Verfassungsschutzbericht S5 Bayern 1991 Bayerisches Staatsministerium des Innern Verfassungsschutzbericht Bayern 1991 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern Odeonsplatz 3, 8000 München 22 RB Nr. 03A/92/09 Satz: Reiff Druck & Verlag, Vogelweideplatz 9, 8000 München 80 Druck: Druckhaus Kastner Woinzach, Schloßhof 2-6, 8069 Woinzach Der Verfassungsschutzbericht Bayern für das Jahr 1991 stellt wie in den vergangenen Jahren Aktivitäten und politische Ziele extremistischer Gruppierungen und gegnerischer Nachrichtendienste zusammenfassend dar und bewertet sie. In einem Staat, der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt verpflichtet ist, muß die geistig-politische Auseinandersetzung mit extremistischem Gedankengut Vorrang vor Exekutivmaßnahmen haben. Diese Auseinandersetzung kann mit Aussicht auf Erfolg aber nur geführt werden, wenn Klarheit über die wirklichen Ziele und Absichten derer besteht, die die Grundprinzipien der Verfassung bekämpfen. Mit dem Verfassungsschutzbericht stellt das Staatsministerium des Innern der Öffentlichkeit offen verwertbare Informationen zur Verfügung, die erkennen lassen, von welchen Gruppierungen und in welchem Umfang der freiheitliche demokratische Rechtsstaat auch heute noch bedroht ist. Darüber hinaus soll der vorliegende Bericht als ein Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit aber auch dazu beitragen, ein objektives Bild vom Verfassungsschutz selbst und von seiner Notwendigkeit zu vermitteln - auch nach der Wiedervereinigung Deutschlands und den Umwälzungen in Osteuropa. Gewiß kann sich der Verfassungsschutz in seiner Tätigkeit nach wie vor auf einen breiten Grundkonsens bei den Bürgerinnen und Bürgern stützen. Gleichwohl mag die Aufdeckung der verbrecherischen Machenschaften der Stasi in der ehemaligen DDR Ängste und falsche Vorstellungen über die Tätigkeit von Nachrichtendiensten im demokratischen Rechtsstaat geweckt haben. Die neuerliche Veröffentlichung des Bayer. Verfassungsschutzgesetzes in diesem Bericht gibt daher jedem Interessierten die Möglichkeit, zu überprüfen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Mitteln das Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz tätig wird und welchen institutionellen Kontrollen es dabei unterworfen ist. Die signifikante Zunahme von politisch motivierter Gewalt im vergangenen Jahr, die zu einer bislang nicht dagewesenen Serie brutaler Übergriffe gegen Ausländer, insbesondere gegen Asylbewerber, geführt hat, beweist, daß gerade auch ein freiheitlicher Rechtsstaat das Recht und die Freiheit eines jeden Einzelnen immer wieder gegen Terror und Brutalität verteidigen muß. Vor diesem Hintergrund sind die neuerdings wieder zu hörenden wiederholten Forderungen nach Abschaffung des Verfassungsschutzes wirklichkeitsfremd und deshalb unverständlich. Trotz der im Bericht dokumentierten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen hat sich unsere Demokratie auch im Jahr 1991 als stabil erwiesen. Dazu haben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bayer. Landesamts für Verfassungsschutz durch ihre Tätigkeit beigetragen. Wir bedanken uns für ihre engagierte Arbeit, die in ihrer Bedeutung für den Schutz des Bürgers leider zuweilen verkannt wird, und wünschen ihnen dazu auch weiterhin viel Erfolg. München im April 1992 Dr. Edmund Stoiber" Dr. Günther Beckstein Staatsminister Staatssekretär 5 Inhaltsverzeichnis II II lUllv V vi favlvl llw Allgemeiner Überblick 11 1. Abschnitt Linksextremismus 16 1. Allgemeines 16 2. Orthodoxer Kommunismus 17 2.1 Überblick 17 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 18 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort 18 2.2.2 Organisation 19 2.2.3 Bündnisund Aktionseinheitspolitik, Betriebsarbeit 21 2.2.4 Sonstige Aktivitäten 22 2.2.5 Publikationen, Verlage und Schulungen 24 2.3 Nebenorganisationen der DKP 25 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen . 27 3. Neue Linke 28 3.1 Überblick 28 3.2 Dogmatische Neue Linke 30 3.2.1 Marxistische Gruppe (MG) 30 3.2.2 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 30 3.2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 33 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 35 3.3.1 Allgemeines 35 3.3.2 Autonome Gruppen 35 3.3.3 Schriften der undogmatischen Neuen Linken 38 6 4. Entwicklung des Linksextremismus in der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). 40 4.1. Allgemeines 4i 4.2. Verfassungsfeindliche Aussagen der PDS/Linke Liste und ihrer Funktionäre 42 4.3 PDS/Linke Liste in den westlichen Bundesländern 44 4.4. PDS/Linke Liste in Bayern 44 5. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 47 2. Abschnitt Rechtsextremismus 50 1. Allgemeines 50 2.. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 53 2.1 Ideologisch-politischer Standort 53 2.2 Organisation 55 2.3 Wahlabsprachen mit der DVU 56 2.4 Sonstige Aktivitäten ' 57 2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) 58 3. Deutsche Volksunion (DVU) .7...:...;. *. b9 3.1 Ideologisch-politischer Standort 59 3.2 Organisation 60 3.3 Wahlbeteiligung 61 3.4 Sonstige Aktivitäten 62 4. Deutsche Volksunion e. V. (DVU) 62 4.1 Ideologisch-politischer Standort 62 4.2 Organisation 62 4.3 Aktionsgemeinschaften der DVU 63 7 5. Deutsche Liga für Volk und Heimat (Deutsche Liga) 64 5.1 Ideologisch-politischer Standort 64 5.2 Organisation 65 5.3 Aktivitäten 65 6. Neonazistische Organisationen und Aktivitäten 65 6.1 Allgemeines 65 6.2 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF).... 66 6.3 Nationaler Block (NB) 68 6.4 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 69 6.5 Nationale Offensive (NO) 70 6.6 Rechtsextremistisches, insbesondere neonazistisches Potential bei Skinheads 71 6.7 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle 74 7. Sonstige rechtsextremistische Organisationen 75 7.1 Wiking-Jugend (WJ) 75 7.2 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 76 7.3 Freundeskreis Ulrich von Hütten. 77 7.4 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 77 8. Organisationsunabhängige Publizistik 78 9. Revisionismus-Kampagne 81 9.1 Ziele und Methoden 81 9.2 Entwicklung 81 9.3 Aktivitäten 82 10. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus 85 11. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 88 8 3. Abschnitt Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern.... 92 1. Allgemeines 92 2. Arabische Gruppen 93 3. Iranische Gruppen 93 3.1 Orthodoxe Kommunisten 93 3.2 Neue Linke 93 4. Kurdische Gruppen 94 4.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 94 4.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (KOMKAR) 96 5. Türkische Gruppen 97 5.1 Orthodoxe Kommunisten 97 5.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen 97 5.2.1 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 97 5.2.2 Türkische Volksbefreiungspartei/Tront (THKP/-C) 100 5.3 Extreme Nationalisten 102 5.4 Islamische Extremisten 102 6. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern, deren Nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 104 4. Abschnitt Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 110 1. Überblick 110 2. Rote Armee Fraktion (RAF) 112 2.1 Kommandoebene der RAF 113 2.2 Militante der RAF 115 9 2.3 Inhaftierte der RAF 115 2.4 Umfeld der RAF 118 3. Revolutionäre Zellen (RZ) 121 4. Festnahmen und Strafverfahren 123 5. Politisch motivierte Gewaltakte in Bayern 126 5. Abschnitt Spionageabwehr 134 1. Überblick 134 2. Situation der östlichen Nachrichtendienste am Beispiel der ehemaligen UdSSR 135 3. Erkenntnisse aus der Aufarbeitung der MfS-Vergangenheit 135 3.1 Anwerbung von Übersiedlern und Aussiedlern 135 3.2 Wirtschaftsspionage im Auftrag des KGB 136 4. Zusammenfassung 137 Anhang 1 140 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) vom 24. August 1990 Anhang 2 152 Stichwortverzeichnis Die im Verfassungsschutzbericht 1991 aufgeführten Mitgliederzahlen für den Linksextremismus im Bundesgebiet beziehen sich jeweils auf die westlichen Länder. Erkenntnisse über Mitgliederzahlen in den fünf neuen Ländern liegen hier nicht vor. Allgemeiner Überblick Dieser Verfassungsschutzbericht informiert zusammenfassend über den politischen Extremismus und über Aktivitäten gegnerischer Nachrichtendienste im Jahre 1991. Er ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Staatsregierung, die damit der Verpflichtung nachkommt, die Öffentlichkeit über die Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte, Gruppen und Parteien in Kenntnis zu setzen. Der Bericht findet außerdem seine ausdrückliche rechtliche Grundlage in Art. 15 des Bayer. Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) vom 24. August 1990. Er gibt einen Überblick über Bestrebungen von Extremisten, die unmittelbar oder mittelbar gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben. Er informiert ferner über Vorhaben, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eine Ordnung zu verstehen, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser freiheitlichen Grundordnung gehören die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit der politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Diese Rechtsprechung, die inhaltlich in das neue Bayer. Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) eingearbeitet wurde, ist Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine Organisation als extremistisch zu bewerten ist. Alle in diesem Bericht genannten extremistischen Parteien und Gruppierungen verfolgen Ziele, die gegen die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen. Solche verfassungsfeindlichen Ziele sind bei den Linksextremisten die Revolution und die Diktatur des Proletariats, die insbesondere gegen das Mehrheitsund das Freiheitsprinzip sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Bei den Rechtsextremisten sind es ihr völkischer Kollektivismus, ihr Nationalismus und ihre rassistischen Tendenzen, die insbesondere mit der Menschenwürde und dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar sind. Beim Ausländerextremismus ist es entweder Linksoder Rechtsextremismus (extremer Nationalismus) oder religiös motivierter Extremismus, der wiederum insbesondere die Menschenwürde und das Gleichheitsprinzip verletzt. Ausländergruppen werden mitunter auch deswegen beobachtet, weil sie ihre Ziele mit Gewalt zu erreichen suchen und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 1: Unbeeindruckt von der politischen Entwicklung in Mittelund Osteuropa hielten die Linksextremisten an ihrem Ziel, eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten, fest. Sie konnten aber damit auch 1991 die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht gefährden. Ende 1991 gab es in Bayern noch 30 linksextremistische und linksextremistisch beeinflußte Gruppierungen mit 6.660 Mitgliedern. Im Vergleich zum Vorjahr ging die Zahl der Organisationen und der Mitglieder erneut zurück. Die Auflösungserscheinungen des früher festgefügten orthodox-kommunistischen Blocks, der durch die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und ihre Nebenorganisationen repräsentiert wird, setzten sich weiter fort. Ursächlich dafür waren u. a. die demokratischen Reformen in den früher kommunistischen Ländern Osteuropas, der gescheiterte Putschversuch in Moskau, das Verbot der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) in mehreren Sowjetrepubliken sowie die Ende 1991 vollzogene formelle Auflösung der UdSSR und die Bildung einer nicht mehr von Kommunisten dominierten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Der Wegfall des Mutterlandes des orthodoxen Weltkommunismus führte zu weitgehender Ratund Orientierungslosigkeit. Auch die in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) umbenannte frühere Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) konnte den Niedergang des orthodoxen Kommunismus nicht aufhalten. Die Gruppierungen der Neuen Linken" die sich ideologisch stets gegen den "revisionistisch entarteten Sozialimperialismus" der ehemaligen KPdSU und ihrer europäischen Satellitenparteien abgegrenzt hatten, wurden von der Krise des orthodoxen Kommunismus ebenfalls erfaßt. Die Annahme, die ideologische Bankrotterklärung des Marxismus-Leninismus würde nur die sowjetische Variante betreffen, erwies sich als Trugschluß. Es kam zu Parteiaustritten, Spaltungen und Auflösungen. Die Marxistische Gruppe (MG), bisher stärkste Gruppierung innerhalb der dogmatischen Neuen Linken, gab wegen "staatlicher Verfolgungsmaßnahmen" ihre Auflösung bekannt. Andere Gruppen konnten trotz ihres desolaten Zustands mit Ausnahme des ebenfalls aufgelösten Kommunistischen Bundes (KB) ihren Mitgliederstand im wesentlichen halten. Im Bereich der undogmatischen Neuen Linken dominierten 1991 wiederum die Autonomen, deren Aktionen gegen "Faschismus" und "Kapitalismus" zunehmende Tendenzen zur Gewalt erkennen ließen. 2. Auch die Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen und Personen (insgesamt etwa 4.900) stellten 1991 keine Gefährdung des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats dar, obwohl der organisierte Rechtsextremismus den Tiefpunkt des Vorjahres überwunden hat und sich wieder im Aufwind sieht. Diese Entwicklung war maßgeblich auf die zunehmende Resonanz in den neuen Ländern, aber auch auf den spektakulären Erfolg der Deutschen Volksunion (DVU) bei der Bremer Bürgerschaftswahl zurückzuführen, an dem auch die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) partizipierte. Der Versuch, Anhänger dieser Parteien für eine neue Sammlungsbewegung des rechten Lagers zu gewinnen, hatte schon Anfang 1991 eine Wiederannäherung von NPD und DVU eingeleitet. Mit der seit Mitte Januar vorbereiteten Gründung der Deutschen Liga für Volk und Heimat (Deutsche Liga) erfuhr das rechtsextremistische Parteienspektrum jedoch im Gegenteil eine weitere organisatorische Zersplitterung. Die Aktivitäten der organisierten Neonazis in Bayern stagnierten. Gegen Versuche der sogenannten "Revisionisten", ihre durch Verbreitung der "Auschwitz-Lüge" gekennzeichnete Agitationskampagne mit Nachdruck auch in Bayern fortzusetzen, wurde konsequent eingeschritten. Anlaß zu erhöhter Aufmerksamkeit gibt die militante Subkultur der Skinheads, die - wie der mittlerweile verbesserte Erkenntnisstand ausweist - mehrheitlich über eine zumindest unterschwellig vorhandene, von rassistischer Ausländerfeindlichkeit und übersteigertem Nationalbewußtsein geprägte Gesinnung verfügt und insofern dem unorganisierten Neonazismus zuzuordnen ist. 3. Die Anzahl ausländischer Extremisten in Bayern ist gegenüber dem Vorjahr um 200 auf rund 5.000 gestiegen. Diese Entwicklung war vor allem auf den personellen Aufwärtstrend islamisch-extremistischer türkischer Organisationen zurückzuführen, deren Agitation nach wie vor aufmerksamer Beobachtung bedarf. Eine unverminderte Gefährdung der inneren Sicherheit stellen insbesondere die militante Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) einschließlich ihrer Nebenorganisationen, aber auch gewaltorientierte Gruppen der türkischen Neuen Linken dar. 4. Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch Terroristen und sonstige politisch motivierte Gewalttäter hielt weiter an. Die Rote Armee Fraktion (RAF) blieb auch 1991 die gefährlichste deutsche terroristische Vereinigung. Dies verdeutlichten vor allem der Mord an Dr. Detlef Karsten Rohwedder in Düsseldorf am 1. April und der Schußwaffenanschlag auf die US-Botschaft in Bonn am 13. Februar. Die Revolutionären Zellen (RZ) und ihre Nachahmer traten mit 19 Anschlägen wieder verstärkt in Erscheinung. Die meisten Anschläge waren jedoch rechtsextremistisch motivierten Tätern zuzuordnen. Sie richteten sich in einer bislang beispiellosen Welle von Gewalt gegen Asylbewerber und andere Auslän- der und haben dem internationalen Ansehen Deutschlands erheblichen Schaden zugefügt. Hinweise auf eine zentrale Steuerung dieser Straftaten haben sich bisher nicht ergeben. 5. Die Spionageaktivitäten der östlichen Geheimdienste wurden auch 1991 durch den Zerfall des kommunistischen Machtbereichs in Osteuropa und die damit verbundene Umgliederung dieser Dienste beeinflußt. Von besonderer Bedeutung waren dabei in der zweiten Jahreshälfte die Umwandlung der ehemaligen UdSSR in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und die damit verbundene Auflösung des sowjetischen Geheimdienstes KGB in seiner bisherigen Form. Das gesamte Ausmaß der insoweit eingetretenen Veränderungen und die weitere Entwicklung sind noch nicht abzusehen. Der Umbruch im Osten ließ aber zugleich auch neue Konfliktherde entstehen, insbesondere zwischen den Staaten der GUS, und führte auch zu militärischen Auseinandersetzungen im zerfallenden Jugoslawien. In dieser noch nicht abgeschlossenen Phase der Neuorientierung bedarf es der besonderen Aufmerksamkeit der Spionageabwehr, vor allem im Hinblick auf Wirtschaftsspionage und den nachrichtendienstlich gesteuerten Transfer militärisch nutzbarer Technologie. 6. Das Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz wirkt bei der Überprüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst in Erfüllung seines gesetzlichen Auftrages mit. Dieser Auftrag wurde in Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 des am 1. November 1990 in Kraft getretenen Bayer. Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) ausdrücklich festgeschrieben. Für das Verfahren gilt anstelle der bis zum 31.12.1991 geltenden Bekanntmachung der Bayer. Staatsregierung vom 27.03.1973 (Staatsanzeiger Nr. 16) seit 01.01.1992 die Bekanntmachung der Bayer. Staatsregierung vom 03.12.1991 (Staatsanzeiger Nr. 49). Sie sieht statt der bisherigen "Regelanfrage" bei der Verfassungschutzbehörde nur mehr die Anfrage aus gegebenem Anlaß vor; lediglich bei Bewerbern aus dem Beitrittsgebiet ist zur Feststellung von etwaigen MfS-Aktivitäten in jedem Fall beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR anzufragen. 16 1. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines Weitgehende Der Zusammenbruch des kommunistischen Machtbereichs und Orientierungsdie Demokratisierung ehemals kommunistischer Staaten in Mittellosigkeit unter den und Osteuropa, die teilweise mit einem Verbot der KPdSU in dieLinksextremisten sen Ländern verbunden war, führte bei den orthodoxen Kommunisten in Deutschland zu weitgehender Ratund Orientierungslosigkeit. Die Zahl der Organisationen und der Mitglieder ging erneut zurück. Auch die in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) umbenannte frühere Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) konnte diesen Trend nicht aufhalten. Als Trugschluß erwies sich aber auch die von Gruppierungen der Neuen Linken vielfach geäußerte Hoffnung, die ideologische Bankrotterklärung des Marxismus-Leninismus würde nur die sowjetische Variante betreffen. Die Krise der orthodoxen Kömmunfsten hat nunmehr auch dieses Spektrum voll erfaßt. Es kam zu Parteiaustritten, Spaltungen und Auflösungen. Die gefährlichste und mitgliederstärkste Organisation im Bereich der Neuen Linken, die Marxistische Gruppe (MG), die in der nachfolgenden Tabelle mit 4.200 Angehörigen enthalten ist, erklärte im Mai ihre Auflösung. Zahl und Stärke Zahl und Stärke der linksextremistischen und linksextremistisch der Gruppen beeinflußten Organisationen in Bayern 1989 1990 1991 Zahl der Organisationen 80 45 30 Mitgliedschaften Orthodoxe Linke 5.600 1.820 1.620 Mitgliedschaften Neue Linke 1.800 5.300 5.140* insgesamt 7.400 7.120 6.760* Die Gesamtzahl von 6.760 Mitgliedschaften für das Jahr 1991 läßt sich wie folgt weiter aufgliedern: Mitgliedschaften in orthodox-kommunistischen Kernund Nebenorganisationen 960 abzüglich Mehrfachmitgliedschaften in Kernund Nebenorganisationen 50 910 Mitgliedschaften in orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen 660 1.570 Mitgliedschaften in Kernund Nebenorganisationen der Neuen Linken 4.930* abzüglich Mehrfachmitgliedschaften in Organisationen der Neuen Linken 50 4.880 * Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen der Neuen Linken 210 5.090* Gesamtzahl (erkannte Mehrfachmitgliedschaften abgezogen) 6.660* * Darin enthalten jeweils 4.200 Angehörige der MG, die im Mai 1991 ihre Auflösung erklärte. In der vorstehenden Tabelle sind Mehrfachmitgliedschaften jeweils nur innerhalb des Bereichs der Kernund Nebenorganisationen berücksichtigt. Über weitere Mehrfachmitgliedschaften liegen keine zuverlässigen Zahlen vor. Ferner sind in den Mitgliederzahlen beeinflußter Organisationen auch Nichtextremisten enthalten; eine zahlenmäßige Aufgliederung ist nicht möglich. Die Versuche sowohl der orthodoxen Kommunisten als auch der AktionsNeuen Linken, bei der Propagierung ihrer Ziele Unterstützung bei schwerpunkte Demokraten zu finden, haben auch 1991, allerdings in abgeschwächter Form, angehalten. Agitationsthemen waren dabei der Golfkonflikt, die Ausländerfeindlichkeit und das Asylrecht. Ein Hauptthema war nach wie vor die "Antifaschismus"-Kampagne. 2. Orthodoxer Kommunismus 2.1 Überblick In der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Bayern Bekenntnis sind nach wie vor die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und zum Marxismusihre Nebenorganisationen sowie - mit Einschränkungen - die von Leninismus besteht diesen beeinflußten Organisationen Sammelbecken für die orthounverändert fort doxen Kommunisten. Die 1989/1990 festgestellten starken Auflösungserscheinungen des früher festgefügten Blocks setzten sich 18 auch 1991 fort. Die demokratischen Reformen in den früheren kommunistischen Ländern Osteuropas, die Wiedervereinigung Deutschlands, der gescheiterte Putschversuch orthodoxer Kommunisten in Moskau sowie das daran anschließende Verbot der KPdSU in mehreren Republiken der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) verstärkten diese Tendenz. Ihren vorläufigen Höhepunkt hat sie durch die Ende 1991 vollzogene formelle Auflösung der UdSSR und die Bildung einer nicht mehr kommunistisch dominierten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) erfahren. Das Mutterland des orthodoxen Weltkommunismus gehört damit in seiner staatlichen Existenz der Vergangenheit an. Hiervon unbeeindruckt bekannten sich die orthodoxen Kommunisten in ihrer Mehrheit auch weiterhin zum nicht reformierten Marxismus-Leninismus und damit, auch wenn sie es nicht offen aussprachen, zu Klassenkampf und Klassenherrschaft. Sie halten damit auch an ihren verfassungsfeindlichen Zielsetzungen fest: Das sind die "sozialistische" Revolution und die Diktatur des Proletariats, die vor allem gegen das Mehrheitsund Freiheitsprinzip sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Eine Sonderstellung im Bereich des orthodoxen Kommunismus nimmt die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) ein, die nach dem Zusammenbruch des SED-Unrechtsregimes in der ehemaligen DDR einen neuen Weg des demokratischen Sozialismus beschreiten will. Der PDS, die mit der früheren SED identisch ist, schlössen sich inzwischen auch Mitglieder der DKP und Angehörige der dogmatischen Neuen Linken an, die in der "PDS/Linke Liste" (PDS/LL) integriert wurden. Wegen verfassungsfeindlicher Zielsetzung wird die PDS/LL in Bayern seit Februar 1991 vom Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort DKP beansprucht Die DKP wurde am 26. September 1968 anstelle der im Jahre weiterhin 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen KommunistiFührungsrolle sehen Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Seit ihrer Gründung nimmt die Partei die Führung der orthodoxen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland für sich in Anspruch. Sie machte diesen Führungsanspruch auch 1991 geltend. Der Kommunismus/Sozialismus wird von ihr als nach wie vor erstrebenswertes Ziel propagiert. Den Zerfall des kommunistischen Machtbereichs bewertete die DKP nicht als eine Bankrotterklärung der marxistisch-leninistischen Ideologie, sondern lediglich als ein Versagen der Funktionäre. Der Sozialismus sei trotz des Zusammenbruchs des "realen Sozialismus" in der ehemaligen DDR eine Alternative zum Kapitalismus und eine große Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung. Die Vereinigung Deutschlands bedeute auch nicht das Ende des Klassenkampfes. Um das 19 kapitalistisch-imperialistische System überwinden zu können, sei weiterhin eine revolutionäre Partei der Arbeiterklasse erforderlich. Die DKP bejahte auf ihrem 1 1 . Parteitag vom 10. bis 12. Mai in DKP-Parteitag beBonn ihren Führungsanspruch und verabschiedete Leitlinien für kräftigte Festein neues Parteiprogramm. In Verkennung der jüngsten Entwickhalten am Sozialismus und Klassenlung in Deutschland und in Osteuropa heißt es darin: "Angesichts kampf der gegenwärtigen politischen Prozesse infolge des Anschlusses der DDR, des Zusammenbruchs der sozialistischen Länder und der drohenden imperialistischen Weltordnung wird ersichtlich, wie unverzichtbar für die arbeitenden Menschen in Deutschland eine kommunistische Partei ist". Der Parteitag habe den Willen zum Erhalt und zur Reorganisation der DKP bekräftigt. Die Partei sei konsequent antikapitalistisch, kämpfe für den Sozialismus, sehe im Klassenkampf die zentrale Triebkraft der Geschichte und in der Arbeiterklasse die entscheidende soziale Kraft. Sie gründe sich auf die Lehren von Marx, Lenin und Engels. Zur Wiederherstellung der Aktionsfähigkeit beschloß der 11. ParWiederherstellung teitag für 1991/1992 "Vorschläge für eine politische Handlungsorider Aktionsfähigkeit entierung". Darin nimmt sich die DKP u. a. vor, Widerstand g e g e n die "total profitorientierte Strategie des Monopolkapitalismus und seiner Regierung" zu entwickeln. Zu diesem Zweck will sie u. a. gewerkschaftliche und soziale Widerstandsaktionen unterstützen. Als Schwerpunkte der aktuellen politischen Auseinandersetzungen werden u. a. "Frieden und Abrüstung", der "Sozialabbau in den alten Bundesländern", Umweltpolitik, demokratische Rechte und Mitbestimmung, Frauenrechte, Antifaschismus und Antirassismus sowie Solidarität mit den Völkern in der Dritten Welt genannt. Der Parteitag hat gezeigt, daß die DKP an ihrem verfassungsFesthalten der DKP feindlichen Ziel festhält, auf d e m Wege der revolutionären U m g e - an verfassungsstaltung ein "sozialistisches System" zu errichten. Auch aus feihdlichen Zielen Beschlüssen und Wahlergebnissen war zu entnehmen, daß sich in der DKP die Vertreter einer orthodoxen Linie durchgesetzt haben. Es bestehen aber gleichwohl Strömungen, deren Ziel es ist, die DKP in eine andere Partei zu integrieren. Dies zeigte sich z. B. auf der 3. Tagung d e s DKP-Parteivorstandes am 2.13. November in Essen, wo es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen "Hardlinern" und Vertretern einer "integrativen" Linie kam. Dabei w u r d e letzteren vorgeworfen, sie würden eine "schleichende Liqudierung" der Partei betreiben. 2.2.2 Organisation Auf d e m Gebiet der westlichen Bundesländer unterhält die DKP Gliederung der nach wie vor zwölf Bezirksorganisationen. Diese sind in Kreisund DKP unverändert Grundorganisationen unterteilt. Die Grundorganisationen umfassen Orts-, Wohngebietsund Betriebsgruppen. Obwohl der 1 1 . Parteitag keinen ausdrücklichen Beschluß über die Ausdehnung der DKP auf die fünf neuen Länder faßte, sollen dennoch in BerlinBrandenburg, Cottbus, Rostock und Leipzig DKP-Stützpunkte bestehen. Die Zahl der Mitglieder ging wiederum bundesweit stark 20 zurück. Ende 1991 gehörten der DKP nur noch rund 8.000 (1990: 11.000) Mitglieder an. Damit hat die DKP innerhalb von fünf Jahren rund 80 % ihrer Mitglieder verloren. Nach Auffassung ihres Sprecherrats ist sie gleichwohl "immer noch der größte Zusammenschluß von Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland". Wiederwahl des Die bisherigen Sprecher der DKP, Heinz Stehr, Rolf Priemer, Anne Sprecherrates Frohnweiler und Helga Rosenberg wurden auf dem 11. Parteitag in ihren Ämtern bestätigt. Die Zahl der Mitglieder des Parteivorstandes wurde von bisher 50 auf 34 verringert. Bayern ist im neuen Parteivorstand nur noch mit fünf Personen vertreten. Um die Führungsarbeit stärker zu organisieren und auch auf mehrere Personen zu verteilen, wählte der Parteivorstand auf seiner 2. Tagung am 7./8. September in Leverkusen ein Sekretariat, dem sechs Personen angehören, darunter die Mitglieder des Sprecherrates, der Chefredakteur des DKP-Zentralorgans "Unsere Zeit" (UZ) und ein DKP-Funktionär aus Bayern. Angespannte Nach dem Zusammenbruch des "realen Sozialismus" in der eheFinanzlage maligen DDR und dem Ende der materiellen Zuwendungen durch deren frühere Machthaber war die DKP finanziell stark angeschlagen. Durch Rücklagen, Mitgliedsbeiträge und Spenden sowie durch weitere erhebliche Einsparungen im Parteiapparat konnte sie sich jedoch bisher vor dem finanziellen Ruin retten. Ein Mitglied des Sprecherrates erklärte hierzu, "seit die Millionenzuschüsse aus der ehemaligen DDR entfallen, ist unsere Finanzlage ,mau', die Talsohle aber durchschritten". Die Mehrheit der Partei wolle nie wieder in finanzielle Abhängigkeit geraten. Man werde sicher nicht in den Fehler verfallen, nun aus Peking zu hören, was angesagt sei. UntersuchungsDie vom 10. DKP-Parteitag am 24725. März 1990 in Dortmund kommission stellt eingesetzte Untersuchungskommission stellte für die Zeit bis Ende finanzielle Ab1989 eine völlige finanzielle Abhängigkeit der DKP von der ehemahängigkeit fest ligen SED fest. Der von der Kommission dem 11. Parteitag vorgelegte Untersuchungsbericht enthielt keine Angaben zum Umfang der materiellen Unterstützung. Er gab lediglich von einigen Funktionären genannte Zahlen wieder und verwies ansonsten auf die Angaben der Verfassungsschutzbehörden. Zu den offiziellen Rechenschaftsberichten der Partei erklärte die Kommission, diese hätten, wie bei allen anderen Parteien, der Wahrheit entsprochen und seien zugleich nicht die ganze Wahrheit gewesen. Nach den Feststellungen der Kommission hat die SED großen Einfluß auf die DKP ausgeübt; eines finanziellen Druckes habe es dazu nicht bedurft. Beide Parteien hätten immer "besondere Beziehungen" unterhalten, ein Verhältnis, das sie für ihre beiden Staaten stets abgelehnt hätten. In der DKP habe die Auffassung geherrscht, SED und DKP seien letztlich eine vorübergehend getrennte Partei, und die SED sei darin die führende Kraft. Die DDR sei westdeutschen Kommunisten als Heimstatt erschienen. In ihrem Rechenschaftsbericht nach dem Parteiengesetz wies die DKP für 1990 Einnahmen in Höhe von 4,9 Mio DM (1989: 19,4 21 Mio DM) aus, davon 2,2 Mio DM an Mitgliedsbeiträgen und 1,6 Mio DM an Spenden. 1990 sind für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern 165.646 DM (1989: 862.852 DM), für die DKPBezirksorganisation Südbayern 212.603 DM (1989: 957.874 DM) an Gesamteinnahmen . ausgewiesen (Bundestagsdrucksache 12/2165 vom 26.02.1992). Die bundesweite Krise(der DKP wirkte sich lähmend auch auf die Auswirkungen der Untergliederungen in Bayern aus. Die Zahl der Mitglieder ging im Krise auf die UnterVergleich zum Vorjahr von 1.000 auf 800 Ende 1991 zurück. Die gliederungen in dadurch bedingte Zusammenlegung von Kreisund GrundorganiBayern sationen ist noch nicht abgeschlossen. Im Berichtszeitraum existierten in Bayern noch 18 Kreisverbände, die sich fast gleichmäßig auf die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern verteilten. Bei der Bezirksorganisation Nordbayern wurden 1991 die Sprecherräte neu gewählt. Wesentliche Änderungen in der personellen Zusammensetzung ergaben sich hierbei nicht. Bei der Bezirksorganisation Südbayern führte der 1990 gewählte Sprecherrat die Geschäfte weiter. Nach wie vor gehört die Mehrzahl der Sprecherratsmitglieder der traditionalistischen Linie der DKP an. Die zukünftige Entwicklung der DKP in Bayern wird von den eigenen Anhängern äußerst skeptisch beurteilt. So erklärte ein Mitglied des Sprecherrates von Nordbayern, die Verunsicherung gehe weiter. Im Parteivorstand herrschten mit geringen Veränderungen die alten Verhältnisse. Endlose Diskussionen und Machtkämpfe fänden statt. Es gebe keine Orientierung auf die Ausarbeitung eines klassenpolitischen Aktionsprogrammes und auf die praktische Unterstützung der Kreise und Gruppen. Die Zukunft der DKP stehe mehr denn je auf sehr wackligen Beinen. 2.2.3 Bündnisund Aktionseinheitspolitik, Betriebsarbeit Die DKP räumt der Bündnispolitik nach wie vor einen hohen StelDie bündnispolilenwert ein. Da die Partei 1991 ihre Anstrengungen jedoch vorrantische Bedeutung gig auf die Stabilisierung des Mitgliederbestandes und auf die der DKP ging Konsolidierung der Finanzen richten mußte, gingen die bündnispoerneut zurück litischen Aktivitäten stark zurück. Darüber hinaus führten die Enthüllungen über die Finanzierung der DKP durch die ehemalige SED dazu, daß sich frühere Bündnispartner distanzierter verhielten. Hinzu kam, daß ein Mitglied des Sprecherrates die Forderung erhob, die DKP müsse sich wieder auf ihre eigene Kraft besinnen und aufhören, ihr Heil in Bündnissen zu suchen. All diese Vorgänge trugen dazu bei, daß bündnispolitische Erfolge der DKP erheblich abnahmen. Dennoch bemühten sich insbesondere örtliche Grundorganisationen der DKP weiterhin um das Zustandekommen von Aktionsbündnissen. Sie verzichteten hierbei sogar auf die von der DKP früher verfolgte strikte Trennung zwischen Bündnispartnern aus dem orthodox-kommunistischen Spektrum und aus dem Bereich der Neuen Linken. Dies zeigte sich vielfach bei den örtlichen Aktionsbündnissen gegen den Golfkrieg. Auch der DKP-Par- 22 teivorstand hatte hierzu seine Mitglieder und Sympathisanten aufgefordert, Bündnisaktionen zu initiieren oder zu unterstützen. In Bayern fanden aus Anlaß des Golfkrieges über 1.200 Protestaktionen statt. In etwa 25 Fällen traten dabei linksextremistische bzw. linksextremistisch beeinflußte Organisationen sowie autonome und antiimperialistische Gruppen als Veranstalter und Anmelder auf. In München und Nürnberg bestanden Aktionsbündnisse, in denen die DKP neben anderen linksextremistischen Gruppierungen federführend mitarbeitete. Auch die Parteikonferenz der DKP am 23. Februar in Dortmund, an der Vertreter der "Kommunistischen Plattform" in der PDS, des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD (AB) und der 1990 in der ehemaligen DDR gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD/DDR) teilnahmen, befaßte sich mit dem Golfkrieg. Weitere Gelegenheiten für bündnispolitische Aktivitäten ergaben sich für die DKP bei den "Ostermärschen" und den Themen "Ausländerfeindlichkeit", "Rassenhaß" und "Asylrecht". Betriebsund Auch die Betriebsund Gewerkschaftsarbeit der DKP gestaltet Gewerkschaftssich immer schwieriger. Sie ist, obwohl ehemals wichtiger Kernbearbeit reich der kommunistischen Agitation, fast völlig zum Erliegen gekommen. In Bayern bestanden Ende 1991 nur noch zwei (1990: zehn) Betriebsgruppen. Von den Betriebszeitungen wurde lediglich eine einzige (1990: sieben) bekannt. Mitglieder des Sprecherrates riefen deshalb wiederholt dazu auf, die Aktionseinheit neu zu beleben, die Betriebsgruppen zu stabilisieren und wieder vermehrt Betriebszeitungen herauszugeben. Entsprechende Erfolge blieben in Bayern aus. 2.2.4 Sonstige Aktivitäten Trotz der begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten versuchte die DKP, am politischen Tagesgeschehen teilzunehmen. Erwähnenswert sind hierbei die nachfolgend aufgeführten Aktivitäten, die den verfassungsfeindlichen Charakter der Partei deutlich erkennen lassen. Keine klare Im Zusammenhang mit dem gescheiterten Staatsstreich in der Aussage über den Sowjetunion zeigte der Sprecherrat der DKP Verständnis für den Putschversuch in Putsch und versuchte, den Putschisten den Anschein der Legader Sowjetunion lität und Legitimität zu geben. Mit dem Putschversuch befaßte sich auch die 2. Tagung des DKP-Parteivorstandes am 7./8. September in Leverkusen. Hierbei verwiesen einige Redner auf die von der DKP-Führung abgegebenen Erklärungen, in denen Verständnis für das Vorgehen der Putschisten bekundet wurde. Andere Redner vermieden dagegen eine klare Aussage. Meinungsäußerungen in Publikationen und auf Versammlungen der DKP war jedoch zu entnehmen, daß offensichtlich die große Mehrheit der DKP-Mitglieder den Staatsstreich positiv bewertete und dessen Scheitern bedauerte. Einige Parteimitglieder kritisierten jedoch die 23 "Putschisten". Als besonders ärgerlich empfanden sie die in der UZ vom 20. September veröffentlichten Ausführungen der DKPSprecherin Helga Rosenberg auf der 2. Parteivorstandstagung. Diese hatte "im Zorn der Stunde" den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow sowie "Glasnost" und "Perestrojka" heftig diffamiert. Die Kontroverse innerhalb der DKP setzte sich dann, weiter fort, wobei sich die Kritik vor allem gegen Helga Rosenberg sowie gegen ein weiteres Mitglied des Parteivorstandes richtete. Dabei wurden Befürchtungen laut, mit den beiden Funktionären könnte sich in der Partei die alte orthodoxe Linie wieder durchsetzen. Ein Mitglied des Parteivorstandes stellte hierzu fest, die "HardlinerFraktion" gewinne an Boden. Zur Diskussion über das Ausländerund Asylproblem erklärte die DKP diskutiert DKP-Sprecherin Helga Rosenberg, die von bürgerlich-liberalen Ausländerund Politikern in der Bundesrepublik Deutschland angeregte Debatte Asylproblem über "mehr Menschlichkeit" in der Ausländerfrage sei infam, denn die Folgen der Einwanderungswelle der vergangenen Jahre hätten die Bevölkerung und hier vor allem die ärmsten Teile zu tragen gehabt. Die deutsche Wirtschaft verfüge mit den ausländischen Arbeitnehmern über ein gut ausgebildetes Reservoir an billigen Fachkräften, wälze aber die finanziellen Folgen des Zuzugs auf die arbeitende Bevölkerung ab. Die dicht besiedelte Bundesrepublik Deutschland zum Einwanderungsland zu erklären, wie dies viele "Linke" und Demokraten unterstützten, sei keine Lösung. Als Auftakt der Aufklärungskampagne gegen den WeltwirtschaftsKampagne gipfel veranstaltete die DKP am 28. September in München unter gegen den Weltwirtdem Motto "Für Völkerfreundschaft - gegen deutsche Großmachtschaftsgipfel politik" ein Straßenfest, an dem etwa 300 Personen teilnahmen. Als Mitveranstalter traten u. a. der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB), die Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) und die "PDS/Unke Liste" auf. Berichten der DKP zufolge gab es für die Besucher ein "reichhaltiges linkes Informationsangebot" in Form von Ausstellungen, Wandzeitungen und Redebeiträgen zur Situation in Cuba und zum Asylrecht. Zum Thema "Kommunistische Politik in Deutschland" veranstalteIdeologiekongreß ten die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern und die Ideologiein Regensburg kommission beim Parteivorstand der DKP am 9./10. November in Regensburg einen Kongreß, an dem etwa 90 Personen teilnahmen. Die Teilnehmer befaßten sich in drei Arbeitsgruppen mit Themen wie "Ist mit dem .realen Sozialismus' auch der Lenin'sche Parteityp gescheitert?", "Zum Charakter der Epoche: Ende der Systemauseinandersetzung" und "Klasse, Klassenkampf, Klassenorientierung - zur Arbeiterpolitik der Kommunisten". In seinem Einleitungsreferat wies ein DKP-Funktionär auf die Zerstrittenheit im Parteivorstand der DKP sowie auf den desolaten Zustand der Gesamtpartei hin. DKP-Hochschulgruppen (DKP-HG) sind 1991 in Bayern nicht mehr in Erscheinung getreten. 