ende der 70er Jahre. Ihr Tätigkeitsfeld beschränkte sich seinerzeit im wesentlichen auf den Bereich der Antikernkraftbewegung. Inzwischen sind autonome Gruppen in allen Themenbereichen linksextremistischer Agitation tätig, vor allem in der Antifa-Bewegung. Mit der Ausweitung der Aktivitäten konnten sie ihren Einfluß ausbauen und stetig neue Anhänger für ihre diffusen Vorstellungen gewinnen. Sie stellen eine der bedeutendsten Strömungen des Linksextremismus in Deutschland dar. Durch geschickte Agitation versuchen Autonome, auch demokratiMobilisierung sehe Protestbewegungen für ihren Kampf gegen den Staat zu mobiüber Agitationslisieren. Auch für bayerische Autonome hat das Thema "Antikemthemen kraft", bundesweit ein Hauptaktionsfeld der Autonomen, mit dem Neubau des Forschungsreaktors für die Technische Universität in Garching und den Castor-Transporten aus den Kernkraftwerken Gundremmingen und Grafenrheinfeld weiterhin Bedeutung. "Antifaschismus", worunter Autonome auch den Angriff auf die demokratische Ordnung der Bundesrepublik Deutschland verstehen, bildet für bayerische Autonome aber nach wie vor das Hauptbetätigungsfeld. 4.2 Ideologische Ausrichtung und Agitationsschwerpunkte Autonome haben kein einheitliches ideologisches Konzept. Sie folgen unklaren anarchistischen und anarchokommunistischen Vorstellungen. Wesentliches Element ist die unbeschränkte Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, um frei von "Lohnarbeit", sozialen Zwängen und Rücksichtnahmen, eben "autonom" zu leben. Im Gegensatz zu anderen linksextremistischen Gruppierungen ist Autonomen ein ausformuliertes Programm oder verbindliches Statut fremd. Die losen, 122 Linksextremismus überwiegend kurzlebigen Gruppen bilden sich meist über Aktionsthemen. Feste Bindungen an die Gruppen werden schon aufgrund der negativen Grundeinstellung gegenüber jeglichen hierarchischen Strukturen abgelehnt. Einig sind sich die Autonomen in der kategorischen Ablehnung von Staat und Gesellschaft. Ihr Ziel ist die Abschaffung des Staats und seiner Institutionen, um an seiner Stelle eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" zu errichten, von der indessen nieOrundgefühl von mand weiß, wie sie im einzelnen aussehen soll. Vielen Anhängern AntiStaatlichkeit genügt auch das Grundgefühl von "AntiStaatlichkeit". Die Münchner Gruppierung "Zusammen kämpfen" setzte ihre verfassungsfeindliche Agitation fort. Nach dem ausgeprägten antikapitalistischen Grundverständnis dieser Gruppe versteht sie die staatliche und gesellschaftliche Ordnung Deutschlands als "Klassengesellschaft", in der ein "gnadenloser Klassenkampf von oben" gegen die "proletarische Klasse" betrieben werde. Dieser Sichtweise folgend propagiert "Zusammen kämpfen" in einem Grundsatzpapier, abgedruckt in der autonomen Publikation "INTERIM" Nummer 429 vom 7. August, die Beseitigung der bestehenden gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung in Deutschland. An ihre Stelle treten soll eine Klassenlose klassenlose, kommunistische Gesellschaftsform, aufgebaut nach dem Kommunistische Räteprinzip. Um dieses Ziel zu erreichen, forderte "Zusammen kämpfen" Gesellschaft den Aufbau einer breiten revolutionären Bewegung, die einen gemeinsamen antikapitalistischen und antistaatlichen Kampf führen müsse. Agitationsschwerpunkt der Gruppe "Zusammen kämpfen" ist der Bereich "Sozialabbau", da hiervon breite Bevölkerungsschichten betroffen seien. Die Gruppe versucht damit, wie von Linksextremisten bereits in der Vergangenheit häufig praktiziert, auf demokratische und friedliche Protestaktionen einzuwirken und diese für ihre extremistischen Ziele zu nutzen: "Die spontan auftretenden massenhaften und militanten Streiks der proletarischen Klasse (Arbeiter, Arbeitslose, Studenten, ...) aufgreifen und ausweiten bis hin zum politischen Massenstreik gegen den Sozialraub der Rätesystem Bundesregierung und die Angriffe der Unternehmer! (...) In von uns gewählten Räten in Betrieb, Schule, Stadtteil, ... mit selbstorganisierten Streiks, Straßenrevolten ... zur Enteignung von Konzernen und Banken! Eine internationale Front gegen ein Europa des Kapitals aufbauen!" (Flugblatt zur " 1 . Mai-Demo 1997" in München). Hauptthema Eine wesentliche Rolle nimmt für Autonome das Thema AntifaschisAntifaschismus mus ein. Darunter verstehen sie nicht nur den unmittelbaren Kampf Linksextremismus 123 gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern auch den Kampf gegen die Bundesrepublik Deutschland. Diese stehe in direkter Kontinuität zum Dritten Reich und verfolge selbst "faschistische, rassistische und imperialistische" Ziele. Mit ihren Aktionen soll der Staat selbst als "faschistisch" vorgeführt werden. Aktionsthemen hierfür sind unter anderem "Rassismus", "Kapitalis mus" und soziale Probleme. In einem Faltblatt "Demonstration gegen die faschistische DVU am 27.09.1997" der Antifaschistischen Jugenfront Passau (AJF Passau) heißt es unter dem Slogan: "Kampf dem Faschismus! - Kampf dem Kapital - Zusammen kämpfen!" unter anderem: "Der einzig wirksame Weg, den Faschistinnen das Wasser abzudrehen, bleibt für die Linke folglich, selbst wieder brauchbare Alternativen zum kapitalistischen System zu erarbeiten. Wir dürfen den Nazis Themen wie Sozialabbau und ähnliches nicht überlassen ..." Ein Schwerpunkt der "Antifa-Aktivitäten" der Autonomen richtet sich - wie im Vorjahr - gegen die rechtsextremistische Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) der NPD. Die Autonomen versuchen, ihren verfassungsfeindlichen Zielen durch Instrumentalisiedie Instrumentalisierung bürgerlicher Protestbewegungen näherzurung bürgerlicher kommen. Dies wird deutlich am Beispiel der Antikernkraftbewegung. ProtestbeweNur gleichberechtigte Zusammenarbeit innerhalb der einzelnen Begungen wegungen des "atomaren Widerstands" führe zu dem Ziel, die derzeitigen politischen Verhältnisse grundlegend zu ändern. Dabei stelle sich die Frage: "Inwiefern ist es möglich, den sich organisierenden Kämpfen eine gesamtpolitische, radikale Ausrichtung zu geben? Eine Richtung, die Bedingung nicht nur für das Ende der Atomtechnologie, sondern der Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise und der Ausbeutung der Menschen und der Natur sein könnte?" Einerseits stellten Bürgerinitiativen - als Teil dieses "atomaren Widerstands" - relativ spontane Zusammenschlüsse dar, allerdings entstanden aus direkter persönlicher Betroffenheit und nicht aus der Analyse politischer Verhältnisse: "So bekämpfen sie die augenfälligsten Symptome des Kapitalismus, jedoch nicht die Bedingungen, die sie erst ermöglichen." 124 Linksextremismus Andererseits seien auch die Kämpfe der Autonomen gegen die Kernenergie oftmals ohne klare politische Ausrichtung und würden lediglich den militanten Arm einer auf Ausstieg aus der Kernkraft gerichteten Bewegung darstellen. Kampf gegen den Tatsächlich komme es darauf an, dieser "unreformierbaren StaatsStaat form in ihrer Gesamtheit" entgegenzutreten und Kämpfe gegen Ausbeutung aus allen verschiedenen Bereichen zusammenzuführen: "Das bedeutet aufzuzeigen, daß soziale, feministische, ökologische un antifaschistische Bewegungen nicht unabhängig voneinander stehen." Weitere Themen waren Solidaritätsaktionen zugunsten der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und anderer türkischer Gruppen, Sanierungsmaßnahmen in Großstädten, insbesondere in Berlin, und die Agitation gegen Sparmaßnahmen der Bundesregierung. Anwendung von Die Bejahung von Gewalt zur Durchsetzung von Zielen ist unumstritGewalt tener Bestandteil autonomen Selbstverständnisses. Ihre Gewalttaten versuchen sie, als "Gegengewalt" gegen staatliche Maßnahmen und Regelungen zu rechtfertigen. Auch Gewalt gegen Personen wird von Autonomen entgegen früherer Praxis inzwischen insbesondere bei Aktionen gegen politische Gegner als geeignetes Mittel angesehen und angewendet. Auch die Formierung von "Schwarzen Blöcken" bei Demonstrationen ist in diesem Zusammenhang einzuordnen als Symbol für "militanten Antifaschismus" und eine "Politik, die das Gewaltmonopol des Staats nicht anerkennt". Gezielte Gewaltakte der Autonomen, im Szenejargon auch als "klandestine Vorbereitung der Aktionen" bezeichnet, erfolgen äußerst konspirativ. Sie werden Gewalttaten durch Ausspähung der Zielpersonen und Objekte vorbereitet. Hierzu sind in der Szene Anleitungen, z.B. "Tips und Tricks zur Vermeidung von Spuren", im Umlauf. Die polizeilichen Ermittlungen gestalten sich deshalb häufig sehr schwierig. 4.3 Autonome Strukturen 4.3.1 Autonome in Bayern Schwerpunkte in Örtliche Brennpunkte der Autonomen in Bayern waren auch im Jahr Bayern 1997 Nürnberg, München und Passau. Die Passauer Autonomen traten wie im Vorjahr im wesentlichen mit publizistischen und versammlungsrechtlichen Aktivitäten sowie Sachbeschädigungen durch Linksextremismus 125 massive Schmieraktionen in Erscheinung. Die in den Vorjahren festgestellte besonders hohe Gewaltbereitschaft der Passauer Gruppen blieb unverändert und manifestierte sich insbesondere durch die Einbindung in die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO). Die Bedeutung des "Künstlerhauses", vormals Kommunikationszentrum (KOMM) als zentrale Anlaufund Kontaktstelle der Autonomen in Nürnberg ging zurück. Den Schlußpunkt setzte die Kündigung der Mietverträge durch die Stadt Nürnberg zum Ende des Jahres. Die künftige Nutzung soll unter unmittelbarem Hausrecht der Stadt Nürnberg erfolgen. Damit wird die Bedeutung des KOMM für linksextremistische Agitation nachlassen. Zuletzt verübten Autonome in Nürnberg am 20. Dezember im Zusammenhang mit massiven Ausschreitungen einen Brandanschlag. Den Autonomen in Nürnberg scheint es zu gelingen, ihre ideologische und organisatorische Tätigkeit an anderen Orten fortzusetzen. Agitationsschwerpunkt für die Münchner Autonomen war das Thema Antifaschismus. Den Schwerpunkt bildeten die zum Teil unfriedlichen Versammlungen gegen die Wehrmachtsausstellung am 1. März und gegen die JN am 16. August. Daneben bestehen autonome Gruppen in den Bereichen Aschaffenburg, Augsburg, Bamberg, Coburg, Erlangen, Fürth, Ingolstadt, Regensburg, Rosenheim und Würzburg. Auch aus anderen Städten wurden Aktivitäten bekannt, die als Indiz für das Vorhandensein autonomer Strukturen gewertet werden müssen. Insgesamt gehören autonomen Strukturen in Bayern rund 500 Perso500 Autonome in nen an. Obwohl die Anhängerzahl sich nicht erhöht hat, ist die Bayern Motivation der Autonomen gestiegen. Dies zeigt sich unter anderem an der durchwegs zunehmenden Beteiligung Autonomer an Großveranstaltungen, einer gesteigerten Aggressivität der Versammlungsteilnehmer und nicht zuletzt an den deutlich gestiegenen Zahlen der in Bayern verübten Gewalttaten. Das öffentliche Erscheinungsbild Autonomer hat sich verändert. Viele versuchen, vom Image des in schwarzer Kluft herumlaufenden, vermummten und mit einer Zwille bewaffneten "Revolutionärs" wegzukommen. Durch ein unauffälligeres Erscheinungsbild will man bündnisfähiger werden. Die oft kurzlebigen, meist aus konkretem Anlaß gegründeten Gruppierungen tragen Namen wie Rote Antifa Nürnberg, Zusammen kämpfen, Antifaschistische Jugendfront und Antifaschistische Aktion. 126 Linksextremismus Die frühere grundsätzliche Ablehnung von Organisationsformen und verbindlichen Strukturen haben die Autonomen teilweise aufgegeben. 4.3.2 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) Die AA/BO ist einer der wenigen erfolgreichen Versuche, im autonomen Bereich dauerhafte Organisationsstrukturen zu schaffen. Sie hat wesentliche Bedeutung für die gewaltbereite autonome antifaschistische Szene und ist eine Art Dach für gewaltorientierte Gruppierungen zur Verankerung und Verbreiterung des Widerstands. Der AA/BO gehören Gruppierungen aus etwa zehn Städten im gesamten Bundesgebiet an. Eine zentrale Rolle in dieser Organisation nimmt die militante Autonome Antifa (M), Göttingen, ein. Daneben haben in der AA/BO auch Wichtige Rolle die Antifaschistische Aktion Passau (AA Passau) und die Antifaschistider AA Passau sche Aktion Berlin (AA Berlin) erhebliche Bedeutung erlangt. In Bayern ist außerdem die Rote Antifa Nürnberg (RAN) aktiv. Die linksextremistische Zielsetzung der AA/BO zeigt sich unter anderem an der von ihr propagierten These, daß sich der Antifaschismuskampf gegen die Grundpfeiler der bürgerlichen Herrschaft richten müsse. Die Parole lautet "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System". Durch die Zugehörigkeit der AA Passau und RAN zur militanten AA/BO sind die bayerischen Schwerpunktszenen in den permanenEinbindung in den ten, bundesweiten Informationsaustausch autonomer und anderer bundesweiten linksextremistischer Gruppierungen eingebunden. Die Entwicklung Informationsder bundesweiten Vernetzung zeigt, daß der frühere krisenhafte Zuaustausch stand der Autonomen-Bewegung bis hin zum teilweisen Zerfall einzelner Gruppierungen und Organisationsansätze einer inhaltlichen Neustrukturierung gewichen ist. Die derzeitigen AA/BO-Mitglieder, voran die AA Passau und die AA Berlin (zum Teil ehemalige Angehörige der AA Passau), sind fest entschlossen, die Ansätze zur Schaffung eines bundesweiten legalen Dachs für das Zusammenwirken legaler Gruppen weiter zu verfolgen. Die engen personellen Verbindungen zwischen Passau und Nürnberg und die im vergangenen Jahr auf Betreiben Passauer Autonomer gegründete Antifaschistische Aktion München (AA München) deuten darauf hin, daß Autonome ihre Kräfte bündeln und innerhalb der BündnisbestreLinksextremisten Einfluß nehmen wollen (anlaßbezogene Bündnisbungen in Bayern politik). Dabei könnte die Zusammenarbeit zwischen den bayerischen autonomen Gruppierungen zu einem bayerischen Bündnis führen. Linksextremismus 127 Im Rahmen der Vernetzung von Gruppen spielen vor allem Passauer Bundesweiter EinAktivisten bundesweit eine wichtige Rolle. In Berlin, Hamburg und fluß bayerischer Göttingen wirkten bayerische Autonome stabilisierend auf die "poliAutonomer tische Arbeit" der dortigen Gruppierungen. So nahm die Polizei am 17. November in Göttingen vier Autonome wegen Verdachts der Sachbeschädigung vorläufig fest. Bei drei von ihnen handelt es sich um ehemals führende Aktivisten der Autonomen in Passau, die ihren Wohnsitz im Laufe des Jahres 1996 nach Göttingen verlegt hatten. Sie werden verdächtigt, mit Steinen das Schaufenster eines Fotogeschäfts in Göttingen eingeworfen und an die Eingangstür die Parole "Deutsche Täter sind keine Ausstellungsstücke" gesprüht zu haben. Im Geschäft war das Foto eines Mannes in Wehrmachtsuniform ausgestellt. Unter dem Titel "Was Sie schon immer über die Antifaschistische Werbung neuer Aktion/Bundesweite Organisation wissen wollten" wirbt die AA/BO Anhänger mit einem farbig gestalteten Faltblatt in der linksextremistischen Szene. Darin heißt es: "Mit der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation wollen wir den Faschisten organisiert entgegentreten. Wir gehen offensiv gegen die Drahtzieher und Ideologen des Nazi-Terrors vor. Faschistische Täterinnen haben Namen und Adressen!" Die AA/BO empfiehlt sich als Sammlungsbewegung, die die Zersplitterung der "Linken" überwindet. Sie propagiert Widerstand gegen bürgerliche Kräfte und das "bestehende Herrschaftssystem". Der Widerstand soll auch all denen gelten, die Nazis gesellschaftliche Akzeptanz verleihen. Dazu zählt die AA/BO bürgerliche Politiker, Gewerkschaftsfunktionäre und Medien, die sich für eine Begrenzung der Migration einsetzen. "Eine antifaschistische, freie Gesellschaft kann nur entstehen, wenn das Propagierung von System mit all seinen Übeln gekippt wird. Denn für alles Reaktionäre gilt,Gewalt daß es nicht fällt, wenn es nicht niedergerissen wird." 4.3.3 Bemühen um Jugendliche und Heranwachsende Autonome treten in der Öffentlichkeit vor allem durch eine antistaatliche Haltung, Ablehnung gesellschaftlicher Normen und Werte sowie Abgrenzung zu anderen Protestpotentialen in Erscheinung. Sie bejahen den Einsatz eigener Militanz zur Durchsetzung ihrer sogenannten poliUmfassende tischen Forderungen und Ziele. Diese oft umfassende "Anti"-Haltung "Anti"-Haltung 128 Linksextremismus steigert die Attraktivität gerade bei jungen Menschen, vor allem wenn diese mit Problemen im Elternhaus oder in der Schule bzw. Ausbildung konfrontiert werden. Dieses gemeinsam empfundene, alle Bereiche umfassende Lebensgefühl geht über - möglicherweise unterschiedliche - politische Vorstellungen hinaus und schafft verbindende Linien. Angehörige bzw. Aktivisten der Autonomen unterscheiden sich soziologisch zunächst kaum von anderen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Sie sind Schüler, Studenten oder Auszubildende, die vielfach aber ihre Lehre oder ihr Studium nicht abschließen. Es kommt ihnen in ihrer Lebensplanung in erster Linie nicht auf eine Ausbildung und Arbeit zur (gesellschaftlich aufgezwungenen) Konsumbedarfsdeckung an, sondern vielmehr auf eine bestimmte Lebensweise. Eine Untersuchung von insgesamt 373 Autonomen - insgesamt werden den Autonomen in Bayern über 500 Personen zugerechnet -, die den Regionen München, Nürnberg/Fürth/Erlangen und Passau angehören, ergab folgende Altersstruktur: Altersstruktur 46 sind 16 bis 20 Jahre alt, davon 43% weiblich, 93 sind 21 bis 25 Jahre alt, davon 36% weiblich, 234 sind über 26 Jahre alt, davon 31 % weiblich. Die Jugendlichen machen demnach etwa 12 % der Autonomen aus. Die Gruppe der 21bis 25jährigen stellt die aktivsten Autonomen. Die sogenannten "Alt-Autonomen" mit über 26 Jahren treten als zahlenmäßig stärkste Gruppe eher "beratend", "beeinflussend" und "helfend" in Aktion. Soziologische Besonders kennzeichnend für die meisten der autonomen Szene Merkmale zuzurechnenden Personen ist: - Sie stammen häufig aus der Mittelschicht. - Sie haben im Schnitt eine höhere (Vor-)bildungsqualifikation als der Bevölkerungsdurchschnitt. - Sie lehnen "desozialisierende Lohnarbeit" ab, statt dessen finanzieren sie ihre materiellen Bedürfnisse sowie ihre "szene-notwendige" Freiheit durch "Anzapfen" staatlicher Gelder oder Unterhaltszahlungen der Eltern; gelegentlich auch durch Kleinkriminalität. - Sie verzichten auf einen "bürgerlichen Status" mit dem dazugehörenden Lebensund Konsumstandard und behalten sich die Linksextremismus 129 erreichte freie Zeit für selbstbestimmte Lebensund Erlebnisqualität in oppositionellen Freiräumen vor. Ernüchtert über die Diskrepanz des eigenen Anspruchs und der vorgegebenen Wirklichkeit, bedingt durch letztlich permanenten Frust über ergebnislose Diskussion und autonome Selbstisolation, "steigen" viele Personen erfahrungsgemäß spätestens nach fünf bis sieHohe Fluktuation ben Jahren "aus". Die vielen Aussteiger werden gerade noch durch die oft sehr jungen Neulinge kompensiert. Von dieser Entwicklung ausgenommen sind die "Alt-Autonomen". Ihnen gelingt es jedoch kaum, eine gruppenmäßig ausgerichtete Theorie und Praxis autonomer Politik über die genannten Zeiträume hinaus zu garantieren. Da es sich bei der Autonomen-Bewegung um eine Art "Jugendrevolte" handelt, gibt es eine über den genannten Zeitraum hinausgehende Kontinuität der autonomen Praxis ebensowenig wie eine auf Kontinuität aufbauende Perspektive autonomer Politik. Bedingt durch wechselnde personelle Zusammenhänge und damit persönliche Erfahrungen orientieren sich Aktionen an den jeweiligen politisch aktuellen Themen. Die der Szene eigene Mitgliederfluktuation ist von Angehörigen erSchaffung von kannt und wird als Hemmnis für eine kontinuierliche politische FortStrukturen entwicklung - wie es die AA/BO anstrebt - der Autonomen-Bewegung angesehen. In der Vergangenheit hat es wiederholt regional begrenzte Versuche - z.B. in München, Nürnberg oder Passau - gegeben, eine Änderung mit dem Ziel einer "politischen Qualitätsverbesserung" herbeizuführen. Die Autonomen werden weiterhin bemüht sein, eine notwendige "gemeinsame Front von Lohnabhängigen, Arbeitslosen, Azubis, (...) sowie Schülerinnen und Studentinnen" aufzubauen und mit anderen politischen Protestpotentialen der linken Szene Aktionsbündnisse einzugehen. Die gesellschaftspolitischen Veränderungen in Deutschland mit einer relativ hohen Arbeitslosenzahl unter den Jugendlichen und die Einschnitte sozialer Zuwendungen im schulischen und universitären Bereich (BAföG-Änderungen) nutzen "erfahrene" Autonome für ihre politische Zielsetzung und "Werbemaßnahmen" vor weiterführenden Schulen, insbesondere Gymnasien. Linksextremistische Ideen werden Verschleierung dabei verschleiert und z.B. unter dem Deckmantel "Antifaschismus", der Ziele "Antifa-Jugendinformation" oder unter dem Slogan "Meine Freundin ist bei der Antifa!" verbreitet. Die AA München wirbt etwa bei 130 Linksextremismus Jugendlichen als eine Gruppierung von jungen aufgeschlossenen Leuten aus verschiedener politischer und sozialer Herkunft, die gemeinsam einen organisierten Kampf gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus auf den Straßen, in den Parlamenten und in den Chefetagen der Konzerne führen wollen. So bewegen sich im Umfeld der autonomen Schwerpunktzentren ferner etwa je 30 Personen im Alter von 14 bis 16 Jahren. Dieser Personenkreis ist derzeit noch unorganisiert, beteiligt sich jedoch an Aktionen und Demonstrationen der Linksextremisten. Werbung bei In einer 16 Seiten umfassenden Flugschrift mit dem Titel "get up, Jugendlichen und stand up ... Antifa heißt Angriff!" warb die AA/BO im Dezember in Schülern Berlin unter Schülern und Jugendlichen um neue Anhänger. Darin werden die Autonomen als "hartgesottene Rebellen" dargestellt, die unverzagt gegen Faschisten kämpfen; offensive Aktion gegen "rechten Konsens" sei notwendig: "Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, dann müssen wir selbst aktiv werden und uns organisieren. Wer sich auf pseudodemokratische Staatsdiener verläßt, wird bald selbst verlassen". Verharmlosung Die Schrift verklärt auch Morde der RAF. So sei Jürgen Ponto bei eider RAF-Morde nem Entführungsversuch ums Leben gekommen. Die Ermordung Dr. Hanns-Martin Schleyers durch die RAF wird mit den Worten kommentiert: "Die deutsche Regierung opfert den alten Kameraden". Die Broschüre endet mit der Parole: "Frei sein, high sein, Terror muß dabei sein!" Auch in verschiedenen bayerischen Städten wie München und Passau versucht die AA/BO, vor allem an weiterführenden Schulen Nachwuchs zu gewinnen. Neue Anhänger weisen in der Regel einen höheren Bildungsstand auf. Einer anderen Strategie im Bereich Jugend bedient sich mit Erfolg die nicht zu der autonomen Szene zählende trotzkistische Sozialistische Arbeitergruppe (SAG). Sie versucht, ihre Bedeutung durch Mitarbeit bei demokratischen Parteien zu vergrößern (Entrismus). Die SAG hatte bereits zur Jahreswende 1993/94 begonnen, ein sogenanntes "Linksruck-Netzwerk" zu gründen, das innerhalb von Juso-Gliederungen der SPD arbeitet. Von einer Zentrale in Hamburg werden die Aktivitäten einzelner Ortsgruppen koordiniert. Über die Zeitschrift "Linksruck", die nach eigenen Angaben inzwischen eine Auflage von 5.000 Exemplaren erreicht hat, werden die Anhänger informiert und Linksextremismus 131 Aktivitäten koordiniert. In der Ausgabe Nummer 36 vom Februar wird Unterwanderung über eine erfolgreiche Werbeaktion für neue Mitglieder berichtet, demokratischer deren Ziel, fünf neue Mitglieder je Ortsgruppe zu gewinnen, vorzeitig Organisationen erreicht worden sei. Innerhalb von zwei Monaten seien 104 Neueintritte zu verzeichnen gewesen. In der Zeitung werden 36 Kontaktanschriften genannt. Lenin wird als konsequenter Kämpfer für wirkliche Freiheit und echte Demokratie gepriesen. In München ist die SAG in vier Juso-Kreisverbänden tätig, ohne diese jedoch zu beherrschen. 4.3.4 Informationelle Vernetzung Durch die Zugehörigkeit der AA Passau und RAN zur militanten AA/BO sind die bayerischen Schwerpunktszenen in den permanenten, bundesweiten Informationsaustausch autonomer und anderer linksextremistischer Gruppierungen eingebunden. Für den regionalen, überregionalen und internationalen Informationsaustausch nutzen Autonome Szenepublikationen, Info-Läden, Szenelokale sowie verdeckte informelle Strukturen wie interne Telefonketten, aber auch Mailboxverbundsysteme. Eine in der Szene verbreitete Übersicht führt mehr als 80 solcher Anlaufstellen im Bundesgebiet auf. In Bayern bestehen Info-Läden unter anderem in Aschaffenburg, Augsburg, Info-Läden Fürth, München, Nürnberg, Passau und Regensburg. Für die landesund bundesweite sowie die internationale Kommunikation werden moderne Kommunikationsmittel wie Telefax und Mailbox-Systeme in erheblichem Umfang verwendet, so das von Wiesbaden aus aufgebaute Mailbox-System "Spinnennetz", das aber an Bedeutung Mailboxen und zugunsten anderer moderner Kommunikationswege verlor. Erhebinternet liehe Bedeutung hat inzwischen auch die Nutzung des internationalen Informationssystems Internet erlangt. Darin werden, zum Teil über ausländische Anbieter, ebenso wie von Rechtsextremisten und ausländischen Gruppen Nachrichten und Publikationen mit teilweise strafbarem Inhalt verbreitet. 4.3.5 Internationale Verbindungen In der Zeit vom 3. bis 5. Oktober fand in London auf Einladung der Konferenz in Antifaschist-Action (AFA) die 1. Internationale Konferenz militanter London antifaschistischer Gruppen statt. An dieser Konferenz nahmen über 20 Gruppen aus England, Irland, Deutschland, Skandinavien, Kanada und USA teil. Diskutiert wurde unter anderem über eine vorbereitete 132 Linksextremismus vierseitige Grundsatzerklärung, die letztendlich aber nur von wenigen Gruppen unterzeichnet wurde. Das Ziel der Veranstaltung war, die Zusammenarbeit militanter antifaschistischer Gruppen voranzubrinInternationale gen. Vereinbart wurde ferner eine internationale ComputervernetComputerzung. Dieses Treffen war auch Thema eines Artikels in der Zeitung Vernetzung "EinSatz! - Zeitung für autonome Politik"(Nummer 25 vom November) der Autonomen Antifa (M) aus Göttingen. Sowohl Diktion als auch Diskussion bei diesem Treffen stellten den militanten antifaschistischen Kampf in den Vordergrund. Auch aus Bayern nahmen mehrere Personen teil. Internationale Die Festnahme eines Autonomen aus München am 2. November in Solidarität Kösching, Landkreis Ingolstadt, löste überraschend eine nahezu internationale Solidaritätswelle aus. Anlaß war eine Veranstaltung eines der rechtsextremistischen Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH) nahestehenden Vereins, an der etwa 700 Personen aus verschiedenen europäischen Staaten teilnahmen. Dagegen organisierten regionale antifaschistische Gruppen/Parteien, unter anderem die PDS und die autonome Antifaschistische Aktion Ingolstadt, eine Protestveranstaltung mit etwa 150 Teilnehmern. Im Vorfeld dieser Aktion nahm die Polizei mehrere Personen vorläufig fest. Darunter befand sich auch ein Autonomer aus München, der im Verdacht steht, einen Polizeibeamten durch einen Steinwurf verletzt zu haben. In einer öffentlich zugänglichen Mailbox rief daraufhin die "internationale antifaschistische und anarchistische/anarchosyndikalistische Bewegung" in deutscher und englischer Sprache zur Solidarität und zu Protestschreiben an den bayerischen Innenminister in München und die Staatsanwaltschaft in Ingolstadt auf. 4.4 Autonome Publikationen Eine weitere Informationsmöglichkeit bieten den Autonomen die Szenepublikationen. Diese werden meist konspirativ hergestellt und verbreitet; ihre Autoren sind weitgehend unbekannt. Neben der Berichterstattung über autonome und terroristische Aktivitäten schüren die Publikationen vor allem den Haß gegen die Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Sie enthalten Anleitungen für ferner unverhohlene Aufforderungen und Anleitungen zu GewaltGewalttaten taten unter anderem gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten und deren Einrichtungen sowie - vor allem im Zusammenhang mit den Castor-Transporten - gegen Einrichtungen der Linksextremismus 133 Deutschen Bahn AG. Von den bundesweiten Szeneblättern hat nach Bundesweite wie vor die regelmäßig erscheinende, aus Berlin stammende PublikaPublikationen tion "INTERIM" zentrale Bedeutung. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Herausgeber, Hersteller und Verteiler dieser Publikation, unter anderem wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Belohnung und Billigung von Straftaten, konnten am 12. Juni rund 1.000 frisch gedruckte Exemplare der Ausgabe Nummer 424 der "INTERIM" vom selben Tag beschlagnahmt werden. Die Durchsuchungsaktion richtete sich gegen zwei Druckbetriebe und insgesamt 13 Personen, bei denen zahlreiche Unterlagen und mehrere Personalcomputer sichergestellt wurden. Eine Zerschlagung der Publikation ist mit dieser Durchsuchung aber nicht gelungen. Schon die nächste Ausgabe Nummer 425 erschien zeitgerecht, wenn auch mit weitgehend bekannten Texten. In einem kurzen Begleittext der Redaktion hieß es, der Briefkasten, in den für die Veröffentlichung angebotene Beiträge eingeworfen werden können, sei "gähnend leer" gewesen. Gleichzeitig bekräftigte sie: "Wir machen weiter - keine Frage - alle Donnerstage!!! Jetzt erst recht!!!" Bei der Kontrolle eines offensichtlich überladenen PKW in der Nacht zum 23. März in Münster wurden 680 Exemplare der Druckschrift "radikal - Dokumentation kriminalisierter Texte" vom Frühjahr 1997 sichergestellt. Die beiden Fahrzeuginsassen wurden vorläufig festgenommen. Die 84seitige Broschüre enthält im wesentlichen bekannte Texte aus früheren Ausgaben der Untergrundschrift "radikal". In einem Vorwort erläutern die Herausgeber, daß sie sich - angesichts der Exekutivmaßnahmen gegen mutmaßliche "radikal"-Redakteure vom 13. Juni 1995 - gegen diese "Form staatlicher Zensur per Polizeiknüppel" wehren wollten. Themenschwerpunkte in den autonomen Publikationen waren 1997 Schwerpunkt"Antifaschismus", "Organisierung im autonomen Spektrum", der themen "kurdische Befreiungskampf", "Rassismus", Flüchtlingspolitik und die Castor-Transporte. Daneben waren wie in den Vorjahren eine Vielzahl von Setbstbezichtigungsschreiben zu Anschlägen sowie Handlungsanleitungen zu Straftaten abgedruckt. In Bayern publizieren die Autonomen ihre politischen Artikel unter Bayerische anderem in regelmäßig erscheinenden Schriften, wie "barricada" aus Publikationen 134 Linksextremismus Nürnberg, "Antifa Jugendinfo" aus Passau und ähnlichen regionalen, überwiegend unregelmäßig herausgegebenen Blättern. Die bayerischen Publikationen konnten bisher keine überregionale Bedeutung gewinnen. Oft werden darin auch nur Artikel aus bundesweiten Szenepublikationen wie "INTERIM" übernommen und durch Hinweise auf aktuelle Themen und Termine der örtlichen oder regionalen Szene ergänzt. Im Juli erschien die erste Ausgabe einer Broschüre ,red & hot". Herausgeber ist die im Juli gegründete Neue Antifaschistische Jugendfront München-Laim (AJF München-Laim), Publikationen ausdie "politisch" der AA München sehr nahe steht. Die Kontaktadresse München beider Gruppierungen ist der autonome Info-Laden in München. Den Schwerpunkt der Publikation bilden "antifaschistische" Themen. Als Reaktion aufzuneh^borricodö menden Rechtsextremismus rief die AJF München-Laim zur Organisierung "antifaschistischen Widerstandes" auf. Daneben mobilisierte die Publikation auch zur Teilnahme "***SSEU""*""" an mehreren "Antifa"-Veranstaltungen der AA München, die im Rahmen einer bundesweiten Aktionskampagne gegen NPD und JN stattfanden. An dieser Kampagne war die AA/BO mit den ihr angeschlossenen Gruppierungen beteiligt. Die Kampagne stand unter dem Aufruf "Kampf den Jungen Nationaldemokraten! Kein Fußbreit den Faschisten - tretet in antifaschistische Aktion!" und lief von Mai 1996 bis September 1997. Anfang Januar 1998 wurde die erste Ausgabe einer weiteren neuen linksextremistischen Publikation "Pro.K Zeitung des revolutionären Aufbau München" bekannt. Verfasser und Herausgeber ist ein bisher unbekannter "Revolutionärer Aufbau München". Die Publikation soll sechsmal pro Jahr erscheinen und weist hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes große Ähnlichkeit mit der als Sprachrohr der AA/BO fungierenden Publikation "EinSatz" auf. Die erste Ausgabe ist geprägt von einer starken antikapitalistischen und antistaatlichen Sicht- Linksextremismus 135 weise und weist kommunistische Ideologieelemente auf. Nach einer Kommunistische Selbstdarstellung ist die Publikation "ein Instrument, aktiv in stattfinIdeologie dende Diskussionen, Teilbereichsund Klassenkämpfe zu intervenieren und darin revolutionäre Prozesse in Gang zu setzen". Sie sei nur "ein Teil eines umfassenden revolutionären Prozesses". Die Publikation wolle "... als ein revolutionäres/kommunistisches Aufbauprojekt auf die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates und die Enteignung der Unternehmer hinarbeiten." Mit dieser neuen Zeitung soll ein möglichst breites Spektrum angesprochen werden - Aufbau einer "proletarischen Klasse" aus Arbeitern, Arbeitslosen, Schülern, Studenten und anderen angeblich Unzufriedenen - , um die "proletarische Klasse" für einen gemeinsamen revolutionären Kampf zu vereinen. "Die Einheit der proletarischen Klasse ist die unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche soziale Revolution!" Auch Gewalt wird zur Erreichung der Ziele ausdrücklich befürwortet: "Die Dokumentation unterschiedlicher Ebenen der politischen Aktion, Propagierung von sowohl öffentliche und legale, wie auch militante und illegale Arbeit, soll Gewalt aufzeigen, daß nur eine Kombination von vielen Aktionsformen eine revolutionäre proletarische Bewegung zum Ziel führen wird." 4.5 Aktivitäten autonomer Gruppen in Bayern 4.5.1 Autonome München Die autonomen Gruppen in München befassen sich schwerpunktmäßig mit den Themen "Antifaschismus" und "Sozialabbau". Der Neubau des Forschungsreaktors für die Technische Universität München in Garching (FRM II) spielte für die Autonomen in diesem Jahr nur eine untergeordnete Rolle. Neben den aktiven Gruppen "Zusammen kämpfen" (Zk) und AA München ist eine weitere Gruppe, die AJF München-Laim, in Erscheinung getreten. Die Ausstellung "Vernichtungskrieg - die Verbrechen der Wehrmacht Protest gegen 1941-1944" in der Zeit vom 25. Februar bis 6. April im Münchner NPD und JN Rathaus rief heftige Reaktionen auch in rechtsextremistischen Kreisen hervor. Die NPD/JN nahm die Welle des Protests zum Anlaß, "nationalen Widerstand" zu demonstrieren und meldete für den 1. März 136 Linksextremismus einen bundesweiten Aufzug mit Schlußkundgebung auf dem Münchener Marienplatz an. Das Thema lautete "Unsere Großväter waren keine Verbrecher - wir sind stolz auf sie". Dagegen organisierten linksextremistische Gruppierungen und Organisationen am selben Tag zwei Gegendemonstrationen. Die autonome AA München demonstrierte unter dem Motto "Tretet in antifaschistische Aktion! Täter sind keine Opfer!" Daneben protestierte ein Bündnis unter Beteiligung von DKP, VVN-BdA, PDS, AB, Revolutionärer Sozialistischer Bund (RSB), MLPD, Münchner Bündnis gegen Rassismus und demokratischer Organisationen unter anderem mit dem Slogan "Die Verbrechen der Wehrmacht können nicht geleugnet werden! Kein Nazimarsch in München!" Nur durch ein großes Polizeiaufgebot konnten gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen 4.300 NPD/JN-Demonstranten und 4.200 Teilnehmern der Gegenkundgebungen, darunter etwa 2.000 Linksextremisten, verhindert werden. Zu kleineren tätlichen Auseinandersetzungen kam es im Verlauf der Demonstration aber immer wieder. Massiver Im Verlauf der Veranstaltung wurden 76 Personen, 43 Rechtsund 33 Polizeieinsatz Linksextremisten, vorläufig festgenommen. Fünf Polizeibeamte erlitten Verletzungen. Die AA München veranstaltete am 16. August als Protest gegen die Anti-Heßrechtsextremistischen Aktionen zum 10. Todestag von Rudolf Heß Demonstration einen Aufzug in München. Die Demonstration mit Auftaktund Schlußkundgebung war zugleich Bestandteil einer Kampagne der AA München gegen die JN. An dem angemeldeten Aufzug beteiligten sich etwa 300 Personen des linksextremistischen und autonomen Spektrums. Während der Abschlußkundgebung vor dem Sitz des NPD-Landesverbands wurden vereinzelt Gegenstände gegen das Anwesen und die eingesetzten Polizeibeamten geworfen. Ein Beamter wurde verletzt. Gegen Ende der Versammlung verbrannten Autonome eine Fahne der JN. Danach bewarfen Skinheads abziehende Demonstrationsteilnehmer mit Flaschen. Die Polizei nahm insgesamt zehn Personen wegen Verdachts des Landfriedensbruchs und der Körperverletzung vorläufig fest. Seit dem 4. Juni sind an einer Realschule in München verstärkt Aktionen von Personen der autonomen-antifaschistischen Szene feststellbar. Im Zentrum des Konflikts stehen Auseinandersetzungen un- Linksextremismus 137 ter Schülern. So sollen seit dem Schuljahresbeginn 1995/96 Schüler Auseinandermit rechtsextremistischen Aufklebern und Schmierereien für ihre GeSetzungen an sinnung geworben haben. Die AA München nutzte diese Aktivitäten, einer Schule in um ihrerseits in Flugblättern zum Widerstand gegen die "NaziaktiMünchen vitäten" aufzurufen. In einem als Pressemitteilung bezeichneten Schreiben wird berichtet, zwei als vermeintliche Rechtsextremisten bekannte Schüler hätten am eigenen Leib zu spüren bekommen, daß die von ihnen betriebene Hetze und Gewalt nicht ohne Folgen für ihre Gesundheit bliebe. Ein Jugendlicher, der ein Mädchen angeblich als "Ausländerschlampe" beschimpft habe, sei von Autonomen verprügelt worden. Am 29. Juli bezichtigte sich eine Gruppe "Antifaschistische Initiative" unter dem Titel "Kampf dem rassistischen Normalzustand", an der Schule Schmierschriften wie "Kein Fußbreit den Faschisten" und "Für ein nazifreies Schuljahr 97/98" angebracht zu haben. 