Verfassungsschutzbericht Bayern 1990 Bayerisches Staatsministerium des Innern erfassungsschulzberich! Bayern 1990 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern Odeonsplatz 3, 8000 München 22 RB Nr. 03A/91/02 Satz: Reift Druck & Verlag, Vogelweideplatz 9, 8000 München 80 Druck: Druckhaus Kastner Wolnzach, Schloßhof 2-6, 8069 Wolnzach Der vorliegende Verfassungsschutzbericht bezieht sich auf das Jahr 1990, das als Wendepunkt der Nachkriegszeit in die Annalen der deutschen Geschichte eingehen wird. Die ersten freien Wahlen in der damals noch bestehenden DDR am 18. März besiegelten den Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur im ehemaligen SED-Staat. Die Wiedervereinigung am 3. Oktober und die darauf folgenden ersten freien Wahlen im vereinigten Deutschland am 2. Dezember haben rechtlich und politisch das Zusammenwachsen der getrennten Teile Deutschlands vollendet. Die gleichzeitig einsetzende Demokratisierungswelle in den Staaten Osteuropas führte darüber hinaus zu einem weitgehenden Abbau der Ost-West-Konfrontation. Der weitgehende Zerfall des kommunistischen Machtbereichs wirkte sich auch auf die innere Sicherheit in unserem Land positiv aus. Die extremistische Bedrohung durch den orthodoxen Kommunismus ist wesentlich geringer geworden. Auch die Gefährdung durch Spionage aus dem Osten hat sich nach der Auflösung des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR verringert. Der vorliegende Verfassungsschutzbericht bemüht sich, diese Entwicklung so wirklichkeitsgetreu wie möglich nachzuzeichnen. Sie ist ein glänzender Beweis dafür, daß die Anziehungskraft einer freiheitlich verfaßten Staatsund Gesellschaftsordnung auf Dauer jedem auf Überwachung, Einschüchterung und Gewalt beruhenden Unterdrückungssystem überlegen ist. Wachsamkeit, der Preis der Freiheit, ist aber weiterhin geboten. Wir müssen insbesondere sorgfältig darauf achten, daß nicht anstelle der bedeutungslos gewordenen DKP die jetzt als PDS firmierende SED zu einem Hemmschuh oder gar zu einer Gefahr für die weitere Fortentwicklung im vereinigten Deutschland wird; Kristallisationspunkt für kommunistisches Gedankengut verschiedenster Schattierungen ist sie schon jetzt. Auch die zunehmenden rechtsextremistischen Tendenzen in den neuen Bundesländern geben Anlaß zur Sorge. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wird auch künftig seinen Beitrag dazu leisten, daß derartige Bestrebungen zum Nachteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Staates frühzeitig erkannt und deshalb von den dafür zuständigen Stellen auch rechtzeitig bekämpft werden können. Seinen Angehörigen gilt unser Dank für sachkundige und engagierte Arbeit auch im Jahr 1990, in dem das Amt auf ein 40jähriges Bestehen zurückblicken konnte. München, Juni 1991 ft/Hu Dr. Edmund Stoiber Dr. Günther Beckstein Staatsminister Staatssekretär 5 Inhaltsverzeichnis Allgemeiner Überblick 11 I.Abschnitt Linksextremismus 16 1. Allgemeines 16 2. Orthodoxer Kommunismus 19 2.1 Überblick 19 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 19 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort 19 2.2.2 Organisation 21 2.2.3 Bündnisund Aktionseinheitspolitik, Betriebsarbeit 23 2.2.4 Beteiligung an Wahlen 25 2.2.5 Publikationen und Verlage 25 2.2.6 DKP-Hochschulgruppen (DKP-HG) 29 2.3 Nebenorganisationen der DKP 29 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 29 2.3.2 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) 32 6 2.3.3 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) 33 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen 33 2.4.1 Allgemeines 33 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) 34 2.4.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland (VVN-BdA) 36 3. Neue Linke 38 3.1 Überblick 38 3.2 Dogmatische Neue Linke 39 3.2.1 Marxistische Gruppe (MG) 39 3.2.2 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 44 3.2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 48 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 49 3.3.1 Autonome Gruppen 50 3.3.2 Schriften der undogmatischen Neuen Linken 54 4. Entwicklung des Linksextremismus in der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 55 5. Übersicht über die wichtigsten linksextremistischen und linksextremistisch beeinflußten Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 59 2. Abschnitt Rechtsextremismus 64 1. Allgemeines 64 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 67 2.1 Ideologisch-politischer Standort 67 2.2 Organisation 70 2.3 Beteiligung an Wahlen 71 2.4 Sonstige Aktivitäten 73 2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) 74 7 3. Deutsche Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D) 75 3.1 Ideologisch-politischer Standort 75 3.2 Organisation 78 3.3 Wahlbündnis mit der NPD 78 3.4 Aktivitäten 79 4. Deutsche Volksunion e.V. (DVU) 80 4.1 Ideologisch-politischer Standort 80 4.2 Organisation 80 4.3 Aktionsgemeinschaften der DVU 81 5. Neonazistische Organisationen und Aktivitäten 82 5.1 Allgemeines 82 5.2 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) 83 5.3 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 86 5.4 Nationale Offensive (NO) 88 5.5 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle 91 6. Sonstige rechtsextremistische Organisationen 92 6.1 Wiking-Jugend (WJ) 92 6.2 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 93 6.3 Freundeskreis Ulrich von Hutten 94 6.4 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 95 7. Organisationsunabhängige Publizistik 96 8. "Revisionismus"-Kampagne 101 8.1 Ziele und Methoden 101 8.2 Entwicklung 102 8.3 Aktivitäten 103 9. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus 104 10. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 108 3. Abschnitt Extremistische Bestrebungen von Ausländern 112 1. Allgemeines 112 2. Arabische Gruppen 114 3. - Iranische Gruppen 116 3.1 Orthodoxe Kommunisten 116 3.2 Neue Linke 117 4. Jugoslawische Gruppen 118 4.1 Kroatischer Nationalrat (HNV) 118 4.2 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 118 5. Kurdische Gruppen 119 5.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 119 5.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e.V. (KOMKAR) 122 6. Türkische Gruppen 123 6.1 Orthodoxe Kommunisten 123 6.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen 124 6.2.1 Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 124 6.2.2 Türkische Volksbefreiungspartei/Tront (THKP/-C) 129 6.3 Extreme Nationalisten 130 6.4 Islamische Extremisten 131 7. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern, deren Nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 133 4. Abschnitt Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 140 1. Überblick 140 2. Rote Armee Fraktion (RAF) 142 2.1 Kommandobereich der RAF 143 2.2 Militante der RAF 146 2.3 Inhaftierte der RAF 147 2.4 Umfeld der RAF ' 148 3. Revolutionäre Zellen (RZ) 150 4. Festnahmen und Strafverfahren 151 5. Politisch motivierte Gewaltaktionen in Bayern 153 9 5. Abschnitt Spionageabwehr 156 1. Positionsbeschreibung 156 2. Rückblick auf die Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) 156 2.1 Das MfS als Schwert und Schild der Partei 156 2.2 Die Spionagetätigkeit des MfS 158 3. Lage der Nachrichtendienste in den Staaten des ehemaligen Ostblocks . 162 3.1 UdSSR 162 3.2 Ungarn 164 3.3 CSFR 165 3.4 Polen 165 3.5 Bulgarien 166 3.6 Rumänien 167 4. Zusammenfassung und Ausblick 167 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 170 1. Einstellungsüberprüfung 170 2. Extremisten im öffentlichen Dienst 171 Anhang 1 174 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) vom 24. August 1990 Anhang 2 186 Stichwortverzeichnis Die im Verfassungsschutzbericht 1990 aufgeführten Mitgliederzahlen für das Bundesgebiet beziehen sich jeweils auf die westlichen Bundesländer. Erkenntnisse über Mitgliederzahlen in den fünf neuen Ländern liegen hier nicht vor. 11 Allgemeiner Überblick Dieser Verfassungsschutzbericht informiert zusammenfassend über den politischen Extremismus und über Aktivitäten gegnerischer Nachrichtendienste im Jahre 1990. Er ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Staatsregierung, die damit der Verpflichtung nachkommt, die Öffentlichkeit über die Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte, Gruppen und Parteien in Kenntnis zu setzen. Der Bericht findet außerdem seine ausdrückliche rechtliche Grundlage in Art. 15 des Bayer. Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) vom 24. August 1990 (vgl. Anhang). Er gibt einen Überblick über Bestrebungen von Extremisten, die unmittelbar oder mittelbar gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben. Er informiert ferner über Vorhaben, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eine Ordnung zu verstehen, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser freiheitlichen Grundordnung gehören die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit der politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Diese Rechtsprechung, die inhaltlich in das neue Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) eingearbeitet wurde, ist Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine Organisation als extremistisch zu bewerten ist. Alle in diesem Bericht genannten extremistischen Parteien und Gruppierungen verfolgen Ziele, die gegen die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen. Solche verfassungsfeindlichen Ziele sind bei den Linksextremisten die Revolution und die Diktatur des Proletariats, die insbesondere gegen das Mehrheitsund das Freiheitsprinzip sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Bei den Rechtsextremisten sind es ihr völkischer Kollektivismus, ihr Nationalismus und ihre rassistischen Tendenzen, die insbesondere mit der Menschenwürde und dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar sind. Beim Ausländerextremismus ist es entweder Linksoder Rechtsextremismus (extremer Nationalismus) oder religiös motivierter Extremismus, der wiederum insbesondere die Menschenwürde und das Gleichheitsprinzip verletzt. Ausländergruppen werden mitunter auch deswegen beobachtet, weil sie ihre Ziele mit Gewalt zu erreichen suchen und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 1. Die Linksextremisten konnten auch 1990 die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht gefährden, obwohl sie an ihrem Ziel, eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten, unverändert festhielten. Ende 1990 gab es in Bayern 45 linksextremistische und linksextremistisch beeinflußte Gruppierungen mit 7.120 Mitgliedern. Im Vergleich zu den Vorjahren sind jedoch wesentliche Änderungen eingetreten. So verringerte sich im orthodoxkommunistischen Bereich die Zahl der extremistischen oder extremistisch beeinflußten Organisationen zwischen 1988 und 1990 um mehr als die Hälfte. Im gleichen Zeitraum ging die Mitgliederzahl von 9.400 auf 1.820 zurück. Ursächlich für den Niedergang des orthodoxen Kommunismus war der Zusammenbruch des "realen Sozialismus" in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), ihre Nebenorganisationen und die von ihr beeinflußten Vereinigungen verloren dadurch ihren ideologischen Rückhalt. Der Wegfall der konspirativen Finanzierung durch die ehemalige Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) brachte fast alle orthodox-kommunistischen Gruppierungen in finanzielle Bedrängnis. Die Bedeutung des orthodox-kommunistischen Blocks, der bis zum Beginn der Reformbewegung in der ehemaligen DDR und in den Staaten Osteuropas das größere Gefährdungspotential für den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung darstellte, nahm dadurch erheblich ab. Die Gruppierungen der Neuen Linken, die sich ideologisch stets gegen den "revisionistisch entarteten Sozialimperialismus" der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und ihrer europäischen Satellitenparteien abgegrenzt haben, waren von der Krise der orthodoxen Kommunisten kaum berührt worden. Trotz ihres desolaten Zustandes konnten insbesondere die Gruppierungen der dogmatischen Neuen Linken ihren Mitgliederstand behaupten. Die Marxistische Gruppe (MG) stellt dabei mit 4.200 Angehörigen zahlenmäßig nunmehr die stärkste Gruppe innerhalb des gesamten Linksextremismus dar. Aufgrund ihrer regen Aktivitäten, der großen Mobilisierbarkeit ihrer Anhängerschaft sowie ihrer per- sonellen Zusammensetzung muß sie -- nach wie vor -- als eine der gefährlichsten verfassungsfeindlichen Gruppierungen in Bayern angesehen werden. Im Bereich der undogmatischen Neuen Linken dominierten 1990 wiederum die Autonomen mit ihren Aktionen gegen "Faschismus" und "Kapitalismus" und ihren zum Teil gewalttätigen Protesten gegen rechtsextremistische Gruppierungen. 2. Auch die Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen und Personen (insgesamt etwa 5.000) stellten 1990 keine Gefährdung des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats dar. Sowohl die rückläufigen Mitgliederzahlen, die noch unter denen des Jahres 1988 lagen, als auch die nachlassenden Aktivitäten deuten darauf hin, daß der organisierte Rechtsextremismus in Bayern den 1989 erreichten vorläufigen Höhepunkt offenbar überschritten hat und sich im Abwärtstrend befindet. Insbesondere ist es den Rechtsextremisten bisher nicht gelungen, aus der deutschen Wiedervereinigung politisches Kapital zu schlagen und in den neuen Bundesländern nennenswerte Erfolge zu erzielen. Dies zeigte sich auch bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990, bei der die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) deutliche Stimmenverluste hinnehmen mußte und im Gegensatz zu 1987 nicht einmal den erhofften Anspruch auf Erstattung der Wahlkampfkosten erreichen konnte. Diese Niederlage förderte Bestrebungen zur Bildung einer neuen Rechtspartei, zumal sich das Wahlbündnis der NPD mit der Deutschen Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D) als Fehlschlag herausgestellt hatte. Während die Anziehungskraft der neonazistischen Gruppen weiter abnahm, fand eine von ausländischen Rechtsextremisten maßgeblich initiierte und unterstützte "Revisionismus"-Kampagne, die den planmäßigen Massenmord an Juden in Konzentrationslagern des Dritten Reiches leugnet, zunehmende Beachtung. Ein problematisches Spektrum am Rande des organisatorisch und ideologisch definierbaren Rechtsextremismus stellen die sogenannten Skinheads dar, die zwar mehrheitlich keine politischen Ziele verfolgen, aber in Teilbereichen entweder das Gewaltpotential des organisierten Rechtsextremismus verstärken oder schon aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes zumindest Anhaltspunkte für eine mögliche rechtsextremistische Motivation erkennen lassen. 3. Die Anzahl ausländischer Extremisten in Bayern ging gegenüber dem Vorjahr um fast 30 Prozent auf rund 4.800 zurück; diese Entwicklung ist vor allem auf den weitreichenden Niedergang des orthodoxen Kommunismus zurückzuführen. Insbesondere die militante Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) einschließlich ihrer Nebenorganisationen, aber auch gewaltorientierte Gruppen der türkischen Neuen Linken stellen weiterhin eine Gefährdung der inneren Si- cherheit dar. Aufmerksamer Beobachtung bedarf auch der organisatorische und personelle Aufschwung islamisch-extremistischer Organisationen; demgegenüber haben die extrem nationalistischen Gruppierungen insgesamt an Bedeutung verloren. 4. Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch Terroristen hielt an. Die Rote Armee Fraktion (RAF) blieb auch 1990 die gefährlichste deutsche terroristische Vereinigung. Dies verdeutlichte insbesondere der versuchte Mordanschlag auf den Staatssekretär im Bundesministerium des Innern am 27. Juli an der Autobahnausfahrt Bonn-Auerberg. Die Revolutionären Zellen (RZ) verübten vier Brandund einen Sprengstoffanschlag. Die meisten Anschläge waren Gruppen und Einzeltätern aus dem militanten, autonomen und anarchistischen Spektrum zuzurechnen. 5. Die Spionagetätigkeit der gegnerischen Nachrichtendienste hielt 1990, wenn auch in vermindertem Umfang, an. Zwar wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR als stärkster und offensivster Gegner der deutschen Spionageabwehr aufgelöst; die ehemaligen Mitarbeiter des MfS bleiben aber für gegnerische Nachrichtendienste interessante Quellen, solange sie sich nicht offenbaren und gesellschaftlich integriert sind. Der Wegfall des Partnerdienstes MfS wird vor allem die sowjetischen Dienste, aber auch die Nachrichtendienste der übrigen Staaten des ehemaligen Ostblocks zu verstärkter eigener Aktivität veranlassen. Diese Einschätzung bezieht die Wirtschafts-, die Wissenschaftsund die politische Spionage ein. 16 1. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines Orthodoxe und Der linksextremistische Bereich ist seit Jahren in verschiedene LaNeue Linke ger gespalten. Gemeinsam ist ihnen jedoch, daß sie die Beseitigung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung -- ggf. auch unter Anwendung von Gewalt -- anstreben. Solche Bestrebungen werden im wesentlichen von Organisationen getragen, die immer noch dem Kommunismus sowjetischer Prägung verbunden sind, wie er sich vor Einleitung der auf "Glasnost" und "Perestrojka" gestützten Reformbestrebungen der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) darstellte. Diese Organisationen werden unter dem Begriff "Orthodoxe Linke" zusammengefaßt. Daneben bestehen zahlreiche kommunistische Gruppierungen, die in ihrer ideologischen Grundeinstellung und in ihrem taktischen Verhalten andere Wege gehen und den sowjetischen Kommunismus als "revisionistisch", "bürokratisch" und "sozialimperialistisch" entartet ablehnen. Hierzu gehören die revolutionären Marxisten und Anarchisten sowie die anarchistisch orientierten Autonomen, die grundsätzlich keine festen ideologischen Bindungen eingehen. Diese Gruppen sind unter dem Sammelbegriff "Neue Linke" erfaßt. Die Bedeutung dieser beiden großen Gruppen des Linksextremismus hat sich im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands grundlegend gewandelt. Bis zum Beginn der Reformbewegung in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und in den Staaten Osteuropas stellte die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) mit ihren Nebenorganisationen und den von ihr beeinflußten Vereinigungen im Vergleich zu den Gruppierungen der Neuen Linken das größere Gefährdungspotential für den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dar. Die DKP wurde von der ehemaligen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) dirigiert, kontrolliert und finanziert. Für 1989 erhielt sie mindestens 70 Millionen DM. Das Ende der kommunistischen Herrschaft in der ehemaligen DDR und der weitgehende Zusammenbruch des kommunistischen Machtbereichs in Osteuropa beeinflußten in erheblichem Niedergang des Ausmaß die Entwicklung der orthodoxen Kommunisten und leiteorthodoxen ten in dramatischer Weise deren Niedergang ein. Hinzu kam der Kommunismus seit Jahren anhaltende interne Richtungsstreit, der zu massiven Parteiaustritten führte. In Bayern verringerte sich die Zahl der or- 17 thodox-kommunistischen bzw. orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen zwischen 1988 und 1990 um mehr als die Hälfte. Im gleichen Zeitraum ging ihre Mitgliederzahl von 9.400 auf 1.820 zurück. Demgegenüber waren die Gruppierungen der Neuen Linken, die sich ideologisch stets gegen den "revisionistisch entarteten Sozialimperialismus" der KPdSU und ihrer europäischen Satellitenparteien abgegrenzt haben, von deren Krise kaum berührt worden. Trotz ihres desolaten Zustandes konnten sie ihren Mitgliederstand behaupten. Die Marxistische Gruppe (MG) stellt dabei mit 4.200 Angehörigen zahlenmäßig nunmehr die stärkste Gruppe innerhalb des gesamten Linksextremismus dar. Zahl und Stärke von linksextremistischen und linksextremistisch Zahl und Stärke beeinflußten Organisationen in Bayern der Gruppen 1988 1989 1990 Zahl der Organisationen 100 80 45 Mitgliedschaften Orthodoxe Unke 9.400 5.600 1.820 Mitgliedschaften Neue Linke 1.850 1.800 5.300* insgesamt 11.250 7.400 7.120 * Vgl. Erläuterungen im nachfolgenden Text Die Gesamtzahl von 7.120 Mitgliedschaften für das Jahr 1990 läßt sich wie folgt weiter aufgliedern: Mitgliedschaften in orthodox-kommunistischen Kernund Nebenorganisationen 1.110 abzüglich Mehrfachmitgliedschaften in Kernund Nebenorganisationen - 50 1.060 Mitgliedschaften in orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen 710 1.770 Mitgliedschaften in Kernund Nebenorganisationen der Neuen Linken 5.150 abzüglich Mehrfachmitgliedschaften in Organisationen der Neuen Linken - 50 5.100 Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen der Neuen Linken 150 5.250 Gesamtzahl (erkannte Mehrfachmitgliedschaften abgezogen) 7.020 18 Die vorstehende Tabelle weist für 1990 zahlenmäßig eine starke Mitgliederzunahme der Neuen Linken aus. Diese Erhöhung ist nicht auf eine reale Zunahme zurückzuführen, sondern auf eine geänderte, bundesweit abgestimmte Zählweise. Die Gesamtzahl von 5.300 Mitgliedern der Neuen Linken enthält 4.200 Angehörige der MG, die fest in die Organisation eingebunden sind, intensiv geschult werden und auch Beiträge entrichten. Dagegen enthalten die Jahreszahlen 1988/89 jeweils nur die oberste Gruppe der MGMitglieder, nämlich die sogenannten MG-Funktionäre mit etwa 700 Personen. Aus der vorstehenden Tabelle ergibt sich ferner, daß Mehrfachmitgliedschaften nur jeweils innerhalb des Bereichs der Kernund Nebenorganisationen der orthodoxen Linken und der Neuen Linken berücksichtigt wurden. Über Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sowie Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen einerseits und Kernund Nebenorganisationen andererseits liegen keine zuverlässigen Zahlen vor. In der Zahl der Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sind auch Nichtextremisten enthalten; eine zahlenmäßige Aufgliederung ist nicht möglich. Kernund NebenAls Träger linksextremistischer Bestrebungen treten Kernorganisaorganisationen tionen, Nebenorganisationen und beeinflußte Organisationen auf. Die kommunistischen Kernorganisationen verstehen sich als führende Kraft im Kampf für die sozialistische Revolution. Die Nebenorganisationen sind vielfach organisatorisch selbständige Vereinigigungen mit eigenen Satzungen und Führungsgremien, die sich jedoch der jeweiligen Kernorganisation unterordnen. Maßgebende Führungsfunktionen dieser Vereinigungen sind mit Mitgliedern der Kernorganisation besetzt. Beeinflußte OrgaEin erheblicher Teil der Organisationen im linksextremistischen nisationen' Bereich besteht aus Vereinigungen, die sich überparteilich oder unabhängig darstellen, tatsächlich aber unter einem mehr oder weniger starken Einfluß kommunistischer Kernoder Nebenorganisationen stehen. Der Einfluß drückt sich insbesondere darin aus, daß sie -- von diesen oder auf deren Initiative hin gegründet wurden, -- wichtige Führungsfunktionen mit Kommunisten besetzen, -- eng mit Kernoder Nebenorganisationen zusammenarbeiten, -- Ziele verfolgen, die sich in Teilbereichen mit typisch kommunistischen Zielsetzungen decken. Teilweise liegen mehrere dieser Merkmale vor, teilweise alle. Entsprechend stark ist dann der kommunistische Einfluß. So gibt es Gruppen, die keine wesentliche Entscheidung gegen den Willen der Kernoder Nebenorganisationen treffen können; andere haben trotz erheblicher kommunistischer Einflußnahme noch Raum für ein politisches Eigenleben. 