24 2.2.5 Publikationen, Verlage und Schulungen Weiteres ErscheiDie wichtigste Publikation der DKP, das Zentralorgan "Unsere nen der UZ nicht Zeit" (UZ), erscheint aus finanziellen Gründen nur noch alle 14 gesichert Tage. Die Auflagen und Abonnentenzahlen gingen 1991 nochmals drastisch zurück. Um die Herausgabe der UZ zu sichern, rief die DKP wiederholt zu Spenden auf. Der DKP-Parteivorstand empfahl den Gruppen-, Kreisund Bezirkskassen im September, mindestens 25 % ihres Barbestandes als Spenden für das Zentralorgan abzuführen. Bis Ende 1991 sollen insgesamt 82.210 DM an Spenden eingegangen sein. Die Auflage der UZ betrug zum JahresenGespräche und Gedanken zum Interview zur Lage Alltagsberichte Internationalen Frauentag der KP El Saivadors aus der Ex-DDR Seite 3 Seite 5 Seite 6 und 12 [* M unsere zeit i i s t i s c h e W o c h e n z e l t u n ao I.HB]T,mMirlliBI de 1991 noch rund 8.000 (1990: 20.000) Exemplare. Die Publikation wird wie bisher vom DKP-Parteivorstand herausgegeben. Verlag und Redaktion sind im Gebäude des DKP-Parteivorstandes in Essen untergebracht; gedruckt wird die UZ bei der Firma COPE, der Druckerei der Kommunistischen Partei Luxemburgs. Der verantwortliche Redakteur ist gleichzeitig hauptamtlicher Geschäftsführer des DKP-Parteivorstandes. Als theoretisches Organ der DKP erscheinen alle zwei Monate die "Marxistischen Blätter". Die Auflage zum Jahresende 1991 betrug rund 4.000 Exemplare. Von den in früheren Jahren verbreiteten zahlreichen Kreis-, Orts-, Stadtteilund Wohngebietszeitungen wurden 1991 nur noch wenige Ausgaben bekannt. Um das dadurch entstandene Informationsdefizit abzudecken, gaben die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern unter dem Titel "DKP-INFO" bzw. "Rote Rauchzeichen" eigene Publikationen heraus. Der DKP-Kreisverband München verbreitete für seine Mitglieder einen "Rundbrief". Rundbrief Ein Jahr Mitglieder Rundbrief der DKP München Herausgeber Kreisvorstand München Jubiläumsausgabe Nr. 12 / Juni 1991 DKP-Schulung Die früher intensiv und aufwendig betriebenen Schulungen von faktisch eingestellt DKP-Mitgliedern fanden 1991 nicht mehr statt. Bildungsmaterialien erschienen aus finanziellen Gründen nicht mehr. 2.3 Nebenorganisationen der DKP In ihrer politischen Arbeit wurde die DKP von ihren Nebenorganisationen unterstützt, soweit diese dazu noch in der Lage waren. Dies gilt insbesondere für die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), die den Erosionsprozeß gegen Jahresende stoppen konnte. Die Jungen Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP) traten dagegen mit eigenen Aktivitäten nicht mehr in Erscheinung. Die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) wurde 1968 Zerfallserscheiin Essen als Jugendverband gegründet, der sich weltanschaulich nungen bei der zu den Ideen von Marx, Engels und Lenins bekennt und zusamSDAJ men mit der DKP für eine sozialistische Entwicklung in Deutschland kämpft. Der Zusammenbruch des kommunistischen Machtbereichs führte die SDAJ in eine schwere finanzielle und organisatorische Krise. Die Jugendorganisation war zu nennenswerten Aktionen nicht mehr fähig. Diese Phase der Stagnation und der Einbrüche im Verband konnte die SDAJ jedoch zum Jahresende 1991 stoppen. Anzeichen dafür waren u. a. die Stabilisierung der Mitgliederzahlen sowie die Gründung neuer Gruppen. Nach Auffassung der SDAJ müsse diese Entwicklung durch verstärktes politisches Engagement und Weiterentwicklung des ideologischen Selbstverständnisses fortgesetzt werden. Eine Chance sehe sie insbesondere in der Herausbildung einer "gesamtdeutsch" wirkenden sozialistischen Jugendorganisation, die um die Vertretung der politischen, sozialen und demokratischen Rechte der Jugendlichen sowie um die Schaffung eines sozialistischen Klassenbewußtseins kämpfe. Auf ihrem 11. Bundeskongreß am 14./15. Dezember in Essen ver11. Bundeskongreß abschiedeten die Delegierten ein "Positionspapier", in dem die verabschiedet SDAJ ihren Anspruch als revolutionäre, sozialistische Organisation "Positionspapier" der Arbeiterjugend erneut bekräftigte. Danach könne eine sozialistische Bundesrepublik Deutschland nicht allein durch Reformen erkämpft werden, sondern erfordere einen grundsätzlichen Bruch mit den kapitalistischen Machtund Eigentumsverhältnissen. Reformkonzeptionen müßten deshalb immer in eine revolutionäre Gesamtstrategie eingebettet sein, und zwar auf der Basis einer einheitlichen wissenschaftlichen Weltanschauung, den Erkenntnissen von Marx, Engels und Lenin sowie anderer marxistischer Theoretiker. Der Kongreß beschloß ferner eine "Handlungsorientierung" für die Mitglieder mit Schwerpunkten wie "Kampf für Frieden und Abrüstung gegen imperialistische Aggression und deutschen Führungsanspruch" sowie "Gemeinsam gegen Rechts, Faschismus und Rassismus - für internationale Solidarität". Er wählte einen neuen Bundesvorstand, dem 25 Personen angehören, darunter vier aus Bayern. Auf seiner konstituierenden Sitzung bestellte der Bundesvorstand aus seiner Mitte sechs Funktionäre für die Geschäftsführung. Ein Bundesvorsitzender wurde nicht gewählt, da niemand zur Kandidatur bereit war. 26 Stabilisierung Nach Angaben des Bundesvorstandes hatte die SDAJ Ende 1991 des Mitgliederbundesweit mehr als 300 (1990: 250) Mitglieder. In allen alten Länbestandes dern - ausgenommen Rheinland-Pfalz - soll es wieder Gliederungen der SDAJ geben; auch in Berlin, Leipzig und Schwerin sollen Gruppen gegründet worden sein. Anders verlief die Entwicklung in Bayern: Die Mitgliederzahl ging erneut zurück. Ende 1991 gehörten der SDAJ auf Landesebene nur noch 60 (1990: 80) Mitglieder an. Aktionen fanden nur in begrenztem Umfang statt. Die von den SDAJ-Landesverbänden Südbayern und Franken/Oberpfalz herausgegebenen Publikationen "Bayernprawda" und "Der rote Faden" erschienen nur sporadisch. Das bundesweite Organ "Position" erscheint alle zwei Monate in einer Auflage von 600 Exemplaren. Die SDAJ in Bayern ist in keinem Jugendring auf Stadt-, Kreisoder Landesebene vertreten. Pfingstcamp An dem bundesweiten Pfingstcamp der SDAJ vom 18. bis 20. Mai in Ergste-Tiefendorf (bei Schwerte/ Ruhr) nahmen rund 350 Personen teil, darunter Funktionäre der DKP und der VVN-BdA, Mitglieder des AB und der Freien Deutschen Jugend (fdj). Die Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland (KOMKAR) hatte Vertreter entsandt. Die Teilnehmer diskutierten in sog. Foren über "Imperialismus", "Antifaschismus" und "Jugendpolitische Perspektiven". Die Ergebnisse dieser Foren wertete die SDAJ als großen Erfolg, der zur Konsolidierung der Jugendorganisationen beitrage. Organ der SDAJ 11 .ORDENTLICHER BUNDESKONGRESS DER SDAJ 27 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen Im Rahmen ihrer Bündnispolitik stützen sich die orthodoxen KomKriterien munisten seit jeher auf Organisationen, bei denen der kommunistikommunistischer sche Einfluß nach außen hin nicht sofort erkennbar ist. Der Einfluß Beeinflussung der DKP auf solche "beeinflußten Organisationen" zeigt sich hauptsächlich darin, daß sie in ihren Führungsgremien wichtige Positionen mit Kommunisten besetzen. Diese Organisationen vertreten vielfach auch Ziele, die - isoliert betrachtet - nicht als verfassungsfeindlich erscheinen, insgesamt jedoch der kommunistischen Zielsetzung dienen. Die wichtigsten noch aktiven DKPbeeinflußten Organisationen waren 1991 die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland (VVN-BdA) und die Deutsche FriedensUnion (DFU). Beide Organisationen hatten nach dem Wegfall der finanziellen Zuwendungen durch die DKP Mühe, ihre Existenz zu sichern. An ihre früheren bündnispolitischen Erfolge konnte die DKP schon aus diesem Grunde nicht mehr anknüpfen. Die orthodox-kommunistisch beeinflußte Vereinigung der VerfolgDie VVN-BdA ten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten in der Bunhat sich wieder desrepublik Deutschland (VVN-BdA) war nach dem Ausfall der gefestigt konspirativen Finanzierung durch die DKP in eine schwere Krise geraten. Nach dem Rücktritt des Präsidiums und des Sekretariats am 13. Januar 1990 konnte sich die VVN-BdA jedoch sowohl auf Bundesals auch auf Landesebene wieder konsolidieren. Sie ist nach wie vor die mitgliederstärkste und wichtigste Bündnisorganisation, in der orthodoxe Kommunisten weiterhin eine führende Rolle spielen. Den Leitungsgremien der VVN-BdA gehören zahlreiche Kommunisten an. So sind mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundesausschusses linksextremistischen Organisationen Publikation Entschädigung für Zwangsarbeit Seite 12 der VVN-BdA Herausgegeben vom Sundesausschuß der VVN / Bund der Antifaschisten zuzurechnen. Zwei der fünf Bundessprecher und der Schriftführer sind Mitglieder der DKP. Das Büro der Bundesgeschäftsstelle wurde 1991 von Frankfurt a. M. nach München verlegt. Mit der Sitz der neuen Leitung des Büros wurde die frühere Landessekretärin der VVNBundesgeschäftsBdA Bayerns, eine ehemalige DKP-Funktionärin, beauftragt. Ab stelle in München 1. April wurde sie zur Bundesgeschäftsführerin bestellt. Nach einer Selbstdarstellung hatte die Vereinigung Anfang 1991 bundesweit noch 10.800 Mitglieder. Der Mitgliederstand in Bayern wurde mit 1.350 Personen angegeben. Tatsächlich dürften der VVN-BdA in Bayern jedoch nur 500 Mitglieder angehören. Die Leitungsgremien sind auch hier von Kommunisten durchsetzt. So 28 Leitungsgremien gehören dem fünfköpfigen "Sprecherratskreis", der den Landessind von Kommuverband Bayern vertritt, eine DKP-Angehörige und ein DKP-Funknisten besetzt tionär an. Der Kassier sowie der neue Landesgeschäftsführer sind ebenfalls der DKP zuzurechnen. Trotz der bundesweiten vereinsinternen Krise beteiligte sich die VVN-BdA wiederholt an "antifaschistischen" Aktionen. Sie wirkte zusammen mit der DKP und anderen linksextremistischen Organisationen in Aktionsbündnissen mit, die sich gegen rechtsextremistische Gruppierungen und deren Aktivitäten richteten. Bundesweite Die Deutsche Friedens-Union (DFU), die 1960 auf Betreiben von Auflösung der DFU Kommunisten als "Volksfrontpartei" gegründet wurde, gab 1984 ihren Parteistatus auf und versteht sich seitdem als "politische Vereinigung". Bis zum Zusammenbruch des SED-Unrechtsregimes wirkte die DFU als zentrale Bündnisorganisation der orthodoxen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland. Sie initiierte und organisierte vorwiegend "friedenspolitische" Aktionen. Das plötzliche Ausbleiben der finanziellen Zuwendungen aus der ehemaligen DDR, die 1989 über 3 Millionen DM betragen hatten, führte zum fast völligen Zusammenbruch der DFU. Auf dem 13. UnionsPublikation der DFU IDEUTSCHE FRIEDENS-UNION G O L F K R I E G Meinungen, Diskussionsanregungen @M?$degW9 "*1/31 tag der DFU am 9. Juni 1990 in Wiesbaden wurde deshalb die Auflösung des Bundesverbands beschlossen. Den Mitgliedern wurde jedoch empfohlen, auf regionaler Ebene weiterzuarbeiten. In der Folgezeit entstanden in mehreren alten Bundesländern wieder eigene Landesverbände, so auch in Bayern. Die Mitgliederzahl liegt hier unter 100 Personen. Die Mitarbeit im Bündnissystem der DKP ging weiter zurück. 3. Neue Linke 3 1 Überblick Die Gruppen der dogmatischen Neuen Linken streben als Ziel eine kommunistische Gesellschaft an und stimmen damit in der verfassungsfeindlichen Zielsetzung mit den orthodoxen Kommunisten überein. Den Kommunismus ehemaliger sowjetischer Prä- gung lehnen sie jedoch als "revisionistisch", "bürokratisch" und "sozialimperialistisch" ab. Die wiedergewonnene Einheit Deutschlands und der Niedergang des "real existierenden Sozialismus" brachten auch für die dogmatische Neue Linke tiefgreifende Ver- * änderungen und Schlußfolgerungen. In Diskussionen wurde die Weiterführung sozialistischer Vorstellungen, aber auch die Frage des "Kürzertretens" problematisiert: Heute könne man die Massen nicht für den Marxismus-Leninismus gewinnen; die Revisionisten, die in allen Ländern des Ostens den Sozialismus verraten und sein Ansehen zerstört hätten, hätten auch die Munition für den modernen Antikommunismus geliefert. Das Erscheinungsbild der verbliebenen dogmatischen Neuen Linken war auch 1991 geprägt vom Mangel an öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten, von Auflösungen, Mitgliederschwund, Überalterung, Flügelkämpfen, Abspaltungen, finanziellen Schwierigkeiten und Auflageverlusten bei Publikationen. Die schon 1990 von der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) getroffene Feststellung, daß die Linke in der BRD in die schwerste Krise der letzten Jahrzehnte geraten sei, trifft nach wie vor zu. Der Kommunistische Bund (KB) löste sich nach tiefgreifenden ideologischen und persönlichen Spannungen und der Spaltung in zwei nahezu gleich große Lager ("Mehrheit" und "Minderheit") auf. Im Juli formierte sich die frühere "KB-Minderheit" als "Gruppe K" neu, während Angehörige der ehemaligen "KB-Mehrheit" weiterhin in führenden Positionen der "PDS/Linke Liste" in den alten Ländern tätig sind. Unbeeindruckt hiervon blieb die Nürnberger Gruppe des KB; hier konnten keine Veränderungen festgestellt werden. Die Zeitschrift "Arbeiterkampf" (ak) des KB erscheint mit geringerer Auflage weiter und hat nach wie vor eine herausragende Bedeutung für das linksextremistische Spektrum. Themenschwerpunkt war in der ersten Jahreshälfte der Golfkrieg, wobei die Gruppen der dogmatischen Neuen Linken vor allem das von der UNO gebilligte Eingreifen der alliierten Streitkräfte zugunsten Kuwaits als imperialistischen Angriff unter Führung der USA anprangerten. Daneben agitierten sie gegen die Maßnahmen der Bundesregierung zum Aufbau in den neuen Ländern und hauptsächlich in der zweiten Jahreshälfte gegen die Anstrengungen zur Reform des Asylverfahrens und die in .diesem Zusammenhang diskutierte Änderung des Grundgesetzes. Die undogmatischen Gruppen der Neuen Linken kämpfen weiterhin für eine "gewaltfreie" herrschaftslose Gesellschaft. Dabei verfolgen sie trotz unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung alle als Endziel die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsform und damit auch der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Damit gehen sie konform mit allen anderen Erscheinungsformen des Linksextremismus. Das Potential der Autonomen fällt dadurch auf, daß sie zur Erreichung dieses Ziels auch den Einsatz von illegalen und militanten Mitteln gegen Personen und Sachen befürworten und praktizieren. Sie verstoßen damit 30 in besonders deutlicher Weise gegen das Prinzip der Gewaltlosigkeit bei der Austragung politischer Gegensätze, das als wesentlicher Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ebenfalls Verfassungsrang genießt. Das Hauptbetätigungsfeld dieser Gruppen war der z. T. gewalttätige Protest gegen "Faschismus", "Kapitalismus" und "Ausländerfeindlichkeit". Daneben wurden bereits erste Grundlagen für die "Kampagne 92" geschaffen, in der die Themen "500 Jahre Kolonialismus", "EG-Binnenmarkt", "Umweltkonferenz in Brasilien" und der "Weltwirtschaftsgipfel in München" (MWG) zu Schwerpunkten bestimmt worden sind. 3.2 Dogmatische Neue Linke 3 2 1 Marxistische Gruppe (MG) Die MG, nach dem Niedergang des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) 1969/1970 aus dessen Nachfolgegruppierung "Rote Zellen" hervorgegangene mitgliederstärkste Gruppierung der dogmatischen Neuen Linken, hat ihre Auflösung Auflösung der MG erklärt. Mit zuletzt mehr als 5.000 Anhängern war die MG in Bay-, ern die stärkste und bedeutendste Gruppierung des gesamten extremistischen Spektrums. In der Woche vom 13. bis 17. Mai teilte die MG-Führung auf kurzfristig einberufenen außerordentlichen Sympathisanten-, Kandidatenund Mitgliederterminen in München, Nürnberg und Regensburg ihren Angehörigen die bundesweite Auflösung der Organisation mit. Sämtliche öffentlichen und internen Veranstaltungen wurden abgesagt, die Herstellung von Publikationen eingestellt sowie alle MG-Läden und Schulungsstätten gekündigt und geschlossen. Der Auflösungsbeschluß, der am 21. Mai der Presse bekanntgegeben wurde, zeigt jedoch, daß die MG nicht von ihren extremistischen Zielen Abstand nahm, sondern daß für die Auflösung der "Staatliche Angriffe" Organisation andere Gründe maßgebend waren. Es heißt dort als Grund für die unter anderem: "Die Angriffe des Staates und seiner SicherheitsAuflösung behörden auf unsere Organisation und auf die berufliche Existenz der Befürworter unserer Sache nötigen uns dazu, die Marxistische Festhalten an den Gruppe aufzulösen". Die Presseerklärung unterstreicht zugleich verfassungsfeindauch die verfassungsfeindlichen Ziele der MG: "Nein, wir nehmen lichen Zielen nichts zurück von der kommunistischen Kritik, die wir verbreitet und immer vertreten haben. Wir geben nicht auf: weil wir wegen mangelnder Nachfrage nach kommunistischer Kritik an unseren Ansichten Zweifel bekommen hätten. Wir geben auch nicht auf, weil die Welt den Kommunismus für tot erklärt. Wir lösen uns auf, weil uns der freiheitliche demokratische Rechtsstaat mit seinem Verfolgungswahn keine Wahl läßt. Und der staatlichen Fahndung Märtyrer anzubieten, ist uns zu blöd". 3 2 2 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Mehrere örtlich tätige maoistisch orientierte Arbeiterbasis-Gruppen schlössen sich 1973 zum AB zusammen. Dieser beruft sich in seinen programmatischen Aussagen auf den Marxismus-Leninismus 31 Plakat des AB Nicht West geg*- n Ost Arbeit e gegen cfen Rest der * gegen i iEPSsyiPSPi und Mao Zedongs Ideen. Sein Ziel ist die Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse" und die "Errichtung einer Diktatur des Proletariats", um den Kommunismus in einer "klassenlosen Gesellschaft" zu verwirklichen. Der AB bekennt offen, daß dies nur mit Gewalt zu erreichen sei, da die "herrschende Klasse" nicht freiwillig auf ihre Macht verzichte. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung dieser Gruppierung ist deshalb evident. Der AB ist vorwiegend in Bayern tätig. Es bestehen Gruppen in Schwerpunkt des Augsburg, München, Nürnberg und Regensburg. "FreundeskreiAB liegt in Bayern se" in München, Nürnberg und Regensburg sollen den AB finanziell unterstützen. Die Gesamtmitgliederzahl liegt bei etwa 200 Personen. In Bayern hat der AB rund 100 Mitglieder. Die Leitung erfolgt durch das Zentralkomitee mit Sitz in München. Der 1989 entbrannte Streit über die Art der Agitation, der zur Bildung zweier Flügel führte, ist noch nicht beigelegt. Der Flügel, der die Agitation mit Hilfe des AB-Zentralorgans "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ) befürwortet, veröffentlichte monatlich eine Ausgabe dieses Blattes. Der andere bereitet eine weitere Inszenierung des Brecht-Gedichts "Anachronistischer Zug" als Agit-PropVeranstaltung vor. 32 Zentralorgan des AB 223; KÄZ KOMMUNISTISCHE ARBEITERZEITUNG PROLETARIER ALLER LÄNDER UND UNTERDRÜCKTE VÖLKER VEREINIGT EUCH ! Beherrschende Themen in Veranstaltungen und Publikationen waren der Golfkrieg, die Situation in den neuen Ländern und die Asylrechtsdiskussion. Im Zusammenhang mit dem Golfkrieg behauptete der AB u. a., das militärische Eingreifen unter Führung der USA diene vor allem wirtschaftlichen Interessen. Damit solle die Vormachtstellung der bundesdeutschen Wirtschaft, mit deren Hilfe der Irak aufgerüstet worden sei, zugunsten der USA abgebaut werden. Im Gegenzug liefere die Bundesrepublik Deutschland nunmehr im "Interesse des Kapitals" Rüstungsgüter an Israel. Die Arbeiter in den neuen Ländern brauchten nach Ansicht des AB nicht Steuergroschen, sondern vielmehr Klassensolidarität. Die Bürger dort hätten mit der Wiedervereinigung einen Krieg verloren. Es "wachse nicht zusammen, was zusammengehört", sondern die Bürger in den neuen Ländern hätten sich als Besiegte und Unterworfene zu betrachten und zu benehmen. Der AB beteiligte sich an einer Reihe von Großveranstaltungen zu diesen Themen, zu denen er eigene Flugblätter verteilte. Daneben versuchte der AB auch mit Versammlungen unter eigenem Namen öffentlichkeitswirksam aufzutreten. Aufgrund der regelmäßig geringen Teilnehmerzahlen wurde dieses Ziel jedoch meist verfehlt. Das bei der Mahnwache des AB zum 11. Jahrestag des Oktoberfestattentates in München verteilte Flugblatt wurde wegen staatsverunglimpfender Textstellen auf Anordnung der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. In München und Regensburg bestehen seit 1972 Gruppen des vom AB stark beeinflußten Antifaschistischen Komitees - Stoppt die schwarzbraune Sammlungsbewegung (AKS) - früher Anti-Strauß-Komitee (ASKo) - mit etwa 90 Mitgliedern. Im Erneute April gab das damalige ASKo seine erneute Umbenennung in AKS Umbenennung des bekannt, nachdem die Mitglieder 1989, nach dem Tod des damalifrüheren ASKo gen Bayer. Ministerpräsidenten am 3. Oktober 1988, geglaubt hatten, mit der Bezeichnung Anti-Strauß-Komitee/Stoppt die Erben einen konsensfähigen Namen gefunden zu haben. Ziel des AKS ist es, den "Sturz des rechten Führungskaders" vorzubereiten und alle "faschistischen Organisationen" zu bekämpfen. Publikationsorgan des AKS ist der "Demokratische Informationsdienst" (DID), der im Eigendruck und Selbstverlag in einer Auflage von rund 2.500 Exemplaren hergestellt wird. Themen des AKS bei Informationsständen und auf Flugblättern waren der "Golfkrieg", "Rassismus" und die "Justizreform". Weiter beteiligte sich die Gruppie- 33 rung an einschlägigen Großdemonstrationen, wobei sie - y wie der AB - mit eigenen Flugblättern und Plakaten zur Teilnahme aufrief. Die Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ) unterliegt ebenfalls dem Einfluß des AB. Ortsgruppen bestehen in München, Nürnberg und Regensburg. Die dortige Gruppe, die sich bisher "Demokratischer Jugendzirkel Regensburg" nannte, trat nun auch unter der Bezeichnung "Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend Regensburg/Weiden" auf. Die Redaktion des Publikationsorgans "Kämpfende Jugend" unterstützte den AB insbesondere mit der Herausgabe von Flugblättern zu den Themen "Antifaschismus" und "Antimilitarismusarbeit". Dazu veranstaltete die IVRJ auch Versammlungen und Informationsstände zu Einberufungsterminen vor Kasernen in München, wobei Flugblätter und Publikationen an die einrückenden Rekruten verteilt wurden. 3.2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die MLPD wurde 1982 in Bochum als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in der BRD und West-Berlin" gegründet. Ihr grundlegendes Ziel ist der "revolutionäre Sturz" der "Diktatur der 34 Monopolkapitalisten" und die Errichtung einer "Diktatur des Proletariats". In ihrem Grundsatzprogramm bekennt sich die MLPD zu den Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Zedong. Sie verteidigt die Handlungen Stalins und Mao Zedongs und kritisiert die "revisionistische Entartung" in allen "realsozialistischen Ländern". Der Schwerpunkt der Partei liegt im westund südwestdeutschen Raum. Ihre Mitglieder sind in Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirken organisiert, die einer "Zentralen Leitung" mit Sitz in Essen unterstehen. Die MLPD konnte ihren Mitgliederstand halten und verfügt bundesweit über rund 1.500 Mitglieder. In Bayern wurden die bisherigen Bezirke Bayern-Süd und Franken mit insgesamt etwa 100 Mitgliedern zu einem Bezirk Bayern zusammengelegt. Mit der Vereinigung Deutschlands sieht difi MLPD den Weg frei für den gesamtnationalen Aufbau der Partei. Um diesen optimal durchführen zu können, schlägt das Zentralkomitee den Einsatz Parteiaufbau in von mindestens 10 % der Kräfte der Partei im Osten vor. Die den neuen Ländern Schaffung eines einheitlichen Jugendverbandes (Zusammenlegung der Jugendorganisation Arbeiterjugendverband/ MarxistenLeninisten (AJV/ML) mit der Kinderorganisation "Rotfüchse" und dem Marxistisch-Leninistischen Schülerund Studentenverband - MLSV-) sowie die Übernahme des Marxistisch-Leninistischen Bundes Intellektueller (MLBI) durch die MLPD sollen Führungskader für die Parteiarbeit freisetzen. Das Zentralorgan "Rote Fahne" erscheint wöchentlich in einer Auflage von rund 5.000 Exemplaren. Die bisherigen Organe von AJV/ML "Rebell" und MLSV "Roter Pfeil" erschienen nur noch als gemeinsame Beilage zur "Roten Fahne". Als Anleitungsblatt der MLPD wird monatlich "Lernen und kämpfen" (luk) - Auflage 1.000 Exemplare - herausgegeben. 35 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 3.3.1 Allgemeines Ab Mitte der 70er Jahre bildeten sich an den Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland immer häufiger lose Zusammenschlüsse, die eine marxistisch-leninistische Konzeption ablehnten und für Autonomie, Selbstorganisation der "Unterdrückten" und für Spontaneität eigener Gefühlsäußerungen eintraten. Nach Aussagen dieser Szene sollten Aktionen "mehr aus dem Bauch heraus" als aus dem Kopf kommen. Diese Zusammenschlüsse werden unter dem Begriff "Undogmatische Neue Linke" zusammengefaßt, weil sie eine klare ideologische Zielvorstellung vermissen lassen, kein ausformuliertes Programm oder Statut haben und feste Organisationsstrukturen vermeiden. Das politische Spektrum dieser undogmatischen Linksextremisten reicht von Anhängern eines "undogmatischen wissenschaftlichen Sozialismus" über Sozialrevolutionäre bis hin zu Anarchisten. Verbindendes Element dieser Szene ist die grundlegende Ablehnung jeglicher Form von HerrAblehnung schaft und das gemeinsame Ziel, die bestehende Staatsund jeglicher Form von Gesellschaftsordnung abzuschaffen. Insofern besteht ÜbereinHerrschaft stimmung mit der verfassungsfeindlichen Zielsetzung des orthodoxen Kommunismus und der dogmatischen Neuen Linken. Die bedeutendste und militanteste Strömung aus diesem Feld stellen die Autonomen dar. Seit Beginn der 80er Jahre konnten sie ihre Bedeutung zunehmend festigen, wogegen andere Gruppen an Einfluß verloren. 3.3.2 Autonome Gruppen Bei diesem Personenkreis, der allgemein mit dem Begriff "Autonome" umschrieben wird, handelt es sich meist um spontane und lose, nach außen jedoch abgeschottete Zusammenschlüsse. Von anderen linksextremistischen Gruppen und Organisationen unterscheiden sie sich vor allem durch ihre Zielsetzung, ihr Selbstverständnis, ihr Verständnis von Politik sowie durch ihr Verhältnis zur Gewalt. Ihr Ziel ist es, den Staat mit seinen Institutionen zu beseitigen und eine "Autonomie" in einer "herrschaftsfreien Gesellschaft" zu errichten. Hierzu wollen sie zunächst "Freiräume" und "Widerstandsnester" erkämpfen und den "Kampf gegen das System" unberechenbar und flexibel führen. Dem Selbstverständnis dieses Spektrums entsprechend sind die Autonomen ohne feste hierarchische Strukturen. Das Fehlen dieser Autonome haben verbindlichen Strukturen und die mangelnde Organisationsbereitkeine festen schaft lassen zwar taktisches Vorgehen in größerem Umfang nicht Strukturen zu, führen aber andererseits zu einer für den Staat unüberschaubaren und unberechenbaren Szene. Dieses Potential aus "Einzelkämpfern" ist nur anlaßbezogen mobilisierungsfähig und selten bereit, Zweckbündnisse einzugehen. Der Mangel an kontinuierlicher Dynamik wird auch in den eigenen Reihen kritisiert und als ursächlich für die immer wiederkehrende Lethargie bezeichnet. Um diesen Zustand zu beseitigen, wurde Mitte September mit 36 dem sog. Göttinger Papier zur "Autonomen Organisierung" eine Diskussion entfacht, die in allen Zentren autonomer Politik äußerst kontrovers und anhaltend geführt wird. Nürnberg, In Bayern sind autonome Zusammenschlüsse in Augsburg, autonomes Aschaffenburg, Coburg, Erlangen, München, Nürnberg, Passau, Zentrum in Bayern Regensburg, Rosenheim und Würzburg bekannt, wobei Nürnberg als Zentrum autonomer Politik zu nennen ist, da von dort die meisten Aktivitäten ausgehen. Die Autonomen treten unter Bezeichnungen wie "Bunte Hilfe", "Infoladen-Gruppe", "Prolos", "Jobbergruppe" oder auch als Arbeitskreis wie z. B. "AK WWG" im Hinblick auf den Weltwirtschaftsgipfel 1992 in München auf. Die personelle Besetzung der einzelnen Gruppen und auch ihre AktivitäEtwa 200 ten sind unterschiedlich. Die Gruppenstärke liegt meist bei fünf bis militante Autonome zwanzig Personen und erreicht bayernweit ein geschätztes Potenin Bayern tial von rund 400 Personen, von denen etwa 200 als militant einzustufen sind. Eine partielle Zusammenarbeit von RAF-Unterstützem und Autonomen, wie sie während des Hungerstreiks zwischen inhaftierten terroristischen Gewalttätern 1989 bestanden hatte, war 1991 nicht feststellbar. Zwar wurden Veranstaltungen durchgeführt, die von Personen aus beiden Lagern besucht wurden, doch führte dies nicht zu einer engeren Verbindung bzw. zu einer ideologischen Ausrichtung von Autonomen auf RAF-Kurs. SchwerpunktDen Schwerpunkt in den Diskussionen und Aktionen autonomer themen der Gruppen bildeten nach wie vor die klassischen Themen "FaschisAutonomen mus", "Kapitalismus" sowie die Asylantenund Ausländerproblematik. Verstärkt behandelt wurden diese Themen insbesondere vor dem Hintergrund des wachsenden Rechtsextremismus. In sogenannten "Antifa-Plenen" der regionalen Bereiche und einem regelmäßig tagenden bayernweiten "Antifaplenum" wird versucht, die Ursachen des Neonazismus zu ergründen und "Widerstandsformen" darauf abzustimmen. In ihrem Kampf "gegen den Kapitalismus" und gegen die "Ausbeutung der Dritten Welt" war insbe"Kampagne 92" sondere die für 1992 geplante Kampagne "500 Jahre Kolonialismus und Widerstand" mit den Teilbereichen "EG-Binnenmarkt", "UNCED-Konferenz in Brasilien" und "Weltwirtschaftsgipfel 1992 in München" ein bedeutendes Thema. In der Mobilisierung zum Weltwirtschaftsgipfel sehen sie "eine (notwendige) Fortführung der mit der IWF-Kampagne begonnenen Diskussion um einen neuen Internationalismus/Antiimperialismus, der Verbindungslinien zwischen den trikontinentalen Kämpfen, den Kämpfen in den ehemals realsozialistischen Ländern und den hiesigen Kämpfen sucht". Die regionale ideologische Ausrichtung und die damit verbundenen Aktivitäten standen mit der bundesweiten Tendenz im Einklang. Wichtigstes Kommunikationsinstrument dafür waren die in allen Zentren autonomer Politik eingerichteten Infoläden, die in einem sogenannten Infoverteiler zusammengefaßt sind und somit an allen Informationen und neuerscheinenden Publikationen partizipieren. Um eine reibungslose Funktion dieser Einrichtungen zu gewährleisten, werden in unregelmäßigen Abständen regionale, bundesweite und sogar internationale Infoladentreffen durchgeführt. Im einzelnen sind u. a. folgende Aktionen erwähnenswert: Am 14. Februar stürmten fünf der autonomen Szene zuzurechnende Personen in ein ARD-Studio in München und wollten eine LiveTalk-Show zu einer Sympathiekundgebung für den irakischen Diktator Saddam Hussein umfunktionieren. Nach zum Teil tumultartigen Szenen und beleidigenden Äußerungen im Verlauf der Sendung konnten die Störer aus dem Raum gedrängt werden. Ein Angehöriger der militanten autonomen Szene München konnte als mutmaßlicher Rädelsführer identifiziert werden. Fünf Wochen zuvor hatte ebenfalls eine Gruppe von Autonomen um diese Person eine Live-Sendung des Bayerischen Rundfunks massiv gestört. Diese Aktion stand seinerzeit im Zusammenhang mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7. Januar, das die Kündigung des Pachtvertrages für die Häuser der Hafenstraße für rechtmäßig erklärt hatte. Am 1. Juni fand vor der Untersuchungshaftanstalt in Nürnberg eine Versammlung des autonomen/antiimperialistischen Spektrums statt. Thema waren die Haftbedingungen eines am 19. Februar wegen versuchter Brandstiftung auf ein Ämtergebäude der Stadt Nürnberg festgenommenen und am 30. Dezember deswegen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilten Mannes. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 50 überwiegend autonomen und antiimperialistischen Gruppen zuzurechnende Personen. Die mitgeführten Transparente trugen Aufschriften wie " Zusammenlegung der revolutionären Gefangenen" und "Kampf dem Europa, den Bullen, Bonzen und Kriegsstrategen - Zusammenlegung sofort". Bereits am 9. März und 6. April hatten in Nürnberg und Straubing aus diesem Anlaß Solidaritätsveranstaltungen mit 100 bzw. 250 überwiegend den Autonomen zuzurechnenden Personen stattgefunden. Etwa 2,500 Gegendemonstranten, darunter rund 1.000 militante Autonome, versammelten sich am 17. August in Bayreuth zu einem nicht angemeldeten Aufzug gegen eine von Rechtsextremisten durchgeführte Versammlung. Die Gegendemonstranten waren einem bundesweiten Aufruf gegen eine von den Rechtsextremisten ursprünglich in Wunsiedel geplante Versammlung gefolgt (vgl. 2. Abschnitt, Nr. 6.7). Sie zeigten Transparente und Plakate mit Aufschriften wie "Kampf dem Faschismus, Kampf dem Kapital, Nazis jagen, Nazis schlagen, das ganze Scheißsystem begraben". Weiter erklangen Sprechchöre wie "Nazis raus" und "Hoch die internationale Solidarität". Nur durch massiven Polizeieinsatz konnten während des Aufzuges gewalttätige Auseinandersetzungen verhindert werden. Zu Schlägereien zwischen den ideologisch verfeindeten Gruppen war es jedoch vor und nach den Kundgebungen auf verschiedenen Autobahnraststätten 38 Plakat der lieh daran "ikannan, daB FaschaargaEntschlossenheit and Besonnenheit dan nliatloiwn "arschladanstai Celan In Hazlaafmartch z" "eihlndern. El kann, Autonomen triitn Pabllkatlonen ithon Anfang >all and miß alias an Aktionan laafan, diesas Jahr" mit massivan Mabfllslawas mansch sich zatraat. rangsvarsachan bagannan haben. Dia "Ptamlnanr "on FAP. HF. HO. NL, DA, RA, Altnazii, Faschasklns and -hoallgons, Wlklng-Jagand, Daatidia Fraaanltont < m . gibt lieh am 17.1. darf dla Hand and bageäbt x i diasam AnlaB all" Streitigkeiten. Mit Sprichan wie "Radali HaB labt* odar "Daatschland d m Daatunan* wallen ila In ttaetar Einigkeit; rar* lalam. DEMO am 17.1.91 Traflpankt and Aof toktkandgabang 13.30 h. Blrgormlhlwolhor. Wanslodoi Fasthoaafmartch: 17.ö.,i6.3ü h, Bärgarmihiweiher, Fir ab" kSsspfarischc - phs.ita:la?e!!s - cüttdiUsscü* 0"i.""""ratlonl Autonom"" Gruppon gekommen. Letzte Vorbereitungen zu dieser Gegenkundgebung waren am 16. August in einem Vorbereitungstreffen im KOMM in Nürnberg getroffen worden. Vor dem Hintergrund der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda rief das autonome/antiimperialistische Spektrum mit "antifaschistischen" Parolen wie "Stoppt den Faschismus" und "Kampf den Nazischweinen" zu einer Demonstration am 28. September in Nürnberg auf. An dem nicht angemeldeten Aufzug beteiligten sich rund 250 Personen. 3.3.3 Schriften der undogmatischen Neuen Linken Die Herausgeber und Verfasser autonomer Publikationen, die zum Teil auch linksterroristische Tendenz erkennen lassen, sind weitgehend unbekannt. Herstellung und Verbreitung erfolgen meist konspirativ. Inhaltlich befassen sie sich nicht nur mit der Vermittlung von Erklärungen einzelner Gruppen oder der Berichterstattung zu Terroraktionen, sondern schüren auch den Haß linksextremistischer Gruppen gegen die Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Periodisch erscheinende Schriften erkennbar bayerischer Urheber mit überregionaler Bedeutung wurden nicht festgestellt. Das regelmäßig erscheinende "Wie weiter", das vom Nürnberger autonomen Spektrum herausgegeben wird und auch unter der Kontaktadresse KOMM Nürnberg firmiert, konnte bisher im Vergleich zu anderen Publikationen nur lokal begrenzte Bedeutung erlangen. In ihm werden lediglich aktuelle Termine der örtlichen Szene sowie über- 39 wiegend solche Beiträge veröffentlicht, die schon vorher in anderen einschlägigen Publikationen abgedruckt waren. Deshalb wird für die Ideologisierung und als DiskussionsgrundlaAutonomes ge für aktuelle Themenbereiche auf Publikationen zurückgegriffen, Agitationsmaterial die auf Infoladenebene verschickt werden. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Publikation "CLASH - Zeitung für Widerstand in Europa", das autonome Szenenblatt aus Berlin "Interim" und die autonome Druckschrift "radikal". Die als Zeitung für den Widerstand in Europa herausgegebene Druckschrift "CLASH" wurde 1991 mit den Ausgaben Nr. 2 und 3 verbreitet. Die Idee, eine internationale Publikation für den Widerstand zu schaffen, entstand bereits 1990 in der Diskussion um die ehemalige Zeitung "Knipselkrant", die von der Thematik her als zu antiimperialistisch und damit als zu sehr auf Terrorgruppen bezogen angesehen worden war. Zur Veröffentlichung internationaler Internationales Probleme wurde aber dennoch eine internationale Zeitung als notautonomes Redakwendig erachtet. Das Druckwerk erscheint in deutscher und englitionskollektiv scher Sprache und wird nach eigenen Angaben von einem Kollektiv aus Niederländern, Franzosen, Österreichern und Deutschen erstellt. Nach Vorstellungen der Herausgeber soll die Schrift den internationalen Informationsund Erfahrungsaustausch über politische Kämpfe vorantreiben und zu einer länderübergreifenden Theorieund Perspektivdiskussion beitragen. Der politische Widerstand in Europa müsse gemeinsame Ziele verfolgen und gemeinsam handeln; dabei dürften auch bewaffnet kämpfende Organisationen nicht ausgegrenzt werden. Schriftliche Kommunikation sei die einzige Möglichkeit, mit diesen Gruppen in eine öffentliche Diskussion zu treten. Daher werde CLASH auch in Zukunft ihre Erklärungen veröffentlichen. Das Blatt berichtete vor allem über ausländische Linksextremisten und Terroristen, u. a. über inhaftierte Mitglieder der "Action Directe" in Frankreich und den Abbruch des Hungerstreiks spanischer Terroristen. Ferner enthielt es ein Diskussionspapier des italienischen "Gefangenen-Kollektivs Wotta Sitta" über eine Neubestimmung des revolutionären Kampfes in Westeuropa. Den Geist des Blattes zeigt auch die Kommentierung des Selbstbezichtigungsschreibens der RAF zum Mord an Dr. Detlef Karsten Rohwedder als "inspirierendes Kommunique". Das wöchentlich erscheinende Berliner autonome Szeneblatt "InteAutonome rim" hat, wohl wegen seiner Regelmäßigkeit und damit auch seiner Szeneblätter Aktualität, als Diskussionsgrundlage für das autonome Spektrum Bayerns einen besonderen Stellenwert. Es enthält Aufsätze und "Interim" Berichte zu den aktuell diskutierten Themenkomplexen und Aktivitäten der Szene und auch Selbstbezichtigungsschreiben zu terroristischen Anschlägen. Ferner finden sich darin immer wieder Leserzuschriften, die sich mit dem Selbstverständnis der Autonomen kritisch auseinandersetzen. U. a. führte ein Verfasser darin aus, daß sich die Autonomen ziemlich tief in eine politische Sackgasse manövriert hätten. Sie seien gesellschaftlich fast bedeutungslos geworden. Heute wie früher sei die autonome Szene ein 40 wild zusammengewürfelter Haufen der unterschiedlichsten Menschen mit noch viel unterschiedlicheren Herangehensweisen und Vorstellungen. Die Autonomen hätten sich schon immer dadurch abgegrenzt, daß sie auch auf illegale und militante Mittel nicht verzichten wollten. "radikal" Eine weitere diesem Bereich zuzurechnende Publikation ist die konspirativ verbreitete militante autonome Druckschrift "radikal". Sie erschien 1991 mit den Ausgaben Nr. 142 bis 144. In "radikal" Nr. 142 setzt sich ein Beitrag mit der Politik der RAF auseinander, die darin als "fatal" und ohne "Perspektive" kritisiert wird. Die Verfasser, vermutlich Redaktionsmitglieder, führen darin aus, daß eine Guerilla, die ihre gefangenen Genossen als Ausgangspunkt für ihre "Praxis" nehme, sich in eine Sackgasse begebe. Für die RAF sei es angebracht, gemeinsam mit den Autonomen die unterschiedlichen Ansätze militanter Politik zu diskutieren. An den Anschlägen auf Dr. Alfred Herrhausen und Staatssekretär Hans Neusei sei die propagandistische Wirkung das Wichtigste gewesen. Der Anschlag auf Herrhausen habe ins Herz des Kapitals getroffen. Der Angriff auf Neusei sei für die autonome Linke nur begrenzt verständlich gewesen, denn er sei nicht so "prominent". In den beiden weiteren Ausgaben von "radikal" wurden Selbstbezichtigungen zu dem Mord an Dr. Detlef Rohwedder und dem Schußwaffenanschlag auf die US-Botschaft in Bonn veröffentlicht; zugleich wurde Kritik angemeldet. Zum Mord an Dr. Rohwedder und dem Brandanschlag auf die Berliner Treuhandanstalt heißt es Freude über Mord wörtlich: "Wir haben uns gefreut". Beide Anschläge hätten weder an Dr. Rohwedder der autonomen Bewegung noch der Ex-DDR-Bevölkerung geschadet. Die Selbstbezichtigungen seien jedoch zu wenig auf den Rassismus in der Bevölkerung eingegangen; so gehe ein wesentlicher Bestandteil autonomer Politik verloren. Es müsse nicht nur gezeigt werden, daß "Schweineinstitutionen" angreifbar seien, sondern auch, mit welchem Bewußtsein man den Staat bekämpfe. Des weiteren wurden in allen Ausgaben Anleitungen, u. a. zum Bau eines elektronischen Zeitzünders, zur Herstellung von Molotowcocktails sowie zum Kurzschließen von Kraftfahrzeugen veröffentlicht. 4. Entwicklung des Linksextremismus in der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 4.1 Allgemeines Zusammenbruch Die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR führte im Herbst des SED-Unrechts1989 zum Zusammenbruch des SED-Unrechtsregimes und stürzte regimes d j e bis dahin diktatorisch regierende Staatspartei in eine tiefe Krise. Nach dem Anfang Dezember erklärten Rücktritt der gesamten Parteiführung der SED mit Egon Krenz an der Spitze fand am 8. Dezember 1989 in Berlin (Ost) ein außerordentlicher Parteitag statt. Die Delegierten wählten dabei Gregor Gysi, der seit 1967 der SED angehört, zum Parteivorsitzenden. Am 16./17. Dezember 1989 setzte die SED ihren Parteitag fort und beschloß die Änderung des Parteinamens in "Sozialistische Einheitspartei Deutsch- 41 lands - Partei des Demokratischen Sozialismus" (SED-PDS). Anläßlich einer Tagung des Parteivorstandes der SED-PDS am 4. Februar 1990 wurde der Parteiname erneut in "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) geändert. Eine Auflösung der SED fand nicht statt. Der Wahlparteitag vom 24725. Februar 1990 bestätigte die Namensänderung und beschloß ein neues Statut sowie ein Programm. Sowohl das Statut als auch das noch gültige Programm geben die Politisches kommunistische Intention der PDS zu erkennen. So hieß es in dem Selbstverständnis zwischenzeitlich geänderten Statut, die PDS sei "in der sozialistider PDS schen, kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeiterbewegung" verwurzelt. Sie schöpfe aus humanistischem und pazifistischem Gedankengut und verstehe sich als konsequente antifaschistische Partei. In ihrer Politik stütze sie sich dabei insbesondere auf das theoretische Erbe des gesamten marxistischen Denkens. Im neuen Statut, das auf der zweiten Tagung des 2. Parteitages der PDS vom 21. bis 23. Juni in Berlin beschlossen und in einer bundesweiten Urabstimmung durch die Mitglieder der PDS bestätigt wurde, fehlen inhaltlich kommunistische Aussagen. Es läßt jedoch weiterhin die Bildung von Zusammenschlüssen zu, denen - im Rahmen des Parteistatuts - die Möglichkeit eingeräumt wird, mit eigener Satzung und eigenem Namen in der PDS mitzuwirken. So ist in der PDS die "Kommunistische Plattform" "Kommunistische (KPF) verankert, die sich eindeutig zum dogmatischen MarxismusPlattform" Leninismus bekennt und die DKP (vgl. Nr. 2.2) als natürliche Verbündete ansieht. Dies wurde auch durch die Aussagen der 3. Konferenz der KPF in der PDS dokumentiert, die am 1./2. Juni in Berlin stattfand. In einem offenen Brief an alle Mitglieder der PDS betonte der neugewählte Koordinierungsrat, der Sozialismus sei keineswegs gescheitert. Zwar hätten die Kommunisten in ihrem revolutionären Kampf eine schwere Niederlage erlitten; sie gäben ihr Ziel jedoch nicht auf. Die Kommunisten in der KPF seien bestrebt, stärker als bisher marxistisches Gedankengut in der PDS zur Geltung zu bringen. Solidarisch verbunden fühlen sich die Kommunisten in der KPF mit den Mitgliedern der DKP in den alten Bundesländern. So wurden anläßlich eines Meinungsaustausches zwischen führenden Vertretern der KPF und dem Sprecherrat der DKP Ende September in Hannover vereinbart, regelmäßig politische Treffen durchzuführen. Am 28. Juni traten bei einer Veranstaltung des Arbeitskreises "Linke Strategien" in der DKP-Kreisorganisation München zwei führende Sprecher der KPF als Referenten auf. Zurückgegangen ist dagegen der Einfluß der Gruppierung "Trotz"Trotzkistische kistische Tendenz" in der PDS, die nach fast einjähriger Tendenz" Zugehörigkeit Ende Oktober die "Kommunistische Plattform" wieder verließ. Bei dem Versuch, eine Linie festzulegen, die auf Umgestaltung oder Spaltung der PDS hinauslief, hatten die Vertreter der ,,Trotzkistischen Tendenz" auf der 3. Konferenz der KPF eine Niederlage erlitten. Die Konferenz beschloß dagegen, die Plattform müsse weiterhin fester Bestandteil der PDS bleiben, um 42 den "Umwandlungsprozeß der PDS zu einer konsequenten sozialistischen Partei aktiv zu fördern". 