4.5.2 Autonome Nürnberg An der diesjährigen, vom linksextremistischen "Antifaschistischen Demonstration Aktionsbündnis" durchgeführten, 1. Mai-Demonstration unter dem zum 1. Mai Motto "Revolutionärer 1. Mai" in Nürnberg beteiligten sich etwa 500 Personen, darunter einzelne vermummte Autonome. An der Spitze des Zuges trugen die Teilnehmer ein Transparent mit der Aufschrift: "Widerstand heißt Angriff auf die herrschende Ordnung, es lebe die soziale Revolution." Daneben führten sie mehrere kleinere Transparente mit, auf denen eine Weiterführung des Kommunikationszentrums der Stadt Nürnberg (KOMM) gefordert wurde. Die Transparente trugen die Aufschrift "KOMM bleibt KOMM". Nach Beendigung des Aufzugs warfen einige Teilnehmer aus der Menge heraus Gegenstände auf Einsatzkräfte der Polizei und Fahrzeuge. Dabei wurden zwei PKW beschädigt und die Dienstkleidung mehrerer eingesetzter Beamter beschmutzt. In der Zeit vom 23. Juli bis 17. August fanden im Zusammenhang mit Aktionswochen dem 10. Todestag von Rudolf Heß in Nürnberg "Antifaschistische aus Anlaß des Aktionswochen" statt. Die Veranstalter - das linksextremistische Heß-Todestags Aktionsbündnis - forderten mit Info-Ständen, Plakatund Flugblattaktionen dazu auf, "den antifaschistischen Widerstand zu organisieren und Neonazis entgegenzutreten". An einer für den 17. August in 138 Linksextremismus Nürnberg angemeldeten Demonstration beteiligten sich etwa 1.100 Personen, darunter etwa 250 Autonome, Anhänger des antiimperialistischen Widerstands und der PDS. Im Verlauf des Aufzugs nahm die Polizei über zehn Personen des linken Spektrums wegen Mitführens von Waffen und Vermummungsgegenständen vorläufig fest. Bei einem am Vorabend im KOMM durchgeführten "Antifa-Fest" wurden Polizeibeamte angegriffen. Eine Gruppe von etwa zehn Vermummten schoß mit pyrotechnischer Signalmunition und Stahlkugeln. Ferner schleuderten Unbekannte aus dem KOMM heraus leere Bierflaschen und Steine in Richtung der Beamten und deren Einsatzfahrzeuge. Eine von mehreren linksextremistischen Gruppen in der Zeit vom 19. bis 21. Dezember im KOMM geplante dreitägige "BenefizkonKrawalle zertreihe" endete mit schweren Ausschreitungen. Die Konzerte unter dem Motto "Unser Rhythmus gegen das System, Rock gegen Rechts und für die Freiheit der politischen Gefangenen international" sollten auch als Abschlußfeste gelten, nachdem die Stadt Nürnberg die Mietverträge zum 31. Dezember 1997 gekündigt hatte. Eingeladen hatte das dem antiimperialistischen Widerstand (früheres RAF-Umfeld) zuzurechnende "Infobüro für die Solidarität mit den politischen Gefangenen international", unterstützt von mehreren linksextremistischen, insbesondere autonomen Gruppen aus der Region. Ziel der Konzerte war es - einem Einladungsflugblatt zufolge -, auch gegen die bevorstehende Schließung des KOMM zu protestieren. So bekräftigten die Verfasser: "Aber ob mit oder ohne KOMM: Die HERRschenden werden revolutionäre Politik nicht verhindern. (...) Weder die außerparlamentarische Opposition in den 60-er Jahren, noch die Entstehung bewaffneter und militanter Organisationen in den 70-er Jahren wie die RAF, Bewegung 2. Juni, die Revolutionären Zellen und später die Rote Zora sind vom Himmel gefallen. Notwendig war ein harter und zäher Wiederaufbau und die Organisierung revolutionärer Kämpfe. (...) In diesem Sinne müssen wir auch die heutige desolate Situation sehen und begreifen. Die Herrschenden in dieser Stadt wollen schon lange, daß wir von der Bildfläche verschwinden. Aber den Gefallen tun wir ihnen nicht!!!!" Linksextremismus 139 Während das Konzert am 19. Dezember störungsfrei verlief, nutzten Autonome die Veranstaltung am 20. Dezember als Ausgangspunkt für massive Straftaten. Gegen 23 Uhr brach im Erdgeschoß eines städtischen Gebäudes in unmittelbarer Nähe des KOMM ein durch zwei Molotowcocktails verursachter Brand aus. Er konnte rasch Brandanschlag gelöscht werden. Im weiteren Verlauf demolierten die Störer mehrere Fahrzeuge, errichteten vor dem KOMM eine Barrikade, bewarfen Polizeibeamte mit Gegenständen und beschossen sie aus Schreckschußwaffen mit pyrotechnischer Munition. Verletzt wurde niemand, der Sachschaden betrug allerdings 80.000 DM. Die Polizei nahm insgesamt 37 Personen wegen Verdachts der Brandstiftung, versuchter gefährlicher Körperverletzung und des Landfriedensbruchs vorläufig fest. Neun Personen verblieben in Gewahrsam. Von insgesamt 455 Beteiligten wurden die Personalien aufgenommen. Aufgrund dieser Vorfälle untersagte die Stadt Nürnberg das letzte Konzert. Das KOMM war in der Vergangenheit immer wieder Zentrum und Ausgangspunkt von Aktionen der regionalen, aber auch bundesweiten linksextremistischen und autonomen Szene. Linksextremisten hatten in der Vergangenheit zahlreiche Veranstaltungen, auch von bundesweiter Bedeutung, im KOMM durchgeführt. Das künftige Neues Nutzungskonzept sieht ein "Polykulturlabor" unter Einschluß von BeNutzungskonzept reichen der bildenden Kunst, der neuen Medien sowie die Errichtung eines kommunalen Kinos vor. Darüber hinaus soll das Objekt der Mehrheit der bisherigen nicht-extremistischen Nutzer weiterhin zur Verfügung stehen. Die Bedeutung des KOMM für linksextremistische Agitation wird jedoch nachlassen, da die Stadt Nürnberg wieder selbst das Hausrecht ausüben will. 4.5.3 Autonome Passau Die Autonomen in Passau arbeiten seit Jahren über die AA Passau in der militanten AA/BO mit. Sie stellen innerhalb dieser Organisation eine der bedeutenden Gruppierungen dar. Über personelle VerflechBundesweite tungen haben sie auch bedeutenden Einfluß auf autonome GruppieVerbindungen rungen in Nürnberg, Berlin und Göttingen. Im ersten Halbjahr 1997 verübten unbekannte Täter aus der autonomen Antifa-Szene in Passau massive politisch motivierte Sachbeschädigungen. Sie brachten überwiegend an öffentlichen Gebäuden Hoher verschiedene Aufkleber und Sprühschriften an. Der Gesamtschaden Sachschaden bei beträgt etwa 40.000 DM. Die angebrachten Parolen befaßten sich Schmieraktionen 140 Linksextremismus unter anderem mit "Antifaschismus", der Problematik des SS 218 StGB und der Forderung nach Einrichtung eines autonomen Jugendzentrums. Die Parolen lauteten unter anderem: "Dem staatlichen Terror entgegentreten! Polizeistaat verhindern! Kontakt: Antifaschistische Aktion Passau" "1933 Blockwart/1996 Sicherheitswacht/Überwachungsstaat hat deutsche Tradition/Nicht mit uns! Kontakt: Antifaschistische Aktion Passau" "Die Vernichtung der Wurzeln des Faschismus ist unser Ziel! Autonome Antifa (M) Göttingen". Bereits in der ersten Januarhälfte brachten Unbekannte in Passau und Eggenfelden zahlreiche Aufkleber und Sprühschriften an. Auch dabei war erheblicher Sachschaden entstanden. In der Zeit vom 25. bis 28. April besprühten Unbekannte erneut zahlreiche Außenwände überwiegend von öffentlichen Gebäuden im Stadtgebiet Passau mit politischen Parolen. Angehörige des örtlichen autonomen/antifaschistischen Spektrums beteiligten sich am 26. April in Passau an einer Demonstration "Gegen den SS 218 und den bayerischen Sonderweg". Dabei zeigten die Teilnehmer unter anderem Transparente mit Aufschriften wie: "Feuer und Flamme dem Patriarchat" "Kampf dem Sexismus, Rassismus und Kapitalismus". " Protest gegen Am 27. September beteiligten sich in Passau etwa 400 Personen der DVU-Veranstalautonomen antifaschistischen Szene an einer Protestdemonstration tung der AA Passau gegen die jährliche Veranstaltung der rechtsextremistischen DVU. Das größte Kontingent mit etwa 100 Personen war aus München angereist. Während des Aufzugs skandierten die Teilnehmer Sprechchöre wie: "Feuer und Flamme für diesen Staat" "Deutsche Polizisten schützen die Faschisten" " Tod dem Faschismus! Tod dem Kapital! Verteilt das Kapital international!" Die Polizei nahm insgesamt 39 Demonstrationsteilnehmer unter anderem wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und anderer Straftaten vorläufig fest. Die Demonstration selbst verlief störungsfrei. Linksextremismus 141 4.6 Autonome Bündnisse Die Autonomen aus Bayern waren bemüht, anlaßbezogen Bündnisse mit linksextremistischen Gruppierungen und Parteien einzugehen. Vereinzelt waren auch gemeinsame Veranstaltungen mit demokratischen Gruppierungen festzustellen. Anlaß für diese oft einmaligen Bündnisse waren in der Regel Aktionen gegen Aktivitäten rechtsextremistischer Gruppierungen. Die Beteiligung an den Bündnissen unter dem Vorwand, friedlich gemeinsam demonstrieren zu wollen, dient dabei häufig aber nur als Plattform für Gewalttaten. AbspraPlattform für chen zu friedlichem Verhalten werden ignoriert, sobald dies AutonoGewalttaten men zweckmäßig erscheint. Am 12. Januar folgten etwa 4.500 Personen, darunter ca. 400 Autonome, Aufrufen linksextremistischer Gruppierungen zur Teilnahme an der Luxemburg/Liebknecht-Demonstration in Berlin. Mitglieder der AA/BO - wie die RAN und die AA Passau - hatten dazu unter dem Motto "Gegen den deutschen Imperialismus, Militarismus und Revanchismus" bundesweit mobilisiert. Das breite Spektrum der Teilnehmer reichte von der revolutionär-marxistischen türkischen TKP/ML (vgl. auch Nummer 3.1.1 des 3. Abschnitts) über die Kommunistische Plattform der PDS bis zur AA/BO. Die Autonomen solidarisierten sich mit einem breiten Aschaffenburger Bündnis gegen Rechts, das von zahlreichen bayerischen und außerbayerischen Gruppierungen unterstützt wurde. Anlaß war ein geplanter aber verbotener "Münstermann-Marsch" der NPD Protest gegen am 22. Februar in Aschaffenburg. Die Mobilisierung der linksextremiNPD-Versammstischen Szene durch Plakate, Flugblätter und Terminhinweise in lung einschlägigen Publikationen und im "COMLINK" (vgl. auch Nummer 6 dieses Abschnitts) erfolgte unter anderem auch durch Informationsveranstaltungen in verschiedenen Städten Deutschlands. An der Kundgebung beteiligten sich über 1.500 Personen, darunter über 1.000 aus dem gesamten Bundesgebiet angereiste Linksextremisten. Allein das Gerücht, am Bahnhof der Stadt seien Rechtsextremisten eingetroffen, genügte, um die bis dahin friedlich verlaufene Demonstration zu sprengen. 500 Autonome versuchten, zum Bahnhof zu gelangen, um dort die Konfrontation mit den "Nazis" einzugehen. Auf dem Weg dorthin beschädigen die Autonomen fünf SachbeschädiFahrzeuge und zwei Schaufenster. Der Haupttäter und 13 weitere gungen Tatverdächtige konnten aus der Menge heraus festgenommen werden. 142 Linksextremismus Am 19. Juli erschienen etwa 250 Gegendemonstranten zu einer öffentlichen Versammlung der rechtsextremistischen NPD/JN auf dem Marktplatz in Herzogenaurach, Landkreis Erlangen-Höchstadt. Etwa 150 Personen konnten dem linksextremistischen Spektrum zugeordnet werden. Unter ihnen befanden sich zahlreiche Autonome, die rote Fahnen und Plakate des linksextremistisch beeinflußten Antifaschistischen Bündnisses Nürnberg mit den Aufschriften "Antifa heißt Angriff" mitführten. Nach der Kundgebung versuchten Autonome, Kundgebungsteilnehmer der NPD-Versammlung zu verfolgen und mit Steinen zu bewerfen. Am 15. November demonstrierte ein breites Bündnis, darunter Vertreter etablierter Parteien, linksextremistischer Gruppierungen und autonomer Zusammenschlüsse, im Rahmen einer "Aktionswoche gegen Rechte Gewalt in Herzogenaurach und Umland", gegen das vermehrte Auftreten von Anhängern der rechtsextremistischen NPD und deren Jugendorganisation JN in Herzogenaurach, Landkreis Erlangen-Höchstadt. An der von Vertretern des "Runden Tisches Herzogenaurach" angemeldeten Versammlung nahmen zu Beginn etwa 500 Personen, an der Schlußkundgebung etwa 1.000 Personen teil, darunter 60 bis 80 Personen der linksextremistischen Szene des Ballungsraums Nürnberg (Bündnis gegen Rechts Erlangen). Autonome erregten Ärgernis bei den Veranstaltern, als sie Flugblätter verteilten, in denen einer örtlichen demokratischen Partei eine Mitschuld an den Vorkommnissen in Herzogenaurach zugeschrieben wird. Bei der Formation des Zuges wollten sich Linksextremisten mit Plakaten, die an Dachlatten befestigt waren, an die Spitze des Zuges setzen. Da die Plakate jedoch Aussagen zum Inhalt hatten, wie " CSU-Verbot jetzt - gegen den braunen Konsens Von CSU und Nazis Beckstein, Ollert, Kanther, Decken - Rassismus hat viele Gesichter", drohten ihnen die Veranstalter mit dem Ausschluß. Der Aufforderung, derartige Schriften zu entfernen, kamen die Linksextremisten schließlich nach. Danach störten Personen des linksextremistischen Lagers die Abschlußkundgebung kurzfristig durch Pfeifen und Zwischenrufe. 4.7 Entwicklungstendenzen Gefahr für die Die Gewaltbereitschaft der Autonomen stellt auch in Zukunft eine Innere Sicherheit ernste Gefahr für die Innere Sicherheit dar. Die weitere Entwicklung des Gewaltpotentials der Autonomen hängt von den Reizthemen ab, die ihnen für ihren Aktionismus geeignet erscheinen. Der Schwer- Linksextremismus 143 punkt autonomer Aktivitäten und Gewalttaten - unter bundesweiten Gesichtspunkten - liegt zeitweise im Bereich des Protests gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie, und hier insbesondere beim vielfach gewalttätigen Protest gegen den Transport abgebrannter Brennelemente in sogenannten Castor-Behältern. Bereits früher wurden Vorbehalte gegen kerntechnische Anlagen zu breitgefächerten Aktionen und Bündnissen genutzt. Das Mobilisierungsthema Antifaschismus hat erheblich an Bedeutung gewonnen. Die im Vorjahr gegründeten Ortsgruppen der linksextremistischen Stabilisierung Haftund Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe e.V. - in Bayern unter neuer Gruppen anderem in München, Passau und Nürnberg/Fürth/Erlangen - sowie die Gruppen mit der Bezeichnung "Antifaschistische Aktion"(AA) und deren Jugendorganisationen Antifaschistische Jugendfront (AJF) in München, Nürnberg und Ingolstadt/Pfaffenhofen haben sich stabilisiert. Sie arbeiten bereits teilweise regelmäßig in den bundesweiten Treffen mit. 5. Linksextremistischer Einfluß auf die Antikernkraftbewegung Die Proteste der Antikernkraftbewegung geben Linksextremisten aller Richtungen, vor allem aber den Autonomen, Anlaß für Gewalttaten - 1997 waren rund 25 % aller linksextremistischen Gewalttaten diesem Bereich zuzurechnen - und für Bemühungen zur Gewinnung neuer Mitstreiter für ihre verfassungsfeindlichen Ziele. Eigentliches Ziel der Linksextremisten ist es, durch Schüren des Anti-Kernkraft-Protests und Zusammenarbeit mit anderen Gruppen die demoKampf gegen die kratische Ordnung zu bekämpfen. Den Linksextremisten gelingt es Demokratie durch geschickte Agitation, die Antikernkraftbewegung weiterhin für ihren verfassungsfeindlichen Kampf gegen den "Atom"-Staat zu instrumentalisieren. Auch künftig muß im Zusammenhang mit Castor-Transporten nach Gorleben und La Hague mit weiteren Aktionen gerechnet werden. Anlaß zu erhöhter Wachsamkeit ist auch die anhaltende bundesweite Thematisierung des Neubaus eines Forschungsreaktors für die Technische Universität München in Garching (FRM II). 5.1 Entwicklung im Bundesgebiet Kernkraftgegner konzentrierten ihre Bemühungen im Rahmen der Anti-Castor-Kampagne im März auf den Widerstand gegen einen 144 Linksextremismus Castor-Transport nach Gorleben. Im Zusammenhang mit dem größten Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sahen Kernkraftgegner diesen Transport als richtungsweisenden Prüfstein in der Auseinandersetzung zwischen dem Staat und einer wiedererwachten Antikernkraftbewegung. Bereits im Vorfeld der Transporte riefen dabei Linksextremisten auch zu Gewalttaten auf. So veröffentlichte die Zweimonatsschrift "Wort und Tat - Antifa-JugendInfo-Weser/Ems" in ihrer Ausgabe März/April Beiträge, in denen zu gewaltsamen Angriffen gegen "Atomkonzerne" und "Faschisten" ermuntert wurde. Castor stehe stellvertretend für den Kampf gegen die Atomindustrie. Er zeige, "daß die herrschenden Verhältnisse nicht unerschütterlich sind. Die staatlichen Versuche, einen Keil zwischen sog. gewaltfreie und sog. militante zu treiben, wurden in der Praxis weitgehend zurückgeschlagen. Gorleben hat sich zum Kristallisationspunkt der Anti-AKW-Bewegung entwickelt, wo durchaus einzelne Siege über die Atomkonzerne zu erringen sind. Um allerdings die gesamte Atomindustrie zu bezwingen, muß die herrschende kapitalistische Ordnung in ihrer Gesamtheit überwunden werden." PDS-Beteiligung Auch die PDS rief schon im Vorfeld des geplanten Castor-Transports nach Gorleben bundesweit zum Widerstand auf. Bereits vor den Transporten kam es zu einer Reihe von Protestaktionen mit linksextremistischer Beteiligung und zu einer Vielzahl von zum Teil Schwere schweren Straftaten insbesondere gegen die Deutsche Bahn AG. Im Straftaten Schutz und in Begleitung von etwa 13.000 Polizisten und gegen den heftigen Widerstand von mehreren tausend Demonstranten erreichte am 5. März der Castor-Transport das Zwischenlager in Gorleben. Bei den Ausschreitungen wurden etwa 200 Demonstranten festgenommen. Zwei vermeintliche Sprengsätze stellten sich als Attrappen heraus. Bereits vor der Abfahrt der Kolonne hatte es bei Quickborn gewalttätige Aktionen gegeben. Ein Polizeifahrzeug wurde von Demonstranten mit einem Molotowcocktail in Brand gesetzt. Etwa 500 Gewalttäter hatten die Beamten mit Steinen und anderen Wurfgeschossen angegriffen und etliche Beamte verletzt. Insgesamt waren bei diesem Transport sechs Castor-Behälter nach Gorleben gebracht worden, darunter ein Behälter mit abgebrannten Brennelementen aus dem bayerischen Kernkraftwerk Gundremmingen. Die Proteste gegen den Transport in Bayern verliefen weitgehend friedlich. Linksextremismus 145 Erstmals beteiligten sich Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) an Zusammenrottungen und Aufmärschen der gewalttätigen Autonomen Antifa (M) aus Göttingen. Die militanten Linksextremisten versuchten, sich auch mit friedlichen Demonstranten zu verbünden. Nahziel war es, die Kosten für den Transport hochzutreiben. Zerschlagung Als Endziel wurde die völlige Zerschlagung sämtlicher "Strukturen staatlicher von Macht, Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung" gefordert. Strukturen Mittlerweile setzen sich die Kernkraftgegner wieder verstärkt mit dem allgemeinen Ausstieg aus der Kernenergie auseinander und beschränken sich dabei nicht nur auf die Castor-Transporte. Diese bleiben jedoch weiterhin das bestimmende Aktionsfeld der Anti-KernErweiterung des kraft-Kampagne. Der Protest gilt der Gesamtheit des KernenergieAnti-Kernkraftprogramms, wobei die Transporte abgebrannter Brennelemente als Protests dessen empfindlichster Teil angesehen werden. Als wichtigstes überregionales Forum dient den Kernkraftgegnern eine jährlich zweimal stattfindende Konferenz ("Frühjahrskonferenz" im Mai in Münster und "Herbstkonferenz" im Oktober in Göttingen). Daran nehmen regelmäßig auch Linksextremisten teil. Die Ergebnisse werden zum Regelmäßige Teil in Szene-Publikationen abgedruckt. Themen der diesjährigen Konferenzen Konferenzen waren unter anderem "Konzerne und deren Verflechtungen in der Atomindustrie", "Neue Technologien", "Alternative Energien", "Uranabbau" oder auch "Ziele und Wege des Widerstands". Insgesamt wurde deutlich, daß sich der Kampf sowohl gegen die Nutzung der Kernenergie als auch gegen die herrschende gesellschaftliche Struktur, die diese Energieform weiter fördert, richten soll. Ziel der Herbstkonferenz war es unter anderem, "über gemeinsame Strategien zu diskutieren, Perspektiven zu finden, über Interessengegensätze zu streiten und Wege des gemeinsamen Handelns zu finden". Die Vielfalt des Widerstands reicht vom Beten am Bauzaun von Atomanlagen bis zur offensiven Behinderung von Atommülltransporten. In zahlreichen Arbeitsgruppen wurden Aktionsformen des "Anti-Atomkampfes" besprochen. Eine Arbeitsgruppe widmete sich dem FRM II in Garching. 5.2 Entwicklung in Bayern In Bayern traten Kernkraftgegner zum Teil unter maßgeblicher Beteiligung von Linksextremisten bei unterschiedlichen Aktivitäten in Erscheinung. So organisierten überwiegend Autonome unter der 146 Linksextremismus Gruppenbezeichnung "Arbeitsgemeinschaft,Forschungsreaktor München II Nie !'" - mit Kontaktadresse unter anderem im Info-Laden der autonomen Szene in München - ein Aktionscamp. Mehrere das Camp in Oberschleißheim, Landkreis München, begleitende Informationsveranstaltungen und eine Demonstration in München am 29. Juni waren von PDS-Aktivisten angemeldet und teilweise geleitet Aktionscamp bei worden. Aufrufe zu diesem Camp und zu der Demonstration in MünMünchen chen am 29. Juni waren auch über das Internet verbreitet worden. Die Veranstaltungen und das Camp verliefen bei sehr geringer Beteiligung störungsfrei. Das Camp war Ausfluß der Frühjahrskonferenz der Antikernkraftbewegung, die vom 23. bis 25. Mai in Münster stattfand. Die Mitglieder der "Arbeitsgemeinschaft .Forschungsreaktor München II Nie!'" bezeichneten sich in einer unmittelbar vor dem Aktionscamp verbreiteten Broschüre als "Menschen aus linken/anarchistischen Zusammenhängen". Widerstand gegen "Atomanlagen" sei für sie "Teil des Kampfes für eine herrschaftsfreie Gesellschaft". In der Broschüre heißt es: "Eine besondere Stärke des Anti-Atom-Widerstands war und ist seine Vielfalt. ... das Zusammenspiel von lokalen Bürgerinneninitiativen, militanten Pazifistinnen' und Autonomen Gruppen, all das gibt eine brisante Mischung, die der Atommafia schwer zu schaffen macht. Der Widerstand gegen Atomanlagen war für viele Menschen ein entscheidender Ansatz, den Staat und seine Gesetze nicht mehr als Handlungsspielraum zu akzeptieren ... (...) Eine wichtige Aufgabe für die Anti-Atomkraft-Bewegung ist es auch, nicht im reinen Teilbereichskampf stecken zu bleiben, sondern die Verantwortlichen zu bekämpfen, die dahinterstehen ... (...) Vom Widerstand gegen den Atomstaat zur sozialen Revolution!" Personen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit der autonomen Szene zuzurechnen sind, verübten 1997 in Bayern mehrere themenbezogene SachbeschädiSachbeschädigungen. So warfen in der Nacht zum 3. Februar unbegungen kannte Täter am Verwaltungsgebäude des Energieversorgungsunternehmens der Stadt Coburg insgesamt vier Fensterscheiben ein und Farbbeutel mit gelber Farbe an die Wand. In einem Selbstbezichtigungsschreiben kritisierten die Verfasser die Kernenergiepolitik Deutschlands und auch den Neubau des FRM IL In den frühen Morgenstunden des 27. Oktober verübten bislang unbekannte Täter Anschlag auf einen Anschlag auf die Bahnstrecke Aschaffenburg-Darmstadt. Eine die Bahn auf die Oberleitung geworfene Hakenkralle riß einem Reisezug einen Linksextremrsmus 147 Strombügel ab. In einem kopierten Selbstbezichtigungsschreiben, welches mit "Tod der Atomkraft" überschrieben war, griffen die Verfasser unter anderem neue Castor-Transporte an. Für bayerische Autonome ist die Auseinandersetzung mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie - wie bisher - nur ein Aufhänger für ihre anarchistischen Ziele. Die bayerische PDS bemüht sich inzwischen, dieses Feld zu besetzen. Es ist aber unwahrscheinlich, daß die PDS auf den bayerischen "Anti-Atom-Kampf" wesentlichen Einfluß nehmen kann. 5.3 Ausblick Die Antikernkraftbewegung nutzt mit Unterstützung von Linksextremisten den Schwung, den sie durch die "Gorleben-Kampagne" gewonnen hat. Sie wird sich dabei nicht nur auf Castor-Transporte in die Zwischenlager Gorleben und Ahaus konzentrieren. Neue Schwerpunkte im Anti-Kernkraft-Widerstand sollen mit den geplanten AktioNeue nen gegen das Kernkraftwerk Krümmel, die Transporte zu den WieSchwerpunkte deraufbereitungsanlagen La Hague und Sellafield sowie gegen die Energieversorgungsunternehmen und Betreiberfirmen gesetzt werden. Mit sogenannten Bahnaktionstagen verfolgen die Atomkraftgegner Angriffe gegen das Ziel, die Deutsche Bahn AG als ein am "Atomgeschäft" beteiligBahnanlagen tes Unternehmen zum Ausstieg aus den Transporten radioaktiven Materials zu zwingen. Die gegen Einrichtungen der Bahn propagierten vielfältigen Aktionen sollen diesen Prozeß offensichtlich beschleunigen. Demzufolge muß mit einer deutlichen Verschärfung der bisherigen Vorgehensweise gerechnet werden, wobei die Linksextremisten eine entscheidende Rolle spielen werden. Auch die zunehmende Akzeptanz des gleichberechtigten Nebeneinander von friedlichem und militantem Widerstand durch Bürgerinitiativen trägt zur Verschärfung bei. Zur Gewaltfrage äußerte sich ein Anhänger einer im Antikernkraftbereich aktiven Gruppe in Ahaus in einem Interview der Tageszeitung "taz" vom 17. April. Das Interview erfolgte im Zusammenhang mit den geplanten Protesten gegen das Zwischenlager für radioaktive Abfälle in Ahaus vom 30. April bis 3. Mai. Darin heißt es: "Wir lehnen Gewalt ab - bei gewaltfreiem Widerstand hat es der Staat außerdem schwerer, uns zu kriminalisieren. Eine andere Frage ist aber, wie 148 Linksextremismus wir Gewalt definieren. Gewalt gegen Personen kann auf keinen Fall Sache der Anti-Atom-Bewegung sein. Aber Sabotage und Sachbeschädigung aus politischer Überzeugung kann eine legitime Sache sein." Auf die Frage, wie "Gewaltfreie und Gewaltbereite unter einen Hut" zu bringen seien, antwortete der Interviewpartner: Tolerierung von "Wir haben diesmal im Mai, ein besonderes Konzept in Ahaus: Auf den Gewalt Streckenabschnitten haben Spektren mit ihren eigenen Widerstandsformen Platz." Im Rahmen der Anti-Castor-Kampagne mobilisieren neben nichtextremistischen Bürgerinitiativen auch militante Linksextremisten und sogenannte gewaltfreie Anarchisten zu vielfältigen Widerstandsaktionen. Diese sehen in ihrer Beteiligung an der Anti-Castor-Kampagne Instrumentalinach wie vor einen geeigneten Ansatzpunkt zur Umsetzung ihrer sierung demokraeigenen politischen Ziele. Zwar wurde Gewalt gegen Personen bisher tischer Gruppen auch von militanten Linksextremisten überwiegend abgelehnt, gelegentlich aber mit der Einschränkung, daß keine Gewalt gegen "Unbeteiligte" ausgeübt werde. Daß es Linksextremisten in der Antikernkraftbewegung nicht nur um die sofortige Abschaltung aller "Atomanlagen" geht, sondern um eine Überwindung der Herrschaftsverhältnisse, zeigt die Forderung der Münchner "Arbeitsgemeinschaft ,Forschungsreaktor München II Kampf gegen N i e ! ' " , wonach das Bauprojekt - als in einem gesamtgesellschaftden Staat liehen Zusammenhang stehend - bekämpft werden müsse: "Entsorgen wir den Atomstaat und das Herrschende System." Dagegen stoßen bei bayerischen autonomen Gruppierungen die Proteste gegen das Zwischenlager Gorleben auf wenig Resonanz. Das Interesse an dieser Thematik hat sich auch durch eine Verlagerung der Aktivitäten nach Ahaus nicht gesteigert. Bestimmendes Thema der Autonomen in Bayern ist nach wie vor "Antifaschismus". 6. Nutzung moderner Kommunikationsmittel durch Linksextremisten Für ihre Agitation nutzen Linksextremisten seit mehreren Jahren die Vorteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten. Bevorzugt werden Mailboxen, das Mailbox-System "Spinnennetz" und das internationale Informationssystem Internet. Linksextremismus 149 Von den Mailboxverbundsystemen sind für Linksextremisten nach wie Mailboxvor das im Januar 1991 von Autonomen gegründete "Spinnennetz" Verbundsysteme und das COMUNK-Netz (CL-Netz) von Bedeutung. Das als Informationsdienst gegründete "Spinnennetz" verbreitete zunächst auf dem manuellen Postweg Nachrichten aus dem autonomen Spektrum in Info-Läden. In kürzester Zeit entwickelte sich dieser Dienst zu einer internationalen Datenvernetzung politischer Gruppen und Organisationen. Sehr rasch kam es zur Ausdehnung des Netzes über Bonn, Berlin und Göttingen bis nach Amsterdam und Kopenhagen. Die Betreiber sehen sich weniger als High-Tech-Freaks, sondern betrachten die Kommunikation über Computer als ein geeignetes Mittel, das sich für ihre politischen Zwecke nutzen läßt. Dies zeigt sich insbesondere darin, daß die regelmäßig stattfindenden "Antifa-Treffen" frühzeitig im Netz angekündigt und organisiert werden. Im Vergleich zu anderen Mailbox-Netzen ist der Zugang zum "SpinBeschränkter nennetz" nicht ohne weiteres für jedermann möglich, die VerbundZugang struktur ist konspirativ aufgebaut. Im Informationsangebot wird weniger auf die Weitergabe von Nachrichten als auf die Ankündigung von Veranstaltungen und Aktionen Wert gelegt. Bundesweit dürften derzeit etwa 100 Einzelpersonen bzw. Gruppen das Spinnennetz nutzen. Das CL-Netz, das auch im Internet vertreten ist, entstand 1993 mit der Mailbox "Link-M" in München. Ziel war es von Anfang an, gesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen eine moderne Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Die Informationsschwerpunkte im CL-Netz liegen auf den AgitaSchwerpunkttionsthemen Umwelt, Frieden und Menschenrechte. Die Beiträge reithemen chen von Veranstaltungshinweisen über Kommentare zum aktuellen politischen Tagesgeschehen bis hin zu Informationen über Castor-Transporte. Darüber hinaus wird auch über Aktivitäten in der rechtsextremistischen Szene berichtet, insbesondere über die "Anti-Antifa-Bewegung". Das CL-Netz bietet derzeit über 200 Bretter zu verschiedenen Themenbereichen an. Im CL-Netz sind momentan mehr als 200 Mailboxen zusammengefaßt, unter anderem: Mailbox Link-M in München, - Mailbox FINESTRA in Hamburg, 150 Linksextremismus - Mailbox CL-IM in Hamburg, - Mailbox LIZARD in Nürnberg, - Mailbox LINK-SAD in Schwandorf, - Mailbox AMAZONAS in Sauerlach, - Mailbox Info-Ist in Istanbul/Türkei. Verwaltet und betreut wird dieses Mailbox-Netz durch den Verein Kommunikation und Neue Medien e.V. in München. Für die landesund bundesweite sowie die internationale Kommunikation werden diese Mailboxverbundsysteme zunehmend durch das internet Internet ergänzt. Darin werden, zum Teil über ausländische Anbieter, sogenannte Provider, ebenso wie von Rechtsextremisten und ausländischen Gruppen Nachrichten und Publikationen, mit teilweise strafbarem Inhalt, verbreitet. Nahezu alle Spektren des Linksextremismus nutzen das Internet für Eigene Angebote ihre Belange. Die DKP, die SDAJ und die PDS sind mit eigenen Angeim Internet boten vertreten. Die PDS nutzt die Kommunikationsmöglichkeiten im Internet seit Anfang des Jahres 1996. Verschiedene Gliederungen der Partei, wie der Bundesvorstand, die Abgeordnetengruppe PDS im Deutschen Bundestag, mehrere PDS-Basisorganisationen und die Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS, sowie Einzelpersonen der PDS sind neben einer sogenannten Startseite der PDS bereits mit eigenen "homepages" vertreten. Daneben bedienen sich auch eine Vielzahl sowohl größerer als auch kleinerer autonomer und anarchistischer Gruppen der Möglichkeiten des Internets, wie beispielsweise die Autonome Antifa (M) in Göttingen als Kopf der AA/BO oder das Autonome Kulturzentrum Würzburg (AKW). Die Beiträge reichen jeweils von Selbstdarstellungen, über ein Angebot spezifischer Publikationen, z.B. der anarchistischen "graswurzelrevolution", bis hin zu Veranstaltungsaufrufen. Eine weitere Publikation, die im Internet abrufbar ist, sind die "Antifaschistischen Nachrichten". Die einzelnen Ausgaben, deren Abonnement ebenfalls "online" möglich ist, werden seit 1996 angeboten. Herausgeber sind u.a. Personen aus der Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). Linksextremismus 151 7. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1997 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) 1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 1.1 Kernorganisationen: Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 600 6.200 Unsere Zeit (UZ) 13 Bezirksorganisationen, aufgeteilt wöchentlich, 10.100 in Kreisund Grundorganisationen Marxistische Blätter 26.09.1968, Essen zweimonatlich, 3.000 Partei des Demokratischen 104.000 Neues Deutschland (ND) Sozialismus (PDS) - PDS-nahe Zeitung - - neuer Name beschlossen werktäglich, 70.000 auf SED-Parteitag am DISPUT 16/17.12.1989 -, Berlin monatlich, 10.000 PDS-Pressedienst wöchentlich, 2.200 UTOPIE-kreativ-Diskussion sozialistischer Alternativen monatlich, 800 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS monatlich, 1.500 PDS Landesverband Bayern 450 TITEL (Informationsforum mit 8 Kreisverbänden und der PDS Bayern) 22 Basisorganisationen unregelmäßig, 500 11.09.1990, München Verein für Arbeiterbildung Nordbayern 50 Nordbayerischer Landbote 28.03.1993, Fürth unregelmäßig, 100 Arbeiterbund für den Wiederaufbau 100 200 Kommunistische der KPD (AB) Arbeiterzeitung (KAZ) 1973, München vierteljährlich Marxistisch-Leninistische 140 2.500 Rote Fahne Partei Deutschlands (MLPD) wöchentlich, 5.000 10 Parteibezirke, über 100 lernen u. kämpfen (luk) Ortsgruppen und Stützpunkte monatlich, 1.000 17./18.06.1982, Essen 152 Linksextremismus Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1997 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 25 200 Politische Berichte 7 Landesarbeitsgemeinschaften vierzehntägig, 1.000 20./21.09.1980, Köln Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 25 150 Sozialistische Zeitung (SoZ) 24725.06.1995, Köln vierzehntägig, 2.000 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 30 600 Sozialismus von unten Frankfurt am Main vierteljährlich Linksruck monatlich Kommunistischer Bund (KB) Hamburg (aufgelöst am 20.04.1991) Nachfolgegruppen: 100 analyse und kritik (ak) Gruppe K monatlich Gruppe Mehrheit KB-Gruppe Nürnberg 20 Marxistische Gruppe (MG) München 700 10.000 GEGENSTANDPUNKT 1969/70 AK Rote Zellen, München (Aktive) Herausgeber: ehemalige ("aufgelöst" zum 01.06.1991) Funktionäre der MG vierteljährlich, 7.000 1.2 Nebenorganisationen: Nebenorganisation der DKP: Sozialistische Deutsche 50 200 position Arbeiterjugend (SDAJ) zweimonatlich, 600 Landesverbände, Kreisverbände und Ortsgruppen 04./05.05.1968, Essen Nebenorganisation der MLPD: Jugendverband REBELL 20 Rebell - Beilage zur Roten Fahne 1.3 Beeinflußte Organisationen: DKP-beeinflußt: Vereinigung der Verfolgten des 650 7.000 antifa-rundschau Naziregimes - Bund der Antivierteljährlich, 9.000 faschisten (VVN-BdA) Landesvereinigungen mit Kreisund Ortsvereinigungen 15.-17.03.1947, Frankfurt am Main Linksextremismus 153 Organisation (einschließlich Mitglieder Ende 1997 Publikationen (einschließlich Gründungsdatum und Sitz) Bayern Deutschland Erscheinungsweise u. Auflage) MLPD-beeinflußt: Frauenverband Courage 20 600 Courage vierteljährlich AB-beeinflußt: Antifaschistisches Komitee 90 - Stoppt die schwarzbraune Sammlungsbewegung (AKS) in München und Regensburg BWK-beeinflußt: Volksfront gegen Reaktion, 40 200 Mitteilungen Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) vierteljährlich 06.10.1979, Köln Trotzkistisch beeinflußt: Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) 50 350 Vorfeldorganisation der trotzkistischen "Sozialistischen Alternative VORAN" (SAV) 1992, Köln 2. Autonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten Autonome etwa über zum Teil unregelmäßig 500 6.000 erscheinende Szeneblätter wie: radikal, INTERIM; auf lokaler Ebene u.a: barricada davon: Antifaschistische Aktion/Bundes40 unregelmäßig erscheinende weite Organisation (AA/BO) Publikationen, für die die Juli 1992 AA/BO als Herausgeber verantwortlich zeichnet 3. Von mehreren Strömungen des Linksextremismus beeinflußt Münchner Bündnis gegen Rassismus 30 München Antifaschistisches Aktionsbündnis 20 Nürnberg Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitee 20 München 154 Ausländerextremismus 3. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines Einstufung als Ausländergruppen werden als extremistisch eingestuft, wenn sie sich extremistisch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Dazu zählen insbesondere die Organisationen islamischer Extremisten, die als Endziel einen islamischen Staat, wie z.B. im Iran, auch in Deutschland durchsetzen und damit wesentliche Verfassungsgrundsätze beseitigen wollen. Extremistische Ziele verfolgen auch Gruppierungen, die eine gewaltsame Änderung der politischen Verhältnisse im Heimatland erstreben und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Aufwärtstrend Die Mitgliederzahl der extremistischen Ausländervereinigungen erhöhte sich in Bayern von 9.700 im Jahre 1996 auf 10.050*. Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatten dabei linksextremistische und extrem nationalistische türkische Gruppen. Wie im Vorjahr stellten die Organisationen extremistischer Türken (einschließlich kurdischer Volkszugehöriger) mehr als 90 % aller ausländischen Extremisten in Bayern. Extremistische Ausländergruppen versuchen verstärkt, in Bayern lebende ausländische Jugendliche für ihre Ziele zu interessieren. Dies führt zu einer erheblichen Gefährdung junger türkischer Staatsangehöriger. GefährdungsEine erhebliche Bedrohung der Inneren Sicherheit geht nach wie vor Potential von linksextremistischen kurdischen und türkischen Gruppen aus. Von besonderem Gewicht sind dabei die Aktivitäten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die nach wie vor eine der militantesten Organisationen ausländischer Extremisten ist. Wie bisher kann sie in den westeuropäischen Ländern eine hohe Zahl kurdischer Volkszugehöriger als Sympathisanten mobilisieren. Das gegen die PKK in Deutschland verfügte vereinsrechtliche Betätigungsverbot hat sich bewährt. Mit eingerechnet sind dabei auch rund 2.000 Anhänger der seit 26. November 1993 in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Ausländerextremismus 155 Es erlaubt ein Versammlungsund strafrechtliches Vorgehen, das zur weiteren Aufklärung und Unterbindung unzulässiger PKK-Aktivitäten beiträgt. Die konsequente Durchsetzung des PKK-Verbots hat die öffentlichen Aktivitäten der PKK stark eingeschränkt. Die Organisation arbeitet aber weiterhin konspirativ im Untergrund. Im Gegensatz zu den Vorjahren unterblieben - von Einzelfällen abgesehen - gewalttätige Ausschreitungen von PKK-Anhängern, die sich weitgehend an den von ihrem Generalvorsitzenden Öcalan diktierten Kurs des Gewaltverzichts in Deutschland hielten. Dies veranlaßte den Generalbundesanwalt, den strafrechtlichen Vorwurf, eine in Deutschland aktive "terroristische Vereinigung" zu sein, gegen die PKK-Führungskader fallenzulassen. Die Bundesregierung hat aber keinen Zweifel daran gelassen, daß sie die PKK weiterhin als eine internationale terroristische Vereinigung betrachtet und das Vereinsverbot bestehen bleibt. Der beträchtliche Einfluß der PKK-Kader auf hier lebende Kurden und die intakte Organisation ermöglichen es der PKK, auch in Deutschland jederzeit zur Gewalt zurückzukehren, wenn ihr dies opportun erscheint. Außerdem tritt die PKK mit kriminellen Handlungen wie Spendengelderpressungen in Erscheinung. Interne Auseinandersetzungen blockierten die Aktionsfähigkeit der revolutionär-marxistischen türkischen Gruppen. Die auf deutschem Boden erneut eskalierenden Flügelkämpfe zwischen Anhängern der konspirativ tätigen Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) verweisen auf deren unveränderte Militanz und kriminelle Energie. Die alljährlichen Spendenkampagnen ausländischer Linksextremisten erreichten nicht die vorgegebenen Ziele, obwohl die Sammler ihre Methoden verfeinert haben, um ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden zu erschweren. So unterbleibt auf den Quittungsblöcken ein Hinweis auf die jeweilige Organisation. Quittungen und Spendengelder werden getrennt verwahrt; die Herkunft der bei mutmaßlichen Spendensammlern aufgefunden Beträge läßt sich damit kaum mehr rekonstruieren. Gelegentlich werden Spenden auch mit Gewalt eingetrieben. Aus Furcht vor Repressionen verzichten die Geschädigten vielfach auf Anzeigen. Türkische Nationalisten verzeichneten weiterhin einen leichten Aufwärtstrend und Werbeerfolge insbesondere bei Jugendlichen. Dagegen ließ der Rücktritt des islamisch-fundamentalistisch orientierten türkischen Ministerpräsidenten Prof. Necmettin Erbakan seine Anhänger im Bundesgebiet zunehmend resignieren und die Mitgliederentwicklung stagnieren. Gleichwohl sind die Gruppierungen isla- 156 Ausländerextremismus misch-extremistischer Türken die weitaus größten und mitgliederstärksten Organisationen extremistischer Ausländer in Bayern und in Deutschland. Sie bedürfen aufgrund der weltweiten Entwicklung des islamischen Fundamentalismus und der teilweise massiven Polarisierung zwischen hier lebenden muslimischen Bevölkerungsgruppen einer sorgfältigen Beobachtung. Arabische und iranische Extremisten stellen derzeit kein akutes Sicherheitsrisiko dar. Gleiches gilt für Angehörige albanischer, bosnischer, kroatischer und serbischer Volksgruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Mitgliederstärke extremistischer Ausländerorganisationen in Bayern (in Klammern die Vergleichszahlen des Vorjahres) LinksExtreme Islamische Gesamtzahl extremisten Nationalisten Extremisten Mitglieder Kurden 2.250 (2.000) 2.250 (2000) Türken 550 (450) 1.500 (1.400) 5.150 (5.250) 7.200 (7.100) Sonstige* 210 (240) 70 (90) 320 (270) 600 (600) Gesamtzahl 3.010 (2.690) 1.570 (1.490) 5.470 (5.520) 10.050 (9.700) * Albaner, Araber, Inder, Iraner, Srilanker u.a. 2. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 2.1 Ideologie und Organisation MarxistischDie in der Türkei verbotene PKK ist eine straff organisierte Kaderleninistische Organisation, die unbeeindruckt von den politischen Veränderungen Kaderorganisation in den ehemals kommunistischen Ostblockstaaten an ihrer marxistisch-leninistischen Ideologie festhält. In ihrem Programm fordert sie einen "unabhängigen und demokratischen" Kurdenstaat unter Führung der PKK. Zeitweise propagierte sie eine Föderation im Südosten der Türkei. Ihr "Generalvorsitzender" Abdullah Öcalan würde angeblich auch ein bundesstaatliches Modell nach Schweizer Vorbild akzeptie- Ausländerextremismus 157 Mitglieder Entwicklung 120.000 der Mitgliederzahlen 101.600 100.000 extremistischer Ausländer80.000 organisationen 60.000 58.200 Deutschland 40.000 20.000 6 7nn Bayern 10.050 o 19 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 Ausländische Extremisten in Deutschland Ausländische Extremisten in Bayern 158 Ausländerextremismus ren. Seit 1984 führt die PKK mit ihrer in den Kurdengebieten operierenden GueriHatruppe Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) einen erbitterten Untergrundkampf gegen den türkischen Staat. In Deutschland unterliegt sie einem am 26. November 1993 vom Bundesministerium des Innern verfügten vereinsrechtlichen Betätigungsverbot. Die Zentrale der hierarchisch gegliederten und äußerst konspirativ arbeitenden PKK befindet sich in Damaskus/Syrien. Als "politischer Tarnorganisationen Arm" der Vereinigung unterstützt die 1985 gegründete, in das bunder PKK desweite Betätigungsverbot einbezogene internationale Teilorganisation Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) die Interessen und Ziele der PKK sowohl materiell als auch propagandistisch. Darüber hinaus bedient sich die PKK mehrerer rechtlich selbständiger, vom Verbot nur zum Teil erfaßter NebenorgaFahne der ARGK nisationen, wobei sie bestrebt ist, deren personelle und organisatorische Verflechtungen mit der "illegalen", d.h. konspirativ arbeitenden, FühSymbol der PKK rungsebene zu tarnen. Mit solchen "legalen" Verbänden versucht sie, sowohl in der Türkei als auch im westlichen Ausland ihren Rückhalt in der kurdischen Bevölkerung zu festigen und für ihre Ziele zu werben. Zur Erweiterung ihres Einflusses auf nahezu alle Lebensbereiche Emblem der ERNK der in Deutschland lebenden Kurden gründete die PKK außerdem als "Massenorganisationen" die sogenannten "Y-Gruppen" u.a. für Arbeiter, Frauen, Jugend und Intellektuelle, außerdem örtliche Vereine, die sich z.B. hinter angeblich kulturellen oder sportlichen Zwecken tarnen. AlleinvertretungsDie PKK verfolgt mit großer Aggressivität ihren vermeintlichen Ananspruch spruch auf alleinige politische Vertretung des kurdischen Volkes, obwohl ihr Sympathisantenpotential in Deutschland allenfalls etwa zehn Prozent der hier lebenden 500.000 Kurden umfaßt. Gemäßigten kurdischen Gruppen bleibt neben der PKK wenig Spielraum. Ausländerextremismus 159 Die PKK finanziert sich u.a. aus Mitgliedsbeiträgen und dem Verkauf Finanzierung von Publikationen. Eine wesentliche Einnahmequelle sind die Spenden der in Westeuropa lebenden Sympathisanten. Seit Jahren belegen zahlreiche Informationen, daß die von der PKK beauftragten Spendensammler unverändert psychischen Druck auf zahlungsunwillige Kurden ausüben und ihre Forderungen mitunter auch gewaltsam durchsetzen. Die diesjährige Spendenkampagne von Anfang Oktober 1996 bis Mitte Februar 1997 sollte wie im Vorjahr rund 30 Millionen DM erbringen. Dieses Ziel wurde weit verfehlt. Auch in Bayern blieb das Spendenergebnis deutlich hinter den Erwartungen zurück: Von den geplanten 2,5 Millionen DM wurden nur etwa 35 %, also 875.000 DM, gesammelt. Ferner gibt es Hinweise, daß die PKK zumindest indirekt vom Rauschgifthandel profitiert, indem sie im Rahmen ihrer Spendensammlungen auch Gelder bei kurdischen Drogendealern abschöpft. ^ . Emblem der FEYKA-Kurdistan Das gegen die PKK und ERNK verfügte Betätigungsverbot ist bestandskräftig. Die Klagen der Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan), der Berxwedan Verlags GmbH und der PKK-Nachrichtenagentur KURD-HA wurden schon im Vorjahr zurückgezogen bzw. als unbegründet abgewiesen. Auch die Klage des Kölner ; Kurdistan-Komitees e.V. blieb in der Hauptsache erfolglos, da das Bundesverwaltungs gericht das Verbot mit Urteil vom 9. Dezember bestätigte. Seit dem Verbot ist die Tätigkeit in und für die PKK in Deutschland strafbar. Dies konnte die PKK aber nicht hindern, weiter aus dem Untergrund heraus zu operieren. Ihre "illegalen" Strukturen werden durch die Festnahme führender Kader nur kurzfristig blockiert. Nach wie vor sammelt die Trotz Verbots PKK Spenden und benutzt Deutschland als Rekrutierungsraum für weiterhin aktiv Kämpfer. Die Zerschlagung "legaler" Strukturen erschwert es ihr aber, bei den hier lebenden Kurden und auch in der deutschen Öffentlichkeit für ihre Ziele zu werben und Aktivisten zu gewinnen. Die Anhänger und Sympathisanten der PKK sind deshalb bestrebt, durch Gründung von Einrichtungen, die nach außen keinen Bezug zur PKK erkennen lassen, neue organisatorische Strukturen aufzubauen. 160 Ausländerextremismus Neue organisatoSo setzte die Anfang 1994 in Düsseldorf gewerberechtlich angemelrische strukturen dete Kurdisch-Deutsche Presseagentur (KURD-A) bis Mitte 1996 die Tätigkeit der verbotenen KURD-HA fort. Mutmaßliche Nachfolgerin ist die Nachrichtenagentur DEM in Köln. Das Kurdistan InformationsZentrum (KIZ) in Köln führt seit Mai 1995 die Aktivitäten des im März 1995 vom Bundesministerium des Innern verbotenen Kurdistan Informationsbüros in Deutschland (KIB) fort. Das KIB hatte im Dezember 1993 nach dem Verbot des Kölner Kurdistan-Komitees e.V. dessen Tätigkeit übernommen. Die am 27. März 1994 gegründete Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) mit Sitz in Bochum nimmt mittlerweile die Funktion der verbotenen FEYKA-Kurdistan wahr. Außerdem verfolgt die PKK die Taktik, ursprünglich unpolitische Aktivitäten wie Kulturund Sportveranstaltungen für ihre Zwecke zu nutzen und dort für ihre Ziele zu werben. Organisation In Deutschland ist die PKK in zehn "Regionen" gegliedert, die neuerdings in drei "Sektoren" zusammengefaßt sind. Die Region Bayern unterteilt sich in die "Gebiete" München, Nürnberg und Ulm. Die Führer der nachgeordneten Teilgebiete und Ortsgruppen sind zu striktem Gehorsam gegenüber dem nächsthöheren Gremium verpflichtet. In Deutschland zählt die PKK wie im Vorjahr weit über 9.000 Anhänger, davon etwa 2.000 in Bayern mit Schwerpunkten in den Räumen Ingolstadt, München und Nürnberg. Wie bisher kann sie darüber hinaus in Deutschland und im benachbarten westlichen Ausland Zehntausende von Anhängern und Sympathisanten mobilisieren. 2.2 Unterstützer und Strategie Die PKK wird nach wie vor von deutschen linksextremistischen Gruppierungen unterstützt, die insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots fordern. Bundesweit setzen sich neben der Partei des Demokra"Kurdistantischen Sozialismus (PDS) rund 30 "Kurdistan-Solidaritätsgruppen" Solidaritätsfür die Interessen der PKK ein, davon vier in Bayern. Das Spektrum gruppen" der Linksextremisten, die in diesen Gruppierungen mitarbeiten, reicht von der PDS über die DKP bis hin zur Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP). Die Unterstützer treten durch Demonstrationen, mit Info-Tischen oder Podiumsdiskusssionen für Ziele und Politik der PKK ein. Die Aufhebung des PKK-Verbots ist ihr vorrangiges Ziel. Auch Teile des demokratischen linken Spektrums sympathisieren mit der PKK. Das rund zwanzig Mitglieder umfassende "Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitee" wurde 1994 auf Initiative des "Münchner Bündnis- Ausländerextremismus 161 ses gegen Rassismus" gegründet. Die führende Person des Komitees ist ein DKP-Funktionär, der auch Mitherausgeber des "Kurdistan-Rundbriefs" ist. Diese Publikation verbreitet Nachrichten aus Kurdistan. In ihren Kommentaren vertritt sie Positionen der PKK. Der "Kurdistan-Solidarität Nürnberg/Erlangen" gehören rund zehn Personen an. Die Gruppe war Mitherausgeberin des in Hannover verlegten Informationsblattes "Biji - Informationen aus Kurdistan und der BRD", das Anfang 1998 sein Erscheinen einstellte. In Landshut ist die "Flüchtlingshilfe Kurdistan" ansässig. Die fünf Mitglieder der Gruppe informieren über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei/Kurdistan. Der "Kurdistan Solidarität Allgäu-Oberschwaben" gehören rund zehn Personen an. Ihre umfangreichen Aktivitäten reichen vom gesamten schwäbischen Raum bis hin nach Baden-Württemberg. Mit Hilfe eines von ihr initiierten "Kurdischen Exilparlaments" ver"Kurdisches sucht die PKK, politische Anerkennung und internationale UnterstütExilparlament" zung zu erreichen. Diesem Gremium, das sich nach längeren Vorbereitungen am 12. April 1995 in Den Haag/Niederlande konstituierte, gehören 65 "Abgeordnete" an. Es hat keinen festen Sitz und tritt jeweils aus aktuellem Anlaß kurzfristig zusammen. Bei diesem "Exilparlament" handelt es sich weder um ein echtes, aus freien Wahlen hervorgegangenes Parlament, noch kann es für sich in Anspruch nehmen, im Namen aller Kurden zu sprechen. Vielmehr stellt es ein von der PKK maßgeblich gesteuertes Propagandainstrument dar. Die überwiegende Mehrheit der 65 Mitglieder des "Exilparlaments" gehört der PKK, der ERNK, den sogenannten "Y-Gruppen" (Massenorganisationen der PKK) sowie der PKK-nahen "Demokratie-Partei" (DEP) an. Auch aus dem Programm des "Kurdischen Exilparlaments" ist klar erkennbar, daß die PKK die dominierende Rolle spielt. Die Betonung liegt eindeutig auf der Unterstützung und Förderung des nur von der PKK geführten "nationalen Befreiungskampfs", also der Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele. Mit Hilfe ihrer Jugendorganisation "Union der Jugendlichen aus KurRekrutierung distan" (YCK) versucht die PKK gezielt, Nachwuchs für ihren "BefreiJugendlicher ungskampf" in der Türkei bzw. für Unterstützungsaktionen in Deutschland zu rekrutieren. Dabei bedient sie sich zahlreicher der YEK-KOM angegliederter Vereine oder Sportclubs, um zunächst das Interesse junger Kurden an ihrer Kultur bzw. das Bewußtsein ihrer Identität zu wecken. Die anschließende Indoktrination, die den 162 Ausiänderextremismus Betroffenen die Politik und Ideologie der PKK vermitteln soll, reicht bis hin zu praktischen Schulungen für militante Aktivisten der YCK, den sogenannten "Sahinler" (Falken). Unterstützt wird dieses Vorgehen durch Berichte und Bilder des YCK-Organs "Sterka Ciwan" (Stern der Jugend), das über behauptete Greueltaten der türkischen Streitkräfte informiert und gleichzeitig den Alltag kurdischer Guerillakämpfer verklärt und heroisiert. Auffallend ist, daß die Zielpersonen zum Teil noch im Kindesalter sind. Das in der Türkei weiterhin ungelöste Kurdenproblem führt dazu, daß viele in Deutschland lebende, an sich eher unpolitische kurdische Jugendliche bereit sind, sich in themenbezogene Aktionen einbinden zu lassen. Mangels zugkräftiger Alternativen steigen dabei die Erfolgsaussichten der PKK insbesondere im Fall einer in der Heimat erlebten politischen Verfolgung. Ein Beschluß der YCK-Konferenz von Ende März, den PKK-Guerillaeinheiten neue Kräfte zuzuführen, läßt eine Fortsetzung der neuerdings verstärkten Bemühungen der PKK erwarten, kurdische Jugendliche für den Kampf in den kurdischen Gebieten zu gewinnen. Die PKK schult diese Jugendlichen ideologisch in Mitteleuropa. Anschließend werden sie zur weiteren Ausbildung in den Nahen Osten verbracht oder zum Kampfeinsatz in die Kurdenregion eingeschleust. Die PKK versucht, trotz des in Deutschland bestehenden Betätigungsverbots ihre Ziele konsequent unter Einsatz aller ihr geeignet erscheinenden Mittel durchzusetzen. Sie legt nach wie vor Wert darauf, zu bestimmten Anlässen - wie etwa dem kurdischen Neujahrsfest "Newroz" (21. März) - | Handlungsfähigkeit und Präsenz zu zeigen. Im , Rahmen ihrer in Deutschland und Europa verfolg- I ten Doppelstrategie will sie einerseits als vorgeblich moderate legale Gesprächspartnerin für die Lösung des Kurdenproblems akzeptiert werden. Zum anderen versucht sie, durch öffentlichkeitswirksame Aktivitäten ihre ungebrochene Schlagkraft zu demonstrieren. Ihr Ziel ist es, den von ihr geführten Doppelstrategie bewaffneten "Befreiungskampf" in der Türkei zu unterstützen. Von dem seit dem Vorjahr propagierten Gewaltverzicht in Deutschland erhofft sich Öcalan politische Anerkennung und die Aufhebung des PKK-Verbots. Sein derzeit "friedlicher" Kurs ist indes rein taktisch motiviert. Öcalan hat offensichtlich eingesehen, daß sich die gewalt- Ausländerextremismus 163 tätigen Ausschreitungen seiner Anhänger auf die Haltung der deutschen Bevölkerung gegenüber den Kurden negativ auswirkten. Zudem mußte er aufgrund der Maßnahmen der Sicherheitsbehörden eine Gefährdung des dringend benötigten "Ruheraums Deutschland" befürchten, wo sich die PKK im Rahmen jährlicher Spendenkampagnen die finanzielle Basis für die politische Arbeit der ERNK und den "militärischen" Kampf der ARGK schafft. Öcalans Gewaltverzicht bezieht sich zudem nur auf Anschläge gegen türkische und deutsche Einrichtungen in Deutschland, nicht aber auf sonstige Straftaten. So geht die PKK weiterhin intern mit gewaltsamen Disziplinierungsmaßnahmen gegen unbotmäßige Mitglieder vor. Gegen den Willen von Eltern, die oft selbst der PKK nahestehen, rekrutiert und verschleppt sie kurdische Jugendliche, um diese ideologisch für einen späteren Kampfeinsatz zu schulen. Nach wie vor verstoßen ihre Anhänger in Deutschland durch provokantes Verwenden von PKK-Symbolen insbesondere bei öffentlichen Versammlungen gegen das Betätigungsverbot. Drohungen und erneute Warnungen vor Türkeireisen anläßlich einer türkischen Militäroffensive gegen Stellungen der PKK im Nordirak im Mai belegen die unveränderte Militanz der PKK ungeachtet der von Öcalan derzeit bevorzugten "diplomatischen" Initiativen. 2.3 Aktivitäten Zum Abschluß der traditionellen Newroz-Feiern versammelten sich Newroz-Feiern am 26. April in Düsseldorf rund 45.000 Kurden aus dem gesamten Bundesgebiet zu einer Veranstaltung unter dem Motto "Zeit für Frieden in Kurdistan". Auf dem Weg zur Kundgebung, die aus wechselnden kulturellen Darbietungen und politischen Redebeiträgen bestand, zeigten die Teilnehmer Fahnen und Symbole der PKK sowie Bilder des Generalvorsitzenden Öcalan, während der Veranstaltung nur noch vereinzelt. Die Redner forderten ein Ende des Blutvergießens in Kurdistan, die Einstellung aller wirtschaftlichen und militärischen Hilfen Deutschlands an die Türkei und die Aufhebung des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland. Aus Anlaß einer Mitte Mai begonnenen Offensive türkischer StreitProtestaktionen kräfte gegen PKK-Stellungen im Nordirak kam es zu bundesweiten Protestaktionen. So demonstrierten am 17. Mai in Stuttgart rund 2.000 Personen in der Nähe des türkischen Generalkonsulats. Einige Teilnehmer skandierten PKK-Parolen. Annähernd 200 kurdische 164 Ausländerextremismus Demonstranten besetzten am 22. Mai die Eingangshalle eines Gebäudes der Vereinten Nationen (UN) in Genf. Beachtliches Am diesjährigen "Kurdischen Kulturund Friedensfestival" am 6. SepSympathisantentember in Köln beteiligten sich rund 70.000 PKK-Anhänger aus dem potential beim gesamten Bundesgebiet und dem westeuropäischen Ausland. jährlichen FestivalAnmelder der Veranstaltung war ein Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Zahlreiche Kundgebungsteilnehmer zeigten Fahnen der PKK und Transparente mit PKK-Emblemen. Als Redner traten u.a. der Vorsitzende des Kurdischen Exilparlaments Yasar Kaya sowie Mitglieder palästinensischer Organisationen und Repräsentanten des südafrikanischen "African National Congress" (ANC) auf. Eine über Lautsprecher ins Stadion eingespielte Ansprache des PKK-Generalvorsitzenden fand begeisterte Zustimmung. Öcalan kritisierte die angebliche Doppelmoral der europäischen Politik und forderte seine Anhänger auf, sich mit friedlichen Mitteln gegen den Krieg in Kurdistan zu engagieren. Zwar war die Veranstaltung in geringerem Umfang als im Vorjahr von verbotenen PKK-Symbolen geprägt. Einer geschickten Regie gelang es jedoch, die PKK optisch immer wieder unübersehbar in Erscheinung treten zu lassen. Plakate, Parolen und Redebeiträge hatten einen vorwiegend auf die PKK und die Person Öcalans ausgerichteten Bezug. Insgesamt bot der in ein Kulturprogramm eingebettete Ablauf der Veranstaltung für andere als PKKOrganisationen keinen Raum. Der PKK ist es damit ein weiteres Mal gelungen, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Ein von der PKK in Zusammenarbeit mit deutschen Linksextremisten "Europäischer als Werbemaßnahme geplanter "Europäischer Friedenszug Musa Friedenszug" Anter" brachte nicht den erhofften propagandistischen Erfolg. Der Zug sollte ursprünglich am 26. August in Brüssel abfahren und zum Weltfriedenstag am 1. September in Diyarbakir/Türkei eintreffen. Das Unternehmen scheiterte, da die Türkei die Einfahrt auf ihr Hoheitsgebiet untersagte. Außerdem hatte der Bundesgrenzschutz die Anweisung erhalten, im Zug befindliche Ausländer bei der Einreise nach Deutschland zurückzuweisen. Die Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) organisierte im November unter dem Motto "Dialog statt Verbot - Das Buskampagne ,PKK-Verbot' muß aufgehoben werden" eine Busfahrt durch das gegen das gesamte Bundesgebiet. Zahlreiche Kurdistan-Solidaritätsgruppen PKK-Verbot unterstützten die Aktion. Im Rahmen dieser Tour fanden in verschiedenen Städten Kundgebungen statt, die selbst in PKK-Kreisen kaum Resonanz fanden. In Bayern wurden Begleitveranstaltungen in Ausländerextremismus 165 München, Landshut und Nürnberg verboten. In München luden daraufhin Vertreter der Stadtratsfraktion der Grünen die Teilnehmer der Busfahrt am 17. November in das Rathaus ein. Bei der Auflösung der verbotenen Veranstaltung in Landshut wurden zehn Personen u.a. wegen versuchter j Gefangenenbefreiung und Widerstands gegen I Vollstreckungsbeamte vorläufig festgenommen. I 2.4 Exekutivmaßnahmen und m Strafverfahren " H7L~"' Eine für den 8. März von der "Initiative B o r m iflEr i 8. März" in Frankfurt am Main angemeldete * /Jtg^m^Wj,-i Kundgebung zum Weltfrauentag wurde von ffltmJJ? "' 1 B f c ^ * ' der Versammlungsbehörde verboten. Es J H Im J| lagen Hinweise vor, daß sich Anhängerin- * /." nen der "Union der freien Frauen aus Kur- M mL.,M 1> distan" (YAJK) an dem Aufzug beteiligen *''ilHTTTiflSf BW1"* und die Veranstaltung zur Werbung für die PKK mißbrauchen wollten. Am 9. März 1996 war es in Bonn bei einer ähnlichen Demonstration zu schweren Auseinandersetzungen zwischen PKK-Anhängern und Sicherheitskräften gekommen. Bei einer Durchsuchungsaktion am 15. April beschlagnahmte die Polizei in zwei Gebäuden der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Würzburg eine Fahne sowie zahlreiche Plakate und Schriften der PKK. Darüber hinaus wurden mehrere Schlagwerkzeuge sichergestellt. Aus Anlaß einer Mitte Mai begonnenen Offensive türkischer Streitkräfte gegen PKK-Stellungen im Nordirak fanden bundesweite Protestaktionen statt. Wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden Ermittlungsverfahren gegen vier Personen eingeleitet, die bei Kundgebungen am 17. bzw. 24. Mai in München Fahnen der PKK und ERNK gezeigt hatten. Am 19. Juni wurde bei einer Verkehrskontrolle auf der Bundesautobahn A 3 im Landkreis Aschaffenburg ein mutmaßlicher Kurier der PKK festgenommen. Die Polizei fand in seinem Fahrzeug 18 Kartons mit PKK-Publikationen, die zur Verbreitung in den PKK-Gebieten München, Nürnberg und Ulm bestimmt waren. 166 Ausländerextremismus Die Landeshauptstadt München verbot eine für den 6. Juli in den Räumlichkeiten des "Vereins für interkulturelle Zusammenarbeit e.V." (VIZ) in München geplante Gedenkveranstaltung kurdischer Aleviten für die "Märtyrer von Sivas". Anlaß der vorgesehenen Versammlung war ein Brandanschlag islamischer Extremisten auf ein Hotel in Sivas/Türkei am 2. Juli 1993, den die PKK dem türkischen Staat anlastete. Bei der Durchsuchung des Vereinslokals stellte die Polizei Propagandamaterial der PKK sicher. Innerhalb der PKK wurde bayernweit für eine am 16. August in Erding angemeldete "Kurdische Kulturveranstaltung" geworben. Mieter des Lokals war ein ehemaliges Mitglied des verbotenen Kurdischen Elternvereins e.V. in München. Das Landratsamt Erding verbot die Veranstaltung wegen des erkennbaren PKK-Bezugs. Eine für denselben Tag in Augsburg geplante Ersatzveranstaltung wurde per Allgemeinverfügung ebenfalls verboten. Am 31. August nahmen die Polizei in München vier Kurden fest, die insgesamt 57 Plakate der verbotenen Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) geklebt hatten. Der Generalbundesanwalt leitete Mitte November ein Ermittlungsverfahren nach SS 129 StGB zur Aufklärung der Strukturen einer kriminellen Vereinigung innerhalb der PKK ein, da die Führungskader der PKK bis zur Gebietsleiterebene hinab zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben notwendigerweise Straftaten in nicht unerheblichem Umfang begehen müssen. Dazu gehören Spendengelderpressungen, Bestrafungsaktionen zur Aufrechterhaltung der Parteidisziplin, Gebrauch von gefälschten Papieren und die Entziehung von Jugendlichen gegen den Willen ihrer Eltern zur Kaderausbildung. Mit Urteil vom 28. November bestätigte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das am 21. November 1995 vom Bayerischen Staatsministerium des Innern verfügte Verbot des Kurdischen Elternvereins e.V. in München, da ein wesentlicher Teil der Vereinstätigkeit auf die Fortführung der verbotenen PKK gerichtet war. In Bayern führte das konsequente Vorgehen der Sicherheitsorgane zu einer erheblichen Verunsicherung der PKK-Anhängerschaft. Durch die Verbote örtlicher PKK-Vereine wurde der Organisation die Möglichkeit genommen, problemlos Funktionärstreffen durchzuführen und auf die hier lebende kurdische Bevölkerung einzuwirken. Insgesamt zeigte der starke Verfolgungsdruck durch die Strafverfolgungsbehörden deutlich präventive Wirkung und ließ die Bereitschaft kur- Ausländerextremismus 167 discher Volkszugehöriger, sich öffentlich für die PKK zu engagieren, erkennbar sinken. Die Beeinträchtigung der Basisarbeit durch Exekutivmaßnahmen wirkte sich u.a. auf die Spendeneinnahmen aus. 3. Türkische Gruppen 3.1 Linksextremisten 3.1.1 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Die in Deutschland seit 1974 aktive TKP/ML vertritt die Ideologie des RevolutionärMarxismus-Leninismus, ergänzt um die Ideen Mao Tse-tungs. Sie bemarxistische tont den bewaffneten Kampf als Grundform ihres Handelns und ist Ideologie davon überzeugt, daß der einzige Weg zur "Befreiung" des türkischen Volks über den bewaffneten Volkskrieg mit anschließender Bildung einer "Volksregierung" führe. Ihr militärischer Zweig ist die Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO). Die TKP/ML ist in die Gruppen "Partizan" und "Ostanatolisches GeSpaltung in zwei bietskomitee" (DABK) gespalten. Die Anhänger beider Flügel waren Flügel bis zur Spaltung in den revolutionär-marxistischen Dachverbänden "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) und "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) organisiert, die sich als "demokratische" Massenorgansiationen präsentierten und ihre Verbindungen zur TKP/ML weitgehend tarnten. Um sich vom "Partizan"-Flügel abzugrenzen, haben sich beide Basisorganisationen des DABK im Sommer 1997 in "Föderation der demokratischen Rechte in Deutschland" (ADHF) bzw. "Konföderation der demokratischen Rechte in Europa" (ADHK) umbenannt. Bundesweit zählt die TKP/ML wie im Vorjahr insgesamt rund 2.000 Mitglieder, davon 190 (1996: 140) in Bayern. Der "Partizan"-Flügel ist seit Sommer 1997 mit einer eigenen "homepage" im Internet vertreten. Der anhaltende Machtkampf zwischen beiden Flügeln sowie persoReduzierte nelle und finanzielle Schwächen beeinträchtigten die öffentlichen Aktivitäten Aktivitäten. Eine in der Türkei bis in hohe Funktionärskreise des DABK reichende interne "Säuberungsaktion" mit dem Ziel, Kollaborateure mit den türkischen Sicherheitsorganen ausfindig zu machen und zu bestrafen, führte bei der Basis zu einer zusätzlichen Verunsicherung. Wie die Besucherzahlen der diesjährigen Gedenkveranstaltungen 168 Ausländerextremismus zeigten, verfügt die TKP/ML aber nach wie vor über ein erhebliches Sympathisantenpotential. Das DABK führte am 3. Mai in Köln die alljährliche Gedenkfeier zu Ehren des TKP/ML-Gründers Ibrahim Kaypakkaya durch. Die Teilnehmerzahl war mit rund 7.000 Personen fast doppelt so hoch wie im Vorjahr. Zu einer Gedenkveranstaltung des konkurrierenden "Partizan"-Flügels am 19. April in Gießen waren nur 1.500 Besucher erschienen. Am 11. Januar fand in Nürnberg eine Folkloreveranstaltung der TKP/ML statt, an der rund 400 Personen aus dem gesamten süddeutschen Raum teilnahmen. Über der Bühne war ein ca. 4 x 1 m großes Transparent mit Aufschrift TKP/ML angebracht. Im Zugangsbereich des Saales wurde Publikationsmaterial der Organisation angeboten. Die ATIK führte am 21./22. Februar in Memmingen eine Unterschriftenaktion gegen die seit 15. Januar geltende erweiterte Visumspflicht für Kinder aus der Türkei, Marokko, Tunesien und dem ehemaligen Jugoslawien durch. In Flugblättern behauptete sie, die Politik der Bundesregierung fördere Rassismus und Ausländerfeindlichkeit mit dem Ziel, eine Mauer zwischen deutschen und ausländischen Werktätigen zu errichten. Im Vergleich zu früheren Spendenaktionen zeichnet sich eine rückläufige Entwicklung der Einnahmen ab. Rund 60 % der in Europa gesammelten Gelder stammen aus dem Bundesgebiet, was die Bedeutung Deutschlands für die Finanzierung der TKP/ML unterstreicht. Während der diesjährigen Spendenkampagne der TKP/ML, deren Ziel auf rund zwei Millionen DM geschätzt wird, sind keine Fälle von Androhung oder Anwendung von Gewalt bekanntgeworden. 3.1.2 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Zu den militantesten türkischen Extremistengruppen zählt die sowohl in Deutschland als auch in der Türkei verbotene revolutionär-marxistische Devrimci Sol. Sie versteht sich als eine an den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus ausgerichtete Volksbewegung, die mit Hilfe einer bewaffneten Revolution auf die Zerschlagung des türkischen Staats zielt. Seit ihrer Gründung im Jahre 1978 verübte die terroristische Gruppe in der Türkei zahlreiche Schußwaffenund SprengstoffSpaltung in zwei anschlage. 1993 spaltete sie sich in zwei Lager. Die Anhänger des Flügel Devrimci-Sol-Leiters Dursun Karatas nennen sich inzwischen "Revolu- Ausländerextremismus 169 tionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C). Die Oppositionsgruppe führt die Bezeichnung "Türkische VolksbefreiungsparteiAfront" (THKP-C Devrimci Sol). Ihr Gründer Bedri Yagan wurde im März 1993 in der Türkei bei einem Polizei^S-sass einsatz getötet. Die von Haß geprägten Flügelkämpfe auf deutschem Boden sind durch eine erhöhte Gewaltbereitschaft gekennzeichnet. Auffallend ist die niedrige Hemmschwelle bei i der Verwendung von Schußwaffen, wobei J auch die Tötung von Personen in Kauf /' genommen wird (vgl. auch Nummer 1.4 des 5. Abschnitts). Bundesweit zählt die Gruppierung rund 1.300 (1996: 1.200) Anhänger, darunter 190 (1996: 170) in Bayern. Ortsgruppen des Karatas-Flügels mit insgesamt rund 150 (1996: 130) Mitgliedern bestehen in Aschaffenburg, München und Nürnberg; der Yagan-Flügel ist in Bayern nur durch Einzelmitglieder vertreten. Das Ende 1996 von Steigende der DHKP-C und der PKK unterzeichnete "gemeinsame Protokoll", Mitgliederzahlen das den ersten Schritt zum geplanten Aufbau einer "revolutionären Front" in der Türkei darstellen sollte, wurde bisher noch nicht erfolgreich in die Praxis umgesetzt. Die europaweite Spendenkampagne der DHKP-C läuft jeweils zum Finanzierung Jahreswechsel an. Die teilweise unter Androhung von Gewalt gesammelten Spenden stellen - wie bei der PKK und anderen linksextremistischen türkischen Organisationen - die Haupteinnahmequelle der Gruppierung dar und dienen der Unterstützung ihrer in der Türkei aktiven Guerillakämpfer. Die DHKP-C hat inzwischen ihre öffentlichen Treffen ins Ausland verVerlagerung lagert, um Verbote durch deutsche Behörden zu vermeiden. So führöffentlicher te sie am 5. April in Hengelo/Niederlande zum 3. Jahrestag ihres BeVeranstaltungen stehens und zum Gedenken an "revolutionäre Märtyrer" eine Veranins Ausland staltung mit überwiegend kulturellem Charakter durch. Daran beteiligten sich rund 4.500 Personen, darunter auch eine Delegation aus Deutschland. Ein Redner würdigte die Erfolge der DHKP-C und das im Dezember 1996 mit der PKK geschlossene Bündnis. Eine ursprünglich für den 8. November in Iserlohn geplante Veranstaltung fand nach einem Verbot am 9. November in Genk/Belgien statt. 170 Ausiänderextremismus Tarnveranstaltung Am 14. Juni fand in Aschaffenburg eine als Konzert der türkischen in Bayern "Grup Yorum" ("Gruppe Kommentar") getarnte Versammlung der DHKP-C statt. Unter den rund 1.500 Teilnehmern befanden sich auch Sympathisanten aus Belgien, Tschechien und den Niederlanden. In dem mit DHKP-C-Fahnen geschmückten Veranstaltungsraum wurde umfangreiches Propagandamaterial zum Kauf angeboten. Ferner wurden politische Reden gehalten und Filme, Videoaufzeichnungen und Dias gezeigt. Das Rahmenprogramm bestand aus Musikund Folkloredarbietungen. Gegen die Veranstalter wurde ein Ermittlungsverfahren wegen eines Vergehens nach SS 20 Vereinsgesetz eingeleitet. ExekutivIm Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts der Fortmaßnahmen führung der verbotenen Devrimci Sol durchsuchte die Polizei am 16. Januar in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen Wohnungen und andere Objekte von mutmaßlichen Anhängern der DHKP-C. Dabei wurden schriftliche Unterlagen und mehrere Computer sichergestellt. In einem türkischen Vereinsheim in Ulm, in dem größere Mengen Propagandamaterial lagerten, wurden drei seit längerem in Deutschland lebende Anhänger der DHKP-C sowie eine illegal aus der Türkei eingereiste Person angetroffen. Am 9. April wurde die mutmaßliche Europazentrale der DHKP-C im "Informationszentrum für freie Völker e.V." in Köln durchsucht. Dabei konnte-umfangreiches Beweismaterial u.a. über den Vertrieb des DHKP-C-Sprachrohrs "Kurtulus" sichergestellt werden. Das Landgericht München I verurteilte am 5. Mai einen Aktivisten des Yagan-Flügels wegen Unterstützung des organisatorischen Zusammenhalts der Devrimci Sol zu einer Geldstrafe von 4.500 DM. Der Angeklagte hatte am 7. Juli 1996 in München Flugblätter der verbotenen Gruppierung verbreitet. In seiner Wohnung konnte weiteres umfangreiches Propagandamaterial beschlagnahmt werden. 3.1.3 Marxistisch-leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Die in der Türkei terroristisch operierende MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluß zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Wie die TKP/ML und die Devrimci Sol erstrebt sie die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei. Die MLKP zählt Ausiänderextremismus 171 bundesweit rund 700 Mitglieder, davon etwa 50 in Bayern. Klare organisatorische Strukturen sind in Bayern noch nicht erkennbar. Am 7. Juni fand in Neu-Ulm eine unter falschem Namen angemeldete Tarnveranstaltung der MLKP mit rund 300 Besuchern statt. 3.2 Extreme Nationalisten Die 1978 gegründete Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) mit Sitz in Frankfurt am Main hatte am 5. Oktober 1996 auf rr---__ ihrem 19. Bundeskongreß in Essen ihre Umbenennung in "Deutsche Türk-Föderation" (Almanya Türk Federasyon -ATF-) j beschlossen. Bislang wurde die neue Bezeichnung weder ins Vereinsregister eingetragen noch in öffentlichen Verlautbarungen benutzt. Die OrganisaWeiterverwendung tion tritt vielmehr weiterhin unter dem Namen ADÜTDF auf. Daneben der bisherigen verwendet sie auch die Bezeichnung "Türk Federasyon". Bezeichnung Die ADÜTDF bzw. ATF ist eng mit der türkischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) verbunden. Ihre Ideologie vereint Elemente des extremen Nationalismus mit islamistischen Positionen, also der Nationalistische Hinwendung zum Islam als staatskonstituierendem Element. Die Ideologie mit ADÜTDF tritt für die Wiederherstellung der Türkei in der Größe des islamistischen Osmanischen Reichs ein und propagiert den Vorrang und die ÜberPositionen legenheit der türkischen Nation und Rasse. Teilweise sind auch antiwestliche Tendenzen erkennbar. So fordert die ADÜTDF von der türkischen Jugend in Deutschland Distanz zu westlich-"dekadenten" Einflüssen und die Betonung ihrer türkischen Identität. Die ADÜTDF ist in eingetragenen Vereinen und teilweise losen Zusammenschlüssen organisiert. Sie zählt bundesweit knapp 7.000 Mitglieder. In Bayern verfügt sie über 28 (1996: 24) örtliche UntergliedeAufwärtstrend in rungen mit insgesamt rund 1.500 (1996: 1.400) Mitgliedern. Seit Bayern Januar 1997 gibt die ADÜTDF die Zeitung "Türk Federasyon Bülteni", die zuvor nur sporadisch zu bestimmten Ereignissen erschienen war, monatlich heraus. Im Internet bietet sie inzwischen eine eigene "homepage" in deutscher und türkischer Sprache an. Die geschulten Führungskräfte der ADÜTDF bemühen sich insbesondere um die zweite und dritte Generation junger Türken in Deutschland. Die Synthese aus übersteigertem Nationalgefühl und Religion 172 Ausländerextremismus als weiterem "Orientierungspunkt" macht die ADÜTDF gerade für türkische Jugendliche besonders attraktiv, zumal die Organisation ihre jugendlichen Mitglieder nicht strikt auf islamistische Positionen verpflichtet. Seit dieser ideologischen Reform ist ein beachtlicher Mitgliederzuwachs zu verzeichnen. Große Teile der Einnahmen fließen in die Jugendarbeit. Zur Mitgliederwerbung ist die ADÜTDF auch in zahlreichen Sportund Elternvereinen tätig, die keine politischen Ziele haben. Dabei gibt die ADÜTDF jungen Landsleuten das Gefühl, als Türken anerkannt zu werden. Sie bietet Kampfsportausbildung sowie Betätigungsmöglichkeiten bei Folkloredarbietungen und Theateraufführungen. So werden Jugendliche über zumeist unpolitische Angebote an den Verband herangeführt und frühzeitig als Vereinsfunktionäre in die politische Arbeit integriert. Bei der ADÜTDF finden sie darüber hinaus ein Forum gegen die von der PKK im Inund Ausland praktizierte Militanz. Ferner gibt der Nationalismus vielen türkischen Jugendlichen ein "Wir-Gefühl" gegenüber der komplex organisierten deutschen Gesellschaft. Die Forderung nach einer Abkehr von der "westlichen Dekadenz" hat dabei nachhaltige Auswirkungen auf die Integrationsbereitschaft in Deutschland. Die bisherige Scheu türkischer Jugendlicher, ihre nationalistische Gesinnung öffentlich zu zeigen, schwindet. Die ADÜTDF-Führung hat ihre Mitglieder wiederholt angewiesen, die Rechtsordnung des Gastlandes zu achten und sich von Anhängern der PKK und anderen türkischen Linksextremisten nicht provozieren zu lassen. Mit ihrer chauvinistisch-nationalistischen Ideologie gerät die ADÜTDF aber vermehrt ins Blickfeld militanter politischer Gegner. Der Jahreskongreß der ADÜTDF wurde nicht zuletzt aufgrund der turbulenten Entwicklungen in der MHP, deren langjähriger Vorsitzender Alparslan Türkes am 4. April verstorben ist, auf das Jahr 1998 vertagt. 3.3 Islamische Extremisten 3.3.1 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs * (IGMG) Die IGMG, die bis 1995 die Bezeichnung "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) führte, ist ein Sammelbecken von Anhängern der islamisch-fundamentalistischen Wohlfahrtspartei (RP). Die Anfang 1998 in der Türkei verbotene RP war seit den türkischen Parlamentswahlen im Dezember 1995 stärkste Partei im Parlament * Milli Görüs bedeutet: Nationale Sicht Ausländerextremismus 173 und stellte von Juli 1996 bis Juni 1997 mit ihrem Vorsitzenden Prof. Necmettin Erbakan den türkischen Ministerpräsidenten. Die IGMG vertritt das Gedankengut der RP unter den türkischen Muslimen in Deutschland. Ihr Nahziel ist die Einführung des Koran als Grundlage des Staatsaufbaus und als Verhaltenskodex staatlichen Zusammenlebens. Mittelfristig erstrebt sie die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei, die durch ein islamisches System nach dem Beispiel des Iran ersetzt werden soll. Fernziel der IGMG ist die weltweite Islamisierung im Sinn eines doktrinären Islam-Verständnisses. Zahlreiche Verlautbarungen zeigen einen Haß auf Andersgläubige, insbesondere Juden, der den Grundsätzen von Menschenwürde, Toleranz zwischen den Religionen und dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderläuft. Bisher sind - zumindest in Bayern - keine politisch motivierten Gewalttaten von Anhängern der IGMG bzw. AMGT bekanntgeworden. Äußerungen in den vergangenen Jahren lassen jedoch darauf Latente Militanz schließen, daß die IGMG Gewaltanwendung als Mittel zur Auseinandersetzung gegenüber Andersdenkenden entgegen den Beteuerungen in ihrer Satzung nicht ächtet. Als überzeugte Vertreterin islamisch-extremistischer Positionen lehnt die IGMG jegliche Integration in die deutsche Gesellschaft ab. Auch eine friedliche Koexistenz von Christen und Muslims ist ihren Vorstellungen zufolge nur partiell denkbar, vor allem aber nicht ernsthaft beabsichtigt. Nach wie vor ist die IGMG bemüht, bestimmende islamische Kraft in Deutschland zu werden. Als bedeutendste islamische Gruppierung will sie sodann die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts erreichen. Sie erhofft sich davon umfangreiche staatliche Unterstützung und finanzielle Vorteile. Ihr Kampf um Anerkennung als Religionsgemeinschaft soll sie ferner in die Lage versetzen, bereits im Kindesalter Einfluß auf Landsleute zu nehmen, um sie langfristig für ihre Ziele zu gewinnen. In letzter Zeit gibt sie ihrer Bildungsarbeit für Jugendliche, aber auch für Studenten und Frauen einen erhöhten Bemühungen um Stellenwert. Dabei ist sie bestrebt, die "muslimische Identität" unter den Jugendliche in nichtmuslimischen Staaten lebenden Türken zu stärken. Diesem Vorhaben dienen offenbar auch angeblich unpolitische "Koran-Unterweisungen" in Moscheen bzw. Sommerlagern. Auch diese Aktivitäten senken die Integrationsbereitschaft türkischer Jugendlicher. Die Entwicklung der IGMG stagniert mittlerweile. Ein Grund hierfür Stagnierende ist der Mangel an jugendlichem Nachwuchs, der u.a. auf den strenEntwicklung 174 Ausländerextremismus gen religiösen Anforderungen, aber auch auf unzureichenden oder fehlenden Angeboten für Jugendliche sowie der Konkurrenz attraktiverer Organisationen beruht. Zudem ist die Mitgliedschaft der IGMG überaltert und die Finanzlage angespannt. Auch das Engagement der Mitglieder hat nachgelassen; demotivierend wirkte insbesondere der Rücktritt Erbakans als Ministerpräsident Ende Juni. Mit bundesweit rund 26.500 Mitgliedern ist die IGMG gleichwohl noch immer die stärkste und finanzkräftigste Organisation extremistischer Ausländer. Eine "Europäische Moscheenbauund Unterstützungsgemeinschaft" (EMUG) verwaltet den umfassenden Immobilienbesitz im Wert von rund 60 bis 80 Millionen DM. Den 70 IGMG-Untergliederungen in Bayern gehören wie im Vorjahr rund 5.000 Mitglieder an. Finanzierung Die Mitgliedschaft bei der IGMG ist mit einer erheblichen finanziellen Belastung verbunden. Die IGMG-Zentrale in Köln erhebt von jedem Mitglied einen Monatsbeitrag von 20 DM. Daneben ziehen die örtlichen Untergliederungen Beiträge ein, deren Höhe von der finanziellen Belastbarkeit der Mitglieder abhängt. Der Finanzierung der IGMG dienen auch die in Mitgliedsvereinen betriebenen Lebensmittelläden, die Einnahmen aus den in den Ferien angebotenen Korankursen und die Gewinne aus den von der IGMG organisierten Pilgerfahrten nach Mekka. Darüber hinaus vermittelt die IGMG den Kauf von Aktien türkischer Unternehmen, um von Kursgewinnen ihrer Mitglieder profitieren zu können. Neben den regelmäßigen Spendenaktionen (u.a. zum Ramadan) werden aus aktuellem Anlaß (z.B. Hilfe für notleidende Muslime in Bosnien) zusätzliche Sammlungen durchgeführt, die je nach der Größe des Vereins Erträge zwischen 5.000 und 20.000 DM erbringen. Die Verwendung der Gelder ist kaum kontrollierbar. Jahreskongreß An der 3. Generalversammlung der IGMG am 14. Juni im Dortmunder Westfalenstadion nahmen über 35.000 Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland teil. Aus der Türkei waren zwei ranghohe RP-Politiker anwesend. Der IGMG-Vorsitzende Ali Yüksei betonte in seiner Rede, daß die IGMG keine Terrororganisation sei. Er forderte die Abschaffung der seit 15. Januar geltenden erweiterten Visumspflicht für minderjährige Ausländer, das Recht der Stimmabgabe im Ausland bei Wahlen in der Türkei sowie den verstärkten Kampf gegen Rassismus. Weitere Redner, darunter der ehemalige IGMG-Vorsitzende Osman Yumakogullari, befaßten sich mit der Situation in der Türkei und betonten ihre Überzeugung, daß der Islam schließlich siegen werde. Ausländerextremismus 175 Am 26. Oktober veranstaltete die IGMG in Zirndorf, Landkreis Fürth, ein "Jugendfest" mit rund 800 Teilnehmern. Als Ehrengast war der RP-Bürgermeister von Beyoglu anwesend. Der für die Jugend zuständige Funktionär der IGMG-Zentrale kritisierte in seiner Rede die Haltung der Türkei gegenüber den Koranschulen und die deutschen Staatsschutzbehörden wegen der Erwähnung der IGMG in den Verfassungsschutzberichten. Am 16. September wurde die IGMG-Gebietszentrale Südbayern in ExekutivMünchen durchsucht. Anlaß dieser Maßnahme war der Verdacht, maßnahme daß die IGMG in ihren Räumen illegale Ausländer unterbringt und ihnen falsche Ausweise verschafft. Die Polizei nahm 25 Personen vorläufig fest. Einige führten gefälschte Pässe oder Führerscheine mit. Gegen elf Betroffene wurden Strafverfahren wegen Urkundenfälschung bzw. Verstoßes gegen das Ausländergesetz eingeleitet. Die Ermittlungen ergaben eine Beteiligung des IGMG-Vorstands an diesen Straftaten. Offenbar scheut sich die IGMG nicht vor Verstößen gegen die deutsche Rechtsordnung. 3.3.2 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB) Der 1984 in Köln gegründete ICCB strebt kompromißlos die WeltWeltherrschaft herrschaft des Islam auf der Grundlage des Korans und der Scharia des Islam (islamisches Rechtssystem) an. Als ersten Schritt dorthin zielt er auf den Sturz des türkischen Staatsgefüges. Dieses soll mittels einer Revolution durch einen islamischen Gottesstaat ersetzt werden, dem als geistliches und weltliches Oberhaupt der Kalif vorsteht. Der Verband wechselte seit seiner Gründung mehrfach seine Bezeichnung (z.B. "Föderativer Islamstaat Anatolien" -A.F.I.D-; "Islamische Stiftung"). Seit 1995/1996 tritt er nach außen fast ausschließlich als "Hilafet Devleti" (Kalifatsstaat) auf. Interne Konflikte hatten die interne Organisation schon vor dem Tod ihres langjährigen Leiters Cemaleddin Differenzen Kaplan im Mai 1995 destabilisiert und zur Abspaltung zahlreicher Ortsvereine geführt. Danach verschärften sich die internen Auseinandersetzungen um Kaplans Nachfolge. Sein Sohn Metin Kaplan übernahm die Leitung des Verbands und ließ sich - wie zuvor sein Vater - zum "Kalifen" ausrufen. Sein Führungsstil begegnete indes zunehmender Kritik. Eine beträchtliche Zahl von Mitgliedern wechselte zur IGMG. Auch das Potential der Sympathisanten hat sich in letzter Zeit erheblich verringert. 