19 Die Versuche sowohl der orthodoxen Kommunisten als auch der AktionsschwerNeuen Linken, bei der Propagierung ihrer Ziele Unterstützung bei punkte Demokraten zu finden, haben auch 1990 angehalten. Agitationsthemen waren dabei die Wiedervereinigung, die Kampagne für eine neue Verfassung, die Entmilitarisierung Deutschlands, die 35-Stunden-Woche, die Golfkrise und die Wohnungsnot. Die in früheren Jahren im Vordergrund gestandene "Antifaschismus"-Kampagne spielte 1990 nur noch eine untergeordnete Rolle und hatte kaum Erfolge zu verzeichnen. 2. Orthodoxer Kommunismus 2.1 Überblick In der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Bayern sind Bekenntnis zum die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und ihre NebenorganiMarxismus-Lenisationen sowie -- mit Einschränkungen -- die von der DKP oder nismus besteht ihren Nebenorganisationen beeinflußten Organisationen Sammelunverändert fort becken für die orthodoxen Kommunisten. Die Ende 1989 festgestellten starken Auflösungserscheinungen des früher festgefügten Blocks setzten sich 1990 mit dem Ende der ehemaligen DDR und des "real existierenden Sozialismus" fort. Die Reformbestrebungen in den Ländern Osteuropas, die sich gegen die alten marxistischleninistischen Parteien und Machtstrukturen richteten, verstärkten diese Tendenz. Dennoch bekannten sich die orthodoxen Kommunisten in ihrer Mehrheit auch weiterhin zum nicht reformierten MarxismusLeninismus und damit, auch wenn sie es nicht offen aussprachen, zum Klassenkampf und zur Klassenherrschaft. Der 1988 innerhalb der DKP ausgebrochene Richtungsstreit zwischen "Traditionalisten" und "Erneuerern" wurde 1990 zugunsten der "Traditionalisten" entschieden, die mit gewissen Abstrichen die Strukturen der Partei aufrechterhalten wollen. Sie halten auch an ihren verfassungsfeindlichen Zielen fest: Das sind insbesondere die Revolution und die Diktatur des Proletariats, die vor allem gegen das Mehrheitsund Freiheitsprinzip sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen (vgl. Allgemeiner Überblick). 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Die DKP wurde am 26. September 1968 anstelle der im Jahre 1956 DKP beansprucht vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen weiterhin Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Seit ihrer Gründung nimmt Führungsrolle die Partei die Führung der orthodoxen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland für sich in Anspruch. Sie machte diesen Führungsanspruch auch 1990 geltend. Der Kommunismus/Sozialismus wird von ihr als das nach wie vor erstrebenswerte Ziel propagiert. Die politischen Umwälzungen im kommunistischen Macht- 20 bereich bewertete die DKP deshalb nicht als eine Bankrotterklärung der marxistisch-leninistischen Ideologie, sondern lediglich als ein Versagen der Funktionäre. Der Sozialismus sei trotz des Zusammenbruchs des "realen Sozialismus" in der ehemaligen DDR - so die DKP - eine Alternative zum Kapitalismus und insofern eine große Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung. Die Vereinigung Deutschlands bedeute auch nicht das Ende des Klassenkampfes; vielmehr würden die sich abzeichnenden politischen Gegensätze wie z.B. bei der Eigentumsfrage noch eine besondere Bedeutung erlangen. Um das kapitalistisch-imperialistische System überwinden zu können, sei weiterhin eine revolutionäre Partei der Arbeiterklasse erforderlich. Krise der DKP Die durch die Reformpolitik des sowjetischen Staatspräsidenten hält weiter an Michail Gorbatschow ausgelöste Krise in der DKP hielt auch 1990 an. Sie führte zu weiteren Auflösungserscheinungen in der Partei und erheblichen Mitgliederaustritten, in deren Verlauf der Mitgliederbestand bundesweit von 22.000 im Jahre 1989 auf 11.000 im Jahre 1990 halbiert wurde. Auch der 10. Ordentliche Parteitag der DKP am 24725. März in Dortmund, auf dem das Bemühen um Neuformierung der "revolutionären Linken" in einem vereinigten Deutschland im Mittelpunkt stand, konnte diese Entwicklung nicht stoppen und auch nicht den von der Parteiführung angekündigten und von der Basis erhofften Grundstein für einen Neubeginn und die Neuformierung der Partei legen. Der Rechenschaftsbericht des Bundesvorstandes konstatierte einen fast vollständigen Verlust der Handlungsfähigkeit, den Zerfall ganzer Parteiorganisationen, eine "Identitätsund Existenzkrise" sowie einen "Tiefpunkt" in der Entwicklung der Partei insgesamt. Hauptursache sei das Desaster des "realen Sozialismus". Gleichwohl betonte die DKP, der Sozialismus brauche auch heute einen politischen und theoretischen Träger, der nicht vor dem Druck modern gewordener antisozialistiDKPalsrevoscher Agitation kapituliere. Die DKP müsse sich als revolutionäre lutionäre Partei Partei der Arbeiterklasse auf der Grundlage der Theorien von Marx, Engels und Lenin neu formieren. In einem bis zum 11. Parteitag 1991 geltenden neuen Statut, das gegen den Widerstand der verbliebenen reformgeneigten Delegierten verabschiedet wurde, schrieb die DKP die Verbindlichkeit von Beschlüssen und das Verbot, "Fraktionen" innerhalb der Partei zu bilden, fest. Damit wurde dem von den "Erneuerern" immer wieder geforderten "Meinungspluralismus" ein Ende gesetzt. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der DKP spiegelt sich auch in ihrer deutschlandpolitischen Konzeption wider, über die auf einer zentralen Parteikonferenz am 24. Mai in Wülfrath/RheinlandPfalz diskutiert wurde. Nach der mit großer Mehrheit verabschiedeten Entschließung "Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten und die Politik der DKP" komme es darauf an, möglichst viele Errungenschaften aus der vierzigjährigen Geschichte der sozialisti- sehen DDR zu nutzen. So müsse alles erhalten werden, was dem sozialen und ökologischen Fortschritt diene, eine antifaschistische Grundorientierung umfasse und neue Voraussetzungen für den Sozialismus auf deutschem Boden schaffe. Ziel bleibe die "sozialistische Umgestaltung der BRD und eines aus BRD und DDR vereinigten Staates". Ein Großteil der aus der DKP ausgetretenen "Erneuerer" schloß "Sozialistisches sich anläßlich eines Strategiekongresses vom 30. März bis 1. April Forum" als Samin Köln mit Anhängern anderer "linker" Gruppierungen im "Sozialimelbecken der stischen Forum" zusammen. Das Forum sieht sich als linkes "Erneuerer" "Netzwerk", das bundesweit Personen und Projekte des linken Spektrums verbinden soll. Vorrangiges Ziel sei es, die "Niederlage des Sozialismus" aufzuarbeiten. 2.2.2 Organisation Die DKP gliedert sich im Bundesgebiet in zwölf BezirksorganisaGliederung der tionen. Diese sind in Kreisund Grundorganisationen unterteilt. DKP unverändert Die Grundorganisationen umfassen Orts-, Wohngebiets-, Betriebsund Hochschulgruppen. Bayern ist in die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern aufgeteilt. Nach dem vorzeitigen Rücktritt des seit 1973 amtierenden VorsitSprecherrat zenden Herbert Mies Ende 1989 wählte der 10. Parteitag auf der führt DKP an Grundlage eines vorläufig geänderten Statuts anstelle eines Vorsitzenden einen aus vier Personen bestehenden Sprecherrat. Ihm gehören Heinz Stehr, Helga Rosenberg und Rolf Priemer, die sich bereits im alten Parteivorstand als Vertreter einer rigiden traditionalistischen Linie profiliert hatten, sowie Anna Frohweiler an. Die Zahl der Mitglieder des Parteivorstandes wurde von bisher 96 auf 50 verringert. Bayern ist im neuen Parteivorstand mit neun Personen vertreten. Auch die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern werden jeweils von einem Sprecherrat geführt, dessen Mitglieder der traditionalistischen Linie der DKP angehören. Nach dem Desaster des "realen Sozialismus" und dem damit einFinanzielle Lage hergehenden radikalen Stopp der materiellen Zuwendungen durch der DKP hat sich die frühere SED hat sich die finanzielle Situation der DKP zum Jahleicht gebessert reswechsel 1990 leicht gebessert. Dies war nur durch weitere erhebliche Einsparungen im Parteiapparat möglich. So wurden im April 1990 die Parteizentralen in Düsseldorf und Bonn aufgelöst und durch eine kostengünstigere Geschäftsstelle in Essen ersetzt. In ihr befinden sich -- neben der DKP-Verwaltung -- auch das Redaktionsteam des DKP-Organs "Unsere Zeit" (UZ) und der Publikation "Marxistische Blätter". Sorgen bereitet der Partei das zurückgehende Spendenaufkommen und die schwindende Beitragsmoral. 22 In ihrem Rechenschaftsbericht nach dem Parteiengesetz wies die DKP für 1989 Einnahmen in Höhe von 19,4 Mio DM (1988: 22,2 Mio DM) aus, davon 7,6 Mio DM an Mitgliedsbeiträgen und 9,6 Mio DM an Spenden. 1989 sind für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern 862.852 DM (1988: 945.722 DM), für die DKP-Bezirksorganisation Südbayern 957.874 DM (1988: 1.028.444 DM) an Gesamteinnahmen ausgewiesen (Bundestagsdrucksache 12/72 vom 06.02.1991). Obwohl die DKP immer wieder behauptete, sie finanziere sich ausschließlich aus diesen Einnahmequellen, mußte der ehemalige Parteivorsitzende Herbert Mies Ende 1989 die Unterstützung seitens der SED zugeben, die zuletzt jährlich etwa 70 Millionen DM betragen hatte. ZusammenarIn verändertem Rahmen, d.h. in neuen kleineren Räumen und auf beit zwischen ehrenamtlicher Basis arbeitet seit Februar 1990 das "Institut für IMSF und DKP Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF) in Frankfurt a.M. weiter. Das bis zu seinem Zusammenbruch als gesellschaftsund sozialwissenschaftliches Institut der DKP geltende IMSF betonte in seiner Standortbestimmung für die Zukunft eine weitestmögliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit von allen politischen Parteien und Organisationsstrukturen. Das betreffe -- so das IMSF -- auch das Verhältnis zur DKP. DKP führt Auch die DKP-eigene "Karl-Liebknecht-Schule" in Leverkusen hat Schulungsbeihren Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Um den Kursbetrieb zutrieb weiter mindest im kleinen Rahmen weiterführen zu können, wurde der Förderkreis "Erhaltet die Karl-Liebknecht-Schule" geschaffen, der zu Spenden aufrief. Die "Karl-Liebknecht-Schule" war 1990 wiederholt Tagungsort der unter der Bezeichnung "Rote Tische" durchgeführten Treffen, an denen sich vorwiegend linksextremistische Organisationen beteiligten. Auswirkungen der Die Erkenntnis des ganzen Ausmaßes der Abhängigkeit der DKP Krise auf die von der früheren SED sowie die unbefriedigenden Ergebnisse des Untergliederungen 10. Parteitages führten auch in den mehrheitlich von "Traditionaliin Bayern sten" geleiteten DKP-Bezirksorganisationen Nordund Südbayern beinahe zu einer Halbierung ihres Mitgliederbestandes. Zum Jahresende 1990 gehörten der DKP in Bayern noch 1.000 Mitglieder (1989: 1.900) an. Unter den Personen, die der DKP bislang den Rücken kehrten, befanden sich überraschend viele "altgediente" Funktionsträger, die in der - nach ihren Aussagen -- nicht mehr regenerierungsfähigen DKP keine politische Zukunft mehr sahen. Bedingt durch die starken Mitgliederverluste und die Inaktivität vieler Kreisund Grundorganisationen sahen sich die beiden Bezirksorganisationen gezwungen, die organisatorischen Strukturen in ihren Bezirken neu zu ordnen. So wurden, um die Handlungsfähigkeit zu erhalten, eine Reihe von Kreisund Grundorganisationen zusammengelegt. Die Umstrukturierungen sind noch nicht abge- schlössen. Ob sich damit die erhoffte Neubelebung der Basis einstellt, muß angesichts der schwachen Impulse, die von der derzeitigen Parteiführung ausgehen, bezweifelt werden. Die finanzielle Situation beider Bezirksorganisationen hat sich 1990 etwas konsolidiert. Durch äußerst sparsame Verwaltung der Mitgliedsbeiträge und Spendengelder konnten die beiden Bezirksverbände Rücklagen bilden, die - wie im Falle der Bezirksorganisation Nordbayern -- wieder die Anmietung eines eigenen Büros in Nürnberg ermöglichten. Die Bemühungen der DKP-Bezirksorganisation Südbayern, ein Büro anzumieten, sind bisher an den Mietforderungen gescheitert. Ein aus diesen Rücklagen stammender, nicht unerheblicher Geldbetrag soll zur Unterstützung der UZ als Darlehen abgeführt werden. Die bescheidenen finanziellen Mittel, die den Bezirksorganisationen für 1990 zur Verfügung standen, ließen keine größeren öffentlichkeitswirksamen Aktionen zu. Verstärkt haben sich zum Jahresende jedoch die Bemühungen der beiden Bezirksorganisationen in Bayern, eigene Aussagen zur Neuformierung und Erneuerung der DKP zu machen. Dabei wurde allen Kräften eine Absage erteilt, die die DKP auflösen bzw. in eine andere Organisation, insbesondere in die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) überführen wollen. Trotz einer dazu vom DKP-Bezirksvorstand Nordbayem am 13. Oktober angenommenen Entschließung und ähnlicher Verlautbarungen des DKP-Bezirksvorstandes Südbayern gibt es in nachgeordneten Gruppierungen durchaus Tendenzen, sich der PDS anzuschließen. Hierbei spielen frühere Patenschaftsbeziehungen zu SED-, jetzt PDS-Bezirksund Ortsverbänden eine nicht unerhebliche Rolle. 2.2.3 Bündnisund Aktionseinheitspolitik, Betriebsarbeit Die bündnispolitische Bedeutung der DKP ist nicht zuletzt wegen Die bündnispoliihrer bescheidenen finanziellen Mittel und ihrer andauernden intische Bedeutung derDKPister nerparteilichen Krise erheblich zurückgegangen. Darüber können " heblich auch andersklingende Verlautbarungen der DKP nicht hinwegtäuzurückgesehen. So scheiterten z.B. die Versuche der DKP, im Rahmen ihrer 9an9en Bündnispolitik maßgeblichen Einfluß auf die PDS und das von ihr "installierte" Wahlbündnis "PDS/Linke Liste" nehmen zu können. Erhöht hat sich dagegen die Gesprächsbereitschaft der "Kommunistischen Plattform" in der PDS, die in der DKP einen natürlichen Verbündeten sieht. Auch im Rahmen ihrer Forderung nach einer neuen Verfassung für das wiedervereinigte Deutschland bemühte sich die DKP um bündnispolitische Unterstützung. So propagierte der ehemalige DKP-Vorsitzende Kurt Bachmann in der UZ vom I.Juni eine "Verfassungskampagne" mit dem Ziel, das Grundgesetz um die "Errungenschaften" der ehemaligen DDR zu bereichern. Ebenso hat sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutsch- 24 land (VVN-BdA) dieses Themas angenommen. Nach Angaben eines DKP-Parteivorstandsmitglieds Ende 1990 werden Unterschriften für einen entsprechenden Aufruf gesammelt, der von einem breiten Bündnis, dem auch die DKP angehöre, getragen werde. Darüber hinaus bot die Krise am Golf der DKP Ende 1990 Gelegenheit, bündnispolitisch aktiv zu sein. Aus diesem Anlaß rief der DKP-Parteivorstand auf seiner Tagung am 879. Dezember alle Mitglieder und Sympathisanten der Partei auf, Bündnisaktivitäten gegen einen Krieg am Golf zu initiieren oder zu unterstützen. Überörtlich ließen auch die "Ostermärsche '90" eine Einflußnahme der DKP über die Deutsche Friedens-Union (DFU) erkennen. Die örtlichen Bündnisbestrebungen dagegen beschränkten sich im wesentlichen auf die Mitunterzeichnung von Flugschriften. Agitationsmaterial der DKP Keine" Menschen, kein Material, kein Geld für den Krieg am Golfi "Aktionseinheit" Auch die Bemühungen der DKP, eine "Aktionseinheit" insbesonmit Gewerkschafdere mit Gewerkschaften herbeizuführen, gestalten sich immer ten gestaltet schwieriger. Mit der Übernahme von gewerkschaftlichen Forderunsich schwierig gen nach einer 35-Stunden-Woche, der Einleitung einer Lohnrunde und sonstigen sozialpolitischen Forderungen versuchte die Partei nach außen hin den Eindruck zu erwecken, die Gewerkschaften gingen mit der DKP konform. Greifbare Ergebnisse blieben jedoch aus. Beachtlich hoch ist aber nach wie vor die Zugehörigkeit von DKP-Mitgliedern zu den Gewerkschaften. So waren nach Angaben der Mandatsprüfungskommission beim 10. Parteitag von den 311 Delegierten 92% in DGB-Gewerkschaften organisiert, mehr als 20% waren gewählte Vertrauensleute, 22% hatten 25 gewerkschaftliche Funktionen auf Orts-, Bezirksoder Landesebene inne und knapp 15% waren Betriebsoder Personalräte bzw. Jugendvertreter. Obwohl die DKP der Arbeit in den Betriebsgruppen Vorrang einBetriebsarbeit räumte, waren diese Gruppen von der Krise der Partei besonders von der Krise der stark betroffen. Die Verluste der meist ohnehin mitgliederschwaDKP besonders chen Betriebsgruppen führten häufig zur Inaktivität oder Auflösung. stark betroffen Durch Zusammenlegung möglichst gleichgearteter Betriebsgruppen versuchte die DKP, diesem Trend entgegenzuwirken. Trotzdem sank die Zahl der in Bayern bekanntgewordenen Betriebsgruppen auf rund zehn (1989: 30). Stark rückläufig war auch die Zahl der bekanntgewordenen Betriebszeitungen. Sie betrug nur noch sieben gegenüber 24 im Jahr 1989. Um ihrer Betriebsund Gewerkschaftsarbeit neue Impulse zu geNeue Impulse ben, veranstaltete die DKP am 6. Oktober in Essen ein "Gewerkfür Betriebsschaftspolitisches Forum". Vor rund 50 Teilnehmern, darunter auch und GewerkMitgliedern der Arbeitsgemeinschaft "Betriebsarbeit" der PDS, schaftsarbeit setzte sich ein Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes der Fachgruppe Journalismus in der IG Medien kritisch mit der früheren Gewerkschaftsarbeit der DKP auseinander, hob aber auch deren angebliche Erfolge, insbesondere in der IG Medien und der Gewerkschaft HBV, hervor. Infolge des Meinungsstreites in der DKP habe aber ein beachtlicher Teil der Mitglieder mit gewerkschaftlichen Funktionen die Partei verlassen. Der größte Teil sei seitdem parteilos oder sympathisiere mit der PDS. Dem Beispiel der Partei folgend führten auch die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern Betriebsarbeiterseminare und Betriebsarbeiterbesprechungen durch, die jedoch nicht den erhofften Anklang fanden. Lediglich das Betriebsarbeiterseminar des DKP-Bezirks Südbayern am 24725. November in Höslwang zum Thema "Wirtschaftsund sozialpolitische Vorstellungen der Gewerkschaften" fand mit 46 Teilnehmern einige Resonanz. 2.2.4 Beteiligung an Wahlen In Bayern fanden 1990 Kommunalwahlen sowie die Wahlen für den bayerischen Landtag und den ersten gesamtdeutschen Bundestag statt. Bei den Kommunalwahlen am 18. März kandidierte die DKP mit eiEnttäuschende Ergenen Listen in Fürth, Ingolstadt, Kösching (Landkreis Eichstätt), gebnisse der DKP Nürnberg, Rednitzhembach (Landkreis Roth), Regensburg, Röbei den Kommunalthenbach (Landkreis Nürnberger Land), Schwabach und Weißenwahlen burg. In Lauf a.d. Pegnitz trat sie nur mit einer Bürgermeisterkandidatin an. Listenverbindungen mit anderen Gruppierungen ging die DKP in Schwandorf und Lindau (Bodensee) ein. In Schweinfurt unterstützte sie zusammen mit der Marxistisch-Leninistischen Partei 26 Deutschlands (MLPD), der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP), der Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) und der Bunten Hilfe Nordbayern das Wahlbündnis "Kommunalpolitik von unten". Es gelang der DKP jedoch lediglich in Schwandorf und in Lindau (Bodensee), über die dort eingegangene Listenverbindung ihr Stadtratsmandat zu verteidigen. In fünf kommunalen Vertretungskörperschaften verlor sie ihren Sitz, darunter auch in Nürnberg. DKP rief bei geBei der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober wie auch bei der samtdeutscher ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember kandiWahl auf, die PDS dierte die DKP nicht mit eigenen Listen. Bei der Landtagswahl hatzu wählen te sie sogar auf eine Wahlempfehlung verzichtet. Dagegen rief sie bei der Bundestagswahl ihre Anhänger auf, die PDS zu wählen (vgl. Nr. 4). Zum Wahlausgang erklärte der Sprecherrat der DKP, die Formierung der Linkskräfte als wahlpolitische Alternative für die Bundestagswahl am 2. Dezember sei unter denkbar unglücklichen Umständen verlaufen. Statt einer breitestmöglichen Einbeziehung des Gesamtspektrums "linker" und demokratischer Kräfte in ein politisch tragfähiges und wahlpolitisch wirksames Bündnis sei ein sorgfältig nach politisch-ideologischen Standorten ausgefiltertes Konstrukt zustandegekommen. Eine entscheidende Hypothek der wahlpolitischen Formierung der Linkskräfte sei gewesen, daß der DKP und anderen Gruppierungen der gute Wille zur konstruktiven Zusammenarbeit von den Führungsgremien der "PDS/Linken Liste" abgesprochen worden sei. Mit dieser Ausgrenzungspolitik habe man von vornherein wesentliche Chancen vertan, im Wege einer fairen und konstruktiven Wahlbündnispolitik einen effektiven Wahlkampf vor Ort zu führen. Der Wunsch, die "linken" Kräfte im gemeinsamen Wahlkampf näher zueinander zu bringen, sei eine im wesentlichen unerfüllte Hoffnung geblieben. Eine arbeiterund sozialpolitische Zielgruppenorientierung sei -- jedenfalls für das "alte" Bundesgebiet -- nicht erkennbar gewesen. Diesen Mangel habe auch die DKP nicht ausgleichen können, wenngleich man sich mit der Herausgabe dreier Extraausgaben der UZ und einer Für eine starke linke Opposition im Bundestag E3 unsere zeit Zeltung der DKP Zur Bundestagswahl S o z i a l i s t i s c h e W o c h e n z e i t u n g [Wahlaufruf der DKP Jetzt erst recht PDS wählen Reihe von Wahlkampfaktivitäten vor Ort bemuht habe, wenigstens ein Stück weit die Wählbarkeit der "PDS/Linken Liste" für die Arbeiterklasse in den öffentlichen Wahlaussagen sichtbar zu machen. Auch die ungünstige Plazierung der sechs DKP-Mitglieder auf den offenen Listen der PDS sei kaum geeignet gewesen, die Mitglieder der DKP zu motivieren, sich stärker in die Wahlkampfführung einzubringen. 