4.2 Verfassungsfeindliche Aussagen der "PDS/Linke Liste" und ihrer Funktionäre "TransformationsAuf der 2. Tagung des PDS-Parteitages vom 21. bis 23. Juni in konzept" der PDS Berlin warnte der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi davor, den Kapitaals revolutionärer lismus zu beschönigen. Im Vergleich der beiden gesellschaftliSchritt chen Systeme habe sich das westdeutsche zwar als überlegen erwiesen. Dies bedeute jedoch keineswegs, daß jene moralisch besser seien, die in diesem System herrschten; sie hätten die Katastrophe im Osten Deutschlands mitverursacht. Gysi sprach sich für das Konzept einer "Transformation" der kapitalistischen Gesellschaft aus. Dazu müsse die Vorherrschaft des Kapitals gebrochen werden; dies verlange "härtesten politischen Kampf", um die Machtstrukturen radikal zu verändern. Ziel sei eine Gesellschaft, "worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung der freien Entwicklung aller ist". Die "Kommunistische Plattform" erklärte zu dieser wörtlich dem Manifest der kommunistischen Partei des Jahres 1848 entnommenen Formulierung, wenn das "Transformationskonzept" - entsprechend seinem Anspruch - tatsächlich über den Kapitalismus hinausführe, so sei dies ein revolutionärer Schritt. Verhältnis Das Verhältnis der PDS zur repräsentativen parlamentarischen zur parlamenDemokratie ist gespalten. Funktionäre der PDS bezeichneten die tarischen Entscheidung des Grundgesetzes für die parlamentarische DemoDemokratie kratie als "Brei des bürgerlichen Parlamentarismus" und das in Art. 38 GG festgelegte Wahlrecht als "heilige Kuh" des Parlamentarismus. Dadurch werden Volkssouveränität, die sich in erster Linie in Wahlen zum Parlament manifestiert, und das demokratische Mehrheitsprinzip in Frage gestellt. Nach Auffassung der PDS genüge es nicht, das politische Gewicht der gesetzgebenden Gewalt gegenüber der Exekutive zu stärken. Dieses Bekenntnis der repräsentativen Demokratie sei "stinkbürgerlich"; es zeige nicht einmal den Schimmer sozialistischer Demokratievorstellung. Die PDS sei für die Kontrolle der parlamentarischen Gremien durch Strukturen der direkten und unmittelbaren Demokratie. "AußerparlamenFunktionäre der PDS betonten wiederholt die Notwendigkeit des tarischer Kampf" "außerparlamentarischen Kampfes". Für die PDS mache die Parlamentsarbeit nur soviel Sinn, wie sie der Entwicklung gesellschaftlicher Opposition diene. Wichtig sei, Rahmenbedingungen für "Widerstand" zu schaffen. Sozialistische Politik bedeute, sich nicht auf den Rahmen der gegebenen Verhältnisse zu beschränken, sondern diesen "bewußt anzugreifen". Die PDS wolle "durch außerparlamentarischen Kampf die Mehrheitspolitik beeinflussen". Wichtig sei hierbei die "außerparlamentarische Handlungsfähig- 43 keif. Es gehe darum, "die Bühne des Bundestages zu nutzen, um soziale, ökologische, demokratische, außerparlamentarische Bewegungen zu unterstützen oder zu installieren". Durch die Überbetonung des "außerparlamentarischen Kampfes" stellt die PDS das demokratische Mehrheitsprinzip in Frage. Die auf dieser Überbetonung basierenden Bestrebungen sind mit der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Die PDS lehnt aber auch die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte "Integrationsfunktion" der Parteien ab. Der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi forderte bereits im Juni 1990 seine Mitglieder auf, sie sollten sich nicht so "benehmen", als ob sie "noch für das Funktionieren des Staates verantwortlich" seien. Anfang 1991 konnte er feststellen, daß PDS-Mitglieder inzwischen "nicht mehr staatstragend denken". Mit der "Konstitutionalisierung" des Mehrparteienprinzips läßt sich diese Auffassung nicht vereinbaren. Aus verschiedenen Äußerungen ist auch zu entnehmen, daß die Verhältnis der PDS Partei Gewalt und rechtswidrige Aktionen als Mittel der politischen zur Gewalt Auseinandersetzung nicht generell ablehnt. Sie dokumentiert damit eine Mißachtung der rechtsstaatlichen Ordnung, die wesentlich auf dem Prinzip der Gewaltfreiheit bei politischen Auseinandersetzungen und dem Gewaltmonopol des Staates beruht. Ein PDS-Präsidiumsmitglied nannte als Ziel seiner Partei: "Widerstand gegen die Staatsgewalt". Auch der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi sprach sich gegen "übertriebenen Legalismus" und eine "Überbewertung des Rechts" aus. In einem Interview erklärte er, die PDS werde rebellischer, sie lege zunehmend das Staatstragende ab. Wenn man stärkeren Widerstand leisten wolle, sei dies mit Paragraphen allein, mit "blankem Legalismus" nicht zu machen. Man müsse auch zu ungewöhnlichen, spektakulären Aktionen bereit sein und "es auch mal darauf ankommen lassen". In ihrem Bundeswahlprogramm 1990 spricht sich die PDS für "antifaschistische Selbsthilfe" aus. Offen propagiert sie Blockaden von Kasernen, Kreiswehrersatzämtern und anderen militärischen Einrichtungen sowie die Desertion von Bundeswehrsoldaten. Im Zusammenhang mit der Übernahme von PDS-Vermögen durch die Berliner Treuhandanstalt ermunterte die Partei ihre Mitglieder und Sympathisanten zu rechtswidrigen Protestformen. Der Parteivorstand rief dazu auf, eine Telefonkette zu bilden, um den "Schutz der Gebäude der Partei" zu sichern. Auch die "Kommunistische Plattform" in der PDS verlangte: "Schützt die Gebäude der PDS vor drohendem Polizeizugriff und vor dem Diebstahl ihres Eigentums!". Stellt Wachen gegen illegale Übergriffe auf!". Zur Durchsetzung ihrer sozialpolitischen Forderungen hatte sich die Partei bereits früher für "Betriebsbesetzungen" und die "Sperrung öffentlicher Verkehrswege" ausgesprochen. Um die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern zu verhindern, regte sie die "Besetzung von Ausländerämtern und (die) Behinderung der Polizei bei der Arbeit" an. 44 4.3 "PDS/Linke Liste" in den westlichen Bundesländern "Linke Liste/PDS" Die "Linke Liste/PDS" konstituierte sich am 12. August 1990 in in den westlichen Hamburg als Bundespartei. Vorangegangen waren Gespräche mit Bundesländern den westdeutschen "Linken" mit dem Ziel, in einer Listenverbindung an der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 teilzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte jedoch in seinem Urteil vom 29. September 1990 diese Listenverbindung für unzulässig. Daraufhin wurde auf dem Parteitag vom 13./14. Oktober 1990 beschlossen, zur Bundestagswahl gesamtdeutsch zu kandidieren. Die inzwischen mit einem Minimum an Mitgliedern gegründeten westdeutschen Landesverbände der "Linken Liste/PDS", in denen vielfach Linksextremisten mit unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen dominierten, lösten sich daraufhin auf und konstituierten sich als Landesverbände der PDS neu. Damit erhielten das Programm und das Statut der bis dahin nur auf das Gebiet der ehemaligen DDR beschränkten PDS auch für die westdeutschen Landesverbände Gültigkeit. Den westdeutschen Landesverbänden blieb es überlassen, sich in Zukunft ausschließlich als Landesverband der PDS oder als Landesverband "PDS/Linke Liste" zu benennen. 4 4 "PDS/Linke Liste" in Bayern "Linke Liste/PDS" In Bayern bildeten sich im Laufe des Jahres 1990 zahlreiche unterin Bayern schiedlich strukturierte Initiativen, um einen Landesverband Bayern der "Linken Liste/PDS" zu gründen; bekannt wurden Zusammenschlüsse u. a. in Amberg, Aschaffenburg, Augsburg, Bad Tölz, Bamberg, Coburg, Erlangen, Ingolstadt, Kempten, Hof, München, Nürnberg, Sulzbach-Rosenberg und Würzburg. In diesen Initiativen arbeiteten u. a. Mitglieder der DKP, DKP-Funktionäre der beiden politischen Richtungen ("Erneuerer" und "Traditionalisten"), Mitglieder und Anhänger des Kommunistischen Bundes (KB), des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD (AB), des Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK), der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP), der Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) bis hin zu einzelnen Autonomen mit. Gründung der Am 11. September 1990 fand in München die Gründung der "Lin"LinkenUste/PDS ken Liste/PDS", Landesverband Bayern, statt. Von den damaligen Bayern" zwölf Gründungsmitgliedern verfügten immerhin acht Personen über einen linksextremistischen Vorlauf. Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 1990 (vgl. Nr. 4.3) war auch der bayerische Landesverband der "Linken Liste/PDS" gezwungen, entsprechende Umgruppierungen vorzunehmen. Bei einem "Koordinierungstreffen" am 20. Oktober 1990 in Nürnberg wurde die Auflösung der "Linken Liste/PDS" und die Umbenennung in Gründung eines PDS-Landesverbandes/Linke Liste beschlossen. "PDS/Linke Liste Damit wurde der bayerische Landesverband auch Teil der Bayern" Gesamtpartei PDS, ehemals SED. 45 Die ideologische Nähe zur PDS ließ zahlreiche Linksextremisten, insbesondere solche aus den Reihen der DKP (sowohl "Erneuerer" als auch "Traditionalisten"), aber auch Anhänger der Neuen Linken, von Anbeginn in den örtlichen Initiativen der LL/PDS aktiv werden, wo sie alsbald einen nicht unerheblichen Einfluß erlangLinksextremisten ten. Dieser setzte sich auf Landesebene, ja selbst bis auf Bundesüben starke ebene fort. So gehörten von der aus sechs Personen bestehenden Stellung aus Kandidatenliste der PDS/LL Bayern für die Bundestagswahl 1990 zwei ehedem der DKP an; einer bezeichnete sich selbst als Vertreter der VSP. Von den drei bayerischen Vertretern, die auf der ersten Tagung des 2. Parteitages der PDS am 26727. Januar in Berlin in den Parteivorstand gewählt wurden, gehörten zwei ehemals der DKP an, wo sie einflußreiche Funktionen in den Bezirksvorständen ausübten. Von den am 13. Januar in Nürnberg in den Landesvorstand der PDS/LL Bayern gewählten sechs Personen hatten vier einen linksextremistischen Vorlauf. Die weitgehende personelle Identität der PDS mit der SED, insbesondere im Bereich des Führungskaders, die programmatische Berufung der PDS auf die kommunistische Tradition und die vom PDS-Vorstand akzeptierte satzungsgemäß verankerte "Kommunistische Plattform" innerhalb der Partei sowie die - innerhalb des bayerischen Landesverbandes - festgestellte starke Dominanz der Linksextremisten in allen wichtigen Bereichen führte im Februar 1991 zu der Entscheidung des Bayerischen Staatsministers des Innern, die PDS/LL Bayern durch das Bayerische Landesamt für Beobachtung der Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Sie steht aus den glei"PDS/Unke Liste chen Gründen wie die orthodox-kommunistische DKP nicht auf Bayern" dem Boden des Grundgesetzes (vgl. dazu Nr. 2.1). Hemmend auf die Entwicklung des bayerischen Landesverbandes wirkte sich das enttäuschende Wahlergebnis der PDS/LL bei der Bundestagswahl 1990 aus. Auf die bayerische Landesliste, die ohne den Zusatz "Linke Liste" antrat, entfielen nur 0,2 % der Zweitstimmen. Dieses Wahlresultat ließ die bis dahin latent vorhandenen Differenzen zwischen den Anhängern der LL (sie treten für offene Strukturen ein und sind gegen eine enge Anbindung an die PDS) und den Befürwortern eines sofortigen Aufgehens in der PDS offenkundig werden. Davon betroffen war insbesondere der LanDifferenzen im desvorstand, dessen Tätigkeit weitgehend blockiert wurde. Dies Landesvorstand der führte zum Rücktritt bislang einflußreicher Verfechter der LL und PDS/LL Bayern letztendlich zu vorgezogenen Vorstandswahlen, die am 16. November 1991 durchgeführt wurden. Zu neuen Landessprechern wurden dabei Sima Sorayya aus München und Harald Hauenstein aus Nürnberg gewählt. Von dem aus sechs Personen bestehenden Landesvorstand gehörten drei ehemals der DKP an. Organisatorisch setzt sich der Landesverband Bayern - entsprechend den beiden Strömungen - im wesentlichen aus den Initiativen LL/PDS und den PDS-Basisorganisationen zusammen. Seit September steht diesen Gruppierungen in Südbayern ein Kreisverband vor; für Nordbayern ist die Gründung geplant. 46 ARGE bei der PDS Zurückgegangen ist der ehemals starke Einfluß der Arbeitsge"Konkrete Demomeinschaft (ARGE) bei der PDS "Konkrete Demokratie - Soziale kratie - Soziale Befreiung" auf den Landesverband. Diese im September 1990 in Befreiung" Suhl/Thüringen gegründete ARGE wendet sich gegen eine Regionalisierung der PDS, damit die Diskussion um die Zukunft der sozialistischen Bewegung in allen Ländern, zentral von Berlin aus, fortgesetzt werden kann. Dem Zusammenschluß gehören neben PDS-Basisorganisationen in Thüringen u. a. die PDS-Basisorganisationen Coburg, Nürnberg und Ingolstadt an. Über die meist monatlichen Treffen berichtet der alle sechs Wochen erscheinende "Rundbrief". Aktivitäten der 1991 beschäftigte sich die PDS/LL Bayern überwiegend mit Fra"PDS/Linke Liste gen des organisatorischen Aufbaus des Landesverbandes und Bayern" parteiinternen Angelegenheiten. Führende Funktionäre beklagten dabei wiederholt mangelndes Engagement in der Führungsspitze und an der Basis. An öffentlichen Veranstaltungen, die vorwiegend unter dem Motto "Aktion Solidarität '91" stattfanden und die sich überwiegend mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen der fünf neuen Länder befaßten, nahmen durchschnittlich 20 Personen teil. Lediglich am "Solidaritätsfest" am 13./14. Juli in Erlangen und am "Fest für Links" am 21 ./22. September in Nürnberg beteiligten sich rund 200 bzw. 1.000 Personen. Neben dem "Golfkrieg" wurden Themen wie Ausländerhaß, Asyl, Arbeitslosigkeit, Frieden und Umwelt publizistisch aufbereitet und propagandistisch verwertet. Eine nennenswerte Einwirkung auf das politische Tagesgeschehen fand jedoch nicht statt. ArbeitsgemeinEine Steigerung der Aktivitäten sollte die Gründung der Arbeitsgeschaften sollten meinschaften (AG) "Ausländerpolitik", "Junge Genossinnen" und Aktivitäten steigern "Gewerkschaftsund Betriebsarbeit" bringen, die der Landesverband Ende Juni 1991 durchführte. Bislang wurde dazu lediglich ein Wochenendseminar der AG "Junge Genossinnen" bekannt, an dem vom 13. bis 15. September in Geretsried etwa 30 Personen teilnahmen. Informationsschrift Seit November 1990 gibt die PDS/LL Bayern in unregelmäßigen "Bayern-Info" Abständen die Informationsschrift "Bayern-Info" heraus. Die 11. Ausgabe vom November 1991 befaßt sich u. a. mit der Zukunft der PDS in den alten Bundesländern. Finanzierung der Von Anbeginn wurde der bayerische Landesverband vom BunPDS/LL Bayern desvorstand der PDS finanziell großzügig unterstützt. So konnte neben einem von der PDS direkt finanzierten Büro in München ein weiteres in Nürnberg eröffnet werden, wobei letzteres offiziell als Landesgeschäftsstelle der PDS/LL Bayern geführt wird. Den beiden hauptberuflichen Mitarbeitern wurde jedoch von der PDS-Zentrale in Berlin zum 31. Dezember 1991 aus finanziellen Gründen gekündigt. Auch die Mietverträge für die beiden Büros wurden aufgelöst. 47 5. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presserzeugnisse Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen - einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise (Ende 1991) und Auflagen - z. T. geschätzt -) 1. Orthodoxe Kommunisten 1.1 Kernorganisationen: Deutsche Kommunistische 800 Unsere Zeit (UZ) Partei (DKP) - vierzehntägig - 12 Bezirksorganisationen, 8.000 davon 2 in Bayern (NordMarxistische Blätter und Südbayern), aufgeteilt - zweimonatlich - in Kreisorganisationen und 4.000 Grundorganisationen (Orts-, DKP-Informationen u. Wohngebietsund BetriebsDKP-Pressedienst gruppen) - monatlich - - Essen - DKP-INFO für Nordbayern Rote Rauchzeichen für Südbayern Partei des Demokratischen unter 100 Bayern-Info Sozialismus/Linke Liste - unregelmäßig - Bayern (PDS/LL Bayern) 1.2 Nebenorganisation: Sozialistische Deutsche 80 Position Arbeiterjugend (SDAJ) - alle zwei Monate - 12 Landesverbände, davon 2 in Bayern (Franken/OPf. Der rote Faden und Südbayern) mit für LV Franken/OPf. 3 Kreisorganisationen und Ortsgruppen BAYERNPRAWDA - Köln - für LV Südbayern 1.3 Beeinflußte Organisationen: Vereinigung der Verfolgten 500 antifa-rundschau des Naziregimes - Bund der - unregelmäßig - Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland (VVN-BdA)' 10 Landesvereinigungen Deutsche Friedens-Union unter 100 Bayern-Info (DFU) Bayern - unregelmäßig - Nürnberg - Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen - einschl. Sitz (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise (Ende 1991) und Auflagen - z. T. geschätzt -) 2. Neue Linke 2.1 Kernorganisationen: Marxistische Gruppe (MG) 4200 MSZ-Marxistische - München - Streitund Zeitschrift - Gegen die Kosten der aufgelöst zum 01.06.1991 Freiheit Arbeiterbund für den 100 Kommunistische ArWiederaufbau der KPD (AB) beiterzeitung (KAZ) - München - - monatlich - Marxistisch-leninistische über 100 Rote Fahne Partei Deutschlands (MLPD) - wöchentlich - 8 Parteibezirke, über 5.000 100 Ortsgruppen und Lernen und Kämpfen (luk) Stützpunkte - monatlich - 1.000 Bund Westdeutscher 30 Politische Berichte Kommunisten (BWK) - vierzehntägig - 8 Landesverbände 1.200 - Köln - Kommunistischer Bund (KB) 10 Arbeiterkampf (ak) Landesverbände - monatlich - - Hamburg - 5.500 aufgelöst am 20.04.1991 KB-Gruppe Nürnberg nach wie vor aktiv Vereinigte Soziaiistische 20 Sozialistische Partei (VSP) Zeitung (SOZ) Landesverbände, Orts- - vierzehntägig gruppen, Zellen 2.500 - Köln - SOZ-Magazin - unregelmäßig 2.2 Nebenorganisationen: AB-Nebenorganisation: Kommunistischer Hochschulunter 50 bund (KHB) 49 Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen - einschl. Sitz (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise (Ende 1991) * und Auflagen - z . T. geschätzt-) MLPD-Nebenorganisationen: Arbeiterjugendverband/Marzusammen Rebell xisten-Leninisten (AJV/ML) 30 - Beilage zur (mit der KinderorganisaRoten Fahne - tion "Rotfüchse") Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) 2.3 Beeinflußte Organisationen: AB-beeinflußt: Antifaschistisches Komitee - Demokratischer Stoppt die schwarzbraune 90 Informationsdienst Sammlungsbewegung (AKS) (DID) - München, Regensburg - - unregelmäßig - bis zu 2.500 Initiative für die Vereinigung der Kämpfende Jugend revolutionären Jugend (IVRJ) - unregelmäßig - - München, Nürnberg und Regensburg - BWK/VSP-beeinflußt: Volksfront gegen Reaktion, 40 Antifaschistische Faschismus und Krieg Nachrichten (VOLKSFRONT) -vierzehntägig - - Köln - 600 3. Undogmatische Neue Linke: Autonome Überwiegend: München und 400 z. T. unregelmäßig Erlangen/Nürnberg erscheinende "Szeneblätter" SABOT, radikal, Interim, Wie weiter Bunte Hilfe Nordbayern (BHN) - Nürnberg - 50 2. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines Merkmale des Der Rechtsextremismus verfügt im Gegensatz zum LinksextremisRechtsextremismus mus, der im Marxismus-Leninismus ein geschlossenes, inzwischen allerdings weitgehend obsolet gewordenes ideologisches Weltbild vorfand, über kein vergleichbar gefestigtes theoretisches System. Die Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland sind im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß sie die Grundlagen der Demokratie ablehnen und - aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt - eine totalitäre Regierungsform unter Einschluß des Führerprinzips anstreben, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist (vgl. Allgemeiner Überblick). Bestimmende Merkmale des Rechtsextremismus sind vor allem - die pauschale Überbewertung der Interessen der "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die auf eine Aushöhlung der Grundrechte abzielt (völkischer Kollektivismus), - ein den Gedanken der Völkerverständigung mißachtender Nationalismus, - die offene oder verdeckte Wiederbelebung des Antisemitismus und anderer rassistischer Thesen, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, - immer wiederkehrende Versuche, die nationalsozialistische Gewaltherrschaft unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des Dritten Reiches zu rechtfertigen, die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige Verunglimpfung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten in der Absicht, den überragenden Wert der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in den Augen der Bevölkerung zu erschüttern. 51 Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen rechtsextremistischen Organisationen zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Mittel des Kampfes gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. Die zahlenmäßige Entwicklung der rechtsextremistischen Organisationen in Bayern und ihrer Mitgliederstärke ist aus der folgenden Übersicht zu ersehen (erkannte Mehrfachmitgliedschaften sind durch Abzug bereits berücksichtigt). 1989 1990 1991 Anzahl der Organisationen 24 22 23 Mitgliederstärke der NPD mit JN und NHB 1.550 1.450 1.110 DVU (bisher: DVU-Liste D)* 3.500 3.100 3.100 neonazistischen Organisationen 200 150 200 sonstigen Organisationen 350 300 310 5.600 5.000 4.720 Neonazistische Einzelaktivisten 50 40 20 rechtsextremistische Skinheads (bisher nicht ge 160 sondert erfaßt) Erkannte Rechtsextremisten insgesamt 5.650 5.040 4.900 * Hinweis: Die Mitglieder der aufgrund einer Satzungsänderung der DVU (Partei) angeschlossenen Deutschen Volksunion e. V. (DVU) einschließlich ihrer Aktionsgemeinschaften sind mit eingerechnet. Ähnlich wie im Vorjahr stellten die Deutsche Volksunion (DVU) mit dem ihr angeschlossenen gleichnamigen Verein und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) einschließlich ihrer Jugendund ihrer Studentenorganisation in Bayern über 85 Prozent des gesamten rechtsextremistischen Potentials. Mit der Wahl Stabilisierung eines neuen Parteivorstands hat die NPD ihre Führungskrise übervon NPD und DVU wunden; ferner ist es ihr gelungen, mit Hilfe von Spenden und drastischen Sparmaßnahmen ihre desolaten Finanzen zu konsolidieren und durch Werbeerfolge in Ostdeutschland den bundesweiten Mitgliederschwund zu bremsen. Nach dem Scheitern des Wahlbündnisses mit der DVU war seit Anfang 1991 eine offenbar auf Sachzwängen beruhende allmähliche Wiederannäherung beider Parteien zu beobachten. Die DVU konnte in Bayern den Mitgliederstand des Vorjahres halten; bundesweit hat sie durch Zugewinne in den neuen Ländern fast wieder den Höchststand von 1989 erreicht. Der Aufwärtstrend der DVU manifestierte sich darüber hinaus in ihrem mit Unterstützung der NPD errungenen Wahlerfolg in Bremen; auch für die NPD, die an diesem Ergebnis partizipierte, ergab sich daraus ein beachtlicher Motivationsschub. 52 Neuer SammlungsMit der Gründung der Deutschen Liga für Volk und Heimat (Deutversuch der "natiosche Liga), die ein Auffangbecken insbesondere für unzufriedene nalen Rechten" Anhänger anderer rechtsextremistischer Organisationen darstellt und sowohl von der NPD als auch von der DVU strikt abgelehnt wird, hat das rechtsextremistische Parteienspektrum eine weitere organisatorische Zersplitterung erfahren. Aufschwung des Während die Entwicklung des organisierten Neonazismus in den organisierten alten Bundesländern weiterhin stagnierte und in Teilbereichen Neonazismus in sogar rückläufig war, zeigte sie in Ostdeutschland eine steigende Ostdeutschland Tendenz. Insbesondere Anhänger des Neonazis Michael Kühnen konzentrierten sich voll auf die Arbeit mit Gesinnungsgenossen in den neuen Ländern. Nach dem Tod ihres ideologischen Anführers im April 1991 begannen sie mit dem Aufbau eigenständiger regionaler Organisationen, womit sie offenbar staatliche Verbote erschweren wollen. Zunehmende MiliDurch den Wegfall des kommunistischen Unterdrückungsapparats tanz des nicht in Ostdeutschland wurde dort ein nicht zu unterschätzendes neoorganisierten nazistisches Aggressionspotential freigesetzt. Auch in den alten Neonazismus Bundesländern stellen militante Neonazis, die Gewalt nicht nur befürworten, sondern auch anwenden, eine ernstzunehmende Bedrohung der öffentlichen Sicherheit dar. Gleiches gilt für breite Bereiche der Skinheads, die in der Mehrzahl eine zumindest unterschwellig vorhandene neonazistische Gesinnung aufweisen und bei tätlichen Auseinandersetzungen das neonazistische Gewaltpotential verstärken; sie traten vor allem durch militante Aktionen gegen Asylanten und andere Ausländer in Erscheinung. Aktionsund Einen herausragenden Schwerpunkt rechtsextremistischer AktiAgitationsvitäten bildeten die von Neonazis und neonazistisch orientierten schwerpunkte Skinheads verübten fremdenfeindlichen Gewalttaten, deren Zahl seit April 1991 erheblich anstieg. Von dieser Entwicklung waren zunächst vorrangig die neuen Länder betroffen. Ab Sommer 1991 erfaßte die Welle der Gewalt jedoch auch die westlichen Bundesländer; im Oktober erreichte sie in Ost und West ihren Höhepunkt. Bevorzugte Angriffsziele waren Asylanten und deren Unterkünfte, aber auch Arbeitnehmer aus ehemaligen "sozialistischen Bruderländern", polnische Touristen sowie Angehörige der sowjetischen Stationierungsstreitkräfte. Bei den Tätern handelte es sich überwiegend um ortsansässige Jugendliche. Eine zentrale Steuerung der Ausschreitungen war nicht erkennbar. Begünstigt wurde die Gewaltwelle durch zum Teil ungünstige Rahmenbedingungen, insbesondere durch die schwierige Umstrukturierungsphase in den neuen Ländern. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch die anhaltenden Versuche von Rechtsextremisten, Vorbehalte gegen Ausländer durch Hinweise auf Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot von Deutschen sowie durch Agitation gegen "Überfremdung" und "Asylbetrug" propagandistisch zu nutzen. Die sogenannten Revisionisten, die insbesondere die massenhafte Ermordung von Juden durch das NS-Regime leugnen, waren bestrebt, ihre 1989 im Inund Ausland begonnene Agitationskam- 53 pagne mit Nachdruck in Deutschland fortzusetzen. Drei in Bayern geplante Revisionistentreffen mit ausländischer Beteiligung wurden verboten. Ein weiteres Agitationsthema war die Anerkennung der Westgrenze Polens durch die Bundesregierung. Mit diesem deutschlandpolitischen Anliegen hoffen Rechtsextremisten vor allem die politische Isolation überwinden zu können, in die sie im Zuge des Wiedervereinigungsprozesses geraten sind. 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 2.1 Ideologisch-politischer Standort Obwohl die NPD in ihrem Parteiprogramm "Nationaldemokratische Völkischer Gedanken für eine lebenswerte Zukunft" betont, sie trete für die Kollektivismus freiheitliche demokratische Grundordnung ein, lehnt sie wesentliche Prinzipien dieser Grundordnung ab. Die Unterschiede zwischen der Staatsund Gesellschaftsordnung des Grundgesetzes und den Vorstellungen der NPD beruhen vor allem auf unvereinbar gegensätzlichen Auffassungen zur Stellung des Einzelnen in der Gemeinschaft und zur Stellung des Staates ihm gegenüber. Die NPD gibt dem Staat vor dem Einzelnen den Vorrang. Sie tarnt diese Haltung hinter einem Bekenntnis zur "souveränen Volksherrschaft", die insbesondere durch ein "ausgewogenes Verhältnis zwischen individueller Freiheit und dem Recht der Gemeinschaft" gekennzeichnet sei. Der Primat des Individuums vor dem Staat, wie er sich aus Art. 1 des Grundgesetzes ergibt, ist in der von der NPD propagierten "Gemeinschaft des Volkes" nicht im erforderlichen Umfang gewährleistet. Die pauschale Überbewertung der "Volksgemeinschaft" im Sinne eines völkischen Kollektivismus knüpft an ein Leitbild an, das wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war. Die Absicht, Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft durch die uneingeschränkte Unterordnung des Einzelnen unter nicht näher definierte Gemeinschaftsinteressen aufzuheben, ist mit den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten und der Bindung aller Staatsgewalt an die Grundrechte nicht vereinbar. Sie verkennt, daß die Menschenrechte des Einzelnen originär sind und sich nicht von einer "Volksgemeinschaft" ableiten lassen. Ferner klingen in den Veröffentlichungen der Partei nach wie vor Nationalismus und rassistische und nationalistische Zielsetzungen und Denkweisen Rassismus an. Ihre für Rechtsextremisten charakteristische Ablehnung alles Andersartigen, hinter der sich die Überzeugung von der Höherwertigkeit der eigenen Rasse und Nation verbirgt, versucht die NPD unter Berufung auf die "Vielfalt des Lebens und seiner Erscheinungen" zu rechtfertigen, wobei sie sich als Gegnerin des "längst überholten Dogmas der vorgeblichen Gleichheit aller Menschen" präsentiert. Entsprechend dieser Grundeinstellung, die auf ihrem vermeintlich "lebensrichtigen Menschenund Weltbild der Ungleichheit" beruht, in Wirklichkeit aber auf eine mit Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes unvereinbare Rassendiskriminierung hinausläuft, behandelt die Partei das Ausländerund Asylantenproblem vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der "Überfremdung" und vertritt die Auffassung, die als Integration getarnte "Zwangsgermanisierung" der hier lebenden Ausländer trage zum Verlust unserer "nationalen Identität" bei. So erklärte sie, die Lage der Nation sei u. a. durch eine "fortschreitende Entdeutschung Deutschlands durch ungebremste Ausländerund Asylantenzuwanderung" gekennzeichnet. Immer drängender stelle sich die Frage nach der "Wahrung der völkischen Substanz" und nach dem "Überleben der Deutschen als Volk". Die nationalistische Zielsetzung der Partei wurde vor allem in ihren Verlautbarungen zur Ausländerpolitik und zum Golfkrieg deutlich. So wandte sich die NPD gegen den "Zustrom von unerwünschten Ausländern nach Deutschland" und betonte, das weltweite Elend sei kein Grund, daß das Land der Deutschen zum Abbruch freigegeben und als Welt-Sozialamt betrachtet und ausgebeutet werde. Zum Golfkonflikt erklärte die Partei, sie lehne es ab, daß "deutsche Soldaten für fremde Interessen verheizt werden". Statt 18 Milliarden DM für den Golfkrieg oder sechs Milliarden DM jährlich für Scheinasylanten zu zahlen, solle deutsches Geld lieber für "deutsche Arbeiter" bzw. für den "Aufbau in Mitteldeutschland" verwendet werden. NS-Apologie Wie in den Vorjahren verzichtete die Partei weitgehend auf Versuche, das NS-Regime zu rechtfertigen, und beschränkte sich im wesentlichen auf Kritik an der "Umerziehung" und der "Zementierung von Geschichtslügen". So wandte sie sich gegen die "Dogmen von der deutschen Alleinkriegsschuld und von der Einzigartigkeit der NS-Verbrechen" und behauptete, die "Angst vor dem Zerbröseln der den Deutschen zugewiesenen Schuldrolle" habe nicht nur zu den "sich permanent steigernden Bewältigungshysterien und Betroffenheitsritualen" geführt, sondern "inzwischen eine absurde, rechtsstaatsfremde und zutiefst antidemokratische Staatsdoktrin gezeugt". Faktisch habe die StrafJustiz die historische Forschung in Deutschland insoweit abgelöst, als neue Erkenntnisse, die nicht in das Bild der "angeblich .historisch feststehenden' Tatsachen" paßten, zum Fall für die Anklagebehörden würden. Die NPD polemisiert damit offenbar gegen die Strafbarkeit der "Auschwitz-Lüge". Diffamierung Zu den Hauptangriffszieien der Partei gehören nach wie vor die demokratischer demokratischen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland und Institutionen j n r e Repräsentanten. Dabei tritt an die Stelle konstruktiver Kritik an einzelnen Mißständen eine bewußt entstellende und überspitzt verallgemeinernde Form der Darstellung. So griff die NPD die "Lakaien-Politik" der "Bonner Kartellparteien" an, die "zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen" seien, sich nur Schaukämpfe lieferten und die Parlamente in "Quasselbuden" verwandelten. Weiter behauptete sie, das "etablierte Parteienkartell von CDU/CSU bis FDP und SPD" habe Millionen Deutsche getäuscht und "als Stimmvieh für Machtinteressen herrschender Politiker mißbraucht". Zwischen "Altparteien" und Bürgern klaffe eine gewaltige Lücke, in 55 deren Abgründen sich "Auswüchse an Korruption, Filz und Abhängigkeit" mehrten. Diese diffamierende Polemik läßt darauf schließen, daß die NPD die Prinzipien des Mehrparteiensystems und der Chancengleichheit der Parteien trotz ihres formalen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt. 2.2 Organisation Die am 28. November 1964 in Hannover von Funktionären der ehemaligen Deutschen Reichspartei (DRP) gegründete NPD konnte auch durch Werbeerfolge in den neuen Ländern den anhaltenRückgang der den Mitgliederschwund nicht stoppen. Sie zählte Ende 1991 im Mitgliederzahl gesamten Bundesgebiet noch etwa 6.100 Mitglieder, während ihr ein Jahr zuvor allein in den alten Bundesländern rund 6.500 Personen angehört hatten. Seit dem Zusammenschluß der Landesverbände Berlin und Brandenburg im Juni 1991 gliedert sich die Partei in 15 Landesverbände. Bei der Neuwahl des Parteivorsitzenden am 8. Juni konnte sich Neuer Parteierwartungsgemäß der frühere Bundesvorsitzende der Jungen vorstand Nationaldemokraten (JN) Günter Deckert aus Weinheim durchsetzen, der bereits von 1975 bis 1977 stellvertretender Parteivorsitzender war. Seine Stellvertreter sind Hermann Lehmann aus Uehrde, Thomas Salomon aus Berlin und der bayerische Landesvorsitzende Walter Bachmann aus Regensburg, der die Partei seit dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden Martin Mußgnug im Dezember 1990 kommissarisch geleitet hatte. Der Landesverband Bayern mit Sitz in München zählt rund 1.000 Organisation in (1990: 1.300) Mitglieder (ohne JN und NHB). Er gliedert sich in Bayern sieben Bezirksund rund 60 Kreisverbände, von denen aber mehr als die Hälfte nicht aktiv ist. Als Organ der NPD erscheint im parteieigenen Verlag in Stuttgart Publikationen die Zeitung "Deutsche Stimme" mit einer durchschnittlichen monatlichen Auflage von knapp 70.000 (1990: 200.000) Exemplaren. Als Argumentationshilfe für Mitglieder gibt der Parteivorstand unregelmäßig die Presseinformation "Neuer politischer Dienst" und das Schulungsblatt "NPD-Forum" heraus. Ebenso wie die "Deutsche Stimme", die 1991 zeitweise gar nicht, ansonsten nur in erheblich reduziertem Format erschien, hatten auch die regionalen Publikationen der NPD mit personellen und finanziellen Problemen zu kämpfen. In ihrem Rechenschaftsbericht nach dem Parteiengesetz wies die Angespannte NPD für 1990 Gesamteinnahmen von rund 3,2 Millionen DM Finanzlage (1989: 2,7 Millionen) aus, von denen 542.158 DM auf Mitgliedsbeiträge und 1.197.836 DM auf Spenden entfielen. Beim Landesverband Bayern sind für 1990 Gesamteinnahmen von 291.943 DM ausgewiesen, davon 43.061 DM an Mitgliedsbeiträgen und 217.778 DM an Spenden (Bundestagsdrucksache 12/2165). Obwohl die Partei noch die für die Bundestagswahl 1990 geleiste- 56 Parteiorgan der NPD Nafi nokratin im Fernsei :*< iiSTsSLf Einzel :2JU" DEUTSCHE 28.-ÖS hrq. Nr. 11 12 91 STIMME Nationaldemokratische Zeitung Jahresabo: 36.DM Ausgabe PS 8027E Asylbetrug, Ausländerkriminalität, Überfremdung ohne Ende? te Wahlkampfkostenvorauszahlung in Höhe von rund 820.000 DM zurückzuerstatten hat, zeichnet sich eine allmähliche Konsolidierung ihrer Finanzen ab. 2 3 Wahlabsprachen mit der DVU Obwohl NPD und DVU ihr mit der Bundestagswahl 1990 formal beendetes Wahlbündnis übereinstimmend als eindeutigen Fehlschlag werteten, demonstrierten sie Anfang 1991 überraschend Einigkeit in der Frage einer weiteren Zusammenarbeit. So propagierte der kommissarische NPD-Vorsitzende Walter Bachmann in den vom DVU-Vorsitzenden Dr. Gerhard Frey herausgegebenen Wochenzeitungen vom 4. Januar ein Bündnis "nationaler und freiheitlicher" Kräfte mit dem Ziel parlamentarischer Mitwirkung und trat für eine "Normalisierung" der Beziehungen zwischen beiden Parteien als Voraussetzung eines "späteren Miteinander bei Wahlen" ein. Umgekehrt bekräftigte Dr. Frey in einem Rundschreiben vom 27. Februar seinen Konsens mit der NPD in der Frage einer Zusammenarbeit und betonte, die DVU suche "ein geregeltes Nebenund möglichst Miteinander" mit den wesentlichen Faktoren des nationalen Spektrums. Als Motive dieser unerwarteten Wiederannäherung kommen vor allem Sachzwänge wie die angespannte finanzielle Lage der NPD und die Gründung der von beiden Parteien offensichtlich als Konkurrenz gefürchteten "Deutschen AllianzVereinigte Rechte" (vgl. Nr. 5.2) in Betracht. Entsprechend einem bereits im März gefaßten Beschluß unterstützte die Bremer NPD bei der Bürgerschaftswahl am 29. September erneut die DVU und partizipierte diesmal insofern an deren Wahlerfolg, als zwei auf der Liste der DVU kandidierende NPDFunktionäre in die Bremer Bürgerschaft einzogen. Danach stimmten NPD und DVU auch für die Landtagswahlen im Frühjahr 1992 ihr taktisches Zusammenwirken dahingehend ab, daß in Schles- 57 wig-Holstein die DVU und in Baden-Württemberg die NPD - jeweils mit Unterstützung des nicht kandidierenden Bündnispartners - antritt. 2.4 Sonstige Aktivitäten Der 24. Ordentliche Bundesparteitag am 8./9. Juni in HerzogenBundesparteitag aurach, Landkreis Erlangen-Höchstadt, war von Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der damaligen Parteigründungsinitiative "Deutsche Allianz - Vereinigte Rechte" (DA) gekennzeichnet. Letztere vertraten die Auffassung, daß die NPD abgewirtschaftet habe und politisch chancenlos sei. Mit der Wahl von Günter Deckert zum neuen Parteivorsitzenden erteilten die Delegierten den u. a. von dessen Vorgänger Martin Mußgnug maßgeblich mitgetragenen Bestrebungen, die NPD in eine neue "rechte" Sammlungsbewegung einzubringen, eine deutliche Absage; zugleich zogen sie einen Schlußstrich unter die mit Mußgnugs Rücktritt und seinem späteren Engagement für die DA eingeleitete Führungskrise. Auf Deckerts einzigen Gegenkandidaten, den bisherigen stellvertretenden Parteivorsitzenden und Vorstandssprecher der DA Jürgen Schützinger, der wie Mußgnug erfolglos versucht hatte, die NPD für eine Fusion mit der DA zu gewinnen, entfiel knapp ein Viertel der Stimmen. Unter dem Motto "Vielfalt der Völker gegen multikulturelle Einfalt" Bayer. hielt der NPD-Landesverband Bayern am 13. Juli in Hersbruck, Landesparteitag Landkreis Nürnberger Land, seinen Parteitag ab. Grußbotschaften hatten u. a. der Vorsitzende der Deutschen Volksunion (DVU) Dr. Gerhard Frey und die "Bundesmädelführerin" der Wiking-Jugend (WJ) übersandt. Der NPD-Generalsekretär Ulrich Eigenfeld betonte in seiner Rede, die Zeit für nationale Politik sei mehr als reif; dies zeige die Entwicklung in den neuen Ländern. Personell habe sich die Spreu vom Weizen getrennt. Da auch die finanzielle Talsohle inzwischen überwunden sei, könne die Partei positiv in die Zukunft blicken. Darüber hinaus trat die bayerische NPD wie in den Vorjahren mit den üblichen "Reichsgründungsfeiern", einem "Politischen Aschermittwoch" sowie 1. Maiund Sonnwendfeiern in Erscheinung. 2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) Die JN als Jugendorganisation der NPD sind nach ihrem Statut zur Ideologisch-poliaktiven Mitarbeit in den Gremien der NPD verpflichtet. Sie bekentischer Standort nen sich in Ideologie und Zielsetzung zum Programm der Mutterunverändert partei, artikulieren und verhalten sich aber auch in der Öffentlichkeit wesentlich aggressiver. So wandten sie sich gegen "antideutsche Psychopathen" und "Systempolitiker", die "unser Volk durch den Massenzustrom von Ausländern und Asylanten überfremden und entmündigen" wollten. Ferner polemisierten sie mit der Forderung "Das Volk an die Macht" gegen die derzeitige Gesellschaft, in der "Demokratie nur noch Heuchelei" sei. Außerdem behaupteten sie, die Medien täuschten Meinungsvielfalt nur vor, während sie in 58 Organ der JN Wirklichkeit "eine knallharte Meinungsmanipulation und Bewußtseinskontrolle" betrieben. Weitere Angriffe richteten sich gegen "Fremdbestimmung und Fremdherrschaft"; insbesondere müsse der "Einfluß der Betonköpfe in der Brüsseler EG-Schaltzentrale und in den Chefetagen der multinationalen Konzerne auf die Politik" zurückgedrängt werden. Es gelte zu verhindern, daß "unser Land Schritt für Schritt zugrunde gerichtet" werde. Verhältnis zur Die Beziehungen zur NPD waren auch 1991 nicht frei von KonflikMutterpartei ten. So kritisierten die JN den Führungsstil des neuen Parteivorsitzenden und dessen Kontakte zur Wiking-Jugend (WJ). Außerdem waren sie zeitweise entschlossen, durch eine Umwandlung der JN in einen eingetragenen Verein mehr Eigenständigkeit zu gewinnen und sich von der NPD deutlicher abzugrenzen; diese Bestrebungen scheiterten allerdings an der ablehnenden Haltung der NPDSpitze. Gravierende Infolge von Führungsschwächen und Mitgliederverlusten gerieten Mitgliederverluste die JN in eine ernsthafte Krise. Während sie im Vorjahr in den alten Bundesländern noch rund 800 Mitglieder zählten, verringerte sich deren Anzahl im Berichtsjahr um rund ein Drittel auf etwa 550, davon 100 (1990: 150) in Bayern. In den neuen Ländern sind bisher keine erkennbaren organisatorischen Strukturen vorhanden. Erneuter Unter dem Motto "Mitten im Sturm - Nationalismus voran!" fand Führungswechsel am 16./17. März in Oranienburg bei Berlin der 20. Ordentliche JN-Bundeskongreß statt. Die Delegierten wählten Erhard Hübschen aus Offenbach/Rheinland-Pfalz zum neuen Bundesvorsitzenden; sein Vorgänger Frank Kolender hatte diese Position nur ein halbes Jahr lang bekleidet. Neugliederung Die schwindende Zahl der arbeitsfähigen Untergliederungen und in Bayern mobilisierbaren Aktivisten zwang die JN in Bayern zu einer organisatorischen Straffung. Entsprechend der auf dem Landeskongreß am 21. September in Straubing beschlossenen neuen Organisationsordnung wurden die bisherigen Kreisund Bezirksverbände aufgelöst und durch "Regionale Aktionsgruppen" (RAG) ersetzt. Leiter der RAG München/Ebersberg ist der JN-Landesvorsitzende Christian Ehrenstraßer. Die öffentlichen Aktivitäten der bayerischen JN beschränkten sich Weitgehende im allgemeinen auf die Verbreitung von Schriften und sonstige ProInaktivität pagandaaktionen. Mitglieder der späteren RAG Franken verteilten am 15. September in Gries am Brenner ein Flugblatt des JN-Landesverbandes Bayern mit dem Titel "Blickpunkt Südtirol". Darin hieß es, lange unterdrückte Völker kämpften derzeit überall in Europa für die Wiedergewinnung ihrer Würde und nationalen Unabhängigkeit. Auch Südtirol habe jetzt die Wahl zwischen Anpassung oder Widerstand. Da eine Vereinigung mit Nordtirol gegenwärtig nicht realisierbar sei, müßten die Südtiroler einstweilen für einen "Freistaat Südtirol" votieren, der eine entscheidende Etappe auf dem Weg zu einem "neuen Reich aller Deutschen" sein werde. 