176 Ausländerextremismus Die Mitgliederzahl des Verbands ist nach Schätzung bundesweit auf etwa 1.300 (1996: 1.500) zurückgegangen. In Bayern gehören der Organisation fünf örtliche Untergliederungen mit insgesamt 150 (1996: 250) Mitgliedern an. Die Abspaltungsbewegung hat damit auch die bayerischen Verbandsmitglieder voll erfaßt. In seiner Publikation "Ümmet i Muhammed" (Die Gemeinde Mohammeds) polemisiert die Gruppierung gegen das westliche System, die Demokratie, die Parteien, den Parlamentarismus und die Integration von Muslimen in die Polemik westliche Gesellschaft. Besonders ausgeprägt ist ihr Antisemitismus: " Wenn wir Juden sagen, dann werden alle Muslime von einem Schauer erfaßt und sie müssen sich erst einmal schütteln. Diese Gesellschaft von nicht einmal einigen Millionen Menschen läßt eine Milliarde Muslime Blut spucken. Die jüdische Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die Propheten ermordete, sich gegenüber den Gottesgaben undankbar zeigte und Hinterhältigkeit und Gewalttätigkeit zu ihren Parolen machte." (Ümmet i Muhammed vom 22. Mai) Zugleich postuliert sie für den Islam einen absoluten, unabdingbaren Alleinvertretungsanspruch, der gleichzeitig jede politische Zusammenarbeit mit anderen islamistischen Organisationen weithin ausschließt. Dissidenten werden offen zur Umkehr aufgefordert und im Falle der Weigerung massiv bedroht. Seit 1995/1996 wurden im Umfeld des Verbands mehrere Gewalttaten gegen abtrünnige Funktionäre bekannt. Hinsichtlich des Einsatzes von Gewalt nach außen unterscheidet der Verband zwischen einer ersten Phase der friedlichen Verkündigung Gewaltdes Islam und einer zweiten Phase der Gewalt, die beginnen werde, bereitschaft sobald die Zeit dazu reif sei. In seiner Zeitschrift "Ümmet i Muhammed" vom 19. Juni betonte der Verband die Bedeutung des Jihad (Heiliger Krieg). Auf einer der letzten Großveranstaltungen des Jahres 1997 skandierten rund 2.000 fanatisierte Anhänger am 11. Mai in Köln Parolen wie "Wir sind bereit zum Sterben, um den Kemalismus und seine Staatsform zu zerschlagen". Trotz seiner fehlenden Verankerung in türkisch-muslimischen Kreisen forderte der Verband andere muslimische Organisationen auf, sich zu ergeben: Ausländerextremismus 177 Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren u.a. gegen einen Imam (Vorbeter) aus Augsburg wegen Aufforderung zur Ermordung eines Abtrünnigen in Berlin macht die besondere Gewaltbereitschaft der Organisation deutlich. Ihren alleinigen Herrschaftsanspruch auf die Türkei dokumentierte die Organisation in mehreren Publikationen, darunter die Bücher "Islamische Verfassung" und "Die Rückgabe des Rechts an den Anspruchsteller". Darin forderte sie die Rückgabe der kemalistischen Türkei und proklamierte einen "Kalifatsstaat", der eine "theokratisch-diktatorische Staatsidee" verwirklichen solle. Mit persönlich zu leistenden "Treueschwüren" wurden Funktionäre und zum Teil auch Mitglieder an den Leiter des Verbands Metin Kaplan gebunden und zu bedingungslosem Gehorsam bis in den Tod verTotalitäre pflichtet. Völlig entmündigt wurden die "Angehörigen des KalifatsTendenzen Staats" durch eine im Verbandsorgan "Ümmet i Muhammed" vom 26. Juni veröffentlichte Weisung Kaplans, nach dessen Ansicht die "Kemalisten" (gemeint sind die Repräsentanten des laizistischen Systems der Türkei) die Muslime gegeneinander aufhetzten und dazu ihren türkischen Geheimdienst MIT nach Deutschland und Europa schickten: "Diesbezüglich müßt ihr sehr wachsam sein ...Es gibt kein Handeln ohne Genehmigung mehr. Individuelle Handlungen werden auf keinen Fall genehmigt und nicht akzeptiert." Eine seit 15. Januar bestandskräftige Ordnungsverfügung der Stadt Köln untersagt Metin Kaplan das Recht auf politische Betätigung. Insbesondere ist es ihm verboten, zum Sturz der türkischen Rechtsordnung aufzurufen, einen solchen Umsturz zu unterstützen oder zu befürworten und die demokratische Staatsform zu diffamieren. Mit seiner totalen Abgrenzungsstrategie steht der Verband in islamischen Kreisen inzwischen völlig isoliert da. Seine Unberechenbarkeit und der zunehmende Realitätsverlust bedeuten im Zusammenspiel mit der nicht mehr ausschließlich verbalen Befürwortung von Gewalt, aggressiver Polemik und der totalitären Vereinnahmung von Funktionären und Mitgliedern ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotential für die Innere Sicherheit. 4. Algerische Gruppen Die im März 1989 in Algerien gegründete "Islamische Heilsfront" Zielsetzung (FIS) verfolgt das Ziel, die algerische Regierung zu beseitigen und ein 178 Ausländerextremismus islamistisches System zu errichten. Nach einem sich abzeichnenden Wahlsieg der FIS zur Jahreswende 1991/1992 wurde sie verboten. Dies war der Anfang schwerster Terrorakte ihres militärischen Zweigs, der "Islamischen Heilsarmee" (AIS). Als weitere Terrorgruppe entstand 1991 die mit der FIS/AIS rivalisierende "Bewaffnete Islamische Gruppe" (GIA). Anhänger im Im Bundesgebiet lebt nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von etwa Bundesgebiet 200 Sympathisanten und Aktivisten der FIS und der GIA. Eine offene, vereinsähnliche Struktur der beiden Organisationen gibt es bislang nicht. Die Aktivisten sind jedoch in eine über die Grenzen Deutschlands hinausgehende informelle Struktur eingebunden. Insbesondere zu Frankreich, Luxemburg und Großbritannien halten sie enge Verbindungen. Bei FIS-Veranstaltungen im Bundesgebiet wird zwar immer wieder zur Unterstützung des Kampfes der FIS bzw. der AIS in Algerien aufgerufen, jedoch distanzieren sich die Redner zugleich von den terroristischen Aktionen der GIA gegen die algerische Zivilbevölkerung. Der maßgebliche FIS-Funktionär und Leiter der "Exekutivinstanz der FIS im Ausland", Rabah Kebir, lebt in Deutschland. Seine zunächst intensive Propaganda gegen die algerische Regierung hatte ein Verbot der politischen Betätigung zur Folge. Inzwischen hat Kebir sein Verhalten erheblich gemäßigt und gegenüber dem Regime mehrfach seine Dialogbereitschaft zum Ausdruck gebracht. Jedoch mehren sich die Hinweise, daß dadurch seine Funktion als Leiter der "Exekutivinstanz" und der damit verbundene Alleinvertretungsanspruch der FIS im Ausland in Frage gestellt wird. Gewalttätige Aktionen der FIS/GIA waren bisher in Bayern nicht festzustellen. 5. Iranische Gruppen Die Anhänger der Volksmodjahedin haben sich im Bundesgebiet in der zum Teil konspirativ strukturierten und agierenden Iranischen Moslemischen Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV) zusammengeschlossen. Die Volksmodjahedin waren maßgeblich an der Revolution gegen den Schah im Iran beteiligt, gerieten aber nach dem Umsturz zunehmend in Opposition zur neuen Regierung, die sie seit Juni 1981 durch bewaffneten Widerstand Ausländerextremismus 179 zu stürzen versuchen. Die ursprüngliche Einstufung der Volksmodjaislamischhedin als "islamische Fundamentalisten mit marxistischer Prägung" extremistische verlor seitdem immer mehr an Substanz. Aufgrund von intellektuelAusrichtung len Gegensätzen zwischen dem schiitischen Islam und dem Marxismus entstanden innerhalb der Volksmodjahedin ein marxistischer und ein muslimischer Flügel; letzterer behielt die Kontrolle über die Organisation. Unter Federführung der Volksmodjahedin wurde im Juli 1981 der Nationaler "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) als Zusammenschluß iraniWiderstandsrat scher Oppositioneller gegründet. Er versteht sich als einzige demoIran kratische Alternative zur iranischen Regierung. Die IMSV und ihre Nebenorganisationen sind in ihn eingebunden. Der Sitz des NWRI ist in Paris. Im August 1993 konstituierte sich der NWRI zum "Exilparlament" ,Exilparlament" und wählte die Generalsekretärin der Volksmodjahedin Maryam Radjavi zur künftigen "Präsidentin" des Iran. Die Bezeichnung "Volksmodjahedin" findet seitdem kaum noch Verwendung. Mit dieser Strategie wollen sich die Volksmodjahedin anderen Oppositionsgruppen öffnen und sie unter ihrer Führung einigen. Der Machtanspruch der Volksmodjahedin, die fehlende innerparteiliche Demokratie und ihr Personenkult stoßen indes bei einem erheblichen Teil der iranischen Opposition auf Ablehnung. Die Volksmodjahedin halten sich vielfach nicht an Gesetze und behördliche Auflagen. Ihre hauptsächlich in Asylbewerberheimen angeworbenen Aktivisten sammeln seit Jahren oft unter Verstoß gegen ihre Aufenthaltsbeschränkung und ohne Sammlungserlaubnis im illegale Namen von eigens gegründeten Tarnvereinen. Der Schwerpunkt der Aktivitäten Sammlungstätigkeit liegt in der Vorweihnachtszeit. Neuerdings beantragen NWRI-Anhänger Sammlungserlaubnisse mit der Behauptung, das Geld werde an das Deutsche Rote Kreuz (DRK) überwiesen. Mittlerweile konnte eine neue Vorgehensweise beobachtet werden. Die Sammler sind häufig bei angemeldeten Info-Ständen anzutreffen oder im Rahmen von nicht genehmigten Sammlungen unterwegs. In mitgeführten Unterlagen liegen Spendenlisten aus, in denen sich Passanten mit der Wohnanschrift eintragen können. Die eingetragenen Spender werden nach kurzer Zeit zu Hause aufgesucht, um sie über ein "besonderes Projekt" zu informieren. Dabei handelt es sich um angebliche Patenschaften für Kinder, mit deren Hilfe die schulische Ausbildung und die gesundheitliche Versorgung der Kinder gewährleistet werde. 180 Ausländerextremismus TarnorganisaUm bei der Beantragung erforderlicher Erlaubnisse nicht selbst in Ertionen der scheinung treten zu müssen, bedient sich der NWRI mehrerer "TarnVolksmodjahedin vereine", deren Bezeichnung keinen Bezug zu den Volksmodjahedin aufweist. In der Vergangenheit waren dies z.B. die Gruppierungen "Flüchtlingshilfe Iran e.V.", "Frauen für Demokratie im Iran", "Iranischer Kulturverein", "Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e.V." (VIDA), "Iranische Flüchtlingskinderhilfe e.V.", "Verein der Künstler und Schriftsteller des iranischen Widerstandes e.V." "Gesellschaft iranischer Flüchtlinge e.V." und "Verein zur Eingliederung iranischer Flüchtlinge e.V." (VEIF). Der NWRI bestreitet eine Verbindung dieser Organisationen zu den Volksmodjahedin. Die angeblich für humanitäre Zwecke bestimmten Spendengelder dienen in Wirklichkeit der Unterhaltung der weltweiten Strukturen der Volksmodjahedin sowie vermutlich auch der Beschaffung von Waffen für ihre im Irak stationierte "Nationale Befreiungsarmee" (NLA). Zur Verschleierung der Sammlungsaktivitäten wird bei den Behörden manchmal um Erlaubnis zum Verkauf von Publikationen nachgesucht. ÖffentlichkeitsDer von den Volksmodjahedin dominierte NWRI betreibt mit großem arbeit Aufwand Propaganda und fortwährende Kontaktpflege, um sich trotz fehlenden Rückhalts in der iranischen Bevölkerung im westlichen Ausland als einzige handlungsfähige Alternative zum "Mullah-Regime" zu präsentieren. Mit der Anlehnung an gesellschaftspolitisch bedeutsame Themen und unter Einbeziehung organisationsfremder Personen versucht er, sein eigentliches Ziel, nämlich die gewaltsame Machtübernahme im Iran, zu verschleiern und die Anerkennung und Unterstützung einer breiten Öffentlichkeit zu erlangen. Als Erfolg seiner Öffentlichkeitsarbeit konnte er die Anwesenheit und Mitwirkung deutscher Parlamentarier bei einigen Kundgebungen verbuchen. Zentrales Thema seiner politischen Auseinandersetzung mit der iranischen Regierung war der von Anfang an aufmerksam verfolgte Prozeß wegen der Ermordung von vier iranisch-kurdischen Oppositionellen am 17. September 1992 im Berliner Lokal "Mykonos". Dazu veranstaltete der NWRI am 10. April vor dem Kammergericht Berlin unter dem Motto "Gegen iranischen Staatsterrorismus" eine Kundgebung mit rund 2.000 Teilnehmern, darunter auch Demonstranten aus Bayern. Anlaß war das am selben Tag verkündete, von NWRI-Anhängern mit Beifall aufgenommene Urteil im "Mykonos-Prozeß". Damit versuchte der NWRI, das Ergebnis der Gerichtsverhandlung als Resultat seiner fortwährenden Oppositionsarbeit darzustellen. Ausländerextremismus 181 Am 20. Juni führte der NWRI eine Großveranstaltung in Oberhausen/Nordrhein-Westfalen durch. Unter den rund 5.000 Teilnehmern befanden sich zahlreiche Anhänger der Volksmodjahedin aus Bayern. Offizielles Motto der Veranstaltung war der "Tag der Solidarität für Demokratie und Menschenrechte im Iran". Der NWRI hatte europaweit mit Plakatierungsaktionen für die Veranstaltung geworben. Aus dem Irak wurden auf eine Videogroßleinwand Ansprachen von Maryam Radjavi und ihres Ehemanns Masoud übertragen, der die NLA der Volksmodjahedin befehligt. Beide forderten den Sturz der iranischen Regierung und kritisierten scharf die "liberale Haltung" der westlichen Regierungen gegenüber dem "Teheraner Mullah-Regime". Anfang 1997 wurde in Bayern das Informationstelefon des NWRI stillgelegt. Die Übermittlung aktueller Nachrichten erfolgt künftig ausschließlich über das Internet. 6. Volksbewegung von Kosovo (LPK) Bei der LPK handelt es sich um eine extremistische Ausländerorganisation von Kosovo-Albanern. In ihrer Heimat kämpft diese revolutionäre marxistisch-sozialrevolutionäre Partei illegal gegen die serbische Besetzung und fordert die Eigenständigkeit des Kosovo unter albanischer Führung. Aufgrund steigender Mitgliederzahlen haben sich in Bayern zahlreiUnterstützung che LPK-Volksräte gebildet. Jedes Mitglied ist zu monatlichen Speneiner terroristische den angehalten. Die gesammelten Gelder fließen größtenteils einer Untergrundterroristischen Untergrundorganisation im Kosovo, der BefreiungsOrganisation armee Kosovo (UCK), zu. Die UCK verübte im Kosovo zahlreiche terroristische Anschläge gegen serbische Einrichtungen, bei denen mehrere Personen ums Leben kamen. Dazu erklärte die UCK: " Befreiungsarmee Kosovos/Pressemitteilung Bekanntmachung Nr. 38 Nach dem Beschluß des Hauptstabes der UCK (Befreiungsarmee Kosovos) wurde in der Operativ-Zone Nr. 1, genauer in der Unterzone "Llapit", am 05.11.1997 gegen die politischen Strukturen der serbischen Okkupatoren ein bewaffneter Überfall vorgenommen. Das Hauptziel des bewaffneten Überfalls war das Verwaltungsgebäude der Gemeinde Podujevo. Der Überfall wurde gegen 20.00 Uhr beendet. Bei diesem Vorfall gab es auf Seiten der Okkupatoren Verluste und materielle Schäden. Wir haben nur 182 Ausländerextremismus das eine klare Wort an die serbischen Okkupatoren: Die Situation Kosovos läßt sich nicht mit Gewalt, Terror und Gerichten über das Volk lösen. Es gibt nur eine Lösung: Die Truppen der Polizei und Armeen müssen aus Kosovo vertrieben werden und der Wille des Volkes zur Selbstbestimmung muß respektiert werden; dies muß auch die internationale Gemeinschaft anerkennen. Unser Kampf wird noch stärker durch neue Maßnahmen; die UCK übernimmt Aktionen in den ganzen okkupierten Territorien. Wir rufen die internationalen Zentren und Gemeinschaften auf etwas für die Lösung der albanischen Situation zu tun. Wir wollen in Freiheit und in unserem eigenen Land leben. Das ist auch im Sinn einer Stabilität im Balkan. An alle Albaner, wo immer ihr auch seid, wir rufen euch auf, die UCK mit allen Mitteln zu unterstützen; besonders die Albaner, welche Emigranten sind, werden gebeten, materiell den Fonds für die Befreiung Kosovos zu helfen. Prishtina, den 07.11.1997 Hauptstab der Befreiungsarmee Kosovos" 7. Nutzung des Internets durch extremistische Ausländerorganisationen Das Internet, insbesondere das world wide web (www), wird im Gegensatz zu Mailboxen auch von extremistischen Ausländerorganisationen genutzt. Der Schwerpunkt liegt in der Propaganda und Information. So ist eine Vielzahl von Publikationen im Internet erhältlich, u.a. der "Kurdistan-Rundbrief'und die FIS-Publikation "Al-Ribat". 7.1 Linksextremisten Die Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM), ein Dachverband PKK-naher Vereine, verbreitete im Internet einen Beitrag mit dem Titel "Urlaub in der Türkei ist Ihr gutes Recht, zu überleben ist das Recht des kurdischen Volkes!". Darin forderte sie Urlauber dazu auf, das Reiseziel Türkei zu meiden. Jede Mark, die der Urlauber in der Türkei ausgebe, bedeute eine Gewehrkugel im Kampf gegen die Kurden. Außerdem sei das Leben von Touristen in der Türkei bedroht. Der Partizan-Flügel der TKP/ML bietet seit Sommer 1997 in einer eigenen "homepage" die Schrift "Partizan" an. Ausländerextremismus 183 Die Revolutionäre VolksbefreiungsparteiAfront (DHKP-C) ist im Internet seit etwa einem Jahr mit einer eigenen "homepage" vertreten, die auf einem Server in den Niederlanden abgelegt ist. Das Angebot enthält u.a. programmatische Erklärungen sowie Berichte über Aktionen in der Türkei in türkischer, englischer und deutscher Sprache. 7.2 Extreme Nationalisten Die bisher in ihrer Öffentlichkeitsarbeit eher zurückhaltende Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) präsentiert sich in ihrer "homepage" als konservative Organisation, die Kommunismus, Faschismus und totalitäre Systeme strikt ablehne. Zusätzlich werden Nachrichten aus den Mitgliedsvereinen der ADÜTDF und dem Umfeld der türkischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) angeboten. 7.3 Islamische Extremisten Die schiitisch-extremistische Hizb Allah (Partei Gottes) veröffentlichte eine Liste, in der sie die durch ihre Terroranschläge verursachten Verluste der israelischen Seite der Zahl der eigenen "Märtyrer" gegenüberstellt. Darin heißt es, seit Anfang 1997 hätten der "israelische Feind" und seine palästinensischen "Kollaborateure" 17 Todesopfer und 70 Verwundete zu beklagen. Die eigenen Verluste beliefen sich auf 18 Tote. Eine deutliche zunehmende Nutzung des Internet ist bei der algerischen Islamischen Heilsfront (FIS) zu verzeichnen. Sie bietet im world wide web (www) zu Propagandazwecken u.a. Bilder von verletzten und verstümmelten "FIS-Kämpfern" an. Auch der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) präsentiert sich seit Anfang 1996 im Internet, wodurch mittelfristig andere organisationseigene Propagandamedien ersetzt werden sollen. Ein erklärtes Ziel des NWRI ist es, alle Stützpunkte mit einem eigenen Internet-Anschluß auszustatten. 184 Ausländerextremismus Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) 1. Arabische und algerische Gruppen Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) Al Hourriah (Die Freiheit) marxistisch-leninistisch - wöchentlich - Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) Al Hadaf (Das Ziel) marxistisch-leninistisch - wöchentlich - Democratic Palestine - zweimonatlich - Volksfront für die Befreiung Palästinas Ila-Al-Amam (Vorwärts) -Generalkommando(PFLP-GC) - wöchentlich - marxistisch-leninistisch Hizb Allah (Partei Gottes) Al-Ahd (Die Verpflichtung) schiitisch-extremistisch - wöchentlich - Islamische Heilsfront (FIS) El-Mounquid (Der Retter) sunnitisch-extremistisch - monatlich - Al Sabeel (Der Weg) Al Ribat (Die Vereinigung) - unregelmäßig - Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) El-Ansar sunnitisch-extremistisch Djama'a Islamiya sunnitisch-extremistisch 2. Iranische Gruppen Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung Freiheit für Iran Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV) - monatlich - islamisch-extremistisch Schire Khorschid (Löwe und Sonne) Sitz: Köln - unregelmäßig - Iran Zamin (Iranische Erde) - wöchentlich - Union islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) Qods (Jerusalem) islamisch-extremistisch - unregelmäßig - Ausländerextremismus 185 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) 3. Kurdische Gruppen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Serxwebun (Unabhängigkeit) marxistisch-leninistisch - monatlich - (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan-Report - unregelmäßig - Teilorganisationen der PKK: Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Nebenorganisationen der PKK: Kurdistan-Komitee e.V., Köln (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informationsbüro in Deutschland (KIB) (am 02.03.1995 verboten) Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) (in Deutschland seit 26.11.1993 verboten) Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) Haus der kurdischen Künstler e.V. (bisher: HUNERKOM) Union der freien Frauen aus Kurdistan (YAJK) Jina Serbilind (Die stolze Frau) - monatlich - Union der Journalisten Kurdistans (YRK) Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) Union zur Pflege der kurdischen Kultur und Kunst (YRWK) Welate Me (Unsere Heimat) Union der Jugendlichen aus Kurdistan (YCK) Sterka Ciwan (Stern der Jugend) (bisher: Vereinigung der patriotisch-revolutionären - monatlich - Jugend Kurdistans) Verband der Studentinnen aus Kurdistan (YXK) Ronahi (Licht) - dreimonatlich - 186 Ausländerextremismus Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Union der Aleviten aus Kurdistan (KAB) Zülfikar - monatlich - Islamische Bewegung Kurdistans (KIH) Baweri (Glaube) Kurdischer Roter Halbmond (HSK) Roja Kurdistane (Sonne Kurdistans) KOMKAR - Verband der Vereine aus Kurdistan e.V. Denge KOMKAR (Stimme KOMKAR) marxistisch-leninistisch - unregelmäßig - Informationsbulletin Kurdistan - zweimonatlich - KOMKAR-Info - zweimonatlich - 4. Türkische Gruppen 4.1 Linksextremisten Türkische Kommunistische Partei/ Isci-Köylü Kurtulusu (ArbeiterMarxisten-Leninisten (TKP/ML) Bauern-Befreiung) - monatlich - Partizan-Flügel Partizan (Der Partisan) - monatlich - Özgür Gelecek (Freie Zukunft) - vierzehntägig - DABK-Flügel Öncü Partizan (Der Avantgarde(Ostanatolisches Gebietskomitee) Partisan) - monatlich - Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) Frontorganisation der TKP/ML Basisorganisationen der TKP/ML: Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) Sitz: Duisburg -Partizan-FlügelFöderation der demokratischen Rechte in Deutschland (ADHF) -DABK-FlügelKonföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) Mücadele (Kampf) -Partizan-Flügel- - monatlich - Konföderation der demokratischen Rechte in Europa (ADHK) -DABK-Flügel- Ausländerextremismus 187 Organisation, Publikationen ideologische Ausrichtung (einschließlich Erscheinungsweise) Devrimci Sol Spaltergruppen: Revolutionäre VolksbefreiungsparteiAfront (DHKP-C) Halk lein Kurtulus - Karatas-Flügel - - wöchentlich - Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Türkische Volksbefreiungspartei/-front Devrimci Cözüm (Revolutionäre (THKP-C Devrimci Sol) Lösung) - Yagan-Flügel - - vierzehntägig - Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Atilim (Der Angriff) - wöchentlich - Partinin Sesi (Stimme der Partei) Bolschewistische Partei Nordkurdistan/Türkei (BP-KK/T) Bolsevik Partizan (Bolschewistischer (Abspaltung von der TKP/ML) Partisan) - unregelmäßig - 4.2 Extreme Nationalisten Föderation der Türkisch-Demokratischen Türk Federasyon Bülteni Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) - monatlich - (bisher: Deutsche Türk-Föderation -ATF-) Sitz: Frankfurt am Main 4.3 Islamische Extremisten Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) Publizistisches Sprachrohr: Sitz: Köln Milli Gazete (Nationale Zeitung) - täglich - Milli Görüs & Perspektive - monatlich - Verband der islamischen Vereine und Ümmet i Muhammed (Die Gemeinde Gemeinden e.V. (ICCB) Mohammeds) auch: Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) - fünfzehntägig - Sitz: Köln 5. Albanische Gruppen Volksbewegung von Kosovo (LPK) Zeri i Kosoves linksextremistisch - monatlich - Befreiungsarmee Kosovo (UCK) 188 Scientology-Organisation 4. Abschnitt Scientology-Organisation (SO) 1. Zur Geschichte der SO PersönlichkeitsIm Jahre 1950 veröffentlichte der amerikanische Buchautor L. Ron manipulation als Hubbard (1911 -1986) in den USA das Buch "Dianetik - Die moderne neue Therapie Wissenschaft der geistigen Gesundheit". Darin stellte er seine Lehre und ein technizistisches Verfahren ("Technologie") zur Persönlichkeitsveränderung vor. In den folgenden Jahren kam es zur Gründung sogenannter "Dianetik-Zentren" und schließlich zum Aufbau der SO. Hubbard erklärte sein von ihm entwickeltes Verfahren der Psychomanipulation zur "Religion". Zu den Motiven sagte er 1954: "Es scheint, daß wir jetzt alles hinbekommen werden. Und gute Neuigkeiten. Alle Auditoren werden Geistliche sein, und Geistliche haben an Etikettenvielen Orten besondere Privilegien, einschließlich Steuerund Wohnungsschwindel Vergünstigungen. Natürlich ist alles eine Religion, was den menschlichen Geist behandelt. Und auch Parlamente greifen Religionen nicht an." Hubbards Taktik der Umfirmierung seiner Organisation zu einer "Religionsgemeinschaft" wurde jedoch meist durchschaut. Seit Jahrzehnten liegt Scientology im Konflikt mit den Rechtsordnungen demokratischer Staaten, wie Verbote und Gerichtsverfahren in vielen Ländern zeigen. Ermittlungen Im Jahre 1972 begannen Behörden in den USA umfangreiche Untergegen die SO suchungen gegen Scientology und Hubbard einzuleiten. Die ameriund Hubbard kanische Steuerbehörde (Internal Revenue Service, IRS) ermittelte gegen SO. Auch Interpol war mit der SO und ihrer obersten Autorität, Hubbard, befaßt. Hubbard antwortete im Jahr 1973 mit der "Operation Snow White" ("Operation Schneewittchen") und gründete einen Geheimdienst, das "Guardian Office", Vorläufer des späteren OSA (Office of Special Affairs). Ziel der Operation war es, ungünstige Berichte über die SO bei Regierungsbehörden - vor allem in den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland - zu beseitigen. Die SO behauptet zwar heute, illegale Aktionen im Rahmen dieses Programms seien Scientology-Organisation 189 ohne Billigung von Hubbard durchgeführt worden. Es handelt sich hierbei jedoch um eine offensichtliche Schutzbehauptung. Dies wurde zuletzt von einem maßgeblichen Mitarbeiter an diesem Programm bestätigt. Im November 1973 erteilte die damals ranghöchste Scientologin im Angriff auf sogenannten Guardian Office, Jane Kemper, im Rahmen der OperaInterpol tion Schneewittchen den Auftrag, alle Interpol-Dokumente in den Besitz der Organisation zu bringen, die sich mit Scientology und L. Ron Hubbard beschäftigen. Im Oktober 1974 gab Jane Kemper, zu dieser Zeit in der Position des "Guardian World-Wide" (weltweiter Sicherheitsbeauftragter), die Anweisung, die Büros des IRS und die Steuerabteilung des Justizministeriums der Vereinigten Staaten "zu infiltrieren, um alle Akten über Scientology und ihren Gründer L. Ron Hubbard in ihren Besitz zu bringen sowie alle persönlichen Aufzeichnungen von Amtsanwälten, die die Regierung in Sachen Scientology vertreten". Im November 1974 installierten Scientology-Agenten im Konferenzraum der Finanzbehörde eine elektronische Abhörvorrichtung. Danach wurden Treffen von Finanzbeamten abgehört, bei denen über Steuerangelegenheiten der SO verhandelt wurde. Ebenfalls im November war es den Scientologen gelungen, einen Agenten in die Finanzbehörde als Maschinenschreibkraft einzuschleusen. Bereits Krimineller 14 Tage später meldete dieser Vollzug. Er hatte Akten beiseite geSpionageangriff schafft. Dies war der Anfang eines Massendiebstahls von Behördenauf US-Ministerien akten durch Scientology-Agenten, der sich über das ganze Jahr 1975 erstreckte. Angespornt durch die "Erfolge" bei der Unterwanderung der Finanzbehörde, wurde erneut Anlauf genommen, um in den Besitz der Interpol-Akten über Scientology und Hubbard zu kommen. Das Interpol-Büro befand sich zu dieser Zeit im Schatzministerium der USA. Offenbar war die Auswertung der gestohlenen Dokumente so brisant, daß im Auftrag von "Guardian" Jane Kemper im Dezember 1975 ein Frühwarnsystem installiert wurde, "welches dazu bestimmt war, die persönliche Sicherheit des Gründers der Scientology, L. Ron Hubbard, zu gewährleisten". Der Auftrag verlangte eine Unterwanderung von Regierungsstellen, welche die Befugnis hatten, Hubbard unter Strafandrohung vorzuladen oder Gerichtsverfahren gegen ihn einzuleiten. Im Februar 1976 war es den Scientologen gelungen, eine Angestellte als Sekretärin in das Justizministerium der USA einzuschleusen. Mitte 190 Scientology-Organisation Unterwanderung März 1976 brachen die Guardian-Office-Scientologen in den Raum von US-Regieder Finanzbehörde ein, in dem die Materialien zur Fertigung von Ausrungsstellen weisen lagen. Zwei Scientology-Agenten stellten sich selbst offizielle Beglaubigungsschreiben der Finanzbehörde aus. Immer neue Akten wanderten in den nachfolgenden Monaten in die Hände der SO. Der unablässige Schwund von Akten machte schließlich die Behörden aufmerksam. Am 11. Juni 1976 wurden zwei der Top-Agenten auf frischer Tat ertappt. Am 8. Juli 1977 führten daraufhin 134 FBI-"Detectives" in den Scientology-Büros in San Francisco und Los Angeles Hausdurchsuchungen durch. Dabei stellten sie umfangreiches Beweismaterial sicher, darunter die gestohlenen Akten aus den US-Behörden. Verurteilungen Am 26. Oktober 1979 wurden neun hohe Funktionäre der "Scientowegen Verschwölogy-Kirche" von einem amerikanischen Bundesgericht wegen Diebrung gegen die Stahls und Verschwörung gegen die Regierung verurteilt. HauptangeUS-Regierung klagte war die Ehefrau Hubbards, Mary Sue Hubbard. Das Beweismaterial zur Überführung Hubbards reichte damals nicht aus. In der Folge kam es zu einem internen Machtkampf. Die geplante Machtübernahme einiger junger Scientologen nahm nunmehr konkrete Züge an. Hubbard war gesundheitlich schwer angeschlagen und mußte sich vor den Behörden verstecken. Hubbards Ende Am 24. Januar 1986 wurde L. Ron Hubbard von der neuen Führungsspitze der Scientology für tot erklärt. Die näheren Umstände von Hubbards Ableben sind ungeklärt. Auch nach dem Tode Hubbards dauerte der Machtkampf um die künftige Führung der SO an. An dessen Ende setzte sich David Miscavige durch. Er führt heute die SO. Steuerbefreiung 1993 setzte es Scientology durch, von der obersten amerikanischen in den USA Steuerbehörde IRS als gemeinnützig anerkannt zu werden. Nach einem Bericht der "The New York Times" setzte die SO dabei schmutzige Methoden der Einschüchterung und Erpressung ein. Mitarbeiter der IRS wurden bis in die Privatsphäre hinein ausspioniert und zum Teil wegen erfundener Behauptungen mit rund 200 Prozessen überzogen. Die Anleitung für dieses Vorgehen ist in einem Richtlinienbrief Hubbards vom 15. August 1960 über die Einrichtung eines "Departments of Governement Affairs" enthalten, der Methoden beschreibt, nach denen Regierungen den Zielen der SO gefügig gemacht werden. scientology-urganisation 191 2. Scientology - eine verfassungsfeindliche Bestrebung Die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern befaßte sich mehrfach mit der Frage der Beobachtung der SO durch die Verfassungsschutzbehörden. Sie stellte am 5./6. Juni 1997 fest, daß tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der SO bestehen und deshalb der Beobachtungsauftrag eröffnet sei. Die Verfassungsschutzbehörden werden der Innenministerkonferenz nach einem Jahr einen ersten Bericht erstatten. Tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen Anhaltspunkte für ergeben sich im wesentlichen aus Aussteigerberichten sowie aus Verfassungsfeind Schriften und Aktivitäten der SO. Ikhkeit Die Aussteigerberichte und die Analyse einer Vielzahl von Primärmaterialien der SO zeigen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß bei der Organisation politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen vorliegen. Dies folgt aus dem generellen Absolutheitsanspruch der scientologischen Ideologie. Dieser bezieht sich nicht nur darauf, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein, sondern erfaßt den Menschen in all seinen persönlichen sowie zwischenmenschlichen und gesellschaftlich-politischen Lebensbereichen. Bereits vom Grundgedanken von Scientology ergeben sich politische Dimensionen allein bereits daraus, daß mit scientologischen "Techniken" nicht nur der einzelne, sondern die gesamten gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse im Sinn einer "Therapie", die sich auf rigide Psychound Sozialtechniken stützt, verändert werden soll. In diesem Sinn wird eine verfassungsfeindliche Wertordnung nicht nur propagiert, sonZwangstherapie dem soll als verbindlicher Ordnungsfaktor für Staat und Gesellschaft für Staat und etabliertwerden. Gesellscha ft 2.1 Aussteigerberichte Eine Reihe von Aussteigern aus Deutschland, aus europäischen Ländern und den USA erklärte u.a., - die SO verfolge absolut totalitäre Ziele, sie agiere gegen die Regierung, - sie arbeite auf eine diktatorische Weltregierung im Sinn von Orwell hin, Gefahr einer - sie trachte nach Umsturz, "Orwell-Diktatur" sie strebe nach Einfluß auf Politik und Wirtschaft, sie wolle die Staatsmacht. 192 Scientology-Organisation Die SO kritisiert diese Aussteiger heftig. Gleichwohl erscheinen die Aussteigerberichte glaubhaft. Zum einen handelt es sich um sehr hochrangige Aussteiger, überwiegend aus dem Top-Management der SO, die gute Zugangsmöglichkeiten zu vertraulichen Unterlagen hatten. Zum anderen decken sich ihre Aussagen in den entscheidenden Punkten, ohne den Eindruck zu erwecken, voneinander übernommen worden sein. Zudem wurden sie - zumindest teilweise - in eidesstattlicher Form im Rahmen von Gerichtsverfahren abgegeben. 2.2 SO-Schriften und Aktivitäten Die Erfahrungen und Erkenntnisse der Aussteiger werden durch Schriften und Aktivitäten der SO bis in die Gegenwart bestätigt. Die SO verfolgt nachstehend aufgeführte Ziele: 2.2.1 Die Errichtung einer scientologischen Gesellschaft Politische Ziele Bereits in seinem grundlegenden Buch "Dianetik" hat Hubbard auf die politische Relevanz und die Reichweite seiner Lehre hingewiesen. In einer von der SO verbreiteten Originalkassette mit Vorträgen L. Ron Hubbards zum Thema "Creating a new Civilization" heißt es: " ... unsere Zentrale Organisation wird dann einen Polit-Offizier haben und wenn ihr dann die Umgebung gesäubert habt, ist der einzige Zweck eures Zentrums, ein politisches Zentrum zu sein und dann seid ihr die Regierung und keiner kann das bestreuen." SO-Gesellschaft Es soll eine ausschließlich nach scientologischen Richtlinien funktiomittels Hubbardnierende Welt geschaffen werden. Diese neue "wahre Demokratie" Technologie soll an die Stelle der bisherigen Demokratien treten: "Scientology gibt uns eine erste Chance zur Schaffung einer wahren Demokratie. Somit können wir aufgrund vorliegender Beweise davon ausgehen, daß die erste wahre Demokratie entsteht, wenn wir jedes Individuum von den bösartigen reaktiven Impulsen befreit haben." (HCO PL - Richtlinienbrief der SO - vom 13. Februar 1965, erneut veröffentlicht 7. Oktober 1985) Alle gesellschaftlichen Probleme sollen dadurch gelöst werden, daß zunächst 10 bis 1 5 % der politischen Meinungsführer, dann 80 bis 98 % der Bevölkerung "geklärt" werden und die Gesellschaft schließlich nur noch aus den sogenannten Nichtaberrierten, den Ciears, besteht. David Miscavige, Chairman of the Board, Religious Technology Center (RTC), der heutige Führer von Scientology, forderte in einer Publi- Scientology-Organisation 193 kation der "International Association of Scientologists" (IAS) mit dem Titel "Impact", Ausgabe 72 aus dem Jahre 1997, Seite 10: "Schließlich reicht es nicht aus, diese Welt nur von dem zu befreien, was falsch ist; man muß auch das Richtige in sie einführen. Das bedeutet: LRH-Technologie" (= L.Ron Hubbard-Technologie). Miscavige orientiert sich damit offenbar an dem grundlegenden HCO PL vom 7. Februar 1965, wieder herausgegeben am 27. August 1980 mit dem Titel "Die Funktionsfähigkeit der Scientology erhalten", wo es unter der Teilüberschrift "Die korrekte Technologie anwenden" in Punkt 7 heißt: "Ausmerzen der inkorrekten Technologie". Inkorrekte "Technologien" in diesem Sinn sind für Hubbard nicht nur Kampf gegen die Schul-Psychiatrie, die Psychoanalyse, die Schul-Psychologie und Psychiatrie und Meditationsverfahren. Hubbard unterwirft seinem technologischen Psychologie Kontrollund Steuerungskonzept die Organisation von Gruppen und Institutionen und will seine neue "Verwaltungstechnologie" weltweit als die einzige korrekte Organisationsform durchsetzen. Entsprechend sind auch sämtliche demokratischen Institutionen seinem technischen Kontrollund Steuerungssystem zu unterwerfen. Die SO-Schrift "Neue Zivilisation-Reference Pack", erschienen im Jahr 1990, wurde unlängst bekannt. Ziel der SO ist danach "eine neue Zivilisation". Um dies zu erreichen, sollen Scientologen u.a. "eine Verschwörung kreieren, durch die sich der Machtfaktor immer weiter und weiter ausdehnt". Darüber hinaus enthält die Publikation ein Kapitel mit der Überschrift "Realization Department 18 C - Department of Success". Darin werden Organisationseinheiten der SO aufgezählt, die u.a. Namen tragen wie "Sektion zum Programmieren der Öffentlichkeit" und "Politische Aktivitäten in Charge". Die zitierten Texte belegen, daß die SO die bestehende demokratiVerdrängung der sche und rechtsstaatliche Ordnung durch die Etablierung einer Demokratie durch Gesellschaft mit scientologisch bestimmten Normen ersetzen will. Die SO-Normen bestehenden demokratischen Gesellschaftsformen werden pauschal als banale politische Philosophie verächtlich gemacht. 2.2.2 Die Lenkung der Regierung durch Scientology Bereits am 20. März 1964 stellte Hubbard in einem Vortrag das Projekt "International City" vor. Hubbard hatte darin u.a. erklärt, 194 Scientology-Organisation Scientology sei nicht an Geld interessiert, sondern nur am Planeten. Zur Übernahme des Planeten habe er das Projekt "International City" entworfen, was nichts anderes bedeute, als die Erde zu regieren. Das habe zwar auch schon Hitler versucht, dieser sei aber gescheitert. Hubbard forderte in seinem Vortrag letztlich, alle derzeit existierenden Hauptstädte der verschiedenen Staaten zugunsten Scientology Projekt zu entmachten, die Welt quasi von seiner Hauptstadt - International Weltregierung City - aus zu regieren: " Wir hatten in letzter Zeit einige Probleme mit Regierungen. Meiner Meinung nach waren sie unverschämt. Sie waren respektlos. Und ich habe mir das gründlich angesehen und bin zu dem Entschluß gekommen, daß wir das nicht hinnehmen sollten." Die in Saint Hill/England von Hubbard gehaltene Rede wurde von der SO im Jahr 1991 als Bestandteil des "Saint Hill Special Briefing Course" (Herausgeber New Era Publications, Kopenhagen) erneut an die Mitglieder weltweit versandt. Die Thesen von Hubbard sind für jeden Scientologen nach wie vor verbindlich, auch für die jetzige Führung, wie sie selbst betont. Eine Werbebroschüre aus dem Jahr 1997 nennt als Zweck der "International Association of Scientologists" (IAS), daß die "Ziele der Scientology, wie L. Ron Hubbard sie aufgestellt hat, erreicht werden". Der Präsident des "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) - Don Drader - schrieb kürzlich in einer Publikation von WISE mit dem Titel "United States Directory 1997", man müsse die "Verwaltungs"Verwaltungstechnologie von Hubbard in jedem Geschäft, in jeder Organisation technologie" und in jeder Regierung weltweit zur Anwendung bringen". In der als Hebel für Publikation "Impact", Ausgabe 74 aus dem Jahr 1997, wird unter der Machtergreifung Überschrift "Die Zeiten müssen sich ändern" ein Aufsatz von L. Ron Hubbard aus dem Jahr 1966 zitiert. Es heißt darin: " Wir dürfen es nicht zulassen, daß uns irgendwelche Repressalien seitens der Regierungen, Kampagnen von unfähigen ,Heilern', die selbst bereits versagt haben, oder irgendwelche angedrohten Verhöhnungen oder Bestrafungen im Wege stehen." Gewinnung Bei einer Veranstaltung in der "Advanced Organization" in Saint Hill deutscher in England am 30. August sagte Don Drader, man müsse speziell Politiker deutsche Politiker, die eine Pro-Scientology-Haltung einnehmen, "noch eindringlicher dazu auffordern, als Multiplikator für SO aufzutreten". Namen nannte er nicht. Scientoiogy-Organisation 195 Die aufgeführten Hinweise bestätigen die Absicht der SO, lenkenden Einfluß auf Regierungen auszuüben. Ziel ist nicht nur die Gesellschaft, es sind ausdrücklich die Staaten, ihre Rechtssysteme und Regierungen. Bei der Bewertung, ob dies noch Lobbyismus in einem verfassungsrechtlich akzeptablen Rahmen sein kann, ist zu berücksichtigen, mit welchem Ziel die SO ihren Einfluß ausübt. Hubbard hat dies so formuliert: "Damit sie wir werden", d.h. daß die SO an die Regierung - und zwar nicht über eine Teilnahme an Wahlen - gelangen will. Da die SO also Regierungsmacht ohne eine Teilnahme an Wahlen anstrebt, versucht sie, den Verfassungsgrundsatz der Legitimierung der Staatsgewalt durch das Volk, den Demokratiegrundsatz, abzuschaffen. 