2.2.5 Publikationen und Verlage Die finanzielle Krise der DKP führte zum Zusammenbruch ihres geFinanzkrise führte samten Druckund Verlagswesens. So mußte die DKP-Druckerei zum Zusammen"Plambeck & Co. Druck und Verlag GmbH", in der sämtliche Publibruch des DKP-Druckund kationen der DKP gedruckt wurden, am 19. Mai beim Amtsgericht Verlagswesens Neuss Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens stellen. Der DKP-Druckerei folgten deren Tochtergesellschaft, die "VVG Verlagsund Vertriebsgesellschaft mbH" sowie die für den Vertrieb des DKP-Organs "Unsere Zeit" (UZ) am 14. März gegründete "UZVerlags-GmbH", die am 22. Juni beim Amtsgericht Neuss Antrag auf Eröffnung des Konkurses stellen mußten. Die VVG hatte bis Ende 1989 die UZ als Tageszeitung verlegt. Seit 1. Mai 1990 erschien die UZ in der "UZ-Verlags-GmbH". Betroffen von dem finanziellen Ruin dieser Firmen war insbesonFinanzkrise führte dere die nach wie vor wichtigste Publikation der DKP, die UZ, die zur zeitweiligen 1989 noch mit etwa 10 Millionen DM von der ehemaligen SED subEinstellung der UZ ventioniert worden war. Die UZ mußte, nachdem sie bereits zu Jahresbeginn von einer Tagesin eine Wochenzeitung umgestellt worden war, am 15. Juni ihr Erscheinen einstellen. Dazu teilte der damalige Chefredakteur mit, daß zwischen Kosten und Erlösen eine zu große Kluft bestehe. Die Partei könne - so hätten ihm Spitzenfunktionäre mitgeteilt - die Defizite nicht mehr überbrücken. In einer Notausgabe vom 29. Juni 1990 gab die UZ bekannt, daß sie bis zum Herbst nicht mehr erscheinen werde. Am 20. Juli erschien eine provisorische Ausgabe, in der der Sprecherrat der DKP ankündigte, die Zeitung werde in Zukunft wieder regelmäßig, jedoch nur mehr alle vierzehn Tage erscheinen. Dies sei möglich geworden, nachdem sich die Kommunistische Partei Luxemburgs (KPL) bereit erklärt habe, für die DKP "in die Bresche" zu springen und die UZ zu günstigen Bedingungen zu drucken. Aufbereitet wird die 3. Tagung des Korrespondenz Heienjagd und DKP-Psrieivorstands aus Nicaragua deutsche Vereinigung Seite 2 Seile 3 Seite 3 unsere zeit t i s c h e c h e n z e i t u n g 28 nunmehr seit dem 3. August 14-tägig erscheinende UZ von einem auf ehrenamtlicher Basis arbeitenden Redaktionsteam, das seinen Sitz beim Parteivorstand der DKP in Essen hat. Auf der 7. Tagung des Parteivorstandes der DKP am 10./11. November in Essen wurden Überlegungen dahingehend angestellt, die UZ im Laufe des Jahres 1991 wieder wöchentlich herauszubringen. Die Auflagenhöhe der UZ blieb gegenüber 1989 mit rund 20.000 Exemplaren nahezu konstant. Davon entfielen rund 16.500 auf Abonnentenbezieher. Die Tendenz ist fallend. Erscheinen der Von der finanziellen Notlage der DKP waren auch die seit Jahres"Marxistischen beginn zweimonatlich (vorher monatlich) erscheinenden "MarxistiBlätter" gesischen Blätter" betroffen. Um das weitere Erscheinen dieser als chert theoretisches Organ der DKP geltenden Publikation zu sichern, wurden die Titelrechte Anfang 1990 an die "Marx-Engels-Stiftung e.V.", Wuppertal, verkauft. Druck und Verlag der Publikation wurden von der seit dem 1. April in der DKP-Geschäftsstelle in Essen arbeitenden Redaktion auf eine kommerzielle, vertragliche Grundlage umgestellt. MARXISTISCHE NACHDENKEN ÜBER DEN SOZIALISMUS: Sozialismus und "roher Kommunismus" - Erweiterung des Revolutionsbegriffs - Über die DDR-Revolution - Öffentlichkeit im Sozialismus In Bayern wurden 1990 nur noch 16 (1989: 42) verschiedene Kreis-, Orts-, Stadtteilund Wohngebietszeitungen bekannt. Um das dadurch entstandene Informationsdefizit abzudecken, beschlossen die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern, eigene Publikationen auf Bezirksebene herauszugeben. Sie erscheinen unter dem Titel "DKP-INFO" (monatlich) bzw. "Rote Rauchzeichen" (zweimonatlich). DKPINFO Informationsdienst der DKP Nordbayern Nr. 4 - Oktober/November 1990 29 Rote Rauchzeichen Information (ür die Mitglieder der DKP Südbayern Nr. 1/Juni 1990 2 2 6 DKP-Hochschulgruppen Die DKP-Hochschulgruppen (DKP-HG) sind Grundeinheiten der Keine AußenwirDKP, denen alle an einer Hochschule tätigen DKP-Mitglieder kung der (Lehrpersonal, Mitarbeiter der Verwaltung und Studenten) angehöDKP-HG ren sollen. Die Zahl der Mitglieder in den DKP-Hochschulgruppen in Bayern ist 1990 weiterhin stark gesunken. Von den wenigen verbliebenen Hochschulgruppen konnten im abgelaufenen Jahr keine Außenwirkungen festgestellt werden; sie waren wohl ausschließlich mit DKP-internen Problemen beschäftigt. 2.3 Nebenorganisationen der DKP In ihrer politischen Arbeit wurde die DKP auch 1990 von ihren Nebenorganisationen unterstützt, soweit diese dazu noch in der Lage waren. Der desolate Zustand der Partei führte auch bei den Nebenorganisationen zu weiteren Mitgliederverlusten, die sich lähmend auf die Aktivitäten auswirkten. Zu den Nebenorganisationen gehörten 1990 die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) und die Jungen Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP). Der Marxistische Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) löste sich im Juni auf. 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die SDAJ wurde 1968 in Essen als Jugendverband gegründet, der Zerfallsersich weltanschaulich zu den Ideen von Marx, Engels und Lenin bescheinungen kennt und zusammen mit der DKP für eine sozialistische Entwickbei der SDAJ lung in Deutschland kämpft. Sie befindet sich seit dem Zusammenbruch des "real existierenden Sozialismus" in der ehemaligen DDR im November 1989 in einer finanziell hoffnungslosen Lage, die einen offensichtlich nicht mehr zu stoppenden Erosionsprozeß auslöste. Die Organisation ist zur Bedeutungslosigkeit abgesunken. Unter den Mitgliedern herrscht Resignation; Leitungsmitglieder auf Bundesund Landesebene ziehen sich zurück. Eine Chance für einen Neubeginn sieht die SDAJ in der Herausbildung einer sozialistischen Jugendorganisation, die "gesamtdeutsch" wirkt 30 und sich inhaltlich auf den Marxismus bezieht. Erste Schritte hierzu hat die SDAJ mit den "Roten Tischen der Jugend" bereits eingeleitet. Bundesweit hatte die SDAJ Ende 1990 nur noch 250 aktive Mitglieder gegenüber 2.000 im Jahre 1989. Weitere 50 Mitglieder sind inaktiv, bezahlen aber Beiträge. Auch in Bayern ging die Mitgliederzahl im Vergleich zum Vorjahr nochmals drastisch zurück. Sie lag zum Jahresende bei etwa 80 Mitgliedern (1989: 300). In Bayern ist die SDAJ in keinem Jugendring auf Stadt-, Kreisoder Landesebene vertreten. Demgegenüber ist sie derzeit noch Mitglied des prosowjetischen Weltbundes der Demokratischen Jugend (WBDJ), eines Zusammenschlusses von Jugendverbänden, dem im wesentlichen kommunistische sowie eine Reihe sozialistischer Verbände angehörten. Auch der WBDJ hat an Bedeutung verloren. Der Großteil seiner Organisationen, vor allem in den Ländern Osteuropas, ist zusammengebrochen. Schulungsstätte Die SDAJ mußte aus finanziellen Gründen ihre zentrale AusbilGut Wahrberg dungsstätte auf Gut Wahrberg bei Aurach, Landkreis Ansbach, geschlossen schließen. Der Eigentümer hatte den Pachtvertrag zum 31. März 1990 gekündigt. Auch für die Einstellung ihrer Publikationen "elan - Das Jugendmagazin" und "Jugendpolitische Blätter" Anfang 1990 waren finanzielle Erwägungen maßgebend. Um dem dadurch entstandenen Informationsdefizit wieder abzuhelfen, erschien im August unter dem Titel "Position" eine neue Publikation. Bundeskongreß Da beim 10. Bundeskongreß der SDAJ am 17./18. Juni 1989 in verabschiedet Dortmund wegen interner Querelen kein neuer Bundesvorstand "Handlungsoriengewählt werden konnte, wurde für den 20./21. Januar 1990 ein autierung" ßerordentlicher Bundeskongreß nach Essen einberufen. Rund 200 Delegierte, darunter überwiegend Mitglieder der DKP, wählten einen neuen Bundesvorstand, dem 34 Personen angehörten, davon sieben aus Bayern. Patrik Köbele, Vorsitzender des Bundesar- 31 beitsausschusses, wurde zum Bundesvorsitzenden bestellt. Ein Mitglied des DKP-Präsidiums erklärte hierzu, die Mutterpartei unterstütze das Modell einer eigenständigen marxistischen Jugendorganisation und wolle mit der SDAJ freundschaftlich zusammenarbeiten. Am 24. April setzte die SDAJ in Frankfurt a.M. ihren außerordentlichen Bundeskongreß vom 20./21. Januar fort. Der Kongreß verabschiedete eine "Handlungsorientierung" für die SDAJ. Darin wurden die Mitglieder und Gruppen aufgefordert, sich die Ideen von Marx, Engels und Lenin anzueignen und sie schöpferisch anzuwenden. Aufgabe der SDAJ sei es, sozialistisches Bewußtsein unter Jugendlichen zu verbreiten. Der SDAJ-Landesverband Franken/Oberpfalz, dem fast ausAuswirkungen der nahmslos "Traditionalisten" angehören, wählte Anfang Oktober Krise auf die einen neuen aus sechs Personen bestehenden Landesvorstand. Untergliederungen Anstelle eines Vorsitzenden wurden zwei gleichberechtigte Sprecherinnen benannt. Das Büro des Landesverbandes mußte aus finanziellen Gründen aufgegeben werden. Betroffen davon ist auch der in denselben Räumlichkeiten in Nürnberg untergebrachte und von der SDAJ geführte "Che-Guevara-Club". Der SDAJ-Landesverband Südbayern existiert faktisch nicht mehr. Treffen des Landesarbeitsausschusses, der als Geschäftsführung fungiert, werden in Lokalen oder Privatwohnungen abgewickelt. Um das Überleben der eigenen Organisation zu sichern, versucht Initiative "Rote nun die SDAJ, mit "linken" Jugendgruppen aus der ehemaligen Tische der JugendDDR Verbindungen einzugehen. Auf Initiative der SDAJ wurden "Rote Tische der Jugend" gebildet. Der in Bayern bekanntgewordene "Rote Tisch der Jugend -- Franken/Thüringen" betrachtet sich als "Forum einer dauerhaften Zusammenarbeit von Jugendgruppen und Organisationen der 'antikapitalistischen Linken' in der vereinigten Bundesrepublik Deutschland". Ziel dieses Bündnisses ist es, einen Beitrag zur Neufassung der "linken" Kräfte in Ost und West, speziell im Jugendbereich, zu leisten, Position gegen den Prozeß der "Einverleibung" der ehemaligen DDR durch das westdeutsche Kapital zu beziehen sowie über Alternativen zum kapitalistischen System nachzudenken und diese zu verbreiten. Im Bündnis Franken/Thüringen sind u.a. der SDAJ-Landesverband Franken/Oberpfalz, die Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ) Nürnberg sowie mehrere Ortsverbände der "Freien Deutschen Jugend" (fdj) und der "AG Junge Genossinnen der PDS" aus Thüringen vertreten. Trotz des finanziellen Engpasses führte der SDAJ-Landesverband "Pfingstcamp" Südbayern zusammen mit der baden-württembergischen SDAJ von 1. bis 4. Juni bei Ochsenhausen/Baden-Württemberg ein "Pfingstcamp" durch. Daran beteiligten sich rund 60 Personen, darunter etwa 15 Angehörige der SDAJ Südbayern und 20 Gäste aus 32 Publikation der SDAJ Argument zu den Entwicklungen in der DDR fesSa&J, m0mmk ARGUMENT (c)A3 der ehemaligen DDR. Zum "Pfingstcamp" des SDAJ-Landesverbandes Franken/Oberpfalz in Bettenhausen/Kreis Meiningen fanden sich rund 70 Teilnehmer aus der ehemaligen DDR sowie rund 30 SDAJ-Mitglieder aus Nürnberg und Ansbach ein. 2.3.2 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) Auflösung des Auf dem außerordentlichen Bundeskongreß des MSB Spartakus MSB Spartakus am 23. Juni in Münster, an dem nur noch 41 Delegierte aus 16 beschlossen MSB-Gruppen des Bundesgebietes teilnahmen, wurde die Auflösung des 1971 gegründeten Verbandes beschlossen. Als Auflösungsgründe wurden u.a. die veränderten "politischen Rahmenbedingungen" genannt. Der MSB Spartakus war fast zwei Jahrzehnte mit zeitweise über 6.000 Mitgliedern die stärkste und handlungsfähigste linksextremistische Studentenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Straff organisiert, von der DKP dirigiert und finanziert, spielte er in zahlreichen studentischen Selbstverwaltungsgremien und in den Vereinigten Deutschen Studentenschaften e.V. (VDS) eine führende Rolle. Bereits 1987 hatte sich der MSB Spartakus für eine Erneuerung der marxistisch-leninistischen Bewegung ausgesprochen. Er geriet daraufhin zunehmend in Konfrontation zur DKP und zerfiel politisch wie organisatorisch. 33 2.3.3 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) Die JP bestehen in der Bundesrepublik Deutschland seit 16 Jahren. Sie sind eine nach dem Beispiel der Staatsjugendorganisationen in den Ländern des früheren kommunistischen Machtbereichs gegründete Nebenorganisation der DKP. Darüber hinaus dienen die Jungen Pioniere der DKP und der SDAJ als Basis für die Mitgliedergewinnung. Die JP gliedern sich nach ihrer Satzung in Gruppen-, Kreisund Mitgliederzahl Landesverbände. In Bayern besteht nur noch der Landesverband stark rückläufig Franken/Oberpfalz. Der Landesverband Südbayern trat nicht mehr in Erscheinung. Die Mitgliederentwicklung ist ebenso wie bei der DKP und der SDAJ stark rückläufig. Die Zahl der JP-Mitglieder betrug Ende 1990 bundesweit nur noch 150 (1989: 800). In Bayern ist von rund 30 Mitgliedern auszugehen. Am 3./4. März fand in Essen die 7. Bundeskonferenz der JP statt. Bundeskonferenz Von den bisherigen zwölf Landesverbänden nahmen lediglich siebeschließt Erhalt ben teil, darunter der Landesverband Franken/Oberpfalz. Als Gäder DKP-Kinderorste waren SDAJund DKP-Funktionäre anwesend. Rund 70 Pioganisation nierleiterinnen und Pionierleiter berieten über die Zukunft ihrer Organisation. Zur Entscheidung lagen drei unterschiedliche Anträge vor. Davon wurden am Ende der Beratungen die Thesen zur Identität, zum Erhalt und zur Erneuerung der JP mit einigen Veränderungen beschlossen. Danach besteht Übereinkunft darüber, daß die DKP-Kinderorganisation mit eigener Identität als selbständiger Bestandteil der marxistischen Bewegung bestehen bleiben soll. Auf der Basis von Ehrenamtlichkeit und Eigenfinanzierung beschloß die Bundeskonferenz einen Arbeitsplan und wählte eine 19köpfige Bundesleitung, die in ihrer konstituierenden Sitzung eine Geschäftsführung aus vier gleichberechtigten Mitgliedern bestimmte. An außenwirksamen Aktionen in Bayern sind lediglich die "Pfingstcamps" erwähnenswert. So organisierte die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern vom 2. bis 4. Juni ein "Pfingstcamp" in Erlangen, wo die JP des Landesverbandes Franken/Oberpfalz von DKP-Mitgliedern betreut wurden. 2.4 OKP-beeinflußte Organisationen 2.4.1 Allgemeines Im Rahmen ihrer Bündnispolitik stützen sich die orthodoxen KomKriterien kommunisten seit jeher auf eine größere Zahl von Organisationen, bei munistischer denen der kommunistische Einfluß nach außen hin nicht sofort erBeeinflussung kennbar ist. Der Einfluß der DKP bzw. ihrer Nebenorganisationen auf solche "beeinflußten Organisationen" zeigt sich u.a. darin, daß diese Organisationen eng mit der DKP oder ihren Nebenorganisa- 34 tionen zusammenarbeiten, daß sie von der DKP oder ihren Nebenorganisationen materiell unterstützt werden, daß sie in ihren Führungsgremien wichtige Positionen mit Kommunisten besetzen oder daß unter ihren Mitgliedern zahlreiche Kommunisten sind. Die beeinflußten Organisationen vertreten vielfach Ziele, die, isoliert betrachtet, nicht als verfassungsfeindlich erscheinen, insgesamt jedoch der kommunistischen Zielsetzung dienen. Dabei hat die verschleierte Propagierung kommunistischer Nahziele den Zweck, nichtkommunistische Mitglieder oder Bündnispartner zu gewinnen. Die beeinflußten Organisationen erfüllen damit die ihnen im Rahmen der Bündnispolitik zugedachte Aufgabe des Abbaus von "Berührungsängsten" gegenüber Kommunisten und deren wirklichen, d.h. verfassungsfeindlichen Zielen. Finanzielle AbDie wichtigsten DKP-beeinflußten Organisationen waren 1990 die hängigkeit der Deutsche Friedens-Union (DFL!) und die Vereinigung der Verfolgbeeinflußten ten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten in der BundesreOrganisationen publik Deutschland (VVN-BdA). Beide Organisationen vertraten bisher kritiklos die von der DKP vorgegebenen Positionen. Durch die Einstellung der konspirativen Finanzierung der DKP durch die ehemalige SED gerieten beide Gruppierungen in ihre bisher schwerste Krise. Einschneidende Maßnahmen waren die Folge. So mußte die DFL! ihren umfangreichen Apparat weitgehend auflösen, ihren hauptberuflichen Mitarbeitern kündigen und die meisten Büros schließen. Auch die VVN-BdA sah sich gezwungen, ihre hauptamtlichen Funktionäre und Mitarbeiter auf Bundesebene zu entlassen; die Bundesgeschäftsstelle in Frankfurt a.M. mußte ihre Büros räumen. Sie ist nunmehr in der hessischen Landesgeschäftsstelle untergebracht, die ebenfalls in Frankfurt a.M. Büroräume angemietet hat. Darüber hinaus bekamen aber auch die anderen Bündnisorganisationen und -verlage zu spüren, wie sehr sie von DKP und SED abhängig waren. Überall machte sich das Ausbleiben der Gelder aus der ehemaligen DDR bemerkbar: Die Aktivitäten ließen spürbar nach, Publikationen konnten nicht mehr erscheinen. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen über die Praxis der bisherigen Finanzierung und die damit verbundene Abhängigkeit. Bei manchen Gruppen zeigten sich Auflösungserscheinungen. 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) Bundesweite AufDie DFU wurde 1960 auf Betreiben von Kommunisten als "Volkslösung der DFU frontpartei" gegründet. 1984 gab sie ihren Parteistatus auf und versteht sich seitdem als "politische Vereinigung". Bis zum Zusammenbruch des SED-Regimes wirkte die DFU in den westlichen Ländern der Bundesrepublik Deutschland als zentrale Bündnisorganisation der orthodoxen Kommunisten. Sie initiierte und organisierte vorwiegend "friedenspolitische" Aktionen. Nach dem 35 Ende des "real existierenden Sozialismus" in der ehemaligen DDR und dem damit verbundenen Ausbleiben der finanziellen Unterstützung mußte die DFU ihre hauptamtlichen Mitarbeiter entlassen, die meisten Büros schließen und ihre Aktivitäten nahezu einstellen. Auf dem 13. Unionstag der DFU am 9. Juni in Wiesbaden wurde dann die Auflösung des bundesweiten Verbandes beschlossen. Den Mitgliedern wurde jedoch empfohlen, auf Regional-, LandesLandesverbände und Bezirksebene weiterzuarbeiten. Von dieser Empfehlung machbeschließen ten mehrere DFU-Untergliederungen Gebrauch, darunter der neue Weiterarbeit Regionalverband Rhein-Main und die Landesverbände BadenWürttemberg und Bayern. Die DFU in Bayern, die Anfang 1990 ebenfalls ihre hauptamtlichen Mitarbeiter entlassen und ihre Büros kündigen mußte, konnte zwischenzeitlich wieder ein Büro anmieten. Am 20. Oktober führte die DFU in Nürnberg eine LandesversammGründung der lung durch, die sich im wesentlichen mit den Aufgaben der DFU in DFU Bayern Bayern im nunmehr vereinten Deutschland befaßte. Die anschließende Diskussion endete mit dem Ergebnis, die DFU in Bayern weiterzuführen. Die Teilnehmer beschlossen eine neue Satzung und eine neue Finanzordnung. Die Satzung weist die DFU als eigenständige Vereinigung mit Sitz in Nürnberg aus. Als Leitungsgremium wählte die Versammlung einen aus vier Personen bestehenden "Sprecherinnenkreis". Die Mehrheit dieses Leitungsgremiums gehörte schon vor der Wende in der DDR der DFU an. Das bisherige Programm der DFU behält vorerst seine Gültigkeit. Eine Überarbeitung ist beabsichtigt. Die DFU hatte in Bayern im Vorjahr rund 400 Mitglieder. Ende 1990 Mitarbeit im gehörten ihr lediglich noch 100 Personen an. Die Mitarbeit der Bündnissystem bayerischen DFU im Bündnissystem der DKP war schwach. Sie der DKP beschränkte sich im wesentlichen auf die "Ostermärsche", die in einigen Orten nach wie vor von der DKP beeinflußt wurden. Eigene Publikationen erschienen kaum noch. Lediglich das "Bayern-Info" wurde in unregelmäßigen Abständen verteilt. Im Dezember 1990 DEUTSCHE FRIEDENS-UNION Schwer punUtthema: Golfkri.se Syemttr -ISSC 7lf% 2,/sM 36 erschien bundesweit die Zeitschrift "PODIUM" mit Redaktionssitz in Mainz. Als Mitarbeiter der Publikation wurde u.a. ein Mitglied des "Sprecherinnenkreises" der DFU in Bayern genannt. Thematisch befaßte sich die DFU mit der "Abrüstung" und der "Entmilitarisierung" Deutschlands sowie mit dem Golfkonflikt. Kontakte der DFU Alte Kontakte zu ehemaligen Kadern der früheren SED und der zu Kommunisten heutigen PDS wurden wiederbelebt. Dies zeigte vor allem das letzte bundesweite Treffen der DFU am 6. Oktober in Wiesbaden, an dem auch Personen aus der früheren DDR, so der ehemalige Generalsekretär des "Friedensrates der DDR" sowie der Sekretär der Kommission "Internationale Politik" beim Parteivorstand der PDS teilnahmen. 