3. Deutsche Volksunion (DVU) (bisher: DVU-Liste D) 3.1 Ideologisch-politischer Standort Die DVU hat sich ihrem Programm zufolge das Ziel gesetzt, den Allgemein formu"Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm liertes Programm zu wenden". Ihr "ganzes Streben gilt der Durchsetzung von Recht und Freiheit für das deutsche Volk und Vaterland, eines gleichen Rechts für alle Deutschen". Das Parteiprogramm ist - wie schon an den vorstehend zitierten Schlußpassagen erkennbar - bewußt allgemein formuliert, um politischen Gegnern möglichst wenig Angriffsflächen zu bieten. Die Partei setzt sich mit Parolen wie "Deutschland soll deutsch bleiben", "Deutschland zuerst" und "Gleichberechtigung für das deutsche Volk" dafür ein, den Ausländeranteil zu begrenzen, den "zunehmenden Ausländerzustrom" in das Bundesgebiet zu stoppen und die "Zuweisung von Kollektivschuld und Kollektivverantwortung an die Deutschen" einzustellen. Die .am Programm nicht ohne weiteres erkennbare rechtsextremiNS-Apologie stische Grundhaltung der Partei wird erst an den ihr zurechenbaren Äußerungen führender Funktionäre sowie am Inhalt ihrer publizistischen Sprachrohre deutlich, die im Verlag des Bundesvorsitzenden Dr. Frey erscheinen. Einen Agitationsschwerpunkt bildeten darin Versuche, die NS-Zeit durch Leugnung oder Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu rechtfertigen bzw. zu verharmlosen. In diesem Zusammenhang agitierte die Partei auch gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze. So wandte sie sich gegen den "Mythos abgrundtiefer historischer Schuld Deutschlands gegenüber Polen" und betonte, Polens Haltung sei "herausfordernd und starr", sein "Schuldanteil am Zweiten Weltkrieg" also "beachtlich" gewesen. Gleichwohl solle nunmehr ein Viertel Deutschlands "gewissermaßen als Anerkennung für das bisher ungesühnte Menschheitsverbrechen von Vertreibung und Völkermord an den Ostdeutschen" an Warschau verschenkt werden. Bald ein halbes Jahrhundert nach dem Untergang des Nationalsozialismus gehe es aber nicht länger an, die deutsche Vergangenheit als Hebel für alle 60 möglichen politischen oder finanziellen Forderungen zu mißbrauchen. Das ganze System der "Umerziehung" diene letztlich nur dem Zweck, von "Untaten unserer Zeit sowie von zukünftigen Schandtaten" abzulenken. Nationalismus Breiten Raum nahmen außerdem vorwiegend nationalistisch geprägte Aussagen zum Ausländerproblem ein. So wandte sich die Partei gegen eine Politik, die "das deutsche Volk durch Überfremdung und Umvolkung auslöschen" woNe. Diffamierung Des weiteren behaupteten die publizistischen Sprachrohre der demokratischer DVU, daß das parlamentarische System der Bundesrepublik Institutionen Deutschland "zu einem viele Milliarden fressenden Moloch entartet" sei. Die Abgeordneten betrachteten den Staat als "Selbstbedienungsladen", betrieben die "Ausplünderung des deutschen Steuerzahlers" und seien "längst nicht mehr Diener, sondern Großverdiener am Volk". Insbesondere versuchte die Partei, durch Beschimpfungen und Verdächtigungen das Vertrauen zu führenden Repräsentanten des demokratischen Staates zu erschüttern. So kommentierte sie den Besuch der Bundestagspräsidentin in Polen als "Dolchstoß gegen Deutschland" und erklärte, die Politikerin mehre zwar durch die "immerwährende Beschwörung deutscher Alleinschuld und Kollektivverantwortung" ihren eigenen Nutzen in der Zustimmung der internationalen Meinungsindustrie, füge jedoch gleichzeitig "durch ein Übermaß nationalmasochistischer Exzesse dem deutschen Volk unendlichen Schaden zu". 3.2 Organisation Die DVU wurde am 5. März 1987 in München unter maßgeblicher Beteiligung von Mitgliedern und Funktionären der NPD und der bereits seit 1971 bestehenden "überparteilichen" Deutschen Abwärtstrend Volksunion e.V. (DVU) gegründet. Sie zählte Ende 1991 einschließgestoppt lich der zwei Jahre zuvor nach einer Satzungsänderung übernommenen Angehörigen des gleichnamigen Vereins nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bundesweit rund 24.000 (1990: 22.000) Mitglieder, davon wie im Vorjahr etwa 3.100 in Bayern, und hat damit fast wieder den Höchststand des Jahres 1989 erreicht. Diese Entwicklung ist maßgeblich auf den organisatorischen Aufbau in den neuen Ländern zurückzuführen. Bundesvorsitzender ist der Verleger Dr. Gerhard Frey aus München. Sein Stellvertreter ist Gerhard Wilke aus Niedersachsen. Ende 1991 verfügte die Partei über 14 Landesverbände. Die Mitglieder in Berlin und Brandenburg sind im Landesverband Berlin-Brandenburg zusammengefaßt; die Gründung des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern steht noch aus. In Bayern bestehen die Bezirksverbände Oberbayern, Niederbayern, Mittelfranken, Oberpfalz und Schwaben sowie 15 Kreisverbände und vier Ortsverbände in Parteiname München. Auf dem Bundesparteitag, der am 16. Februar im Rahgeändert men einer Großkundgebung in Passau stattfand, wurde durch eine Satzungsänderung der bisherige Zusatz "Liste D" aus dem Parteinamen gestrichen. 61 Publizistische Sprachrohre der KZ-Supermarkt - warum nicht? DVU Müssen wir ewig wegen Hitler büßen? SHH Deutsche ' R 22g5 c National+Zeitune !.A(tm)u't'i"rdeg"'B 0 I.MOM/11-OS f r e i h e i t l i c h * u n a b h ä n g i g * Überparteilich MM"*, " * * * > ^k^7 Ausländer bald in der Mehrheit? Ausländerhaß: Die Drahtzieher W a s d a s F e r n s e h e n v e r s c h w e i g t "Seite sj Irr 1-IJIIH-liMm.UJbMJ -53 FÜR NATIONALE POLITIK * KULTUR UND W I R T S C H J FT Deutschland den Ausländern? Me Schuld den deutschen? Im Verlag des Parteivorsitzenden erscheinen die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und die teilweise inhaltsgleiche "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ); letztere führt im Untertitel noch die Bezeichnung des Ende 1990 eingestellten "Deutschen Anzeigers" (DA). Beide Wochenzeitungen fungieren als Werbeträger und publizistische Sprachrohre sowohl der Partei als auch des gleichnamigen eingetragenen Vereins. In ihrem Rechenschaftsbericht nach dem Parteiengesetz wies die Defizitäre DVU für 1990 Gesamteinnahmen von rund 2,4 Millionen (1989: 8,4 Finanzlage Millionen) DM aus, von denen 672.068 DM auf Mitgliedsbeiträge, 1.028.812 DM auf Spenden und 567.700 DM auf Wahlkampfkostenerstattung entfielen. Da die Ausgaben annähernd den Einnahmen entsprachen, blieb das insbesondere durch die Teilnahme an der Europawahl 1989 entstandene Defizit von rund 11,5 Millionen DM nahezu unverändert. 3.3 Wahlbeteiligung Anläßlich der Bürgerschaftswahl in Bremen am 29. September hoffte die DVU, an den Erfolg von 1987 anknüpfen zu können, nachdem sie 1990 in eine Krise geraten war und angesichts der deutschen Wiedervereinigung in fast völliger Inaktivität verharrt hatte. Mit einem unerwartet hohen Stimmengewinn konnte die Par- 62 tei ihren Wahlerfolg von 1987 erheblich ausbauen. Nach dem amtlichen Endergebnis erreichte sie mit 22.878 Stimmen (1987: 13.299) einen Anteil von 6,2 % (1987: 3,4 %), davon 5,4 % im Wahlbereich Bremen und 10 % in Bremerhaven, wo sie sogar drittstärkste Partei wurde. Aufgrund dieses Ergebnisses entsandte die DVU sechs* Abgeordnete in die Bremer Bürgerschaft, darunter die auf den Plätzen 2 und 4 ihrer Liste nominierten führenden NPD-Funktionäre Hans Weidenbach und Karl-Heinz Vorsatz. Die Partei erlangte außerdem einen Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung. Bei der Wahl der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung erreichte die DVU mit einem Stimmanteil von 10,3 % (1987: 5,3 %) fünf (1987: zwei) Mandate. 3.4 Sonstige Aktivitäten Unter dem Motto "Deutschland den Deutschen" führte die DVU am 16. Februar in der Passauer Nibelungenhalle ihre diesjährige Großkundgebung mit rund 3.000 Teilnehmern durch. Aus den neuen Ländern waren etwa 450 DVU-Anhänger, unter ihnen rund 150 Skinheads, angereist. Als Gäste waren ferner Besucher aus Österreich und Südtirol sowie eine Delegation der deutschen Volksgruppe aus Schlesien anwesend. Der Bundesvorsitzende Dr. Gerhard Frey bezeichnete in seinem Referat den Verzicht der Bundesregierung auf die deutschen Ostgebiete als Verfassungsbruch. 4 Deutsche Volksunion e. V. (DVU) 4.1 Ideologisch-politischer Standort Übereinstimmung Der eingetragene Verein DVU entspricht ideologisch der gleichnamit der DVU migen Partei. Auch sein Erscheinungsbild ist im wesentlichen (Partei) durch eine vorwiegend nationalistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit, gelegentlich auch durch eine Vermengung von Antisemitismus und AntiZionismus gekennzeichnet. Hinzu kommen Versuche, die NS-Zeit durch Leugnung oder Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu rechtfertigen bzw. zu verharmlosen. Außerdem diffamiert der Verein demokratische Institutionen und deren Repräsentanten. 4.2 Organisation Der Verein wurde im Jahre 1971 in München als Auffangbecken für ehemalige NPD-Anhänger gegründet. Nach seiner Satzung haben die Mitglieder außer der Zahlung monatlicher Beiträge keine weiteren Verpflichtungen. Konstante Der Verein zählt derzeit im Bundesgebiet zusammen mit seinen Mitgliederzahlen Aktionsgemeinschaften nach Erkenntnissen der VerfassungsDer Abgeordnete Hans Altermann, der 1987 als einziger Vertreter der DVU in die Bremer Bürgerschaft eingezogen war, hat Mitte Oktober 1991 wegen Differenzen mit Dr. Frey die Partei verlassen und sich inzwischen der Deutschen Liga für Volk und Heimat angeschlossen. 63 Schutzbehörden wie im Vorjahr rund 11.500 Mitglieder, davon etwa2.100 in Bayern. Bundesvorsitzender ist Dr. Gerhard Frey. Seit der Gründung der DVU als Partei entwickelt der Verein kaum mehr eigene Initiativen. Nach einer Ende 1988 beschlossenen SatIntegration in zungsänderung gehören die über 16 Jahre alten Vereinsmitgliedie D V U (Partei) der zugleich der Partei an, sofern sie nicht widersprechen. Dadurch sollten offensichtlich die Unterschiede zwischen Verein und Partei verwischt und der Öffentlichkeit und potentiellen Interessenten eine steile Aufwärtsentwicklung der Partei suggeriert werden. 4.3 Aktionsgemeinschaften der DVU Die vom Verein geschaffenen Aktionsgemeinschaften, deren MitInsgesamt breites gliedsbeiträge attraktiv niedrig gehalten werden, sind integrierte Agitationsspektrum, Bestandteile des Vereins. Ihre Veröffentlichungen erscheinen fast aber k a u m Aktivitäten ausschließlich in den "national-freiheitlichen" Wochenblättern von Dr. Frey. Der Beitritt zu einer Aktionsgemeinschaft begründet kraft Satzung gleichzeitig die Mitgliedschaft im Verein. Die Wirksamkeit und Gefährlichkeit dieser Propagandainstrumente beruht insbesondere darauf, daß sich ihre Aussagen nur auf Teilbereiche rechtsextremistischer Agitation beziehen und bei isolierter Betrachtungsweise vielfach nicht erkennen lassen, welche Grundhaltung hinter anscheinend unverfänglichen, auch Nichtextremisten vermittelbaren Forderungen wie z. B. "Schutz der deutschen Kultur" steht. ANZEIGE W e r b e a n z e i g e der D V U u n d ihrer Für Deutschlands Recfite AktionsgemeinDEUTSCHE VOLKSUNION e. V. (DVU) schaften (Auszug) jJSS Vereinigung der verfassungstreuen Rechten und freiheitlichen Mitte (Vorsitzender Dr. Gerhard Frey) Aktion Oder-Neiße (AKON) setzt sich für ein deutsches Deutschland in gerechten Grenzen ein Initiative für Ausländerbegrenzung (I. f. A.) verteidigt den deutschen Charakter Deutschlands Ehrenbund Rudel Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten Aktion deutsches Radio und Femsehen (ARF) will die Interessen des deutschen Volkes bei diesen Medien durchsetzen Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur kämpft für den Erhalt des Lebens und der Heimat i Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) ^(tm) arbeitet für ein Ende der Kriegsverbrecherprozesse gegen Besiegte des II. Weltkrieges Wie im Vorjahr traten die sechs Aktionsgemeinschaften mit eigenständigen Aktionen kaum an die Öffentlichkeit. 64 5. Deutsche Liga für Volk und Heimat (Deutsche Liga) 5.1 Ideologisch-politischer Standort Die Deutsche Liga bekennt sich formal zur "Demokratie" und zum "pluralistischen Rechtsstaat". Ihr bewußt zurückhaltend formuliertes Parteiprogramm enthält gleichwohl Indizien für eine nationalistische, rassistische und völkisch-kollektivistische Grundhaltung, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, insbesondere Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. Die Berührungspunkte zum rechtsextremistischen Aufkleber der Deutschen Liga jjjj&^ffl *K 1 DEUTSCHE LIGA DEUTSCHE LIGA FÜR VOLK UND 1IEIMAT 4 FÜR VOLK UND HEIMAT Anschrift: Postfach 543,8300 Landsh Litt Anschrift: Postfach 543,8300 Landshut 1 Gedankengut der NPD und der DVU sind offensichtlich. So lehnt die Partei "Gleichmacherei, Überfremdung und Bevormundung" ab, bekennt sich zur "Völkervielfalt" und betont die "Eingebundenheit des Menschen in Volk und Heimat" sowie die "Unterschiedlichkeit der Menschen und Nationen". Nach Auffassung der Deutschen Liga verursacht der zunehmende Mangel an Wertvorstellungen und moralischen Grundsätzen Schäden am "Gemeinschaftsbewußtsein"; Gruppenegoismen der Parteien und Verbände überlagerten vielfach die "Verantwortung für das Ganze". Außerdem fordert die Partei eine wahrheitsgemäße Geschichtsschreibung, die sich nicht für "Kollektivschuldthesen und andere politische Manipulationen mißbrauchen" lasse; Vergangenheitsbewältigung und Wiedergutmachung dürften nicht zur "politischen Erpressung" führen. Die extremistische Zielsetzung der Partei wird durch die personelle Zusammensetzung der Führungsspitze bestätigt. Der Bundesvorstand besteht - ebenso wie der bayerische Landesvorstand - 65 etwa zur Hälfte aus Personen mit rechtsextremistischem Vorlauf, zum Teil in maßgebenden Positionen, die bisher nicht erkennen ließen, daß sie ihre frühere politische Überzeugung geändert hätten und nunmehr demokratische'Positionen anstrebten. 5.2 Organisation Vor dem Hintergrund ausbleibender Erfolge und rückläufiger Mitgliederzahlen hatten etwa seit Mitte 1990 führende Vertreter der NPD unter Leitung des damaligen Parteivorsitzenden Martin Mußgnug und eine Gruppe unzufriedener "Republikaner" (REP) um deren Bundesgeschäftsführer Harald Neubauer einen Sammlungsversuch aller "nationalen Kräfte" diskutiert. Als Vorstufe für die Gründung einer neuen Partei wurde daraufhin am 18. Januar 1991 in München der Förderverein "Deutsche Allianz - Vereinigte Rechte" ins Leben gerufen. Dieser konstituierte sich schließlich am 3. Oktober in Villingen-Schwenningen/Baden-Württemberg unter der Bezeichnung "Deutsche Liga für Volk und Heimat" als Partei. Ende 1991 zählte die Deutsche Liga insgesamt rund 800 Mitglieder, davon etwa 70 in Bayern. An der Spitze der Partei stehen drei gleichberechtigte Vorsitzende, darunter die bekannten Rechtsextremisten Harald Neubauer (früher: NPD, DNZ) und Jürgen Schützinger (früher: NPD). Bundesgeschäftsführer ist Franz Glasauer aus Burgharting, Landkreis Erding, der wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt ist. Das Parteiorgan "Deutsche Rundschau" erscheint in Landshut. Am 16. November wurden in Regensburg der Landesverband Bayern und der Bezirksverband Oberpfalz gegründet; Landesvorsitzender ist Franz Glasauer. Weitere Landesverbände bestehen in Baden-Württemberg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. 5.3 Aktivitäten Die Partei blieb bisher auch innerhalb des rechtsextremistischen Lagers weitgehend isoliert. Ihre Aktivitäten in Bayern beschränkten sich im wesentlichen auf die Werbung von Mitgliedern und den organisatorischen Aufbau von Untergliederungen, vorwiegend auf Kreisebene. 6. Neonazistische Organisationen und Aktivitäten 6.1 Allgemeines Der Neonazismus (neuer Nationalsozialismus) umfaßt alle AktivitäZielsetzung ten und Bestrebungen, die ein offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und auf die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären bzw. totalitären Staates gerichtet sind. Nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 ist die Zahl der erkannten Neonazis im nunmehr größeren Bundesge- 66 biet gegenüber dem Vorjahr von rund 1.200 auf 1.700 gestiegen; darunter befinden sich etwa 220 (1990: 190) in Bayern. Etwa 1.500 (1990: 1.050) von ihnen sind den neonazistischen Organisationen als Mitglieder zuzurechnen, davon rund 200 (1990: 150) in Bayern. Die Zahl der "Einzelgänger", die durch neonazistische Aktivitäten in Erscheinung traten, ohne sich an.eine bestimmte Gruppe zu binden, ist bundesweit um rund 50 auf 200 gestiegen; davon entfallen etwa 20 (1990: 40) auf Bayern. Die 30 (1990: 27) erkannten neonazistischen Zusammenschlüsse im Bundesgebiet sind zum Teil lose Gesinnungsund Kampfkader, deren Anhänger sich teilweise auch in anderen Gruppen engagieren. Klare organisatorische Strukturen sind meist nicht erkennbar; regelmäßig dominiert jedoch ein "Führer", von dem auch der Bestand der Gruppe abhängt. Neonazistische Gruppen legen Wert darauf, in der Öffentlichkeit Aufsehen zu erregen und dadurch eine höhere Bedeutung vorzuspiegeln, als ihnen angesichts ihrer nach wie vor geringen Stärke und der Ablehnung durch die überwältigende Mehrheit der BevölAgitationskerung tatsächlich zukommt. Ihre Agitation richtet sich insbesonschwerpunkte d e re gegen die vom Grundgesetz garantierte Menschenwürde, das Demokratieprinzip und den Gleichheitsgrundsatz. Sie ist vor allem durch Bestrebungen zur Wiedereinführung des NS-Systems, unverhohlenen Antisemitismus und sonstigen Rassismus, Verharmlosung und Leugnung der NS-Verbrechen sowie durch Verherrlichung von Institutionen und Personen der Hitler-Diktatur gekennzeichnet. Teilweise ist auch eine Orientierung an der nationalrevolutionären Frühform des Nationalsozialismus zu beobachten. Eine geistige Durchdringung der eigenen Ziele und Methoden findet kaum statt. Die Auseinandersetzung mit den bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen beschränkt sich meist auf die kritiklose Übernahme von Parolen der ehemaligen Gewaltbereitschaft NSDAP. Gewalt wird emotional bejaht und angewendet, wie insbesondere die fremdenfeindlichen Ausschreitungen belegen. In neonazistische Aktivitäten eingebundene militante Skinheads (vgl. Nr. 6.6) verstärken dabei das rechtsextremistische Gewaltpotential. Der überwiegende Teil der Skinheads weist eine zumindest unterschwellig von rassistischer Ausländerfeindlichkeit und übersteigertem Nationalbewußtsein geprägte Einstellung auf und ist mittlerweile dem unorganisierten Neonazismus zuzurechnen. 6.2 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) Die GdNF setzte die Bestrebungen der Ende 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen neonazistischen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) fort. Sie sieht in Adolf Hitler den "Zeitenwender, die Heilsgestalt der arischen Rasse und den deutschen Nationalhelden". Ihre politische Generallinie ergibt sich aus dem vom ehemaligen Organisationsleiter der ANS/NA Michael Kühnen verfaßten "Politischen Lexikon der Neuen Front". 67 Die Gruppierung, die nach der Wende in der ehemaligen DDR ihre Erheblicher MitAktivitäten zunehmend auf die fünf neuen Länder konzentrierte gliederzuwachs in und dort viele neue Anhänger gewinnen konnte, zählte Ende 1991 den neuen Ländern bundesweit rund 400 (1990: 200) Aktivisten, davon wie im Vorjahr etwa 40 in Bayern, die sich dort Mitte 1991 im "Nationalen Block" (NB) zusammenschlössen (vgl. Nr. 6.3). Seit dem Tod von Michael Kühnen am 25. April tritt als sein Nachfolger an der Spitze der GdNF der bisherige Leiter ihres "Bereiches Ostmark" Gottfried Küssel aus Wien auf. Dieser militante NS-Aktivist war jahrelang ein enger Gefolgsmann Kühnens und gilt neben dem Hamburger Kühnens Nachfolge Christian Worch als führender Kopf innerhalb der GdNF. Es ist ihm umstritten freilich bisher nicht gelungen, Kühnens Platz auszufüllen. Als "politischer Arm" der GdNF fungierte bislang die auf Betreiben Kühnens im Mai 1989 in Bremen als bundesweite "nationale Protestpartei" gegründete "Deutsche Alternative" (DA), die nach Kühnens Tod durch neue, von Kühnen-Anhängern gebildete Landesorganisationen weitgehend abgelöst wurde. So entstand Anfang Juli Neuformierung der 1991 in Bayern der "Nationale Block" (vgl. Nr. 6.3). Neben der Kühnen-Anhänger bereits 1989 in Hamburg gegründeten "Nationalen Liste" (NL) konstituierten sich weitere eigenständige Regionalparteien in BadenWürttemberg, Hessen und Sachsen. Mit diesem Vorgehen sollen offenbar staatliche Verbote erschwert werden. Die öffentlichen Aktivitäten der GdNF waren Anfang 1991 maßgebAgitationsthema lich vom Golfkrieg geprägt. Den Neonazis gelang es, mit proirakiGolfkrieg scher Propaganda medienwirksame Auftritte zu inszenieren. Hierbei ergriffen sie aus ihrer antisemitischen Einstellung heraus Partei für den Irak und beschuldigten Israel und die USA der Aggression und Kriegstreiberei. Mitte Januar erklärte Kühnen in einem Rundfunkinterview, daß er in der Lage sei, 500 freiwillige Kämpfer aus Europa und den USA für den Irak zu stellen; etwa ein Drittel dieser Freischärler rekrutiere sich aus dem deutschsprachigen Raum. Anhänger der GdNF bekundeten Ende Januar im Fernsehen ihre Bereitschaft, für den irakischen Staatspräsidenten als Freiwillige in den Krieg zu ziehen. Für eine Realisierung dieser großsprecherischen Behauptungen gibt es keine Anhaltspunkte. In einem im März publizierten Interview begrüßte Kühnen außerdem die Raketenangriffe des Irak auf Israel mit der Begründung, das deutsche Volk werde seit Jahrzehnten von zionistischen Kreisen erpreßt und gedemütigt. Ferner bezeichnete er die islamische Welt als potentiellen Bündnispartner, der mit den Deutschen zwei gemeinsame Gegner - nämlich die USA und Israel - habe. Der irakische Staatspräsident verdiene auch bei einem etwaigen Einsatz biologischer und chemischer Waffen Respekt, weil er noch konsequenter als Hitler sei. Am 5. Februar begann vor dem Landgericht Stuttgart die HauptStrafverfahren verhandlung gegen Anhänger des ehemaligen Mosler-Flügels der "Bewegung". Ihnen wird vorgeworfen, den organisatorischen Zusammenhalt der 1983 verbotenen ANS/NA aufrechterhalten zu haben. Zunächst wird in einem abgetrennten Verfahren gegen zwölf führende Aktivisten der Gruppe verhandelt. Zu den sechs 68 Mitangeklagten aus Bayern gehören der Bundesvorsitzende der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) Friedhelm Busse und der frühere stellvertretende FAP-Generalsekretär Michael Swierczek. Wegen desselben Delikts ist gegen Angehörige des ehemaligen Kühnen-Flügels ein weiteres Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt a. M. anhängig. Das Landgericht München I verhängte am 30. April gegen fünf Anhänger der GdNF Geldstrafen zwischen 1.000 und 3.500 DM wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Die Neonazis hatten bei einer Sonnwendfeier der FAP am 24. Juni 1989 uniformähnliche Kleidung getragen. Vereinsverbot Die im Juli 1988 von Michael Kühnen als "Wählerinitiative" bestandskräftig gegründete Nationale Sammlung (NS) hat ihre Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 27. Januar 1989 (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 1989, Seite 83 f.) zurückgenommen. Daraufhin stellte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluß vom 4. Dezember 1991 ein. Das Verbot der neonazistischen NS ist damit bestandskräftig. 6.3 Nationaler Block (NB) Anhänger Kühnens gründeten am 6. Juli in München eine auf Bayern beschränkte Landespartei mit der Bezeichnung "Nationaler Block" (NB). Vorsitzender der rund 40 Anhänger zählenden Organisation ist der bisherige Bereichsleiter Süd der GdNF Manfred Eichner aus München. Dürftiges Programm Der NB fordert eine "Gemeinschaft aller Deutschen" und die mit verdeckter Errichtung eines "Deutschen Reiches" unter .Einschluß aller eheneonazistischer mals "von deutscher Mehrheit besiedelten Gebiete" auf der Zielsetzung Grundlage des "Selbstbestimmungsrechts der Völker". Diese Ziele erinnern an Punkt 1 des NSDAP-Programms vom 24.02.1920. Nach Vorstellung des NB hat die Wirtschaft "dem Volke zu dienen". Deutsche Arbeitsplätze seien für deutsche Arbeiter bestimmt; "Fremdarbeiter und Wirtschaftsflüchtlinge" seien "in ihre Heimatländer zurückzuführen". Ferner propagiert der NB die "Erziehung der deutschen Jugend zur Treue und Liebe zu Deutschland, zur Wehrhaftigkeit" und zur "Pflichterfüllung in der Gemeinschaft des deutschen Volkes". Als weitere Ziele erstrebt er die "Erhaltung des deutschen Volkes", die Wiedereinführung der Todesstrafe für Kindermord, Rauschgifthandel und Landesverrat sowie die "Entwicklung eines Revisionismus, der mit der vorherrschenden Geschichtsschreibung bricht und neu deutet"; letztere Forderung bezweckt offenbar eine Rehabilitierung des Nationalsozialismus. Nach Auffassung des NB hat gerade die politische Entwicklung in Osteuropa gezeigt, daß das "Bekenntnis zum Nationalismus" und den "eigenen völkischen und kulturellen Werten" nichts "ewiggestriges", sondern "die politische Triebkraft des 21. Jahrhunderts" sei. 69 6.4 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Die ideologische Ausrichtung der 1979 gegründeten FAP wird nach wie vor durch ehemalige Anhänger der ANS/NA bestimmt, die seit dem Verbot der ANS/NA im Dezember 1983 ihre politischen Bestrebungen unter dem organisatorischen Dach der FAP fortsetzen. Von diesen Neonazis wird die politisch unbedeutende Partei maßgeblich gesteuert. Mit der Spaltung der "Bewegung" übertrugen sich die zwischen Anhängern und Gegnern Kühnens bestehenden Differenzen auch auf die FAP und machten deren personelle und organisatorische Situation immer verworrener. Der nahezu völligen Ausgrenzung Kühnens und seiner Anhänger aus der FAP folgten 1990 neue tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten und Kompetenzstreitigkeiten in der Parteispitze. Dieses Desolates Erscheinungsbild, insbesondere die aus der inneren Zerrissenheit Erscheinungsbild resultierenden organisatorischen Schwächen, beeinträchtigten Struktur und Aktivitäten der Partei nachhaltig und ließen ihre Attraktivität weiter schwinden. In ihrem auf dem Bundesparteitag am 19. Januar in Berlin beschlossenen neuen Programm "Unser Weg in das neue Jahrtausend" propagiert die FAP einen "völkischen Sozialismus". AußerOrientierung dem tritt sie für die Enteignung von "Gemeinschaftsschädlingen" an der NSDAP sowie für die Ausweisung arbeitsloser und krimineller Ausländer ein. Mit der Parole "Europäischer Gemeinnutz geht yor europäischem Eigennutz" orientiert sie ihre europapolitischen Ziele offensichtlich an einer der Hauptforderungen des NSDAP-Programms von 1920. Bundesvorsitzender der FAP ist seit 1988 der ehemalige Leiter der verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) Friedhelm Busse. Aufgrund seines intern umstrittenen Führungsstils haben inzwischen viele Aktivisten, vor allem Angehörige des ehemaligen Mosler-Flügels, die Partei verRückläufige lassen. Der Mitgliederstand ging 1991 auf etwa 150 (1990: 200) Mitgliederzahlen Personen zurück; davon sind wie im Vorjahr 20 Anhänger in Bayern aktiv. Als offizielles Parteiorgan erscheint seit August 1990 die im Auftrag des Parteivorstandes herausgegebene Publikation "Neue Nation" mit dem Untertitel "Volkstreue Zeitung für Deutschland". Viele Untergliederungen sind inaktiv oder aufgelöst. Der 2..Jahrgang - Nr. 4/5 - August/September 1991 - 1,50 DM NEUE NATION VOLKSTREUE ZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND 70 Partielle organisatorische Aufbau in den neuen Ländern geht nur schlepAuflösungspend voran. Aktive Landesverbände existieren in Berlin, Niedererscheinungen Sachsen und Nordrhein-Westfalen. In Bayern bestehen weiterhin die Kreisverbände Ansbacher Land, Aschaffenburg und Nürnberg. Ihre Aktivitäten beschränkten sich auf interne Zusammenkünfte und Propagandaaktionen. 6.5 Nationale Offensive (NO) Die am 3. Juli 1990 in Augsburg gegründete NO entwickelte sich - offenbar als Reaktion auf die Flügelkämpfe in der FAP - aus den zum ehemaligen Mosler-Flügel zählenden FAP-Kreisverbänden Augsburg und München. Sie versteht sich als Auffangbecken für enttäuschte FAP-Anhänger, aber auch für Angehörige des übrigen rechtsextremistischen Spektrums. Ihr Programm enthält nationalistische Forderungen wie "Kein Verzicht auf die Ostgebiete", "Keine ausländische Mehrheitsbeteiligung an deutschen Firmen und Produktionsmitteln", "Raus aus der EG" und "Rückführung der Ausländer in ihre Heimatländer - Kulturvermischung ist Völker- 71 mord". Hinzu kommen Aussagen, die an solche aus dem NSDAPProgramm von 1920 erinnern. So befürwortet die NO die Bekämpfung von "Spekulationen" und "Zinswucher" und tritt für eine "gesetzliche Kontrolle der Zinswirtschaft" ein. Außerdem fordert sie eine Enteignung von Firmen, die "gegen das Volkswohl verstoßen", und eine Erziehung der Jugend nach dem "Leitbild des Gemeinschaftsgedankens". Darüber hinaus verlangt sie die Einstellung aller Wiedergutmachungszahlungen und eine "Redigierung der Geschichtsdarstellung nach den neuesten Erkenntnissen der Historiker". Die im Aufbau befindliche Partei zählt bundesweit rund 100 (1990: 70) Mitglieder, davon etwa 40 (1990: 20) in Bayern. Bundesvorsitzender ist seit Anfang 1991 der ehemalige FAP-Funktionär Michael Swierczek. Die NO bemüht sich derzeit um die Gründung regionaler Gliederungen in den neuen Ländern. Obwohl sie sich als Bundespartei sieht, verfügt sie bisher lediglich über einen Landesverband in Bayern. Das Parteiorgan "Deutscher Beobachter" erscheint monatlich in einer Auflage von etwa 500 Exemplaren. Eine vom "Referat Schulung" herausgegebene Broschüre "Der politische Soldat" dient als Anleitung für die Ausbildung der Aktivisten zu Kämpfern für eine "Weltanschauung des nationalen Sozialismus". Die NO rief in Flugblättern zur Solidarität mit einem wegen Mordes NS-Apologie an KZ-Häftlingen angeklagten ehemaligen SS-Angehörigen auf. Sie verlangte die sofortige Einstellung des Verfahrens, die Entlassung des Angeklagten aus der Haft und eine angemessene Ent- , Schädigung. Die einseitige Verfolgung nur der deutschen Kriegsverbrecher sei ungerecht und stehe für die "Diffamierung und Entrechtung unserer ganzen Kriegsgeneration". Anläßlich der Eröffnung des Strafprozesses am 26. Juni vor dem Landgericht Stuttgart kam es vor dem Gerichtsgebäude zu Tumulten. Weiteres Propagandamaterial der NO enthielt Aufschriften wie "Rasse statt Klasse" und "Drogendealer ins Arbeitslager". Wegen eines Anfang März verbreiteten NO-Aufklebers mit der ExekutivmaßParole "Schlagt die Linken, wo ihr sie trefft" leitete die Staatsannahmen waltschaft beim Landgericht Augsburg gegen den presserechtlich Verantwortlichen ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten ein. Am 8. Oktober durchsuchte die Polizei in Augsburg die Wohnung des NO-Bundesgeschäftsführers und stellte neben zahlreichen revisionistischen Schriften mehrere tausend NO-Aufkleber sicher. 6.6 Rechtsextremistisches, insbesondere neonazistisches Potential bei Skinheads Die in Großbritannien entstandene, Ende der 70er Jahre erstmals auch im Bundesgebiet in Erscheinung getretene Skinhead-Bewegung ist eine jugendliche Subkultur, deren äußeres Erscheinungsbild eine extreme Ablehnung der bürgerlichen Gesellschaft signa- 72 Weltanschauung lisiert. Obwohl Skinheads an einer theoretischen Auseinandersetund "Politikzung mit politischen Ideologien kaum interessiert sind, hat sich in verständnis" diesen Kreisen eine vom organisierten Rechtsextremismus unabhängige latente rechtsextremistische Weltanschauung herangebildet, die zumindest unterschwellig von rassistischer Ausländerfeindlichkeit und übersteigertem Nationalbewußtsein geprägt ist und das Handeln der Skinheads motiviert. Diese Einstellung, die an wesentliche Elemente des Nationalsozialismus anknüpft, ist indes regelmäßig nicht rational bestimmt und spiegelt sich daher nicht in einer fundierten programmatisch-ideologischen Ausrichtung, sondern in spontanen, vielfach militanten Aktionen wider. Hemmungslos praktizierte Gewalt ist das bevorzugte Mittel der von den Skinheads auf der Straße ausgetragenen "politischen" Auseinandersetzung mit tatsächlichen oder vermeintlichen Gegnern ihrer Subkultur. Einfluß der Wegbereitend für diese Einstellung waren vor allem mehrere Skinhead-Bands Skinhead-Bands, so z. B. die britischen Gruppen "Skrewdriver" und "Fanzines" (Schraubenzieher), "Scullhead" (Totenkopf) und "No Remqrse" (Keine Gnade) bzw. deutsche Bands wie "Störkraft". Die von ihnen vorgetragene sogenannte "Oi-Musik" ist das wichtigste Medium der Szene und übt einen anhaltenden rechtsextremistischen Einfluß aus. Die Liedertexte solcher Gruppen diffamieren und bedrohen Ausländer, propagieren Gewalt und verbreiten nationalistischrassistisches Gedankengut bis hin zur Glorifizierung des Nationalsozialismus. Der "typische" Skinhead wird als "Faschist" und "Rassist" idealisiert, der die Feinde seiner Nation bekämpft und die nordisch-arische Rasse gegen eine "Vermischung" mit fremden Rassen verteidigt. In Interviews mit Musikern von Skinhead-Bands und Selbstdarstellungen kommt eine deutliche Verachtung von Juden, Farbigen und "undeutschen Elementen" zum Ausdruck. Auch die intern verbreiteten Skinhead-Publikationen ("Fanzines") weisen in der Mehrzahl rechtsextremistische Bezüge auf, so z. B. die in Neuburg a. d. Donau erscheinende Schrift "Der Wikinger" mit der Zeichnung eines Skinhead, der mit einem Schlagwerkzeug einen Farbigen angreift. Vor diesem Hintergrund werden sowohl die Ursachen für den Ausländerhaß als auch für die neonazistischen Verhaltensweisen der Skinheads transparenter. Werbeversuche von Die bereits in den frühen 80er Jahren bei Skinheads vereinzelt Rechtsextremisten festgestellten rechtsextremistischen, insbesondere neonazistischen Tendenzen äußerten sich zum einen im Gebrauch von nationalsozialistischen Parolen und Emblemen, zum anderen durch vereinzelte erfolgreiche Versuche rechtsextremistischer Gruppen, Skinheads als Unterstützer bei Propagandaaktionen und tätlichen Auseinandersetzungen zu gewinnen. Insbesondere der stark ausgeprägte Ausländerhaß bot Rechtsextremisten einen Anknüpfungspunkt, zumal Skinheads zu eindeutigen Feindbildern neigen. Trotz solcher partieller Berührungspunkte sind aber nachhaltige Werbeerfolge - abgesehen von neuerdings in Bayern festgestellten gemeinsamen Stammtisch-Treffs von Skinheads und 73 Neonazis - bislang eher eine Ausnahme geblieben. Die von Rechtsextremisten versuchte Rekrutierung von Skinheads scheiterte bisher meist daran, daß dieser Personenkreis gesellschaftliche Institutionen grundsätzlich ablehnt und sich nicht auf Dauer in das politische Konzept von straff organisierten Gruppen und Parteien einbinden läßt. Die besondere Gefährlichkeit der Skinheads liegt in ihrer BereitGewaltbereitschaft schaff zur Gewaltanwendung. Wie bei keiner anderen jugendlichen Subkultur haben sich hier Militanz und exzessiver Alkoholgenuß in Verbindung mit einer innerhalb der Szene eigenständig gebildeten rechtsextremistischen Weltanschauung zu einem Stück "Lebensphilosophie" entwickelt. Als "Vorbild" für den "Straßenkampf" um die - nach Auffassung der Skinheads bislang nur vom NS-Regime erfolgreich verwirklichte - Vorherrschaft der weißen Rasse dient der SA-Mann. Die Brutalität und Härte, mit der die ehemalige SA gegen politische Gegner vorging, findet erheblichen Anklang und spornt zur Nachahmung an. Gewalttaten von Skinheads richten sich vor allem gegen "Linke" sowie Asylbewerber und andere Ausländer, aber auch gegen Homosexuelle und gesellschaftliche Randgruppen wie Stadtstreicher, die als "undeutsche Gestalten" angesehen werden. Ausschreitungen militanter Skinheads forderten 1991 in Bayern mehrere zum Teil schwer verletzte Opfer; einen Schwerpunkt der Gewaltaktionen bildeten Mitte Oktober Anschläge auf Asylantenunterkünfte. Im Bundesgebiet waren Ende 1991 rund 4.200 Skinheads mit Aktivistenpotential rechtsextremistischem, insbesondere neonazistischem Hintergrund bekannt; davon entfallen etwa 3.000 auf die neuen Länder. In Bayern weisen rund 160 von insgesamt 300 Skinheads einen rechtsextremistischen Bezug auf; etwa 40 von ihnen gehören rechtsextremistischen Organisationen an. Obwohl die Szene auf nationaler und internationaler Ebene verflochten ist, waren bisher keine festen Organisationsstrukturen mit formellen Anführern erkennbar. Skinheads treten vielmehr meist in losen örtlichen Gruppen auf, die sich an Wochenenden auch zu regionalen oder überregionalen Treffen zusammenfinden. Zuweilen wirken einzelne, besonders respektierte Aktivisten aus der jeweiligen Situation heraus spontan steuernd und bestimmen dann vielfach auch Ziel und Inhalt der Aktivitäten. Die neonazistischen Tendenzen der Skinhead-Medien und die Bewertung regelmäßig nationalistisch-rassistisch motivierten Ausschreitungen der Skinheads machen deutlich, daß der Rechtsextremismus, insbesondere der Neonazismus mittlerweile für die Mehrzahl der Skinheads zumindest unterschwelliger Bestandteil ihrer Gesinnung geworden ist. Die bisherige Einschätzung, daß das vielfach neonazistisch geprägte Erscheinungsbild dieser Kreise überwiegend der Provokation der Gesellschaft diene und nur vereinzelt eine politische Überzeugung widerspiegle, ist aufgrund des neueren Erkenntnisstandes überholt. 74 6.7 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle* Die Gesamtzahl der bekanntgewordenen neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Vorfälle ist in Bayern gegenüber dem Vorjahr von 160 auf 210 gestiegen. Nicht mitgezählt sind dabei weitere äußerlich vergleichbare Fälle, in denen ein rechtsextremistisches Motiv nicht vorhanden oder nicht erkennbar war (z. B. beim Verwenden von NS-Symbolen als Mittel der politischen Diffamierung). In München und Nürnberg ereigneten sich mit 41 (1990: 32) bzw. 19 (1990: 19) rund 29 % (1990: 32 %) aller Vorfälle (ohne die oben genannten "allgemeinen Verdachtsfälle"). Meist handelte es sich um Schmierund Klebeaktionen, bei denen Hakenkreuze und SS-Runen gesprüht oder Parolen wie "Heil Hitler", "Sieg Heil" und "Ausländer raus" verbreitet wurden. So brachten unbekannte Täter Anfang Januar an einem Anwesen in München u. a. die Schmierschriften "Kauft nicht bei Juden", "Rotte die Juden aus" und "Rotfront verrecke" an. In der Nacht zum 24. März wurde der Haupteingang des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau mit einem Davidstern und den Worten "Viel Spaß" und "Herzlich willkommen" besprüht. Am 27. Juni nahm die Polizei in Neumarkt i. d. OPf. sechs Skinheads fest, die aus einem Pkw "Sieg Heil" gerufen und eine Fahne mit Hakenkreuzen und SSRunen geschwenkt hatten. Zwischen dem 4. und 7. Oktober brachten unbekannte Täter an einer Schule in Nürnberg Aufkleber mit der Abbildung von Rudolf Heß und der Aufschrift "Einst kommt der Tag der Rache" an. Ferner schmierten sie Hakenkreuze und Parolen wie "Ausländer raus", "Türken raus - Tod den Türken", "Türkenschweine raus" und "Nazis bleiben - Türken vertreiben - es lebe das deutsche Reich". Anlässe für Ermittlungsverfahren waren auch das Tragen von NS-Symbolen an Kleidungsstücken, die Beschädigung jüdischer Gedenkstätten sowie anonyme Beleidigungen und Bedrohungen aus rassistischen bzw. antisemitischen Motiven. Eine Aufklärung gelang in 29 % (1990: 40 %) der Fälle. Unter den ermittelten 114 (1990: 79) Tätern befanden sich 10 (1990: 26) Minderjährige. Die Staatsanwaltschaften stellten zwei Verfahren ein. In 12 Fällen wurden die Täter verurteilt. Die Verfahren gegen die übrigen Beschuldigten dauerten Ende 1991 noch an. Gedenkkundgebung Die von einem Neonazi aus Nordrhein-Westfalen für den 17. für Rudolf Heß in August in Wunsiedel angemeldete Kundgebung zum Gedenken Wunsiedel verboten an den "Stellvertreter des Führers" wurde vom Landratsamt Wunsiedel i. Fichtelgebirge am 20. Juni mit sofort vollziehbarem Bescheid verboten. Der Antrag des Veranstalters auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung blieb sowohl in allen verwaltungsgerichtlichen Instanzen als auch vor dem Bundesverfas- * ohne die im 4. Abschnitt genannten Gewalttaten 75 sungsgericht erfolglos. Ein starkes Polizeiaufgebot an den Zufahrtswegen verhinderte am 17. August Aktionen von Rechtsund Linksextremisten in Wunsiedel. An den Kontrollstellen registrierte die Polizei rund 500 Rechtsextremisten und 300 politische Gegner. Die Beamten nahmen 66 Personen, davon 50 Rechtsextremisten, vorübergehend fest und stellten zahlreiche Waffen sicher, darunter Präzisionsschleudern, Pistolen, Messer und Eisenstangen. Am -Nachmittag des 17. August fand in Bayreuth eine ProtestProtestkundgebung kundgebung gegen das Verbot der in Wunsiedel geplanten in Bayreuth Demonstration statt. Daran beteiligten sich rund 1.500 Personen, darunter auch Neonazis aus Belgien, Dänemark, Frankreich und Großbritannien. Den Schwerpunkt bildeten Anhänger der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) mit ihrem Bundesvorsitzenden Friedhelm Busse, Mitglieder der Nationalen Liste (NL) mit dem Hauptorganisator der Veranstaltung Christian Worch aus Hamburg sowie Angehörige der Nationalen Offensive (NO) mit ihrem Vorsitzenden Michael Swierczek. Anwesend war auch der Neonazi Gottfried Küssel aus Wien. Den Aufzug führten Trommler der WikingJugend (WJ) an. Die Teilnehmer trugen Bilder von Heß und zahlreiche Fahnen mit Emblemen der FAP und des ehemaligen Deutschen Reiches. Ferner zeigten sie Plakate und Transparente mit Aufschriften wie "Rache für Rudolf Heß" und "Rudolf Heß - Märtyrer für Deutschland". Als Hauptredner sprach der Rechtsextremist Jürgen Rieger aus Hamburg. Am späten Abend kam es auf der Raststätte Steigerwald der Autobahn Nürnberg-Würzburg noch zu massiven Auseinandersetzungen zwischen zurückfahrenden alkoholisierten Rechtsextremisten und politischen Gegnern. Starken Polizeikräften gelang es schließlich, die Kontrahenten zu trennen. 7. Sonstige rechtsextremistische Organisationen 7.1 Wiking-Jugend (WJ) Die 1952 gegründete WJ ist eine straff nach dem Führerprinzip "Nordlandgeleitete "volkstreue nordländische" Jugendorganisation, die sich Ideologie" in der Tradition der ehemaligen "Hitlerjugend" sieht, sich als "heranzubildende Elite" versteht und ihre "kämpferische" Weltanschauung betont. Sie bekennt sich zu einer "Lebensgemeinschaft auf völkischer Grundlage" und betrachtet das Gesetz der "Auslese alles Starken und Gesunden" in sozialdarwinistischer Weise als "entscheidende Kraft im Leben". Ihre Bedeutung liegt insbesondere darin, daß sie Kindern und Jugendlichen erste Begegnungen mit rechtsextremistischem Gedankengut vermittelt. Die in Gaue gegliederte WJ hat ihren Sitz in Stolberg/NordrheinWestfalen. Bundesführer ist seit Juli 1991 Wolfram Nahrath, der diese Funktion auf dem 10. Ordentlichen "Bundesthing" in Schmalkaden/Thüringen von seinem Vater Wolfgang Nahrath übernahm. Die WJ konnte 1991 auch in den neuen Ländern orgaSteigende Tendenz nisatorisch Fuß fassen und dadurch ihre personelle Basis erwei- 76 tern. Zuverlässige Angaben über den derzeitigen Mitgliederstand im Bundesgebiet (1990: 400) sind wegen des lückenhaften Meldeaufkommens noch nicht möglich. In Bayern, wo die Mitgliederzahl gegenüber dem Vorjahr um rund die Hälfte auf etwa 30 zurückging, bestehen die Gaue "Bayern" in Freising und "Franken" in Stockstadt, Landkreis Aschaffenburg. Die WJ unterhält Kontakte zu Jugendgruppen gleichen Namens und gleicher Zielsetzung in Belgien, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Spanien und den Niederlanden. Publikationsorgan des Bundes ist die vierteljährlich erscheinende Schrift "Wikinger" in einer geschätzten Auflage von 500 Exemplaren. Darin definierte die WJ ihre "volkstreue Jugendarbeit" als "das zähe Aushalten im Streit mit den volkszerstörenden Feinden innerhalb und außerhalb Deutschlands, dem gesamten internationalistischen Gesindel, welches unseren Volkstod herbeiführt". 