2.2.3 Die Einführung eines scientologischen Rechtssystems Von besonderer Aussagekraft ist folgende Textstelle: " Wenn wir über einen erstklassigen Gesetzeskodex und ein Rechtssystem verfügen, die den Menschen echte Gerechtigkeit bringen, werden wir die Gesellschaft schnell überschwemmen und jeder wird gewinnen. Wo wir versagen, unsere eigene Administration, Technologie und unser eigenes Rechtssystem auf die Gesellschaft um uns herum anzuwenden (geschweige denn auf Scientology), werden wir versagen." (HCO PL vom 27. März 1965, korrigiert und wieder herausgegeben am 15. Oktober 1985) Die SO differenziert zwischen Ciears ("Geklärten", d.h. perfekt auf das System SO abgerichteten Scientologen) und Aberrierten (AbEntrechtung von weichlern): Abweichlern "Vielleicht werden in ferner Zukunft nur dem Nichtaberrierten die Bürgerrechte verliehen. Vielleicht ist das Ziel irgendwann in der Zukunft erreicht, wenn nur der Nichtaberrierte die Staatsbürgerschaft erlangen und davon profitieren kann. Dies sind erstrebenswerte Ziele ..." (Hubbard, Dianetik, Seite 487) Die dargestellten Zitate zum Verhältnis der "Ciears" zu den "Aberrierten" zeigen, daß nach den Vorstellungen der SO künftig nur noch "Nichtaberrierte" das Recht auf Staatsbürgerschaft, Heirat und Fortpflanzung haben sollen. Die SO bezeichnet dies als "erstrebenswertes Ziel"; ein solches Ziel, das "Nichtaberrierte" nur wegen ihrer Zugehörigkeit zur SO bevorzugt, läuft aber wesentlichen Grundsätzen unserer Verfassung zuwider, insbesondere dem Gleichheitsgrundsatz 196 Scientology-Organisation des Art. 3 des Grundgesetzes. Das Recht muß alle Menschen schützen. In den Schriften der SO heißt es hingegen: Rechte nur für "Die ganze Aufgabe des Rechts liegt darin, den ehrlichen Menschen zu "ehrliche" schützen. (...)..., daß ehrliche Menschen Rechte haben und daß unredliche Menschen Menschen eben durch die Unredlichkeit ihre Rechte eingebüßt haben." (HCO PL vom 2. Oktober 1961/7. März 1967) Wer als ehrlich anzusehen ist, wird von Scientology danach bestimmt, wie nützlich man für das System ist. Daß sich die SO von dieser Auffassung nicht abgewandt hat, ergibt sich aus einem Aufsatz von Hubbard, der in der Publikation "Freiheit", herausgegeben 1997, Seite 57, erneut veröffentlicht ist. Es heißt dort u.a.: "Ehrliche Menschen haben auch Rechte... Freiheit ist für ehrliche Menschen ... Unehrliche Menschen zu beschützen, bedeutet, sie in ihre eigene Hölle zu verdammen." Dies deutet auf eine von der SO angestrebte Rechtlosigkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen hin. Die Errichtung eines scientologischen Rechtssystems wäre demnach nicht nur auf die Beseitigung des in Art. 3 Grundgesetzes konkretisierten Gleichheitsgrundsatzes, sonAufhebung der dem auf die Abschaffung der universalen Geltung der MenschenMenschenrechte rechte gerichtet. 2.2.4 Abwehr von Kritik an Lehre und Praxis Auf ihren Absolutheitsund Machtanspruch weist folgende Textpassage hin: Totale Disziplinie"Da Scientology jetzt totale Freiheit bringt, muß sie auch die Macht und rung der Anhänger die Autorität haben, totale Disziplin zu fordern." (HCO PL vom 5. Januar 1968) Im Umgang mit Kritikern ist daher kein Platz für Dialog und sachliche Auseinandersetzung. Vielmehr muß der Kritiker verfolgt und bedroht werden: "Übersehen Sie aber nicht, wie unpraktisch es ist, seinen Freunden nicht genug Macht zu geben, wenn man sie zu vergeben hat. Man kann Scientology-Organisation 197 einen Teil dieser Macht jederzeit an einen anderen weitergeben, falls der erste Inhaber unter seiner Unfähigkeit zusammenbricht. Und sollte einer dieser Leute versuchen, die an ihn delegierte Macht zu benutzen, um einen umzubringen, so kann man ihn stets abschießen wie einen Hasen auf einer Hasenjagd - vorausgesetzt daß man die anderen Freunde hat. Wenn man ein Leben in der Führungsposition oder in der Nähe einer Führungsposition führen will, so muß man es als das wirkliche Leben behandeln. Das Leben blutet. Es leidet. Es hungert. Und solange nicht ein goldenes Zeitalter kommt, muß es das Recht haben, seine Feinde abzuschießen." (Einführung in die Ethik der Scientology, Seite 265). Um die Macht zu behalten, so der Gedanke von Hubbard in seinem Werk "Einführung in die Ethik der Scientology" (Seite 240), einem Grundlagenwerk der SO, müsse man kaltblütig, skrupellos, hemmungslos, gegebenenfalls auch heimtückisch, hinterlistig und mit Gewalt gegen die eigenen Feinde vorgehen, ansonsten würde man die Macht verlieren. Ein zusätzliches Beispiel, wie der SO zufolge mit Kritikern umzugehen ist, gibt die inzwischen angeblich aufgehobene Fair-Game (= Freiwild)-Regel: "Feind SP (= Unterdrückerische Person) Order: Man darf ihr Eigentum abnehKritikermen, sie in jeder Weise verletzen, ohne daß man bestraft wird. Man darf bekämpfung m ihr Sireiche spielen, sie verklagen, sie belügen oder vernichten." allen Mitteln (HCO PL vom 18. Oktober 1967) Aussteiger bestätigen, daß diese Regel von der SO nach wie vor angewendet wird. Auch in Griechenland versuchte die SO, Kritiker nach der Freiwild-Regel auszuschalten. Die im Rahmen eines gegen die SO durchgeführten Ermittlungsverfahrens sichergestellten Unterlagen, die bei der Durchsuchung des KEPHE-Zentrums der SO in Athen aufgefunden wurden, belegen, daß die griechische Sektion der SO aus Dänemark und zum Teil direkt aus den USA Handlungsanweisungen erhielt. Diese betrafen den Umgang mit griechischen Kritikern der SO, wie dem mittlerweile verstorbenen Pater Alevizopoulos, Sektenbeauftragter der griechisch-orthodoxen Kirche. Gegen diesen wurden "Ermittlungen" durchgeführt, um seine angeblichen Verbindungen zu deutschen Nazis zu dokumentieren. Weiterhin wurden Fernsehsendungen inszeniert, um ihn bloßzustellen, und polizeiliche Maßnahmen gegen 198 Scientology-Organisation ihn veranlaßt. Aus einem Bericht der griechischen SO-Niederlassung Kritikerverfolgung ergibt sich ferner, daß eine Intervention der CIA beim griechischen in Griechenland Staatsschutz veranlaßt werden sollte, damit dort SO-kritische Mitarbeiter entlassen würden. In einer sichergestellten Handlungsanweisung an die griechische Sektion der SO nach der Durchsuchung des KEPHE-Zentrums wird gefordert: - Kontakte zur griechischen Regierung herzustellen, um weitere "Angriffe" vorherzusehen und "handhaben" zu können, - die griechische Strafverfolgungsbehörde zur Einstellung des Verfahrens gegen die SO zu bewegen oder diese zu "handhaben". Der unverhüllte Absolutheitsanspruch der SO drängt damit auf Gleichschaltung und Unterdrückung. Meinungsfreiheit wird nur insoweit gewährt, als die "Leute dem Weg der SO folgen". Die aufgeführten Zitate sind als weitere Anhaltspunkte zu werten, daß eine scientologische Gesellschaft auch keine Möglichkeit gewähren wird, Unterdrückung eine parlamentarische Opposition einzurichten und auszuüben. Auch der Meinungsdie Meinungsfreiheit nach Art. 5 des Grundgesetzes wäre in einer freiheit scientologischen Gesellschaft gefährdet. 3. Die Organisationsund Kommandostruktur der SO 3.1 Die Struktur der SO Die SO ist wie ein Wirtschaftskonzern organisiert und wird auf der Basis von Befehl und absolutem Gehorsam nach strategischen Prinzipien geführt. Das Religious Technology Center (RTC) hat die oberste Befehlsgewalt in der SO. Unterhalb des RTC ist das Internationale Management der Die SO - ein SO angesiedelt. Dieses stellt nach dem RTC die höchste Führungsautoritär ebene der SO dar und ist dafür verantwortlich, für jeden Sektor der geführter wirtSO Strategien und taktische Pläne zu entwickeln. Hier wird auch die schaftskonzern Führung der verschiedenen Sektoren koordiniert. Das Internationale Management besteht demzufolge aus mehreren Gruppen, von denen jede eine ganz bestimmte Verantwortung trägt. Die oberste Stufe dieser Führungsebene ist das Watchdog Committee (WDC). Hierbei handelt es sich um eine "Inspektionsund Überwachungsorganisation", welche die eigentlichen Management-Gruppen inspiziert und für deren Funktionieren sorgen soll. Scientology-Organisation 199 Verschiedene Arten von Organisationen der SO sind in unterschiedlichen Sektoren zusammengefaßt. Jeder dieser Sektoren hat wiederum Management-Organisationen anzuleiten. Die Inspektionsund Überwachungsaktionen des WDC richten sich an die verschiedenen Sektoren. Dies sind u.a.: - der Scientology-Sektor (Klasse IV Org), - der Sea Org-Sektor, - der Flag Service-Sektor, - der Flag Ship Service Org-Sektor, - der Celebrity Centres-Sektor, - der Scientology Missions International-Sektor, - der World Institute of Scientology Enterprises (WISE)-Sektor - der Association für besseres Leben und Erziehung (ABLE)-Sektor, - der Golden Era Productions-Sektor und - das Büro für Spezielle Angelegenheiten (OSA). Der Zweck des WDC ist es, kompetente und funktionierende Management-Gruppen zu bilden, welche die verschiedenen Sektoren der SO führen. Jedes Mitglied des WDC ist für einen bestimmten Sektor der Selbständiges SO verantwortlich. Um das Funktionieren der Management-Gruppen Kontrollsystem zu gewährleisten, bedient sich das WDC eines parallelen Zweiges in der SO - der Commodore's Messenger Org (CMO) - zur Überwachung und Durchsetzung der Zielvorgaben; ferner hat das CMO dem WDC die von dort benötigten Informationen zu liefern. Teil des Internationalen Managements ist auch das International Network of Computer Organized Management (INCOMM). INCOMM bedient und unterhält die Zentrale Computerbank. Eine Schlüsselfunktion nimmt auch das Internationale Finanzbüro (IFO) ein, das sich direkt unter dem WDC befindet und vom Internationalen Finanzdirektor geleitet wird. Direkt unterhalb des WDC befindet sich auch der Exekutive Direktor International (ED Int). Seine Aufgabe besteht darin, sämtliche Management-Aktivitäten der SO bis hinunter auf die Stufe der einzelnen Orgs 200 Scientology-Organisation zu koordinieren. Der ED Int verfügt über "persönliche Adjutanten". Sie führen die Bezeichnung "Executive Strata" und stellen den Spezialistenstab des ED Int. Unter der Ebene des Internationalen Managements befindet sich das Flag Führungs-Büro (FCB) mit Sitz in Los Angeles. Als der zentrale Ort des taktischen Managements für jede einzelne Org und Gruppe in sämtlichen Sektoren der SO sorgt es dafür, daß die Pläne und Programme des Internationalen Managements in jeder einzelnen Organisation und Gruppe ausgeführt werden. Das FCB ist deshalb ebenfalls - wie das WDC - in verschiedene Sektoren gegliedert. Das Flag Bureaux (FB) ist derjenige Teil des FCB, der die einzelnen Orgs über die "Flag-Operationen-Verbindungsbüros" (FOLOs) führt, die wiederum ein Teil der "Kontinentalen Verbindungsbüros" sind. Es hat die Möglichkeit, speziell ausgebildete Sea Org-Mitglieder direkt in Organisationen zu entsenden, um Problemfälle vor Ort zu lösen. Der WISE-Sektor (World Institute of Scientology Enterprises: WISE Int und WISE Cont) ist eine Management-Organisation, die dafür Sorge trägt, daß die administrative Technologie des L. Ron Hubbard in der Geschäftswelt verbreitet wird. Um dies zu erreichen, hat WISE Int eine Mitgliedschaftsorganisation, die Einzelpersonen und Unternehmen die Lizenzen erteilt, Hubbards administrative Technologie zu benutzen. Der ABLE-Sektor (Association for better Living and Education: ABLE Int und ABLE Cont) soll aus Sicht von SO soziale Fragen behandeln. In diesem Bereich sind u.a. die Gruppen NARCONON (= Drogenrehabilitation) und CRIMINON (= Strafgefangenenrehabilitation) angesiedelt. 3.2 Organisationen der SO in Deutschland In den aus vorstehender Aufgliederung zu erkennenden Bereichen - Scientology-Sektor, - WISE-Sektor und - ABLE-Sektor bestehen in der Bundesrepublik Deutschland Niederlassungen. Diese Organisationen erreichen in der SO-Hierarchie aber keine hohen Ränge. Die Befehlszentren für deutsche Scientologen liegen in Dänemark, England, die obersten Instanzen in den USA. Scientology-Organisation 201 Religious Technology (V) The Command Chart of SCIENTOLOGY - Die K o m m a n d o s t r u k t u r der S c i e n t o l o g y - O r g a n i s a t i o n - Center (RTC) (r) WATCHDOGCOMMITTEE (WDG) [Überwachungsausschuß] Reserven OSA Scientoicgy Ceteixity *\iy W1SE Rücklagen Büro für Diens:DienstLeitinstitut 'ü: Spezielle tels.tungs*leislungsleistuniisScientotogy*rganisatic *rganisattöri * : ; * * *. . - . : : Uniernetimen CMO (NT Int Leitender - Direktor - International Commodore's Messeriger Finance Office - Ebene der leitenden Mitarbeiter - Golden Era Organization International (IFO) - Vorstand des Internationalen Managements - Produclions CMO GOLD " . . . . * KOORDINIERUNG DURCH DEN UBERWACHUNGSAUSSCHUSS / VORSTAND DES INTERNATIONALEN MANAGEMENTS - Flag-Netzwerk Koordinierungsausschuß, geleitel durch das Flag-Befehlsbüro - FLAG COMMAND BUREAUX (FCB) FLAG BUREAUX SCIENTOLOGY MISSIONS WORLD INSTITUTE OF ASSOCIATION FOR BETTER BRIDGE PUBLICATIONS INTERNATIONAL SCIENTOLOGY ENTERPRIUVING AND EDUCATION INCOBPORATED (BPt) (c) (SM! INT) SES INTERNATIONAL fWISE INT) INTERNATIONAL [ABLE INT) (Verlagshaus) NEW ERA PUBLICATIONS -j r- CONTINENTAL NETWORK COORDINATION COfvIMITTEE HEADED BY CO-CON1 INEN 1 AL LIAISON OFFICE FSO CC INT CONTINENTAL LIAISON OFFICE (CLO) Flag Celebrity Service Centre FLAG SCIENTOLOGY MISSIONS WORLD INSTITUTE OF ASSOCIATION FOR CONTINENTAL Org InterOPERATIONS LIAISON INTERNATIONAL SCIENTOLOGY ENTERBETTER LIVING AND PUBLICATIONS LIAISON national OFFICE CONTINENTAL PRISES CONTINENTAL EDUCATION CONTINENTAL OFFICE (CPLO) (FOLO) (SMI CONTJ [WISE CONT) (ABLE CONT) ITT (c) FIELD GROUPS MISSIONS WISE SOCIAL CELEBRITY SEA ORG - Feldauöitoren CHARTER REFORM CENTRE SERVICE CLASS IV - Dianetikg 19 w 39 t<2 l/ 1996 1997 * Deuts :hland I I Bayern starb. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt an der Oder hat gegen die beiden nach der Tat Festgenommenen am 14. Mai Anklage wegen Mordes bzw. gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge erhoben. Das Landgericht Potsdam verurteilte am 23. April einen 22jährigen Hauptangeklagten wegen versuchten Mordes zu 15 Jahren FreiheitsHohe Haftstrafen strafe und einen 20jährigen Mitangeklagten zu acht Jahren Jugendstrafe. Die Verurteilten hatten am 30. September 1996 in Trebbin/Brandenburg drei italienische Bauarbeiter angegriffen und eines der Opfer mit einem Baseballschläger lebensgefährlich verletzt. Der Geschädigte lag mehrere Monate im Koma und ist seitdem querschnittsgelähmt. Das Gericht bewertete den Angriff als fremdenfeindlich motivierte Straftat. Das Landgericht Leipzig verurteilte am 7. November einen 21jährigen Deutschen wegen Mordes zu neun Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Einen 19jährigen Mittäter verurteilte das Gericht wegen Beihilfe zum Totschlag zu vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Die beiden hatten am 23. Oktober 1996 in Leipzig/Sachsen einen syrischen Asylbewerber niedergestochen, als er zwei Frauen zu Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 215 Hilfe kommen wollte, die von den Tätern mit ausländerfeindlichen Parolen beschimpft worden waren. Das Landgericht Lübeck verurteilte am 1. Dezember den Neonazi Kay Diesner wegen Mordes und zweifachen Mordversuchs zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Der Verurteilte hatte am 19. Februar in Berlin-Marzahn mit einem Schrotgewehr einen Mordanschlag auf einen Buchhändler verübt. Der Buchhändler erlitt schwere Schußverletzungen. Diesner, ein ehemaliger Aktivist der Nationalen Alternative (NA), bezeichnet sich als Mitglied des Weißen Arischen Widerstands (WAW). Eine derartige Organisation gibt es in Deutschland nicht, jedoch wird diese Bezeichnung gelegentlich von Rechtsextremisten in Anlehnung an eine entsprechende Gruppierung in den USA verwendet. Einen weiteren allerdings nicht rechtsextremistisch motivierten Mord hatte Diesner am 23. Februar verübt. Auf seiner Flucht erschoß er bei einer Polizeikontrolle bei Roseburg/Schleswig-Holstein einen Polizeibeamten. Im Zusammenhang mit rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten führt der Generalbundesanwalt seit 1992 mehrere Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Existenz rechtsterroristischer VereiniKeine rechtsgungen. Dabei konnten rechtsterroristische Strukturen in Form einer terroristischen "Braunen Armee Fraktion" in Deutschland bisher nicht festgestellt Vereinigungen in werden. Konkrete Erkenntnisse über Planungen von Terroranschlägen Deutschland liegen nicht vor. Durch rechtzeitige Exekutivmaßnahmen konnten neonazistische Gruppen, die Waffen und Sprengstoff zur Durchführung von Gewalttaten vorrätig hielten, im Ansatz zerschlagen werden. Rechtsextremistisch motivierte Gewalt geht überwiegend von Personen aus, die nicht in politischen Gruppen oder Parteien organisiert sind. Eine Strategiedebatte zur gewaltsamen Systemüberwindung findet im rechtsextremistischen Lager derzeit nicht statt. Gewaltaktionen von "Einzelkämpfern" können jedoch nie ausgeschlossen werden. Die polizeilichen Ermittlungen erbrachten bisher keine Erkenntnisse Keine überregioüber eine überregionale Steuerung der Gewalttaten durch rechtsnale Steuerung extremistische Organisationen. Überwiegend wurden die Gewaltder Gewalttaten taten nicht von Einzeltätern, sondern von mehreren gemeinschaftlich handelnden Personen verübt. Dabei entstand der Tatentschluß vielfach spontan aus gruppendynamischen Prozessen, gefördert durch Alkohol oder Musik mit rechtsextremistischem Inhalt. Die Mehrzahl der ermittelten Tatverdächtigen ist jünger als 21 Jahre. 216 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Nur ein Drittel der in Bayern ermittelten Tatverdächtigen war bisher einschlägig bekannt. Etwa ein weiteres Drittel war bisher allgemeinpolizeilich und nicht mit extremistischen Straftaten in Erscheinung getreten. 1.2 Linksextremistische Gewalt Anstieg Bundesweit wurden 833 Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Motivation gegenüber 716 Gewalttaten des Vorjahrs festgestellt. Den Schwerpunkt bildeten dabei erneut Angriffe gegen Einrichtungen und Firmen im Zusammenhang mit dem Transport abgebrannter Brennelemente aus Kernkraftwerken in Castor-Behältern. Insgesamt entfallen mit 213 Taten 25 % der gesamten linksextremistisch motivierten Gewalttaten auf diesen Bereich. Für Linksextremisten stellt damit der Protest gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie ein herausragendes Aktionsfeld für Angriffsunfriedliche Aktionsformen und Gewalttaten dar. Weitere Schwerschwerpunkt punkte bilden Gewaltakte gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten und gegen "Umstrukturierungsmaßnahmen" in Großstädten, insbesondere in Berlin. Die Zahl der Gewalttaten gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten stieg von 99 auf 139. Auch Solidarität mit ausländischen extremistischen Gruppierungen und Aktionen gegen Abschiebungen waren Anlaß für Gewalttaten. Keine Anschläge Terroristische Aktionen der RAF oder AIZ waren nicht zu verzeichnen. von RAF und AIZ Die linksextremistischen Gewalttaten wurden zu über 80% von Gruppen und Einzeltätern aus dem gewaltbereiten autonomen und anarchistischen Spektrum begangen. Ziel dieser und anderer in Deutschland gewalttätig agierender linksextremistischer Gruppen ist nach wie vor die gewaltsame Zerschlagung der gegenwärtigen Staatsund Gesellschaftsordnung, in der sie ein "Instrument zur Durchsetzung weltweiter kapitalistischer imperialistischer Ausbeuterinteressen" sehen. Hohe kriminelle Die hohe kriminelle Energie der Täter zeigt sich unter anderem in den Energie Anschlägen im Zusammenhang mit den Castor-Transporten. Im Rahmen der von Kernkraftgegnern gesteuerten Kampagne gegen die Castor-Transporte verübten militante Kernkraftgegner, insbesondere militante Linksextremisten, in zunehmendem Maße schwere Gewalttaten und Anschläge vor allem gegen Einrichtungen der Deutschen Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 217 Bahn AG und Hochspannungsleitungen. Den Höhepunkt erreichten die Gewalttaten unmittelbar vor und während des Castor-Transports vom 3. bis 5. März nach Gorleben/Niedersachsen. Insbesondere Autonome in Norddeutschland versuchten, die Polizei schon im Vorfeld zu binden. Bei einem "Schienenaktionstag" wurden Bahngleise beschädigt. Mit Hakenkrallen wurden Anschläge auf Bahnstrecken verübt. In der heißen Phase der Auseinandersetzung wurden 659 Straftaten begangen. Dabei wurden 77 eingesetzte Polizeibeamte verletzt. Der Sachschaden geht in die Millionenhöhe. Polizeibeamte wurden mit Zwillen und Leuchtspurmunition beschossen. Insgesamt waren bei diesem Transport sechs Castor-Behälter nach Gorleben gebracht worden, darunter ein Behälter mit abgebrannten Brennelementen aus dem bayerischen Kernkraftwerk Gundremmingen. In Bayern verliefen die Proteste gegen den Transport weitgehend störungsfrei. Insgesamt war neben mehreren Brandund Sprengstoffanschlägen eine Vielzahl gefährlicher Eingriffe in den Bahnverkehr zu verzeichnen. Gewalttäter unterhöhlten Bahngleise, errichteten Barrikaden auf den Gleisen und legten Bombenattrappen auf den Bahnstrecken ab. Entwicklung 900 - 833 linksextremistisch motivier800 - 7J6 I^ % ter Gewalttaten 700 - ^=m 600 - 500 - Af ifUU -- 300 - 200 - : : b> 1996 1997 I| Deutschland QBayern 218 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Zahlreiche Schienen wurden anbzw. durchgesägt und Signalkabel durchtrennt. Auch Strommasten wurden umgesägt. 1.3 Gewalt zwischen Linksund Rechtsextremisten Bundesweit war eine Reihe zum Teil schwerer Gewalttaten gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten zu verzeichnen. Die Angriffe der Linksextremisten richteten sich dabei vor allem gegen Veranstaltungen, aber auch gegen einzelne Personen. Für Gegendemonstranten bei Veranstaltungen von Rechtsextremisten spielt es keine Rolle, ob es tatsächlich zu Aktionen kommt, wie z.B. am 1. März in München, oder ob die rechtsextremistischen Demonstrationen abgesagt oder verboten werden, wie am 22. Februar in Aschaffenburg. Für die Autonomen, deren stärkere Zusammenarbeit die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) erreichen will, ist Antifaschismus nur ein Mittel zum Zweck. Das eigentliche Ziel ist die Antifa-Ziel: Zerstörung des "imperialistischen Systems". Das Thema "AntifaschisZerstörung des mus" wird auch in Zukunft eines der wichtigsten Aktionsfelder auto"Systems" nomer Politik und damit auch autonomer Militanz bleiben, sei es bei Demonstrationen oder auch bei kleineren Aktionen im örtlichen Bereich. Die Autonome Antifa (M) Göttingen, die eine Führungsrolle in der AA/BO einnimmt, hat in einer verspätet herausgegebenen Erklärung Gewalttaten von Linksextremisten anläßlich der 10. Wiederkehr des Todestags von Rudolf Heß begrüßt. Am 16. August hatten Autonome unter anderem 50 Rechtsextremisten in Hannover tätlich angegriffen. Auch ein Überfall am 31. August in Berlin auf einen Schwere 17jährigen Skinhead machte erneut die Gewaltbereitschaft von Gewalttaten "Antifaschisten" deutlich. Die Täter hatten mit Eisenstangen und Knüppeln auf das Opfer eingeschlagen. Im Internet zogen Autonome eine positive Bilanz der "organisierten, antifaschistischen Selbsthilfe". So habe in Aschaffenburg, München und Nürnberg Schlimmeres verhindert werden können. Besonders hervorgehoben wurden dabei Flaschenwürfe und das Verbrennen einer JN-Fahne vor dem Sitz des NPD-Landesverbands in München. Die sogenannte Anti-Antifa-Kampagne der Rechtsextremisten, insbesondere als Initiative einzelner Führungspersonen des rechtsextremistischen Bereichs zur Bildung von Aktionsbündnissen und zur Integration des Spektrums, aber auch zur Abwehr des politischen Gegners erdacht, ist regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Festzustellen ist, daß sich die Anti-Antifa-Arbeit bezogen auf das Bundesgebiet Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 219 mit dem Sammeln, Abklären und Verbreiten von Daten über politiErweiterung sche Gegner nicht mehr nur gegen "Linke", sondern zunehmend des Anti-Antifaauch gegen Vertreter staatlicher Institutionen richtet, die mit der Zielspektrums Bekämpfung des Rechtsextremismus beauftragt sind. So wurden bereits in Listen mit Personen, die angegriffen werden sollen, Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte und Medienvertreter festgestellt. 1.4 Gewalttaten ausländischer Extremisten und Strafverfahren Die Bedrohung der Inneren Sicherheit durch gewalttätige ausländische Extremisten ist leicht gesunken. Insgesamt waren in Deutschland Leichter Rückgang 314 Gewalttaten ausländischer Extremisten gegenüber 349 im Vorjahr zu verzeichnen. Der größte Teil dieser Gewalttaten - Erpressungen und Körperverletzungen - stand im Zusammenhang mit "Spendenkampagnen" türkischer und kurdischer Gruppen. Mit besonderer Brutalität und extremer krimineller Energie werden Richtungsstreitigkeiten ausgetragen. Bei elf vollendeten bzw. versuchten Tötungsdelikten waren mehrere Todesopfer zu beklagen. Die verbotene kurdische PKK vermied zumindest nach außen offene Gewalthandlungen. Anschläge waren ihr nicht zuzuordnen. Gleichwohl gibt es nach wie vor Erkenntnisse, daß die PKK Abweichler verfolgt, mit Drohungen und Gewalt "Spenden" eintreibt und Kinder Gewalt bei bzw. Jugendliche gegen den Willen ihrer Sorgeberechtigten in AusSpendenbildungslager bringt. Dort werden sie unter anderem für den terrorikampagnen stischen Kampf der PKK in der Türkei unterwiesen. Die juristische Aufarbeitung der Gewaltaktionen der PKK aus den verHohe Haftstrafen gangenen Jahren dauert an. Einige Strafverfahren endeten mit zum Teil hohen Haftstrafen. Daneben konnten weitere hohe Funktionäre festgenommen werden, gegen die unter anderem Haftbefehle wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgelegen hatten. Am 5. März verurteilte das Oberlandesgericht Hamburg die ehemalige Regionsverantwortliche für die PKK-Region Nord-West, die ehemalige Gebietsverantwortliche für das PKK-Gebiet Bremen und den Raumverantwortlichen für den PKK-Raum Bremen wegen versuchten Totschlags zu Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb und fünfeinhalb Jahren. Die Verurteilten sind mitverantwortlich für zwei versuchte Tötungsdelikte, die am 7. Oktober 1994 auf zwei PKK-Mitglieder in 220 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Bremen und Hamburg verübt worden waren. Beide Opfer waren dabei lebensgefährlich verletzt worden. Festnahme Am 1. April nahm die Polizei in Berlin den ehemaligen Gebietsleiter der PKK für das Gebiet Hannover wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung fest. Er wird beschuldigt, dort jeweils im Juni und November 1993 PKK-Mitgliedern befohlen zu haben, neben anderen Straftaten Brandanschläge gegen türkische Objekte zu verüben. Am 6. Mai nahm die Polizei in Frankfurt am Main einen 32jährigen Kurden fest. Ihm wird vorgeworfen, eine terroristische Vereinigung unterstützt zu haben und an der versuchten Tötung eines ehemaligen PKK-Funktionärs am 2. Mai 1994 in Krefeld beteiligt gewesen zu sein. Das Opfer war seinerzeit durch mehrere Schüsse lebensgefährlich verletzt worden. Am 28. Mai verurteilte das Oberlandesgericht Celle den ehemaligen PKK-Regionsleiter Nord und Mitte unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Der ehemalige Verantwortliche des PKK-Gebiets Hannover erhielt wegen der gleichen Delikte eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Entwicklung der Gewalttaten durch ausländische Extremisten Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 221 Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte am 12. August vier PKK-Gebietsleiter, darunter eine Frau, in Abwesenheit wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten. Die Verurteilten waren im April nach zweijähriger Untersuchungshaft unter Auflagen freigelassen worden und sind seit Mitte Mai flüchtig. Am 19. August lieferten die britischen Behörden den ehemaligen Auslieferung ERNK-Europasprecher Feysal Dunlayici alias Kani Yilmaz nach Deutschland aus. Dunlayici war am 26. Oktober 1994 in London aufgrund eines Haftbefehls des Generalbundesanwalts wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen worden und befand sich seitdem in Auslieferungshaft. Am 24. Oktober erhob der Generalbundesanwalt beim Oberlandesgericht Celle Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Am 2. September verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf zwei PKK-Funktionäre wegen Beteiligung an einer Anschlagsserie der PKK im Jahre 1993 zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten bzw. fünf Jahren. Das Gericht befand die Verurteilten der Sachbeschädigung und der versuchten schweren Brandstiftung für schuldig. Das Verfahren gegen einen dritten Beschuldigten war abgetrennt worden und wird fortgesetzt. Am 7. Oktober nahm die Polizei in Ludwigsburg/ Baden Württemberg einen 25jährigen Kurden wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung fest. Der Festgenommene soll die PKK-Region Baden geleitet haben. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte am 13. Oktober Hohe Haftstrafen drei PKK-Funktionäre wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beteiligung an Brandanschlägen gegen türkische Einrichtungen im Rhein-Main-Gebiet zu Freiheitsstrafen von elf Jahren, sechs Jahren und sechs Monaten bzw. zwei Jahren und drei Monaten. Den Angeklagten war zur Last gelegt worden, im Jahr 1993 für zahlreiche Anschläge gegen türkische Einrichtungen mitverantwortlich gewesen zu sein. Das Gericht führte hierzu aus, die Angeklagten hätten zwar nicht selbst an den Anschlägen teilgenommen, diese Gewalttaten als Funktionäre der PKK aber organisiert und befohlen. Am 5. November verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf ein ehemaliges Mitglied der Europäischen Frontzentrale der PKK wegen 222 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Der Verurteilte hatte von Juni 1993 bis April 1995 die Finanzen der Europäischen Frontzentrale der PKK geleitet. Das Oberlandesgericht Celle verurteilte am 12. November einen hochrangigen PKK-Funktionär und ehemaliges Mitglied der Europäischen Frontzentrale der PKK wegen mehrfacher schwerer Brandstiftung gegen türkische Einrichtungen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Bei der Festnahme am 16. September 1996 sichergestelltes Bargeld in Höhe von 163.000 DM erklärte das Gericht für verfallen. Am 10. Dezember verurteilte das Oberlandesgericht Celle den ehemaligen Verantwortlichen für das PKK-Gebiet Hannover wegen Mittäterschaft an Brandstiftungen und anderer Straftaten im November 1993 in Hannover zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Die Gewaltbereitschaft und extreme kriminelle Energie türkischer linksextremistischer Gruppen verdeutlichen folgende Ereignisse: Am Nachmittag des 25. April betraten etwa fünf Personen ein türkisches Imbißlokal in Hamburg, boten eine Publikation des Karatas-Flügels der verbotenen Devrimci Sol zum Kauf an und versuchten, Spenden zu sammeln. Sie wurden vom Personal und einigen Gäste aus dem Lokal gedrängt. Stunden später erschien eine Gruppe von mehr als zehn Personen in dem Lokal. Mit Baseballschlägern demolierten sie die Inneneinrichtung des Lokals und schlugen zwei Gäste zusammen. Als der Inhaber des Lokals mit einem PKW vorfuhr, schoß eine Person zweimal in das Fahrzeug. Der Fahrer wurde getroffen und verstarb im Krankenhaus. Die Polizei nahm noch in derselben Nacht drei türkische Staatsangehörige fest. Gegen sie erging Haftbefehl. Die andauernden blutigen Richtungskämpfe innerhalb der verbotenen Devrimci Sol eskalierten ab dem Frühsommer. Bereits am 13. Mai 1996 und am 18. Mai 1996 hatten konkurrierende Anhänger der Devrimci Sol mit Schußwaffen Anschläge verübt. Die Opfer machen in der Regel keine Angabe über die Hintergründe der Taten. Eine neue Serie von Gewalttaten begann am 13. Juni in Frankfurt am Main. Aus einer Gruppe von vier Landsleuten heraus wurden zwei Schüsse aus nächster Nähe auf einen 19jährigen Anhänger des Karatas-Flügels der Devrimci Sol abgegeben. Die Täter und zwei Begleiter des Opfers flüchteten. Das Opfer erlitt zwei Oberschenkeldurchschüsse. Terror und sonstige politisch motivierte üewalt 223 Fünf türkische Staatsangehörige stürmten in Hamburg am 12. Juli in ein türkisches Lokal und bedrohten den Wirt. Anschließend schlugen sie auf zwei türkische Gäste ein und verletzten sie durch Schüsse und Messerstiche. Am 9. August wurde in Hamburg ein türkischer Staatsangehöriger von vier unbekannten Tätern lebensgefährlich verletzt. Auf das Mf WH!JMJ,5,, Opfer wurden neun Schüsse abgegeben, als es die Zeitschrift "Kurtulus" des Karatas-FlüParti gels der Devrimci-Sol in den Räumen eines türkischen Kulturvereins anbot. / Am 22. August kam es in Frankfurt am Main beim Zusammentreffen zwischen zwei Gruppen des Yagan-Flügels und des Karatas-Flügels sofort zu einem Schußwechsel. Bei dem Schußwechsel, in dessen Verlauf etwa acht bis zehn | Schüsse abgegeben wurden, stürzte ein : Yagan-Anhänger, wohl aufgrund eines ""*""K* Beinschusses. Auf das am Boden liegende wehrlose Opfer gab ein Schütze aus der Gruppe der Karatas-Anhänger noch mindestens drei bis fünf Schüsse ab. Das Opfer erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Die Karatas-Anhänger flüchteten zunächst mit zwei PKW mit Aschaffenburger Kennzeichen. Sie konnten jedoch kurze Zeit später festgenommen werden. Unter ihnen befand sich der Hauptverdächtige, Festnahmen ein in Frankreich lebender türkischer Staatsangehöriger. Die weiteren Tatbeteiligten stammen aus dem Raum Aschaffenburg, Hessen und Baden-Württemberg. Am 5. September wurde in Hamburg ein Aktivist des Yagan-Flügels beim Verlassen der Wohnung durch drei Schüsse in die Beine und Hüfte schwer verletzt. Der Halter des bei der Tat benutzten Fahrzeuges mit französischem Kennzeichen ist als Aktivist des Karatas-Flügels bekannt. Im Zusammenhang mit den Flügelkämpfen nahm die Polizei am Weitere 12. September in Hamburg ein führendes Mitglied der DHKP-C aus Festnahmen Dortmund fest. In dem von ihm benutzten Fahrzeug wurde eine Schußwaffe beschlagnahmt. Auch am 3. Oktober fand die Polizei in Aschaffenburg bei der Festnahme eines Tatverdächtigen der Schießerei vom 22. August in Frankfurt am Main eine Schußwaffe. Aufgrund 224 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt dieser Waffenfunde muß davon ausgegangen werden, daß sich die verfeindeten Gegner weiter bewaffnen. Auch in weiteren türkischen linksextremistischen Gruppen ist eine erhebliche Gewaltbereitschaft vorhanden. Die revolutionär-marxistiRichtungskämpfe sehe TKP/ML bleibt weiterhin in zwei konkurrierende Flügel gespalin der TKP/ML ten. Innerhalb des unter der Bezeichnung "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) auftretenden Flügels dauerten die im Frühjahr 1996 begonnenen "Säuberungen" an. Unter dem Codewort "Operation Schneeglöckchen" werden Verräter und Kollaborateure gesucht. Die Aktion forderte in der Türkei bereits mehrere Todesopfer, die bis in hohe Funktionärskreise reichten. In Europa sind bislang keine Gewalttaten im Zusammenhang mit den "Säuberungen" bekannt geworden. Es ist aber nicht auszuschließen, daß die Täter auch in Deutschland zuschlagen würden, wenn sich ein "Verräter" hier aufhalten sollte. Am 24. März verurteilte das Landgericht Duisburg den Türken Remzi Uslu wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Nach Überzeugung des Gerichts war dieser am 27. August 1996 in Duisburg an der Ermordung eines Landsmanns beteiligt gewesen, der im Auftrag der türkischen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) als abtrünniges Parteimitglied ausgeschaltet werden sollte. Ein weiterer Tatverdächtiger konnte am 9. Juni im Raum Paris festgenommen werden. Ein dritter Tatverdächtiger wird noch mit internationalem Haftbefehl gesucht. Zur Deckung ihres erheblichen Finanzbedarfs veranstalten die "SpenderV'-Quittung genannten linksextremistischen türkischen und kurdischen Gruppieder DHKC rungen jährlich "Spendenkampagnen" bei Landsleuten, insbesondere Geschäftsleuten. Die Spendeneintreiber schrecken dabei selbst vor massiven Drohungen und schweren Gewalttaten nicht zurück, um zum Teil fünfstellige Geldbeträge zu erpressen. \ Auch islamische Extremisten verübten schwere Straftaten. \ So ermordeten Unbekannte am 8. Mai in Berlin einen i Dissidenten des ICCB, der seit Anfang 1996 eine bedeutende Abspaltergruppe in Berlin geführt hatte. Es wurde bekannt, daß auch der Imam (Vorbeter) der Mevlana-Moschee Augsburg zuvor in einem Freitagsgebet zur Ermordung des Führers der Berliner Abspaltergruppe aufgerufen haben soll. Bereits seit Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 225 Juni 1996 war der ehemals hochrangige ICCB-Funktionär in der Zeitung "Ümmet i Muhammed" in letzter Konsequenz mit dem Tod bedroht worden. Nach Hinweisen auf einen Mordaufruf durch den Gewalttaten Augsburger Imam der Mevlana-Moschee erwirkte die Augsburger islamischer Staatsanwalt bundesweite Durchsuchungsbeschlüsse gegen ObjekExtremisten te und führende Funktionäre des ICCB, die am 9. September vollzogen wurden. Eines der durchsuchten Objekte war die als Zentrale des ICCB für Bayern fungierende Mevlana-Moschee in Augsburg. Dabei wurden neben weiteren, abstrakten Gewaltaufrufen gegen Abtrünnige auch Vereinsunterlagen sichergestellt, die die Gewaltbereitschaft der Organisation bestätigen. Ein Vereinsplakat des ICCB zeigt die Abbildung zweier Maschinenpistolen unter dem Vereinsnamen. Der Konflikt im jugoslawischen Kosovo hat bislang nicht auf Deutschland übergegriffen. Hinweise, am 8. Oktober werde der "Befreiungskampf" auch in Bayern mit Anschlägen auf serbische Einrichtungen beginnen, haben sich nicht bestätigt. Für Deutschland ist eine Verschärfung der Gefährdungslage derzeit nicht zu erwarten. 2. Politisch motivierte Gewalt in Bayern* Die Gesamtzahl politisch motivierter Gewalttaten ist in Bayern von 52 auf 74 Vorfälle angestiegen. Der Anteil der in Bayern verübten Gewalttaten an der bundesweiten Zahl von 1.938 Fällen ist mit ca. knapp vier Prozent sehr gering. Die Entwicklung ist allerdings auch in Bayern unterschiedlich verlaufen. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten sind von 19 auf 39 angestiegen; es waren 19 linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegenüber 25 im Vorjahr zu verzeichnen. Dabei wurden die am 1. März in München anläßlich der NPD-Versammlung zur Wehrmachtsausstellung begangenen Straftaten des Landfriedensbruchs, der Körperverletzung und des Widerstands in 36 Fällen aus Gründen der bundesweiten Vergleichbarkeit als eine Straftat gezählt. Die Zahl der Gewalttaten ausländischer Extremisten betrug 16 gegenüber acht im Vorjahr. * Einfache Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung werden vom Bundeskriminalamt in der Statistik seit 1. Januar 1997 nicht mehr als Gewalttaten erfaßt. Entgegen der in den Vorjahren üblichen Praxis enthalten deshalb die Zahlen für Bayern keine Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung. Die Vorjahreszahlen wurden dieser Zählweise angepaßt. 226 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Auch 1997 forderte die politisch motivierte Gewalt in Bayern keine Todesopfer. Die Zahl der Brandanschläge, bei denen das angegriffene Ziel, die Tatausführung oder Selbstbezichtigungen auf politische Motive hindeuten, ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Insgesamt wurden sechs Brandanschläge (1996: 13) verübt oder versucht. Bei den zwei (1996: fünf) Brandanschlägen mit rechtsextremistischem Hintergrund war ein fremdenfeindliches Motiv erkennbar bzw. zu vermuten. Linksextremisten verübten zwei Brandanschläge (1996: drei). Ausländische Extremisten waren für zwei Brandanschläge (1996: fünf) verantwortlich. 2.1 Rechtsextremistische Gewalt Die Gesamtzahl der Gewalttaten betrug 39 gegenüber 19 im Vorjahr; Massive das sind rund fünf Prozent der bundesweit registrierten Delikte. Zehn Straftaten (1996: drei) Gewalttaten richteten sich gegen politische Gegner. 