2.4.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland (VVNBdA) AntifaschismusDer Ausfall der konspirativen Finanzierung durch die DKP brachte arbeit unter aucn die VVN-BdA in arge Bedrängnis. Sie mußte bereits Ende neuer Führung i g 8 9 a u f Bundesebene ihre Tätigkeit einstellen. Präsidium und Sekretariat der VVN-BdA traten am 13. Januar zurück, um den Weg "für notwendige Veränderungen und einen glaubhaften Neubeginn" freizumachen. Trotz dieser Schwierigkeiten beschlossen die Delegierten auf dem außerordentlichen Bundeskongreß am 9./10. Juni in Düsseldorf, die "antifaschistische" Arbeit des Verbandes unter neuer Führung bundesweit fortzusetzen. Sie verabschiedeten eine neue Satzung, nach der die Vereinigung künftig von einem Bundesausschuß geleitet wird. Diesem Gremium gehören neben Vertretern der einzelnen Landesverbände und der kooperativ angeschlossenen Organisationen auch die vom Bundeskongreß direkt gewählten Bundessprecher sowie der Kassier und der Schriftführer an. Zwei der fünf Bundessprecher und der Schriftführer sind Mitglieder der DKP. --$h RUNDBRIEF des Bundesausschusses der VVN / Bund der Antifaschisten Nr. 1 September 1990 37 Die orthodoxen Kommunisten bewerteten den Bundeskongreß der VVN-BdA überwiegend positiv. So berichtete das DKP-Zentralorgan UZ am 15. Juni über das "hohe Ansehen", das Kommunisten in der "antifaschistischen Bewegung" genössen. Im neuen Sprecherkreis der VVN-BdA sieht die UZ "das antifaschistische Spektrum unter Einbeziehung von Grünen, Sozialdemokraten und Kommunisten" verkörpert. Erneuerungswillige Funktionäre und Mitglieder der VVN-BdA übten dagegen heftige Kritik. Unter Hinweis auf die unterbliebene Vergangenheitsbewältigung und die anhaltende Dominanz orthodoxer Kommunisten verließen in der Folgezeit zahlreiche Mitglieder -- manchmal sogar in größeren Gruppen -- die Organisation. Daneben führte auch der Niedergang der DKP bei der VVN-BdA zu beachtlichen Mitgliederverlusten. Bundesweit hatte die VVN-BdA zum Jahresende 1990 weniger als 11.000 Mitglieder (1989: etwa 14.000). Auch die Landesvereinigung Bayern mußte 1990 erhebliche Mitgliederverluste hinnehmen. Sie verfügte zum Jahresende 1990 noch über etwa 500 Mitglieder (1989: etwa 1.200). Der Landesverband Bayern der VVN-BdA betonte wiederholt seiNeuformierung des ne finanzielle Unabhängigkeit vom Bundesverband. Bei der LanLandesverbandes desdelegiertenkonferenz am 12./13. Mai in Ingolstadt wurden die Bayern der VVNLandesgremien neu gewählt und die Satzung geändert. Anstelle BdA des Landesvorsitzenden wird der Landesverband nunmehr von einem fünfköpfigen "Sprecherratskreis" vertreten, dem ein DKPFunktionär und ein weiteres DKP-Mitglied angehören. Auch die wiedergewählte Landessekretärin gehörte der DKP an. Die VVN-BdA bezeichnete die Wiedervereinigung Deutschlands als "überstürzt" und als "Haus ohne Fundament". Sie unterstützt daher eine breite Kampagne für den "Kampf um eine vom Volk legitimierte Verfassung", in die sie ihre "antifaschistischen Grundsätze" einbringen will. Die VVN-BdA beteiligte sich trotz ihrer bundesweiten Krise wiederholt an "antifaschistischen" Aktionen. Sie wirkte zusammen mit der DKP in Aktionsbündnissen und Arbeitskreisen mit, die sich gegen rechtsextremistische Gruppierungen sowie gegen die RepublikaDie VVN-BdA im ner richteten. Im Rahmen der "Antifaschismus"-Kampagne ist die Bündnissystem VVN-BdA bestrebt, möglichst breite Bündnisse zu bilden. Typisch der DKP dafür ist die vom "Bündnis antifaschistischer Ratschlag" am 10. März in München durchgeführte "Demonstration gegen SchwarzBraun, gleiche Rechte für Ausländer". Dem Bündnis gehörten u.a. die DKP, die VVN-BdA, der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB), das Anti-Strauß-Komitee/ Stoppt die Erben (ASKo) und die Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) an. Als Versammlungsleiter fungierte ein Mitglied der VVN-BdA. 3. Neue Linke 3.1 Überblick Die Neue Linke besteht aus linksextremistischen und linksextremistisch beeinflußten Organisationen und Gruppen, die in ihrer Mehrzahl aus der Sozialrevolutionären Studentenbewegung der 60er Jahre hervorgegangen sind. Als Ziel streben die dogmatischen Gruppen der Neuen Linken eine kommunistische Gesellschaft an und stimmen damit in der verfassungsfeindlichen Zielsetzung mit den orthodoxen Kommunisten überein (vgl. Allgemeiner Überblick). Sie lehnen jedoch -- anders als diese -- den Kommunismus sowjetischer Prägung als "revisionistisch", "bürokratisch" und "sozialimperialistisch" entartet ab. Dennoch suchten verschiedene dieser Gruppen 1990 Kontakte und Bündnisse mit der "PDS/Linken Liste" und dem Zusammenschluß "Radikale Linke". Grund für diese teilweise Änderung der "Bündnispolitik" -- lange hatte man jede Zusammenarbeit mit den Gruppierungen des orthodoxen Kommunismus abgelehnt -- war die deutsche Wiedervereinigung. Der damit verbundene "Machtzuwachs" der Bundesrepublik Deutschland muß nach Ansicht dieser Gruppen alle auf den Plan rufen, die sich nach wie vor als "antikapitalistisch" definieren. Themenschwerpunkt in den ersten Monaten nach der politischen Wende in der ehemaligen DDR war demnach zunächst die Ablehnung der Wiedervereinigung. Plakativ wurde diese Ablehnung in einer Vielzahl von Veranstaltungen mit der Parole "Nie wieder Deutschland" unterstrichen. Erst nachdem der Kampf gegen die Wiedervereinigung aussichtslos erschien, verlegten sich im zweiten Halbjahr 1990 die meisten Gruppen der dogmatischen Neuen Linken auf die Entwicklung bzw. Weiterführung sozialistischer Vorstellungen im wiedervereinigten Deutschland und die Gestaltung von Wahlbündnissen für die erste gesamtdeutsche Wahl. Vor allem die in den einzelnen Gruppen z. T. heftig umstrittene "Bündnisfrage", aber auch die unterschiedliche Bewertung der Zukunftsperspektiven waren Auslöser für Flügelkämpfe und Spaltungstendenzen in mehreren Gruppen. Weiteres Hauptthema war die Golfkrise. Nach anfänglichen Unsicherheiten in der Bewertung der Besetzung Kuwaits durch irakische Truppen stellten sich alle Gruppen gegen das durch die Vereinten Nationen sanktionierte Eingreifen der alliierten Streitkräfte am Golf. Zur Begründung wurde angeführt, die alliierte Intervention diene insbesondere den imperialistischen Bestrebungen der westlichen Welt unter Vormacht der USA. Insgesamt war das Erscheinungsbild der meisten dieser Gruppen geprägt vom Mangel an öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten, von Auflösungserscheinungen, Überalterung, Flügelkämpfen, Abspaltungen, Mitgliederschwund und finanziellen Schwierigkeiten. Die Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) beschrieb die Lage wie folgt: "Die Linke in der BRD ist durch die Entwicklung in die schwerste Krise der letzten Jahrzehnte geraten". Der Kommunistische Bund (KB) stellte fest, daß "die BRD-Linke einen Tiefpunkt in Desolatheit und Desperatheit" erreicht habe. Eine selbstbewußte, mit einem Mindestmaß an Massenwirksamkeit agierende Linke existiere nicht. Ausnahmeerscheinung unter den Gruppen der dogmatischen Neuen Linken bleibt aber nach wie vor die Marxistische Gruppe (MG). Sie wurde nach der Wiedervereinigung auch in den fünf neuen Ländern aktiv und konnte ihren hohen Mitgliederstand halten. Obwohl sich innerhalb des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD (AB) mit seinem Anti-Strauß-Komitee/Stoppt die Erben (ASKo) zwei Flügel bildeten, blieben deren Mitgliederzahlen konstant. Der Mitgliederstand der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) blieb im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls unverändert. Als einzige Gruppierung lehnte die MLPD Wahlbündnisse bzw. "Parteibildungsprojekte" strikt ab. Sie stellte zudem fest: "Die MLPD jedenfalls hat keinen Anlaß, ihre prinzipiellen und konkreten Vorstellungen vom Sozialismus, die durch den Niedergang der DDR nicht erschüttert, sondern bekräftigt wurden, in Frage zu stellen". Gruppen der Neuen Linken kandidierten in Bayern weder bei der Landtagsnoch bei der Bundestagswahl. Die undogmatischen Gruppen der Neuen Linken, die nach ihren vielfach diffusen Vorstellungen für eine "gewaltfreie" herrschaftslose Gesellschaft kämpfen, verfolgen trotz unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung alle als Endziel die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsform. Insoweit besteht deshalb Übereinstimmung mit den anderen Schattierungen des Linksextremismus. Das militante Potential der Autonomen propagiert und praktiziert dabei nach wie vor Gewalt gegen Personen und Sachen. Hauptbetätigungsfeld dieser Gruppen war der z. T. gewalttätige Protest gegen "Faschismus" und "Kapitalismus". 3.2 Dogmatische Neue Linke 3.2.1 Marxistische Gruppe (MG) Die MG entwickelte sich aus den "Roten Zellen", die nach dem Sonderstellung Niedergang und der Auflösung des Sozialistischen Deutschen der MG Studentenbundes (SDS) 1969/1970 entstanden sind, zunächst an den bayerischen Hochschulen. Innerhalb der Gruppen der Neuen Linken nimmt sie eine Sonderstellung ein. Sie ist hierarchisch aufgebaut, schult ihre Mitglieder intensiv und schirmt ihr Verbandsleben streng ab. Insoweit entspricht sie einer marxistisch-leninistischen Kaderorganisation. Den "Leninismus" in seiner dogmatischen Form lehnt sie jedoch ab. Die MG bekämpft die "Demokratie" als "Staatsform der bürgerlichen Ausbeutung" und tritt dafür 40 ein, den Staat auf dem Weg über die sozialistische Revolution abzuschaffen. Voraussetzung dafür sei der "Klassenkampf des Proletariats", zu dessen "Bewußtseinsorientierung" sie beitragen wolle. Dies schließt auch die Anwendung von revolutionärer Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ein. Um die Revolution in ihrem Sinne lenken zu können, strebt die MG an, die Schaltstellen des Staates und des Kapitals mit "eigenen Leuten" zu besetzen. Daneben unterhält bzw. betreibt die MG eine Vielzahl von Instituten, Vereinen und Gesellschaften, die größtenteils bildungsund fortbildungsspezifische Namen tragen und solche Ziele verfolgen. Darüber hinaus versucht sie konsequent in Einrichtungen für berufliche Schulung und Fortbildung Einfluß zu gewinnen und diesen auszubauen. Fernsehsendung Nicht ohne negative Folgen für die MG blieb eine am 13. Dezemverunsichert ber 1989 vom Bayerischen Fernsehen ausgestrahlte Sendung, die die MG über eine "MG-Unterwanderung" einer bayerischen Bildungseinrichtung in Regensburg berichtete. In einer überaus zynischen und polemischen Stellungnahme, die in der MSZ Nr. 2/90 veröffentlicht war, sprach die MG von einem sich daraus ergebenden "Überlebensproblem" ihrer Organisation. Aus Furcht vor Nachteilen am Arbeitsplatz traten zahlreiche MG-Angehörige in Regensburg im Zusammenhang mit ihrer Organisation nicht mehr öffentlich in Erscheinung. Die Besucherzahlen von "teach-in's" gingen um etwa die Hälfte zurück. 5.000 MGDie MG konnte ihre Vormachtstellung innerhalb der Neuen Linken Angehörige gleichwohl weiter behaupten. Ihr gehören in Bayern etwa 5.000 Personen an. Innerhalb der besonderen MG-Hierarchie besitzen dabei etwa 700 Personen den Status von Funktionären bzw. Mitgliedern und rund 3.500 Personen Kandidatenstatus. Diese Personen sind fest in die MG eingebunden, entrichten Beiträge und besuchen regelmäßig Schulungen. Darüber hinaus sind mehrere hundert Personen als Sympathisanten der MG zu bezeichnen. Die MG ist damit in Bayern die zahlenmäßig stärkste Gruppierung im gesamten extremistischen Spektrum. Ihre Anhänger findet sie hauptsächlich unter Studenten und Akademikern. Bundesweit verfügt die MG über mehr als 10.000 fest in die Organisation eingebundene Anhänger; hinzu kommen mehrere tausend Personen, die regelmäßig an Schulungen, "teach-in's" und Arbeitskreisen teilnehmen. Schwerpunkt Der organisatorische Schwerpunkt der bundesweit tätigen MG der MG liegt liegt in Bayern. Hier bestehen Gruppen in Bamberg, Erlangen/ in Bayern Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Aktivitäten, die auf Stützpunkte schließen lassen, wurden auch aus Bayreuth, Ingolstadt und Schweinfurt bekannt. Die bedeutendste Gruppe ist nach wie vor die MG München, die faktisch eine Führungsfunktion ausübt. Kommunikationsund Bildungszentren sind der "Laden" 41 Marxistische Schulzeitung 22. Okiober 1990 der MARXISTISCHEN GRUPPE (MG) Münchner Schulzeitung 10. Novtmbcr 199" ZEITUNG DER MARXISTISCHEN GRUPPE (MG) Erlanger Hochschulzeitung Nr. 183/5. November 1990 (13. Jg.) d e r MARXISTISCHEN G R U P P E (MG) Allgemeine Aufgabe Nürnberger Hochschulzeitung Nr. 186 /10. Dexenber 1990 (12. Jg.) der MARXISTISCHEN GRUPPE (MG) Allgemeine A i u y b e Regensburger Hochschulzeitung 10. D d e m b e r 1990 der MARXISTISCHEN GRUPPE (MG) Allgemeine Ausgabe Würzbuiger Hochschulzeitung 10. Dezember 1990 der MARXISTISCHEN GRUPPE (MG) Allgemeine Ausgabe Marxistische MAZ Arbeiter i Zeitung * * * " . des "Vereins zur Förderung des studentischen Pressewesens e. V.", die "MHBund NEW-Gesellschaften für Druck und Vertrieb wissenschaftlicher Literatur mbH" und der "Resultate-Verlag" in München sowie die "MG-Läden" in Erlangen, Nürnberg und Würzburg. Gliederung und leitende Gremien der MG werden nach wie vor Finanzierung weitgehend geheimgehalten. Organisatorisch praktiziert die MG der MG einen straffen Führungsstil und verlangt die stete Bewährung des einzelnen Angehörigen. Sie finanziert sich durch hohe Beiträge und Spenden. Die Verwendung der erheblichen Mittel, die nicht geringe Bezahlung der Funktionsträger sowie die Kosten für 42 Schulungsobjekte werden vor den MG-Angehörigen geheimgehalten. Eine Rechnungslegung erfolgt nicht. Zentrale Publikationsorgane der MG sind die "MSZ -- Marxistische Streitund Zeitschrift -- Gegen die Kosten der Freiheit" und die "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ). Zusätzlich erscheinen örtliche "Hochschulzeitungen" sowie Betriebs-, Branchenund Regionalausgaben der MAZ. Das theoretische Organ der MG führt den Titel "Resultate". Ausdehnung der Unmittelbar nach Öffnung der Berliner Mauer im November 1989 MG auf das Gebiet begann die MG ihren Einfluß auch auf das Gebiet der ehemaligen der ehemaligen DDR auszudehnen. Durch zahlreiche öffentliche DiskussionsveranDDR staltungen in den Städten Berlin, Chemnitz, Dresden, Erfurt, Frankfurt/Oder, Gera, Halle, Jena, Magdeburg, Leipzig, Rostock, Schwerin und Zwickau versuchten ausgewählte Funktionäre, den Bürgern Demokratie und Kapitalismus aus Sicht der MG zu vermitteln. Darüber hinaus wurden an einzelnen Universitäten regelmäßige Diskussionsrunden und Sympathisantentermine eingerichtet. Mit den in München und Nürnberg gedruckten Publikationen, der Marxistischen Zeitung und der Marxistischen Hochschulzeitung, soll den neuen Bundesbürgern "MG-Politik" nahegebracht werden. Der dadurch notwendig gewordene verstärkte Einsatz von Funktionären und Mitgliedern hatte zur Folge, daß in Bayern die MG-Aktivitäten, insbesondere die Zahl der öffentlichen Veranstaltungen, rückläufig waren. Wurden im Jahr 1989 noch etwa 120 öffentliche Veranstaltungen bekannt, so waren es 1990 nur noch rund 80 mit - je nach Örtlichkeit - bis zu 1.000 Besuchern. Eine über die eigene Agitation hinausgehende öffentlichkeitswirksame Einflußnahme auf politisches Tagesgeschehen konnte auch 1990 nicht festgestellt werden. Ebenso war eine Bereitschaft zur grundsätzlichen oder anlaßbezogenen Zusammenarbeit mit anderen Gruppen der Neuen Linken kaum erkennbar. MG bezeichnet Zentrales Thema auf Veranstaltungen und in Publikationen war die Wiedervereinigung deutsche Wiedervereinigung. Die MG verurteilte die Wiedervereinials Imperialismus gung dabei als "Imperialismus der primitivsten Art", wie man ihn in den Lehrbüchern nachlesen könne: Ein Staat kassiere den anderen. In ihrer bekannt polemischen und ausgesprochen negativ-destruktiven Weise agitierte die MG daneben gegen die Volkskammerwahlen in der ehemaligen DDR, die Währungsunion sowie die ersten gesamtdeutschen Wahlen. Ein weiteres Hauptthema der MG war die Golfkrise. Die Besetzung Kuwaits durch den Irak und den anschließenden militärischen Aufmarsch der alliierten Streitkräfte zur Befreiung Kuwaits kommentierte die MG in der für sie typischen Weise: Der "Weltpolizist USA" stelle im Namen des ganzen Westens klar, daß "Krieg und Annexion abhängigen Staaten nur erlaubt" würden, wenn sie eine "Funktion für die westliche Weltherrschaft" erfüllten und Feinde 43 des Westens bekämpften. Um Unterstützung zu erhalten, hätten die USA auf die Gefolgschaft der Europäer als Vasallen gedrängt. Die Bundesrepublik Deutschland habe daraus gelernt, wie mißlich es für die "neugebackene Großmacht" sei, nicht selbst über die Mittel eines Weltpolizisten zu verfügen. Der Bundeskanzler strebe deshalb eine Änderung des Grundgesetzes an, um "Soldaten auch außerhalb der Landesgrenzen, weit außerhalb für Deutschland kämpfen" zu lassen. Mit Hilfe der "Marxistischen Arbeiterzeitung" (MAZ), die 1990 in zahlreichen Städten vor Großbetrieben verteilt wurde, versuchte die MG, in den Arbeitnehmerbereich einzudringen. Zu diesem Zweck hat die MG einen eigenen Kader für Betriebsarbeit gebildet, der ihre Politik in die Betriebe tragen soll. In der MAZ behandelte die MG neben tagespolitischen auch speziell auf die Zielgruppe der Arbeitnehmer zugeschnittene Themen. 44 Veranstaltungsplakate der MG Öffentliche Diskussionsveranstaltung der Öffentliche Diskussionsveranstaltung der MARXISTISCHEN GRUPPE (MC) MARXISTISCHEN GRUPPE (MC) Die großdeutsche Staatsgewalt -- Billiglöhne für die DDR läßt wählen -- Für die BRD die 35-StundenWoche - Wir sind ihr Volk und dürfen JA sagen ab 1995 auf dem Papier -- zu den Einheitsparteien des Und die Gewerkschaft feiert realen Kapitalismus -- zum Dienst am weltweiten einen Jahrhunderterfolg Verdienst der deutschen Wirtschaft nach dem anderen. -- zu einer Bundeswehr mit Was ist da los? So geht sie - die weltweitem Kampfauftrag Lohnflndung In und Eben zu allen Vorhaben für Deutschland der Nation, die nicht zur Mittwoch, den 6. Juni1990 Wahl stehen! Beginn 19.00 Uhr, Einlaß ab 18.00 Uhr Ort: Augustiner-Keller, Arnulfstr. 52, Haidhauser Bürgersaal, Rosenheimerstr. 123 S-Bahn Rosenheimer Platz, Eintritt frei Zelt: Donnerstag, 29.11., 19.00 Uhr Elrt.Bib U.00 Wir, Eintritt frei Mit ihrer Kandidatur bei den Wahlen für die Kollegialorgane der Hochschulen verfolgte die Marxistische Gruppe nach eigenen Angaben das Ziel, weiterhin Räume in den Universitäten belegen zu können. An den Hochschulen in Erlangen/Nürnberg und in München ist die MG im Konvent vertreten. 3.2.2 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Der AB entstand 1973 aus einem Zusammenschluß mehrerer örtlich tätiger maoistisch orientierter Arbeiterbasis-Gruppen. Er beruft sich in seinen programmatischen Aussagen auf den MarxismusLeninismus und Mao Zedongs Ideen. Sein Ziel ist die Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse" und die "Errichtung einer Diktatur des Proletariats", um den Kommunismus in einer "klassenlosen Gesellschaft" zu verwirklichen. Der AB bekennt offen, daß dies nur mit Gewalt zu erreichen sei, da die "herrschende Klasse" nicht freiwillig auf ihre Macht verzichte. Schwerpunkt des Der AB ist vorwiegend in Bayern tätig. Dort bestehen Gruppen in AB liegt in Bayern Augsburg, München, Nürnberg und Regensburg sowie ein Stützpunkt im Raum Altötting -- Burghausen -- Waldkraiburg. "Freundeskreise" in München, Nürnberg und Regensburg sollen den AB finanziell unterstützen. Auch im übrigen Bundesgebiet verfügt der AB über Ortsgruppen bzw. Stützpunkte. Die Gesamtmitgliederzahl liegt wie im Vorjahr bei etwa 250 Personen. In Bayern hat der AB rund 100 Mitglieder. Die Leitung des AB erfolgt durch das Zentral- 45 Plakat des AB Keine Annexion der DDR Dafür standen wir Dafür stehen wir Kommunisten Wir i n f o r m i e r e n : 8.45 Uhr Gewerkschaftshaus, Schwanthalerstraße 9.15 Uhr Abmarsch zur Kundgebung am Marienplatz 10.00 Uhr anschließend Demonstration 1.Mai-Veranstaltung des Arbeiterbunds für den Wiederaufbau der KPD Es singen und spielen die "Aufrührer" 14.00 Uhr, Taverna Odyssee, Bad-Kreuther-Straße 8 IUI, U2, U5bi< Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD Ortsgruppe München komitee mit Sitz in München. An den bayerischen Hochschulen wird der AB von seiner Nebenorganisation Kommunistischer Hochschulbund (KHB) unterstützt, dem etwa 50 Mitglieder angehören. Zentralorgan des AB ist die "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ). Sie erscheint im AB-eigenen Verlag "Das Freie Buch GmbH, Buchund Zeitungsverlag" in München. 46 Aktivitäten des AB Der AB gehört in Bayern zu den aktivsten Gruppierungen der dogmatischen Neuen Linken. Beherrschendes Thema bei Veranstaltungen und in den Publikationen war die Wiedervereinigung. Dazu veranstaltete der AB Aufzüge mit den Themen "Nie wieder Deutsches Reich" und "Der Sozialismus ist nicht am Ende, sondern am Anfang". Zum 1. Mai organisierte er in Regensburg, München und Nürnberg eigene Aufzüge u. a. zum Thema "Keine Annexion der DDR". Unterschiedliche Bedingt durch den Zusammenbruch der kommunistischen HerrAusgaben schaft in der ehemaligen DDR und die anschließende Wiedervereider KAZ nigung kam es im AB zu Auseinandersetzungen über die Methoden der Agitation, die zur Bildung zweier Flügel innerhalb des AB führten. Der eine Flügel befürwortet eine wie bisher eigenständige Agitation mit Hilfe des AB-Zentralorgans KAZ und lehnt die Bündnispolitik des anderen Flügels, der mit maßgeblicher finanzieller Unterstützung durch die PDS aus Anlaß der ersten gesamtdeutschen Wahl einen "Anachronistischen Zug" inszenierte, ab. Diese Ablehnung wird in den erstmals nach etwa zwei Jahren vom "KAZPlakat des AB Anachronistischer Zug 1990 Von Bonn 18. November Hin 1990 Brecht statt er Zug weniger die Wühler. 