7.2 Geseilschaft für Freie Publizistik (GFP) Die 1960 in Frankfurt a. M. von ehemaligen SSund NSDAPAngehörigen gegründete GFP stellt vor allem ein Podium für Publizisten dar,, die rechtsextremistisches Gedankengut vertreten. Sie will in einer angeblich "durch Siegerrechte und Besiegtenpflichten beschränkten Öffentlichkeit" eine "Freistatt für den deutschen Gedanken und das deutsche Wort" schaffen und erhalten. So wendet sie sich gegen die "Entstellungen in der deutschen Geschichtsbetrachtung" und die "unwahren Darstellungen der Ursachen und Hintergründe beider Weltkriege" sowie "gegen jede Unterdrückung der Meinungsvielfalt". In Wirklichkeit scheint sich ihr "geistiger Kampf" in erster Linie gegen die Indizierung rechtsextremistischer Veröffentlichungen durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zu richten. Die Vereinigung, die Mitgliederstärkste ihren Sitz in München hat, zählt im Bundesgebiet rund 420 Mitrechtsextremistiglieder (1990: 430), davon wie im Vorjahr etwa 40 in Bayern. Der sehe Kultur- s e it 1935 amtierende und noch im Mai 1991 wiedergewählte Vorvereinigung sitzende Dr. Gert Sudholt ist auf einer Vorstandssitzung am 20. Juli aus persönlichen Gründen zurückgetreten. Seine Funktion übernahm sein bisheriger Stellvertreter Dr. Rolf Kosiek, der frühere "Chefideologe" der NPD. Als Organ der GFP erscheint vierteljährlich die Schrift "Das Freie Forum" in einer Auflage von rund 700 Exemplaren. Unter dem Motto "Europa ist wieder vorn - Deutschland nach dem Neubeginn" hielt die GFP vom 10. bis 12. Mai in Rothenburg ob der Tauber ihren "2. Gesamtdeutschen Kongreß" ab, an dem sich rund 200 Personen beteiligten. Der britische Schriftsteller David Irving trat in seinem Referat zum Thema "Die Zukunft des deutschen Volkes zwischen Engländern und Russen" für eine "neue West-Ost-Achse" zwischen London, Berlin und Moskau ein, da die Europäische Gemeinschaft (EG) ein "bereits sinkendes Schiff" sei und keine Zukunftsperspektiven biete. Weitere Redner waren der frühere NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden sowie die Funktionäre 77 der Deutschen Liga Harald Neubauer und Karl Richter. Letzterer äußerte, der "Brüsseler Moloch" sei unfähig, dem "ungehemmten Zustrom raumfremder Flüchtlingsund Asylantenheere" zu begegnen und das "Überleben der abendländischen Völker" zu sichern. Unter diesen Umständen biete sich wieder der "Reichsgedanke" als "deutsche Alternative zur Brüsseler EG-Chimäre" an. 7.3 Freundeskreis Ulrich von Hütten Der im Februar 1982 von Rechtsextremisten gegründete Freundeskreis Ulrich von Hütten mit Sitz in Starnberg vertritt rechtsextremistische, insbesondere rassistische Thesen und verbreitet Äußerungen, die das NS-Regime verharmlosen und die Bundesrepublik Deutschland verunglimpfen. Die Vereinigung zählt wie im Vorjahr bundesweit rund 300 Mitglieder, davon etwa 30 in Bayern. Vorsitzende ist die Präsidentin der Deutschen Kulturgemeinschaft (DKG) in Österreich Lisbeth Grolitsch. Wie im Vorjahr trat der Freundeskreis vorwiegend mit der Herausgabe und Verbreitung der Schrift "Huttenbriefe - für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht" in Erscheinung. Darin hieß es, ein "Gemisch aller Völker und Rassen der Erde" müsse zwangsläufig Rassismus "früher oder später im Chaos enden". Dies sei bereits in den multikulturellen USA verwirklicht, die unaufhaltsam der Anarchie und Auflösung entgegentrieben. In Zusammenhang mit der Revisionismus-Kampagne wurde Revisionismus behauptet, der Zweite Weltkrieg sei "das Werk Englands und der Vereinigten Staaten" gewesen, die "die größenwahnsinnigen Polen als ihre Provokateure benützten, um dem Reich keine Wahl zu lassen, als die chauvinistischen Horden von Deutschlands Grenzen zu verjagen". Seit 45 Jahren sähen gewissenlose Opportunisten "ihre wichtigste Aufgabe darin, die Lügen der Feinde von der alleinigen Schuld des deutschen Volkes am Kriege und von seinen alleinigen 'singulären' Verbrechen im Kriege wider besseres Wissen zu behaupten". Die "Lüge von der Meinungsfreiheit in Deutschland" manifestiere sich u. a. darin, daß es hierzulande strafbar sei, an der "widerlegten Tatsache" zu zweifeln, daß "sechs Millionen Juden durch Dienststellen des Deutschen Reiches nach einem Plan der Regierung in Vernichtungslagern systematisch ermordet worden" seien. Die Bundesrepublik Deutschland feiere jedes Jahr am 20. Juli eine "Clique von Volksverrätern", während sie ihr Volk für "Vasallendienste unter fremden Herren und für fremde, schädliche Ideologien" mißbrauche. 7.4 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) Die DDF wurde am 1. April 1983 auf Initiative des früheren Generalmajors der Wehrmacht Otto Ernst Remer nach dessen Trennung vom Freundeskreis Ulrich von Hütten gegründet. Sie zählt bundesweit rund 200 (1990: 160) Mitglieder, davon etwa 35 (1990: 30) in Bayern. Vorsitzender der beim Amtsgericht Kaufbeuren eingetragenen Vereinigung und Herausgeber ihres Organs "Recht und 78 Wahrheit" ist Georg Albert Bosse. Die Geschäftsstelle wurde noch im Vorjahr von Bad Kissingen nach Wolfsburg verlegt. NS-Apologie und Im DDF-Organ hieß es, in den Gerichtssälen der "BRD" werde Diffamierung allem Anschein nach "nicht Recht gesprochen, sondern mit Hilfe demokratischer einer systemangepaßten Richterschaft staatliche Macht demonInstitutionen striert". Angesichts "sich häufender erdrückender Beweise", die das "Vorhandensein von Massentötungsanlagen während des Dritten Reiches" widerlegten, versuche die hilflose Justiz, "fintenreich auszuweichen", und stelle sich taub gegenüber der Forderung, der Wahrheitsfindung dienliche, aber bisher unterdrückte "Sachbeweise" anzuerkennen und vor Gericht zuzulassen. Auf einer im Anschluß an die Jahreshauptversammlung der DDF in Ilsenburg/Harz durchgeführten Zusammenkunft am 5. Oktober propagierte der DDF-Vorsitzende die "Wiederherstellung des Deutschen Reiches" in den Grenzen von 1914 und wandte sich gegen die "Bonner Zwischenregierung", die "Auswüchse einer doktrinären Parteiendiktatur mit offenkundigem Unrechtsstaatscharakter" aufweise. Vordringliche Aufgabe sei die "Beseitigung vorhandenen Unrechts am deutschen Volk"; dazu könne auch der "Geschichtsrevisionismus" beitragen. Strafverfahren Das Amtsgericht Bad Kissingen verhängte am 5. September gegen den DDF-Ehrenvorsitzenden Otto Ernst Remer wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß eine Geldstrafe von 2.250 DM. In einer Beilage zu dem von Remer verbreiteten DDF-Organ (Ausgabe 9/10, September/Oktober 1989) war u. a. behauptet worden, Auschwitz sei ein reines Arbeitslager gewesen und Zeugen, die dort etwas anderes gesehen haben wollten, seien ein Fall für die Psychiatrie. Wegen des gleichen Delikts hatte das Gericht den für den Inhalt der Schrift verantwortlichen DDF-Vorsitzenden Georg Albert Bosse bereits am 21. März in einem gesonderten Verfahren zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 DM verurteilt. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig. 8. Organisationsunabhängige Publizistik Rückgang der Die sieben (1990: sieben) Verlage, Vertriebsund Buchdienste in Auflagenzahlen Bayern, die Publikationen mit rechtsextremistischem Inhalt herausgeben bzw. verbreiten, entwickelten 1991 wiederum eine beachtliche Tätigkeit. Die Auflage der periodisch herausgegebenen einschlägigen Druckschriften betrug monatlich 405.000 (1990: 435.000) Exemplare, wobei erhöhte Auflagen zu besonderen Anlässen nicht eingerechnet sind. Das Angebot umfaßte außerdem Bücher mit rechtsextremistischem Inhalt sowie Schallplatten, Tonkassetten und Videofilme. DSZ-Verlag als Wirkungsvollstes Propagandainstrument des Rechtsextremismus Schwerpunkt der in-der Bundesrepublik Deutschland ist weiterhin die Druckschrifrechtsextremistitenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) in München unter schen Publizistik der Leitung von Dr. Gerhard Frey. Im Verlag erscheinen die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) .mit einer Wochenauflage von etwa 55.000 (1990: 63.000) und die "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ), die im Untertitel den Namen des Ende 1990 eingestellten "Deutschen Anzeigers" führt, mit wöchentlich rund 40.000 (1990: 20.000) Exemplaren. Bei Werbeaktionen werden die Auflagen beträchtlich erhöht. Dr. Frey ist auch Geschäftsführer der Freiheitlichen Buchund Zeitschriftenverlags GmbH (FZ-Verlag) in München, deren Buchdienst Werke gegen "Geschichtslügen" und "Umerziehung" anbot. Die Wochenzeitungen Dr. Freys, die auch als Sprachrohre der DVU fungieren, betrieben im Zusammenhang mit dem Golfkrieg noch bis Anfang März 1991 eine vehemente Kampagne gegen die USA und die "verbrecherische, völkerrechtswidrige" Politik Israels, das sich seit Jahrzehnten über alle UNO-Resolutionen frech hinwegsetze. Nach der militärischen Niederlage des Irak griffen sie wieder ihre Agitation gegen die deutsch-polnische Aussöhnung auf. So äußerten sie, die zahlreichen Forderungen Polens, das "ein Viertel Deutschlands ohne Rechtsgrund besetzt" halte, könnten nur als "unverschämt" bezeichnet werden. Das polnische Staatswesen sei längst "zu einem Krüppel verkommen", der sein Überleben nur noch durch die Bluttransfusionen der internationalen Kapitalhilfe sichere. Ein weiteres Agitationsthema war die "extrem einseitige Bewältigung der Vergangenheit in NS-Schauprozessen". Im Gegensatz dazu sei von den "Bossen des Mauermordsystems", das bis 1989 gewütet habe, noch kein einziger wegen der begangenen Bluttaten gerichtlich zur Verantwortung gezogen worden, ganz zu schweigen von den "Verantwortlichen des aktuellen zionistischen Terrors" gegen die Zivilbevölkerung im Nahen Osten. Bald ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei es eine "Zumutung", das deutsche Volk "weiterhin kollektiv zu belasten". In der Nation Europa Verlags GmbH in Coburg erscheint die Monatsschrift "Nation Europa - Deutsche Monatshefte" in einer Auflage von rund 15.000 Exemplaren. Herausgeber sind seit Anfang 1990 Peter Dehoust und Dr. Gert Sudholt. Letzterer ist Ende 1991 als Mitherausgeber ausgeschieden; an seine Stelle traten der frühere NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden und der Vorstandssprecher der Deutschen Liga Harald Neubauer. Der Verlag wird von dem 1954 gegründeten Verein "Nation Europa-Freunde" finanziell unterstützt. Gesellschafter des Verlages und Vorsitzender des Unterstützungsvereins ist Peter Dehoust. In einem Beitrag "Multikulturelle Vielfalt - eine Bereicherung" griff die Schrift die "hochverräterische" Haltung der "Bonner Überfremdungspolitiker" an. Im Abschnitt "Nachrichten von der Überfremdungsfront" wurden durch Zusammenfassung zahlreicher negativer Presseberichte über Ausländer und Asylanten Vorurteile gegen diesen Personenkreis propagandistisch gefördert. In diesem Zusammenhang erklärte die Schrift, wenn es nicht gelinge, Deutschland wieder den Deutschen zurückzugeben, brauchten wir uns "über verlorene Provinzen keine Gedanken mehr zu machen". Sobald hier erst eine "Mischlingsbevölkerung" sitze, hätten sich "alle anderen Fragen von selbst erledigt". In einer Buchbesprechung zum Thema Revisionismus hieß es, wer an die "Alleinkriegsschuld" glaube, solle "möglichst auch an Lampenschirme aus Menschenhaut, an Judenseife, an die Lebensborn-Lüge usw. glauben", denn solcher Glaube erhöhe "die Spendierfreudigkeit in die Kasse und Tasche von Nachmann & Co. ungemein". Der von Dr. Gert Sudholt geleitete Druffel-Verlag in Berg am Starnberger See gab Literatur heraus mit dem Ziel, sowohl "zeitgeschichtliche Quellen für eine spätere Geschichtsforschung zu sichern" als auch "gegen Umerziehung und Gehirnwäsche mit geistig-literarischen Waffen zu kämpfen". In der Verlagswerbung hieß es, mit neuen Dokumenten zur "Kriegsursachenfrage" würden "Fälschungen" widerlegt und die "etablierte Geschichtsschreibung" in ihre Schranken gewiesen. Der Verlag Hohe Warte - Franz von Bebenburg KG in Pähl, Landkreis Weilheim, gibt die Schrift "Mensch und Maß" heraus, die monatlich zweimal in einer Auflage von etwa 2.000 Exemplaren erscheint. Die Schrift identifizierte sich mit der Behauptung des Revisionisten Wilhelm Stäglich, wonach es sich bei dem sogenannten "Leuchter-Bericht" (vgl. Nr. 9.2) um "ein seit 1988 weltweit verbreitetes Fachgutachten des auf Gaskammerkonstruktionen und andere Exekutionsmittel spezialisierten amerikanischen Ingenieurs Fred Leuchter" handle, das "der deutschen Öffentlichkeit gegenüber weitgehend totgeschwiegen" worden sei. Leuchter habe in seinem Gutachten "die als historisch gesicherte Tatsache geltenden Massentötungen von Juden in 'Gaskammern' der Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und Majdanek nach Prüfung der einschlägigen Dokumente und anderer Unterlagen sowie nach einer mehrtägigen persönlichen Inspektion der in den genannten Lagern dafür in Betracht kommenden Stätten für unmöglich erklärt". Die im Denk mitl-Verlag in Nürnberg unregelmäßig erscheinende Schrift "Denk mit!" verbreitete die These des britischen Revisionisten David Irving, wonach die Briten bereits im Jahre 1942 die "Propagandalüge" von der planmäßigen "Ausrottung der europäischen Juden durch Giftgas in den deutschen Konzentrationslagern" erfunden hätten, um damit die Völker der Alliierten gegen Deutschland aufzuhetzen. Diese "englischen Greuellügen" seien gleichwohl "in Westdeutschland offenkundige 'Wahrheit' und 'Rechtsgrundlage', mittels derer man seit Jahrzehnten in diesem Terror-Regime Unschuldige in den Kerker" bringe, um die geschichtliche Wahrheit zu unterdrücken; auch hier fänden sich demokratische Parteien als "Wahrheitsund Reichsverräter" vereint. Dabei handle die Justiz freilich "entgegen Verfassung, Gesetz und Eid"; dies sei aber nur "das Kennzeichen dieses 'Rechtsstaates', der genau wie die Pressefreiheit eine glatte Lüge" sei. 81 Die im Odal-Verlag in Rodach b. Coburg erscheinende Zeitschrift Der Scheinwerfer behauptete unter der Überschrift "Der Kampf um den rassischen Bestand des Deutschen Volkes rückt näher!", durch die "tägliche Einschleusung von 200 bekennenden Juden aus Rußland und die tägliche, illegale Einwanderung von weiteren 800 sogenannten Asylanten aus aller Welt" treibe ein aggressiver "rassischer Angriff gegen unser Volk" einem gefährlichen Höhepunkt entgegen. Da in den nächsten zehn Jahren die Entscheidung über "unser Sein oder Nichtsein als Volk und Staat" fallen werde, gelte es, sich auf einen "heißen Abwehrkampf, der zweifellos ein Rassenkampf sein" werde, vorzubereiten. 9. Revisionismus-Kampagne 9.1 Ziele und Methoden Als Revisionismus im weiteren Sinne werden in einem ursprünglich von Rechtsextremisten verwendeten Sprachgebrauch Bestrebungen bezeichnet, die angeblich in der Nachkriegszeit falsch dargestellte Geschichte der Weltkriege, des Nationalsozialismus und des Dritten Reiches zu korrigieren. Das rechtsextremistische Lager ist sich weitgehend darin einig, daß das deutsche Volk in wesentlichen Fragen seiner jüngeren Geschichte, insbesondere hinsichtlich der Alleinschuld Hitlers am Zweiten Weltkrieg und der massenhaften Ermordung von Juden in deutschen Konzentrationslagern, rehabilitiert werden müsse. Als Revisionismus im engeren Versuch einer Sinne ist die Leugnung des sogenannten "Holocaust" zu versteRehabilitierung des hen. Zweck solcher Versuche, den Nationalsozialismus von seiner NationalsoziaHsmus größten Schuld zu befreien, ist die Wiedergewinnung "nationaler durch unseriösen Umgang mit histoIdentität" und die Herausbildung eines "gesunden und lebendigen rischen Quellen Nationalbewußtseins". In Verfolgung dieses Ziels müssen die rechtsextremistischen Revisionisten freilich Regeln der kritischen Geschichtswissenschaft mißachten und Forschungsergebnisse negieren, die nicht ihrem vorgefaßten Geschichtsbild entsprechen. Ihre Argumentation liegt damit zwangsläufig neben der historischen Realität und führt zu falschen Ergebnissen. Zusammenfassend ist zu betonen, daß diese Art von "Geschichtsrevision" weder Selbstzweck noch politisch neutral noch der historischen Wahrheit verpflichtet ist, sondern als Mittel fungieren soll, sich von einem vermeintlich aufgezwungenen "Schuldkomplex" zu befreien. Nationalismus und Antisemitismus bilden die Wurzeln dieses Revisionismus, der letztlich die Opfer zu Tätern und die Täter zu Opfern einer angeblich falschen Geschichtsschreibung machen will. 9.2 Entwicklung Revisionismus war von Anfang an keine deutsche, sondern eine internationale Erscheinung. Ab Mitte der 60er Jahre erschien eine große Anzahl von Büchern, die den historischen Nachweis führen wollten, daß es keine Tötung von Juden in Gaskammern gegeben habe. Es fällt auf, daß die maßgeblichen Autoren keine Historiker waren, sondern andere Berufe hatten. So war der Autor der Schrift 82 "Es gab keine Gaskammern" Robert Faurisson Dozent für französische Literatur des 20. Jahrhunderts. Der deutsche Agrarjournalist Thies Christophersen und der Jurist Wilhelm Stäglich verfaßten die Schrift "Die Auschwitz-Lüge" bzw. das Buch "Der AuschwitzMythos". "Leuchter-Bericht" In den letzten Jahren ist eine verstärkte Revisionismus-Kampagne festzustellen. Sie wurde ausgelöst durch einen Strafprozeß, der 1988 vor dem Bezirksgericht Toronto gegen den in Kanada lebenden deutschen Revisionisten Ernst C. F. Zündel anhängig war. Zündel war der wissentlichen Verbreitung falscher Nachrichten angeklagt. Er legte zu seiner Entlastung ein auf Robert Faurissons Initiative von Fred A. Leuchter aus Boston verfaßtes technisches "Gutachten" vor, demzufolge in Auschwitz und einigen anderen Konzentrationslagern auf Grund der technischen Gegebenheiten keine Juden in Gaskammern hätten getötet werden können. Leuchter trug seine Thesen auf dem neunten revisionistischen Weltkongreß vor, der im Februar 1989 in der Nähe von Los Angeles stattfand. Der britische Schriftsteller David Irving, der an diesem Kongreß teilgenommen hatte, erklärte anschließend auf einer Pressekonferenz, der "Leuchter-Bericht" habe ihn überzeugt, daß der Holocaust nur eine Propagandalüge der Sieger des Zweiten Weltkrieges sei. Der "Leuchter-Bericht" wird seitdem zunehmend verbreitet. In seiner englischen Urfassung vertreiben ihn Zündel in Toronto und Irving in London. Der Schweizer Revisionist Dr. Max Wahl verbreitet eine deutsche Übersetzung. Eine Widerlegung von Leuchters Thesen enthält das 1989 in New York erschienene Buch des französischen Pharmakologen Jean-Claude Pressac "Auschwitz. Technique and Operation of the Gas Chambers" ("Auschwitz. Technik und Betrieb der Gaskammern"). Das Institut für Zeitgeschichte in München schloß sich in einer Stellungnahme den Ausführungen Pressacs an und bezeichnete den "Leuchter-Bericht" als "pseudowissenschaftliche, ziemlich plump gemachte NS-apologetische Propagandaschrift". 9.3 Aktivitäten Zu den Trägern der Revisionismus-Kampagne gehört das von dem Neonazi Ewald Bela Althans repräsentierte strukturlose Propagandagebilde "Amt für Volksaufklärung und Öffentlichkeitsarbeit" (AVÖ) in München. Althans ist maßgeblicher Kontaktmann Zündeis im Bundesgebiet. Auf Einladung des AVÖ sollte am 23. März im Kongreßsaal des Deutschen Museums in München eine als "weltgrößter Revisionistentag" bezeichnete "Internationale Jahrestagung kritischer Zeitgenossen" stattfinden. Als Referenten waren bekannte "Revisionisten" des Auslands angekündigt, darunter David Irving aus Großbritannien, Robert Faurisson und Henry Roques aus Frankreich, Gerd Honsik aus Österreich und Fred Leuchter aus den USA, die gemeinsam "die Vielfalt kritischen Den- kens am Rande offiziellen Denkens" erörtern sollten. Die Landeshauptstadt München verbot die Versammlung wegen der von diesen Leugnern des Holocaust konkret zu erwartenden strafbaren Redebeiträge zur "Auschwitz-Lüge". Rechtsbehelfe des Veranstalters gegen die Anordnung des sofortigen Vollzugs der Verbotsverfügung blieben letztlich erfolglos. Das Deutsche Museum focht außerdem den Mietvertrag für den Kongreßsaal erfolgreich wegen arglistiger Täuschung an, als ihm der politische Hintergrund der Veranstaltung bekannt wurde. Am Vormittag des 23. März versammelten sich nach und nach etwa 350 zu dem Treffen angereiste Rechtsextremisten.vor dem Deutschen Museum zu einer von ihnen als "Mahnwache" bezeichneten Protestkundgebung gegen das Vorgehen der Museumsverwaltung. Unter ihnen befanden sich die Neonaziführer Pedro Varela Geiss aus Spanien und Poul Riis-Knudsen aus Dänemark, der Bundesvorsitzende der neonazistischen Nationalistischen Front (NF) Meinolf Schönborn und weitere führende Neonazis. Zehn Personen hielten Ansprachen, darunter Faurisson, Irving und Leuchter. Letzterer äußerte, seit dem Zweiten Weltkrieg gebe es als Resultat der dem deutschen Volk aufgezwungenen Lügen Menschen zweiter Klasse. 45 Jahre Sühne für erfundene Untaten seien genug. Die Nationalistische Front (NF), eine neonazistische Gruppe mit Sitz in Bielefeld/Nordrhein-Westfalen, wollte am 29. Juni in Roding, Landkreis Cham, eine Saalkundgebung unter dem Motto "Schluß mit dem Holocaust" abhalten. Als Ehrengäste und Redner waren neben dem NF-Vorsitzenden Meinolf Schönborn bekannte Leugner des Holocaust angekündigt, so Robert Faurisson aus Frankreich und die deutschen Revisionisten Otto Ernst Remer, Karl Philipp und Wilhelm Stäglich. Das Landratsamt Cham verbot die geplante Versammlung wegen der zu erwartenden strafbaren Redebeiträge zur "Auschwitzlüge". Trotz des Verbotes versammelten sich am 29. Juni bis zur Mittagszeit rund 150 Personen in einer Gaststätte in Roding. Als sich der Beginn einer verbotenen Ersatzveranstaltung abzeichnete, räumte die Polizei das Lokal. Etwa 200 weitere Personen waren auf einem nahegelegenen Parkplatz zusammengekommen und hatten vergeblich versucht, durch die polizeilichen Absperrungen in die Gaststätte zu gelangen. Zusammen mit den aus dem Lokal verwiesenen Neonazis formierten sie sich daraufhin zu einem Demonstrationszug. Die Polizei stoppte den Aufmarsch und ordnete dessen Auflösung an. Ein unvermittelter Angriff von rund 150 NFAnhängern wurde unter Schlagstockeinsatz unterbunden. Zwei Polizeibeamte und mehrere Jugendliche erlitten Verletzungen. Die Polizei nahm zwei Personen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung vorläufig fest; gegen die beiden Leiter des aufgelösten Aufzugs wurden Ermittlungsverfahren wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet. Ein Teil der Neonazis versuchte noch am späten Abend, in einer Gaststätte in Pösing, Landkreis Cham, eine Ersatzveranstaltung durchzuführen. Die Polizei räumte auch dieses Lokal und nahm 38 Personen vorübergehend fest. Im Rahmen eines geplanten "Revisionistischen Oktoberfests" meldete das AVÖ sechs öffentliche Kundgebungen in München an. Als Redner waren Robert Faurisson aus Frankreich, Fred A. Leuchter aus den USA und Ernst C. F. Zündel aus Kanada sowie die Neonazis Gottfried Küssel aus Wien und Christian Worch aus Hamburg angekündigt. Die Veranstaltungsreihe sollte am 21. September mit einer Mahnwache zum Thema "Schluß mit der Holocaust-Propaganda - Wahrheit für Deutschland" beginnen. Mit sofort vollziehbarer Verfügung verbot die Landeshauptstadt München diese Kundgebung einschließlich etwaiger Ersatzveranstaltungen. Althans nahm daraufhin die Anmeldungen für die vorgesehenen fünf weiteren Veranstaltungen zurück. Der bekannte Rechtsextremist Otto Ernst Remer verbreitet seit Sommer 1991 als Organ der von ihm repräsentierten "J. G. BurgGesellschaft" die revisionistische Schrift "Remer-Depesche". Darin leugnete er insbesondere die massenhafte Ermordung von Juden in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern des "Dritten Reiches" und versuchte, die Zahl der Opfer des Holocaust zu relativieren. So wandte er sich gegen die "4 Millionen-Lüge" von Auschwitz und behauptete, es habe weder Gaskammern noch einen Völkermord an den Juden gegeben. Etwaige "Massentötungen an Juden" in Auschwitz seien "höchstwahrscheinlich durch alliierten Bombenterror verursacht" worden. Dem Bundespräsidenten warf Remer vor, daß er versuche, das "gesamte deutsche Volk für alle Ewigkeit für die Lüge von dem fabrikmäßigen GaskammerMord an Juden in Haftung zu nehmen". Die "Gaskammer-Propaganda", von der u. a. die "Finanzierung des Staates Israel sowie dessen Weltmachtstellung" abhänge, sei aber bereits "naturwissenschaftlich widerlegt". Gegen die Schrift ergingen mehrere Beschlagnahmebeschlüsse; außerdem erhob die StaatsanwaltAUSCHWITZ A U S f ü r die G a s k a m m e r n G A L I N S K I stehend " K O " LÜGEN als Besatzungsräson 1991: 2. Ausgabe August schaff beim Landgericht Schweinfurt am 21. November gegen Remer Anklage wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß. Das Amtsgericht München verfügte mit Beschluß vom 5. April die allgemeine Beschlagnahme der im Nordwind-Verlag in Kollund/Dänemark erschienenen Folge 73 der Schriftenreihe "Kritik - Die Stimme des Volkes" wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß, Beleidigung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. In der Schrift hieß es, das Wesen Hitlers und des Nationalsozialismus sei "in der Geschichte der Wiederauferstehung eines Volkes einmalig" gewesen. Der "Mythos des Holocaust" sei vor allem durch die "niederschmetternden Schlußfolgerungen des Leuchter-Berichts" ausgelöscht worden. Psychologisch, rechnerisch und technisch sei belegbar, daß die "6-Millionen-Gaskammem" ein himmelschreiender "politisch-finanzieller Schwindel" seien. Die beschlagnahmte Schrift ist damit ebenfalls der internationalen Revisionismus-Kampagne zuzuordnen. Hinter dem Nordwind-Verlag steht der deutsche Revisionist Thies Christophersen, der 1986 vor der Strafverfolgung in der Bundesrepublik Deutschland nach Dänemark floh und seitdem dort lebt. 10. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus Neben den vorstehend erwähnten Auftritten ausländischer Revisionisten zeigte sich der Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus auf Bayern insbesondere in der Einfuhr und Verbreitung vorwiegend neonazistischer und antisemitischer Zeitschriften, Rundbriefe, Flugblätter und Aufkleber, die überwiegend aus Österreich, Kanada, der Schweiz und den USA stammten. Die neonazistische NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) in den USA fordert die "Ausschaltung des jüdischen Einflusses", die Überwindung des "Materialismus" durch den Nationalsozialismus und die "Neugründung der NSDAP als legale Partei". Endziel sei die "Schaffung eines nationalsozialistischen Staates" in"einem "neuvereinigten Großdeutschen Reich" und die "Errichtung einer Neuen Ordnung auf einer rassischen Grundlage in der gesamten arischen Welt". Der Propagandaleiter der NSDAPAO Gary Rex Lauck gibt große Mengen an Agitationsmaterial heraus, darunter das zweimonatlich erscheinende Publikationsorgan "NS Kampfruf". Dieses in den USA straffrei hergestellte NS-Propagandamaterial geht von der "Auslandszentrale" in Lincoln/Nebraska den oft nur aus einer Person bestehenden Stützpunkten der NSDAP-AO im Bundesgebiet zu, denen die Weiterverbreitung im Inland obliegt. Die in Bayern festgestellten Hakenkreuzaufkleber der NSDAP-AO enthielten Aufschriften wie "Ausländer raus", "Rotfront verrecke", "Jetzt NSDAP", "NS-Verbot aufheben", "Kauft nicht bei Juden" und "Wir sind wieder da". Der Einfluß der NSDAP-AO zeigte sich auch an der Verwendung solcher Parolen bei neonazistischen Schmieraktionen. Der Inhaber des in Toronto/Kanada ansässigen Verlags Samisdat Publishers Ltd. Ernst C. F. Zündel war der Initiator des für den 23. März in München geplanten internationalen Revisionistentreffens. Nach konspirativer Anreise wurde er dort am 22. März festgenommen. Gegen ihn bestand seit August 1990 ein Haftbefehl des Amtsgerichts München, da er auf Videokassetten den Holocaust geleugnet und behauptet hatte, die Massenmorde an Juden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft seien nur eine Erfindung, um von Deutschen Geld zu erpressen. Zündel wurde deshalb am 16. Dezember vom Amtsgericht München zu einer - noch nicht rechtskräftigen - Geldstrafe von 12.600 DM wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt. Bereits im Vorfeld der Verhandlung war Zündel durch eine rege Agitation bestrebt gewesen, das Verfahren öffentlichkeitswirksam zu nutzen. Sein Versuch, aus dem Prozeß ein revisionistisches Propagandaspektakel zu machen, war dann allerdings über großsprecherische Ankündigungen nicht hinausgekommen. In seinem "Germania"-Rundbrief Nr. 148 vom 23. September behauptete Zündel, nirgends werde das Recht der politischen Meinungsäußerung derart mit Füßen getreten wie in Bayern. Gegenüber der "Verkommenheit der herrschenden Kreise in Bayern" habe die dortige Bevölkerung und Elite keine andere Ausrede als die der "eigenen Feigheit, der Unterwürfigkeit und des sich Duckens unter den schwarzen Obrigkeitsstaat mit seinen roten Terrormethoden und Stasi-Allüren". Anlaß dieser Hetze waren Exekutivmaßnahmen gegen vier Anhänger Zündeis in München, bei denen die Polizei am 12. September umfangreiches Schriftmaterial, insbesondere revisionistische Publikationen, einen Computer, zahlreiche Disketten sowie Video-Recorder, Video-Kameras und Video-Kassetten sicherstellte. Die Monatsschrift "Sieg", eine der bedeutendsten neonazistischen Propagandaschriften, wird in einer Auflage von mehreren tausend Exemplaren aus Österreich in das Bundesgebiet eingeschleust. Ihr Herausgeber Walter Ochensberger ist einer der führenden Revisionisten. Er kündigte eine Expedition zu den "sog. 'Vernichtungslagern' in Polen" an, durch die "der Holocaust am europäischen Judentum endgültig widerlegt" werden solle. Die "Gaskammerlüge" werde damit fallen; für die Verfechter der "Holocaust-Theorie" werde dann "die Niederlage eine totale sein". In einem Interview behauptete die Schrift, Deutschland zahle an Israel Wiedergutmachung, weil es "durch die Holocaust-Lüge weltweit erpreßt" werde. Der Wiener Neonazi Gerd Honsik berichtete in der von ihm herausgegebenen Monatsschrift "Halt" über seinen Auftritt vor dem Landgericht München I, das ihn am 6. Dezember 1990 wegen Leugnung des Holocaust zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr GASKAMMERN-TABU GEPLATZT! PAS ENDE DER "NOTORITÄT"! mit Bewährung verurteilt hätte. In seinem Schlußwort habe er erklärt, die "Lüge von der Gaskammer" sei "ein Verbrechen, das durch die Politik und die Gesetzgebung in unsere Welt gebracht worden" sei. Nur Politik und gesetzgebende Gewalt würden schließlich in der Lage sein, diese "Lüge" wieder zu beseitigen. Gegenstand des Verfahrens war das von Honsik verfaßte und verbreitete Buch "Freispruch für Hitler? 37 ungehörte Zeugen wider die Gaskammer" gewesen, das einige Monate vor Hitlers 100. Geburtstag erschienen war. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Die in Winterthur/Schweiz zweimonatlich erscheinende Schrift "Eidgenoss" betonte, das Deutsche Reich habe "nie die-Tötung von Juden beschlossen", sondern lediglich ihre Auswanderung zu fördern versucht. Das Amtsgericht München verurteilte am 10. Oktober den Herausgeber der Schrift Dr. Max Wahl wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß* Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu Geldstrafen in Höhe von insgesamt 25.200 DM; ferner ordnete es die Einziehung aller drei Ausgaben des ersten Halbjahres 1990 an. Der Angeklagte hatte darin seinerzeit das Verfolgungsschicksal der Juden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geleugnet und behauptet, die "Auschwitz-Lüge" diene nur der Erpressung und Ausbeutung des deutschen Volkes. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 11. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen -einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise (Ende 1991) und Auflagen * - z. T. geschätzt -) 1. Nationaldemokratische Organisationen: Nationaldemokratische Partei 1.000 Deutsche Stimme Deutschlands (NPD) - monatlich - - Stuttgart - 70.000 Junge Nationaldemokraten (JN) 100 Einheit und Kampf - Stade - -vierteljährlich - 2.000 JN-Bayern-Info - unregelmäßig 200 Nationaldemokratischer unter 10 Vorderste Front Hochschulbund (NHB) - halbjährlich - - München - 500 2. National-Freiheitliche Organisationen: Deutsche Volksunion (DVU) 3.100 (Publizistische Sprach(bisher: DVU-Liste D) rohre: siehe DSZ-Verlag) -MünchenDeutsche Volksunion e. V. (siehe DVU) einschl. Aktionsgemeinschaften -- München - 3. Neonazistische Organisationen: Gesinnungsgeme'inschaft der Neuen Front (GdNF) in Bayern: Nationaler Block (NB) 40 Freiheitliche Deutsche 20 Neue Nation Arbeiterpartei (FAP) - monatlich - - Stuttgart - 500 89 Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen - einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise (Ende 1991) und Auflagen - z. T. geschätzt -) Hilfsorganisation für nationale 30 Nachrichten der HNG politische Gefangene -monatlich - und deren Angehörige e. V. 300 (HNG) - Frankfurt a. M. - NSDAP-Auslandsund AufbauNS Kampfruf organisation (NSDAP-AO) - zweimonatlich - Stützpunkte im Bundesgebiet 2.000 Nationale Offensive (NO) 40 Deutscher Beobachter -Augsburg - - monatlich - 500 Nationalistische Front (NF) unter 10 Aufbruch - Bielefeld - - alle 6 Wochen 100 4. Sonstige Organisationen: Deutsche Liga für Volk und 70 Deutsche Rundschau Heimat (Deutsche Liga) - monatlich - - Berlin - 70.000 Wiking-Jugend e. V. (WJ) 30 Wikinger - Stolberg - -viermal jährlich 500 Gesellschaft für Freie 40 Das Freie Forum Publizistik e. V. (GFP) - vierteljährlich - - München - 700 Freundeskreis Ulrich von 30 Huttenbriefe - für Hütten e. V. Volkstum, Kultur, Wahr- - Starnberg - heit und Recht -zweimonatlich - 4.000 Die Deutsche Freiheits35 Recht und Wahrheit bewegung e. V. (DDF) - zweimonatlich - - Kaufbeuren - 2.500 90 Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen - einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise (Ende 1991) und Auflagen - z. T. geschätzt - ) Deutscher Block (DB) 15 - Memmingen - Nationalrevolutionäre 15 Für die Sache des Volkes Aufbauorganisation (NRAO) - unregelmäßig - - München - 300 5. Verlage: Druckschriftenund ZeitungsDeutsche National-Zei verlag GmbH (DSZ-Verlag) tung (DNZ) - München - -wöchentlich - 55.000 Deutsche Wochen-Zei tung (DWZ) -wöchentlich - 40.000 Nation Europa Verlag GmbH Nation Europa - Deut-Coburg - sche Monatshefte - monatlich - 15.000 Verlag Hohe Warte - Mensch und Maß Franz von Bebenburg KG - zweimal monatlich - Pähl - 2.000 Denk mit!-Verlag Denk mit! - Nürnberg - - unregelmäßigOdal-Verlag Der Scheinwerfer - Rodach b. Coburg - monatlich - 7.000 92 3. Abschnitt " * * Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines Situation und Aktivitäten der extremistischen und extremistisch beeinflußten Ausländergruppen waren auch 1991 durch den Zusammenbruch des orthodoxen Kommunismus in Mittelund Anzahl der OrganiOsteuropa, insbesondere aber durch die politischen Entwicklunsationen auslängen im Gefolge des Golfkriegs bestimmt. Die Zahl der in Bayern discher Extremisten erfaßten extremistischen oder extremistisch beeinflußten Auslännimmt leicht ab derorganisationen sank aufgrund des ideologischen Niedergangs des orthodoxen Kommunismus auf 113 (1990: 124), während die Mitgliederzahl infolge des Aufwärtstrends der Organisationen islamisch-extremistischer Türken auf rund 5.000 (1990: 4.800) anstieg. Orthodox Neue Extrem IslamischGesamt kommuniLinke nationaliextremistische einschl. stische stische Gruppen sozialGruppen 1 ' Gruppen2' revolutionäre Gruppen Übersicht Araber3) 2 8 - 7 17 Iraner 2 * 2 1 - 5 Jugoslawen - 2 7 - 9 Kurden 2 11 - - 13 71 61 Türken - 45 Sonstige4) 5 2 1 - 8 Gesamt 11 32 H 52 113 " Extrem nationalistische Gruppen sind extremistische Vereinigungen, die nationalistische Ziele in aktiv-kämpferischer, aggressiver Haltung mit dem Ziel der Veränderung der politischen Verhältnisse im Heimatland vertreten. 21 Unter den islamisch-extremistischen Gruppen sind Vereinigungen erfaßt, die auf revolutionärem Weg ein islamisch-fundamentalistisches theokratisches Staatswesen erzwingen wollen. 3 ) Staaten der Arabischen Liga 4 ) Sonstige: Griechen, Inder, Srilanker 93 In der Übersicht sind die in Bayern bestehenden extremistischen und extremistisch beeinflußten Vereinigungen nach ihren ideologischen Standorten und politischen Zielsetzungen aufgeschlüsselt (zur Verfassungsfeindlichkeit dieser Ziele siehe Allgemeiner Überblick). Örtlich selbständige Gruppen sind dabei gesondert gezählt, auch wenn sie zu einer Dachorganisation gehören. 2. Arabische Gruppen Der Sozialrevolutionär-nationalistische Palästinensische Arbeiterverband in der Bundesrepublik Deutschland (PAV) ist maßgeblich von der AI Fatah, der zahlenmäßig stärksten Gruppe der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), beeinflußt. Er hat die Aufgabe, die von Yassir Arafat geleitete AI Fatah in ihrem Kampf für einen Palästinenserstaat materiell und ideell zu unterstützen und für die Ziele der Palästinenser im Gastland zu werben. Örtliche Untergliederungen sind der Verein Palästinensischer Arbeiter München (VPA) und der Palästinensische Arbeiterverband (PAV) in Nürnberg, die loyal zu Arafat stehen. Deren Aktivitäten beschränkten sich auf eine gemeinsame Palästina-SolidaritätsverZurückhaltung bei anstaltung am 5. Januar in München, an der rund 350 Personen Aktionen teilnahmen. Ein PLO-Funktionär aus Bonn referierte über historische Hintergründe der Golfkrise und forderte für den Nahen Osten Frieden unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen. Im Gegensatz dazu kündigte die marxistisch-leninistische Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) im Herbst 1991 die Fortsetzung der Intifada und des bewaffneten Kampfes an. 3. Iranische Gruppen 3.1 Orthodoxe Kommunisten Die seit Mai 1983 im Iran verbotene und aufgelöste Tudeh-Partei Orthodox-kommuniund die Organisation Iranischer Studenten, Sympathisanten stische Iraner der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) inaktiv -O.I.S. -traten 1991 in Bayern nicht nennenswert in Erscheinung. 3.2 Neue Linke Die Anhänger der im Iran als Guerillakämpfer tätigen Volksmojahedin haben sich im Bundesgebiet in der Iranischen Moslemischen Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V. (IMSV) zusammengeschlossen. Die Volksmojahedin, eine Organisation islamischer Fundamentalisten mit marxistischer Prägung, waren maßgeblich an der Revolution im Iran beteiligt, gerieten aber nach dem Umsturz zunehmend in Opposition zur neuen Regierung, gegen die sie seit Juni 1981 bewaffneten Widerstand leisten. In einem Anfang Mai in verschiedenen Städten des Bundesgebietes verteilten Flugblatt wandten sich Anhänger der Volksmojahedin 94 gegen den Besuch des Bundesaußenministers im Iran und erklärten, diese Reise sei angesichts der weiterhin stattfindenden Hinrichtungen und Menschenrechtsverletzungen im Iran rücksichtslos gegenüber den Opfern und stelle eine Aufwertung des Regimes dar. Ferner kritisierten die Verfasser die Aufforderung des Bundesaußenministers an die übrigen westlichen Regierungen, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran zu intensivieren. Am 21. Juni fand in Bonn aus Anlaß des "Tages der Märtyrer und politischen Gefangenen" (20. Juni 1981) eine Protestkundgebung von rund 1.500 Anhängern der IMSV statt, an der sich auch etwa 100 Sympathisanten der IMSV aus Bayern beteiligten. Die Demonstranten agitierten auf Transparenten gegen das "Mullah-Regime" und forderten einen "demokratischen Iran ohne Schah und Mullahs". In Bayern wurden außer der Verbreitung der Schrift "Mojahed" (Kämpfer) und des IMSV-Organs "Freiheit für Iran", die sich beide mit der "Unterdrückung" des iranischen Volkes durch seine derzeitige Regierung befaßten, keine weiteren Aktivitäten von Anhängern der IMSV bekannt. Die 1984 gegründete Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (OIDA), die ein Sammelbecken iinksoppositioneller Iraner darstellt, wird vorwiegend von Anhängern der iranischen Neuen Linken beeinflußt. Sie will durch Unterstützung revolutionärer Kräfte im Iran zum Sturz des "reaktionären Regimes" beitragen. Ferner bekämpft sie den Einfluß des "Imperialismus" und ruft dazu auf, dessen Praktiken nicht nur im Iran, sondern in der ganzen Welt zu entlarven. Die Ortsgruppe München der OIDA, die u. a. Kontakte zum Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) unterhält, feierte am 23. März in München das iranische Neujahrsfest mit 700 Besuchern. Entgegen der Praxis vergangener Jahre wurden dabei keine politischen Themen behandelt. 4. Kurdische Gruppen 4.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) PKK beansprucht Die in der Türkei verbotene PKK, die auch im Bundesgebiet über Führungsrolle beim zahlreiche Anhänger verfügt, ist eine straff organisierte KaderparKampf 9egen. tei. Sie hält unbeeindruckt von den politischen Veränderungen in türkische Regierung d e n e h e m a | S kommunistischen Ostblockstaaten an ihrer marxistisch-leninistischen Ideologie fest und geht gegen jeden vor, der von der Parteilinie abweicht. Ihr Ziel ist die Beseitiung des türkischen "Kolonialismus" und die Errichtung eines unabhängigen kurdischen Staates unter Führung der PKK. Zu diesem Zweck führt sie seit 1984 einen erbitterten Gueriliakampf gegen den türkischen Staat. Neuerdings versucht sie, auch gläubige Muslime für ihre Ziele zu interessieren bzw. zu gewinnen. Das Selbstbewußtsein der PKK und ihr Rückhalt in der kurdischen Bevölkerung haben 1991 eine deutlich neue Qualität erreicht. 