12 (1996: 13) Gewalttaten - daneben waren neun (Vorjahr: drei) Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung zu verzeichnen - hatten eine fremdenfeindliche Motivation. Die zwei Brandanschläge (1996: fünf), elf Angriffe auf Personen (1996: zwölf) und neun Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung (1996: drei) gegenüber Ausländern zeigen, daß im rechtsextremistischen Bereich eine erhebliche und ernst zu nehmende Gewaltbereitschaft besteht. Auch die Zahl der sonstigen fremdenfeindlichen Straftaten ohne Anwendung physischer Gewalt, wie Bedrohungen, Nötigungen und Propagandadelikte, stieg von 179 auf 251 deutlich an. Der seit 1992 anhaltende Rückgang rechtsextremistischer Gewalttaten hat sich nicht fortgesetzt; die jetzigen Zahlen entsprechen etwa denen des Jahres 1995. Insgesamt ist der Anstieg der Gewalttaten vor allem auf einen überproportionalen Anstieg der Körperverletzungen von zwölf im Jahr 1996 auf insgesamt 29 entsprechende Delikte zurückzuführen. Maßgeblich für diese Entwicklung in Bayern war im wesentlichen eine deutlich gesteigerte Aggressivität von Skinheads. Diesen ist der weitaus größte Teil dieser Delikte zuzuordnen. Besorgniserregend ist auch der Anstieg der sonstigen rechtsextremistisch motivierten Straftaten (ohne Gewalttaten) auf 1.143 gegenüber 811 im Vorjahr. Dabei handelt es sich insbesondere um das Schmieren von NS-Kennzeichen und die Versendung volksverhetzender Pamphlete. Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 227 Entwicklung 80politisch motivierter 70Gewalttaten in Bayern 60- D 1996 50- I 1997 39 403019 16 20100- linksextremistisch motivierte rechtsextremistisch motivierte 50 Gewalttaten durch ausländische Gewalttaten Gewalttaten Extremisten Von den insgesamt 1.182 rechtsextremistisch motivierten Straftaten Hoher Anteil von (einschließlich Gewalttaten) konnten 595 aufgeklärt werden. Die Ersttätern Polizei ermittelte 813 Tatverdächtige. 631 der Tatverdächtigen (78%) sind erstmals als politisch motivierte Straftäter in Erscheinung getreten. 339 der Tatverdächtigen (42%), darunter 207 Ersttäter (61%), waren der Skinheadszene zuzuordnen. Für die 132 ermittelten Tatverdächtigen zu den Gewalttaten ergibt sich ein ähnliches Bild. 85 von ihnen (64,4 %) waren Ersttäter. 105 der Tatverdächtigen (79,5 %) waren der Skinheadszene zuzurechnen - mit einem Ersttäteranteil von 58,1 %. 88 und damit zwei Drittel der Tatverdächtigen waren jünger als 21 Jahre. Typisch für die 1997 festgestellten rechtsextremistischen Gewalttaten sind die folgenden Beispiele: 2.1.1 Brandanschläge Unbekannte Täter warfen am 31. März einen Brandsatz in ein Wohnund Geschäftshaus in Memmingen. Durch den Brand in dem überwiegend von Ausländern bewohnten Haus, in dessen Erdge- 228 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt schoß sich ein türkischer Laden befindet, entstand geringer Sachschaden. Am 13. Dezember verübten unbekannte Täter in Bad Berneck, Landkreis Bayreuth, einen Brandanschlag auf ein Asylantenwohnheim. Die Heimbewohner konnten den im Eingangsbereich gelegten Brand rechtzeitig löschen. Es entstand Sachschaden in Höhe von etwa 300 DM. 2.1.2 Sonstige Gewalttaten Nicht nur die Straftaten generell, sondern auch die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten in Bayern gingen zu etwa 40 % von den Skinheads aus. Bei den ermittelten Gewalttätern liegt der Anteil Hoher Anteil von mit 105 von 132 Tatverdächtigen bei etwa 80 %. Die Skinheadszene Skinheads ist im ständigen personellen und organisatorischen Wandel und hat keine Nachwuchsprobleme. So haben sich im Berichtszeitraum neue Gruppen gebildet. Die Zahl der Anhänger hat sich insgesamt deutlich erhöht, obwohl bisher aktive Gruppen die Aktivitäten stark eingeschränkt haben oder ganz verschwunden sind. Die Gewalttaten der Skinheads richten sich vorwiegend gegen Ausländer. Opfer der Gewaltexzesse können aber auch zufällig anwesende Passanten werden. Vermehrt kam es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit "politischen Gegnern", z.B. in München und in Garmisch-Partenkirchen. Der NPD und deren Jugendorganisation JN ist es bei der Großdemonstration am 1. März in München erstmals gelungen, das Skinheadpotential in größerer Breite für eine gemeinsame politische Aktion zu mobilisieren. Skinheads planen Gewalttaten nur selten. In der Regel werden die Gewalttaten spontan begangen, wenn alkoholisierte Skinheads einer ihrem Feindbild entsprechenden Person begegnen. Politische Diskussionen finden in der Szene kaum statt. Die "Anpolitisierung" erfolgt oft durch aggressive Musiktexte. So wurde im Juni eine CD einer Skinheadband "Zillertaler Türkenjäger" bekannt, in deren Texten zum Mord an Farbigen und Juden aufgerufen wurde. Auf dem Cover waren mehrere Personen an einem Galgen abgebildet. Am 10. Januar prügelten sich in München in einem U-Bahnhof angetrunkene Skinheads mit Punkern. Dabei erlitten zwei Punker Verletzungen. Die Polizei nahm fünf Skinheads und zwei Punker vorläufig fest. Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 229 Am 12. Januar griffen drei Skinheads im selben U-Bahnhof einen 17jährigen Türken an, schlugen ihn nieder und beleidigten ihn mit den Worten "Scheiß Türke". Die drei mutmaßlichen Täter im Alter von 17 bis 20 Jahren konnten ermittelt werden. In der Nacht zum 23. Februar griffen am Bahnhofsplatz in Ansbach mehrere Skinheads einen 17jährigen Jugendlichen an, der ein T-Shirt mit dem Aufdruck "NAZIS" und einem durchgestrichenen Hakenkreuz trug. Das Opfer wurde niedergeschlagen, getreten und von einem Hund gebissen, den die Angreifer auf das Opfer gehetzt hatten. Mehrere Tatverdächtige konnten ermittelt werden. Am 26. Februar nahm die Polizei in Nürnberg drei Deutsche fest, die einen Vietnamesen angepöbelt, beleidigt und geschlagen hatten. Demonstrationsrückkehrer aus der Skinheadszene griffen am Abend Angriffe gegen des 1. März im Bahnhofsgebäude Murnau eine 20jährige Passantin Passanten an, die sie nach ihrem äußeren Erscheinungsbild der Punkerszene zurechneten. Die Angegriffene wurde unter Skandieren der Parolen "Sieg Heil" und "Juda verrecke" zu Boden gestoßen und mit Füßen getreten. Gegen die Täter, die auch Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen trugen, wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Am 12. März griffen vor Beginn eines Fußball-Bundesligaspiels in München Personen aus der Skinheadszene einen Marokkaner und einen anderen Passanten an. Gegen sechs Personen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung eingeleitet. In der Nacht zum 16. März bedrohten etwa 15 Skinheads die Besucher eines Jugendclubs in Benediktbeuern, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Sie riefen "Heil Hitler" und mißhandelten einen Beteiligten, den sie zuvor gezwungen hatten, ebenfalls den Hitlergruß zu zeigen. Am 22. und 29. März warfen in Emskirchen, Landkreis Neustadt Steine gegen a.d. Aisch-Bad Windsheim, zwei 15bzw. 16jährige Skinheads Steine Asylbewerberdurch Fenster einer Aussiedlerunterkunft. Einer der Steine landete in heim einem Kinderbett, in dem ein fünfjähriges Kind schlief. Das Kind blieb unverletzt. Als Tatmotiv gab einer der Beschuldigten "Frust" und Fremdenfeindlichkeit an. Am 25. Juli brannten in Miesbach zwei 16jährige Schüler mit einem Miniaturbrenner Hakenkreuze in den Verkaufswagen eines türkischen Hähnchenverkäufers. 230 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Am 2. August verletzte in Nürnberg ein Skinhead einen Studenten durch einen Fußtritt in den Unterleib. Das Opfer hatte sich geweigert, ein Flugblatt entgegenzunehmen. Ein unbekannter Skinhead überfiel am 6. August in Stein, Landkreis Fürth, einen 15jährigen farbigen Austauschschüler. Der Angreifer schlug den Schüler und raubte ihm die Armbanduhr und den Hausschlüssel. Am 22. August zerstachen in Lichtenfels unbekannte Täter alle vier Reifen eines PKW und ritzten ein Hakenkreuz in die Motorhaube. Im August drangen unbekannte Täter in Kirchberg, Landkreis Mühldorf a. Inn, nach Einwerfen mehrerer Fensterscheiben in ein Gebäude ein und sprühten unter anderem mehrere Hakenkreuze und SS-Runen an die Wände. Schlägerei Zunächst unbekannte Skinheads schlugen am 27. September in Schwarzenbach a.d. Saale, Landkreis Hof, zwei in einem Buswartehäuschen wartende Jugendliche. Die drei Täter im Alter von 24 bis 27 Jahren konnten ermittelt werden. Einer gab bei seiner Vernehmung an, die Geschädigten als "linke Zecken" erkannt zu haben. Nach einem Gaststättenbesuch drangen am 9. November in Windsbach, Landkreis Ansbach, zwei angetrunkene Skinheads durch die rückwärtige Eingangstür in eine Unterkunft für Asylbewerber ein. Dort nahmen sie einen Feuerlöscher von der Wand und versprühten das Löschpulver im Flur. 2.2 Linksextremistische Gewalt In Bayern wurden insgesamt 19 Gewalttaten mit linksextremistischer bzw. zu vermutender linksextremistischer Motivation begangen; 1996 waren es 25. Der Anteil Bayerns an diesen Straftaten in ganz Deutschland beträgt etwas über 2 %. Linksextremisten waren für zwei Brandanschläge verantwortlich (1996: drei ). Schwerpunkt Der Schwerpunkt lag - anders als im übrigen Bundesgebiet - bei Aktionen gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten und deren Veranstaltungen. Allein der unfriedliche Verlauf der Gegendemonstration gegen die Versammlung der NPD aus Anlaß der Wehrmachtsausstellung am 1. März in München mit 31 Delikten des Landfriedensbruchs, zwei Körperverletzungen und drei Widerstands- Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 231 delikten gegen Polizeibeamte zeigt ein weiterbestehendes erhebliches Gefährdungspotential im gewaltorientierten Linksextremismus. Dieses Ereignis wurde in der Statistik nur als ein Fall erfaßt. Der Neubau eines Forschungsreaktors für die Technische Universität München in Garching (FRM II) war trotz der Thematisierung in Szenepublikationen zwar selbst nicht Ziel von Angriffen, aber Anlaß zu Aktionen gegen andere Objekte. Mit dem Begründungszusammenhang "Castor-Transporte" - im übrigen Bundesgebiet das Schwerpunktthema für linksextremistisch motivierte Gewalt - wurden unter anderem ein Anschlag auf die Bahn und ein Anschlag auf ein Energieversorgungsunternehmen verübt. 2.2.1 Brandanschläge Am 1. Februar wurde auf ein Dienstfahrzeug der Polizei in Augsburg ein Brandanschlag verübt. Am Fahrzeug entstand Sachschaden von etwa 2.000 DM. Am 5. Februar ging bei einem Rundfunksender in München ein kurzes Selbstbezichtigungsschreiben eines "kommando 26. februar bewegung 27. Juni" ein. Darin wird der Anschlag parolenhaft begründet. Unter anderem heißt es: "DIE STRATEGISCHEN PROJEKTE DER EXEKUTIVEN GEWALT DES IMPERIALISTISCHEN STAATES IN WESTEUROPA ANGREIFEN!" Am 20. Dezember verübten unbekannte Täter im Zusammenhang mit einer Veranstaltung im Künstlerhaus, vormals KOMM in Nürnberg, einen Brandanschlag auf ein städtisches Gebäude in unmittelbarer Nähe des Künstlerhauses. Die Täter schleuderten zwei Molotowcocktails in das Erdgeschoß des Gebäudes. Das Feuer konnte rasch gelöscht werden. Es entstand unter Berücksichtigung weiterer Straftaten Sachschaden in Höhe von etwa 80.000 DM. 2.2.2 Sonstige Straftaten Durch massive Sprühaktionen in Eggenfelden, Landkreis Rottal-Inn, wurde Anfang Januar ein Sachschaden von etwa 30.000 DM verursacht. Als Tatverdächtigen konnte die Polizei einen 22jährigen Mann ermitteln, der unter anderem Parolen wie "Tod der Fasch. BRD, es lebe die RAF" an eine Reihe von Gebäuden gesprüht hatte. Der Generalbundesanwalt hat gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen Werbens für eine terroristische Vereinigung eingeleitet. 232 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Anschlag In der Nacht zum 3. Februar zertrümmerten Unbekannte in Coburg gegen Energiebeim städtischen Energieversorgungsunternehmen vier Fenster und versorgungswarfen zwei Farbbeutel an die Gebäudewand. In einem auf einem unternehmen Fensterbrett hinterlassenen und einem weiteren in der autonomen Szenepublikation "INTERIM" Nummer 408 vom 13. Februar abgedruckten Selbstbezichtigungsschreiben begründeten "autonome Zellen" bzw. "autonome Gruppen" die Tat unter anderem mit dem Widerstand gegen die Kernkraft und dem Neubau des Forschungsreaktors für die Technische Universität München bei Garching, Landkreis München. Darin heißt es: " Wir haben die Schnauze voll! Voll von der menschenverachtenden Atompolitik der BRD und ihrer Funktionsträger/Innen. Die BRD versucht durch Forschungsreaktoren wie Garching/FRM II zu einer Atommacht zu werden. Ebenso ist die Atomkraft auch in ihrer .friedlichen' Nutzung tödlich für Mensch und Umwelt. Die EVU's und damit auch die SÜC sind für diese Politik mitverantwortlich. Wir wollen sie, mit dem was uns möglich ist zur Rechenschaft ziehen. Grüße an alle die, die den Status quo nicht akzeptieren wollen und bereit sind, für eine befreite Welt zu kämpfen! 3.2.97 autonome Zeilen." Am 28. Februar bewarfen unbekannte Täter Fahrzeuge der Deutschen Bahn AG in München mit Farbeiern. In einem Selbstbezichtigungsschreiben, abgedruckt in der Publikation "INTERIM" Nummer 414 vom 3. April, heißt es, daß sich die Aktion gegen die "Atommülltransporte ins Wendland" richtete. Ein Bezug zum Forschungsreaktor in Garching wurde nicht hergestellt; allgemein heißt es: "FÜR EINE STARKE REVOLUTIONÄRE BEWEGUNG! HINTER DER ATOMKRAFT STECKEN MACHTUND PROFITINTERESSEN! DIE KLASSENLO GESELLSCHAFT ERKÄMPFEN!" In der Zeit vom 25. bis 28. April besprühten in Passau Unbekannte aus dem örtlichen autonomen Spektrum zahlreiche öffentliche Gebäude mit politischen Parolen. Es entstand Sachschaden in Höhe von etwa 40.000 DM. Die Parolen lauteten unter anderem: "Antifa heißt Angriff", "Tod dem Staatsterror" und "DVU zerschlagen/ Kampf dem Faschismus". Der Coburger Convent (CC), ein Zusammenschluß studentischer Korporationen, der sich jährlich zu Pfingsten in Coburg trifft, war bereits in den Vorjahren regelmäßig für Links-, aber auch für Rechtsextremisten Anlaß für zum Teil unfriedliche Protestaktionen und Sach- Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 233 beschädigungen. Während die Veranstaltungen auch aufgrund massiver Polizeipräsenz weitgehend friedlich verliefen, verursachten in diesem Jahr unbekannte Täter im Vorfeld erhebliche Sachschäden durch Schmierereien und die Zerstörung eines Ehrenmals des CC im Coburger Hofgarten am 11. März und 5. Mai. Der Sachschaden betrug über 10.000 DM. Eine in der zweiten Jahreshälfte bekanntgewordene Arbeitsgemeinschaft "Siemens stoppen, München" bezichtigte sich unter dem Motto "SIEMENS PROFITIERT VOM BAU DES FRM II!" der Sachbeschädigung an mehreren Fahrzeugen der Siemens AG. Eigenen Angaben zufolge beschädigte die Gruppe im Juni des Jahres insgesamt dreimal Kraftfahrzeuge der Siemens AG. Das Selbstbezichtigungsschreiben enthält ferner eine Aufforderung zur Begehung weiterer Straftaten bei Firmen, die an Planung und Bau des Forschungsreaktors München II beteiligt sind: " Wir fordern euch auf, in nächster Zeit öfters mal bei den Verantwortlichen vorbeizuschauen." "DIE VERANTWORTLICHEN KONZERNE ANGREIFEN! DIE BAUMASSNAHMEN SABOTIEREN!" In den frühen Morgenstunden des 27. Oktober verübten unbekannte Täter bei Stockstadt, Landkreis Aschaffenburg, einen Anschlag auf die Bahnstrecke Aschaffenburg-Darmstadt. Eine auf die Oberleitung Anschlag auf geworfene Hakenkralle riß einem Reisezug einen Strombügel ab. In die Bahn einem mit "Tod der Atomkraft" Überschriebenen Selbstbezichtigungsschreiben kündigten die Verfasser an, daß schon im Vorfeld eines weiteren Castor-Transports die Schäden durch ähnliche Anschläge wieder "Millionenhöhe" erreichen würden. Der Generalbundesanwalt hat ein Ermittlungsverfahren nach SS 129 a StGB (Bildung einer terroristischen Vereinigung) eingeleitet. Am 26. September wurde auf der Coburger Frankenbrücke eine weiße Plastiktüte sichergestellt, die eine Bombenattrappe enthielt. Beigefügt war ein Selbstbezichtigungsschreiben, das mit "Revolutionäre Angriffs Front" (RAF) unterzeichnet war. Bereits am 6. August war das Kürzel "RAF" mit dem gleichen fünfzackigen Stern an das Ehrenmal des Coburger Convents geschmiert worden. Die Täter dürften aus der örtlichen autonomen Szene stammen. Ein Zusammenhang mit der "Roten Armee Fraktion" (RAF) kann ausgeschlossen werden. 234 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 2.3 Gewalt zwischen Linksund Rechtsextremisten Ein wichtiges Motiv für Gewalttaten insbesondere von Links-, aber auch von Rechtsextremisten in Bayern ist derzeit der Kampf gegen den jeweiligen politischen Gegner. Beide Lager spähen ihre Gegner aus und veröffentlichen die Ergebnisse, zum Teil verbunden mit Aufrufen zu Gewalttaten in "Steckbriefen" und Publikationen. Beide Seiten begehen die Straftaten mit erheblicher krimineller Energie und großer Brutalität. Die autonome Antifaschistische Aktion/Bundesweite Aktion (AA/BO) und insbesondere die bayerische autonome Szene sehen im Kampf gegen Rechtsextremisten einen Ansatzpunkt zur Zusammenarbeit mit bürgerlichen Gruppen. Der Anstieg der Gewalttaten in diesem Sektor - sowohl linksals auch rechtsextremistischen Ursprungs - birgt die Gefahr des Aufschaukelns der Gewaltpotentiale. An Gewalttaten sind in diesem Zusammenhang beispielhaft die folgenden Ereignisse zu nennen: 1. März in Am 1. März anläßlich der "Wehrmachtsausstellungs-Demonstration" München in München konnte nur durch ein großes Polizeiaufgebot eine "offene Feldschlacht" zwischen NPD/JN-Demonstranten und Autonomen vermieden werden. Zu kleineren tätlichen Auseinandersetzungen kam es im Verlauf der Demonstration aber immer wieder. Linksextremisten, begingen allein während dieser Veranstaltung 31 Straftaten des Landfriedensbruchs, zwei Körperverletzungen und drei Straftaten des Widerstands gegen Polizeibeamte; linksextremistisch motivierte Ausländer waren verantwortlich für sechs weitere Straftaten des Landfriedensbruchs. Auf der Rückfahrt von der Demonstration in München griffen in Murnau, Landkreis Garmisch-Partenkirchen, Skinheads eine 16jährige vermeintliche Punkerin an und traktierten sie mit Fäusten und Springerstiefeln. Dies hatte am 8. März in Garmisch-Partenkirchen eine Gegenreaktion aus der Punkerszene zur Folge, wobei ca. 50 Punker Rache an Skinheads nehmen wollten. Die Polizei konnte schwere Straftaten unterbinden. In Moosburg, Landkreis Freising, warfen Unbekannte in der Nacht zum 30. März Farbeier an das Haus des Bundesvorsitzenden der NPD. An der Haustür brachten sie einen "Antifa-Aufkleber" mit der Aufschrift "Vor diesem Feind werde ich mich nicht umdrehen! Gegen Nazis" an. Bei einer weiteren Schmieraktion am 2 1 . Juni verursachten Unbekannte am selben Objekt einen Sachschaden in Höhe von etwa 5.000 DM. Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 235 Am 18. April lieferten sich in Lindau (Bodensee) gleichstarke Gruppen von jeweils etwa 15 Skinheads und Punkern eine Schlägerei, in deren Verlauf ein Punker zwei Schüsse aus einer Schreckschußwaffe abgab. In der Nacht zum 1. Mai legten in Passau unbekannte Täter zahlAnschlag gegen reiche Krähenfüße vor die Garagenausfahrt eines NPD-Mitglieds. Die NPD-Mitglied Hindernisse wurden rechtzeitig erkannt, so daß es zu keinem Sachschaden kam. Es ist davon auszugehen, daß die Täter der örtlichen autonomen Antifa-Szene angehören. Die Polizei ermittelt wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß SS 315 b StGB. In der Nacht zum 31. Mai kam es in Regen/Niederbayern zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen angeblich rechten und linken Gruppierungen. Dabei wurde mit einer Gaspistole geschossen und es kam zu Sachbeschädigungen. Eine Beteiligte erlitt Verletzungen. In der Zeit zwischen dem 9. und 10. August warfen unbekannte Täter mehrere Pflastersteine in die Schaufenster eines Elektrogeschäfts in Nürnberg. Außerdem wurde an die Eingangstür die Parole "Nazis raus" gesprüht. In dem Anwesen war vor einiger Zeit ein JN-Schulungszentrum untergebracht. Unter dem Motto "Kein Fußbreit den Faschisten" griffen Autonome anläßlich von Demonstrationen in München am 16. August und in Nürnberg am 17. August auch zu Gewalt. Während der Abschlußkundgebung warfen Versammlungsteilnehmer am 16. August in München vor dem Sitz des NPD-Landesverbands vereinzelt Gegenstände gegen das Anwesen. Auf die eingesetzten Polizeibeamten warfen sie mit Flaschen. Ein Beamter erlitt Verletzungen. Anschließend verbrannten Autonome eine Fahne der JN. Nach dem Ende der Versammlung bewarfen Skinheads abziehende Demonstrationsteilnehmer ebenfalls mit Flaschen. Die Polizei nahm insgesamt zehn Personen wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs und der Körperverletzung vorläufig fest. Am 17. August mußte die Polizei in Nürnberg über zehn Personen des linken Spektrums wegen Mitführens von Waffen und Vermummungsgegenständen vorläufig festnehmen. Bei einem am Vorabend im KOMM durchgeführten "Antifa-Fest" waren Polizeibeamte angegriffen worden. Eine Gruppe von etwa zehn Vermummten hatte mit pyrotechnischer Signalmunition und Stahlkugeln geschossen. Ferner hatten Unbekannte aus dem KOMM heraus leere Bierflaschen und Steine auf die Beamten und deren Einsatzfahrzeuge geschleudert. 236 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 2.4 Gewalttaten durch ausländische Extremisten Die Zahl der Gewalttaten durch ausländische Extremisten hat in Starke Zunahme Bayern von acht auf 16 zugenommen. Das sind rund fünf Prozent der bundesweit registrierten Zahl. Besonders gravierend ist ein versuchtes Tötungsdelikt im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen irakischer Kurden am 8. September in Nürnberg. Bei zwei Brandanschlägen wird ein politisch motivierter Hintergrund ausländischer Extremisten vermutet. Sechs der Gewalttaten (1996: drei) werden Anhängern der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zugerechnet. Die PKK-Anhängerschaft agiert in Bayern weiterhin zurückhaltend, was zum einen auf den konsequenten Vollzug des PKK-Verbots, zum anderen auf den vom PKK-Generalvorsitzenden Abdullah Öcalan geforderten Gewaltverzicht seiner Anhänger in Deutschland zurückgeführt werden kann. Anhänger des Karatas-Flügels der verbotenen Devrimci Sol werden für eine Gewalttat verantwortlich gemacht. Deren erhebliche Gewaltbereitschaft ist ungebrochen. Dies zeigt sich vor allem an den im Bundesgebiet ausgetragenen blutigen Richtungskämpfen, in die auch ein im Raum Aschaffenburg lebender Türke verwickelt war. 2.4.1 Tötungsdelikte und Brandanschläge Am 26. und 27. September durchsuchten Sicherheitskräfte in Nürnberg die Wohnungen irakischer Staatsangehöriger. Die Betroffenen werden beschuldigt, am 12. September im Nürnberger HauptbahnMesserstecherei hof an einer Messerstecherei zwischen verfeindeten irakischen Kurden beteiligt gewesen zu sein. Dabei war ein Tatbeteiligter erheblich verletzt worden. Bereits am 8. September hatte es in Nürnberg eine Messerstecherei zwischen diesen Gruppen gegeben. Zwei der Beteiligten erlitten dabei schwere Verletzungen durch Stiche in Hals bzw. Bauch. Gegen die drei irakischen Kurden wurde Haftbefehl wegen versuchten Totschlags erlassen. Am 30. April legte ein unbekannter Täter in Garching an der Alz, Landkreis Altötting, mittels Brandbeschleuniger Feuer im einem türkischen Lebensmittelgeschäft. Die Einrichtung des Geschäfts wurde völlig zerstört, das Haus schwer beschädigt. Es entstand Sachschaden in Höhe von mehreren 100.000 DM. Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 237 Unbekannte Täter warfen in der Nacht zum 15. Juli in München eine Brandflasche durch eine Fensterscheibe in die Räumlichkeiten eines makedonischen Kulturvereins. Das Feuer erlosch von selbst, ohne größeren Schaden anzurichten. Hintergrund der Tat dürften Auseinandersetzungen zwischen Makedoniern und Albanern sein. 2.4.2 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Die PKK verzichtet derzeit in Deutschland auf offene Gewaltausübung. Anschläge, die der PKK zuzurechnen sind, wurden nicht bekannt. Dennoch ist die Gewaltbereitschaft der PKK-Anhänger ungebrochen. Gewalttaten richten sich aber derzeit vornehmlich Keine offene gegen eigene Leute und in Einzelfällen auch gegen "unwillige SpenGewaltausübung der". Sechs der in Bayern registrierten 16 Gewaltdelikte ausländischer Extremisten, das entspricht einem Anteil von 38 %, sind Anhängern der PKK zuzurechnen. Bei den alljährlichen Spendenkampagnen kommt es nach wie vor zu Spendengelderpressungen. Da sich die Geschädigten vor Repressionen fürchten, verzichten sie häufig auf eine Anzeige. Dies war in der Vergangenheit häufig auch der Grund für den Widerruf von ursprünglichen Aussagen der Betroffenen. 2.4.2.1 Straftaten der PKK In der Nacht zum 13. Mai mißhandelten in einem Asylbewerberheim Gewalt gegen in Regen drei Kurden einen 18jährigen Landsmann, der sich geweiAsylbewerber gert hatte, an wöchentlichen Versammlungen der PKK teilzunehmen und Geld für die PKK zu spenden. Das Opfer erlitt mehrere Knochenbrüche an der Hand. Im Fall einer Anzeige bei der Polizei wurde es mit dem Tode bedroht. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde bekannt, daß sowohl in der Einrichtung in Regen als auch in einem Asylbewerberheim in Deggendorf PKK-Komitees Veranstaltungen für die PKK organisierten, Spenden eintrieben und "Gesetze" der PKK durchsetzten. In Regen konnten am 17. Juni bei Durchsuchungen, die sich gegen insgesamt zehn Beschuldigte sowie weitere Personen in deren Umfeld richteten, umfangreiches Beweismaterial sichergestellt und zwei Haftbefehle des Amtsgerichts München gegen zwei PKK-Aktivisten vollzogen werden. Gegen einen weiteren 18jährigen Türken lag ein Haftbefehl zur 238 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Abschiebung vor. In Deggendorf wurden zwei Kurden wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Betätigungsverbot der PKK vorläufig festgenommen. Erpressung Unbekannte Täter brachten am 28. Mai in Kahl a. Main, Landkreis Aschaffenburg, an der Eingangstür zu einem Döner-Kiosk ein Erpresserschreiben an. Darin forderten sie die Überweisung von 20.000 DM an eine Bank in Damaskus/Syrien. Auf dem Schreiben waren die Buchstaben "PKK" angebracht. Am 1. Juni erschien ein Kurde aus Höchstädt a.d. Donau, Landkreis Dillingen a.d. Donau, bei der Polizeiinspektion Dillingen und trug vor, daß seine 16jährige Tochter am 17. Mai anläßlich der Pfingstferien zu einer Schwester nach Freiburg im Breisgau/Baden-Württemberg gereist und von dort aus vermutlich von PKK-Aktivisten in ein Ausbildungslager verbracht worden sei. Die 16jährige wurde daraufhin als vermißt gemeldet. Durch Ermittlungen konnte die Vermißte am 14. Juni in Dortmund/Nordrhein-Westfalen in Gewahrsam genommen und ihren Eltern übergeben werden. Ihre Aussagen lassen den Schluß zu, daß sie sich freiwillig in ein PKK-Ausbildungslager in Straßburg/Frankreich begeben hat und von dort nach zehn Tagen nach Dortmund gefahren wurde. Von dort sollte sie in ein anderes Ausbildungslager verbracht werden. Am 24. Juni meldete der Vater seine Tochter erneut als vermißt. Später gab er an, einen Telefonanruf eines ihm unbekannten Mannes erhalten zu haben, der ihm lediglich mitteilte, daß es seiner Tochter gut gehe. Auch aus dem übrigen Bundesgebiet liegen mehrere vergleichbare Fälle vor. Die PKK entzieht offenbar gezielt Jugendliche der Obhut Verschleppung ihrer Eltern und bringt sie gegen den Willen der Sorgeberechtigten in von Jugendlichen Ausbildungslager der PKK. Dort werden sie unter anderem für den terroristischen Kampf der PKK in der Türkei ausgebildet. Am 17. Dezember konnte die Polizei in Neumarkt i.d. Opf. einen mutmaßlichen Spendengelderpresser der PKK festnehmen. Der beschuldigte 25jährige türkische Staatsangehörige hatte einen Landsmann mehrmals zu unterschiedlichen Zeiten in wechselnder Begleitung aufgesucht und zuerst einen unbestimmten Geldbetrag, zuletzt einen Mindestbetrag in Höhe von 500 DM gefordert. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme beabsichtigte der Beschuldigte, den geforderten Geldbetrag beim Geschädigten abzuholen. Der Ermittlungsrichter beim Landgericht Nürnberg-Fürth erließ am 18. Dezember Haftbefehl wegen räuberischer Erpressung. Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 239 2.4.2.2 Festnahmen und Strafverfahren Am 9. April verurteilte die Jugendkammer des Landgerichts München in einem Berufungsverfahren einen 22jährigen PKK-Aktivisten wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung. Der Verurteilte hatte am 6. Februar 1995 in Unterschleißheim, Landkreis München, einen Landsmann mit Fußtritten und Faustschlägen mißhandelt, der die Zahlung von 3.000 DM für die PKK verweigert hatte. Am 2. Mai konnte am Grenzübergang Salzburg/Österreich ein 37jähriger PKK-Funktionär festgenommen werden, der nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes der Europäischen Frontzentrale der PKK, dem höchsten Führungsgremium der PKK in Europa, angehört. Am 30. Juni verurteilte das Landgericht München zwei Kurden wegen gemeinschaftlich begangener versuchter schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu FreiheitsUrteil wegen strafen von jeweils vier Jahren und sechs Monaten. Die Verurteilten Brandstiftung hatten zwei Landleute zu einem Brandanschlag auf ein türkisches Reisebüro in München angeleitet und ihnen hierzu am 28. Februar 1995 in den Räumen des inzwischen verbotenen Kurdischen Elternvereins e.V. in München die Tatmittel ausgehändigt. Die beiden Mittäter waren bereits am 21. Mai 1996 zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und neun Monaten bzw. zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. 2.4.3 Sonstige Gewalttaten und Exekutivmaßnahmen Am 5. November konnte die Polizei in München einen Anhänger des Karatas-Flügels der verbotenen Devrimci Sol festnehmen. Ihm wird Festnahmen vorgeworfen, am 17. September 1996 gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter eine 30jährige Türkin in einen PKW gezwungen und aus ihrer Handtasche Bargeld geraubt zu haben. Anschließend zwangen die Täter ihr Opfer, Geld aus einem EC-Automaten abzuheben, was aber mißlang. Der Festgenommene befindet sich in Untersuchungshaft. Die Festnahme führte zur Aufdeckung weiterer Folgetaten. Im Zusammenhang mit der Ermordung des "Gegenkalifen" Halil Ibrahim Sofu am 8. Mai in Berlin durchsuchten Polizeikräfte am 9. September Moscheen und Vereinsobjekte des ICCB in Köln, Düsseldorf, 240 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Berlin und Augsburg. Dabei wurde der örtliche Funktionär und Imam aus Augsburg verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, bei einem Freitagsgebet zur Ermordung Sofus aufgerufen zu haben. Dieser Aufruf bestätigt erneut die Gewaltbereitschaft des ICCB. 3. Die Rote Armee Fraktion (RAF) und ihr ideologisch nahestehende Terrorgruppen 3.1 Terrorgruppe Rote Armee Fraktion (RAF) 3.1.1 Entwicklung der RAF Die vor mehr als 25 Jahren entstandene RAF verfolgte ursprünglich das Ziel, als Avantgarde des revolutionären Kampfs durch terroristische Aktionen der "Stadtguerilla" im "antiimperialistischen Kampf" und im "strategischen und taktischen Zusammenwirken mit den Befreiungskämpfen der unterdrückten Nationen" eine Solidarisierung der Massen und eine revolutionäre Situation herbeizuführen. Ihren revolutionären Kampf führte sie in einer koordinierten antiimperialistischen Front, die drei Ebenen, nämlich "Guerilla" (Kommandoebene), "Widerstand" (RAF-Umfeld) und "Gefangene" (inhaftierte terroristische Gewalttäter), umfaßte. In drei umfangreichen Erklärungen vom April, Juni und August 1992 räumte die RAF eine Reihe aus ihrer Sicht schwerwiegender Fehleinschätzungen der Vermittelbarkeit ihrer Aktionen und ihrer Strategie ein und kündigte eine vorläufige Einstellung der Mordanschläge an. Gleichzeitig bekräftigte die RAF, daß sie sich unter bestimmten Bedingungen die Wiederaufnahme der Anschläge gegen Personen und solcher Anschläge, die zum "Zurückdrängen des Staats" in bestimmten Bereichen erforderlich seien, vorbehalte. Als einen solchen Anschlag bewertete die RAF-Kommandoebene auch den am 27. März 1993 - als bisher letzte terroristische Aktion der RAF.registrierten Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Darmstadt-Weiterstadt, der einen Sachschaden von 116 Millionen DM verursacht hatte. Noch in der Erklärung vom 6. März 1994 bekräftigte die RAF diesen Vorbehalt und den Anspruch auf Vollständige eine "vollständige Umwälzung der herrschenden Verhältnisse", dem Umwälzung der sie mit dem Aufbau einer "sozialen Gegenmacht von unten" näherherrschenden kommen wolle. Die RAF als Teil dieser "Gegenmacht" war bereit, ihre Verhältnisse Erfahrungen zur Verwirklichung dieses Ziels mit einzubringen. Versuche des linksextremistischenAterroristischen Spektrums, bundesweite Organisationsstrukturen aufzubauen, sind jedoch zunächst entweder Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 241 gescheitert oder haben nicht die erforderliche Resonanz erfahren (vgl. auch Nummer 3.4 dieses Abschnitts). Die RAF ist heute als aktionswillige terroristische Organisation nicht mehr existent. In ihrer letzten Erklärung vom 9. Dezember 1996 formulierten die Herausgeber: "Das RAF -Konzept ist überholt. Das ist objektiv so. Dabei bleibt es also auch. (...) Es kann auch keine modifizierte Neuauflage des Alten geben." Die Bedeutung der RAF als Integrationsfaktor für das terroristische Umfeld nahm weiter ab. In den Diskussionen und sonstigen Aktivitäten, wie z.B. der Betreuung von inhaftierten terroristischen GewaltRAF nicht mehr tätern, ist die RAF zwar nach wie vor Thema; die Weiterentwicklung aktionswillig der Politik der RAF war dagegen in den Diskussionen kaum von Bedeutung. Die Anhänger des terroristischen Umfelds befassen sich konzeptionell mit anderen Themen. Vor allem der sogenannte antiimperialistische Widerstand betreibt, wie bereits im vergangenen Jahr, auch unter Beteiligung ehemals inhaftierter RAF-Mitglieder die Internationalisierung seiner Bestrebungen und pflegt intensive Kontakte mit anderen Linksextremisten und terroristischen Gruppen. Intensive Kontakte waren unter anderem zur baskischen Terrorgruppe ETA und zur kurdischen PKK feststellbar. 3.1.2 Aufarbeitung der "RAF-Geschichte" unter dem Motto "20 Jahre Deutscher Herbst" Unabhängig von weiteren Erklärungen der RAF begann das übrige linksextremistische Spektrum unter dem Motto "20 Jahre Deutscher Herbst", die Geschichte und Ideologie der RAF aufzuarbeiten. So verfaßte die linksextremistische Haftund Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe e.V. eine Sonderpublikation mit dem Titel "20 Jahre StammAufarbeitung der heim". In Bayern übernahm im Oktober die autonome Zeitschrift Geschichte "barricada" dieses Thema. In Anlehnung an die gescheiterte "RAF-Politik" erklärten die Verfasser: "Ob dieser Kampf, für eine befreite kommunistische Gesellschaft, irgendwann auch wieder eine Stadtguerilla hervorbringen wird, ist eine Frage, die einzig die Zukunft beantworten kann. (...) Auf Gegengewalt, Militanz und direkte Aktion zu verzichten, heißt, sich mit den Verhältnissen abzufinden." Ehemalige RAF-Mitglieder traten mit Interviews, Autobiographien und in Tagungen an die Öffentlichkeit. Christian Klar, ehemals 242 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt führender Kopf der RAF, äußerte sich im Magazin der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe Nummer 17 vom 25. April) zur RAF aus heutiger Sicht und zu seiner Haftsituation. Die ehemalige Aktivistin der "Bewegung 2. Juni" und spätere RAF-Angehörige, Inge Viett, veröffentlichte eine Autobiographie ("Nie war ich furchtloser", Edition Nautilus, Hamburg, 1997). Autorenlesungen fanden unter anderem in Nürnberg und Würzburg statt. Der Autor Oliver Tolmein gab unter dem Titel "Das war für uns Befreiung" (Konkret Literatur Verlag, Hamburg, 1997) ein Gespräch mit der ehemaligen RAF-Terroristin Irmgard Möller heraus. Ein Interview mit Irmgard Möller war ferner im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Nummer 17 abgedruckt. Gemeinsam ist allen diesen öffentlichen Äußerungen das Bemühen, Verständnis für das Handeln der RAF zu wecken und die Verbrechen der RAF, vor allem die der Frühphase, zu rechtfertigen. 3.1.3 Mutmaßliche Mitglieder der RAF stellen sich Zwei seit Dezember 1989 gesuchte mutmaßliche RAF-Mitglieder haben sich am 18. Juli freiwillig den Ermittlungsbehörden gestellt. Die Gesuchten meldeten sich in Hassel/Niedersachsen bei der Polizei. Karl Heinz Gerum und Corinna Kammermeier sollen für die RAF Wohnungen beschafft sowie Personen, Firmen und Behörden ausspioniert haben. 3.1.4 Inhaftierte terroristische Gewalttäter Bei den zehn noch Inhaftierten der RAF handelte es sich lange Zeit, außer bei Birgit Hogefeld, um sogenannte "Hardliner", die die Bemühungen der RAF nach "Deeskalation" (Erklärung vom 10. April 1992) ablehnten und weiterhin an den Idealen des "bewaffneten Kampfs" der "Guerilla" festhielten. Inzwischen ist diese Front zerbrochen. Richtungsweisende politisch-konzeptionelle Verlautbarungen der Inhaftierten blieben in letzter Zeit aus; sie beschäftigen sich im wesentlichen mit ihrer eigenen Situation im Strafvollzug. Sprachrohr der Gefangenen ist das von "Angehörigen und Freunden politischer Gefangenen in der Bundesrepublik Deutschland" herausgegebene "Angehörigen Info". Die monatlich erscheinende Publikation enthält Artikel über die Haftbedingungen der RAF-Gefangenen, aktuelle Prozeßberichte, Buchbesprechungen, Briefe und Erklärungen von Inhaftierten, dazu ausführliche Berichte über die Situation von Gefangenen in anderen Ländern. Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 243 3.2 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) Beim AIW handelt es sich um militante Gruppen, die ihren bewaffneten Widerstandskampf gegen die in Deutschland bestehende Gesellschaftsordnung aus verdeckten Strukturen heraus führen wollen. Der Festhalten an AIW orientiert sich an den ersten ideologischen Leitlinien der RAF Gewalttaten (Ulrike Meinhof) und will Gewalttaten nach dem Prinzip der Revolutionären Zellen verüben. Das Ziel sind zunächst Sachschäden; es werden aber auch Angriffe auf Menschen (einschließlich der Tötung) nicht ausgeschlossen. Beispielhaft hierfür sind die Anschläge der ehemaligen Antiimperialistischen Zelle (AIZ) anzuführen. Bei deren Anschlägen haben die Sprengsätze erhebliche Sachschäden angerichtet, Menschen wurden aber nicht verletzt. Daß es keine Toten oder Verletzten geben sollte, war allerdings nicht das erklärte Ziel der Gruppe. In mehreren Selbstbezichtigungsschreiben hatte die AIZ mit "potentiell tödlichen Aktionen" gedroht, so beim Anschlag am 17. September 1995 auf das Wohnhaus des Bundestagsabgeordneten Paul Breuer in Siegen und am 23. Dezember 1995 auf ein Düsseldorfer Bürohaus, in dem sich der Sitz des peruanischen Honorarkonsuls befand. Wenngleich die Anhänger dieses "antiimperialistischen Widerstands" - von wenigen Ausnahmen abgesehen - bisher kaum schwere Gewaltakte verübten, stellt dieser Bereich dennoch eine Gefahr für die Innere Sicherheit dar. Dies zeigen unter anderem intensive Kontakte zu linksextremistischen und auch linksterroristischen ausländischen Gruppen, wie z.B. der kurdischen PKK und der baskischen ETA, Internationale und das Festhalten am "bewaffneten Kampf". Auch die Beteiligung Verbindungen von Personen aus dem früheren RAF-Umfeld und ehemals inhaftierter terroristischer Gewalttäter an den Diskussionen zur Entwicklung künftiger Perspektiven, insbesondere zur Internationalisierung des Widerstands, zeigt die Attraktivität dieser Zusammenhänge. 3.2.1 Antiimperialistische Zelle (AIZ) Als militante Gruppierung des sogenannten antiimperialistischen Widerstands trat bereits 1992 eine Gruppierung auf, die sich zunächst als "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadja Shehadah" und später als "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) bezeichnete. Die AIZ lehnt die "Deeskalations-Politik" der RAF-Kommandoebene scharf ab und hält an der Strategie und Praxis der RAF vor 1992 fest. Die AIZ 244 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt geht davon aus, daß die gegenwärtige Realität durch patriarchale, rassistische und kapitalistische Unterdrückungsund Ausbeutungsverhältnisse gekennzeichnet sei. Während die AIZ im Jahre 1995 noch insgesamt vier Sprengstoffanschläge verübte, wurden in der Folgezeit keine Anschläge mehr verzeichnet. Ursache hierfür dürfte die Festnahme zweier mutmaßlicher AlZ-Mitglieder am 25. Februar 1996 in Witzhave bei Hamburg gewesen sein. Beiden wird vorgeworfen, unter anderem am Anschlag auf das peruanische Honorarkonsulat in Düsseldorf am 23. Dezember 1995 beteiligt gewesen zu Prozeßbeginn sein. Mit dieser Verhaftung gelang den Sicherheitsbehörden offensichtlich ein entscheidender Schlag gegen die AIZ. Der Prozeß gegen die zwei Angeklagten begann am 14. November vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. 