1, WlrWchaftilührem M 47 Flügel" in veränderter Aufmachung wieder herausgegebenen beiden Ausgaben der KAZ deutlich, in denen diese Inszenierung eines Gedichts von Bert Brecht nicht erwähnt wurde. Im Gegenzug hierzu erschien in traditioneller Form mit gleicher Nummer eine auch inhaltlich unterschiedliche KAZ-Ausgabe des "Brecht-Flügels". Der letztere Flügel inszenierte aus Anlaß der Bundestagswahl das Anachronistischer Zu Brecht-Gedicht "Anachronistischer Zug" als Agit-Prop-Veranstal- 9 199deg tung "Brecht statt Deutschland über alles", analog dem Zug von 1980 mit dem Motto "Freiheit und Democracy". Die PDS unterstütz- te die Aktion mit 250.000 DM. Der Zug begann am 18. November und führte von Bonn über Köln, Frankfurt, Kassel durch die "Ostgebiete" nach Berlin, wo er am 2. Dezember eintraf. In München und Regensburg bestehen seit 1972 Gruppen des vom AB stark beeinflußten Anti-Strauß-Komitees/Stoppt die Erben (ASKo) mit etwa 90 Mitgliedern. Ziel des ASKo ist es, den "Sturz des rechten Führungskaders" vorzubereiten und alle "faschistischen Organisationen" zu bekämpfen. Publikationsorgan des ASKo ist der "Demokratische Informationsdienst" (DID), der im Eigendruck und Selbstverlag in einer Auflage von rund 3.000 Exemplaren hergestellt wird. Themen des ASKo bei Informationsständen und auf Flugblättern waren "Rassismus", "Ausländergesetze" und die Wiedervereinigung. Weiter beteiligte sich das ASKo an von linksextremistischen Gruppen organisierten Großdemonstrationen, wobei es mit eigenen Flugblättern und Plakaten zur Teilnahme aufrief. Die Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ) unterliegt ebenfalls dem Einfluß des AB. Ortsgruppen bestehen in München, Nürnberg und Regensburg (dort als "Demokratischer Jugendzirkel Regensburg"). Ihr Publikationsorgan "Kämpfende Jugend" dient auch dem AB als Werbeträger. Die IVRJ unterstützte den AB insbesondere in der "Antifaschismusund Antimilitarismusarbeit". Dazu veranstaltete sie Versammlungen und Informationsstände zu den Einberufungsterminen vor Kasernen in München. Zu den Themen "Rekrutenabschied" und "Gegen den Krieg" wurden dabei Flugblätter und Publikationen an die einrückenden Rekruten verteilt. Aus Protest gegen die Verlegung eines Teils der jährlichen Klausurtagung der CSU-Bundestagsfraktion nach Leipzig führten überwiegend Angehörige des AB und der IVRJ vom 1. bis 11. Januar sechs "sanfte Belagerungen" der CSU-Landesleitung in München in Form von Sitzund Standkundgebungen durch. Am 11. Januar versammelten sich 13 Teilnehmer zu einer von einer Aktivistin der IVRJ angemeldeten Demonstration in Wildbad Kreuth an der Einfahrt zum Tagungsort der CSU-Klausurtagung. Bei allen Demonstrationen zeigten die Teilnehmer Transparente und Plakate mit Aufschriften wie "Kein viertes Reich", "Nie wieder Deutsches Reich" und "CSU in Leipzig -- Nein". 3.2.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete MLPD sieht sich als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in der BRD und West-Berlin". Im Zuge der Wiedervereinigung versuchte sie, ihren Einfluß auch auf die neuen Bundesländer auszudehnen. Ihr grundlegen- 49 des Ziel ist der "revolutionäre Sturz" der "Monopolkapitalisten" und die Errichtung einer "Diktatur des Proletariats". In ihrem Grundsatzprogramm bekennt sich die MLPD zu den Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Zedong. Sie verteidigt die Politik Stalins und kritisiert die "revisionistische Entartung" in allen "realsozialistischen Ländern". Der Schwerpunkt der Partei liegt im westund südwestdeutschen Raum. Ihre Mitglieder sind in Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirken organisiert, die einer "Zentralen Leitung" mit Sitz in Essen unterstehen. Die MLPD zählt bundesweit rund 1.500 Mitglieder, davon etwa 100 in den beiden bayerischen MLPD-Bezirken BayernSüd und Franken. Nebenorganisationen der MLPD sind der Arbeiterjugendverband/Marxisten-Leninisten (AJV/ML) mit der Kinderorganisation Rotfüchse, der Marxistisch-Leninistische Schülerund Studentenverband (MLSV) und der Marxistisch-Leninistische Bund Intellektueller (MLBI). Das Zentralorgan "Rote Fahne" erscheint wöchentlich in einer Auflage von rund 6.000 Exemplaren und wird seit Juni auch an Zeitungsverkaufsstellen in den neuen Bundesländern vertrieben. Die bisherigen Organe des AJV/ML "Rebell" und MLSV "Roter Pfeil" erscheinen nur noch als gemeinsame Beilage zur "Roten Fahne". Als Anleitungsblatt der MLPD wird monatlich "Lernen und kämpfen" (luk) - Auflage 1.000 -- herausgegeben. Darüber hinaus verbreitet die MLPD in Bayern zahlreiche Betriebsund Stadtzeitungen. Noch zum Ende des Jahres 1989 hatte das Zentralkomitee (ZK) Kampf gegen "imder MLPD den Kampf gegen ein "neues - imperialistisches - perialistisches Großdeutschland" zur Hauptaufgabe der Partei erklärt. Nachdem Großdeutschland" der Widerstand gegen die deutsche Einheit aussichtslos geworden war, agitierte die MLPD 1990 hauptsächlich für eine Wiedervereinigung Deutschlands auf "sozialistischer Grundlage im Interesse der Arbeiterklasse". Von da an lehnte sie die Losung "Nie wieder Deutschland" und die damit verbundene Ablehnung der Wiedervereinigung als rückschrittlich und kleinbürgerlich ab. Sie initiierte antiimperialistische Bündnisse, um weitere Anhänger für ihre Positionen zu gewinnen. Beteiligungen an anderen Bündnissen -- auch auf regionaler Ebene -- scheiterten jedoch stets am starren Standpunkt der MLPD, ausschließlich auf der Grundlage ihrer eigenen Politik zu agitieren. 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken Ab Mitte der siebziger Jahre bildeten sich an den Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland immer häufiger lose Zusammenschlüsse, die eine marxistisch-leninistische Konzeption ablehnten und für Autonomie, Selbstorganisation der "Unterdrückten" und für Spontaneität eigener Gefühlsäußerungen eintraten. Nach 50 Aussagen dieser Szene sollten Aktionen "mehr aus dem Bauch heraus" als aus dem Kopf kommen. Diese Zusammenschlüsse werden unter dem Begriff "Undogmatische Neue Linke" zusammengefaßt, weil sie eine klare ideologische Zielvorstellung vermissen lassen, kein ausformuliertes Programm oder Statut haben und feste Organisationsstrukturen vermeiden. Breites ideologiDas politische Spektrum dieser undogmatischen Linksextremisten sches Spektrum reicht von Anhängern eines "undogmatischen wissenschaftlichen Sozialismus" über Sozialrevolutionäre bis hin zu Anarchisten. Verbindendes Element dieser Szene ist die grundlegende Ablehnung jeglicher Form von Herrschaft und das gemeinsame Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung abzuschaffen. Die bedeutendste und militanteste Strömung aus diesem Feld stellen die Autonomen dar, die seit Beginn der achziger Jahre ihre Bedeutung zunehmend festigen konnten. Andere Gruppen dagegen verloren an Einfluß. 3.3.1 Autonome Gruppen Autonome praktiBei den autonomen Gruppen handelt es sich vielfach um spontane zieren Gewalt uncj | 0 se, nach außen jedoch abgeschottete Zusammenschlüsse ohne einheitliches Konzept. Ihr Ziel ist, den Staat mit seinen Institutionen zu beseitigen und eine "Autonomie" in einer "herrschaftsfreien Gesellschaft" zu errichten. Hierzu wollen sie zunächst "Freiräume" und "Widerstandsnester" erkämpfen und den "Kampf gegen das System" unberechenbar und flexibel führen. Ihre vielfach militanten Aktionen richten sich gegen den "alltäglichen Faschismus", gegen die "Kriegsmaschinerie", "Ausländerhetze", "Knast" und "Repression" sowie gegen den "Überwachungsstaat". Autonome GrupIn Bayern bestehen autonome Zusammenschlüsse in Augsburg, pen in Bayern Coburg, Erlangen, München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg. Sie treten unter Bezeichnungen wie "Bunte Hilfe", "InfoladenGruppe", "Basisgruppe", "Prolos" und "Jobbergruppe", teilweise aber auch ohne Namen auf. Das Potential der Autonomen beträgt gegenwärtig in Bayern etwa 300 Personen. Schwerpunkte sind die Großräume München und Nürnberg/Erlangen. Zentrale Bedeutung für autonome Gruppen im nordbayerischen Raum als Anlaufund Kontaktstelle sowie als Veranstaltungsbasis gewann das Kommunikationszentrum (KOMM) in Nürnberg. Die partielle Zusammenarbeit von RAF-Unterstützern und Autonomen, die während des zehnten kollektiven Hungerstreiks inhaftierter terroristischer Gewalttäter im Vorjahr zustande kam, führte bislang weder zu einer engeren Verbindung noch zu einer ideologischen Ausrichtung der Autonomen auf RAF-Kurs. Im Mittelpunkt von Diskussionen und Aktionen autonomer Gruppen standen nach wie vor die klassischen Feindbilder "Faschismus" und "Kapi- 51 Plakat der Autonomen '" t-*-" KUNDGEBUNB. H ANS SACHS PLATZ IBEFFPUNKT.KOPEBWKUS PLATZ AÜTONMEGRUPFEN talismus". Ein weiteres Thema, das dem antifaschistischen Engagement in den autonomen/anarchistischen Zusammenschlüssen zusätzlich Auftrieb gab, war der Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern. In sogenannten "Antifa-Plenen" sollen dabei die Ursachen des Neonazismus ergründet und Widerstandsformen abgesprochen werden. In ihrem "Kampf gegen den Kapitalismus" sehen die Autonomen im EG-Binnenmarkt die Fortsetzung des Internationalen Währungsfonds, den sie als eine tragende Säule des Kapitalismus bezeichnen. Auch in anderen Arbeitsfeldern wie Wohnungspolitik, Spendensammlungen für ausländische Guerillagruppen und Unterstützung der Aktivitäten der militanten linksextremistischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) waren intensive Aktivitäten autonomer Gruppen feststellbar. Im einzelnen sind u. a. folgende Aktionen erwähnenswert: An einer Gegendemonstration zu einer Wahlkundgebung der "Republikaner" am 20. Februar in Forchheim beteiligten sich etwa 700 Personen, darunter autonome Gruppen aus Nordbayern, die zu dieser Aktion aufgerufen hatten. Noch vor der Abschlußrede zogen 600 Demonstranten zum nahegelegenen Versammlungslokal der "Republikaner". Dort beleidigten sie ankommende Besucher der Wahlveranstaltung und warfen Eier und Feuerwerkskörper auf Polizeibeamte. Ein Polizeibeamter wurde dabei verletzt. 12 Gegendemonstranten wurden vorläufig festgenommen. Autonome Gruppen aus Erlangen und Nürnberg führten vom 24. bis 30. April in Nürnberg eine "Aktionswoche gegen Kapitalismus und Patriarchat" durch. Hierbei fanden u. a. im KOMM Diskussionsveranstaltungen statt, die vorwiegend von Autonomen besucht wurden und sich mit Themen wie "Die Annexion der DDR und die Kolonialisierung Osteuropas -- Deutschland auf dem Weg zum 4. Reich?" und "Zur Ungleichheit der Geschlechter" befaßten. In einem hierzu verbreiteten Einladungsflugblatt erklärten die Veranstalter, sie rechneten sich zu einer "unbeugsamen Minderheit", die nicht aufhören werde, gegen "bürgerliche Demokratie" Widerstand zu leisten. Als "Linksradikale" hielten sie die bestehende Ordnung für "wertlos" und in sozialer Beziehung für "menschenfeindlich". Deshalb strebten sie eine andere Gesellschaftsordnung an. An der bundesweiten Demonstration "Nie wieder Deutschland! Gegen deutschen Nationalismus, Kolonialisierung Osteuropas, gegen die Annexion der DDR" am 12. Mai in Frankfurt a. M" zu der mehr als 100 Gruppen und Einzelpersonen aufgerufen hatten, beteiligten sich rund 7.000 Personen. Darunter befanden sich etwa 1.000 Anhänger autonomer und anderer militanter Gruppierungen der Neuen Linken. Aus Bayern reisten mehrere hundert Personen an. Im Demonstrationszug wurden u. a. Transparente mit den Aufschriften "Nie wieder Großdeutschland" und "Für ein einiges sozialistisches Deutschland" mitgeführt. Gruppen von Demonstranten skandierten Parolen wie "Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt" und "Haß, Haß, Haß". Gegen Ende der Abschlußkundgebung auf dem Römerberg begannen etwa 150 meist vermummte Personen, Polizeibeamte mit Steinen und Flaschen zu bewerfen. Die Angriffe auf Polizeibeamte und Sachbeschädigungen durch militante Linksextremisten sowie jugendliche Randalierer hielten bis in die Nachtstunden an. Dabei wurden mehr als 30 Personen verletzt. 15 Personen wurden vorläufig festgenommen. Am 18. August demonstrierten in Wunsiedel etwa 4.000 Personen, darunter zwei Marschblöcke von insgesamt 800 überwiegend den Autonomen zuzurechnenden Teilnehmern, gegen eine Veranstaltung von Rechtsextremisten, die anläßlich des 3. Todestages von 53 Rudolf Heß stattfand. Im Anschluß an diese Demonstration kam es zwischen Gegendemonstranten und Rechtsextremisten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die von der Polizei z. T. unter Schlagstockeinsatz unterbunden werden mußten. Bereits vor der Demonstration waren bei Vorkontrollen bei Teilnehmern beider Kundgebungen zahlreiche gefährliche Gegenstände, u. a. scharfe Schußwaffen und Munition, Messer, Knüppel, Baseball-Schläger und Molotow-Cocktails sichergestellt und insgesamt mehr als 50 Personen vorläufig festgenommen worden. Am 29. Oktober fand im KOMM in Nürnberg im Rahmen einer bundesweiten Veranstaltungsreihe zum Thema "Feuer und Flamme" ein Diskussionsabend über Geschichte und Gegenwart der Autonomen mit "Geronimo", dem Autor des gleichnamigen Buches, statt. An dieser Veranstaltung beteiligten sich etwa 80 Personen aus dem RAF-Umfeld und dem autonomen Spektrum. Der Autor stammte nach Eigenangaben aus der Anti-Kernkraftbewegung und will zehn Jahre lang selbst Autonomer gewesen sein. Das in der Szene umstrittene Buch enthält einen Abriß der Geschichte der Protestbewegungen seit 1968 einschließlich der RAF und der Autonomen. Agitationsmaterial der Für alle Jugendlichen, für die Autonomen "Hafenstraße & Co." wichtiger ist als "New Kids onthe Kock": Am 14. November fand im KOMM aus Anlaß der Räumung besetzter Häuser in der Mainzer Straße in Berlin eine Solidaritätsveranstaltung statt. Im Anschluß daran formierten sich vor dem KOMM etwa 60 Personen vorwiegend des autonomen Spektrums zu einer nicht angemeldeten Demonstration durch das Stadtgebiet und zurück zum Ausgangspunkt. Am 1. und 15. Dezember führten 40 bzw. 50 Personen je eine unangemeldete Versammlung vor dem KOMM in Nürnberg durch, zu der Autonome und Angehörige "antiimperialistischer" Gruppierungen mit Flugblättern aufgerufen hatten. Im Verlaufe beider Versammlungen wurden Flugblätter verteilt und Transparente gezeigt, die sich inhaltlich mit den Themen "Hafenstraße Hamburg" sowie der Zusammenlegung der inhaftierten Mitglieder der spanischen Terrororganisationen GRAPO/PCE(r) befaßten. Gegen die Leiter der Versammlungen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet. 3.3.2 Schriften der undogmatischen Neuen Linken Die weitgehend unbekannten Verfasser autonomer und linksterroristischer Publikationen sehen ihre Aufgabe nicht nur in der Vermittlung von Erklärungen einzelner Gruppen oder der Berichterstattung über Terroraktionen, sondern auch darin, den Haß ihrer Leser gegen die Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu schüren. Anhänger autonomer Gruppen diskutierten bereits seit November 1989 auf verschiedenen nationalen und internationalen Treffen über den Aufbau einer westeuropäischen Zeitung, die notwendig sei, um länderübergreifend eine revolutionäre Strategie und Perspektive gegen das Projekt "Europa 92" entwickeln zu können. Seit Juli 1990 erschienen zwei Ausgaben dieser "westeuropäischen Zeitung" mit dem Titel "CLASH -- Zeitung für den Widerstand in Europa". Als Kontaktadresse war in der ersten Ausgabe ein Buchladen in Amsterdam/Niederlande genannt. Nach Angaben der Herausgeber hat sich die Publikation aus internationalen Infoladenstrukturen entwickelt; sie soll die europäische Dimension des Kampfes verdeutlichen und die Kommunikation zwischen den Genossen in den einzelnen Ländern verbessern. Die Beiträge befaßten sich mit Themen und Aktivitäten autonomer und antiimperialistischer Gruppen aus dem Inund Ausland. Als Diskussionsgrundlage für die Autonomen in Bayern dient vielfach das wöchentlich erscheinende Berliner autonome Szenenblatt "Interim". Darin wurde u. a. festgestellt, daß sich die autonome Bewegung in einem Zustand der Schwäche befinde. Neben den Niederlagen der staatssozialistischen Bürokratien und auch der Befreiungsbewegungen in Ländern der Dritten Welt stehe jetzt die 55 Frage an: Was ist revolutionäre Politik? Die Autonomen hätten nicht einmal ene vage Vorstellung, welche Gesellschaft nach enem Sieg über die Herrschenden aufzubauen sei. Ferner hieß es, im Kampf gegen den Imperialismus sei internationale Solidarität neu zu bestimmen. Durch Angriffe in den Metropolen könne der Imperialismus geschwächt werden. Beispiele gäben die Aktionen der "Roten Zora" der Revolutionären Zellen (RZ), "internationalistischer Zellen" und "revolutionärer Viren" Eine weitere diesem Bereich zuzurechnende Publikation ist de konspirativ verbreitete, militante autonome Druckschrift "radkal", von der 1990 zwe Ausgaben (Nr. 140 und 141) erschienen. In "radikal" Nr. 140 fordern die unbekannten Herausgeber in einem Beitrag zum Thema "Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft', als erste 'Antwort auf die laufende Wiedervereinigung Deutschlands müsse den "Faschos" eine "militante Gegenwehr" in den Weg gestellt werden. Dazu seen auch illegale Strukturen erforderlich, um gleichzeitig dem "hochgezogenen Sicherheitsund Bullenapparat" zu widerstehen. In diesem Zusammenhang riefen die unbekannten Verfasser für den 18. August zu einer Gegendemonstration nach Wunsiedel gegen eine Gedenkkundgebung von Rechtsextremisten zum dritten Todestag von Rudolf Heß auf Als neuen Ansatzpunkt empfahlen die Verfasser die von den terrorstischen RZ set mehreren Jahren betriebene "Flüchtlingskampagne". In "radikal" Nr. 141 waren ebenso wie in den vorangegangenen Ausgaben erneut Selbstbezichtigungsschreiben und Erklärungen militanter und terroristischer Gruppen, darunter auch Erklärungen der RAF und der RZ sowie eine detaillierte Anleitung zum Bau eines Zeitzünders, abgedruckt. 4. Entwicklung des Linksextremismus in der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) Die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR führte im Herbst Zusammenbruch 1989 zum Zusammenbruch des SED-Regimes und stürzte die bs des SED-Regimes dahin diktatorisch regierende Staatspartei in eine tiefe Krise. Nach dem Anfang Dezember erklärten Rücktritt der gesamten Parteiführung der SED mit Egon Krenz an der Spitze fand am 8. Dezember 1989 in Berln (Ost) ein außerordentlicher Parteitag statt. Die Delegierten wählten dabei Gregor Gys, der set 1967 der SED angehört, zum Parteivorsitzenden. Am 16./17. Dezember 1989 setzte die SED ihren Parteitag fort und beschloß die Änderung des Partenamens in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands -- Partei des Demokratischen Sozialismus" (SED-PDS). Anläßlich einer Tagung des Parteivorstandes der SED-PDS am 4. Februar 1990 wurde der Parteiname erneut geändert n "Partei des Demokratischen SoziaIsmus" (PDS). Die Partei bleb bestehen; de SED hat sich ncht Umbenennung der aufgelöst. Der Wahlparteitag vom 24./25. Februar bestätigte de SED in PDS 56 Namensänderung und beschloß ein neues Statut sowie ein Programm. Bei den Volkskammerwahlen am 18. März erreichte die PDS (vormals SED) mehr als 16% der Stimmen und wurde drittstärkste Partei in der ehemaligen DDR. "Linke Liste/PDS" Mit Blick auf die ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember in den westlichen verstärkte die PDS seit dem späten Frühjahr 1990 ihre Kontakte zu Bundesländern westdeutschen "Linken". Auf einem Arbeitstreffen am 5. August in Berlin (Ost) wurde schließlich die Gründung einer (westdeutschen) Wahlpartei "Linke Liste/PDS" als Personenbündnis verabredet. Dieses sollte mit der PDS, die ihrerseits mit offenen Listen antreten wollte, eine Listenverbindung eingehen. Am 12. August konstituierte sich die "Linke Liste/PDS" in Hamburg als Bundespartei. Das Bundesverfassungsgericht erklärte jedoch in seinem Urteil vom 29. September Listenverbindungen zwischen Parteien auf dem früheren Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und dem Gebiet der ehemaligen DDR bei der Bundestagswahl für unzulässig. Daraufhin beschloß ein PDS-Parteitag am 13./14. Oktober, zur Bundestagswahl gesamtdeutsch zu kandidieren. Die inzwischen mit einem Minimum an Mitgliedern gegründeten westdeutschen Landesverbände der "Linken Liste/PDS", in denen vielfach Linksextremisten mit unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen dominierten, lösten sich auf und konstituierten sich als Landesverbände der PDS neu. Auch nach der Neugründung der westdeutschen Landesverbände behielten Programm und Statut der bis dahin nur auf das Gebiet der ehemaligen DDR beschränkten PDS weiterhin Gültigkeit. Gemeinsamer politischer Bezugsrahmen blieb das Wahlprogramm "Für eine starke linke Opposition". Wahlbündnisse als In dem gemeinsamen Wahlprogramm definierte sich das Wahl.antikapitalistibündnis als "antikapitalistische Bewegung" mit sozialistischer Zielsche" Bewegung setzung. Es könne nicht hingenommen werden, daß mit der berechtigten Anklage der Menschenrechtsverletzungen, die im Namen des Sozialismus begangen worden seien, alle sozialistischen Ideen und das Nachdenken über eine grundlegende Emanzipation für erledigt erklärt würden. Ziel der "Linken Liste/PDS" sei eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Herrschaft. Sie werde das Parlament dafür in Anspruch nehmen, außerparlamentarische Bewegungen zu unterstützen. Das Wahlbündnis sprach sich ferner für eine neue Verfassung aus; diese solle von einem radikal und auch plebiszitär demokratischen, sozial gerechten, feministischen, antifaschistischen und antirassistischen Gesellschaftsverständnis getragen sein. Ein Staat, der Notstandsgesetze, "Berufsverbote" und Antiterrorgesetze nötig habe, könne "nicht unser Staat sein". PDS in Bayern In Bayern wurden im Laufe des Jahres 1990 zahlreiche Initiativen zur Gründung einer "Linken Liste/PDS" bekannt, so u.a. in Amberg, Aschaffenburg, Augsburg, Bad Tölz, Bamberg, Coburg, Erlangen, Ingolstadt, Kempten, Hof, München, Nürnberg, Sulzbach-Rosen- berg und Würzburg. In diesen Initiativen arbeiteten u.a. mit: Mitglieder der DKP, DKP-Funktionäre der beiden politischen Richtungen ("Erneuerer" und "Traditionalisten"), Mitglieder und Anhänger des Kommunistischen Bundes (KB), des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD (AB), des Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK), der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP), der Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) bis hin zu einzelnen Autonomen. Am 11. September fand in München die Gründung der "Linken LiAufstellung der ste/PDS", Landesverband Bayern, statt. Von den damaligen zwölf Liste für die Gründungsmitgliedern verfügten acht Personen über einen linksBundestagswahl extremistischen Vorlauf. Zu den Sprechern gehörte auch ein früheres DKP-Mitglied. Am 22. September veranstaltete die "Linke Liste/PDS" in Nürnberg ihren ersten "Bayernkongreß", an dem rund 80 Delegierte aus den örtlichen Initiativen teilnahmen. Den Delegierten wurde eine von sechs auf später sieben Personen erweiterte Kandidatenliste vorgelegt, die - so die Landessprecher -- garantiere, daß in ihr alle "linken" Strömungen berücksichtigt seien. Die Umstände der Nominierung der Kandidaten durch die Initiatoren des Wahlbündnisses sowie die Nichtberücksichtigung der DKP riefen bei den DKP-Vertretern, die sich bereits bei der Gründung des Landesverbandes übergangen fühlten, heftige Kritik hervor. Die Abstimmungen über die einzelnen Kandidaten waren in der Folge von heftigen, teilweise turbulenten Diskussionen begleitet, da zahlreiche Delegierte aus den Reihen der DKP ihre Gegenkandidatur anmeldeten. Erst nach dem Scheitern sämtlicher Gegenkandidaten zog sich die DKP-Fraktion zurück. Der vorbereiteten Liste, die schließlich angenommen wurde, gehörten drei ehemalige DKP-Mitglieder sowie ein Vertreter der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) an. Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September war auch der bayerische Landesverband der "Linken Liste/PDS" gezwungen, entsprechende Umgruppierungen vorzunehmen. Hierzu fand am 20. Oktober in Nürnberg ein "KoordiniePDS IM" uo. B.y..". M " I . es Ni,.ot"r0 70 PDS Linke Liste Bayern Finkenstr.9 B a y e m i n f o 4 8500 Nürnberg 70 11. 12. 90 58 rungstreffen" statt, an dem sich rund 35 Personen aus zwölf örtlichen Initiativen beteiligten. Die Teilnehmer beschlossen die Auflösung der "Linken Liste/PDS" und die Gründung eines "PDS-Landesverbandes Bayern", der den Zusatz "Linke Liste" führt. Der neugegründete PDS-Landesverband kandidierte bei der Bundestagswahl in Bayern unter der Bezeichnung "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) ohne Zusatz. Von den sieben Kandidaten der ehemaligen "Linken Liste/PDS", die auf dem "Bayernkongreß" am 22. September nominiert worden waren, zogen damals zwei Bewerber ihre Kandidatur zurück. Die Teilnehmer des Treffens bestätigten die übrigen Kandidaten; gleichzeitig wählten sie eine weitere Bewerberin für die Landesliste nach. Die insgesamt sechs Bewerber umfassende bayerische Landesliste wurde von Christiane Reymann, ehemals Mitglied des DKP-Bezirksvorstandes Hamburg, angeführt. Von den weiteren fünf Bewerbern gehörte einer der DKP an; ein weiterer Bewerber ist nach eigenen Angaben Mitglied der VSP. Wahlergebnisse Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember entfielen nach dem amtlichen Endergebnis auf die Listen der PDS, die in den westlichen Bundesländern unter der Bezeichnung "PDS/Linke Liste" kandidierte, bundesweit 1.129.578 Zweitstimmen (2,4%). Ihre besten Ergebnisse erzielte sie in den Ländern der ehemaligen DDR (z.B. Mecklenburg-Vorpommern 14,2%). In den westlichen Bundesländern lagen die Ergebnisse durchwegs bei etwa 0,3%, lediglich in Hamburg und Bremen bei jeweils 1,1 %. In Bayern erreichte die Liste der PDS nur 13.722 Zweitstimmen (0,2%). Selbstverständnis Die PDS sieht sich entsprechend ihrem Statut "in der sozialistider PDS schen, kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeiterbewegung" verwurzelt. Sie erklärt, aus humanistischem und pazifistischem Gedankengut zu schöpfen und versteht sich als konsequent antifaschistische Partei. Sie stützt sich in ihrer Politik insbesondere auf das theoretische Erbe des gesamten marxistischen Denkens (Statut der PDS, angenommen auf dem Wahlparteitag der PDS am 25. Februar 1990). "Kommunistische Entsprechend ihrem Statut hat die PDS die Bildung von sogenannPlattform" ten "Plattformen" eingeräumt. So ist in der PDS auch eine "Kommunistische Plattform" verankert, die weiterhin dem dogmatischen Marxismus-Leninismus verhaftet ist und die Kommunisten in der DKP als natürliche Verbündete ansieht. 59 5. Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen -- einschl. Sitz - (z.T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise Ende 1990 und Auflagen -- z.T. geschätzt--) 1. Orthodoxe Kommunisten 1.1 Kernorganisation: Deutsche Kommunistische 1.000 Unsere Zeit (UZ) Partei (DKP) -- vierzehntägig -- 12 Bezirksorganisationen, 20.000 davon 2 in Bayern (NordMarxistische Blätter und Südbayern), aufgeteilt in -- unregelmäßig -- Kreisorganisationen und 5.000 Grundorganisationen (Orts-, DKP-Informationen und Wohngebiets-, Betriebs-, DKP-Pressedienst Hochschulgruppen) -- monatlich -- -- Essen -- DKP-INFO (für Nordbayern) Rote Rauchzeichen (für Südbayern) 1.2 Nebenorganisationen: Sozialistische Deutsche 80 Position Arbeiterjugend (SDAJ) -- alle zwei Monate 12 Landesverbände, davon 2 in YCKOPEHNE Bayern (Franken/OPf. und Südfür LV Franken/OPf. bayern) mit 3 KreisorganisatioBAYERNPRAWDA nen und Ortsgruppen, für LV Südbayern - Köln - Junge Pioniere -- Sozialisti30 sche Kinderorganisation (JP) Landesverband Franken/OPf. 1.3 Beeinflußte Organisationen: Vereinigung der Verfolgten des 500 Naziregimes -- Bund der Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland (VVN-BdA) 10 Landesvereinigungen 60 Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen -- einschl. Sitz -- (z.T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise Ende 1990 und Auflagen -- z.T. geschätzt--) Deutsche Friedens-Union 100 Bayern-Info (DFU) Bayern -- unregelmäßig -- Regionalund Bezirksverbände, regionale und überregionale Arbeitskreise -- Nürnberg -- 1.4 Sonstige Organisation: Sozialistischer Hochschulbund unter 60 frontal (SHB) -- sechsmal jährlich -- Landesverbände, Ortsgruppen 7.000 -- Bonn -- 2. Neue Linke 2.1 Kernorganisationen: Marxistische Gruppe (MG) 4.200 MSZ-Marxistische Streit-- München -- und Zeitschrift -- Gegen die Kosten der Freiheit -- sechsmal jährlich -- 18.000 Marxistische Arbeiterzeitung (MAZ) (mehr als 20 Ausgaben) -- vierzehntägig -- bis zu 20.000 Marxistische Hochschulzeitungen -- vierzehntägig -- bis zu 17.000 Marxistische Schulzeitungen -- unregelmäßig -- 7.000 Arbeiterbund für den Wieder100 Kommunistische Arbeiteraufbau der KPD (AB) zeitung (KAZ) -- München -- -- unregelmäßig -- 61 Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen -- einschl. Sitz -- (z.T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise Ende 1990 und Auflagen -- z.T. geschätzt--) Marxistisch-Leninistische Partei 100 Rote Fahne Deutschlands (MLPD) -- wöchentlich -- 16 Parteibezirke, über 100 Orts6.000 gruppen und Stützpunkte Lernen und kämpfen (luk) -- Essen -- -- monatlich -- 1.000 Bund Westdeutscher Kommu30 Politische Berichte nisten (BWK) -- vierzehntägig -- 8 Landesverbände 1.200 - Köln - Kommunistischer Bund (KB) 20 Arbeiterkampf Landesverbände -- monatlich - -- Hamburg -- 7.500 Vereinigte Sozialistische Partei 25 Sozialistische Zeitung (SOZ) (VSP) -- vierzehntägig -- Landesverbände, Ortsgruppen, 2.500 Zellen SOZ-Magazin - Köln - -- unregelmäßig -- 2.2 Nebenorganisationen: AB-Nebenorganisation: Kommunistischer Hochschulunter 50 bund (KHB) MLPD-Nebenorganisationen: Arbeiterjugendverband/Marzus. 30 Rebell xisten-Leninisten (AJV/ML) -- Beilage zur (mit der Kinderorganisation "Roten Fahne" -- "Rotfüchse") Marxistisch-Leninistischer Roter Pfeil Schülerund Studentenver-- Beilage zur band (MLSV) "Roten Fahne" -- Marxistisch-Leninistischer Arbeiter und Bauern Bund Intellektueller (MLBI) -- vierteljährlich -- 2.3 Beeinflußte Organisationen: AB-beeinflußt: Anti-Strauß-Komitee/Stoppt 90 Demokratischer Informadie Erben (ASKo) tionsdienst (DID) -- München, Regensburg -- -- unregelmäßig -- bis zu 3.000 62 Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen -- einschl. Sitz-(z.T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise Ende 1990 und Auflagen -- z.T. geschätzt--) Initiative für die Vereinigung der Kämpfende Jugend revolutionären Jugend (IVRJ) -- unregelmäßig -- -- München, Nürnberg -- Demokratischer Jugendzirkel Regensburg BWK/VSP-beeinflußt: Volksfront gegen Reaktion, 50 Antifaschistische Faschismus und Krieg Nachrichten (VOLKSFRONT) -- vierzehntägig -- - Köln - 600 3. Undogmatische Neue Linke Autonome Überwiegend: München und 300 z.T. unregelmäßig erscheiErlangen/Nürnberg nende "Szeneblätter" SABOT, radikal, Interim Bunte Hilfe Nordbayern (BHN) -- Nürnberg -- 64 2. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines Merkmale des Der Rechtsextremismus verfügt nicht über ein theoretisches SyRechtsextrestern, das über Länderund Kulturgrenzen hinweg Anspruch auf mismus Allgemeingültigkeit erhebt. Die Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland sind im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß sie die Grundlagen der Demokratie ablehnen und -- aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt -- eine totalitäre Regierungsform unter Einschluß des Führerprinzips anstreben, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, insbesondere mit dem Mehrparteienund dem Gleichheitsprinzip, nicht zu vereinbaren ist (vgl. Allgemeiner Überblick). Bestimmende Merkmale des Rechtsextremismus sind vor allem -- die pauschale Überbewertung der Interessen der "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die auf eine Aushöhlung der Grundrechte abzielt (völkischer Kollektivismus), -- ein den Gedanken der Völkerverständigung mißachtender Nationalismus, -- die offene oder verdeckte Wiederbelebung des Antisemitismus und anderer rassistischer Thesen, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, -- immer wiederkehrende Versuche, die nationalsozialistische Gewaltherrschaft unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des Dritten Reiches zu rechtfertigen, die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige Verunglimpfung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten in der Absicht, den überragenden Wert der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in den Augen der Bevölkerung zu erschüttern. Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen rechtsextremistischen Organisationen zu beobachten. Manchmal sind nur Teil- 65 aspekte bestimmend; auch die Intensität und die Mittel des Kampfes gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. Die zahlenmäßige Entwicklung rechtsextremistischer Organisationen in Bayern und ihrer Mitgliederstärke ist aus der folgenden Übersicht zu ersehen (erkannte Mehrfachmitgliedschaften sind durch Abzug bereits berücksichtigt). 1988 1989 1990 Anzahl der Organisationen 28 24 22 Mitgliederstärke der NPD mit JN und NHB 1.470 1.550 1.450 DVU einschl. Aktionsgemeinschaften 2.300 2.300 2.100 DVU-Liste D * 830 1.200 1.000 neonazistischen Organisationen 200 200 150 sonstigen Organisationen 350 350 300 5.150 5.600 5.000 Neonazistische Einzelaktivisten 60 50 40 Erkannte Rechtsextremisten insgesamt 5.210 5.650 5.040 * Hinweis: Sowohl die DVU-Liste D als auch die DVU führen in ihren Satzungen die Kurzbezeichnung "DVU". Die in diesem Bericht für die Partei gebrauchte Abkürzung "DVU-Liste D" soll eine präzisere Unterscheidung ermöglichen. Trotz deutlichen Mitgliederrückgangs stellten die Deutsche VolksDominierende union -- Liste D (DVU-Liste D) mit der ihr angeschlossenen DeutPosition der schen Volksunion e. V. (DVU) und die Nationaldemokratische ParDVU-Liste D und NPD tei Deutschlands (NPD) einschließlich ihrer Jugendund ihrer Studentenorganisation in Bayern ähnlich wie im Vorjahr rund 90 Prozent des gesamten rechtsextremistischen Potentials. Bei Wahlen ist es der NPD abermals nicht gelungen, auf die politische Willensbildung der Bevölkerung nachhaltig Einfluß zu nehmen. Das Wahlbündnis mit der DVU-Liste D scheiterte vor allem an der Haltung des Partners, der die Erfolgschancen der vereinbarten Zusammenarbeit zuletzt offenbar mit großer Skepsis beurteilte und zunehmend um Distanz zur NPD bemüht war. Nach der deutlichen Niederlage bei der Bundestagswahl 1990 geriet die NPD vorübergehend in eine tiefe Finanzund Führungskrise; zugleich erhielt die interne Diskussion um die Bildung einer neuen Rechtspartei Auftrieb. Die Lage der neonazistischen Organisationen war durch FühStagnation des rungsschwächen, Abspaltungstendenzen, rückläufige MitgliederNeonazismus zahlen und anhaltende interne Differenzen gekennzeichnet. Behördliche Exekutivmaßnahmen verunsicherten das Sympathisantenpotential und trugen zum Stagnieren öffentlichkeitswirksamer Aktionen in Bayern bei. 66 Neonazistische Die Zahl der neonazistischen und rassistischen einschließlich der Vorfälle und antisemitischen Vorfälle, bei denen ein rechtsextremistisches MoEinfluß des austiv erkennbar bzw. zu vermuten war, ist gegenüber dem Vorjahr zuländischen rückgegangen. Verringert haben sich auch die Kontakte bayeriRechtsextremisscher Neonazis zu Gesinnungsgenossen im Ausland sowie der mus rückläufig Anteil des aus dem Ausland stammenden und in Bayern verbreiteten rechtsextremistischen Propagandamaterials. Militante Neonazis, die Gewalt nicht nur befürworten, sondern auch anwenden, stellen indes nach wie vor eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit dar. Einen ständigen Unruheherd am Rande des Rechtsextremismus bilden die Skinheads, die zwar nicht pauschal und insgesamt den Neonazis zuzurechnen sind, aber bei tätlichen Auseinandersetzungen das neonazistische Gewaltpotential verstärken. Rückgang der Die Bedeutung der in Bayern ansässigen organisationsunabhängiorganisationsgen Verlage und Vertriebsdienste, die Druckerzeugnisse mit unabhängigen rechtsextremistischem Inhalt herstellten und verbreiteten, blieb naPublizistik hezu unverändert, obwohl die Gesamtauflage der periodisch erscheinenden Schriften deutlich abgenommen hat. Das Angebot richtete sich nicht nur an organisierte Rechtsextremisten, sondern zielte auch -- wie aus seiner nach wie vor beachtlichen Quantität erkennbar -- auf sonstige Personen ab, die für rechtsextremistische Vorstellungen ansprechbar sein könnten. AgitationsDa die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands erschwerpunkte klärtes Ziel aller deutschen Rechtsextremisten war, wurde der Wandel in der ehemaligen DDR auch von ihnen begrüßt. Sie sahen sich in ihrem Selbstverständnis als die wahren Sachwalter der Wiedervereinigung Deutschlands bestätigt und wähnten sich schon auf dem Weg zu einem neuen Großdeutschland. Die bedeutenderen rechtsextremistischen Gruppierungen in der Bundesrepublik Deutschland versuchten, auf die Entwicklung des Vereinigungsprozesses in der DDR einzuwirken und dort neue Anhänger zu finden. Zu den Schwerpunkten ihrer Agitation gehörten die MoWiederdalitäten und Folgen der sich abzeichnenden Wiedervereinigung, vereinigung insbesondere die Frage des Verzichts auf die deutschen Ostgebiete und die Bündniszugehörigkeit des vereinten Deutschlands. Im Bundesgebiet wandten sie sich an Aussiedler und Übersiedler aus dem Gebiet der bisherigen DDR, wobei sie versuchten, mit Hinweisen auf Arbeitsplatzmangel und Wohnraumnot fremdenfeindliche Vorurteile zu fördern und für die von ihnen propagierte Änderung der Ausländerund Asylpolitik zu werben. Alsbald mußten sie jedoch feststellen, daß ihre Bemühungen, in den fünf neuen Ländern organisatorisch Fuß zu fassen und aus der deutschen Wiedervereinigung politisches Kapital zu schlagen, ohne nennenswerte Erfolge blieben und der Motivationsschub ihrer Anhänger mit Vollendung der deutschen Einheit erheblich nachließ. 67 Daraufhin suchten sie neue Chancen durch verstärkte Angriffe geOder-NeißeLinie gen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze im deutsch-polnischen Grenzvertrag. Ein weiteres Agitationsthema war die Annexion von Kuwait durch Golfkonflikt irakische Truppen am 2. August. Die dadurch ausgelöste Golfkrise nahmen Rechtsextremisten zum Anlaß einer breiten, mit antiisraelischen Argumenten verbundenen Kampagne gegen die USA, die aufgrund ihrer Passivität sowohl gegenüber der Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlands durch Israel als auch gegenüber der "erzwungenen" Anerkennung des "Raubs von Ostdeutschland" moralisch nicht legitimiert seien, dem Selbstbestimmungsrecht der Völker zur Geltung zu verhelfen. 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 2.1 Ideologisch-politischer Standort Obwohl die NPD in ihrem Parteiprogramm "Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft" betont, sie trete für die freiheitliche demokratische Grundordnung ein, lehnt sie wesentliche Prinzipien dieser Grundordnung ab. Die Unterschiede zwischen der Staatsund Gesellschaftsordnung des Grundgesetzes und den Vorstellungen der NPD beruhen vor allem auf unvereinbar gegensätzlichen Auffassungen zur Stellung des Einzelnen in der Gemeinschaft und zur Stellung des Staates ihm gegenüber. Die NPD gibt dem Staat vor dem Einzelnen den Vorrang. Sie tarnt diese Haltung hinter einem Bekenntnis zur "souveränen VolksherrVölkischer schaft", die insbesondere durch ein "ausgewogenes Verhältnis Kollektivismus zwischen individueller Freiheit und dem Recht der Gemeinschaft" gekennzeichnet sei. Der Primat des Individuums vor dem Staat, wie er sich aus' Art. 1 des Grundgesetzes ergibt, ist damit in der von der NPD propagierten "Gemeinschaft des Volkes" nicht mehr im erforderlichen Umfang gewährleistet. Die pauschale Überbewertung der "Volksgemeinschaft" im Sinne eines völkischen Kollektivismus knüpft an ein Leitbild an, das wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war. Die Absicht, Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft durch die uneingeschränkte Unterordnung des Einzelnen unter nicht näher definierte Gemeinschaftsinteressen aufzuheben, ist mit den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten nicht vereinbar und verkennt, daß die Menschenrechte des Einzelnen originär sind und sich nicht von einer "Volksgemeinschaft" ableiten lassen. Ferner klingen in den Veröffentlichungen der Partei nach wie vor Nationalismus und rassistische und nationalistische Zielsetzungen und Denkweisen Rassismus an. Ihre für Rechtsextremisten charakteristische Ablehnung alles Andersartigen, hinter der sich die Überzeugung von der Höherwertigkeit der eigenen Rasse und Nation verbirgt, versucht die 68 Aufkleber der NPD ASYLBETRÜGER RAUS! Deutschland den Deutschen Nationaldemolcraten NPD unter Berufung auf die "Vielfalt des Lebens und seiner Erscheinungen" zu rechtfertigen, wobei sie sich als Gegnerin des "längst überholten Dogmas der vorgeblichen Gleichheit aller Menschen" präsentiert. Entsprechend dieser Grundeinstellung, die auf ihrem vermeintlich "lebensrichtigen Menschenund Weltbild der Ungleichheit" beruht, behandelt die Partei das Ausländerund Asylantenproblem vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der "Umvolkung" bzw. "Überfremdung" und vertritt die Auffassung, die als "Integration" getarnte "Zwangsgermanisierung" der hier lebenden Ausländer trage zum Verlust unserer "nationalen Identität" bei. Deutschland müsse das Land der Deutschen bleiben und dürfe sich nicht "in die von den Zerstörern geplante 'multikulturelle und multirassistische Gesellschaft' verwandeln lassen". Im Zusammenhang mit der Abtreibungsproblematik lehnt die Partei die "Tötung deutschen Lebens wegen sozialer Not" entschieden ab und tritt dafür ein, solchem "Mord an unserem Volkskörper" durch Abschaffung des Kindergeldes zugunsten eines "nur für die Mütter aus unserem Volk" bestimmten Muttergehaltes entgegenzuwirken. Bemerkenswert daran ist, daß sich die NPD nicht generell gegen jede Abtreibung aus sozialer Indikation wendet, sondern nur dann, wenn "Frauen aus unserem Volke" betroffen sind. Die nationalistische Zielsetzung der NPD wurde auch in ihren Verlautbarungen zur Wiedervereinigung und zum Golfkonflikt deutlich. So forderte die Partei, die "Verschleuderung deutscher Steuergelder an alle Welt" zu stoppen; jetzt müsse "Mitteldeutschland Vor- 69 rang haben". Auch die "deutschen Provinzen östlich von Oder und Neiße" gehörten zum "Besitz des ganzen deutschen Volkes". Polen habe selbstverständlich ein Recht auf gesicherte Grenzen, aber nicht auf eine "Westgrenze mitten durch Deutschland". Zum Golfkonflikt erklärte die Partei, dabei gehe es um "strategische Positionen beim Versuch der USA, zur unangefochtenen Führungsmacht aufzusteigen". Wir Deutschen hätten "nicht den geringsten Grund, den Hilfssheriff der USA zu spielen" und dadurch europäischen, vor allem aber deutschen Interessen zuwiderzuhandeln. Wie in den Vorjahren verzichtete die Partei weitgehend auf VersuNS-Apologie che, das NS-Regime zu rechtfertigen, und beschränkte sich im wesentlichen auf Kritik an der "Vergangenheitsbewältigung". So behauptete sie, die "ständigen Wiederaufbereiter des thematischen Dauerlutschers 'NS-Verbrechen'" in Presse und Politik stünden mit "unnachahmlicher Betroffenheitsmimik" seit Jahren "unerschrokken an der Front der Vergangenheitsbewältigung" und schürften immer Abenteuerlicheres aus den Tiefen der jüngsten deutschen Geschichte, die sie "längst erfolgreich zu einem Kriminalmuseum entstellt" hätten. Mittlerweile seien jedoch "viele der großen Geschichtslügen ins Wanken" gekommen, darunter auch die angebliche Zahl von vier Millionen Todesopfern im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz. Zu den Hauptangriffszielen der Partei gehören nach wie vor die deDiffamierung mokratischen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland und demokratischer ihre Repräsentanten. Dabei tritt an die Stelle konstruktiver Kritik an Institutionen im einzelnen tadelnswerten Mißständen eine bewußt entstellende und überspitzt verallgemeinernde Form der Darstellung. So sprach sich die NPD dafür aus, im Zuge der Wiedervereinigung die "stasiähnlichen Institutionen wie Verfassungsschutz und MAD ersatzlos verschwinden zu lassen". Ferner bezeichnete sie demokratische Politiker als "Überfremdungsextremisten", "Schwätzer" und "Ausländer-Integrations-Fanatiker", die "unser Land entvolken" wollten. Im Parlament habe sich "offenbar eine volksferne Feudal-Klasse etabliert, die jeden Bezug zum schaffenden Volk verloren hat". Diese diffamierende Polemik läßt darauf schließen, daß die NPD die Prinzipien des Mehrparteiensystems und der Chancengleichheit der Parteien trotz ihres formalen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt. Nach Vorstellung der NPD soll Deutschland nach der WiedervereiNeutralismus nigung als ein souveräner und militärisch neutraler Staat "weder West noch Ost gehören, sondern friedliche Brücke zwischen Ost und West sein", wie es seiner historischen und geographischen Funktion entspreche. Der "Verbleib in einem alliierten Paktsystem" 70 sei nur als Übergangslösung akzeptabel und müsse "alsbald durch einen Status der Blockfreiheit und nationalen Unabhängigkeit abgelöst werden". 