95 Der militärische Teil der PKK ist die in den Kurdengebieten operierende Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK), eine gut organisierte und schlagkräftige Kampfeinheit. Als "politischer Arm" der Partei fungiert die 1985 gegründete internationale Teilorganisation Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK), die durch sogenannte "Kurdistan-Komitees" die Propagandaarbeit der PKK betreibt. Die Zentrale der hierarchisch gegliederten und äußerst konspirativ Hierarchische arbeitenden PKK befindet sich in Damaskus/Syrien; GeneralseGliederung kretär ist Abdullah Öcalan. Führungsgremium der PKKAuslandsorganisation ist das "Zentralkomitee für Europa", auch "EuropaKomitee" genannt. Diesem unterstehen in mehreren westeuropäischen Ländern sogenannte "Gebietskomitees", die den militärischen Kampf der PKK in der Türkei vor allem finanziell unterstützen. Die PKK zählt bundesweit rund 3.500 Anhänger, davon wie im Vorjahr etwa 750 in Bayern mit Schwerpunkten im Raum Augsburg/Lindau (Bodensee), Nürnberg/Ingolstadt/Regensburg und Bayreuth/Hof. Der 1984 gegründete Dachverband Föderation der patriotischen Breit gefächerte Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BunNebenorganidesrepublik Deutschland e. V. (FEYKA-Kurdistan) mit Sitz in sationen Bonn, in dem die örtlichen Mitgliedsvereine der PKK zusammengeschlossen sind, vertritt als Basisorganisation der PKK deren Interessen im Bundesgebiet. Eine weitere Nebenorganisation der PKK ist der Verein patriotischer Künstler Kurdistans in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (HUNERKOM), der die kulturellen Aktivitäten der PKK in Westeuropa organisiert. Zur Erweiterung ihres Einflusses gründete die PKK in den letzten Jahren mehrere "Massenorganisationen". Mit einem Hungerstreik protestierten am 23. Januar etwa 15 PKKAktivitäten mit Sympathisanten in Lindau (Bodensee) gegen den Golfkrieg und Bezug zu Bayern die Stationierung von NATO-Truppen in der Osttürkei. Rund 2.000 Personen beteiligten sich am 23. März in Alzenau i. UFr., Landkreis Aschaffenburg, an einer von der ERNK veranstalteten Feier anläßlich des kurdischen Neujahrsfests. Am 14./15. Juli fand auf Initiative des "Kurdistan Kunstund Kulturzentrums Nürnberg und Umgebung e. V.", eines Mitgliedsvereins der FEYKA-Kurdistan, in Nürnberg eine "Mahnwache" mit rund 50 Teilnehmern statt; Anlaß war die Festnahme von "kurdischen Patrioten" in der Türkei. Anhänger der PKK beteiligten sich am 20. Juli in Nürnberg an einer Protestkundgebung gegen die Ermordung eines kurdischen Politikers, der auch Mitglied der YRWK gewesen sein soll und Anfang Juli in der Osttürkei mit Folterspuren tot aufgefunden worden war. Am 13. August organisierten PKK-Angehörige in Nürnberg eine Demonstration gegen den "Völkermord in Kurdistan". An dem Aufzug beteiligten sich rund 200 Personen, darunter auch etwa 40 Angehörige des deutschen autonomen/antiimperialistischen Spektrums. 96 Mitte August eröffnete die PKK ihre jährliche Spendenkampagne. Die Aktion, die der Finanzierung des Guerillakampfes in der Heimat diente, war offenbar nicht nur auf Mitglieder und Sympathisanten der Partei beschränkt. So erhielten mutmaßliche PKK-Aktivisten von eingeschüchterten türkischen Geschäftsleuten in Schwaben Beträge bis zu 1.500 DM. Zu einer Großveranstaltung der PKK am 24. August in Darmstadt erschienen rund 10.000 Besucher, darunter auch etwa 450 aus Bayern. Anlaß war das Gedenken an den Beginn des bewaffneten Widerstandskampfs der PKK mit der Gründung der ARGK im August 1984. Anhänger der PKK führten aus Anlaß des 2. Jahrestages des Beginns des Strafprozesses gegen ehemals führende Funktionäre der Partei vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (24. Oktober 1989) Protestkundgebungen im Inund Ausland durch. So demonstrierten am 26. Oktober in Karlsruhe rund 2.000 Personen, darunter etwa 250 Sympathisanten der PKK aus Bayern, vor dem Bundesgerichtshof und dem türkischen Generalkonsulat. Anläßlich des 13. Jahrestags ihrer Gründung (27. November 1978) organisierte die PKK am 14. Dezember eine Großveranstaltung in Mannheim. Unter den rund 10.000 Teilnehmern befanden sich auch etwa 700 PKK-Anhänger aus Bayern. In mehreren Städten des Bundesgebietes kam es am 27. Dezember zu Protestaktionen vor türkischen Einrichtungen wegen des Vorgehens des türkischen Militärs gegen die kurdische Bevölkerung in Südostanatolien. In München demonstrierten 27 Kurden mit zwei Fahnen der PKK vor dem türkischen Generalkonsulat. Strafverfahren Am 8. Januar begann vor dem Oberlandesgericht Celle ein Strafin Celle prozeß gegen vier ehemalige PKK-Funktionäre. Die Angeklagten müssen sich wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Mord, Freiheitsberaubung und Körperverletzung verantworten. In einer Presseerklärung behauptete die ERNK, in diesem Verfahren gehe es nicht darum, Straftaten zu verfolgen, sondern den kurdischen Widerstandskampf als terroristischen Akt zu diskreditieren und seiner Verurteilung einen juristischen Deckmantel umzuhängen. 4.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (KOMKAR) Der orthodox-kommunistischen, mit der PKK konkurrierenden KOMKAR mit Sitz in Köln gehört in Bayern als Mitgliedsverein die Kurdistan-Arbeitervereinigung in Nürnberg e. V. an. Die Aktivitäten der KOMKAR waren maßgeblich vom Golfkrieg und dessen verheerenden Folgen für die kurdische Bevölkerung geprägt. Mit mehreren Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen in München und Nürnberg machte die KOMKAR auf die Situation der Kurden im Irak und in der Türkei aufmerksam. In ihren Publikationen warf sie dem Westen u. a. vor, er vergesse das Völkerrecht, wenn es um die Interessen des NATO-Partners Türkei gehe. Im Golfkrieg sah sie ein "klassisches Beispiel des Verteilungskampfes zwischen den armen Ländern der dritten Welt und den reichen Ländern der ersten Welt". Zum kurdischen Neujahrsfest der KOMKAR am 2. März in München erschienen rund 1.500 Besucher aus ganz Bayern. 5 Türkische Gruppen 5.1 Orthodoxe Kommunisten Der Abwärtstrend der orthodox-kommunistischen Organisationen setzte sich auch 1991 fort. Ihre Aktivitäten sind nach dem Umwälzungsprozeß in Osteuropa bundesweit erheblich zurückgegangen; in Bayern haben sie ihre Tätigkeit weitgehend eingestellt. 5.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen Die in Bayern aktiven Vereinigungen der türkischen Neuen Linken orientieren sich vorwiegend am Gedankengut der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und der Türkischen Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C). Trotz ideologischer Differenzen besteht in den Zielen dahingehend Übereinstimmung, daß beide einen Umsturz in der Türkei mit revolutionären Mitteln anstreben. 5.2.1 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Die gewaltorientierte TKP/ML wurde im Jahre 1972 illegal in der Türkei gegründet; im Jahre 1974 fand die Gründungsversammlung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland statt. Ziel der TKP/ML ist die Beseitigung des politischen Systems der Türkei zugunsten einer kommunistischen Gesellschaftsordnung im Sinne des Marxismus-Leninismus. Ihr militärischer Zweig ist die Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO). Von der konspirativ arbeitenden TKP/ML hat sich infolge ideologischer Differenzen schon vor Jahren die Gruppe "Bolsevik Partizan" abgespalten. Die TKP/ML unterhält in Bayern einige Stützpunkte, so z.B. in Augsburg und Nürnberg. Das "Internationale Büro der TKP/ML" veröffentlichte die erste Ausgabe einer neuen deutschsprachigen Publikation. Nach Angaben der Verfasser sollen die Leser mit der marxistischen, auf den Ideen Mao Zedongs beruhenden Linie der Partei bekanntgemacht werden. Angesichts der Pläne der Imperialisten zu einer neuen Weltordnung sei der Kampf der Kommunisten gegen Imperialismus, Sozialimperialismus und jegliche Reaktion umso sinnvoller und notwendiger. Die TKP/ML komme ihrem Ziel einer "proletarischen Weltordnung" nur näher, wenn die "nationale kommunistische Bewegung" gestärkt werde. Die Erstausgabe befaßte sich mit dem "Scheitern der revisionistischen Linie der Partei der Arbeit Albaniens (PAA)" sowie der "imperialistischen Nahost-Politik und der Kurdenfrage". Den albanischen Kommunisten wurde vorgehal- 98 ten, nicht der Marxismus-Leninismus sei gescheitert, sondern die trotzkistisch-revisionistische Linie der PAA. In einem Beitrag zur Kurdenproblematik befürworteten die Autoren ausdrücklich den bewaffneten Kampf der Kurden, der jedoch nur mit einer "richtigen" politischen Ausrichtung erfolgreich sein könne. Die TKP/ML unterstütze deshalb den Kampf der PKK, der den "faschistischen" türkischen Staat und damit den Imperialismus schwäche. Plakat der TKP/ML 99 Während ihrer alljährlich zum Jahreswechsel durchgeführten Erfolgreiche Spendenkampagne hat die TKP/ML nach eigenen Angaben insgeSpendenkampagne samt etwa eine Million DM in Europa eingenommen, davon allein in Deutschland mehr als 340.000 DM. Die Kampagne sei mit Begeisterung und Opferbereitschaft aufgenommen worden. Mündliche und schriftliche Propaganda, die Verteilung tausender von Flugschriften sowie Besuche an Arbeitsstätten und in Wohnungen hätten ebenso zum Erfolg beigetragen wie Solidaritätsveranstaltungen unter dem Leitspruch "Unterstütze die Guerilla". Zwei Aktivisten der TKP/ML, die Ende 1990 von türkischen Geschäftsleuten "Spenden" erpreßt hatten, wurden mittlerweile zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Spaltergruppe Bolsevik Partizan der TKP/ML erklärte in einem Flugblatt, mit dem Verbot der "Devrimci Sol" und sonstigen Exekutivmaßnahmen sowie mit den Strafprozessen gegen Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) versuche der deutsche Imperialismus, "demokratische" Organisationen als terroristisch abzustempeln und zum Schweigen zu bringen. Mit dem Vorgehen gegen eine legal gegründete Massenorganisation mißachte der deutsche Staat seine eigenen Gesetze und trete die Demokratie mit Füßen. Vor dem Hintergrund dieser Situation mit "barbarischster" Anwendung des Ausländergesetzes müsse für die eigenen Rechte vor den Augen der Öffentlichkeit "Zahn um Zahn" gekämpft werden. Der einzige Weg, sich vom deutschen Imperialismus und seiner Barbarei zu befreien, führe über seinen Sturz. Am 21. September veranstaltete die Gruppe Bolsevik Partizan in Röthenbach a. d. Pegnitz eine Gedenkfeier für einen verstorbenen türkischen Regisseur und Schauspieler. Im Verlauf der von rund 350 Personen besuchten Veranstaltung wurden Spenden für die Frauengruppe von Bolsevik Partizan gesammelt. Die 1976 gegründete Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. (ATIF) vertritt das Gedankengut der TKP/ML. Auf dem Jahreskongreß am 16./17. März in Mannheim wurde der bisherige Vorsitzende Ismail Yilmaz aus Worms in seiner Funktion bestätigt. In ihren Flugschriften agitierte die ATIF u. a. gegen das neue Ausländergesetz, das die Erfassung und Übermittlung personenbezogener Daten von Ausländern im Sinne eines totalitären Überwachungswahns regle. Des weiteren rief sie alle Werktätigen auf, ihre Stimme zu erheben, um den "zunehmenden Faschismus des deutschen Staates" zu enthüllen und der Ausländerfeindlichkeit entgegenzuwirken. Die vom Gedankengut der TKP/ML geprägte Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) entstand Ende 1986 durch den Zusammenschluß der ATIF mit ihren Schwesterorganisationen in Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Schweden und der Schweiz. Vom 29. bis 31. März fand in Frankfurt a. M. der Jahreskongreß der ATIK statt, an dem etwa 800 bis 1.000 Personen teilnahmen. Der bisherige Vorsitzende Ihsan Bakis aus Leverkusen wurde in seiner Funktion 100 bestätigt. Dem Rechenschaftsbericht zufolge hat die ATIK allein aus dem Verkauf ihrer Propagandaschriften in den letzten 12 Monaten etwa 110.000 DM eingenommen und insgesamt einen Überschuß in Höhe von 27.000 DM erzielt. Zu einem Jugendfest der ATIK am 2. Februar in Augsburg erschienen rund 150 Besucher. 5 2 2 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) Die Ziele der in der Türkei verbotenen THKP/-C werden im Bundesgebiet von mehreren Gruppen vertreten, die vielfach auch konspirativ arbeiten. Zahlenmäßig stärkste der vom Gedankengut der THKP/-C geprägten Vereinigungen im Bundesgebiet ist die sozialrevolutionäre Devrimci Yol (Revolutionärer Weg), die im Bundesgebiet unter der Bezeichnung "Devrimci Isci" (Revolutionärer Arbeiter) in Erscheinung tritt. An einer Gedenkveranstaltung der Devrimci Isci am 30. März in Nürnberg beteiligten sich rund 500 Personen. Anlaß war der Tod von zehn Aktivisten der THKP/-C, die Ende März 1972 zwei amerikanische Militärberater entführt hatten und in Kizildere/Türkei bei einem Feuergefecht mit türkischen Sicherheitskräften ums Leben gekommen waren. Verbotene ExtreDie aus einer Abspaltung von Devrimci Yol hervorgegangene mistenorganisation Sozialrevolutionäre Gruppe Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) steigert öffentliche wurde 1983 vom Bundesminister des Innern verboten. Ihre Anhänger betätigen sich seit Ende 1990 auch unter der Tarnbezeichnung "Devrimci Sol Gücler" (Revolutionäre linke Kräfte). Aus Protest gegen das Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte, die am 12. Juli in Istanbul einen Stützpunkt der "Devrimci" Sol" gestürmt und in einem mehrstündigen Feuergefecht zehn Mitglieder der Gruppe getötet sowie 12 Personen festgenommen hatten, versammelten sich am 13. Juli türkische Linksextremisten vor einer Außenstelle des türkischen Generalkonsulats in München. Die etwa 25 bis 30 Demonstranten warfen Farbbeutel gegen das Gebäude und verbrannten Sägemehl auf der Straße. Ein mitgeführtes Transparent der Gruppe "Devrimci Sol Gücler" befaßte sich zusätzlich mit einem "Massaker in Diyarbakir" anläßlich der Beisetzung eines ermordeten kurdischen Politikers am 10. Juli, für das der amerikanische und türkische Geheimdienst sowie die "Kontraguerilla" verantwortlich seien. Etwa 20 Anhänger der "Devrimci Sol Gücler" besetzten am 18. Juli eine türkische Bank in München. Auf Transparenten forderten sie die Benennung der für das Istanbuler "Massaker vom 12. Juli" Verantwortlichen sowie Auskunft über den Zustand von 26 inhaftierten Gesinnungsgenossen. Die Polizei nahm die Beteiligten zur Feststellung der Personalien vorübergehend in Gewahrsam. In einem Aufruf an "Deutsche Werktätige" und "Revolutionäre aller Nationen" verurteilte die Gruppe "Devrimci Sol Gücler" die "Angriffe deutscher Faschisten" auf Asylbewerber und sonstige Ausländer. Zugleich behauptete sie, Ausländerfeindlichkeit sei "das un- 101 Plakat der Devrimci Isci KIZILDERE'DE A PS I L A N TARIS'TEiFATSA'DA T A $ I N A N BAYRAK,YARIN Y I N E DALGALANACAK mittelbare Resultat imperialistischer Politik". So mache der Imperialismus die Ausländer für die "derzeitige ökonomische Krise" verantwortlich, um "die Reaktionen des Volkes vom vorhandenen System abzulenken". Alle "fortschrittlich-revolutionären Kräfte" seien nunmehr aufgerufen, die deutschen Neonazis "durch einen radikalen Kampf abzuschrecken und niederzuwalzen". 102 5.3 Extreme Nationalisten Die 1978 gegründete Föderation der TürkischDemokratischen ADÜTDF und Idealistenvereine in Europa e. V. (ADÜTDF) mit Sitz in Frankfurt TIKDB wenig aktiv a. M. vertritt das Gedankengut der in der Türkei verbotenen und aufgelösten extrem nationalistischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP). Die Ideologie der ADÜTDF vereinigt militanten Nationalismus mit striktem Antikommunismus. Von der türkischen Jugend in Deutschland fordert sie Distanz zu westlich-dekadenten Einflüssen und die Betonung ihrer türkischen Identität. Am 19. Mai hielt die ADÜTDF in Wiehl, Oberbergischer Kreis, ihren diesjährigen Jahreskongreß ab. Daran beteiligten sich über 7.000 Personen, darunter auch Anhänger der ADÜTDF aus Bayern. Ehrengast war - wie auch in den Vorjahren - Alparslan Türkes, der die MHP bis zu ihrer Auflösung geführt hatte und nun deren Nachfolgerin, die "Nationalistische Arbeitspartei" (MCP), leitet. In. seinem Referat über die innenpolitische Situation der Türkei behauptete er, Separatisten versuchten, die türkische Nation zu spalten und in die Sklaverei zu treiben. Ihnen könne man nur mit der Seele des Nationalismus entgegentreten. Der wiedergewählte ADÜTDF-Vorsitzende Ayhan Özer betonte die erfolgreiche Arbeit der ADÜTDF. Deren größtes Ziel sei es, in der Türkei eine starke Basis zu schaffen und das Selbstbewußtsein der im Ausland lebenden türkischen Jugendlichen zu stärken. Ferner wies er den von politischen Gegnern erhobenen Vorwurf des Rassismus zurück und bekräftigte den "Sieg des Nationalismus über den Kommunismus". Die Türkische Gemeinschaft in Nürnberg e. V., ein Mitgliedsverein der ADÜTDF, führte am 2. Februar eine Veranstaltung mit rund 500 Teilnehmern durch. In einigen Beiträgen zum Golfkrieg wurden sowohl der irakische Aggressor als auch das militärische Eingreifen der USA und ihrer Verbündeten heftig kritisiert. Die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e. V. (TIKDB), die sich im Oktober 1987 nach Führungsstreitigkeiten von der ADÜTDF abspaltete, sieht ihre Hauptaufgabe in der Lösung von Problemen der Türken in Europa. Vorsitzender ist Musa Serdar Celebi. In Bayern hat die TIKDB bisher nur geringe Resonanz gefunden. 5.4 Islamische Extremisten Der von Cemaleddin Kaplan geführte Verband der islamischen ICCB propagiert Vereine und Gemeinden e. V. Köln (ICCB) will durch eine Revoeine islamische lution nach dem Beispiel des Iran in der Türkei eine Islamische Republik Republik errichten. Der ICCB-Vorsitzende propagiert den Sturz der türkischen Regierung und die Bildung eines theokratischen Staatsgefüges mittels eines Zusammenschlusses aller Muslime; der islamische Weg sei nicht mit Hilfe einer politischen Partei gangbar, sondern nur mit einer religiösen Sammlungsbewegung. Wie die 103 Machtveränderungen im Ostblock zeigten, könne durch organisierte Volksbewegungen jede Regierungsform verändert werden. In seinem Verbandsorgan "Ümmet'i Muhammed" (Die Gemeinde Mohammeds) vom 21. November rief der ICCB dazu auf, die Nahost-Friedenskonferenz abzulehnen, und bezeichnete deren Teilnehmer als Verräter. Palästina gehöre dem Islam; deshalb sei weder ein Staat noch eine Institution berechtigt, auch nur eine Handbreit dieses Landes "zu verkaufen". Die "palästinensischen Brüder" sollten die Intifada (Aufstand) fortführen und nicht von diesem ruhmreichen, heiligen Krieg ablassen. Der ICCB habe beschlossen, den palästinensischen Widerstandskampf mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Die Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V. (AMGT) mit ihrem publizistischen Sprachröhr "Milli Gazete" (Nationale Zeitung) ist ein Sammelbecken von Anhängern der in der Türkei verbotenen und aufgelösten Nationalen Heilspartei (MSP) bzw. deren AMGT stärkt ihre Nachfolgerin, der vom früheren MSP-Vorsitzenden Prof. Necmettin organisatorische Erbakan geleiteten Wohlfahrtspartei (RP). Aufgrund intensiver Mitund personelle Basis gliederwerbung zeigte sie bundesweit einen deutlichen Aufwärtstrend. Am 19. Mai fand in der Kölner Stadthalle die Jahreshauptversammlung der AMGT statt. Daran nahmen etwa 15.000 Muslime aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland teil. Als Ehrengast und Redner trat wie in den Vorjahren Prof. Necmettin Erbakan auf. Er äußerte sich positiv über seine gefestigte Bewegung und behauptete, die Menschheit sei jahrelang durch den Kapitalismus und den Kommunismus ausgebeutet worden. Der AMGT-Vorsitzende Osman Yumakogullari referierte über Probleme der Muslime in Europa und bedauerte, daß der erhebliche Anteil der türkischen Arbeitskräfte am Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichend gewürdigt werde. Ein Mitgliedsverein der AMGT in Weißenburg hielt am 20. Juli eine Versammlung ab, an der rund 150 Mitglieder und Sympathisanten teilnahmen. Ein AMGT-Funktionär berichtete, daß der Verband derzeit 60.000 Mitglieder in 372 Mitgliedsvereinen zähle. Die AMGT bezeichnete in ihrem Sprachrohr "Milli Gazete" die Madrider Friedenskonferenz als Farce. Israel habe bisher keinen Fußbreit seiner Position aufgegeben; seine angebliche Bereitschaft, mit den Arabern zu verhandeln, sei nur vorgetäuscht. Den USA gehe es darum, Israel als Bollwerk gegen den Islam zu stärken. Die arabischen Nationen hätten jedoch erkannt, daß Israel, die USA und der Westen nach wie vor als einziges Ziel die Vernichtung des Islam anstrebten; sie würden daher ihren Kampf gegen Israel verstärken und sich nicht durch die angeblichen Friedensgespräche täuschen lassen. 104 6. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern, deren Nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) 1. Arabische Gruppen Demokratische Front für die AI Hourriah (Die Freiheit) Befreiung Palästinas (DFLP) - wöchentlich - orthodox-kommunistisch Volksfront für die Befreiung AI Hadaf (Das Ziel) Palästinas (PFLP) - wöchentlich - marxistisch-leninistisch Democratic Palestine - zweimonatlich - AI Karamah (Die Würde) - zweimonatlich - Volksfront für die Befreiung Ila-Al-Amam (Vorwärts) Palästinas - Generalkommando (PFLP-GC) - wöchentlich - marxistisch-leninistisch Hizb Allah (Partei Gottes) Al-Ahd (Die Verpflichtung) schiitisch-extremistisch - wöchentlich - Palästinensischer Arbeiterverband AI Amel (Der Arbeiter) in der Bundesrepublik Deutschland (PAV) Sozialrevolutionär-nationalistisch Sitz: Wuppertal Palästinensischer Studentenverband in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (PSV) Sozialrevolutionär-nationalistisch Verein Palästinensischer Arbeiter München (VPA) Sozialrevolutionär-nationalistisch Palästinensischer Arbeiterverband (PAV), Nürnberg Sozialrevolutionär-nationalistisch Palästina-Libanon-Komitee (PLK), Nürnberg linksextremistisch beeinflußt 105 Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) 2. Iranische Gruppen Tudeh-Partei Nameh Mardom orthodox-kommunistisch (Botschaft des Volkes) - wöchentlich - Tudeh Bulletin - unregelmäßig - Organisation Iranischer Iran-Informationsblatt Studenten, Sympathisanten der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) - O.I.S. - Aksariat (Mehrheit) orthodox-kommunistisch Iranische Moslemische Freiheit für Iran Studenten-Vereinigung Bundes- - wöchentlich - republik Deutschland e.V. (IMSV) Gruppe der Neuen Linken Mojahed (Kämpfer) Sitz: Köln Organisation Iranischer DemoIran-Info kraten im Ausland (OIDA) Gruppe der Neuen Linken Bultan - e Panahandeh (Flüchtlingsbulletin) Organisation der iranischen Iran im Kampf Studenten in der Bundesrepublik Deutschland, Sympathisanten der VolksIran-Rundschau fedayin Guerilla Iran (Ashraf-Deghani- - unregelmäßig - Anhänger) -O.I.P.F.G.Gruppe der Neuen Linken Union islamischer StudentenQods (Jerusalem) vereine in Europa (U.I.S.A.) - unregelmäßig - islamisch-extremistisch 106 Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) 3. Kurdische Gruppen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Berxwedan (Widerstand) marxistisch-leninistisch - monatlich - Serxwebun (Unabhängigkeit) - monatlich - Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) Teilorganisation (Kampfeinheit) der PKK Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) Kurdistan-Report Teilorganisation der PKK - monatlich - Kurdistan-Komitee e.V., Köln Nachrichten aus Kurdistan Nebenorganisation der PKK - unregelmäßig - Föderation der patriotischen Arbeiter- , und Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) Nebenorganisation der PKK Kurdischer Studentinnenverband (YXK) Nebenorganisation der PKK Verein patriotischer Künstler Kurdistans in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (HUNERKÖM) Nebenorganisation der PKK Union patriotischer Frauen Kurdistans (YJWK) Nebenorganisation der PKK Union der patriotischen Intellektuellen Kurdistans (YRWK) Nebenorganisation der PKK Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) Nebenorganisation der PKK Union der revolutionär-patriotischen Jugend Kurdistans (YCK) Nebenorganisation der PKK Föderation der Arbeitervereine Denge KOMKAR (Stimme KOMKAR) aus Kurdistan in der Bundes- - unregelmäßig - republik Deutschland e.V. (KOMKAR) orthodox-kommunistisch Informationsbulletin Kurdistan - zweimonatlich - 107 Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) 4 Türkische Gruppen 4.1 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen Türkische Kommunistische Partizan Partei/Marxisten-Leninisten - unregelmäßig - (TKP/ML) Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) Frontorganisation der TKP/ML Bolsevik Partizan (BP) Bölsevik Partizan Spaltergruppe der TKP/ML - unregelmäßig - Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) Sitz: Duisburg Internationales Kulturzentrum in Augsburg (IKZ) Mitgliedsverband der ATIF Konföderation der Arbeiter aus Mücadele (Kampf) der Türkei in Europa (ATIK) - monatlich - Zusammenschluß der ATIF und ihrer Schwesterorganisationen Türkische Volksbefreiungspartei/front (THKP/-C) Devrimci (sei (Revolutionärer Devrimci Isci Arbeiter) (Revolutionärer Arbeiter) Spaltergruppe der Devrimci Yol - unregelmäßig - Türkei Information - zweimonatlich - Devrimci Sol Gücler (Revolutionäre linke Kräfte) Tarnorganisation der 1983 verbotenen Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 108 Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) 4.2 Extreme Nationalisten Föderation der TürkischDemokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) Sitz: Frankfurt a.M. 4.3 Islamische Extremisten Verband der islamischen Vereine Ümmet i Muhammed (Die Gemeinde und Gemeinden e.V., Köln (ICCB) Mohammeds) -15tägigVereinigung der neuen Weltsicht Milli Gazete (Nationale Zeitung). in Europa e.V (AMGT) - täglich - Sitz: Köln 110 4. Abschnitt Terror* und sonstige politisch motivierte Gewalt 1 Überblick Die Bedrohung der 'inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch politisch motivierte Gewalttäter hielt auch im Jahre 1991 unvermindert an. Die terroristischen Aktivitäten waren im wesentlichen gekennzeichnet durch den Mordanschlag der Roten Armee Fraktion (RAF) auf Dr. Detlef Karsten Rohwedder und den wohl von einer örtlichen militanten Gruppe verübten tödlichen Briefbombenanschlag auf den Referatsleiter in der Senatsverwaltung für Bau und Wohnungswesen in Berlin, Hanno Klein. In der zweiten Jahreshälfte richtete sich eine Welle politisch motivierter Gewalt bisher nicht gekannten Ausmaßes gegen Asylbewerber und andere Ausländer. Durch diese Gewalttaten, die zum Teil von rechtsextremistischen Einzeltätern und ausländerfeindlichen sowie rassistisch eingestellten Skinheads verübt wurden, kamen ebenfalls zwei Menschen ums Leben. RAF gefährlichste Die Rote Armee Fraktion (RAF) blieb auch 1991 die gefährlichste deutsche Terrordeutsche terroristische Vereinigung. Ein Kommando "Ulrich Wes9ruPPe sei" der RAF ermordete am 1. April in Düsseldorf den Präsidenten der Treuhandanstalt Dr. Detlef Karsten Rohwedder. Ein Kommando "Vincenzo Spano" verübte am 13. Februar einen Schußwaffenanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Bonn. * Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hiife von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum Dritter durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129 a Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannt sind (vor allem: Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Explosion durch Sprengstoff) oder durch andere Gewalttaten, die der Vorbereitung solcher Straftaten dienen. 111 Revolutionäre Zellen (RZ) sind 1991 wieder verstärkt in ErscheiAnschläge der RZ nung getreten. Sie verübten bzw. versuchten insgesamt vier Sprengstoffund mindestens 15 Brandanschläge, u. a. am 8. Januar auf die Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf und am 22. August auf die Ausländermeldestelle des Landratsamtes Böblingen. Darüber hinaus war die Gefährdungslage im linksextremistischen Bereich von einer hohen Zahl teilweise schwerer Brandund Sprengstoffanschläge gekennzeichnet, die z. T. dem RAF-Umfeld, in der Mehrzahl jedoch Gruppen und Einzeltätern aus dem militanten autonomen und anarchistischen Spektrum zuzurechnen waren. Begründet wurden zahlreiche Anschläge mit den Themenbereichen "Golfkrieg", "Kampf gegen den Imperialismus und dessen neue Weltordnung", "Asylpolitik" und "Antifaschismus" sowie mit der Forderung, die "haftunfähigen Gefangenen aus RAF und Widerstand" freizulassen. Bevorzugte Angriffsziele .waren Konzerne und öffentliche Einrichtungen. Ziel der in der Bundesrepublik Deutschland agierenden linksextremistischen Gewalttäter ist die gewaltsame Zerschlagung der gegenwärtigen Staatsund Gesellschaftsordnung, in der sie ein Instrument zur Durchsetzung weltweiter kapitalistischer und imperialistischer Ausbeuterinteressen sehen. Keine der genannten Gruppen bietet eine realistische Perspektive für die Zeit nach der angestrebten Revolution. Alle nennen als Ziel eine "herrschaftsfreie Gesellschaft". Vielfach geben sie vor, das Bild der späteren Gesellschaft schäle sich erst.nach und nach im Kampf gegen das herrschende System heraus. Für die Existenz einer rechtsterroristischen Vereinigung in Bayern In Bayern keine gab es auch 1991 keine Hinweise. Fehlende organisatorische Hinweise auf Strukturen dürfen aber nicht über die Gefährlichkeit und Unbererechtsterroristische chenbarkeit rechtsterroristischer Gewalttäter hinwegtäuschen. Den Vereinigung Nährboden hierfür bildet hauptsächlich das Erstarken neonazistischer Gruppierungen. Die von diesem Personenkreis verübten, zum Teil schwersten Gewalttaten, die 1991 auf ein bishef nicht bekanntes Ausmaß an Zahl und Brutalität erreichten, verdeutlichten dies besonders. Bundesweit wurden mehr als 2.400 StraftaGewaltwelle nicht ten, darunter rund 330 verübte bzw. versuchte Brandanschläge gekannten Ausregistriert, bei denen ausländerbzw. asylbewerberfeindliche oder maßes gegen rassistische Motive erwiesen oder zu vermuten waren. Bei den Ausländer Ausschreitungen und Anschlägen wurden zwei Menschen getötet, eine Vielzahl von Personen z. T. schwer verletzt und Sachschäden in Millionenhöhe verursacht. In Bayern wurden in diesem Zusammenhang rund 125 gegen Ausländer und Asylbewerber gerichtete Straftaten registriert. Hinweise auf eine zentrale Steuerung dieser Straftaten haben sich bisher nicht ergeben. Auch die Bedrohung der inneren Sicherheit durch ausländische Bedrohung durch Terroristen hielt weiter an. So wurden in Bayern drei Sprengstoffausländische anschläge verübt bzw. versucht, für die Konflikte in den HeimatTerroristen hält an ländern der Täter ausschlaggebend waren. Diese Anschläge richteten sich vor allem gegen Einrichtungen des Heimatlandes in der Bundesrepublik Deutschland. Drohungen im Daneben mußte, bedingt durch den Golfkrieg in der ersten JahresGolfkrieg hälfte, mit einer erhöhten Bedrohung durch islamisch-extremistische und palästinensische Terrorgruppen gerechnet werden. Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte im Verlauf des Krieges mehrfach öffentlich gedroht, weltweit Terroranschläge gegen Einrichtungen der Staaten verüben zu lassen, die sich gegen irakische Interessen gestellt hatten. Diese Drohungen wurden durch mehrere palästinensische Gruppen unterstrichen, die sich bereit erklärt hatten, den Irak durch Anschläge zu unterstützen. 2. Rote Armee Fraktion (RAF) Die vor rund 25 Jahren entstandene RAF verfolgte ursprünglich das Ziel, als Avantgarde des revolutionären Kampfes durch terroristische Aktionen der "Stadtguerilla" im "antiimperialistischen Kampf" und im "strategischen und taktischen Zusammenwirken mit den Befreiungskämpfen der unterdrückten Nationen" eine Solidarisierung der Massen und eine revolutionäre Situation herbeizuführen. Aus einem "Planungspapier" der RAF vom April 1984 geht hervor, daß die RAF ihren "Kampf" in einer koordinierten "antiimperialistischen Front" führen will, die die drei Ebenen "Guerilla" (Kommandobereich), "Widerstand" (RAF-Umfeld) und "Gefangene" (inhaftierte terroristische Gewalttäter) umfaßt. Die RAF sah sich nicht mehr nur als verlängerter Arm der Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, sondern als eigenständige Guerilla im "imperialistischen Zentrum Westeuropa". In das Feindbild ihres "antiimperialistischen Kampfes" schloß sie insbesondere die maßgebenden Stützen der bestehenden Machtstrukturen ein. Dazu zählte sie neben den Sicherheitsbehörden ("Repressionsapparat") die Bereiche Pplitik, Militär, Kapital und Industrie. Deren vielfältige Verflechtungen umschrieb sie mit dem Begriff "militärisch-industrieller Komplex" (MIK). Erweitertes In den Selbstbezichtigungsschreiben zu 1989 und 1990 verübten Feindbild der RAF bzw. versuchten Mordanschlägen erweiterte die RAF ihr Feindbild um den Begriff "Großdeutsche/Westeuropäische Weltmacht": Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Machtbereichs in Osteuropa und der deutschen Wiedervereinigung habe der Imperialismus den Kalten Krieg gewonnen. Dies habe zur Stabilisierung des "imperialistischen Machtblocks" geführt. Dadurch sei Europa unter Führung des wiedervereinigten Deutschlands zur Weltmacht geworden. Mit dieser Erweiterung ihres Feindbildes versucht die RAF verstärkt, auch eine "europäische Front der Guerilla" zu formieren und auch weitere nationale Gruppen in den "revolutionären Kampf" und die Diskussionsprozesse hierzu einzubinden. 113 2.1 Kommandoebene der RAF Die Erweiterung des Feindbildes der RAF um den Begriff "Großdeutsche/Europäische Weltmacht" war erstmals Bestandteil der Selbstbezichtigung zum Mord am Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank Dr. Alfred Herrhausen am 30. November 1989. Durch einen 35jährigen Mann aus Bad Homburg gewannen die Ermittlungsbehörden 1991 Hinweise auf die mutmaßlichen Täter des Mordanschlages. Der angebliche "Kronzeuge", der sich beim Verfassungsschutz des Landes Hessen gemeldet hatte, gab an, der Anschlag sei von den mit Haftbefehl gesuchten terroristischen Gewalttätern Andrea Klump und Christoph Seidler sowie zwei weiteren Männern mit den Vornamen Peter und Stefan ausgeführt worden. Er habe diesen Personen seine Wohnung zur Verfügung gestellt, Overalls für Arbeiten am Tatort beschafft und den Tatort fotografiert. Im Keller seiner Wohnung wurden Spuren der Sprengstoffkomponenten festgestellt, wie sie beim Mordanschlag am 30. November Verwendung gefunden hatten. Während des Golfkrieges am 13. Februar verübte ein "Kommando Anschlag auf die Vincenzo Spano" der RAF in Bonn-Bad Godesberg einen US-Botschaft in Schußwaffenanschlag auf die Botschaft der Vereinigten Staaten Bonn von Amerika. Aus drei Schnellfeuergewehren gaben die unbekannten Täter etwa 250 Schüsse von der gegenüberliegenden Rheinseite aus auf das etwa 500 m entfernt stehende Gebäude ab. In einem am 23. Februar in einem Waldstück bei Herborn sichergestellten Fluchtfahrzeug, das zur Tatzeit mit gefälschten Kennzeichen versehen war, konnten die vier Täter unerkannt entkommen. Beim Anschlag entstand lediglich Sachschaden. Allein am Botschaftsgebäude wurden 62 Einschüsse festgestellt. In einem am Tatort aufgefundenen Selbstbezichtigungsschreiben wurde der Anschlag u. a. mit der "Führungsrolle" der USA im "Vernichtungskrieg gegen das irakische Volk" begründet. Der Golfkrieg diene den imperialistischen Staaten als erster Schritt zur Durchsetzung der "Neuen Weltordnung nach dem Kalten Krieg". Daneben wurde auch die Bundesregierung bezichtigt, Vorbereitungen zu treffen, um die Interessen des deutschen Kapitals mit "der ganzen Brutalität der Kriegsmaschinerie" durchsetzen zu können. Am 27. Februar ging bei mehreren Nachrichtenagenturen in Bonn ein ergänzendes Schreiben der RAF zu diesem Anschlag ein, in dem erklärt wurde, die Kommandobezeichnung Vincenzo Spano beruhe auf einem Versehen. Das Kommando hätte eigentlich nach Ciro Rizzato, einem 1983 bei einem Banküberfall in Frankreich erschossenen Terroristen, benannt werden sollen. Vincenzo Spano wurde von Gerichten in Frankreich und in Italien u. a. wegen, terroristischer Straftaten zusammen mit Mitgliedern der französischen Terrorgruppe Action Directe (AD) zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und befindet sich derzeit in Haft. Am 1. April ermordete die RAF den Präsidenten der TreuhandanMord an Dr stalt Dr. Detlef Karsten Rohwedder in seinem Wohnhaus in Düs- - Rohwedder seldorf-Oberkassel. Die Täter feuerten mit einem bereits bei dem Schußwaffenanschlag auf die Botschaft der USA am 13. Februar verwendeten Schnellfeuergewehr aus einer Entfernung von 63 m drei Schüsse ab. Dr. Rohwedder wurde tödlich getroffen; seine Frau, die ihm zu Hilfe eilen wollte, wurde am Arm verletzt. Am Tatort fand die Polizei ein kurzes Selbstbezichtigungsschreiben eines "Kommando Ulrich Wessel" der RAF. In einem ausführlichen Selbstbezichtigungsschreiben, das am 6. April bei mehreren Nachrichtenagenturen einging, begründeten die Täter den Mord mit den Funktionen des Ermordeten in Wirtschaft und Politik. Der Mord habe darauf abgezielt, "zentrale Entwicklungen" zu blockieren und mögliche Veränderungen für die Menschen zu schaffen. Dieser "strategische Angriff" gegen einen Inhaber von Schlüsselpositionen habe einem "Architekten Großdeutschlands"gegolten. In den folgenden Abschnitten griffen die Verfasser verstärkt sozialrevolutionäre Themen wie "Zweidrittelgesellschaft", "Faschismus" und "Frauenunterdrückung" auf. Ohne die bisher propagierte antiimperialistische bzw. revolutionäre Front zu erwähnen, forderten die Verfasser, daß die revolutionäre Bewegung zu einem "spürbaren Faktor" werden müsse, damit die "Keimform einer neuen Gesellschaft" entstehen könne. Neben der als "strategischer Angriff" bezeichneten Ermordung Dr. Rohwedders kündigten sie neue Angriffsziele an. So will die RAF zukünftig auf "Angriffe des Staates" reagieren, mit denen dieser versuche, die gesamte Entwicklung der revolutionären Gegenmacht zurückzudrehen. Die RAF hat damit auch die Erklärung für den aufgrund der Vorgehensweise untypischen Schußwaffenanschlag auf die Botschaft der USA am 13. Februar gegeben, den sie demnach offensichtlich als "taktischen" Anschlag zu einem aktuellen Thema begreift. Mit der Auswahl des Zieles US-Botschaft und auch den weiteren Ausführungen im Selbstbezichtigungsschreiben zum Mord an Dr. Rohwedder appelliert die RAF besonders eindringlich an die autonomen und Sozialrevolutionären Gruppen, in die "revolutionäre Bewegung" einzutreten. Von besonderer Bedeutung für die Mörder Dr. Rohwedders ist ferner die Forderung nach Zusammenlegung der inhaftierten terroristischen Gewalttäter; es sei "für jede revolutionäre Bewegung eine Frage der eigenen Identität, Wege zur Freiheit der politischen Gefangenen zu suchen". Mit der Unterscheidung zwischen "strategischen Angriffen" und "Interventionen" zu tagespolitischen Themen und mit der Unterstreichung der Forderung nach Zusammenlegung und Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen reagierten die Verfasser auf Kritik an der Kommandoebene sowohl wegen der Zusammenlegungskampagne als auch wegen der Strategie der RAF. Die z. B. in der linksextremistischen Publikation "radikal" geforderte Aufgabe des Führungsanspruchs der RAF wird durch die Diktion des Selbstbezichtigungsschreibens erkennbar zurückgewiesen. Bemerkenswert sind die Ausführungen zu Sozialrevolutionären Themen in allgemein verständlicher Formulierung sowie das offenkundig ebenfalls durch einen kritischen Beitrag zum Anschlag auf die Botschaft der USA initiierte "Angebot" von Gewaltaktionen mit tagespolitischer Bedeutung in diesen Themenbereichen. Damit signali- 115 siert die Kommandoebene der RAF den autonomen und SozialreAnbiederung an volutionären Gruppierungen teilweise Entgegenkommen, das dienationale "Widersen ein Einschwenken auf die Position der RAF erleichtern könnte. standsgruppen" Besonderer Aufmerksamkeit bedarf nach wie vor das Bestreben der RAF, auch ausländische Terrorgruppen in eine sog. "westeuropäische Front der Guerilla" einzubinden. So wurden Ende 1991 Behauptungen von Angehörigen der spanischen Terrorgruppe "GRAPO" bekannt, wonach zwischen RAF und GRAPO in "politiVerbindungen zu ausländischen scher und ideologischer" Ebene enge Beziehungen bestehen solTerrorgruppen len. Die Bildung einer "europäischen Organisation" (westeuropäische antiimperialistische Front) wurde dabei unter "genauer Respektierung der Unabhängigkeit der Bewegungen in jedem der betreffenden Länder" für möglich erachtet. Damit deutet sich eine Entwicklung an, die 1988 unter gleichen Voraussetzungen.zum Bündnis der RAF mit der italienischen Terrorgruppe Brigate Rosse (BR) geführt hatte. 2 2 Militante der RAF Die "Militanten der RAF" sind nach dem Kommandobereich als zweite "kämpfende Ebene" in die RAF eingebunden und damit als integrierter Bestandteil der RAF anzusehen. Sie unterstützten in früheren Jahren insbesondere nach erfolgreichen Anschlägen die Kommandoebene der RAF vor allem durch Brandund Sprengstoffanschläge gegen Sachwerte, wobei Personenschäden zwar nicht primär beabsichtigt, aber billigend in Kauf genommen wurden. Solche "begleitenden" Anschläge von "Kämpfenden Einheiten" sind nach dem Anschlag auf die US-Botschaft und dem Mord Gewaltaktionen an Dr. Rohwedder ausgeblieben. Die veröffentlichten Diskussiblieben aus onsbeiträge aus diesem Bereich belegen eine Schwächephase. So räumte z. B. eine "Kämpfende Einheit" in einem Positionspapier, das in der Kölner autonomen Alternativzeitschrift "Agitare Bene" vom 20. Dezember 1990 veröffentlich war, den Zustand personeller und organisatorischer Schwäche ein. Die einzelnen Personelle und Beiträge lassen jedoch keinen Zweifel daran, daß die Verfasser an organisatorische einer breiten militanten Bewegung interessiert sind und nach PerSchwäche spektiven in dieser Richtung suchen. 