3.2.2 Internationale Zusammenhänge im antiimperialistischen Widerstand Die Aktivitäten im antiimperialistischen Widerstand konzentrierten sich überwiegend auf die Weiterentwicklung theoretischer Perspektiven. Wesentlich waren dabei die Bemühungen, Kontakte zu anderen linksextremistischen bzw. terroristischen Gruppen zu knüpfen, um eine internationale Basis für künftige Aktivitäten zu schaffen. GrundBerufung auf läge für diese Bestrebungen bildet die Erklärung der RAF vom 6. März RAF-Ideologie 1994. Diese legte damals neben dem Aufbau einer "Gegenmacht von unten" besonderen Wert auf ihre internationalen Verpflichtungen: "heute kann die vordringliche aufgäbe internationalistischer politik der linken in deutschland nur sein: das kräfteverhältnis hier in dieser gesellschaftzu unseren gunsten zu entwickeln, das verlangen genossinnen aus dem trikont von uns, womit sie recht haben, da fängt der Internationalismus an, das ist unsere Verantwortung." Die RAF sprach sich dafür aus, daß künftig der soziale Sinn "revolutionärer Kämpfe" sichtbar gemacht wird. Festzustellen sind mittlerweile e nge Kontakte zur ETA sowie zur PKK Kontakte zu ETA und ihr nahestehenden Organisationen. Diese Kontakte dienen in erund PKK ster Linie der Absprache und Vorbereitung gemeinsamer Aktionen. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden beteiligen sich derzeit mehrere Personen, vorwiegend aus dem Spektrum des antiimperialistischen Widerstands, an Kampfhandlungen der PKK in der Türkei und im Irak. Der "kurdische Befreiungskampf" soll zudem auch in Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 245 Deutschland durch Solidaritätsveranstaltungen der "Linken" ständig präsent sein. Allerdings stellt sich für viele Gruppen und Organisationen, die aktiv in der "Kurdistan-Solidarität" tätig sind, immer mehr die Frage um die Weiterführung effektiver Solidaritätsarbeit. Auslöser dieser Diskussion sind Äußerungen des PKK-Vorsitzenden Öcalan, die teilweise in krassem Widerspruch zum Selbstverständnis linker Politik stehen. Ihm werden unter anderem rassistische, antisemitische Äußerungen und die Billigung von Abschiebungen vorgeworfen. Um einem drohenden Zerfall der Solidaritätsbewegung vorzubeugen, haben etwa Mitte des Jahres "einige Kommunistinnen aus Nürnberg" (ekan) eine "Dokumentation zu Problemen der Kurdistan Solidaritätsarbeit" herausgegeben. Sie soll als Grundlage zur Neubestimmung linker Politik zum Thema "Kurdistan" gedacht sein mit dem Ziel, die "Solidarität mit dem kurdischen Volk und Unterstützung seines Kampfs um Freiheit und soziale Befreiung" fortzusetzen. Als weiteres Beispiel internationaler terroristischer Verknüpfungen ist die Festnahme zweier deutscher Unterstützer der baskischen Untergrundorganisation ETA zu sehen. Beiden wird vorgeworfen, im April diesen Jahres Wohnungen für die ETA in Madrid angemietet zu haben. Die spanische Polizei war anläßlich einer Sprengstoffexplosion in einer solchen Wohnung auf die Deutschen aufmerksam geworden. Ihnen wird die Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion und ein Verstoß gegen das spanische Kriegswaffenkontrollgesetz angelastet. Anläßlich der Festnahme mehrerer "Anarchistinnen" in Italien am 17. September 1996 entstand innerhalb des AIW eine Solidaritätskampagne, deren Schwerpunkt Bayern, speziell München, ist. Als Solidarität für Bezugsquelle für aktuelles Informationsmaterial über die Prozesse in italienische Italien wird in der linksextremistischen Szene das "Solidaritätskomitee GesinnungsItalien" im autonomen Info-Laden in München genannt. Im "Intergenossen net" (November 1997) beschrieb das "Solitaritätskomitee Italien" seine Zielsetzung recht eindeutig: "Die beste Solidarität mit den Unterdrückten in anderen Teilen der Welt ist immer noch die, dort wo wir leben - in unserem Falle also innerhalb der Festung Europa - die HERRschende Ordnung aktiv anzugreifen und zu sabotieren, wodurch wir sowohl hier, als auch überall dort, wo die hiesigen HERRschenden ihre Finger im Spiel haben, einen Schritt weiter in Richtung einer revolutionären Zerstörung der globalen kapitalistischen Situation kommen." Von besonderer Bedeutung war eine in Zürich vom 15. bis 25. Mai durchgeführte Veranstaltungsreihe zur "bewaffneten und militanten 246 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt Veranstaltung in Politik" der Linken in Deutschland, Italien und der Schweiz. EhemaZürich lige Mitglieder der RAF, der Roten Brigaden aus Italien und weiterer Terrorgruppen versuchten, die "Geschichte der bewaffneten Kämpfe in Europa" aufzuarbeiten. Die etwa 300 Teilnehmer stammten vor allem aus Deutschland und Italien. Die Veranstaltung fand auch in den Medien breite Beachtung und wurde dort kritisch gewürdigt. Im Vordergrund stand die Zielsetzung, linksextremistische Kräfte europaweit zusammenzuführen und das Bewußtsein zu vermitteln, "daß ohne die Aufarbeitung der in den siebziger Jahren gemachten Erfahrungen eine neu entstehende linksradikale Bewegung wieder ganz von vorne anfangen müßte". Diese Aussage des ehemaligen RAF-Mitglieds Roland Mayer läßt den Schluß zu, daß eine Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfs europaweit in bestimmten Personenzusammenhängen zumindest thematisiert wird. Mayer zog abschließend folgendes Fazit der Veranstaltung: "Als positive Erfahrung bleibt, daß es möglich ist, sich gegen diese scheinbar total formierten Systeme in den hochindustriellen Staaten durchzusetzen und den Herrschenden wie ihren Apparaten Grenzen aufzuzeigen und zu setzen." Konkrete Aussagen über neu zu entwickelnde Strukturen oder neue Agitationsmodelle waren auf dieser Veranstaltung weder zu erwarten noch waren sie vom Veranstalter beabsichtigt. Derartige Denkmodelle werden nur intern in kleinstem Rahmen diskutiert. Weitere Gelegenheiten, diese Themen international zu diskutieren, gab es bei den Gegenveranstaltungen zum Eurogipfel in Amsterdam vom 16. bis 17. Juni und bei einem "internationalen Treffen für eine menschliche Gesellschaft und gegen Neoliberalismus" vom 25. Juli bis 3. August in Spanien. Der Terrorüberfall eines MRTA-Kommandos am 17. Dezember 1996 auf die Residenz des japanischen Botschafters in Lima/Peru fand in Teilen der linksextremistischen Szene in Deutschland unverhohlene Zustimmung, nicht zuletzt auch bei der PDS. In zahlreichen Veranstaltungen, Solidaritätserklärungen in linksextremistischen Publikationen und Schmieraktionen zugunsten der Geiselnehmer im gesamten Bundesgebiet, in Bayern unter anderem in Aschaffenburg, München und Würzburg, bekundeten überwiegend Autonome und die PDS ihre Solidarität. Deutsche Linksextremisten unterstützten die Forderungen der Geiselnehmer unter anderem mit der eigenen Forderung nach Freilassung der "politischen Gefangenen in Peru und weltweit". Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 247 Auch nach der Beendung der Geiselnahme durch peruanische Sicherheitskräfte am 22. April, bei der alle Geiselnehmer getötet wurden, dauerten die Solidaritätsaktionen und Schmierereien an. 3.2.3 Solidaritätsveranstaltungen zum "Tag der politischen Gefangenen" Die von Linksextremisten getragene Haftund Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe e.V. initiierte für den 18. März eine bundesweite Veranstaltungsreihe zu einem Aktionstag "Solidarität und Widerstand gegen staatliche Unterdrückung". Thema des Aktionstags war die Situation von "politischen Gefangenen" auf internationaler Ebene wie auch in Deutschland. An den dezentralen Demonstrationen, Kundgebungen und Informationsveranstaltungen beteiligten sich zahlreiche Linksextremisten, insbesondere Angehörige der autonomen/antiimperialistischen Szene. Die Mobilisierung zu den Veranstaltungen erfolgte über Szenepublikationen, aber auch über Computernetze. In Bayern wurden drei derartige Aktionen bekannt. In Nürnberg Veranstaltungen organisierte die Rote Hilfe e.V., Ortsgruppe Nürnberg, am 15. März in Bayern eine interne Informationsveranstaltung zum Thema "Solidarität mit den baskischen politischen Gefangenen" mit etwa 40 Teilnehmern. Die Antiimperialistische Gruppe (AIG) Nürnberg hielt am 18. März eine Informationsveranstaltung ab, unter anderem zur rechtlichen Situation der "politischen Gefangenen" nach ihrer Freilassung und ihrem Gesundheitszustand. Erwähnung fanden auch die Gefangenen aus der PKK. Die Einladung eines ehemaligen Gefangenen der RAF als Referenten ist nicht geglückt. Zum gleichen Thema errichtete die Rote Hilfe e.V. Kempten am '18. März in Memmingen einen Informationsstand. Dabei wurde versucht, der Bevölkerung den Begriff "politische Gefangene" näherzubringen und auf die "Knastsituation" aufmerksam zu machen. 3.3 Revolutionäre Zellen (RZ) und Frauengruppe Rote Zora Die erstmals im Jahre 1972 in Erscheinung getretenen Revolutionären Zellen (RZ) sind unabhängig voneinander operierende Kleingruppen, die sich als antiimperialistisch und Sozialrevolutionär bezeichnen. Ihre Taktik besteht im allgemeinen darin, mit Anschlägen bei möglichst 248 Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt geringem Einsatz und Risiko möglichst hohen Sachschaden anzurichten, der nach ihrer Auffassung den betroffenen Einrichtungen bzw. Unternehmen mehr schadet als der Ausfall einer Führungsperson. Im Gegensatz zu den Angehörigen der früheren RAF-Kommandoebene agieren die Mitglieder aus streng abgeschotteten Zellen heraus. Sie leben jedoch nicht im Untergrund und sind deshalb auch nicht darauf angewiesen, sich eine konspirative Logistik zu schaffen. Anschläge der Revolutionären Zellen bzw. der aus den RZ abgespaltenen autoKeine Anschläge nömen Frauengruppe Rote Zora waren im Berichtszeitraum im gesamten Bundesgebiet nicht zu verzeichnen. 3.4 Ausblick Nach dem Rückgang der Bedrohung durch RAF, AIZ und der Inaktivität der Revolutionären Zellen/Rote Zora bleibt festzustellen und zu hoffen, daß die klassischen Strukturen und Organisationsformen im Linksterrorismus wohl der Vergangenheit angehören. Hieraus allerdings den Schluß zu ziehen, der Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland sei nun endgültig zerschlagen, wäre voreilig. Vielmehr hat sich in den vergangenen Jahren eine Wandlung im terroristischen Spektrum vollzogen. Den Gedanken der RAF aufgreifend, eine "Gegenmacht von unten" aufzubauen und die "Internationalisierung" weiter voranzutreiben, bildeten sich autonome/antiimperialistische Personenzusammenschlüsse. Sie betreiben internationale Solidaritätsarbeit und entwickeln nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden Modelle des Neuorientierung "Guerillakampfs" neu. Im Rahmen sozialrevolutionärer Themenfelder sollen Anschläge aus der "Legalität" heraus nach dem Zellenprinzip begangen werden. Diese Praxis, nach der die RZ vorgingen, erschwert den Sicherheitsbehörden die Strafverfolgung erheblich. Das Fehlen einer festen Organisationsstruktur beugt nach Ansicht der Szene zudem der möglichen Einschleusung von Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden vor. Europaweite Verbindungen innerhalb dieses Spektrums bieten die Möglichkeit der logistischen und personellen Zusammenarbeit. Die Anschlagsmotive (Energiepolitik, Asylund Abschiebepolitik, "Repression" des Staats etc.) sind in den westlich ausgerichteten Industrienationen überall ähnlich. Beispielhaft seien Brandund Sprengstoffanschläge gegen Fernmeldeund Datennetze, Gebäude und Transportmittel von Wirtschaftsunternehmen, Hakenkrallenund Wurfankeranschläge auf Bahnstrecken usw. angeführt. Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 249 Bei diesen Anschlägen entstanden in den letzten Jahren Schäden in Hohe Millionenhöhe. Ferner spielt die Vermittelbarkeit der Anschläge Sachschäden gegenüber der Szene, im Gegensatz zum damaligen Avantgardeanspruch der RAF, wieder eine größere Rolle. Für die Sicherheitsbehörden gilt es, Angehörige dieses linksextremistischen, autonomen/antiimperialistischen Spektrums intensiv zu beobachten und Ansätze einer bereits vollzogenen internationalen Zusammenarbeit zu erforschen. 250 Spionageabwehr 6. Abschnitt Spionageabwehr 1. Ausgangslage Spionage trotz Die Annäherung der Staaten des ehemaligen Ostblocks an den Annäherung Westen ist seit dem dortigen Umbruch weit vorangeschritten. Das macht das Bemühen der östlichen Nachbarn um Mitgliedschaft in Organisationen der westlichen Staatengemeinschaft wie EU und NATO besonders deutlich. Die angestrebte und zum Teil bereits praktizierte Kooperation mit dem Westen auf den Gebieten von Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Polizei und Militär hindert offensichtlich Staaten des ehemaligen Ostblocks nicht, unter diesen günstigen Bedingungen weiterhin Aufklärung gegen Deutschland zu betreiben. Gerade in dieser Situation des intensiven Wissensaustausches ist die Spionageabwehr im Interesse der Sicherheit Deutschlands und speziell Bayerns deshalb eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes. Zwar haben Ungarn und die Tschechische Republik wie neuerdings auch Polen und Rumänien offiziell erklärt, auf Spionage gegen Westeuropa und somit auch gegen Deutschland zu verzichten; doch dürfte, insgesamt gesehen, eher der Realität entsprechen, was der Leiter der russischen zivilen Auslandsaufklärung SWR Wjatscheslaw Trubnikow Kein Land ohne aus Anlaß der 80. Wiederkehr der Gründung des Geheimdienstes der Nachrichtendienst Sowjetunion Tscheka bekannt hat: "Kein Land mit Selbstrespekt kann ohne Nachrichtendienst existieren, und es besteht keine Notwendigkeit, diesen allgemein anerkannten Grundsatz zu dramatisieren." Folglich sind nach wie vor an amtlichen Vertretungen einiger Staaten in der Bundesrepublik Deutschland'Angehörige von Nachrichtendiensten getarnt eingesetzt. Gerade in Zeiten des sehr offenen Informationsaustausches muß aber Konsens bestehen, daß ein Kernbereich von Wissen im staatlichen Interesse vor der Kenntnis Unbefugter zu schützen ist. Das kann durch personelle und materielle Maßnahmen geschehen. Eine wichtige personelle Schutzmaßnahme ist die Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im staatlichen Interesse Verschlußsachen anvertraut werden sollen und die deshalb besonders zuverlässig sein müssen. Spionageabwehr 251 Der Freistaat Bayern hat zu diesem Zweck ein SicherheitsüberprüSicherheitsüberfungsgesetz erlassen, das am 1. April in Kraft getreten ist. prüfungsgesetz 2. Rußlands Spionageaktivitäten Die bedeutendsten russischen Nachrichtendienste sind - der Inlandsnachrichtendienst FSB, zuständig insbesondere für die zivile Spionageabwehr, die innere Sicherheit der Streitkräfte und die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, - der für Chiffrierung, Fernmeldeund elektronische Aufklärung zuständige Nachrichtendienst FAPSI, der sowohl seine modernst ausgestatteten Fernmeldenetze russischen privaten Wirtschaftsunternehmen als Dienstanbieter zur Verfügung stellt, als auch gesetzlich dazu ermächtigt ist, diese Netze abzuhören, - der russische Auslandsnachrichtendienst SWR, in dem wesentliche Elemente der Aufklärungsabteilung des ehemaligen KGB wiederzufinden sind und - der nahezu unverändert gebliebene militärische Aufklärungsdienst GRU. Nach eigenen Aussagen sieht Rußland seinen Spionageschwerpunkt Wirtschaftsin der Wirtschaftsspionage. Ziel ist hierbei, Rußland an das wirtspionage schaftliche und technische Niveau des Westens heranzuführen. Damit Schwerpunkt der steht Bayern mit seiner Vielzahl von High-Tech-Unternehmen besonrussischen Dienste ders im Blickfeld russischer Nachrichtendienste. Daß russische Nachrichtendienste zur Erfüllung ihres Spionageauftrags auch auf Agenten des ehemaligen MfS (Ministerium für Staatssicherheit in der DDR) zurückgreifen, zeigt ein jüngst bekanntgemachter Fall, in dem der Agent, Angestellter eines Luftfahrtunternehmens in Norddeutschland, seit 1983 für das MfS tätig, mitsamt seinem Führungsoffizier - einem früheren MfS-Angehörigen - nach der Wende vom KGB und ab 1991 vom KGB-Nachfolgedienst SWR geführt wurde. 3. Proliferation und illegaler Technologietransfer durch Krisenund Schwellenländer Krisenund Schwellenländer - Länder an der Schwelle vom Entwicklungszum Industrieland - wie Syrien, Iran, Irak, Libyen, Pakistan und 252 Spionageabwehr Nordkorea, aber auch die Volksrepublik China, versuchen auf dem Weg des illegalen Technologietransfers bzw. der Proliferation unter Federführung ihrer Auslandsnachrichtendienste und Nutzung bestehender oder neu geknüpfter Geschäftsbeziehungen an ausfuhrgenehmigungspflichtige bzw. mit Embargo belegte Güter aus dem Interesse an Bereich Militär und High-Tech, insbesondere ABC-Waffen, ihre KomRüstungsund ponenten und die Mittel zu ihrer Herstellung, zu gelangen. Besonderes High-Tech-Gütern Interesse findet die erforderliche Trägertechnologie. Wiederholt konnte beobachtet werden, daß in diese Beschaffungsaktivitäten sowohl Angehörige diplomatischer Einrichtungen als auch Mitarbeiter offizieller Firmenvertretungen dieser Länder in Deutschland eingebunden sind. In Ankaufbemühungen des Iran für seine Rüstungsgüterindustrie waren mehrere deutsche Firmen involviert, von denen sich auch einige in Bayern befinden. Gesteuert wurden diese Aktivitäten des Iran über eine mittlerweile geschlossene Filiale der iranischen Beschaffungsorganisation DIO (Defence Industries Organizations), die dem iranischen Militär untersteht. Das Hauptinteresse des Iran zielt auf die ABC-Waffen und Bereiche ABC-Waffen und deren Trägertechnologie. Größte BemüTrägerraketen hungen unternimmt er beim Ausbau einer eigenständigen Raketenproduktion. Nach eigenen publizierten Aussagen ist der Iran heute in der Lage, "alle benötigten Waffen selbst herzustellen". Bedrohliches Daß die Spionageabwehrbehörden der westlichen Hemisphäre gerade Waffenarsenal auf dem Gebiet des illegalen Technologietransfers bzw. der Proliferation schwierige Aufklärungsarbeit leisten müssen, belegt das Beispiel Irak. Trotz aller Abwehrbemühungen der Nachrichtendienste ist es diesem Land gelungen, ein nicht nur die Staaten des Nahen Ostens bedrohendes Waffenarsenal zu entwickeln bzw. zu beschaffen, das auch B- und C-Waffen umfaßt und trotz aller Kontrollen der UNSCOM weiterhin besteht. So deklarierte der Irak z.B. aufgrund der UN-Resolution 687 einen Gesamtvorrat von 355 Tonnen chemischer Kampfstoffe, aufgefunden wurden aber bisher 4.000 Tonnen. Bekannt ist, daß der Irak an einem Nuklearprogramm arbeitete. Von den mehreren tausend Wissenschaftlern und Technikern, die an diesem Programm beteiligt waren, befinden sich die meisten noch im Irak. Im Falle eines Wiederauflebens des irakischen A-Waffenprogramms stünden sie also kurzfristig zur Verfügung. Im Bereich der Trägertechnologie ist die UNSCOM weiterhin auf der Suche nach SCUD-Raketen. Derzeit produziert der Irak unter Spionageabwehr 253 UNSCOM-Aufsicht Flugkörper von einer Reichweite unter 150 km. Personal zur Raketenentwicklung größerer Reichweite ist vorhanden. Nordkorea ist in der Lage, komplette Flugkörper anzubieten, beschafft aber auch zum Aufbau der eigenen Rüstungsindustrie aktuelle Technologie in den hochentwickelten Industrieländern. Für entsprechende Geschäftsbeziehungen nach Bayern gibt es Anhaltspunkte. Festgestellt wurde, daß Krisenländer des Nahen Ostens auf dem Kooperation Gebiet der Waffenbzw. Nukleartechnologie mit Nordkorea, der zwischen den Volksrepublik China und Rußland sowie einzelne Krisenländer dieser Krisenländern Region untereinander, so z.B. Syrien mit dem Iran, kooperieren. Im eigenen Interesse und im Interesse wirksamer Spionageabwehr sollten Unternehmen, die Geschäftskontakte mit Krisenländern beginnen und den Verdacht haben, daß sie in deren Proliferationsbzw. High-Tech-Beschaffungsaktivitäten eingebunden werden, sich sofort an die Verfassungsschutzbehörden wenden. Oft geraten Unternehmen ohne eigenes Verschulden in Schwierigkeiten, weil sie die wahren Hintergründe ihres Geschäftspartners nicht erkennen. Der Verfassungsschutz ist keine Strafverfolgungsbehörde. Er muß somit nicht jede ihm bekanntgewordene Straftat der zuständigen Behörde mitteilen. Das kommt sowohl dem Mitteiler als auch möglichen Abwehrmaßnahmen zugute. 4. Aufklärung ausländischer, zu ihrer Heimat in Opposition stehender Personen und Gruppen in Deutschland durch Nachrichtendienste totalitärer Staaten Totalitär geführte Staaten sehen oftmals Gefahren für ihre Existenz Beobachtung von von im Ausland aktiven Oppositionsbewegungen ausgehen. Durch EmigrantenEinschaltung ihrer Auslandsnachrichtendienste versuchen solche Länorganisationen der, die Oppositionsbewegungen zu unterwandern und deren Aktivitäten zu unterlaufen. Auf in der Heimat verbliebene Angehörige wird dabei oft politischer Druck ausgeübt. Repressalien gegen diese Angehörigen bzw. entsprechende Drohungen dienen diesen Nachrichtendiensten immer wieder als Grundlage für die Anwerbung von Informanten aus den Oppositionsbewegungen. Insbesondere die Volksrepublik China und die bereits in Zusammenhang mit Proliferation und illegalem Technologietransfer genannten Länder des Nahen Ostens Iran, Irak, Libyen und Syrien sind hier aktiv. 254 Spionageabwehr Daß es nicht nur bei Ausspähungsversuchen bleibt, belegt der am 17. September 1992 in dem Lokal Mykonos in Berlin verübte Mord an vier kurdisch-iranischen Oppositionellen. In der Urteilsverkündung des 1. Strafsenats des Kammergerichts in Berlin vom 10. April wurde festgestellt, daß diese Morde von der politischen Führung des Iran beschlossen worden waren und der damalige Geheimdienstminister Ali Fallahian mit deren Durchführung beauftragt war. 5. Entwicklung auf dem Balkan In den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien bildeten sich zahlreiche nachrichtendienstlich operierende Sicherheitsorgane, die Vielzahl von auch im Ausland tätig sind. Allein auf dem Territorium des BundesNachhchtenStaats Jugoslawien, in Kroatien und Bosnien-Herzegowina wurden je diensten sechs Nachrichtendienste gezählt. Ob diese Nachrichtendienste Bestand haben werden, ist derzeit nicht abzusehen. Dies zeigt sich insbesondere am Beispiel des Bundesstaatssicherheitsdienstes Restjugoslawiens SSDB, der im Oktober 1992 von serbischen Sondereinheiten zerschlagen wurde. Sein technisches "Know-How" und Teile seines Personals hatte der serbische Staatssicherheitsdienst SDB.RS übernommen. Heute ist es erklärtes Ziel der jugoslawischen Bundesregierung, den Bundesstaatssicherheitsdienst zu reorganisieren und die Republiksicherheitsdienste Serbiens und Montenegros aufzulösen. Auch die nachrichtendienstlichen Strukturen in Bosnien-Herzegowina stehen erneut zur Diskussion. So wollen die bosnischen Kroaten auf Republikebene einen Auslandsnachrichtendienst einrichten, dem alle drei Volksgruppen in Bosnien-Herzegowina angehören sollen. Im westlichen Europa befassen sich die Auslandsnachrichtendienste dieser Staaten in erster Linie mit ihren dort lebenden Landsleuten. 6. Stetige Anpassung der angewandten Spionagemethoden Nicht nur die Organisationformen fremder Nachrichtendienste und deren Spionageziele unterliegen einer stetigen Modifizierung; auch die Mittel und Methoden der Nachrichtenbeschaffung entwickeln sich im Einklang mit den politischen und technischen Veränderungen fort. War früher die verdeckte Informationsbeschaffung durch Spionageabwehr 255 menschliche Quellen unabdingbar, so ist heute in unserer größtenteils offenen Gesellschaft, die eine gesteigerte Offenheit im Umgang mit Wissenschaftlern, Technikern und Geschäftsleuten anderer Länder mit sich bringt, die offene Beschaffung und GesprächsabschöpOffene informafung gängige Methode der Informationsgewinnung. Gelegenheit tionsbeschaffung hierzu bieten Gespräche mit den Produktanbietern auf Messen und das dort aufliegende schriftliche Informationsund Werbematerial ebenso wie Gespräche auf Empfängen aus wirtschaftlichem oder politischem Anlaß. Der weltweite offene Austausch zwischen Wissenschaftlern und Universitäten, die über der Lösung gleichgelagerter Probleme brüten, eröffnet ein weiteres Informationsfeld. So ist über die Universitäten des Iran und die ihnen angegliederten Institute bekannt, daß sie diese Verbindungen nutzen und dadurch eine erhebliche Rolle im Beschaffungsprogramm ihres Landes spielen. Neben der offenen Informationsbeschaffung nimmt heute die technische Nachrichtenbeschaffung immer breiteren Raum ein. Die weltumspannende kommunikative Vernetzung sowie die Vernetzungen von Wirtschaftsunternehmen untereinander oder von externen Unternehmensteilbereichen mit ihren Zentralen bringen einen regen Datenaustausch auf den "Datenhighways", wie z.B. Internet, mit sich. Gefahr auf Die Absicherung durch Paßwortverschlüsselung etc. suggeriert dabei Datenhighways die totale Sicherheit im Informationsaustausch und läßt vergessen, daß gerade dieser Datenfluß für fremde Nachrichtendienste gleichwohl unkontrollierte Zugriffsmöglichkeiten auf schützenswerte Daten bieten kann. Am Beispiel des auch für die elektronische Auslandsaufklärung zuständigen russischen Nachrichtendienstes FAPSI, der seinen Personalstand erheblich aufgestockt hat, läßt sich unschwer erkennen, daß fremde Nachrichtendienste die Schwachstellen im Datenaustausch erkannt haben und organisatorisch darauf reagieren. Im Bereich Proliferation und illegaler Technologietransfer durch KriTarnung durch senstaaten wird immer wieder festgestellt, daß sich insbesondere der Privatfirmen Iran zur Tarnung seiner Beschaffungsbemühungen Firmen eigener Staatsangehöriger in Deutschland mit kleinem Mitarbeiterstamm bedient, wobei die Geschäftsaktivitäten sowohl nicht ausfuhrgenehmigungspflichtige als auch sogenannte "Dual-Use-Güter" insbesondere aus den Branchen Elektronik einschließlich Kommunikationstechnologie, Chemie und Maschinenund Anlagenbau betreffen. Durch geschickte Splittung der Auftragserteilung an die einzelnen Firmen 256 Spionageabwehr gelingt es oftmals, den wahren Verwendungszweck der beschafften Produkte zu verschleiern. 7. Ausblick Staat, Wissenschaft und Wirtschaft muß immer bewußt sein, daß es im Interesse ihrer Sicherheit bzw. ihres Bestehens im Wettbewerb unerläßlich ist, zumindest Kernbereiche von Wissen und Erfahrung vor ungewolltem Zugang zu schützen. Gefordert sind an erster Stelle eigene Maßnahmen technischer, organisatorischer und personeller Art. Ein wesentliches Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung der an sicherheitsempfindlichen Stellen, den Kernbereichen des schützenswerten Wissens, tätigen Personen. Neben diesem Eigenschutz bleibt es aber im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der weiteren Entwicklung von Wissenschaft und Wirtschaft in Konkurrenz zu anderen Staaten unerläßliche Aufgabe des Verfassungsschutzes, nachrichtendienstliche Tätigkeiten fremder Staaten aufzudecken. Erst dieses Zusammenspiel Eigenschutz und von Eigenschutz und Spionageabwehr durch den Verfassungsschutz Spionageabwehr gewährleistet den bestmöglichen Schutz. Organisierte Kriminalität 257 7. Abschnitt Organisierte Kriminalität 1. Aufgabe des Verfassungsschutzes Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz leistet seit dem 1. August 1994 mit der Beobachtung der Organisierten Kriminalität einen wichtigen Beitrag zu deren Bekämpfung. Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz hat dem Landesamt ab diesem Zeitpunkt eine Rolle zugewiesen, die es ihm erlaubt, seine Mittel und Erfahrungen Spezielle Rolle zur Aufklärung der Organisierten Kriminalität in Ergänzung der polides Verfassungszeilichen Arbeit einzusetzen. Seine Aufgabe ist es, durch langfristig schutzes angelegte Aufklärung kriminelle Strukturen und die agierenden Personen aufzudecken. Die Organisationen und Strukturen der OK verfügen über zum Teil weltweite Verbindungen und arbeiten nach dem Prinzip der Abschottung und Konspiration. Die Kriminellen "waschen" auf raffinierte Art und Weise ihre illegalen Profite durch Investitionen im legalen Wirtschaftskreislauf. Weltweit werden ihre Erlöse vor allem aus Drogenhandel, Prostitution, illegalem Waffenhandel, Menschenschmuggel, Erpressung und Eigentumskriminalität auf mehrere hundert Milliarden US-Dollar geschätzt. Die geographisch zentrale Lage, die günstige Infrastruktur und die wirtschaftliche Bedeutung führen dazu, daß Bayern zunehmend eine besondere Anziehungskraft auf die Organisierte Kriminalität ausübt. 2. Besondere Eignung des Verfassungsschutzes Bayern hat 1994 mit der Novellierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes auf die Herausforderung reagiert. Der Verfassungsschutz ist aus folgenden Gründen in der Lage, maßgeblich an der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität mitzuwirken: - Der Verfassungsschutz hat Möglichkeiten der nachrichtendienstBesondere liehen Informationsbeschaffung. Er ist keine StrafverfolgungsMöglichkeiten als behörde und erhält deshalb auch von Personen, die sich selbst Nachrichtendienst 258 Organisierte Kriminalität strafbar gemacht haben, leichter Informationen. Auf diesen Informationen kann er dann mit eigenen Mitteln aufbauen und sie so verifizieren, daß sie ohne Nachteil für den Informanten an die Strafverfolgungsbehörden abgegeben werden können. - Der Verfassungsschutz hat aufgrund seiner traditionellen Tätigkeit etwa in der Spionageabwehr große Erfahrungen im Umgang mit konspirativen Methoden von Gegnern, die ihm auch in der OK-Beobachtung zu Gute kommen. - Bei der Erfüllung anderer Aufgaben, etwa der Beobachtung nachrichtendienstlich gesteuerter Wirtschaftsspionage, fallen oft Informationen an, die für die Ermittlungen des Landesamts für Verfassungsschutz in Fällen der Organisierten Kriminalität von Bedeutung sind. - Wegen seiner guten Verbindungen zu Nachrichtendiensten anderer Länder - inzwischen selbst zu Nachrichtendiensten des ehemaligen Ostblocks - gelangt das Landesamt für Verfassungsschutz an Informationen, die der Polizei nicht zur Verfügung stünden. In allen wichtigen europäischen Staaten ist die Beobachtung der Organisierten Kriminalität zumindest in Teilbereichen auch Aufgabe der dortigen Inlandsnachrichtendienste. Diese Kommunikation auf gleicher Ebene ist besonders angesichts der internationalen Verflechtung der Organisierten Kriminalität von Bedeutung. Bewährte Die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnerdiensten und der PoliZusammenarbeit zei hat sich bewährt. mit der Polizei Der Schwerpunkt der Beobachtungstätigkeit des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz liegt dabei nach wie vor in der sogenannten Ost-Mafia. Zunehmend sind jedoch auch asiatische Straftätergruppierungen von Bedeutung. Hierzu einige Beispiele: Kasachischer Rauschgifthändler Das Landesamt für Verfassungsschutz erhielt einen Hinweis auf einen Kasachen, der angeblich Sprengstoff aus östlichen Armeebeständen von Kirgisien bzw. Kasachstan nach Deutschland transportiere, um eine armenische Mafia-Organisation in Berlin zu beliefern. Darüber hinaus überbringe er diesen Armeniern auch Rauschgift aus Kirgisien. Wie erste Nachforschungen ergaben, war an den Kurierdiensten des Organisierte Kriminalität 259 Kasachen auch ein Kirgise beteiligt; beide wohnten in Bayern und waren erst vor kurzem als deutschstämmige Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Einem verdeckt ermittelnden Beamten des Landesamts für Verfassungsschutz gelang es, Kontakt zu den Verdächtigen aufzunehmen. Diese Operation einschließlich weiterer nachrichtendienstlicher Maßnahmen erbrachte den Nachweis, daß der Kasache in kriminelle Aktivitäten verwickelt war, insbesondere in den Handel mit Drogen, Waffen und Sprengstoff. Nachdem trotz langwieriger und intensiver Ermittlungsarbeit eine Aufklärung der Hintermänner nicht gelang, wurden die Ermittlungsergebnisse der Polizei übergeben. Diese nahm den Kasachen auf frischer Tat, nämlich bei der Übergabe von Rauschgift an einen verdeckten Ermittler der Polizei, fest. Der Täter wurde inzwischen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Usbekisch-marokkanischer Drogenhändler Das Landesamt für Verfassungsschutz erhielt eine Information, daß ein in einer bayerischen Kleinstadt wohnender Usbeke mit Drogen handle. Es ging diesem Hinweis nach und stellte fest, daß die Zielperson nicht allein tätig war, sondern mit mindestens zwei weiteren Personen zusammenwirkte. Erkannt wurden ein weiterer Usbeke und ein Marokkaner. Eine weitere Aufklärung der Organisationsstruktur gelang allerdings nicht, so daß die Übergabe des Falles an die Polizei vorbereitet wurde. Ein verdeckt eingesetzter Beamter des Landesamts für Verfassungsschutz, der das Vertrauen des Usbeken genoß, konnte einen verdeckten Ermittler der Polizei an die Gruppe heranführen. Polizei und Staatsanwaltschaft übernahmen die weiteren Ermittlungen. Rumänische Straftätergruppe Die Polizei führte in München eine Festnahmeund Durchsuchungsaktion gegen eine rumänische Straftätergruppierung durch. Dabei wurden acht Personen vorläufig festgenommen und mehrere Schußwaffen sowie gestohlener Schmuck bzw. Gold sichergestellt. Den polizeilichen Maßnahmen waren umfangreiche Ermittlungen des Landesamts für Verfassungsschutz vorausgegangen. Ende 1995 hatte das Amt einen Hinweis auf kriminelle Aktivitäten dieser Gruppe erhalten. Ziel des Landesamts für Verfassungsschutz war, die Aus- 260 Organisierte Kriminalität gangshinweise auf Straftaten zu verdichten und die Struktur der kriminellen Bande sowie deren Verbindungswege aufzuklären. In der Folgezeit erbrachten verdeckte Maßnahmen Anhaltspunkte für Straftaten in den Bereichen Hehlerei, Waffendelikte, Falschgeld, Prostitution, Rauschgift, Autoschiebereien und Betrugsdelikte. Internationale Verflechtungen nach Spanien, Italien, Ungarn, Rumänien und Frankreich wurden sichtbar. Das Landesamt für Verfassungsschutz bereitete die Informationen systematisch auf und übermittelte die Erkenntnisse absprachegemäß an das Polizeipräsidium München. Nach weiteren Ermittlungen konnte die Polizei die Verdächtigen festnehmen. Waffenhändler aus dem Kosovogebiet Ein verdeckt eingesetzter Beamter des Landesamts für Verfassungsschutz erhielt einen vertraulichen Hinweis, daß ein Kosovo-Albaner in der Lage sei, Handfeuerwaffen, Maschinenpistolen, Gewehre und Nitroglyzerinmunition zu beschaffen. Die genannten Kriegswaffen und die Umstände, unter denen die Kontakte erfolgen sollten, deuteten darauf hin, daß hinter dem Waffenhändler eine kriminelle Organisation stand. Der Kosovo-Albaner hielt sich aber in einem anderen Bundesland auf. Der Hinweis konnte deshalb nachrichtendienstlich nicht aufgearbeitet werden, da der Verfassungsschutz in anderen Bundesländern nicht mit der Beobachtung der Organisierten Kriminalität beauftragt ist. Der Hinweis konnte deshalb nur als ungesicherte Information den zuständigen Ermittlungsbehörden übergeben werden. Vietnamesische Organisierte Kriminalität Nach der Einführung der Wirtschaftsund Währungsunion im Jahr 1990 kam es in den neuen Bundesländern und in Berlin zu einem regen Handel mit unversteuerten Zigaretten durch vietnamesische Straftätergruppierungen. Konkurrenzstreitigkeiten zwischen den einzelnen Gruppen forderten schließlich 90 Todesopfer innerhalb der vietnamesischen Szene. Nach dem harten Durchgreifen der Polizei war zu vermuten, daß die Kriminellen ihre Aktivitäten in die alten Bundesländer, u.a. auch nach Bayern, verlagern könnten. Die ersten Ermittlungen bestätigten diesen Verdacht jedoch nicht. Mittlerweile liegen allerdings Erkenntnisse über Organisierte Kriminalität 261 vietnamesische Straftäter in Bayern vor, die in Schleusungen, Menschenhandel und Prostitution verwickelt sind. Informationen beschränken sich jedoch nicht immer auf Bayern, oft ergeben sich daraus auch Hinweise auf andere Bundesländer oder das Ausland. Durch die Zusammenarbeit mit einem befreundeten Dienst und eigene Erkenntnisse konnte das Landesamt für Verfassungsschutz auch konkrete Anhaltspunkte an die Polizei weitergeben, die zur Festnahme eines führenden Mitglieds der vietnamesischen Zigarettenmafia beitrugen. 3. Erfolge der bisherigen Arbeit Die Aufklärungsarbeit des Landesamts für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Organisierten Kriminalität seit mehr als drei Jahren Erfolgreiche hat sich voll bewährt. In dieser Zeit hat das Landesamt mehr als 250 Arbeit Vorgänge in die Sachbearbeitung aufgenommen und in fast allen typischen Tätigkeitsfeldern der Organisierten Kriminalität Spuren verfolgt. Im Zusammenspiel von Aufklärungsarbeit des Landesamts für Verfassungsschutz und anschließender polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungstätigkeit gelangen mehrere Festnahmen und die Sicherstellung von Drogen, Waffen und Falschgeld in Millionenhöhe. 4 Ausblick Diese Erfolge sollten auch den Bund und die anderen Länder von der Notwendigkeit überzeugen, in Zukunft die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität im Verbund aller Verfassungsschutzbehörden wesentlich zu intensivieren. Ihre bundesweite Beobachtung mit dem Bundesweite dann möglichen umfassenden Informationsaustausch und den erweiZusammenarbeit terten Ermittlungsmöglichkeiten ist eine wesentliche Voraussetzung erforderlich dafür, daß diese Bedrohung unserer Gesellschaft wirksam bekämpft werden kann. 262 Anhang Entwicklung der Mitgliederzahlen extremistischer Organisationen Mitglieder 120.000 ~ ~ Rechtsextremisten -- 101.60 3 "* Ausländische Extremisten 100.000 "i k \ Deutschland 80.000 Die Republikaner 1994 erstmals erfaßt \ ' Die Kurve beruht \ 58 200 auf Zahlen des >c^ 60.000 Bundesamts für SS.OOOl * * Verfassungsschutz, \ / ^ das von Mitgliedern ** / > 48.400* der PDS nur die der 40.000 Kommunistischen Plattform (KPF) erfaßt. 28.300 20.000 Die PDS Deutschland hatte 1997 insgesamt 104.000 Mitglieder, davon unter 2.500 0 in der KPF. 1988 89 90 91 92 93 94 95 96 97 Mitglieder 14.000 Rechtsextremisten Linksextremisten Ausländische Extremisten 12.000 - 4- h 111.100 10.000 6.000 Die Republikaner 1994 erstmals erfaßt 1988 89 90 91 92 93 94 95 96 97 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 263 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl S. 70, BayRS 12-1-1) I. Abschnitt - unter Anwendung von Gewalt oder durch entspreOrganisation und Aufgaben chende Drohung oder des Verfassungsschutzes - unter Einflußnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft. Art. 1 Organisation des Verfassungsschutzes, (4) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz ist Verhältnis zur Polizei eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar (1) 'Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen nachgeordnete Behörde. ! Das Landesamt und DienstGrundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des stellen der Polizei dürfen einander nicht angegliedert Bundes und der Länder besteht in Bayern ein Landeswerden. 'Dem Landesamt für Verfassungsschutz amt für Verfassungsschutz. ; Es dient auch dem Schutz steht ein Weisungsrecht gegenüber Dienststellen der vor Organisierter Kriminalität. Polizei oder die Befugnis zu polizeilichen Maßnahmen nicht zu. (2) 'Freiheitliche demokratische Grundordnung nach Absatz 1 ist eine Ordnung, die unter Ausschluß Art. 2 jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsZuständigkeit staatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der je(1) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die weiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit dargesetzlich festgelegten Aufgaben zu erfüllen. 2Dazu stellt. -Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordgehört auch die Zusammenarbeit Bayerns mit dem nung gehören mindestens: Die Achtung vor den im Bund und den anderen Ländern in Angelegenheiten des Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem Verfassungsschutzes. vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, (2) Verfassungsschutzbehörden der anderen Länder die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigdürfen in Bayern nur im Einvernehmen mit dem Lankeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, desamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gedas Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für setzes tätig werden. alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Art. 3 Aufgaben (3) Organisierte Kriminalität ist die von Gewinnoder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung (1) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von Aufgabe, erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, 1. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetdurch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder zes, die gegen die freiheitliche demokratische unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des - unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnliBundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine cher Strukturen oder ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung 264 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines 2. nach Maßgabe des Art. 14, insbesondere in EinbürLandes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, gerungsund Ordensverfahren zur Verleihung des 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes - mit Ausnahme der Verdienstmedaille - und des für eine fremde Macht, Bayerischen Verdienstordens, sowie nach Art. 15. 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder II. Abschnitt darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärAllgemeine Befugnisse und Datenverarbeitung tige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, Art. 4 4. Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Allgemeine Befugnisse Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur zu beobachten; solche Bestrebungen und Tätigkeiten Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz die dazu können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgeerforderlichen Informationen einschließlich personenhen. 2Das Landesamt hat in Erfüllung dieser Aufgabe bezogener Daten auch ohne Kenntnis der betroffenen Informationen, insbesondere sachund personenbezoGruppierung oder Person erheben und in Akten und gene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solDateien verarbeiten, diese Informationen nutzen sowie che Bestrebungen oder Tätigkeiten zu sammeln und aus Akten und Dateien übermitteln, soweit nicht nachauszuwerten. 'Die notwendige Koordinierung mit den folgend besondere Bestimmungen gelten. anderen Sicherheitsbehörden und den Strafverfolgungsbehörden wird in Richtlinien des Staatsministe-riums (2) 'Die Befugnisse des Landesamts für Verfasdes Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministesungsschutz bei der Mitwirkung nach Art. 3 Abs. 2 rium der Justiz geregelt. 4Über diese Richtlinien wird Nr. 1 sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom die Parlamentarische Kontrollkommission gemäß Art. 27. Dezember 1996 (GVB1 S. 509) geregelt; Art. 6 20 Abs. 1 Satz 1 unterrichtet. Abs. 1 Satz 4 bleibt unberührt. -Das Landesamt für Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die bestimmt ist, an einer Überprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Aufgabe, Nr. 2 nur mitwirken und nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 nur 1. nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes Auskunft erteilen, wenn die betroffene Person der an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen Durchführung der Überprüfung zugestimmt hat; werim öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige den der Ehegatte oder die Person, mit der die betrofTatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anverfene Person in eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher traut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder Gemeinschaft lebt, in die Überprüfung mit einbezogen, ihn sich verschaffen können, so ist auch deren Zustimmung erforderlich. 2. an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an (3) 'Sind für die Erfüllung einer Aufgabe verschiesicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder dene Maßnahmen geeignet, so hat das Landesamt für verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die die betrofsind oder beschäftigt werden sollen, fene Gruppierung oder Person voraussichtlich am 3. an technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz wenigsten beeinträchtigt. ! Eine Maßnahme unterbleibt, von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen, wenn sie einen Nachteil herbeiführt, der erkennbar die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsaußer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. bedürftig sind, gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, Art. 5 mitzuwirken. Erhebung personenbezogener Daten 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perso(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die nenbezogene Daten erheben, soweit das zur Erfüllung Aufgabe, amtliche Auskünfte zu erteilen seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. 2 1. im Rahmen der Überprüfung der Verfassungstreue Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 Abs. 3 von Personen, die sich um Einstellung in den öffentNr. 1 darf das Landesamt für Verfassungsschutz persolichen Dienst bewerben, nenbezogene Daten jedoch nur im Rahmen von Nach- Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 265 ermittlungen erheben, soweit das zur Überprüfung von SS 1 Abs. 1 und SS 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Informationen erforderlich ist, die bei den VerfassungsBeschränkung des Brief-, Postund Fernmeldeschutzbehörden bereits vorliegen. geheimnisses (Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz) vom 13. August 1968 (BGBl I S. 949) in der jeweils gelArt. 6 tenden Fassung vorliegen oder Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel 2. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vorliegen, daß jemand Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 (1) 'Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Satz 1 Nrn. 1 oder 3 durch die Planung oder BegeGesetz darf das Landesamt für Verfassungsschutz auch hung von Straftaten nach SSSS 129, 130 oder 131 des nachrichtendienstliche Mittel anwenden. ! Sie dienen Strafgesetzbuchs (StGB) verfolgt oder der verdeckten Informationsgewinnung und der Sicherheit des Landesamts für Verfassungsschutz und seiner 3. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht besteMitarbeiter. 'Nachrichtendienstliche Mittel sind Maßhen, daß jemand Bestrebungen oder Tätigkeiten nahmen zur Tarnung, der Einsatz geheimer Mitarbeiter nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 durch die Planung und andere Maßnahmen, die verbergen sollen, daß das oder Begehung von Straftaten nach SS 100a der StrafLandesamt für Verfassungsschutz Informationen erprozeßordnung (StPO), SSSS261, 263 bis 265, 265b, hebt. 4Bei Sicherheitsüberprüfungen (Art. 3 Abs. 2 266, 267 bis 273, 331 bis 334 StGB oder SS 92 Nrn. 1 und 2) darf das Landesamt für VerfassungsAbs. 2 des Ausländergesetzes (AuslG) verfolgt schutz nur das nachrichtendienstliche Mittel der Tarnung von Mitarbeitern anwenden. und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2Der ver(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich sonenbezogene Daten nach Art. 5 durch Anwendung nur gegen den Verdächtigen oder gegen Personen richnachrichtendienstlicher Mittel erheben, wenn ten, von denen auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, daß sie für den Verdächtigen bestimmte oder von 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder auf weitergeben oder daß der Verdächtige sich in ihrer diese Weise Erkenntnisse über Nachrichtenzugänge Wohnung aufhält. 'Für das Verfahren beim Einsatz der gewonnen werden können oder Mittel nach Satz 1 gelten die für Verfassungsschutz2. das zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, behörden der Länder maßgeblichen Bestimmungen des Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamts Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz und des Gesetzes zur für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz vom oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. 11. Dezember 1984 (GVB1 S. 522) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend. 'Erkenntnisse und Unterlagen, die durch Maßnahmen nach Satz 1 gewonnen (3) 'Personenbezogene Daten dürfen durch Anwenwurden, dürfen zur Verfolgung und Erforschung der dung nachrichtendienstlicher Mittel nur erhoben werdort genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten sowie den, wenn die Daten nicht auf eine andere geeignete nach Maßgabe des SS 7 Abs. 3 des Gesetzes zu Art. 10 Weise gewonnen werden können, die die betroffene Grundgesetz verwendet werden. Person weniger beeinträchtigt. ! Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachver(5) Die Zulässigkeit von Maßnahmen nach dem halts stehen. 'Sie ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz bleibt unberührt. Zweck erreicht ist oder sich ergibt, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. Art. 7 Speicherung und Veränderung (4) 'Der verdeckte Einsatz besonderer technischer personenbezogener Daten Mittel zur Informationsgewinnung im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes in Abwesenheit einer für (1) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur die Verfassungsschutzbehörde tätigen Person ist unter Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz persobesonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Vernenbezogene Daten in Dateien speichern und veränhältnismäßigkeit gemäß Absatz 3 nur zulässig, wenn dern, wenn 1. die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder in das Brief-, Postoder Fernmeldegeheimnis nach Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder 266 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrewar oder ihre Kenntnis für die Erfüllung seiner gesetzbungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 erforderlich festgelegten Aufgaben nicht mehr erforderlich ist; lich ist oder Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, sind unter diesen Voraussetzungen zu vernichten. 2Ob 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach Art. 3 die Voraussetzungen der Löschung und Vernichtung Abs. 2 Nrn. 2 und 3 an Überprüfungen mitwirkt. nach Satz 1 vorliegen, ist bei jeder Einzelfallbearbei- : In den Fällen des Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 dürfen personentung und nach festgesetzten Fristen zu entscheiden. bezogene Daten in Dateien nur gespeichert werden, 'Die Löschung oder Vernichtung unterbleibt, wenn wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen. schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. 4In diesem Fall sind die Daten zu (2) 'Personenbezogene Daten über das Verhalten eisperren; sie dürfen nur noch mit Einwilligung der ner Person vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen betroffenen Person übermittelt werden. nicht in Dateien gespeichert werden. !Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person nach Vollen(3) 'Für die Archivierung gelten die Vorschriften dung des 14. und vor Vollendung des 16. Lebensjahres des Bayerischen Archivgesetzes. 2Die Anbletungssind zwei Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei pflicht bestimmt sich nach Maßgabe der nach Art. 6 denn, daß weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 3 Abs. 2 BayArchivG abzuschließenden Vereinbarung. Abs. 1 angefallen sind. 'Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person nach Vollendung des 16. und Art. 9 vor Vollendung des 18. Lebensjahres sind zwei Jahre Errichtungsanordnung nach dem Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung in Dateien zu überprüfen und spätestens fünf (1) 'Für den erstmaligen Einsatz einer automatisierJahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, daß ten Datei, in der personenbezogene Daten verarbeitet weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 3 Abs. 1 angefalwerden, hat das Landesamt für Verfassungsschutz in len sind über ein Verhalten nach Eintritt der Volljährigeiner Errichtungsanordnung, die der Zustimmung des keit. "Für Akten, die zu einer minderjährigen Person Staatsministeriums des Innern bedarf, festzulegen: geführt werden, gelten die vorstehenden Prüfungsund Löschungsfristen entsprechend. 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die 3. Betroffener Personenkreis, Dauer der Speicherung in Dateien und in Akten, die zu 4. Art der zu speichernden Daten, einer bestimmten Person geführt werden, auf das Maß festzulegen, das zur Erfüllung seiner Aufgabe nach die5. Eingabeberechtigung, sem Gesetz erforderlich ist. 6. Zugangsberechtigung, 7. Regelmäßige Übermittlungen, (4) Werden Bewertungen über Betroffene gespei8. Überprufungsfristen, Speicherungsdauer, chert, muß erkennbar sein, wer die Bewertung vorgenommen hat und wo die Informationen gespeichert 9. Protokollierung des Abrufs. sind, die der Bewertung zugrunde liegen. 'Nach der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern ist die Errichtungsanordnung dem LandesbeaufArt. 8 tragten für den Datenschutz unverzüglich mitzuteilen. Berichtigung und Löschen von Daten 'Entsprechendes gilt für wesentliche Änderungen des Verfahrens. (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu (2) Die Zustimmung des Staatsministeriums des berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten, die Innern darf nur erteilt werden, wenn die Speicherung zu einer bestimmten Person geführt werden, ist dies zu personenbezogener Daten auf das erforderliche Maß vermerken. beschränkt ist. (2) ' Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in anDateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu gemessenen Abständen die Notwendigkeit der Weiterlöschen, wenn ihre Speicherung nach Art. 7 unzulässig führung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 267 Art. 10 Auskunft zu erteilen, soweit nicht das StaatsministeGeltung des Bayerischen Datenschutzgesetzes rium des Innern im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet Bei der Erfüllung der gesetzlich festgelegten Aufwürde. Mitteilungen des Landesbeauftragten an den gaben durch das Landesamt für Verfassungsschutz finBetroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den den die Art. 10 bis 13, 15 bis 23 und 26 bis 28 des Kenntnisstand des Landesamts für Verfassungsschutz Bayerischen Datenschutzgesetzes keine Anwendung. zulassen, sofern dieses nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Art. 11 Auskunftserteilung (1) 'Ein Anspruch auf Auskunft über die beim LanIII. Abschnitt desamt für Verfassungsschutz in Dateien oder Akten geÜbermittlungsregelungen speicherten Informationen besteht nicht. : Hat eine Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft über die Art. 12 zu ihrer Person gespeicherten Daten, so entscheidet das Informationsübermittlung Landesamt für Verfassungsschutz nach pflichtgemäßem an das Landesamt für Verfassungsschutz Ermessen über das Auskunftsbegehren. ohne Ersuchen (2) Soweit eine Person einer Sicherheitsüberprü(1) Die Behörden, Gerichte hinsichtlich ihrer Regifung nach Art. 3 Abs. 2 unterzogen wird oder zu einer ster, Gebietskörperschaften und andere der staatlichen Person Auskunft nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 erteilt wird, Aufsicht unterstehenden juristischen Personen des hat diese Person abweichend von Absatz 1 einen öffentlichen Rechts sowie sonstige öffentliche Stellen Anspruch auf Auskunft über die Daten des Landesamts des Freistaats Bayern haben von sich aus dem Landesfür Verfassungsschutz, die es im Rahmen der Erfüllung amt für Verfassungsschutz die ihnen bei Erfüllung ihrer dieser Aufgaben übermittelt hat. Aufgaben bekanntgewordenen Informationen zu übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür beste(3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit hen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz nach Art. 3 1. eine Gefährdung der Erfüllung der Aufgaben nach Abs. 1 oder entsprechender Aufgaben auf Grund eines Art. 3 durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst, b oder c des 2. durch die Auskunftserteilung nachrichtendienstliche Grundgesetzes erforderlich sein kann. Zugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitswei(2) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die se des Landesamts für Verfassungsschutz zu beübermittelten Informationen nach ihrem Eingang unfürchten ist, verzüglich darauf zu überprüfen, ob sie für die Erfüllung seiner in Absatz 1 genannten Aufgaben erforder3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden lich sind. 2Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Nachteile bereiten würde oder 'Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Tren4. die Information oder die Tatsache der Speicherung nung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvernach, insbesondere wegen der überwiegenden tretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall dürberechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalfen die nicht erforderlichen Informationen nicht verten werden muß. wendet werden. (4) 'Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf Art. 13 keiner Begründung. 2Wird die Auskunftserteilung Informationsübermittlung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage an das Landesamt für Verfassungsschutz für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweiauf Ersuchen sen, daß er sich hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten an den Landesbeauftragten für (1) 'Die in Art. 12 Abs. 1 genannten öffentlichen den Datenschutz wenden kann. 'Dem LandesbeaufStellen haben dem Landesamt für Verfassungsschutz auf tragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen dessen Ersuchen die ihnen bei Erfüllung ihrer Aufgaben 268 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) bekanntgewordenen Informationen zu übermitteln, Aufgaben benötigt, sofern er dabei auch zum Schutz der soweit das zur Erfüllung der Aufgaben des Landesamts freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen für Verfassungsschutz nach diesem Gesetz erforderlich oder Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit oder ist. 2Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Ersuauswärtige Belange zu würdigen hat. 'Der Empfänger chen nach Satz 1 nur stellen, wenn die Information auf darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts andere Weise nur mit übermäßigem Aufwand oder nur anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu durch eine die betroffene Gruppierung oder Person stärdem sie ihm übermittelt wurden, es sei denn, daß das ker belastende Maßnahme gewonnen werden kann. Landesamt für Verfassungsschutz einer anderen Verwen'Das Landesamt für Verfassungsschutz hat Ersuchen zu dung für Zwecke nach den Sätzen 1 und 2 zugestimmt begründen, es sei denn, daß eine Begründung dem hat. 4Satz 1 gilt auch für die Übermittlung personenbeSchutz der betroffenen Gruppierung oder Person zuwizogener Daten innerhalb des Landesamts für Verfasderläuft oder den Zweck der Maßnahme gefährden sungsschutz. würde. 4Es hat die Ersuchen aktenkundig zu machen. (2) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf (2) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen Akten anderer öffentlicher Stellen und amtlich geführte von Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen Dateien unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 einzwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über sehen, soweit das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der diesem Gesetz erforderlich ist und die sonstige ÜberBundesrepublik Deutschland stationierten ausländimittlung von Informationen aus den Akten oder den schen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl II 1961 Dateien den Zweck der Maßnahme gefährden, einen S. 1183) personenbezogene Daten übermitteln. ! Der übermäßigen Aufwand erfordern oder das PersönlichEmpfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelkeitsrecht des Betroffenen unnötig beeinträchtigen würten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, de. 2Über die Einsichtnahme in amtlich geführte Dateizu dem sie ihm übermittelt wurden. en hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die einge(3) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf persehene Datei hervorgehen; die Nachweise sind gesonsonenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb dert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr überoder zwischenstaatliche öffentliche Stellen überihrer Erstellung folgt, zu vernichten. mitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz oder zur Wahrung (3) 'Hält eine in Art. 12 Abs. 1 genannte öffentliche erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforStelle das Ersuchen nach Absatz 1 oder die Einsichtderlich ist. ; Die Übermittlung unterbleibt, wenn ausnahme nach Absatz 2 für unzulässig, so teilt sie das wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder dem Landesamt für Verfassungsschutz mit. 2 Besteht überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffedieses auf dem Ersuchen oder der Einsichtnahme, so nen Person entgegenstehen. 'Sie ist aktenkundig zu entscheidet darüber die oberste fachliche Aufsichtsmachen. 4Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß behörde, die für die ersuchte Stelle zuständig ist. die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (4) Art. 12 Abs. 2 gilt entsprechend. (4) 'Personenbezogene Daten dürfen an andere Art. 14 Empfänger als öffentliche Stellen nicht übermittelt werPersonenbezogene Datenübermittlung den, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen durch das Landesamt für Verfassungsschutz demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und das (1) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf perStaatsministerium des Innern seine Zustimmung erteilt sonenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl von wenn das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem gleichartigen Fällen vorweg erteilt werden. 2Das LanGesetz erforderlich ist oder wenn die öffentliche Stelle desamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung akdie Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen tenkundig zu machen. 'Der Empfänger darf die überGrundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen mittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu Sicherheit einschließlich der Strafverfolgung benötigt. dem sie ihm übermittelt wurden. 4Das Landesamt für : Gleiches gilt, wenn der Empfänger die personenbezoVerfassungsschutz hat den Empfänger darauf hinzuweigenen Daten zur Erfüllung anderer ihm zugewiesener sen. Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) 269 (5) 'Übermittlungspflichten nach bundesrechtlichen Kontrolle durch die Parlamentarische KontrollkommisVorschriften bleiben unberührt. 2Das Landesamt für sion. 2Die Rechte des Landtags und seiner Ausschüsse Verfassungsschutz kann andere Verfassungsschutzbleiben unberührt. behörden auch dadurch unterrichten, daß es diesen den Abruf von Daten im automatisierten Verfahren ermög(2) 'Die Parlamentarische Kontrollkommission licht, soweit deren gesetzliche Aufgaben identisch sind. besteht aus fünf Mitgliedern. 2Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission werden zu Beginn jeder neuen Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte Art. 15 gewählt. 'In gleicher Weise wird für jedes Mitglied ein Unterrichtung der Öffentlichkeit Stellvertreter gewählt. 4Gewählt ist, wer die Stimmen 'Das Staatsministerium des Innern und das Landesder Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint. amt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 (3) 'Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder Abs. 1. -Dabei dürfen der Öffentlichkeit personenbezoseiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft gene Daten bekanntgegeben werden, wenn das Interesin der Parlamentarischen Kontrollkommission; Absatz 4 se der Öffentlichkeit an der Unterrichtung das schutzbleibt unberührt. 2Für dieses Mitglied ist unverzüglich würdige Interesse der betroffenen Person an der Wahein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn rung ihrer Anonymität überwiegt. ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. 'Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Stellvertreter. Art. 16 Nachberichtspflicht (4) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Übermittlung durch das Landesamt für VerfassungsLandtags solange aus, bis der nachfolgende Landtag schutz als unvollständig oder unrichtig, sind sie unvereine neue Parlamentarische Kontrollkommission gezüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, wählt hat. wenn das zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person erforderlich ist. Art. 19 Geheimhaltung Art. 17 (1) 'Die Beratungen der Parlamentarischen KontrollÜbermittlungsverbote kommission sind geheim. 2Die Mitglieder und ihre Stell(1) Die Übermittlung von Informationen durch das vertreter sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten Landesamt für Verfassungsschutz nach den Art. 4 und verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parla14 hat zu unterbleiben, wenn mentarischen Kontrollkommission bekanntgeworden sind. 'Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausschei1. erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art den aus der Parlamentarischen Kontrollkommission. der Informationen und ihrer Erhebung das schutzwürdige Interesse der Betroffenen das Allge(2) 'Die Parlamentarische Kontrollkommission tritt meininteresse an der Übermittlung überwiegt, oder mindestens einmal im Vierteljahr zusammen. 2Jedes 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern. Mitglied kann die Einberufung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. 'Die Parlamentarische (2) Besondere Rechtsvorschriften, die InformationsKontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und desübermittlungen zulassen oder verbieten, bleiben unsen Stellvertreter und gibt sich eine Geschäftsordnung. berührt. Art. 20 IV. Abschnitt Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission Parlamentarische Kontrolle und Berichtspflicht der Staatsregierung Art. 18 (1) 'Die Staatsregierung unterrichtet die ParlamenParlamentarische Kontrollkommission tarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (1) 'Die Staatsregierung unterliegt hinsichtlich der und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. 2Die Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz der Staatsregierung berichtet zu einem konkreten Thema 270 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) aus dem Aufgabenbereich des Landesamts für VerfasArt. 23 sungsschutz, sofern die Parlamentarische KontrollkomÄnderung des Gesetzes zur Ausführung mission dies wünscht. des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Grundgesetz (AGG 10) vom 11. Dezember 1984 (GVB1 Beachtung des notwendigen Schutzes des NachrichtenS. 522, BayRS 12-2-1) wird wie folgt geändert: zugangs durch die politische Verantwortung der Staatsregierung bestimmt. 1. Art. 2 Abs. 3 Satz 6 erhält folgende Fassung: ""Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, (3) 'Die Kontrolle der Durchführung des Gesetzes die der Zustimmung der Parlamentarischen Konzu Art. 10 Grundgesetz bleibt der in Art. 2 des Gesetzes trollkommission für die Angelegenheiten des Verfaszur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz sungsschutzes bedarf." (AGG 10) genannten Kommission nach den dortigen Bestimmungen vorbehalten 2Der Parlamentarischen 2. In Art. 3 werden die Worte "den für SicherheitsfraKontrollkommission ist auf Anforderung, mindestens gen zuständigen Ausschuß des Landtags" durch die aber einmal im Jahr, der Bericht nach Art. 3 AGG 10 zu Worte "die Parlamentarische Kontrollkommission erstatten. für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" ersetzt. V. Abschnitt Art. 24 Schlußvorschriften Inkrafttreten Art. 21 'Dieses Gesetz tritt am 1. November 1990 in Kraft.* Erfüllung bundesrechtlicher Aufgaben ^Gleichzeitig treten außer Kraft: 1. Das Gesetz über die Errichtung eines Landesamts Zur Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetfür Verfassungsschutz (BayRS 12-1-1), zes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst, b und c des Grundgesetzes stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz die 2. Art. 8 Abs. 2 Nr. 5 des Bayerischen DatenschutzBefugnisse zu, die es zur Erfüllung der entsprechenden gesetzes (BayRS 204-1-1). Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. Art. 22 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht * Diese Vorschrift betrifft das Inkrafttreten des Gesetzes in der der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 des ursprünglichen Fassung vom 24. August 1990 (GVBI S.323). Der Grundgesetzes und Art. 106 Abs. 3 der Verfassung einZeitpunkt des Inkrafttretens der späteren Änderungen ergibt sich geschränkt werden. aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. bacn Wortregister 271 Sachwortregister ABLE 204 Asgard BBS 75 Aktion deutsches Radio und Fernsehen Autonome 121 (ARF) 45 Autonome Antifa (M) 126 Aktion Oder-Neiße (AKON) 45 Aktionskomitee Rudolf Heß 1997 54 barricada 133 analyse & kritik (ak) * 152 Bayern-Stimme 78 Anti-Antifa-Bewegung 50 Befreiungsarmee Kosovo (UCK) 181 Antifa-Jugendinfo 134 Berlin-Brandenburger Zeitung (BBZ) 77 antifa-rundschau 117 Berxwedan-Verlags GmbH 159 Antifaschistische Aktion München Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) 178 (AA München) 126 Bolschewistische Partei Nordkurdistan/Türkei Antifaschistische Aktion Passau (AA Passau) 126 (BP-KK/T) 187 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Büro für direkte Einmischung 94 Organisation (AA/BO) 126 Bund der Antifaschisten (BDA) 116 Antifaschistische Jugendfront (AJF) 143 Bund Frankenland 78 Antifaschistische Jugendfront Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 152 München-Laim 135 Burgpost 51 Antifaschistische Jugendfront Passau 123 Antifaschistisches Aktionsbündnis Nürnberg 153 Castel del Monte Verlag 79 Antifaschistisches Komitee - Stoppt die COMLINK-Netz (CL-Netz) 149 schwarzbraune Sammlungsbewegung Courage 153 (AKS) 153 CRIMINON 200 Antiimperialistische Gruppe (AIG) Nürnberg 247 Cuba Si - France 105 Antiimperialistische Widerstandszelle Nadja Shehadah 243 Dänische Nationalsozialistische Bewegung Antiimperialistische Zelle (AIZ) 243 (DNSB) 71 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) 243 Das Freie Forum 79 Arbeiterbund für den Wiederaufbau Deckert-Stimme 33 der KPD (AB) 118 DEM-Nachrichtenagentur 160 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 156 Demokratie-Partei (DEP) 161 Arbeitsgemeinschaft Antifaschismus und Demokratische Front für die Befreiung Antirassismus 93 Arbeitsgemeinschaft Autonome Gruppen Palästinas (DFLP) 184 in und bei der PDS 93 Denk mit! 79 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si 105 Denk mitl-Verlag 79 Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in Der Aktivist 78 und bei der PDS (AG Junge Genossinnen) 100 Der Republikaner 78 Arbeitsgemeinschaft Kommunistisches Forum in und bei der PDS München 94 Der Scheinwerfer 79 272 Sachwortregister Deutsch-Philippinische Freunde 118 Fair-Game (=Freiwild)-Regel 197 Deutsche Geschichte 79 Flüchtlingshilfe Iran e.V. 180 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 110 Flüchtlingshilfe Kurdistan 161 Deutsche Kulturgemeinschaft (DKG) 61 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) 167 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 57 Föderation der demokratischen Rechte Deutsche National-Zeitung (DNZ) 67 in Deutschland (ADHF) 167 Deutsche Reichspartei (DRP) 32 Föderation der patriotischen ArbeiterDeutsche Stimme (DS) 33 und Kulturvereinigungen aus Kurdistan Deutsche Türk-Föderation (ATF) 171 in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) 159 Deutsche Volksunion (DVU) 40 Föderation der Türkisch-Demokratischen Deutsche Volksunion e.V. (DVU) 45 Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) 171 Deutsche Wochen-Zeitung (DWZ) 67 Föderation kurdischer Vereine Deutscher Bund (DB) 51 in Deutschland e.V. (YEK-KOM) 160 Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur 45 Forum der Neuen Europäischen Linken (NELF) 104 Deutsches Jungvolk 57 Forum kommunistischer ArbeitsDeutsches Kolleg (DK) 61 gemeinschaften 93 Deutschland-Bewegung 28 Französische Kommunistische Partei 104 Deutschland Report 66 Franz Schönhuber Freundeskreis 25 Devrimci Sol 168 Frauen für Demokratie im Iran 180 Di-Al Records 54 Freie Nationalisten 49 Dianetik nach L. Ron Hubbard 188 Freie Stimme 49 Die Artgemeinschaft - Germanische Freie Strukturen 49 Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 55 Lebensgestaltung (Artgemeinschaft) 62 Freiheitlicher Volks Block (FVB) 50 Die Freunde im Ausland (DFiA) 66 Freiheitsbewegung Flandern 47 Die Nationalen e.V. 38 Freundeskreis Ulrich von Hütten 61 Die Republikaner (REP) 23 Friedenskomitee 2000 59 DISPUT 151 Front National (FN) 72 Djama'a Islamiya 184 Fünf-Punkte-Papier der PDS 86 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) 67 GEGENSTANDPUNKT 119 "Germania "-Rundbrief 65 Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten 45 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 60 Einheit und Kampf (EuK) 38 Gesellschaft iranischer Flüchtlinge e.V. 180 EinSatz 134 Gruppe K 152 Elias BBS 75 Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung 119 Erfurter Erklärung 108 Gruppe Mehrheit 152 Erfurter Gruppe München 94 Haus der kurdischen Künstler e.V. 185 Europäische Moscheenbauund Unterstützungsgemeinschaft (EMUG) 174 Heide-Heim e.V. 62 Sachwortregister 273 Heimattreue Vereinigung Deutschlands Kommunistische Partei Böhmens (HVD) 50 und Mährens 104 Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) 175 Kommunistische Partei der Russischen Föderation 104 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. Kommunistische Partei Deutschlands (HNG) 78 (KPD/DDR) 97 Hitlerjugend (HJ) 57 Kommunistische Partei El Salvadors (PCS) 106 Hizb Allah 183 Kommunistische Partei Österreichs 104 Huttenbriefe 61 Kommunistische Plattform (KPE) 97 Kommunistische Plattform Regionalgruppe Info-Läden der Autonomen 131 Nürnberg/Erlangen/Fürth 94 Informationszentrum für freie Völker e.V. 170 Kommunistischer Bund (KB) 152 Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) 45 Konföderation der Arbeiter aus der Institute for Historical Review (IHR) 66 Türkei in Europa (ATIK) 167 Konföderation der demokratischen Rechte Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstandskampf, in Europa (ADHK) 167 Verfolgter des Naziregimes und HinterKraftwerk BBS 75 bliebener e.V. (IVVdN) 115 Kurdisch-Deutsche Presseagentur (KURD-A) 160 INTERIM 133 Kurdischer Elternverein e.V., München 166 Iranische Flüchtlingskinderhilfe e.V. 180 Kurdischer Roter Halbmond (HSK) 186 Iranische Moslemische StudentenKurdisches Exilparlament 161 Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV) 178 Kurdisches Informations-Zentrum (KIZ) 160 Iranischer Kulturverein 180 Kurdistan Haber Ajansi - News Agency (KURD-HA) 159 Islamische Bewegung Kurdistans (KIH) 186 Kurdistan Informationsbüro in Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) 172 Deutschland (KIB) 160 Islamische Heeilsarmee (AIS) 178 Kurdistan-Komitee e.V., Köln 159 Islamische Heilsfront (FIS) 177 Kurdistan Solidarität Allgäu-Oberschwaben 161 Kurdistan-Solidarität Nürnberg/Erlangen 161 Janus BBS 75 Kurdistan-Solidaritätsgruppen 160 Journal of Historical Review 66 Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) 153 lernen und kämpfen (luk) 151 Junge Nationaldemokraten (JN) 37 "Leuchter-Bericht" 64 Liberaldemokratische Partei Rußlands (LDPR) 46 Kameradschaft Franken 78 Libertäres Forum bei der PDS 94 Kameradschaften 22 Linksruck 152 Katakomben-Akademie 56 KB-Gruppe Nürnberg 152 Marxistisch-Leninistische Kommunistische KOMKAR - Verband der Vereine aus Partei (MLKP) 170 Kurdistan e.V. 186 Marxistisch-Leninistische Partei Kommission für Verstöße der Psychiatrie Deutschlands (MLPD) 117 gegen Menschenrechte (KVPM) 204 Marxistische Blätter 151 Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) 119 Marxistische Gruppe (MG) 119 274 Sachwortregister Marxistisches Forum (MF) 102 Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 171 Mensch und Maß 79 Partei des Demokratischen Sozialismus Mitteilungen der Kommunistischen (PDS) 83 Plattform der PDS 99 Partizan 167 Moonstomp 49 Patria-Versand GmbH - Spezialversand Münchner Bündnis gegen Rassismus 120 für nationale Aktivisten 73 PDS-Pressedienst 151 Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitee 160 Politische Berichte 152 Position 152 Nachrichten der HNG 78 Pro.K Zeitung des revolutionären Nachrichten-Informationen-Meinungen Aufbau München 134 (NIM) 56 Proletarischer Internationalismus 103 NARCONON 200 Nation Europa Verlag GmbH 68 radikal 153 Nation & Europa - Deutsche Monatshefte 68 REBELL 152 Nation-Europa-Freunde e.V. 69 red & hot 134 National Journal 66 Regionale Arbeitsgruppen (RAG) 38 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 29 Republikanischer Hochschulverband (RHV) 26 Nationaldemokratischer Hochschulbund Revisionismus 63 (NHB) 78 Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru Nationale Befreiungsarmee (NLA) 180 (MRTA) 106 Nationale Befreiungsfront Kurdistans Revolutionäre VolksbefreiungsparteiAfront (ERNK) 158 (DHKP-C) 169 Nationale Info-Telefone (NIT) 76 Revolutionäre Zellen (RZ) 247 Nationaler Block (NB) 38 Rote Antifa Nürnberg (RAN) 126 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 179 Rote Armee Fraktion (RAF) 240 Nationalistische Front (NF) 32 Rote Fahne 118 Neues Deutschland (ND) 151 Rote Hilfe e.V. 143 Nordbayerischer Landbote 151 Rote Zora 247 Nordische Zeitung (NZ) 62 "Rudolf-Gutachten" 64 Nordland-Netz 75 Notenschlüssel II 54 Samisdat Publishers Ltd. 71 NS Kampfruf 70 Schutzbund für das Deutsche Volk e.V. (SDV) 79 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation Scientology-Organisation (SO) 188 (NSDAP-AO) 69 Skinheads 51 Nürnberger Initiativkreis der Skinheads Allgäu 38 Erfurter Erklärung 94 Solidarität International (Sl) 118 Sozialismus von unten 152 Odal-Verlag 79 Sozialistische Alternative VORAN (SAV) 153 Office of Special Affairs (OSA) 205 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 152 Operation Snow White Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) 167 (SDAJ) 152 Sachwortregister 275 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Verein für Arbeiterbildung Nordbayern 151 (SED) 83 Verein für interkulturelle ZusammenSozialistische Zeitung (SoZ) 152 arbeit e.V. (VIZ) 166 Sozialistischer Deutscher Studentenbund Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e.V. (VIDA) 180 (SDS) 61 Verein zur Eingliederung iranischer Spinnennetz 148 Flüchtlinge e.V. (VEIF) " 180 Staatsbriefe 79 Vereinigte Linke 104 Ständiger Rat marxistischer Parteien 100 Vereinigung der neuen Weltsicht Störtebecker BBS 75 in Europa e.V. (AMGT) 172 Vereinigung der patriotisch-revolutionären The Command Chart of SCIENTOLOGY 201 Jugend Kurdistans (YCK) 185 The New Order 71 Vereinigung der Verfolgten des Thule-Netz 75 Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) 115 TITEL - Informationsforum der PDS Bayern 96 Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 152 Tonträgervertrieb Jens Pühse 54 Türkische Arbeiterund BauernbefreiungsVerlag Hohe Warte - Franz von armee (TIKKO) * 167 Bebenburg KG 79 Türkische Kommunistische Partei/MarVGB Verlagsgesellschaft Berg mbH 79 xisten-Leninisten (TKP/ML) 167 Vierteljahreshefte für freie GeschichtsTürkische VolksbefreiungsparteiAfront forschung (VffG) 59 (THKP-C Devrimci Sol) ~ 169 Vlaams Blök (VB) 59 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 158 Union der Aleviten aus Kurdistan (KAB) 186 Volksbewegung gegen antideutsche Union der freien Frauen aus Kurdistan (YAJK) 165 Propaganda (VOGA) 45 Union der Journalisten Kurdistans (YRK) 185 Volksbewegung von Kosovo (LPK) 181 Union der Jugendlichen aus Kudistan (YCK) 161 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 184 Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) 185 Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando - (PFLP-GC) 184 Union islamischer Studentenvereine in Europa (U.l.S.A.) 184 Volksfront gegen Reaktion, Faschismus Union zur Pflege der kurdischen Kultur und Krieg (VOLKSFRONT) 153 und Kunst (YRWK) 185 Volksmodjahedin 178 Unsere Zeit (UZ) 151 Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) 66 UTOPIE - kreativ - Diskussion sozialistischer Alternativen 151 Widerstand 49 Widerstand BBS 75 Verband der islamischen Vereine WISE 203 und Gemeinden e.V. (ICCB) 175 Wohlfahrtspartei (RP) 172 Verband der Studentinnen aus Kurdistan (YXK) . 185 Verein der Künstler und Schriftsteller Zentralorgan 49 des iranischen Widerstandes e.V. 180 zusammen kämpfen 122