2.2 Organisation Die am 28. November 1964 in Hannover von Funktionären der ehemaligen Deutschen Reichspartei (DRP) gegründete NPD zählte Rückgang der Mit1990 in den alten Bundesländern rund 6.500 Mitglieder (1989: gliederzahl 7.000). Für die fünf neuen Länder liegen noch keine Zahlen vor. Der Parteivorsitzende Martin Mußgnug, der die NPD seit 1971 leitete und auf dem 23. Ordentlichen Bundesparteitag am 19./20. Mai wiedergewählt wurde, erklärte Mitte Dezember -- nach Angaben der Partei wegen des schlechten Bundestagswahlergebnisses -- seinen Rücktritt. Inoffiziellen Verlautbarungen zufolge sollen er und weitere Parteivorstandsmitglieder wegen Differenzen in der Frage der Gründung einer neuen Rechtspartei, in der die NPD aufgehen Führungswechsel könne, zu diesem Schritt gedrängt worden sein. Die kommissarische Leitung der Partei bis zum nächsten Bundesparteitag übernahm der bayerische Landesvorsitzende Walter Bachmann, einer der bisherigen Stellvertreter des Bundesvorsitzenden. Stellvertretende Parteivorsitzende blieben der Generalsekretär der Partei Ulrich Eigenfeld und der Vorsitzende des Landesverbandes BadenWürttemberg Jürgen Schützinger. Vereinigung mit Auf einem außerordentlichen Bundesparteitag am 7. Oktober in Erder Schwesterfurt/Thüringen vereinigte sich die NPD mit ihrer Anfang 1990 in der partei in der damaligen DDR gegründeten Schwesterpartei "Mitteldeutsche NaDDR tionaldemokraten" (MND), die sich am 19. August in "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" umbenannt hatte. Als zusätzlichen stellvertretenden Parteivorsitzenden wählten die Delegierten den Vorsitzenden der ehemaligen MND Dr. Rainer Prigge. Organisation Der Landesverband Bayern mit Sitz in München zählt rund 1.300 in Bayern (1989: 1.400) Mitglieder (ohne JN und NHB). Er gliedert sich in sieben Bezirksund rund 60 Kreisverbände, von denen aber mehr als die Hälfte nicht aktiv ist. Publikationen Als Organ der NPD erscheint im parteieigenen Verlag in Stuttgart und Schulungsdie Zeitung "Deutsche Stimme" wie im Vorjahr mit einer durchmittel schnittlichen monatlichen Auflage von rund 200.000 Exemplaren. Als Argumentationshilfe für die Mitglieder gibt der Parteivorstand die Presseinformation "Neuer politischer Dienst" und das Schulungsblatt "NPD-Forum" heraus. Das Mitteilungsblatt "BayernStimme" des Landesverbandes Bayern wurde 1990 nicht mehr festgestellt. Der "NPD-Frankenspiegel" des Bezirksverbandes Mittelfranken, der "Oberland-Report" des Bezirksverbandes München-Oberbayern und die unregelmäßig erscheinenden Publikationen einzelner Kreisverbände haben nur regionale Bedeutung. 71 Parteiorgan NPD: Einen besseren Staat schaffen mm lesen und der NPD weiterDEUTSCHESTIMME Das ganze Deutschland soll es sein! 5. J a h r g a n g N r 1 1 / NatlonaktomokrtflecheZettung Gegen Überfremdung und Asvlantenkatastrophe: Zur Wahl gehen, NPD wählen! Ein im Herbst 1985 in Iseo (Oberitalien) eröffnetes Bildungszentrum, das der Heranbildung von Führungskräften dient, wurde auch von Angehörigen der MND genutzt. In ihrem Rechenschaftsbericht nach dem Parteiengesetz wies die Prekäre NPD für 1989 Gesamteinnahmen von rund 2,7 Millionen DM (1988: Finanzlage 3,7 Millionen) aus, von denen 600.720 DM auf Mitgliedsbeiträge und 1.392.973 DM auf Spenden entfielen. Beim Landesverband Bayern sind für 1989 Gesamteinnahmen von 328.490 DM ausgewiesen, davon 56.593 DM an Mitgliedsbeiträgen und 248.187 DM an Spenden (Bundestagsdrucksache 12/72). 2.3 Beteiligung an Wahlen Die NPD, die im Vorjahr bei Wahlen noch vereinzelte örtliche AchBayerische Komtungserfolge verbuchen konnte, hat 1990 ihre Wahlziele deutlich munalwahlen verfehlt. Bei den bayerischen Kommunalwahlen am 18. März kandidierte sie teils mit eigenen Wahlvorschlägen, teils auf Listenverbindungen in mehreren Gemeinden, Landkreisen und kreisfreien Städten. Sie errang lediglich auf einer Listenverbindung ein Kreistagsmandat im Landkreis Neumarkt i. d. OPf., während bei den Kommunalwahlen 1984 immerhin noch fünf NPD-Kandidaten Mandate in kommunalen Vertretungskörperschaften erreicht hatten. Wegen dieses Mißerfolgs, aber auch aufgrund der angespannten Finanzlage verzichtete daraufhin die bayerische NPD trotz großer interner Widerstände auf eine Beteiligung an der Landtagswahl am 14. Oktober. Der Landesvorsitzende Walter Bachmann rief statt dessen zum Boykott dieser Wahl auf; Wahlenthaltung könne nämlich auch "ausnahmsweise als Protest wirken sowie Selbstgerechtigkeit und Machtrausch mancher Parteioberen stoppen". 72 Bundestagswahl An der Bundestagswahl am 2. Dezember nahm die NPD in allen Stimmkreisen Bayerns mit Listenund Direktkandidaten teil. Als Wahlziel hatte sich die Partei einen Stimmenanteil von mindestens 0,5 Prozent gesetzt, um in den Genuß der Wahlkampfkostenerstattung zu kommen. In ihrem Wahlprogramm präsentierte sich die NPD als eine Partei, die "konsequent für die Interessen des deutschen Volkes eintritt". Sie bekannte sich zur "Bewahrung jeder nationalen Eigenart und Kultur" und wandte sich daher gegen eine Politik, die "die Überfremdung unseres Landes zur Folge hat". Ferner kritisierte sie die "Verschleuderung deutscher Gelder an alle Welt" und trat für eine "Konzentration auf die vielfältigen Aufgaben im neuvereinten Deutschland" ein. Einen weiteren Schwerpunkt ihres Wahlkampfs bildete die Agitation gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze. Die Partei hoffte, damit vor allem Stimmen Heimatvertriebener und "gesamtdeutsch Denkender" gewinnen zu können. Eine nennenswerte Unterstützung ihres Wahlkampfes entsprechend dem mit der DVU-Liste D geschlossenen Abkommen war nicht festzustellen; offenbar beurteilte auch der Bündnispartner die Erfolgschancen der NPD mit großer Skepsis. Nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl erhielt die NPD insgesamt 145.776 (1987: 227.054) Zweitstimmen (0,3%; 1987: 0,6%). Die meisten Zweitstimmen (31.738; 1987: 54.996) konnte sie -- trotz erheblicher Verluste -- noch in Baden-Württemberg (0,6%; 1987: 1,0%) erreichen. In den fünf neuen Ländern lagen ihre Stimmenanteile zwischen 0,1 und 0,3%. Besonders enttäuschend für die Partei war das Ergebnis in Bayern, wo die NPD mit 14.218 (1987: 42.813) Zweitstimmen nur noch einen Stimmenanteil von 0,2% (1987: 0,6%) erzielte. Das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl hat zur Folge, daß die NPD die bisherigen Wahlkampfkostenvorauszahlungen in Höhe von rund 820.000 DM zurückerstatten muß. Sie geriet damit vorübergehend in eine bedrohliche finanzielle Krise. In einem internen Schreiben an die Mitglieder des Parteivorstands vom 5. Dezember erklärte der Parteivorsitzende, angesichts eines Schuldenstandes von rund 1,5 Millionen DM und eines nicht gedeckten zusätzlichen monatlichen Bedarfs von 25.000 DM sehe er keine Möglichkeit für eine Weiterarbeit. Er schlage vor, die Bildung einer neuen Organisation* zu erwägen, die den politischen Vorstellungen der NPD entspreche und deren Mitgliedern eine neue politische Heimat bieten könne. * Unter Mitwirkung von Mußgnug und weiteren bekannten Rechtsextremisten konstituierte sich inzwischen am 18. Januar 1991 in München die "Deutsche Allianz -- Vereinigte Rechte". Ziel dieser Vereinigung ist es, die "Einheit des nationalen Lagers" zu verwirklichen und die Chancen für eine neue "Sammlungspartei der demokratischen Rechten" auszuloten. In der Öffentlichkeit gab sich die NPD demgegenüber zuversichtlicher und äußerte zum Wahlausgang, ihr jetziger Mißerfolg werde nicht andauern, da die "brennenden Probleme Deutschlands" nicht gelöst seien und die politischen Entwicklungen stürmisch weitergingen. Auch nach dem Rücktritt des Parteivorsitzenden Martin Mußgnug auf einer Vorstandssitzung am 15./16. Dezember war sich der Parteivorstand darin einig, die NPD als ein "unverzichtbares Instrument im Kampf für deutsche Interessen" zu erhalten und die Partei sowohl im administrativen als auch im "geistigpolitischen Bereich" einer grundlegenden Reform zu unterziehen. Insbesondere wurden drastische Sparmaßnahmen eingeleitet. 2.4 Sonstige Aktivitäten Am 19./20. Mai führte die NPD im Helmstedt/Niedersachsen ihren 23. Ordentlichen Bundesparteitag durch. Daran beteiligten sich rund 700 Personen, darunter etwa 250 Delegierte, die bei der Neuwahl des Parteivorstands den damaligen Bundesvorsitzenden Martin Mußgnug in seiner Funktion bestätigten. Zu seinen Stellvertretern wurden Walter Bachmann, Ulrich Eigenfeld und Jürgen Schützinger gewählt. Der bisherige stellvertretende Parteivorsitzende und Generalsekretär Walter Seetzen hatte aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Zum Wahlbündnis mit der Deutschen Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D) äußerte Mußgnug, daß sich die NPD weiterhin an die getroffenen Abmachungen halte, so wie auch der DVU-Vorsitzende Dr. Frey dies bisher getan habe. Allerdings gab er zu verstehen, daß die bisherige Kooperation der NPD nicht den erhofften Aufschwung gebracht habe, zumal politische Impulse des Bündnispartners ausgeblieben seien; unter diesen Umständen sei eine Fortsetzung des Bündnisses über die Bundestagswahl 1990 hinaus wenig sinnvoll. In einer einstimmig gebilligten Resolution wiesen die Delegierten polnische "Gebietsansprüche an Deutschland" zurück und betonten, Polen bekomme erst dann eine gesicherte Westgrenze, wenn es die von ihm besetzten deutschen Gebiete dem rechtmäßigen Besitzer, nämlich dem deutschen Volk, zurückgebe. Unter dem Motto "Heimat erhalten -- Zukunft gestalten" hielt der NPD-Landesverband Bayern am 27. Mai in Moosburg a. d. Isar seinen Parteitag ab. Der wiedergewählte Landesvorsitzende Walter Bachmann griff in seinem politischen Bericht die "verfassungsfeindliche Verfolgungspraxis der Bayerischen Staatsregierung gegen Staatsund verfassungstreue Nationaldemokraten" an, die den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien verletze. Die Delegierten billigten einen Initiativantrag mit der Forderung, die "auf alliierter Kriegspropaganda beruhenden Geschichtsverzerrun- 74 gen", die auch heute noch in die Deutschland betreffende Politik einflössen, endlich zu beenden. Darüber hinaus trat die bayerische NPD u. a. mit "Reichsgründungsfeiern" im Januar, dem "Politischen Aschermittwoch" im Februar in Niederbayern, der "Aktion Mauerbau" Mitte August in München und mit Sonnwendfeiern im Juni und Dezember in Erscheinung. 2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) IdeologischDie JN als Jugendorganisation der NPD sind nach ihrem Statut zur politischer aktiven Mitarbeit in den Gremien der NPD verpflichtet. Sie bekenStandort nen sich in Ideologie und Zielsetzung zum Programm der Mutterunverändert partei, artikulieren und verhalten sich aber auch in der Öffentlichkeit wesentlich aggressiver. So wenden sie sich an Jugendliche mit dem Angebot, die von den "Systembonzen" vernachlässigten Alltagsprobleme in einer "starken Gemeinschaft" lösen zu wollen. Ihrem Selbstverständnis als "Bollwerk gegen die Umerziehung" entsprechend agitierten sie ferner gegen den "Linkslehrerterror", der mit Methoden der "Volksverdummung" versuche, "komplette Generationen junger Deutscher geistig zu verseuchen" und ihnen "den Nationalstolz zu stehlen". Weitere Angriffe richteten sich gegen die "Nationalverräter" in den "Systemparteien", die in erster Linie nach "Ämtern, Posten und Macht" strebten, anstatt konstruktive Arbeit für ein besseres Deutschland zu leisten. Es gelte zu verhindern, daß "die Spaltungsgewinnler und 'Westliche-Wertegemeinschafts-Fanatiker' sich weiter durchsetzen" und "einen weiteren Teil unseres Landes in ihre goldenen Ketten schlagen". VereinigungsUnter dem Motto "Einheit und Kampf" hielten die JN am 29./30. kongreß September in Leipzig ihren Bundeskongreß ab, auf dem sie sich mit der gleichnamigen Jugendorganisation der in der damaligen DDR bestehenden Schwesterpartei der NPD vereinigten. Zum neuen Bundesvorsitzenden wählten die Delegierten Frank Kolender aus Leipzig. Rückläufige Der Aufwärtstrend der letzten Jahre setzte sich nicht fort. Während Mitgliederzahl die JN im Vorjahr in den alten Bundesländern noch rund 900 Mitglieder hatten, verringerte sich deren Anzahl im Berichtsjahr auf etwa 800. Auch in Bayern war die Entwicklung mit rund 150 (1989: 170) Mitgliedern leicht rückläufig. In Bayern Auf dem JN-Landeskongreß am 14. Juli in Höchstadt a. d. Aisch, wenig aktiv Landkreis Erlangen-Höchstadt, wurde Christian Ehrenstraßer aus Forstinning, Landkreis Ebersberg, zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Nennenswerte Aktivitäten entwickelten 1990 lediglich die Bezirksverbände Mittelfranken und München-Oberbayern. Im wesentlichen beteiligten sich JN-Mitglieder an Aktionen der Mutterpartei, für die sie auch bei der Kommunalund Bundestagswahl 75 als Direktbzw. Listenbewerber kandidierten. In einem Flugblatt mit der Überschrift "Ostdeutschland ist unser!" protestierten die bayerischen JN dagegen, daß als "Preis für die Vereinigung BRD/ DDR" die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie "vorzugsweise den polnischen Chauvinisten in den Rachen geworfen werden" sollten. Es sei verfehlt, nunmehr auf die "sogenannten deutschen Politiker" zu hoffen, die sich in ihrer "Anbiederungspolitik gegenüber polnischen Provokationen" geradezu überschlügen. 3. Deutsche Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D) 3.1 Ideologisch-politischer Standort Die DVU-Liste D hat sich ihrem Programm zufolge das Ziel gesetzt, Allgemein formuden "Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von Hertes Programm ihm zu wenden". Ihr "ganzes Streben gilt der Durchsetzung von Recht und Freiheit für das deutsche Volk und Vaterland, eines gleichen Rechts für alle Deutschen". Das Parteiprogramm ist -- wie schon an den vorstehend zitierten Schlußpassagen erkennbar -- bewußt allgemein formuliert, um politischen Gegnern möglichst wenig Angriffsflächen zu bieten. Die Partei setzt sich mit Parolen wie "Deutschland soll deutsch bleiben", "Deutschland zuerst" und "Gleichberechtigung für das deutsche Volk" dafür ein, den Ausländeranteil zu begrenzen, den "zunehmenden Ausländerzustrom" in das Bundesgebiet zu stoppen und die "Zuweisung von Kollektivschuld und Kollektiwerantwortung an die Deutschen" einzustellen. 76 Die am Programm nicht ohne weiteres erkennbare rechtsextremistische Grundhaltung der Partei wird erst an den ihr zurechenbaren Äußerungen führender Funktionäre sowie am Inhalt ihrer publizistischen Sprachrohre deutlich, die im Verlag des Bundesvorsitzenden Dr. Frey erscheinen. Einen Agitationsschwerpunkt bildeten darin Versuche, die NS-Zeit durch Leugnung oder Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu rechtfertigen NS-Apologie bzw. zu verharmlosen. In diesem Zusammenhang wandte sich die Partei gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze. Außerdem propagierte sie die Thesen der sogenannten "Revisionisten", die in Wort und Schrift insbesondere den planmäßigen Massenmord an Juden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bestreiten. So behauptete der Parteivorsitzende, sowohl im Bundesgebiet als auch in der DDR seien "viele Schlüsselpositionen insbesondere der Politik und Kultur zu Opfern zahlreicher Umerziehungs-Thesen geworden". Im Mittelpunkt stehe "die Absurdität deutscher Alleinund Totalschuld". Verschwiegen würden hingegen insbesondere die "Entrechtung und Versklavung der deutschen Minderheit im polnischen Staatsgebiet, die erzwungene Flucht von mehr als einer Million Deutschen in das Reich" und "die rigorose Ablehnung aller Kompromißvorschläge durch Warschau im Sommer 1939". Das "Menschheitsverbrechen der Vertreibung von 12 Millionen Deutschen und der damit verbundenen Ermordung von drei Millionen" könne durch die von "antideutscher und nationalmasochistischer Seite" geforderte "Garantie der Oder-Neiße-Grenze" keineswegs legitimiert werden. Auch die publizistischen Sprachrohre der Partei kritisierten die "einseitige Vergangenheitsbewältigung", die sich "haarsträubender Kollektivanklagen gegen das ganze deutsche Volk" bediene, und verwieAufkleber der DVU-Liste D Ich bin stolz DEUTSCHER lusein Uvu DEUTSCHE UOIKSUNION UstaV 77 sen auf "gebetsmühlenartig verbreitete antideutsche Geschichtsfälschungen" wie die behauptete Zahl von vier Millionen Todesopfern im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz, die "nunmehr der Reihe nach platzen". Breiten Raum nahmen außerdem vorwiegend nationalistisch geNationalismus prägte Aussagen zum Ausländerproblem ein. So warnte die Partei vor einer "Ausländer-Invasion nach Deutschland" und betonte, auch die "um die ehemalige DDR erweiterte Bundesrepublik" könne "nicht das Sozialamt der ganzen Welt sein". Der anhaltende Zustrom von Asylbewerbern werde "von Feinden deutscher Lebensinteressen als Waffe gegen das sich vereinende Deutschland gesehen". Ziel sei die "Entdeutschung der hiesigen Bevölkerung", wobei man beabsichtige, Ausund Übersiedler "auf eine Stufe mit Asyl-Schwindlern aus fernen Kulturkreisen zu stellen". Des weiteren behaupteten die publizistischen Sprachrohre der Diffamierung DVU-Liste D, an die Schalthebel der Macht würden immer mehr demokratischer Politiker "vorrobben", die nur noch wie "abgespielte Protagonisten Institutionen in irgendeiner politischen Schmierenkomödie" wirkten und "als Morgenthaus Spießgesellen nationale Demontage am laufenden Band" betrieben. Insbesondere griffen sie die "nationalmasochistischen Exzesse" des Bundespräsidenten an, der sich "vor den Karren der Geschichtsklitterung spannen" lasse und sich die "hymnische Zuneigung der Meinungsindustrie rund um die Welt" sichere, indem er bei jeder Gelegenheit das deutsche Volk anklage und dabei selbst Generationen Ungeborener in Kollektiwerantwortung nehme. Der Bundesvorsitzende Dr. Frey war früher ein Befürworter der ZuNeutralismus und gehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland zur NATO. Nach dem AntiamerikanisZustandekommen des Wahlbündnisses mit der NPD näherte er mus sich 1988 dem neutralistischen Kurs der NPD an und forderte ein "blockfreies Gesamtdeutschland". Sein einstiger nachhaltiger Antikommunismus ist inzwischen weitgehend hinter einem zunehmend stärker werdenden kämpferischen Antiamerikanismus sowie einer engagierten Ablehnung der NATO und der Europäischen Gemeinschaft zurückgetreten, die nach seinem Verständnis die deutsche Souveränität bedrohen. So nahm er den Golfkonflikt zum Anlaß für eine Kampagne, die sich vor allem gegen das militärische Engagement der USA, aber auch gegen die Politik Israels richtete. Die in seinem Verlag erscheinenden Wochenzeitungen behaupteten, der arabische Raum habe schon immer zu den bevorzugten Zielen des "US-Imperialismus" gehört. Zentrales Motiv des amerikanischen Engagements am Golf sei die Erhaltung der militärischen Überlegenheit Israels gegenüber seinen arabischen 78 Nachbarn. Die "von Juden maßgeblich mitbestimmte Politik der USA" scheue "selbst einen umfassenden Krieg mit unkalkulierbaren Folgen nicht, um eine Entwicklung zu stoppen, an deren Ende dem Judenstaat eine Fortsetzung seiner Raubpolitik verunmöglicht würde". Wenn die USA jede von Israel mißachtete UNO-Resolution mit militärischer Gewalt durchgesetzt hätten, wäre "der Judenstaat längst pulverisiert". 