2.3 Inhaftierte der RAF Die Aktivitäten der inhaftierten terroristischen Gefangenen aus der RAF zielten im wesentlichen darauf ab, die Zusammenlegung der "Gefangenen aus RAF und Widerstand" zu erreichen. Als Hauptziel wird dabei jedoch die Freiheit aller Inhaftierten aus "RAF und Widerstand" propagiert. Die inhaftierten Terroristen Helmut Pohl, Eva Haule und Adelheid Schulz kritisierten in Erklärungen, die Ende 1990/Anfang 1991 veröffentlicht wurden, daß "draußen" die Kritik an den Zusammenlegungsfrage nur sehr halbherzig, unkoordiniert und "halbherzigen nicht zielstrebig genug vorangetrieben werde. Diese Kritik wurde Aktivitäten" in der verstärkt durch die Äußerungen der Kommandoebene im SelbstZusammenlegungsbezichtigungsschreiben zum Mord an Dr. Rohwedder. Darin wurkampagne 116 den zuvor bekanntgewordene kritische Stellungnahmen zur Zusammenlegungskampagne eindeutig zurückgewiesen und das Umfeld aufgefordert, verstärkte Anstrengungen zur Fortsetzung der Kampagne zu unternehmen. Diese Kritik wurde vom RAFUmfeld offenbar angenommen. Ab Mitte des Jahres waren wieder vermehrte Aktionen zu verzeichnen, mit denen die bekannten Forderungen in die Öffentlickeit getragen wurden. Neue Hinweise Am 18. März wurden auf Anordnung des Ermittlungsrichters beim auf das FortbesteBundesgerichtshof die Zellen von 16 inhaftierten terroristischen hen eines illegalen Gewalttätern durchsucht. Dabei konnten umfangreiche schriftliche InformationssyAufzeichnungen sichergestellt werden, die auf das Fortbestehen stems eines illegalen Informationssystems zwischen inhaftierten terroristischen Gewalttätern und Außenstehenden hindeuten. Die öffentliche Diskussion darüber, in deren Zusammenhang auch Anwälte in den Verdacht geraten waren, als Überbringer der Nachrichten tätig zu sein, veranlaßte die Kommandoebene zu einem Schreiben, das am 25. Juni bei einer Nachrichtenagentur in Bonn ein- 117 ging. Darin wandte sich die RAF unter der Überschrift "Die politiSchreiben der schen Gefangenen dürfen nicht länger Geiseln des Staates gegen Kommandoebene uns sein" gegen die "Staatsschutzlügen von der Zellensteuerung". Sie behauptete, daß die in jüngster Zeit den Sicherheitsbehörden bekanntgewordenen Erkenntnisse über die Aktivitäten der inhaftierten terroristischen Gewalttäter und über das Bestehen eines illegalen Informationssystems zwischen den Inhaftierten und der Kommandoebene der RAF "von der Staatsschutzpropaganda verfälscht und auf den Kopf gestellt" würden. Damit werde versucht, die durch den Hungerstreik im Jahre 1989 erreichten Verbesserungen rückgängig zu machen. In diesem Zusammenhang riefen die unbekannten Verfasser alle damals beteiligten Gruppierungen auf, einen neuen "Anlauf zu machen, um die Zusammenlegung endlich durchzusetzen", denn daran werde sich entscheiden, ob es der RAF gelingen könne, sich in konkreten Fragen durchzusetzen und "so eine menschliche Entwicklungsrichtung" zu erzwingen. Die Aussagebereitschaft der in der früheren DDR festgenommenen ehemaligen RAF-Mitglieder hatte nicht nur Verunsicherungen und Enttäuschungen bei nahezu allen Inhaftierten zur Folge, sondern führte teilweise zu ohnmächtiger Wut. Die Festgenommenen hatten in der früheren DDR mehrere Jahre unter falscher Identität gelebt, mit der sie das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ausgestattet hatte. So verweigerte z. B. im April Brigitte Mohnhaupt Haß gegen RAFanläßlich des Prozesses gegen Susanne Becker, geb. Albrecht, Aussteiger zu dem sie als Zeugin vorgeladen war, die Aussage zur Sache und gab statt dessen eine Erklärung ab. Sie sprach dabei von einem "Kronzeugenfilm", der gegen inhaftierte RAF-Mitglieder "verschärft" inszeniert werde. "So lange wie bei Boock gucken wir nicht mehr zu. Es kann so eisenhart werden wie es will, hinterher werden wir da sein. Wir werden reagieren", drohte sie. Eine Frankfurter Tageszeitung veröffentlichte am 2. Juli ein von Interview mit der hessischen Justizministerin genehmigtes Interview mit dem Helmut Pohl inhaftierten terroristischen Gewalttäter Helmut Pohl. Hierin bezog Pohl Stellung zu der Zusammenarbeit von Angehörigen der RAF mit dem früheren MfS, zum angeblichen "Konstrukt" des Staates von der "Zellensteuerung" sowie zum Wunsch der Inhaftierten nach öffentlicher Diskussion über die aktuelle politische Situation und die "Mittel einer Umwälzung". Neben einer reinen Gegendarstellung zu den Aussagen der "RAF-Aussteiger" Werner Lotze, Susanne Becker und Henning Beer über die Zusammenarbeit zwischen RAF und MfS verfolgte Pohl das taktische Ziel, die Kronzeugenregelung zu diskreditieren. Deshalb versuchte er, die Motive der aussagebereiten ehemaligen RAF-Angehörigen, aber auch die Aussagen von früheren Mitarbeitern des MfS als zweckbedingte "Lügenkonstrukte" zu diffamieren. Hauptkritikpunkt Pohls waren dabei übereinstimmende Aussagen von früheren RAF-Mitgliedern MfS unterstützte und früheren Mitarbeitern des MfS, denen zufolge die frühere DDR auch aktive RAFauch damals noch aktive Mitglieder der RAF-Kommandoebene Mitglieder unterstützt habe. Bekannt wurden in diesem Zusammenhang u. a. Ausbildungen im Gebrauch von Waffen und Sprengstoff, Gewährung von Unterkünften und persönliche Betreuung. Ein Münchner Funktionär des der dogmatischen Neuen Linken zuzurechnenden Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK) kommentierte das Pohl-Interview im BWK-Organ "Politische Berichte" vom 19. Juli. Seiner Ansicht nach zeige eine Armee wie die RAF, die ihre Operationsgeheimnisse in der Öffentlichkeit diskutiere, daß ihre Kriegsführung beendet, ihre Guerilla Geschichte sei. Ihre Überlegungen gehörten zur aktuellen Programmdiskussion der Linken. Der Widerstand gegen Reaktion, Faschismus und Krieg stehe vor neuen Aufgaben, die mit alten Ansätzen nicht Gemeinsame gelöst werden könnten. Zugleich verwies er auf die gemeinsamen Wurzeln Wurzeln von RAF und "Neuer Linker": Während des Vietnam-Krie"Neuer Linker" g e s hätten die Operationen der RAF ihre Legitimation aus der erkennbaren Neigung der Bundesrepublik Deutschland bezogen, sich an diesem Krieg zu beteiligen. Vom 23. September bis 4. Oktober führten drei in der Justizvollzugsanstalt Celle inhaftierte RAF-Terroristen einen befristeten Hungerstreik durch. In ihrer Hungerstreikerklärung forderten sie im wesentlichen eine Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten und "Formen der Zusammenlegung, wie sie nach 10, 15, 20 Jahren Isolation im Gefängnis und Isolation von der Gesellschaft draußen notwendig" seien, um den "politischen und sozialen Stoffwechsel mit der Gesellschaft wieder zu beleben". In einer weiteren Erklärung, die sie zum Schluß ihrer auf die weiteren RAF-Inhaftierten und das Umfeld ohne Auswirkungen gebliebenen Aktion abgaben, führten sie aus, mit dem befristeten Hungerstreik sei es ihnen darum gegangen, den Zustand des "Nichtstuns und Blockierens all unserer politischen Versuche der letzten drei Jahre durch den Staat öffentlich wirksam anzugreifen". 2 4 Umfeld der RAF Den Gruppierungen des engeren RAF-Umfeldes gehören bundesweit etwa 250 Personen an. Ihr Ziel ist nach wie vor der Aufbau einer "antiimperialistischen Front" aus "Guerilla und Widerstand". In internen Diskussionen befassen sie sich seit 1987 vor allem mit Struktur und Organisationsformen des sogenannten Widerstandes. Sie versuchten dabei insbesondere Vorstellungen über eine "antiimperialistische Front" in andere linksextremistische Gruppierungen, bevorzugt in militante Gruppen, einzubringen. Bedingt durch den Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und die deutsche Wiedervereinigung sowie die Aussagebereitschaft der in der früheren DDR festgenommenen ehemaligen RAF-Mitglieder ist 1991 auch bei den Angehörigen des RAFUmfeldes Verunsicherung und Orientierungslosigkeit eingetreten. Während die inhaftierten Terroristen die vermeintlich zu geringen Aktivitäten des Umfeldes in teilweise massiver Form bemängeln, vermissen andererseits die RAF-Unterstützer neue überzeugende Impulse aus den Haftanstalten. Für die derzeitige Orientierungslo- 119 sigkeit des RAF-Umfeldes spricht auch die Absage des mehrfach verschobenen Kongresses zu "Perspektiven antiimperialistischer Politik". Bundesweit war die Absicht des RAF-Umfeldes zu erkennen, über eine thematisch breit angelegte gemeinsame Diskussion eine neue offensive Kampfphase zu organisieren. Neben Personen des RAF-Umfeldes sind auch die Inhaftierten am Neubestimmungsprozeß revolutionärer Politik und Strategie beteiligt. Die im Juli mit Aufrufen in der alternativen Tageszeitung "taz" neu begonnene Zusammenlegungskampagne zur "Verbesserung der HaftbedinNeue Zusammengungen" mit dem Fernziel der Freilassung aller Gefangenen aus legungsund "RAF und Widerstand" sollte das RAF-Umfeld auf breiter Front Freilassungsmobilisieren. Als Ausgangspunkt für diese Kampagne ist das Trefkampagne fen der Besucher, Anwälte und Angehörigen vom 19./21. April in Hamburg anzusehen. Dabei soll beschlossen worden sein, die Forderungen der Inhaftierten wieder stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. Mobilisierend hat wohl auch die Erklärung der RAF vom 23. Juni zum Konstrukt der Zellensteuerung (vgl. Nr. 2.3) gewirkt. In diesem Papier wurde die Notwendigkeit einer breiten spektrenübergreifenden Unterstützung für die Inhaftierten zum Ausdruck gebracht. Bis Mitte August hatte es den Anschein, daß dies gelingen könne. Seit diesem Zeitpunkt ist jedoch ein drastischer Rückgang der Aktivitäten feststellbar. Gleichwohl war bundesweit eine Reihe von z. T. schweren Brandanschlägen zu verzeichnen, die Tätern des RAF-Umfeldes zugerechnet werden. So verübten unbekannte Täter zwei Tage vor der Ermordung von Dr. Rohwedder am 29. März 1991 einen Brandanschlag auf das Verwaltungsgebäude der Treuhandanstalt in Berlin. Dabei entstand Sachschaden von mehreren 100.000 DM. In dem zu diesem Anschlag eingegangenen Selbstbezichtigungsschreiben wurde die Treuhandanstalt nach "der Annektion der DDR" als die "neue Supermacht schlechthin" bezeichnet. Dr. Rohwedder wurde als der "eigentliche Herrscher des Ostens" bezeichnet, der die "DDR-Industrie und Landwirtschaft im Auftrage der Herren aus Bonn kaputtsanieren hat lassen". Am 28. Juli verübten unbekannte Täter einer "Gruppe für eine starke revolutionäre Bewegung" in Brühl/Nordrhein-Westfalen einen Brandanschlag auf eine Niederlassung eines französischen Automobilkonzerns, bei dem Sachschaden von etwa 1 Million DM entstand. In einem am Tatort aufgefundenen Selbstbezichtigungsschreiben bezeichneten die Verfasser die Forderung der RAF nach "Diskussion um einen neuen Anlauf im Kampf um die Zusammenlegung" als ihr Hauptanliegen. Weiterhin wollten sie mit dieser Tat den Hungerstreik der inhaftierten AD-Mitglieder unterstützen und erklärten den Kampf für die Zusammenlegung zum "internationalen Kampf aller politischen Gefangenen in Westeuropa". In Bayern sind Gruppierungen des RAF-Umfeldes mit SchwerRAF-Umfeld in punkten in München und Nürnberg bekannt. Ihnen gehören etwa Bayern 20 Personen an, davon einige aus dem engeren RAF-Umfeld. Die Nürnberger Gruppierung unterhält zu ähnlichen Gruppen im Bundesgebiet enge Kontakte. Die Verbindungen der Münchner Gruppe sind rückläufig. Der Schwerpunkt der Aktivitäten lag im Großraum Nürnberg. "Antiimperialisten" unterstützten die im April in Hamburg u. a. von Angehörigen der inhaftierten Terroristen vereinbarte Planung, Wandermahnwachen (Knastcamps) von Süd nach Nord durchzuführen. Die Kundgebungen und Demonstrationen standen unter dem Motto "Für die Zusammenlegung der politischen Gefangenen!". Die vorgesehene Veranstaltungsreihe begann mit dem "Knastcamp" in Aichach vom 5. bis 7. Juli. An den einzelnen Veranstaltungen nahmen zwischen 100 und 200 Personen teil. Zum Thema "Für die Zusammenlegung der politischen Gefangenen - Weg mit dem SS 129 a" führte das autonome/antiimperialistische Spektrum Nürnberg am 15. Juni im KOMM in Nürnberg eine Veranstaltung durch. In Redebeiträgen wurden folgende Forderungen aufgestellt: "Weg mit SS 129 a - Einstellung der SS 129 a-Verfahren", "Keine Kriminalisierung der Zusammenlegungsforderung", "Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand und aller kämpfenden Gefangenen" und "Freilassung der haftunfähigen Gefangenen". Mehr als 100 Personen nahmen an dieser Veranstaltung teil. Im Rahmen der bundesweit geführten Zusammenlegungs-/Freilassungskampagne zugunsten inhaftierter Terroristen begann das RAF-Umfeld auch eine "neue Mobilisierung", um die Freilassung 121 des angeblich haftunfähigen Gefangenen Bernd Rößner zu erreichen. Am 28. September wurde am KOMM in Nürnberg ein Transparent mit folgender Aufschrift festgestellt: "Bernd Rößner muß raus aus dem Knast und alle anderen haftunfähigen Gefangenen auch - die Zusammenlegung der revolutionären Gefangenen muß erkämpft werden". Zur Vorbereitung der Kampagne "Bernd Rößner" trafen sich am 19. Oktober in Nürnberg im KOMM/Cafe Molotow etwa 50 Personen aus verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland. Konkrete praktische Vorstellungen über geeignete Aktionen kamen jedoch nicht zustande, da die Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Teilnehmern zu groß waren. 3 Revolutionäre Zellen (RZ) Die erstmals im Jahre 1972 in Erscheinung getretenen Revolutionären Zellen sind unabhängig voneinander operierende Kleingruppen, die durch das Ziel des "Sozialrevolutionären, antikapitalistischen Kampfes" verbunden sind. Sie agieren aus streng abgeschotteten Zellen heraus, aber nicht aus dem Untergrund, sind also nicht darauf angewiesen, sich eine konspirative Logistik zu schaffen. Unter weitgehendem Verzicht auf eine dogmatische Theorie bleibt den einzelnen Personen oder Kleingruppen die Wahl des Betätigungsfeldes und die Art der Aktion sowie die Intensität des Engagements freigestellt. Ihre Taktik besteht im allgemeinen darin, mit möglichst geringem Einsatz und Risiko möglichst hohen Sachschaden anzurichten, der nach ihrer Auffassung den betroffenen Einrichtungen bzw. Unternehmen mehr schadet als der Ausfall einer Führungsperson. Ihre Attentate sind deshalb anders als die "militärischen" Anschläge des "Kommandobereichs" der RAF nicht direkt auf Mord an Menschen gerichtet. Die Tötung oder Verletzung von Menschen wird jedoch billigend in Kauf genommen, soweit dies den Tätern erforderlich erscheint, um ihr primäres Anschlagsziel zu erreichen. Die.RZ wollen mit ihren Aktivitäten", den Anstoß zu einer militanten Massenbewegung geben und einen bewaffneten Massenwiderstand auslösen. Ihnen kommt es darauf an, daß ihre Aktionen nachvollziehbar sind und einem möglichst großen relevanten Personenkreis eine Identifikation mit ihren Zielen ermöglichen. Dementsprechend liegen die Anknüpfungspunkte für ihre Aktionen in allen gesellschaftlichen Konfliktfeldern. Die Aktionsvielfalt reicht dabei von Sachbeschädigungen und Sabotageakten bis hin zu schweren Brandund Sprengstoffanschlägen. In diesem Jahr sind die Revolutionären Zellen wieder verstärkt in Anschläge der RZ Erscheinung getreten. Von 19 Anschlägen wurden etwa die Hälfte mit dem "Golfkrieg" begründet. Andere Anschläge standen im Zusammenhang mit der städtebaulichen Entwicklung Berlins sowie mit den wirtschaftlichen Entwicklungen in den neuen Ländern. Darüber hinaus begingen die RZ zwei Anschläge im Bereich ihrer "ständigen" Thematik Asylund Flüchtlingsprobleme. 122 Erwähnenswert sind insbesondere folgende Anschläge: Polizeibeamte stellten am 9. Januar in unmittelbarer Nähe der Düsseldorfer Staatskanzlei einen Sprengsatz der Revolutionären Zellen sicher. Am 8. Januar war bei einer Tageszeitung ein Selbstbezichtigungsschreiben Revolutionärer Zellen eingegangen. Darin wurde der versuchte Anschlag als eine "Aktion gegen die politische Schaltzentrale der Vertreibungspolitik gegen die Roma" bezeichnet. Revolutionäre Zellen verübten am 12. Februar einen Sprengstoffanschlag auf ein Kaufhaus in Berlin sowie am 18. März einen Sprengstoffanschlag auf die NATO-Pipeline bei Bramsche-Oldenburg. Bei beiden Anschlägen entstand erheblicher Sachschaden. Bei einem Brandanschlag auf eine Vertriebsfirma eines Mineralölkonzerns in Uelzen/Niedersachsen entstand in der Nacht zum 24. März Sachschaden von mehr als 1 Million DM. Die beiden Sprengstoffanschläge wurden im wesentlichen mit dem Golfkrieg, der Brandanschlag mit der Situation nach dem militärischen Ende des Golfkonflikts begründet. Am 17. Juli verübten unbekannte Täter Brandanschläge auf zwei Verbrauchermärkte in Berlin und Ravensbrück/Brandenburg. Zu diesen Anschlägen ging am 18. Juli bei einer Presseagentur in Berlin ein Selbstbezichtigungsschreiben Revolutionärer Zellen ein. Die Verfasser wandten sich darin gegen das Engagement einer Warenhauskette in den neuen Ländern. Diese sei bereits 1933 "beim Arisieren unter den Nazis" dabei gewesen und trete nun für den "neuen deutschen Konsumwahn" das Ansehen und Gedenken vieler "Antifaschistinnen" in den Dreck. Hierauf gebe es keine kraftvolle gewaltfreie Antwort. Am 22. August verübten unbekannte Täter einen Sprengstoffanschlag auf das Ausländeramt des Landratsamtes Böblingen, bei dem ein Sachschaden von etwa 100.000 DM entstand. In einem Selbstbezichtigungsschreiben, das einen Tag später bei einer Böblinger Tageszeitung einging, erklärten Revolutionäre Zellen, den Anschlag aufgrund der aktuellen Ausländerpolitik verübt zu haben. Neues PositionsIm Berliner autonomen Szeneblatt "Interim" wurde ein neues PositipapierderRZ onspapier Revolutionärer Zellen veröffentlicht. Die Verfasser, die sich darin selbst als eine "Gruppe aus dem Traditionszusammenhang der Revolutionären Zellen" bezeichneten, übten scharfe Kritik an den Aktionen militanter Gruppen in den letzten Monaten. Insbesondere das Briefbombenattentat auf den Angehörigen der Berliner Senatsverwaltung Hanno Klein sowie der RAF-Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn-Bad Godesberg seien eine traurige Karikatur dessen, wofür mehrere Generationen Militanter seit Anfang der 70er Jahre in diesem Land gekämpft hätten. Als "verpflichtende Grundsätze von Politik und Moral" führten die unbekannten Verfasser an, daß politischer Mord gegenwärtig kein adäquates Mittel revolutionärer Politik sei und daß bei allen militanten 123 Aktionen die Tötung der angegriffenen Personen sowie jegliche Gefährdung Unbeteiligter absolut ausgeschlossen sein müßten, auch wenn hierdurch ein erhöhtes Eigenrisiko entstehe. Alle militanten Aktionen müßten aus sich selbst heraus vermittelbar sein sowie an soziale Konflikte anknüpfen und an der Verankerung und Verbreitung revolutionärer Politik in der Gesellschaft orientiert sein. Militante Aktionen hätten nach Ansicht der Verfasser zum Ziel, die gesellschaftlichen Widersprüche zu verschärfen, soziale Kämpfe voranzubringen und erkämpfte Freiräume abzusichern oder zu erweitern. Sie sollten die Herrschenden treffen, sie verunsichern oder der Lächerlichkeit preisgeben. Trotz aller Kritik an der Entwicklung revolutionärer Praxis lassen die Autoren jedoch keinen Zweifel daran, daß sie militante Aktionen als "ein unverzichtbares Mittel politischer Intervention" ansehen. Am 31. Mai verursachte ein Brandanschlag auf eine Gaststätte in Nachahmer der RZ Passau einen Sachschaden in Höhe von 50.000 DM. Am 6. Juni ging bei dieser Gaststätte ein Selbstbezichtigungsschreiben ein, in dem der Gaststättenkonzern unter anderem für Hunger und Elend in den Ländern der Dritten Welt, Ausbeutung von Angestellten sowie Umweltzerstörung verantwortlich gemacht wurde. Als Absender des mit "zornige Zellen" überschriebenen Briefes war "Mobiles Autonomenkommando, Hafenstr. 10, 2000 Hamburg" angegeben. 4. Festnahmen und Strafverfahren Der Bundesgerichtshof hat im Verfahren gegen Josef Sailer die Urteil gegen eingelegten Revisionen verworfen. Das Urteil des Landgerichts Neonazi Amberg vom 10. Mai 1990, das Sailer wegen schwerer Brandstifrechtskräftig tung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt hatte, ist damit rechtskräftig. Sailer hatte am 17. Dezember 1988 in Schwandorf einen Brandanschlag auf ein überwiegend von Ausländern bewohntes Haus verübt, bei dem vier Menschen ums Leben kamen. Bei einer Durchsuchung des Zentrums der neonazistischen Nationalistischen Front (NF) in Bielefeld im August 1988 war er als Mitglied der NF bekanntgeworden; außerdem hatte er Kontakte zur Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) unterhalten. Das Bayer. Oberste Landesgericht in München verurteilte am 31. Erstes KronJanuar das ehemalige RAFMitglied Werner Lotze wegen Mordes zeugenurteil in Tateinheit mit versuchtem Mord, räuberischer Erpressung in zwei Fällen und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit drei Fällen des versuchten Mordes unter erstmaliger Anwendung der Kronzeugenregelung in einem Strafverfahren gegen einen RAF-Angehörigen zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. Lotze war am 14. Juni 1990 in Senftenberg/Bezirk Cottbus in der ehemaligen DDR festgenommen worden. Dort hatte er mehrere Jahre unter neuer Identität gelebt, mit der er wie alle weiteren 1990 dort festgenommenen ehemaligen RAF-Mitglieder vom ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit (MfS) versehen wor- 124 den war. Der Verurteilte hatte im Strafverfahren umfangreiche Aussagen gemacht und sich dabei auch selbst schwer belastet. Bei den Straftaten, die ihm zur Last gelegt wurden, handelt es sich um Mord an einem Polizeibeamten sowie Mordversuch an einem weiteren Polizeibeamten am 24. September 1978 in Dortmund, zwei bewaffnete Banküberfälle am 19. März 1979 in Darmstadt und am 17. April 1979 in Nürnberg sowie den Sprengstoffanschlag auf den früheren NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig am 25. Juni 1979 in Belgien. Der Bundesgerichtshof gab der Revision des Generalbundesanwaltes teilweise statt und hat das Urteil zur Neuverhandlung an das Bayer. Oberste Landesgericht zurückverwiesen. ErmittlungsverAm 26. März wurden aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsfahren gegen MfSrichters beim Bundesgerichtshof fünf Personen aus der FührungsAngehörige wegen ebene des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der Unterstützung von DDR wegen des Verdachts der Beihilfe zum versuchten Mord und aktiven RAFder Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion festgenommen. Eine Mitgliedern weitere Person konnte sich der Festnahme entziehen, da die Festnahmeaktion durch Presseveröffentlichungen vorzeitig bekanntgeworden war. Die Festgenommenen werden beschuldigt, über die bisher bekanntgewordene Hilfe für die RAF-Aussteiger hinaus auch aktiven Mitgliedern der RAF dadurch Hilfe geleistet zu haben, daß sie diese im Gebrauch von Sprengstoffen und der Handhabung von Waffen unterweisen ließen. Zeugenaussagen und Unterlagen des ehemaligen MfS ergaben, daß es von 1978 jedenfalls bis 1984 zahlreiche Kontakte zwischen dem MfS und aktiven Mitgliedern der RAF gegeben hatte. Dabei hatte das MfS die RAF u. a. durch Geldzuwendungen in beträchtlicher Höhe, Gewährung von Unterkünften, persönliche Betreuung sowie Ausbildungsmaßnahmen unterstützt. Bekannt wurde u. a. eine Ausbildung im Umgang mit einer Panzerfaust sowjetischen Typs. Am 3. Juni verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart das frühere RAF-Mitglied Susanne Becker, geb. Albrecht, wegen Mordes und versuchten Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren. Frau Becker wurde für schuldig befunden, an der Ermordung des Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank Jürgen Ponto am 30. Juli 1977 sowie am versuchten Mord in drei Fällen beim Sprengstoffanschlag auf den damaligen NATO-Oberbefehlshaber General Haig am 25. Juni 1979 mitgewirkt zu haben. Bei der Strafzumessung wandte das Gericht die Kronzeugenregelung an. Frau Becker war am 6. Juni 1990 als erstes von insgesamt zehn ehemaligen Mitgliedern der RAF in Berlin (Ost) in der damaligen DDR festgenommen und am 5. Juli 1990 in die Bundesrepublik Deutschland überstellt worden. Sicherstellung von Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Sprengstoffbebeim Bayerischen Obersten Landesgericht wegen Verdachts des standteilen im RAFWerbens für die terroristische Vereinigung RAF durchsuchte die Umfeld Nürnberg Polizei am 2. Juli die Wohnung eines Angehörigen des RAFUmfeldes Nürnberg. Neben diversem Schriftmaterial, einem Scan- ner und selbstgefertigten Prägestempeln der Stadt Nürnberg wurden etwa 20 kg Chemikalien, Sprengschnur und Gasglühzünder sichergestellt. Zusammen mit weiteren Substanzen wären die sichergestellten Chemikalien zur Herstellung von Sprengstoff geeignet gewesen. Am 3. Juli verurteilte das Oberlandesgericht Koblenz das ehemalige RAF-Mitglied Henning Beer unter Anwendung der Kronzeugenregelung zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Der Verurteilte wurde der Mitgliedschaft in der RAF, der Mittäterschaft beim Anschlag auf US-General Alexander Haig am 25. Juni 1979, der Mittäterschaft bei einem Bankraub am 19. November 1979 in Zürich sowie der Beteiligung am Sprengstoffanschlag auf das Hauptquartier der US-Luftwaffe am 31. August 1981 in Ramstein und der Beteiligung am Anschlag auf US-General Kroesen am 15. September 1981 in Heidelberg für schuldig befunden. Henning Beer war am 18. Juni 1990 in Neubrandenburg in der damaligen DDR festgenommen und am 24. Juli 1990 in die Bundesrepublik Deutschland überstellt worden. Am 8. Oktober verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart die ehemalige Angehörige der RAF Silke Maier-Witt unter Anwendung der Kronzeugenregelung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Der Verurteilten wurden der Mord an Arbeitgeberpräsident HannsMartin Schleyer im Jahr 1977, die Beteiligung am Attentat auf den NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig sowie dessen Begleiter im Juni 1979 sowie ein Banküberfall-in Zürich im November 1979 zur Last gelegt. Frau Maier-Witt war am 18. Juni 1990 in der ehemaligen DDR festgenommen und am 2. August 1990 in die Bundesrepublik Deutschland überstellt worden. Am 30. Dezember 1991 verurteilte das Amtsgericht Nürnberg einen 26jährigen Mann wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Der Verurteilte wurde für schuldig befunden, am 19. Februar 1991 gegen das Einwohnermeldeamt der Stadt Nürnberg einen Brandanschlag versucht zu haben. Er war unmittelbar vor der Tatausführung von der Polizei festgenommen worden. Bereits zu Prozeßbeginn am 11. Dezember und auch bei der Urteilsverkündung kam es im Gerichtssaal zu tumultartigen Störungen durch überwiegend dem linksextremistischen Bereich zuzuordnende Prozeßbesucher. Bevor der Richter am 30. Dezember sein Urteil begründen konnte, forderten die Zuhörer in Sprechchören die sofortige Freilassung des Verurteilten und entrollten ein entsprechendes Transparent. Gegen sechs Personen, die als Transparentträger identifiziert werden konnten, verhängte das Gericht jeweils drei Tage Ordnungshaft, die sofort vollzogen wurden. 126 5. Politisch motivierte Gewaltakte in Bayern Die Zahl der Gewaltakte in Bayern, bei denen das angegriffene Ziel, die Tatausführung oder Selbstbezichtigungen auf politische Starke Zunahme Motive hindeuten, ist in Bayern im Vergleich zum Vorjahr sehr stark der Anschläge in angestiegen. Bayern Insgesamt wurden 36 Brandanschläge (1990 : 8) und drei Sprengstoffanschläge (1990 : 0) verübt oder versucht. Maßgebend für diese Steigerung waren in der ersten Jahreshälfte im wesentlichen der Begründungszusammenhang Golfkrieg (7 Anschläge) und vor allem im letzten Quartal^ die bundesweite Gewaltwelle gegen Asylbewerber und sonstige Ausländer sowie Angehörige von Stationierungsstreitkräften (15 Anschläge). Für die drei in Bayern verübten bzw. versuchten Sprengstoffanschläge waren Konflike in anderen Staaten tatursächlich. Neben diesen Anschlägen war auch eine hohe Anzahl von sonstiWelle der Gewalt gen politisch motivierten Straftaten zu verzeichnen. Hierbei sticht gegen Ausländer die Zahl von rund 110 der gegen Asylbewerber und andere Ausund Asylbewerber länder gerichteten Aktionen besonders hervor. Dabei handelte es sich u. a. um überwiegend rechtsextremistisch motivierte Angriffe gegen Personen, Sachbeschädigungen, Drohungen und Schmierereien. Hinweise auf eine zentrale Steuerung dieser Aktionen haben sich bisher nicht ergeben. Weiterer Kulminationspunkt für solche Straftaten war der Golfkrieg. In diesem Zusammenhang wurden auch eine Reihe von Sachbeschädigungen und Schmierereien registriert, die sich meist gegen Vielzahl von Banken richteten. Bemerkenswert ist ferner die ungewöhnlich hohe Bombendrohungen Zahl von mehr als 400 Bombendrohungen allein in Bayern. In im Golfkrieg erster Linie richteten sich diese Drohungen, bei denen in keinem Fall ein Sprengkörper festgestellt wurde, gegen Schulen (82), Gaststätten (56), deutsche Firmen (47) und Einrichtungen der USA (46). Neben den genannten Einrichtungen waren im Zusammenhang mit dem Golfkonflikt auch israelische bzw. jüdische Einrichtungen einer besonderen Gefährdung ausgesetzt. Dies verdeutlicht insbesondere die Androhung eines Sprengstoffanschlags auf das Büro des jüdischen Nationalrates in München am 7. Februar durch einen unbekannten Täter. Der Anrufer teilte mit, die Explosion der Bombe solle in den "nächsten Tagen" erfolgen. Als Tatmotiv gab er an, daß "nur ein toter Jude" ein "guter Jude" sei. Das Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte in Istanbul und der Osttürkei führte bundesweit neben Protestaktionen kurdischer und türkischer Linksextremisten auch zu einer verstärkten Gefährdung türkischer Einrichtungen. So wurden insbesondere im Juli und August eine Reihe von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen gegen türkische Einrichtungen verübt, bei denen zum Teil erheblicher Sachschaden entstand. Ziel der Anschläge waren insbesondere türkische Banken und Konsulate. In Nürnberg warfen am 13. Juli im Rahmen einer Versammlung vor dem türkischen Generalkonsulat mehrere Personen Steine gegen das Konsulatsgebäude. Am 27. Juli warfen unbekannte Täter in München mit Pflastersteinen die Schaufensterscheibe des Büros einer türkischen Fluglinie ein. In Nürnberg zerstörten am 10. August zwei unbekannte Personen die Schaufensterscheibe einer türkischen Bank. An politisch motivierten Gewalttaten, bei denen mehr als 40 Personen verletzt wurden, sind insbesondere zu nennen: Ein unbekannter Täter warf am 15. Januar zwei Molotow-Cocktails durch das Fenster in einen Raum des Ausländeramtes Forchheim. Der entstandene Schwelbrand verursachte an Mobiliar, Akten sowie einer EDV-Anlage einen Sachschaden von etwa 100.000 DM. In der Nacht zum 29. Januar wurde ein weiterer Anschlag auf dieses Gebäude verübt. Der Täter schleuderte erneut zwei Molotow-Cocktails gegen die Fassade des Gebäudes; diesmal entstand nur geringer Glasund Brandschaden. Hierbei handelte es sich um den fünften Brandanschlag auf dasselbe Gebäude seit dem 28. September 1990. Am 22. Januar warfen unbekannte Täter zumindest einen Molotow-Cocktail auf das türkische Generalkonsulat in Nürnberg. Hierbei wurde eine Fensterscheibe beschädigt. Zwei weitere Brandsätze brannten auf dem Gehsteig vor dem Gebäude ab, ohne Schaden anzurichten. Ein Brandanschlag auf eine Tankstelle in Ansbach verursachte am 27. Januar Sachschaden. Unbekannte Täter hatten einen Abfallbehälter zwischen den Zapfsäulen in Brand gesetzt. Ein Zusammenhang mit einem Aufruf aus dem gewaltbereiten/militanten Spektrum zum "Tankstellensterben" im Zusammenhang mit dem Golfkrieg ist anzunehmen. Dieser Aufruf war Inhalt eines Selbstbezichtigungsschreibens eines "Komitees zur sofortigen Beendigung des Völkermordes", das nach Brandanschlägen auf eine Tankstelle sowie Tanklastzüge in Berlin am 21. Januar bei einer Presseagentur einging. Am 5. Februar verübten unbekannte Täter in Großheubach, Landkreis Miltenberg, einen Brandanschlag auf das Sportheim eines türkischen Fußballvereins. Das barackenähnliche Gebäude brannte völlig nieder. Der Sachschaden beträgt etwa 100.000 DM. An der Außenmauer des Gebäudes waren drei Hakenkreuze und die Schmierschrift "Türken raus" angebracht. In der Zeit vom 8. - 10. Februar drangen unbekannte Täter in Erlangen auf die unversperrte Baustelle des Instituts für Mikroelektronik der Universität vor, schütteten dort vorgefundenes Öl auf eine Holztreppe und entzündeten die brennbare Flüssigkeit. Durch die Hitze des Brandes platzten etwa 600 qm Sichtbetonfläche. Es entstand Sachschaden in Höhe von etwa 200.000 DM. An einer Betonwand brachten die unbekannten Täter die Schmierschrift "Krieg dem Krieg" an. 128 Am 12. Februar warfen unbekannte Täter drei Molotow-Cocktails durch die Fensterscheiben in die Büroräume des Einwohnermeldeund Paßamtes der Stadt Nürnberg. Das Feuer verursachte einen Schaden von etwa 30.000 DM. Im Verlauf der Ermittlungen zu diesem Brandanschlag konnte die Polizei am 19. Februar einen 26jährigen Angehörigen der militanten autonomen Szene in Nürnberg in unmittelbarer Nähe des Einwohnermeldeamtes festnehmen. Der Festgenommene hatte bereits drei Molotow-Cocktails, Pflastersteine und ein Feuerzeug bereitgelegt. Wegen versuchter schwerer Brandstiftung wurde er am 30. Dezember vom Amtsgericht Nürnberg zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Am 17. April gegen 21.30 Uhr detonierte an der Nordseite der St.-Pauls-Kirche in München ein Sprengkörper. Der durch die Bombe entstandene Sachschaden beträgt etwa 1 Million DM. Auf 129 Parole des Sprengstoffanschlags vom 17.04.91 eine Gedenktafel an der Sakristei war in kyrillischen Buchstaben die Parole "Tod den Kroaten" geschmiert. Ein Kreuz, das Bestandteil des serbischen Wappens ist, wurde von den Tätern in roter Farbe an zwei Stellen im Tatortbereich aufgetragen. Am 13. Mai warfen unbekannte Täter zwei Molotow-Cocktails auf ein Asylantenwohnheim in Rockolding, Landkreis Pfaffenhofen. Eine Brandflasche traf die Hausmauer; die zweite flog durch die Fensterscheibe in ein Zimmer, in dem mehrere Personen schliefen. Dieser Brandsatz entzündete sich jedoch nicht, so daß kein Personenoder Sachschaden entstand. 130 Zunächst unbekannte Täter warfen am 4. Juli in Amberg an der Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde mit Steinen Fensterscheiben ein. Am Portal des Gotteshauses klebten die Täter Aufkleber der neonazistischen Nationalistischen Front (NF) wie "2/3 unseres deutschen Volkes sind für Ausländer raus" und "Des Volkes Wille ist unser Auftrag" an. Die Polizei ermittelte zwei Tatverdächtige. In der Nacht zum 11. Juli verübten unbekannte Täter in München einen Sprengstoffanschlag auf das spanische Generalkonsulat. Der Sprengsatz im Eingangsbereich des Gebäudes detonierte unmittelbar nach seiner Entdeckung. Dabei wurde ein Polizeibeamter leicht verletzt; der Sachschaden beträgt etwa 100.000 DM. Ein weiterer Sprengsatz war kurze Zeit zuvor an einer spanischen Bank entdeckt und entschärft worden. Zeitgleich zu diesen Anschlägen detonierte auf dem Grundstück des spanischen Generalkonsulates in Düsseldorf eine weitere Bombe, die nach kriminaltechnischen Erkenntnissen die gleiche Bauweise wie die in München verwendeten Sprengsätze aufwies. In der Nacht vom 13. Juli erklärte in Spanien die baskische Terrororganisation ETA telefonisch, die Anschläge in München und Düsseldorf verübt zu haben. Am 26. Juli schleuderte eine unbekannte Person in Brand, Landkreis Tirschenreuth, einen Molotow-Cocktail gegen ein Fenster eines Asylantenwohnheimes. Der Brandsatz fiel auf den Gehweg und brannte, ohne Schaden anzurichten, ab. Bei einem weiteren versuchten Brandanschlag auf dasselbe Gebäude am 11. August entstand nur geringer Sachschaden, da der Brandsatz nicht zündete. Am 22. August entstand durch einen Brandanschlag auf ein noch unbewohntes Wohnheim für Asylbewerber in München ebenfalls geringer Sachschaden. Die unbekannten Täter hatten Steinwolle und Teerpappe mit einer brennbaren Flüssigkeit getränkt und diese an der Außenwand des Wohnheimes in Brand gesetzt. Der Pförtner konnte das Feuer rechtzeitig löschen. Am 26. August verursachte ein Brandanschlag auf eine Halle in Saaldorf, Landkreis Berchtesgadener Land, Sachschaden in Höhe von 30.000 DM. Zu diesem Anschlag wurden bei einer Tageszeitung im Kopierraum der Stadtverwaltung Freilassing Selbstbezichtigungsschreiben einer bisher nicht bekannten "Autonomen Aktion Gruppe Freilassing" festgestellt. Dem Selbstbezichtigungsschreiben zufolge stand die Tat in Zusammenhang mit einer für den nächsten Tag angekündigten Veranstaltung mit dem Parteivorsitzenden der "Republikaner". Am 28. August konnte die Polizei einen 18jährigen Mann als mutmaßlichen Verbreiter des Selbstbezichtigungsschreibens festnehmen. Unbekannte schössen am 19. September in Rosenheim und am 29. September in Altötting mit Luftgewehren auf Asylbewerberwohnheime, bei* denen jeweils Sachschaden entstand. Als Tatverdächtiger für Altötting wurde ein 25jähriger Mann ermittelt. Am 3. Oktober verübten unbekannte Täter in Pielenhofen, Landkreis Regensburg, einen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim. Von den verwendeten drei Molotow-Cocktails zündete nur einer neben dem Hauseingang. Das Feuer erlosch von selbst, ohne Schaden anzurichten. In der Nacht zum 3. Oktober durchschossen unbekannte Täter mit einem Kleinkalibergewehr eine Fensterscheibe des jugoslawischen Konsulates in Nürnberg. Ein an der Haustür des Konsulates angebrachtes Hinweisschild war mit dem Buchstaben U beschmiert. Dieser Buchstabe steht für "Ustascha" (Aufständische), die tragende politische Kraft in dem 1941 unter deutschem und italienischem Protektorat errichteten "Unabhängigen Staat Kroatien". In der Zeit vom 4. bis 6. Oktober warfen zunächst unbekannte Täter in Kaufbeuren einen Molotow-Cocktail in den Hofraum eines von Türken bewohnten Hauses. Der Brandsatz konnte von den Bewohnern gelöscht werden, so daß kein Sachschaden entstand. Die Polizei ermittelte als Täter drei Jugendliche, die den Skinheads zuzuordnen sind. Am 12. Oktober setzten unbekannte Täter in Kaufbeuren mittels brennbarer Flüssigkeit das Treppenhaus eines Wohnhauses, in dem zwei türkische Familien leben, in Brand. Drei Personen erlitten beim Sprung aus dem Fenster schwere Verletzungen. Vier weitere Personen mußten wegen Rauchvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Am Gebäude selbst entstand nur geringer Schaden. Bei einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Immenstadt, Landkreis Oberallgäu, am 13. Oktober wurden fünf Personen, davon zwei schwer, verletzt. Das Gebäude wurde erheblich beschädigt. Die Polizei konnte drei Täter, die der Skinhead-Szene zuzurechnen sind, kurze Zeit nach dem Anschlag festnehmen. Die bisherigen Ermittlungen ergaben, daß die drei in der Tatnacht mehrfach in das Asylbewerberheim eingedrungen waren, um "Randale" zu machen. Nachdem diese "Auftritte" ihrer Ansicht nach keine "Wirkung" gezeigt hätten, sei auf Anregung eines der Festgenommenen bei einem dritten Besuch von zwei der Tatbeteiligten Feuer gelegt worden. Am 19. Oktober nahm die Polizei in Weißenburg vier Skinheads fest, die zuvor an einem Asylantenwohnheim eine Fensterscheibe zertrümmert hatten. In dem von den Tätern benutzten Pkw fanden die Beamten einen Stahlhelm mit Hakenkreuz" Gaspatronen, Farbspraydosen, einen Schlagring und eine nicht funktionsfähige Schußwaffe. Bei Wohnungsdurchsuchungen konnten ferner ein Luftschutzhelm mit Hakenkreuz, ein Würgeholz, Wurfsterne und rechtsextremistischeSchriften sichergestellt werden. Die Skinheads behaupteten bei der Vernehmung, spontan gehandelt zu haben. Als Tatmotiv nannten sie große Abneigung gegen Ausländer, aber auch Abenteuerlust. Ein Funktionär des NPD-Kreisverbandes München-Land wurde in der Nacht zum 22. Oktober bei einer Brandstiftung an Altpapiercontainern in Unterhaching, Landkreis München, beobachtet und festgenommen. Ihm wird zur Last gelegt, insgesamt 35 Brände an Wertstoffsammelbehältern gelegt und dabei einen Schaden von 300.000 DM verursacht zu haben. Als Motiv wurde Haß auf die SPD und den Unterhachinger Bürgermeister angegeben. Unbekannte Täter warfen am 24. Oktober zwei Molotow-Cocktails durch die unversperrte Hintertür in ein Asylantenwohnheim in München. Die Brandsätze zündeten nicht, so daß kein Schaden entstand. In Passau zogen am 9. November mehrere Skinheads zu einem Wohncontainer, in dem ausländische Bauarbeiter leben. Sie schrien "Ausländer raus", warfen Steine gegen den Container und schössen mit einer Gaspistole, wodurch drei der Bauarbeiter verletzt wurden. Fünf Tatverdächtige konnten festgenommen werden. Am 15. November verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf ein Asylantenheim in Schierling, Landkreis Regensburg. Die Täter gelangten durch eine unversperrte Tür im Erdgeschoß in die Küche, wo sie eine brennbare Flüssigkeit auf die Kochplatten eines Elektroherdes gössen und den Rest der Flüssigkeit im Kanister in das Backrohr stellten. Anschließend schalteten sie den Herd ein und flüchteten. Durch eine Verpuffung wurde der Türstock in der Küche angesengt. Das entstandene Feuer, das von den Bewohnern gelöscht werden konnte, verursachte einen Sachschaden von etwa 10.000 DM. Am 17, November verschoß ein unbekannter Täter in Münnerstadt, Landkreis Bad Kissingen, in einer Asylunterkunft zwei Tränengas-Patronen und flüchtete. Etwa 25 Bewohner erlitten durch das Gas Reizungen der Haut und Atemwege. Am 18. November warfen unbekannte Täter einen Molotow-Cocktail gegen ein Übersiedlerheim bei Egling, Landkreis Landsberg a. Lech. Der Brandsatz blieb etwa vier Meter vor dem Gebäude liegen. Ein Heimbewohner rollte die brennende Flasche auf die Straße, wo sie anschließend explodierte. Es entstand kein Sachschaden. In Wunsiedel warfen am 21. November unbekannte Täter mit faustgroßen Steinen zwei Fensterscheiben des Asylbewerberwohnheimes ein. Die Polizei konnte zwei Jugendliche aus Wunsiedel als Täter überführen, die sich selbst als "Rechte" bezeichneten und als Tatmotiv "generellen Haß gegen Ausländer" angaben. Ebenfalls mit faustgroßen Steinen warfen am 3. Dezember in Waldkirchen, Landkreis Freyung-Grafenau, Unbekannte die Fensterscheiben der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber ein. Dabei wurde ein 23jähriger äthiopischer Staatsangehöriger an der Stirn getroffen und leicht verletzt. Am 6. Dezember verübten zwei zunächst unbekannte Täter auf die abgestellten Pkw's von tschechischen Gastarbeitern in Fürstenstein, Landkreis Passau, einen Brandanschlag. Sie überschütteten aus einem mitgebrachten Kanister mehrere geparkte Fahrzeuge mit Benzin und setzten diese in Brand. Es entstand ein Sachschaden von etwa 25.000 DM. Unmittelbar vor Tatausführung hatten die im Zuge der Ermittlungen festgenommenen mutmaßlichen Täter, ein 19jähriges NPD-Mitglied und ein 15jähriger Auszubildender, bei einem weiteren Fahrzeug ein Hakenkreuz eingeritzt sowie ein Plakat der NPD mit der Forderung "Scheinasylanten stoppen - Deutschland den Deutschen" angebracht. Am 6. Dezember warfen unbekannte Täter in Ansbach drei Molotow-Cocktails auf ein Gebäude, das von Angehörigen der USStreitkräfte bewohnt wird. Eine der Brandflaschen zündete. Es entstand Sachschaden in Höhe von 4.000 DM. Am 20. Dezember versuchten unbekannte Täter in Ansbach einen weiteren Brandanschlag auf ein Mehrfamilienhaus, das von Deutschen sowie Ausländern unterschiedlicher Nationalität bewohnt wird. Die zwei dabei geworfenen Brandsätze brannten auf dem Boden aus und verursachten lediglich geringen Sachschaden. 134 5. Abschnitt Spionageabwehr 1 Überblick Aufarbeitung der Die Arbeit der Spionageabwehr im Jahr 1991 war überwiegend MfS-H'mterlassengeprägt von der Bewältigung der Hinterlassenschaft des ehemalischaft gen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Ziel der Maßnahmen war dabei die Aufklärung der Strukturen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes und im Zusammenhang damit auch die Enttarnung von "Offizieren im besonderen Einsatz" bzw. die Identifizierung von MfS-Agenten im Bundesgebiet. Durch die Enttarnung von Agenten soll vor allem auch eine Reaktivierung durch andere Dienste verhindert werden, die den nachrichtendienstlichen Vorlauf dieser Personen kennen und dieses Wissen zur Erpressung nutzen können. Mit der Auflösung der Organisation des Ministeriums für Staatssicherheit und der deutschen Wiedervereinigung entfiel für das sowjetische KGB der potenteste Partner. Er deckte im deutschen Sprachraum die Informationsinteressen des KGB zu etwa 3/4 ab. Unverkennbar ist deshalb das intensive Bemühen der ehemaligen sowjetischen Nachrichtendienste, diesen Informationsverlust durch Installation eines eigenen Agentennetzes auszugleichen. Im Vordergrund steht dabei das erkennbare Interesse, die früheren Kontakte und Verbindungen zum ehemaligen MfS auch für den Neuaufbau einer eigenen Organisation zu nutzen. Dieses Bemühen erscheint nicht von vornherein aussichtslos: Durch den seit November 1977 bestehenden rechnergestützten Informationsverbund der ehemaligen UdSSR und ihrer Satellitenstaaten "SOUD" (System der vereinigten Erfassung von Informationen über den Gegner), den allein das MfS im Laufe der Jahre mit annähernd 80.000 Datensätzen speiste, erhielt auch das KGB Kenntnis von einer entsprechend hohen Zahl von Bewohnern der Bundesrepublik. Darüber hinaus partizipierte das KGB auch in großem Umfang an den operativ beschafften Informationen des MfS. Die Nachfolgeorganisationen des KGB sind deshalb sehr wahrscheinlich in der Lage, frühere MfS-Quellen bzw. -Agenten mit Hilfe dieser Informationen zu identifizieren und unter Hinweis auf deren frühere Verstrickung für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. 135 2. Die Situation der östlichen Nachrichtendienste am Beispiel der ehemaligen UdSSR Der politische Zerfall der ehemaligen Großmacht UdSSR führte Übergang vom KGB nach dem gescheiterten Putsch im August 1991 zur Auflösung zu neuen des diskreditierten KGB in seiner bisherigen Form. Damit setzte Formationen des sich nunmehr auch im Bereich der ehemaligen Sowjetunion die Geheimdienstes bereits in den früheren Satellitenstaaten vollzogene politische Neuorientierung und wirtschaftliche Umstellung fort, die auch deren Nachrichtendienste einbezogen hat. Innerhalb der in diesem Zeitraum noch bestehenden UdSSR vollzog sich die Auflösung und Umbildung des KGB in mehreren Schritten wie folgt: Die frühere Erste Hauptverwaltung, die für Auslandsaufklärung zuständig war, wurde unter der Leitung von Jewgeni Primakow verselbständigt und erhielt den Namen "Sowjetischer Zentraler Geheimdienst". Aus der Zweiten Hauptverwaltung wurde unter Leitung des früheren Innenministers Vladim Bakatin ein "Interrepublikanischer Sicherheitsdienst" gebildet, dem die Aufgaben eines Inlandsnachrichtendienstes zugewiesen wurden. Die neuen Dienste übernahmen weitestgehend das Personal und den Informationsfundus des früheren KGB sowie dessen Infrastruktur und sicherten damit eine kontinuierliche Fortführung der bisherigen Aufgabenerledigung. Diese Tendenz setzte sich nach der Auflösung der UdSSR fort: Der neugebildete sowjetische Auslandsaufklärungsdienst wurde einschließlich seines Leiters Primakow bereits durch die Republik Rußland übernommen. Weiter ist damit zu rechnen, daß auch andere große Republiken innerhalb der GUS im Rahmen ihrer außenpolitischen und militärischen Verselbständigung eigene Auslandsnachrichtendienste einrichten werden. Dazu ist vielfach nur die "Umbenennung" und Umorganisation der bisherigen regionalen KGB-Einheiten erforderlich. Daß die "Republiks-KGB" gegenüber der Zentrale in Moskau an Macht gewannen, zu ihr auf Distanz gingen und die jeweiligen Leiter die Annäherung an die Führung "ihrer" Republiken suchten, war schon seit längerer Zeit erkennbar. Durch diese internen Umstrukturierungen hat sich die nachrichtendienstliche Bedrohung aus dem Bereich der ehemaligen UdSSR verringert. Sie wird jedoch mittelfristig vielfältiger und diffiziler werden. Die Militärspionage dürfte an Bedeutung verlieren; dagegen ist damit zu rechnen, daß die andere Seite künftig neue Schwerpunkte bei der Aufklärung im wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich setzen wird. 3. Erkenntnisse aus der Aufarbeitung der MfS-Vergangenheit 3.1 Anwerbung von Übersiedlern und Aussiedlern Die Aufarbeitung von alten Spionagefällen bestätigt erneut, daß Anwerbemethoden vom MfS und anderen östlichen Nachrichtendiensten häufig Über- 136 Siedler bzw. Aussiedler nachrichtendienstlich verstrickt worden sind. Ausreisewillige Personen standen nämlich bei nachrichtendienstlichen Ansprachen durch Behörden ihres Landes vielfach vor der Wahl, sich zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit beim "eigenen" Geheimdienst zu verpflichten oder aber auf Vergünstigungen, insbesondere die erstrebte Ausreise, zu verzichten. So förderte das MfS u. a. auch die Übersiedlung von Personen aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik, wenn diese sich zur Zusammenarbeit bereiterklärt hatten. In Einzelfällen wurde auch die Einschleusung von vorher angeworbenen Personen initiiert, wie folgendes Beispiel zeigt: Nachdem sich der jetzt 59jährige Angestellte H. 1959 in der DDR gegenüber dem damaligen MfS schriftlich zur geheimdienstlichen Mitarbeit verpflichtet hatte, steuerte das MfS seine angebliche "Flucht" nach Berlin (West) im April 1960. Er berichtete darauf dem MfS zunächst aus seinem Studienumfeld und dann aus seinem beruflichen Tätigkeitsfeld, u. a. beim Gesamtdeutschen Institut und als Referent bei einer Bundestagsfraktion. Bei regelmäßigen Treffs im Abstand von vier bis sechs Monaten übergab H. seinem Residenten bis zum Herbst 1989 selbstverfaßte Berichte und Bewertungen sowie Ausarbeitungen zu Fragen der Außenpolitik zur Weiterleitung an das MfS. Der Resident hatte sich seinerseits 1986 gegenüber dem MfS als inoffizieller Mitarbeiter verpflichtet. Die übernommenen Unterlagen (Tonbänder, Kassetten und Dokumente) deponierte er in Verstecken in Interzonenzügen, aus denen sie das MfS in Berlin entnehmen konnte. Im Oktober 1991 wurden beide Personen vorläufig festgenommen. Die Ermittlungen dauern noch an. Bei Aussiedlern aus der ehemaligen UdSSR und Rumänien besteht nach der ersten Eingewöhnung in der Bundesrepublik Deutschland häufig der Wunsch, Verwandte und Freunde im früheren Heimatland zu besuchen. Östliche Nachrichtendienste nutzen solche Besuchsreisen, um Kontakte herzustellen und auf diese Weise Agenten zu werben. Die Spionageabwehr setzt hier - wie in allen anderen einschlägigen Fragen. - mit Beratung und Betreuung an. Sie versucht, Risiken abzuwägen und Gefahren von den Betroffenen abzuwehren. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ist für Ratsuchende unter der Telefonnummer 089/31 20 10 jederzeit rund um die Uhr erreichbar. 3.2 Wirtschaftsspionage im Auftrag des KGB WirtschaftsInnerhalb des ehemaligen Ostblocks bestand ein enger Informatispionagedes onsverbund zwischen den Nachrichtendiensten. In seinem Rahehemaligen MfS m e n w u r d e das MfS auch für den sowjetischen Geheimdienst tätig. Dabei ließ sich insbesondere Wirtschaftsspionage erfolgreich zur Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit einsetzen, wie das folgende Beispiel belegt: 137 Ein 47jähriger vietnamesischer Diplomingenieur, der nach seinem Studium in der DDR in den Westen geflohen war, wurde vom MfS 1981 über einen inoffiziellen Mitarbeiter angeworben. Er war zu diesem Zeitpunkt bei einem Konzern für Kraftwerksanlagen als Projektleiter angestellt. Er belieferte das MfS in den Jahren 1982 bis 1989 mit Studien, Konstruktionsplänen sowie Ausschreibungsund Angebotsunterlagen für Großfeuerungsanlagen, die im Nahen und Mittleren Osten errichtet werden sollten. Die Informationsübermittlungen erfolgten bei Treffs in Italien, Ungarn und Jugoslawien und wurden mit insgesamt rund 200.000 DM entlohnt. Als Transportcontainer für das Agentenmaterial diente ein ausgehöhltes Holzbrett, das als Unterlage für einen Wagenheber getarnt war. So konnte es problemlos im Pkw durch Grenzkontrollen gebracht werden. Die Angebote des westlichen Unternehmens gelangten auf diese Weise über das MfS auch in die UdSSR und versetzten bei der Ausschreibung mitbietende sowjetische Unternehmen in die Lage, durch günstigere Angebote den Zuschlag für eine Großverbrennungsanlage zu erhalten. Dem Arbeitgeber des Agenten ist dadurch Schaden in Millionenhöhe entstanden. 4. Zusammenfassung Die nachrichtendienstliche Bedrohung Bayerns hat sich in ihrer Fortbestand der Intensität und ihren Zielen verändert. nachrichtendienstlichen Bedrohung Eine wesentliche Bedrohung geht nach vollzogener Umstrukturierung sicher von den russischen Diensten aus, die auf den enormen Informationsbestand des ehemaligen KGB zurückgreifen können und über Niederlassungen bzw. nachrichtendienstliche Residenturen in Deutschland verfügen. Das Schwergewicht ihrer Beschaffungsbemühungen dürfte auf den Sektoren Wirtschaft und Wissenschaft liegen. Wichtiges Aufklärungsziel bleibt sicher auch die Politik des wiedervereinigten Deutschland. Die Gefahr der Ausspähung besteht auch durch andere Republiken der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), die am westlichen "KnowHow" partizipieren wollen. Bei einigen ehemaligen Satelliten-Staaten der UdSSR ist im Verhalten der zumeist umstrukturierten Nachrichtendienste das Bemühen erkennbar, sich dem Westen anzunähern, ohne jedoch auf Auslandsaufklärung völlig zu verzichten. Hierauf deuten auch die Installation neuer Auslandsdienste und öffentliche Erklärungen führender Politiker hin. Verläßliche Aussagen sind erst nach einer längeren Erkenntnisgewinnung möglich. Die Verlagerung der politischen Schwerpunkte erfordert auch künftig die Beobachtung der Aktivitäten dieser Geheimdienste in Bayern. Im Mittelpunkt wird dabei die Verhinderung des nachrichtendienstlich gesteuerten Transfers von Waffentechnologie und sensitiven Gütern stehen müssen. 138 Anlaß zur Sorge gibt auch die Sicherheit des Fernmeldeverkehrs: Staatliche Geheimdienste, aber auch andere interessierte Organisationen können sich bei entsprechender finanzieller Ausstattung jederzeit technische Einrichtungen beschaffen, die sie in die Lage versetzen, den Fernmeldeverkehr abzuhören und dabei interessante Informationen abzuschöpfen. Deshalb ist weiterhin bei Telefongesprächen mit vertraulichem Inhalt Zurückhaltung geboten. Dies gilt auch bei der anderweitigen Übermittlung von sensiblen Daten über Fernmeldewege. 140 Anhang 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) Vom 24. August 1990 (BayRS 12-1-1) Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, das nach Anhörung des Senats hiermit bekanntgemacht wird: I. Abschnitt Organisation und Aufgaben des Verfassungsschutzes Art. 1 Organisation des Verfassungsschutzes, Verhältnis zur Polizei (1) Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder besteht in Bayern ein Landesamt für Verfassungsschutz. (2) 'Freiheitliche demokratische Grundordnung nach Absatz 1 ist eine Ordnung, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. 2Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung gehören mindestens: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. (3) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz ist eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnete Behörde. 2Das Landesamt und Dienststellen der Polizei dürfen einander nicht angegliedert werden. 3Dem Landesamt für Verfassungsschutz steht ein Weisungsrecht gegenüber Dienststellen der Polizei oder die Befugnis zu polizeilichen Maßnahmen nicht zu. 141 Art. 2 Zuständigkeit 1 (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die gesetzlich festgelegten Aufgaben zu erfüllen. 2Dazu gehört auch die Zusammenarbeit Bayerns mit dem Bund und den anderen Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. (2) Verfassungsschutzbehörden der anderen Länder dürfen in Bayern nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gesetzes tätig werden. Art. 3 Aufgaben 1 (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, 1. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, zu beobachten; solche Bestrebungen und Tätigkeiten können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen. 2Das Landesamt hat in Erfüllung dieser Aufgabe Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solche Bestrebungen oder Tätigkeiten zu sammeln und auszuwerten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, 1. an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen, 3. an technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen, die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftig sind, gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, mitzuwirken. 142 (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, amtliche Auskünfte zu erteilen 1. im Rahmen der Überprüfung der Verfassungstreue von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, 2. nach Maßgabe der Art. 14 und 15. II. Abschnitt Allgemeine Befugnisse und Datenverarbeitung Art. 4 Allgemeine Befugnisse (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz die dazu erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten auch ohne Kenntnis der betroffenen Gruppierung oder Person erheben und in Akten und Dateien verarbeiten, diese Informationen nutzen sowie aus Akten und Dateien übermitteln, soweit nicht nachfolgend besondere Bestimmungen gelten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an einer Überprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 nur mitwirken und nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 nur Auskunft erteilen, wenn die betroffene Person von der Durchführung der Überprüfung Kenntnis hat; werden der Ehegatte, der Verlobte oder die Person, mit der die betroffene Person in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, in die Überprüfung miteinbezogen, so ist auch deren Kenntnis erforderlich. (3) 1Sind für die Erfüllung einer Aufgabe verschiedene Maßnahmen geeignet, so hat das Landesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die die betroffene Gruppierung oder Person voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 2Eine Maßnahme unterbleibt, wenn sie einen Nachteil herbeiführt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Art. 5 Erhebung personenbezogener Daten 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten erheben, soweit das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. 2Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 darf das Landesamt für Verfassungsschutz personenbezogene Daten jedoch nur im Rahmen von Nachermittlungen erheben, soweit das zur Überprüfung von Informationen erforderlich ist, die bei den Verfassungsschutzbehörden bereits vorliegen. Art. 6 Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel 1 (1) Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz darf das Landesamt für Verfassungsschutz auch nachrichtendienstliche Mittel anwenden. 2Sie dienen der ver- 143 deckten Informationsgewinnung und der Sicherheit des Landesamts für Verfassungsschutz und seiner Mitarbeiter. 3Nachrichtendienstliche Mittel sind Maßnahmen zur Tarnung, der Einsatz geheimer Mitarbeiter und andere Maßnahmen, die verbergen sollen, daß das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen erhebt. 4Bei Sicherheitsüberprüfungen (Art. 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2) darf das Landesamt für Verfassungsschutz nur das nachrichtendienstliche Mittel der Tarnung von Mitarbeitern anwenden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten nach Art. 5 durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel erheben, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder auf diese Weise Erkenntnisse über Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. das zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamts für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. (3) Personenbezogene Daten dürfen durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel nur erhoben werden, wenn die Daten nicht auf eine andere geeignete Weise gewonnen werden können, die die betroffene Person weniger beeinträchtigt. 2Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. 3Sie ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich ergibt, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (4) 1Für den Einsatz besonderer technischer Mittel zur Informationsgewinnung im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes, ohne daß eine für die Verfassungsschutzbehörde tätige Person anwesend ist, gilt das Gesetz, zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz) vom 13. August 1968 (BGBl I S. 949), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 16 des Gesetzes vom 8. Juni 1989 (BGBl I S. 1026) und das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz vom 11. Dezember 1984 (GVBI S. 522, BayRS 12-2-1) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend. 2Die Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter hat in diesem Fall unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. (5) Die Zulässigkeit von Maßnahmen nach dem Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz bleibt unberührt. Art. 7 Speicherung und Veränderung personenbezogener Daten 1 (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz personenbezogene Daten in Dateien speichern und verändern, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 erforderlich ist oder 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach Art. 3 Abs. 2 an Überprüfungen mitwirkt. 144 2 ln den Fällen des Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 dürfen personenbezogene Daten in Dateien nur gespeichert werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen. (2) 'Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien gespeichert werden. 2Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres sind zwei Jahre nach dem Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung in Dateien zu überprüfen und spätestens fünf Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, daß weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 3 Abs. 1 angefallen sind über ein Verhalten nach Eintritt der Volljährigkeit. 3Für Akten, die zu einer minderjährigen Person geführt werden, gelten die vorstehenden Prüfungsund Löschungsfristen entsprechend. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Dauer der Speicherung in Dateien und in Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, auf das Maß festzulegen, das zur Erfüllung seiner Aufgabe nach diesem Gesetz erforderlich ist. (4) Werden Bewertungen über Betroffene gespeichert, muß erkennbar sein, wer die Bewertung vorgenommen hat und wo die Informationen gespeichert sind, die der Bewertung zugrunde liegen. Art. 8 Berichtigung und Löschen von Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, ist dies zu vermerken. (2) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung nach Art. 7 unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung seiner gesetzlich festgelegten Aufgaben nicht mehr erforderlich ist; Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, sind unter diesen Voraussetzungen zu vernichten. 2Ob die Voraussetzungen der Löschung und Vernichtung nach Satz 1 vorliegen, ist bei jeder Efnzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen zu entscheiden. 3Die Löschung oder Vernichtung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. 4ln diesem Fall sind die Daten zu sperren; sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. (3) Tür die Archivierung gelten die Vorschriften des Bayerischen Archivgesetzes. 2 Die Anbletungspflicht bestimmt sich nach Maßgabe der nach Art. 6 Abs. 2 BayArchivG abzuschließenden Vereinbarung. Art. 9 Errichtungsanordnung 1 (1) Für den erstmaligen Einsatz einer automatisierten Datei, in der personenbezogene Daten verarbeitet werden, hat das Landesamt für Verfassungsschutz in einer Errich- 145 tungsanordnung, die der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern bedarf, festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. Betroffener Personenkreis, 4. Art der zu speichernden Daten, 5. Eingabeberechtigung, 6. Zugangsberechtigung, 7. Regelmäßige Übermittlungen, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, 9. Protokollierung des Abrufs. 2 Nach der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern ist die Errichtungsanordnung dem Landesbeauftragten für den Datenschutz unverzüglich mitzuteilen. Entsprechendes gilt für wesentliche Änderungen des Verfahrens. (2) Die Zustimmung des Staatsministeriums des Innern darf nur erteilt werden, wenn die Speicherung personenbezogener Daten auf das erforderliche Maß beschränkt ist. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in angemessenen Abständen die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. Art. 10 Geltung des Bayerischen Datenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der gesetzlich festgelegten Aufgaben durch das Landesamt für Verfassungsschutz finden die Art. 8 bis 12, 16 bis 18, 20 und 26 Abs. 2 des Bayerischen Datenschutzgesetzes keine Anwendung. Art. 11 Auskunftserteilung (1) 1Ein Anspruch auf Auskunft über die beim Landesamt für Verfassungsschutz in Dateien oder Akten gespeicherten Informationen besteht nicht. 2Hat eine Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten, so entscheidet das Landesamt für Verfassungsschutz nach pflichtgemäßem Ermessen über das Auskunftsbegehren. (2) Soweit eine Person einer Sicherheitsüberprüfung nach Art. 3 Abs. 2 unterzogen wird oder zu einer Person Auskunft nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 erteilt wird, hat diese Person abweichend von Absatz 1 einen Anspruch auf Auskunft über die Daten des Landesamts für Verfassungsschutz, die es im Rahmen der Erfüllung dieser Aufgaben übermittelt hat. 146. (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Erfüllung der Aufgaben nach Art. 3 durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung nachrichtendienstliche Zugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnissstandes oder der Arbeitsweise des Landesamts für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Informationen oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden muß. (4) 1Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung. 2Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß er sich hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. 3 Dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Staatsministerium des Innern im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. "Mitteilungen des Landesbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den Kenntnisstand des Landesamts für Verfassungsschutz zulassen, sofern dieses nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. III. Abschnitt Übermittlungsregelungen Art. 12 Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz ohne Ersuchen (1) Die Behörden, Gerichte hinsichtlich ihrer Register, Gebietskörperschaften und andere der staatlichen Aufsicht unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie sonstige öffentliche Stellen des Freistaats Bayern haben von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihnen bei Erfüllung ihrer Aufgaben bekanntgewordenen Informationen zu übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz nach Art. 3 Abs. 1 oder entsprechender Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst, b oder c des Grundgesetzes erforderlich sein kann. (2) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen nach ihrem Eingang unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie für die Erfüllung seiner in Absatz 1 genannten Aufgaben erforderlich sind. 2Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. 3Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall dürfen die nicht erforderlichen Informationen nicht verwendet werden. 147 Art. 13 Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen (1) 1Die in Art. 12 Abs. 1 genannten öffentlichen Stellen haben dem Landesamt für Verfassungsschutz auf dessen Ersuchen die ihnen bei Erfüllung ihrer Aufgaben bekanntgewordenen Informationen zu übermitteln, soweit das zur Erfüllung der Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz nach diesem Gesetz erforderlich ist. 2Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Ersuchen nach Satz 1 nur stellen, wenn die Information auf andere Weise nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Gruppierung oder Person stärker beiastende Maßnahme gewonnen werden kann. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat Ersuchen zu begründen, es sei denn, daß eine Begründung dem Schutz der betroffenen Gruppierung oder Person zuwiderläuft oder den Zweck der Maßnahme gefährden würde. 4Es hat die Ersuchen aktenkundig zu machen. (2) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Akten anderer öffentlicher Stellen und amtlich geführte Dateien unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 einsehen, soweit das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist und die sonstige Übermittlung von Informationen aus den Akten oder den Dateien den Zweck der Maßnahme gefährden, einen übermäßigen Aufwand erfordern oder das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unnötig beeinträchtigen würde. 2Über die Einsichtnahme in amtlich geführte Dateien hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die eingesehene Datei hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (3) 1Hält eine in Art. 12 Abs. 1 genannte öffentliche Stelle das Ersuchen nach Absatz 1 oder die Einsichtnahme nach Absatz 2 für unzulässig, so teilt sie das dem Landesamt für Verfassungsschutz mit. 2Besteht dieses auf dem Ersuchen oder der Einsichtnahme, so entscheidet darüber die oberste fachliche Aufsichtsbehörde, die für die ersuchte Stelle zuständig ist. (4) Art. 12 Abs. 2 gilt entsprechend. Art. 14 Personenbezogene Datenübermittlung durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, wenn das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist oder wenn die öffentliche Stelle die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Strafverfolgung benötigt. 2Gleiches gilt, wenn der Empfänger die personenbezogenen Daten zur Erfüllung anderer ihm zugewiesener Aufgaben benötigt, sofern er dabei auch zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen oder Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit oder auswärtige Belange zu würdigen hat. 3Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wur- 148 den, es sei denn, daß das Landesamt für Verfassungsschutz einer anderen Verwendung für Zwecke nach Satz 1 und 2 zugestimmt hat. "Satz 1 gilt auch für die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz. (2) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstelfung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl II 1961 S. 1183) personenbezogene Daten übermitteln. 2Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (3) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an überoder zwischenstaatliche öffentliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. 2Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen. 3Sie ist aktenkundig zu machen. 4Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (4) 1Personenbezogene Daten dürfen an andere Empfänger als öffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und das Staatsministerium des Innern seine Zustimmung erteilt hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl von gleichartigen Fällen vorweg erteilt werden. 2Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung aktenkundig zu machen. 3Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. "Das Landesamt für Verfassungsschutz hat den Empfänger darauf hinzuweisen. (5) 'Übermittlungspflichten nach bundesrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz kann andere Verfassungsschutzbehörden auch dadurch unterrichten, daß es diesen den Abruf von Daten im automatisierten Verfahren ermöglicht. Art. 15 Unterrichtung der Öffentlichkeit 1 Das Staatsministerium des Innern und das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1. 2Dabei dürfen der Öffentlichkeit personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an der Unterrichtung das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an der Wahrung ihrer Anonymität überwiegt. 149 Art. 16 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung durch das Landesamt für Verfassungsschutz als unvollständig oder unrichtig, sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, wenn das zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person erforderlich ist. Art. 17 Übermittlungsverbote (1) Die Übermittlung von Informationen durch das Landesamt für Verfassungsschutz nach den Art. 4 und 14 hat zu unterbleiben, wenn 1. erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung das schutzwürdige Interesse der Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegt, oder 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern. (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationsübermittlungen zulassen oder verbieten, bleiben unberührt. IV. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle Art. 18 Parlamentarische Kontrollkommission 1 (1) Die Staatsregierung unterliegt hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz der Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission. 2Die Rechte des Landtags und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. (2) 1Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus fünf Mitgliedern. 2Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission werden zu Beginn jeder neuen Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte gewählt. 3ln gleicher Weise wird für jedes Mitglied ein Stellvertreter gewählt. 4Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint. (3) 1Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission; Absatz 4 bleibt unberührt. 2Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. 3 Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Stellvertreter. (4) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtags so lange aus, bis der nachfolgende Landtag eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat. 150 Art. 19 Geheimhaltung (1) 1Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. 2Die Mitglieder und ihre Stellvertreter sind zur Geheimhalturrg der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekanntgeworden sind. 3Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Parlamentarischen Kontrollkommission. (2) 1Die Parlamentarische Kontrollkommission tritt mindestens einmal im Vierteljahr zusammen. 2Jedes Mitglied kann die Einberufung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. 3Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter und gibt sich eine Geschäftsordnung. Art. 20 Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission und Berichtspflicht der Staatsregierung (1) 1Die Staatsregierung unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. 2Die Staatsregierung berichtet zu einem konkreten Thema aus dem Aufgabenbereich des Landesamts für Verfassungsschutz, sofern die Parlamentarische Kontrollkommission dies wünscht. (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der Staatsregierung bestimmt. (3) 1Die Kontrolle der Durchführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz bleibt der in Art. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) genannten Kommission nach den dortigen Bestimmungen vorbehalten. 2Der Parlamentarischen Kontrollkommission ist auf Anforderung, mindestens aber einmal im Jahr, der Bericht nach Art. 3 AGG 10 zu erstatten. V. Abschnitt Schlußvorschriften Art. 21 Erfüllung bundesrechtlicher Aufgaben Zur Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst, b und c des Grundgesetzes stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz die Befugnisse zu, die es zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. 151 Art. 22 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 des Grundgesetzes eingeschränkt werden. Art. 23 Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz Das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) vom 11. Dezember 1984 (GVBI S. 522, BayRS 12-2-1) wird wie folgt geändert: 1. Art. 2 Abs. 3 Satz 6 erhält folgende Fassung: "6Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes bedarf." 2. In Art. 3 werden die Worte "den für Sicherheitsfragen zuständigen Ausschuß des Landtags" durch die Worte "die Parlamentarische Kontrollkommission für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" ersetzt. Art. 24 Inkrafttreten 1 Dieses Gesetz tritt am 1. November 1990 in Kraft. Gleichzeitig treten außer Kraft: 1. Das Gesetz über die Errichtung eines Landesamts für Verfassungsschutz (BayRS 12-1-1), 2. Art. 8 Abs. 2 Nr. 5 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayRS 204-1-1). München, den 24. August 1990 Der Bayerische Ministerpräsident In Vertretung Dr. M. Berghofer-Weichner Stellvertreterin des Ministerpräsidenten und Staatsministerin der Justiz 152 Anhang 2 ichwortveraeichnis Action Directe (AD) 113 Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) 63 Aktion Oder-Neiße AKON) 63 Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten (ANS/NA) 66 AI Fatah 93 Amt für Volksaufklärung und Öffentlichkeitsarbeit (AVÖ) 82 Antifaschistisches Komitee - Stoppt die schwarzbraune (AKS) 32 Sammlungsbewegung antifa-rundschau 27 Anti-Strauß-Komitee/Stoppt die Erben (ASKo) 32 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 30 Arbeiterjugendverband/Marxisten-Leninisten (AVJ/ML) 34 Arbeiterkampf (ak) 29 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 94 Aufbruch 89 Autonome 35 Bayern-Info (DFU) 28 Bayern-Info (PDS/LL Bayern) 46 Bayernprawda 26 Bolsevik Partizan 99 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 48 Bunte Hilfe Nordbayern (BHN) 49 153 CLASH - Zeitung für Widerstand in Europa 39 Das Freie Forum 76 Der rote Faden 26 Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) 104 Demokratischer Informationsdienst (DID) 32 Demokratischer Jugendzirkel Regensburg 33 Denk mit! 80 Denk mitl-Verlag 80 Der Scheinwerfer 81 Deutsche Allianz - Vereinigte Rechte (DA) 57 Deutsche Alternative (DA) 67 Deutsche Friedens-Union (DFU) 28 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 18 DKP-Hochschulgruppen (DKP-HG) 23 DKP-Info 24 Deutsche Kulturgemeinschaft (DKG) 77 Deutsche Liga für Volk und Heimat (Deutsche Liga) 64 Deutsche National-Zeitung (DNZ) 61 , 78 Deutsche Reichspartei (DRP) 55 Deutsche Rundschau 65 Deutsche Stimme 55 Deutsche Volksunion (DVU) 59 Deutsche Volksunion e. V. (DVU) 62 Deutsche Wochen-Zeitung (DWZ) 61 , 78 Deutscher Anzeiger (DA) 61 , 79 154 Deutscher Beobachter 71 Deutscher Block (DB) 90 Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur 63 Devrimci Isci (Revolutionärer Arbeiter) 100 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 100 Devrimci Yol (Revolutionärer Weg) 100 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 77 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) 78 Druffel-Verlag 80 Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten 63 Eidgenoss 87 Einheit und Kampf Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. (ATIF) 99 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan (KOMKAR) 96 in der Bundesrepublik Deutschland e. V. Föderation der patriotischen Arbeiterund (FEYKA95 Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Kurdistan) Bundesrepublik Deutschland e. V. Föderation der Türkisch-Demokratischen (ADÜTDF) 102 Idealistenvereine in Europa e. V. Freie Deutsche Jugend (fdj) 26 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 69 Freiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH (FZ-Verlag) 79 Freundeskreis Ulrich von Hütten 77 Für die Sache des Volkes 90 155 Germania-Rundbrief Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 76 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) 66 Grupo Revolucionario Antifascista Primero de Octubre (GRAPO) 115 Halt 86 Hilfsorganisation für nationale politische (HNG) 89 Gefangene und deren Angehörige e. V. Hizb Allah 104 Huttenbriefe 77 Infoladen-Gruppe 36 Initiative für Ausländerbegrenzung (WA) 63 Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ) 33 Interim 39 Internationales Kulturzentrum in Augsburg (IKZ) 107 Intifada 93 Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung (IMSV) 93 Bundesrepublik Deutschland e. V. J.G.Burg-Gesellschaft 84 JN-Bayern-Info 88 Jobbergruppe 36 Junge Nationaldemokraten (JN) 57 Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP) 25 Kämpfende Einheit 115 Kämpfende Jugend (KJ) 33 Komitee für Staatssicherheit (KGB) 134 156 Kommunikationszentrum, Nürnberg (KOMM) 38, 120 Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) 31 Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) 18 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 18 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD/DDR) 22 Kommunistische Partei Luxemburgs (KPL) 24 "Kommunistische Plattform" in der PDS (KPF) 41 Kommunistischer Bund (KB) 29 Kommunistischer Hochschulbund (KHB) 48 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) 99 Kritik - Die Stimme des Volkes 85 Kurdischer Studentinnenverband (YXK) 106 Kurdistan Arbeitervereinigung in Nürnberg e. V. 96 Kurdistan-Komitee 106 Lernen und kämpfen (luk) 34 Leuchter-Bericht 82 Linke Liste/PDS 44 Marxistische Blätter 24 Marxistische Gruppe (MG) 30 (MSZ) Marxistische Streitund Zeitschrift -Gegen die Kosten der Freiheit (MSZ) 48 Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) 34 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 33 Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) 34 Mensch und Maß 80 Ministerium für Staatssicherheit (MfS) 134 157 Nachrichten der HNG Nationaldemokratische Partei Deutschlands Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 88 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 95 Nationale Heilspartei (MSP) 103 Nationale Liste (NL) 67 Nationale Offensive (NO) 70 Nationale Sammlung (NS) 68 Nationaler Block (NB) 68 Nationalistische Arbeitspartei (MCP) 102 Nationalistische Front (NF) 83 Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (NRAO) 90 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 66 Nation Europa - Deutsche Monatshefte 79 Nation Europa Verlag GmbH 79 Nation Europa - Freunde ' 79 Neue Nation - Volkstreue Zeitung für Deutschland 69 Neuer politischer Dienst 55 Nordwind-Verlag 85 NPD-Forum 55 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 85 NS Kampfruf 85 Odal-Verlag 81 Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (OIDA) 94 158 Organisation der Iranischen Studenten in der (O.I.P.F.G.) 105 Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volkfedayin Guerilla Iran (Ashraf-Deghani-Anhänger) Organisation Iranischer Studenten, (O.I.S.) 93 Sympathisanten der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) Palästina-Libanon-Komitee, Nürnberg (PLK) 104 Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 93 Palästinensischer Arbeiterverband, Nürnberg (PAV) 93 Palästinensischer Arbeiterverband in der (PAV) 93 Bundesrepublik Deutschland Palästinensischer Studentenverband in der (PSV) 104 Bundesrepublik Deutschland e. V. (MHP) 102 Partei der Nationalen Bewegung (PDS) 40 Partei des Demokratischen Sozialismus 42,44 PDS/Linke Liste 48 Politische Berichte 26 Position 36 Prolos radikal 40 Rebell 34 Recht und Wahrheit 77 Regionale Aktionsgruppe (RAG) 58 Remer-Depesche 84 Revisionismus 81 Revolutionäre Zellen (RZ) 121 159 Rote Armee Fraktion (RAF) 112 Rote Brigaden (BR) 115 Rote Fahne 34 Rote Rauchzeichen 24 Roter Pfeil 34 Rotfüchse 34 Rundbrief 24 Samisdat Publishers Ltd. 86 Sieg 86 Skinheads 71 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 25 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 40 Sozialistische Zeitung (SoZ) 48 Sozialistisches Magazin (Soz-Magazin) 48 Tudeh-Partei 105 Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) 97 Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 97 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) 100 Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) 106 Union der patriotischen Frauen Kurdistans (YJWK) 106 Union der patriotischen Intellektuellen Kurdistans (YRWK) 106 Union der revolutionär-patriotischen Jugend Kurdistans (YCK) 106 Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e. V. (TIKDB) 102 Union islamischer Studentenvereine in Europa (UJ.S.A.) 105 160 Unsere Zeit (UZ) 24 Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) Verband der Islamischen Vereine und (ICCB) 102 Gemeinden e. V. Köln Verein Palästinensischer Arbeiter München (VPA) 93 Verein patriotischer Künstler Kurdistans in (HUNERKOM) 95 der Bundesrepublik Deutschland e. V. Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 48 Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V. (AMGT) 103 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - (VVN-BdA) 27 Bund der Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland 80 Verlag Hohe Warte - Franz von Bebenburg KG 86 Verlag Samisdat Publishers Ltd. (ARGK) 95 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (VOGA) 63 Volksbewegung für Generalamnestie (PFLP) 93 Volksfront für die Befreiung Palästinas Volksfront für die Befreiung Palästinas - (PFLP-GC) 104 Generalkommando Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) 49 Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/ (VSBD/PdA) 69 Partei der Arbeit Vorderste Front Wikinger 76 Wiking-Jugend (WJ) 75 Wohlfahrtspartei (RP) 103