3.2 Organisation Die DVU-Liste D wurde am 5. März 1987 in München unter maßgeblicher Beteiligung von Mitgliedern und Funktionären der NPD und der bereits seit 1971 bestehenden "überparteilichen" Deutschen Volksunion e. V. (DVU) gegründet. Sie zählte Ende 1990 einschließlich der im Vorjahr nach einer Satzungsänderung übernommenen Vereinsmitglieder der DVU nach Erkenntnissen des VerfasAbnehmende sungsschutzes bundesweit rund 22.000 (1989: 25.000) Mitglieder, Mitgliederzahlen davon etwa 3.100 (1989: 3.500) in Bayern. Bundesvorsitzender ist der Verleger Dr. Gerhard Frey aus München. Seine Stellvertreter sind Gerhard Wilke und Wilhelm Crinius aus Niedersachsen. Ende 1990 verfügte die Partei in den alten Bundesländern einschließlich Berlin über Untergliederungen auf Landesund Kreisebene. In Bayern bestehen die Bezirksverbände Oberbayern, Niederbayern, Mittelfranken, Oberpfalz und Schwaben sowie 15 Kreisverbände und vier Ortsverbände in München. Auf Mitgliederebene gibt es vereinzelte Bestrebungen, Organisationen auf dem Gebiet der fünf neuen Länder aufzubauen. Nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden sind solche Bemühungen bisher nur wenig erfolgreich gewesen. Im Verlag des Parteivorsitzenden erscheinen die "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ), der "Deutsche Anzeiger" (DA) und die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ). Diese teilweise inhaltsgleichen Wochenzeitungen fungieren als Werbeträger und publizistische Sprachrohre sowohl der DVU-Liste D als auch der DVU. Defizitäre In ihrem Rechenschaftsbericht nach dem Parteiengesetz wies die Finanzlage DVU-Liste D für 1989 Gesamteinnahmen von rund 8,4 Millionen (1988: 1,3 Millionen) DM aus, von denen 1.117.179 (1988: 113.834) DM auf Mitgliedsbeiträge, 3.538.856 (1988: 1.196.362) DM auf Spenden und 3.683.193 DM auf Wahlkampfkostenerstattung entfielen. Demgegenüber betrugen allein die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit und Wahlen nahezu 15 Millionen DM. 3.3 Wahlbündnis mit der NPD Nach Jahren gegenseitiger Rivalität bzw. Nichtbeachtung hatten sich 1987 die NPD und die DVU-Liste D überraschend zur "Allianz 79 der Nationalen" zusammengefunden. Sie vereinbarten, daß bei für sie wichtigen Wahlen jeweils nur eine Partei antreten sollte. Die andere sollte mit Kandidaten auf der Liste der an der Wahl teilnehmenden Partei vertreten sein und diese im Wahlkampf unterstützen. Diese Wahlabsprache war bis zur Bundestagswahl 1990 befristet. Der NPD kamen so die Finanzkraft und das Propagandainstrumentarium des Verlegers und Bundesvorsitzenden der DVUListe D Dr. Gerhard Frey zugute, während die DVU-Liste D aus der strafferen Organisation des Bündnispartners Nutzen ziehen konnte, die einen besseren Wahlkampf vor Ort ermöglichte. 1987 und 1988 konnte das Wahlbündnis einige bemerkenswerte Achtungserfolge erzielen. Seit der Europawahl am 18. Juni 1989, bei der die DVU-Liste D trotz Einsatzes erheblicher finanzieller Mittel mit einem Stimmenanteil von 1,6 Prozent ihr Wahlziel deutlich verfehlte, wich die ursprüngliche Euphorie jedoch der ernüchternden Erkenntnis, daß dem Wahlbündnis aufgrund der Konkurrenz durch die "Republikaner" ein dauerhafter politischer Erfolg wohl nicht beschieden sein könne. Die Erfolgsaussichten sah man zusätzlich durch die innerdeutsche Entwicklung gemindert, weil die "etablierten" Parteien auch die deutschlandpolitischen Themen der NPD und DVU-Liste D besetzten. In der Folgezeit kühlte das Verhältnis der beiden Parteien zueinander merklich ab. Dr. Frey zog sich mehr und mehr aus dem Wahlbündnis zurück. Die der NPD für die Wahlen des Jahres 1990 zugesagte Unterstützung blieb -- bis auf vereinzelte Listenverbindungen bei den Kommunalwahlen in Bayern und Schleswig-Holstein am 18. bzw. 25. März 1990 -- aus. Einzige nach außen hin sichtbare Hilfe im Bundestagswahlkampf 1990 war eine in Dr. Frey's Wochenzeitungen im September mehrfach veröffentlichte Anzeige, in der die Partei um Unterstützungsunterschriften für die NPD warb. Dieser halbherzige Aufruf und die Art seiner Präsentation, fast versteckt im Anzeigenteil der Zeitungen, illustrierten das inzwischen wieder äußerst distanzierte Verhältnis der beiden Parteien zueinander. Im Ergebnis bleibt festzustellen, daß die politische Allianz zwischen NPD und DVU-Liste D faktisch schon lange vor der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 zerfallen war und von beiden Partnern als eindeutiger Fehlschlag bewertet wurde. 34 Aktivitäten Unter dem Motto "Wiedervereinigung jetzt" führte die DVU-Liste D Großkundgebung am 10. März in der Passauer Nibelungenhalle ihre alljährliche in Passau Großkundgebung durch. Daran beteiligten sich etwa 4.000 Personen, darunter auch Gäste aus Österreich und Südtirol sowie zahlreiche Besucher aus der damaligen DDR. Der Parteivorsitzende Dr. Gerhard Frey sprach sich als Hauptredner für eine schnelle 80 Wiedervereinigung nach Art. 23 GG aus. Das wiedervereinte Deutschland müsse entweder aus der NATO austreten oder dürfe nur noch politischer Partner der NATO sein. Abzulehnen seien sowohl eine entmilitarisierte Zone auf DDR-Gebiet als auch ein Friedensvertrag. Man wolle keineswegs auf die deutschen Ostgebiete verzichten; Schlesien bleibe ein Teil Deutschlands. Das angekündigte Referat des britischen Schriftstellers David Irving zum Thema "Moskaus neue Deutschlandpolitik" entfiel, da die Ausländerbehörde gegen Irving ein Redeverbot verfügt hatte. Die gerichtliche Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit dieses Verbots ist noch nicht abgeschlossen. 4. Deutsche Volksunion e. V. (DVU) 4.1 Ideologisch-politischer Standort Übereinstimmung Die DVU, die keine politische Partei ist, entspricht ideologisch der mit der DVUDVU-Liste D. Auch ihr Erscheinungsbild ist im wesentlichen durch Liste D eine vorwiegend nationalistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit, gelegentlich auch durch eine Vermengung von Antisemitismus und Antizionismus gekennzeichnet. Hinzu kommen Versuche, die NS-Zeit durch Leugnung oder Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu rechtfertigen bzw. zu verharmlosen. Außerdem diffamiert die DVU demokratische Institutionen und deren Repräsentanten. Wie die DVU-Liste D ist sie seit 1988 auf den nationalistisch-neutralistischen Kurs der NPD eingeschwenkt, während sie früher die Notwendigkeit einer Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Verteidigungsbündnis betont hatte. 4.2 Organisation Die DVU wurde im Jahre 1971 in München als Auffangbecken für ehemalige NPD-Anhänger gegründet. Nach ihrer Satzung haben die Mitglieder außer der Zahlung monatlicher Beiträge keine weiteren Verpflichtungen. Abnehmende Die DVU zählt derzeit im Bundesgebiet zusammen mit ihren AkMitgliedertionsgemeinschaften nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzzahlen behörden rund 11.500 (1989: 12.500) Mitglieder, davon etwa 2.100 (1989: 2.300) in Bayern. Bundesvorsitzender ist Dr. Gerhard Frey. Seit der Gründung der DVU-Liste D entwickelt die Vereinigung kaum mehr eigene Initiativen. Nach einer Ende 1988 beschlossenen Satzungsänderung gehören die über 16 Jahre alten VereinsIntegration mitglieder zugleich auch der DVU-Liste D an, sofern sie nicht wiin die DVUdersprechen. Dadurch sollten offensichtlich die Unterschiede zwiListe D schen Verein (DVU) und Partei (DVU-Liste D) verwischt und der Öffentlichkeit und potentiellen Interessenten eine steile Aufwärtsentwicklung der DVU-Liste D suggeriert werden. 4.3 Aktionsgemeinschaften der DVU Die von der DVU geschaffenen Aktionsgemeinschaften, deren attraktiv niedrig gehaltene Mitgliedsbeiträge vom DVU-Vorstand festgelegt werden, sind integrierte Bestandteile der DVU. Ihre Veröffentlichungen erscheinen fast ausschließlich in den "national-freiheitlichen" Wochenblättern von Dr. Frey. Der Beitritt zu einer Aktionsgemeinschaft begründet kraft Satzung gleichzeitig die Mitgliedschaft in der DVU. Die Wirksamkeit und Gefährlichkeit dieser Ingesamt breites Propagandainstrumente der DVU beruht insbesondere darauf, daß Agitationsspeksich ihre Aussagen nur auf Teilbereiche rechtsextremistischer Agitrum, aber kaum tation beziehen und bei isolierter Betrachtungsweise vielfach nicht Aktivitäten erkennen lassen, welche Grundhaltung hinter anscheinend unverfänglichen, auch Nichtextremisten vermittelbaren Forderungen wie z. B. "Schutz der deutschen Kultur" steht. Wie im Vorjahr traten die sechs Aktionsgemeinschaften mit eigenständigen Aktionen kaum an die Öffentlichkeit. Werbeanzeige Für Deutschlands Rechte der DVU und DEUTSCHE VOLKSUNION e. V. (DVU) ihrer AktionsVereinigung der verfassungstreuen Rechten und freiheitlichen Mitte (Vorsitzender gemeinschaften Dr. Gerhard Frey) Aktion Oder-Neiße (AKON) (Auszug) setzt sich für ein deutsches Deutschland in gerechten Grenzen ein Initiative für Ausländerbegrenzung (I. f. A.) verteidigt den deutschen Charakter Deutschlands Ehrenbund Rudel Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) will die Interessen des deutschen Volkes bei diesen Medien durchsetzen Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur kämpft für den Erhalt des Lebens und der Heimat Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) arbeitet für ein Ende der Kriegsverbrecherprozesse gegen Besiegte des II. Weltkrieges Die Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) will den Gedanken einer Generalamnestie für bisher ungesühnte NS-Verbrechen verbreiten. Die Aktion deutsche Einheit (AKON) führt seit 3. Oktober wieder ihre frühere Bezeichnung Aktion Oder -- Neiße (AKON). Sie will nach der nunmehr erreichten Wiedervereinigung "die künftigen Schwerpunkte deutscher Politik mit ihrer Umbenennung unterstreichen". Ziel bleibe "ein deutsches Deutschland in gerechten Grenzen sowie Selbstbestimmung für alle Deutschen". Die Neufassung des AKON-Programms betone daher das Recht des deutschen Volkes auf "die ihm geraubten deutschen Territorien östlich von Oder und Neiße". Ein friedlicher Ausgleich könne nur auf dem Verhandlungswege, nicht aber durch ein "Grenzdiktat" gefunden werden. 82 Die Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) betrachtet die "Bewahrung des deutschen Charakters von Deutschland" als Grundvoraussetzung des "Weiterlebens unseres Volkes" und wendet sich gegen den Mißbrauch des Asylrechts durch "Wirtschaftsflüchtlinge". Die Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) kämpft gegen eine "linke bis linksradikale Tendenz" von Rundfunkund Fernsehsendungen an, in denen gegen die "Lebensrechte und Lebensinteressen des deutschen Volkes" agitiert werde. Der Ehrenbund Rudel -- Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten wendet sich gegen die "Verleumdung des deutschen Soldaten" und will dessen Ansehen und Ehre unter strafrechtlichen Schutz gestellt wissen. Der Deutsche Schutzbund für Volk und Kultur versteht sich als "überparteiliche Vereinigung verantwortungsbewußter Deutscher" und fordert insbesondere den Schutz des deutschen Volkstums, der deutschen Sprache und der deutschen Kultur. 5. Neonazistische Organisationen und Aktivitäten 5.1 Allgemeines Zielsetzung Der Neonazismus (neuer Nationalsozialismus) umfaßt alle Aktivitäten und Bestrebungen, die ein offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und auf die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären bzw. totalitären Staates gerichtet sind. Entwicklung Die Zahl der Neonazis im Bundesgebiet ist gegenüber dem Vorrückläufig jähr von rund 1.300 auf 1.200 zurückgegangen; darunter befinden sich etwa 190 (1989: 250) in Bayern. Etwa 1.050 (1989: 1.100) von ihnen sind den neonazistischen Organisationen als Mitglieder zuzurechnen, davon rund 150 (1989: 200) in Bayern. Die Zahl der "Einzelgänger", die durch neonazistische Aktivitäten in Erscheinung traten, ohne sich an eine bestimmte Gruppe zu binden, ging im Bundesgebiet um rund 40 auf 150 zurück; davon entfallen etwa 40 (1989: 50) auf Bayern. Die 27 (1989: 24) erkannten neonazistischen Zusammenschlüsse im Bundesgebiet sind zum Teil lose Gesinnungsund Kampfkader, deren Anhänger sich teilweise auch in anderen Gruppen engagieren. Klare organisatorische Strukturen sind meist nicht erkennbar; regelmäßig dominiert jedoch ein "Führer", von dem auch der Bestand der Gruppe abhängt. AgitationsNeonazistische Gruppen legen Wert darauf, in der Öffentlichkeit Schwerpunkte Aufsehen zu erregen und dadurch eine Bedeutung vorzuspiegeln, die ihnen angesichts ihrer geringen Stärke und der Ablehnung durch die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich 83 nicht zukommt. Ihre Agitation ist vor allem durch Bestrebungen zur Wiedereinführung des NS-Systems, unverhohlenen Antisemitismus und sonstigen Rassismus, Verharmlosung und Leugnung der NS-Verbrechen sowie durch Verherrlichung von Institutionen und Personen der Hitler-Diktatur gekennzeichnet. Teilweise ist auch eine Orientierung an der nationalrevolutionären Frühform des Nationalsozialismus zu beobachten. Eine geistige Durchdringung der eigenen Ziele und Methoden findet kaum statt. Die Auseinandersetzung mit den bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen beschränkt sich meist auf die kritiklose Übernahme von Parolen der ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen ArGewaltbereitschaft beiterpartei (NSDAP). Gewalt wird emotional bejaht und angewendet, wo es sich ergibt und zweckmäßig erscheint. In neonazistische Aktivitäten fester eingebundene militante Skinheads (vgl. Nr. 5.5) verstärken dabei das rechtsextremistische Gewaltpotential. 5.2 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) Nach dem Ende 1983 vom Bundesminister des Innern verfügten Entstehung Verbot der neonazistischen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Naund Zielsetzung tionale Aktivisten (ANS/NA) setzte sich deren bisheriger Organisationsleiter Michael Kühnen an die Spitze einer als "Gesinnungsgemeinschaft" gedachten "Bewegung", die sich der "nationalsozialistischen Idee" verpflichtet fühlt. Dieser nahezu konturenlose Neonazikreis, der schon in seiner damaligen Bezeichnung unmittelbar an die NS-Terminologie anknüpfte, suchte die Ziele der verbotenen ANS/NA weiterzuverfolgen, indem er in völliger Verkennung seiner Möglichkeiten die Neugründung der NSDAP propagierte. Durch Unterwanderung der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) schuf er sich einen "legalen" parteipolitischen Arm. Ein erbitterter Streit um Homosexualität bei Führungskräften spaltete 1986 die "Bewegung" in zwei rivalisierende Lager um Michael Kühnen und Jürgen Mosler. Nachdem es der Gruppe Mosler im Vorjahr gelungen war, die FühOrganisatorische rung der FAP an sich zu reißen, konzentrierte sich Kühnen darauf, Neugliederung der seine Anhänger unter Beibehaltung der bisherigen Zielsetzung als Kühnen-Anhänger "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" neu zu formieren. Die Kadermitglieder wurden in der angeschlossenen, nach Behauptung Kühnens 1989 als "Frontorganisation" neugegründeten "Sturm-Abteilung" (SA) zusammengefaßt. Die GdNF sieht in Adolf Hitler den "Zeitenwender, die Heilsgestalt der arischen Rasse und den deutschen Nationalhelden". Ihre politische Generallinie ergibt sich aus dem von Kühnen verfaßten "Politischen Lexikon der Neuen Front". Die Gruppierung zählt bundesweit rund 200 Aktivisten, davon etwa 40 in Bayern. Als "politischer Arm" fungiert die von Anhängern Kühnens im Mai 1989 in Bremen gegründete "Deutsche Alternative" (DA), die sich als "Nationale 84 Protestpartei" für eine "deutsch-alternative Politik", für "AusländerRückführung" und für "Förderung eines gesunden Nationalstolzes" einsetzt und "Deutsches Geld für deutsche Bürger! Deutsches Geld für deutsche Aufgaben!" fordert. Aus Anlaß des Todestages des ehemaligen SA-Stabschefs Ernst Röhm (30. Juni 1934) versammelten sich am 29./30. Juni rund 30 Anhänger der GdNF bei Kronwieden im Landkreis Dingolfing-Landau. Sie planten, bei diesem "historischen Treffen" im Süden des "Altreiches" wie die "Kämpfer in der Kampfzeit der Bewegung" jenen "SA-Geist zu repräsentieren, in dem der Nationalsozialismus Gestalt annimmt". Am Ort der Zusammenkunft waren drei Zelte aufgestellt und eine Reichsflagge ohne Adler gehißt. Die Polizei nahm die Neonazis, unter denen sich auch fünf Österreicher und vier Holländer befanden, für einige Stunden in Gewahrsam. Bei Durchsuchungen konnten die Beamten uniformähnliche Kleidungsstücke und 40 SA-Abzeichen sicherstellen. Kühnen selbst, der nicht am Treffort erschienen war, meldete am Abend des 30. Juni beim Polizeipräsidium München eine geplante Kranzniederlegung am Grab von Ernst Röhm im Münchner Westfriedhof an. Ihm wurde eine Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt München ausgehändigt; darin hatte die Kreisverwaltungsbehörde für die Zeit vom 29. Juni bis 1. Juli alle öffentlichen Versammlungen in Zusammenhang mit dem Todestag von Ernst Röhm verboten. Aufgrund ständiger Polizeipräsenz unterblieben daraufhin öffentlichkeitswirksame Aktionen der Neonazis. GedenkkundAnhänger der GdNF beteiligten sich am 18. August in Wunsiedel gebung für an einem Aufzug zum Gedenken an den am 17. August 1987 verRudolf Heß storbenen "Stellvertreter des Führers" Rudolf Heß. Zu der von in Wunsiedel einem Neonazi aus Nordrhein-Westfalen angemeldeten Versammlung fanden sich rund 1.300 Personen ein, darunter auch Rechtsextremisten aus Belgien, Frankreich, Holland, Österreich und Spanien. Auffallend war der hohe Anteil von rund 500 Skinheads aus dem Bundesgebiet und der damaligen DDR. Die Demonstranten führten Heß-Bilder mit und riefen Parolen wie "Rudolf Heß -- Märtyrer für Deutschland", "Deutschland den Deutschen -- Ausländer raus" und "Rotfront verrecke". Zu Beginn des Aufzugs äußerte sich Kühnen in einer kurzen Ansprache zur Bedeutung von Heß für das gesamte Deutschland und forderte, daß das neue Deutschland von denen neu gestaltet werden müsse, die ihm auch in dunkelsten Zeiten gedient hätten. "VorfeldorgaDarüber hinaus traten Kühnens Anhänger wie im Vorjahr auch unnisationen" der ter Bezeichnungen wie "Initiative Volkswille", "AntikommunistiGdNF sches Aktionsbündnis" (Antiko) und "Freie Gewerkschaftsbewegung" (FGB) auf. Diese "Vorfeldorganisationen" der GdNF fanden indes als reine Propagandainstrumente ohne organisatorische Struktur kaum Resonanz. Ihr Werbematerial enthielt Aufschriften 85 Publikation der GdNF w TOftccftanö Üte Heue Tcoat feil unfmm fiiljtet! wie "Ausländerhaß verhindern -- Ausländer raus", "Gegen Kommunismus, Kapitalismus, Ausländerflut -- Für das deutsche Volk" und "Schlagt die Linken, wo ihr sie trefft". Am 24. Januar durchsuchte die Polizei in sieben Bundesländern Exekutivdie Wohnungen von 37 Neonazis und stellte dabei umfangreiches maßnahmen Beweismaterial, darunter Videos, Disketten und Propagandamaterial, sicher. Der Schwerpunkt der Aktion lag in Nordrhein-Westfalen; in Bayern waren drei Objekte in den Landkreisen GarmischPartenkirchen und Günzburg betroffen. Anlaß der Exekutivmaßnahmen war das bereits im Jahre 1987 eingeleitete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Anhänger des Neonazi Jürgen Mosler, die im Verdacht stehen, den organisatorischen Zusammenhalt der verbotenen ANS/NA aufrechterhalten zu haben.* Bereits am 2. März 1988 hatte das federführende Landeskriminalamt Baden-Württemberg im Auftrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart in demselben Verfahren gegen 83 Neonazis Durchsuchungen veranlaßt. Im Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Verbreitens von Propagandamitteln und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ordnete das Amtsgericht München am 19. Februar die allgemeine Beschlagnahme der neonazistischen Schrift "Die Neue Front" (Ausgaben FebrYMärz, Okt./Nov. und Dez. 1989) an. In den von Kühnens Anhängern herausgegebe- * Gegen Mosler und elf weitere Aktivisten begann am 5. Februar 1991 vor dem Landgericht Stuttgart die Hauptverhandlung wegen Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot nach SS 85 StGB. 86 nen Broschüren waren Hakenkreuze bzw. Abbildungen von Adolf Hitler abgedruckt. Die Dezemberausgabe propagierte darüber hinaus die Neugründung der NSDAP und enthielt Parolen wie "Hinein in die SA" und "Heil Hitler". Aus ähnlichen Gründen erließ das Amtsgericht Frankfurt a. M. am 26. April und 20. August Beschlagnahmebeschlüsse gegen die Ausgaben vom Januar/Februar und Mai 1990. Am 11. Mai nahm die Polizei Michael Kühnen vor einer Gaststätte in München vorläufig fest, um seinen Auftritt als Redner bei einer dort angekündigten geschlossenen Versammlung zu verhindern. Die Veranstaltung, die ein durch Anhänger Kühnens initiierter "Arbeitskreis Neubeginn" organisiert hatte, fand nach Absage durch den Pächter des Lokals nicht statt. Nach etwa drei Stunden wurde Kühnen aus dem polizeilichen Gewahrsam wieder entlassen. 5.3 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Die ideologische Ausrichtung der 1979 gegründeten FAP wird nach wie vor durch ehemalige Anhänger der ANS/NA bestimmt, die seit dem Verbot der ANS/NA im Dezember 1983 ihre politischen Bestrebungen unter dem organisatorischen Dach der FAP fortsetzen. Von diesen Neonazis wird die politisch unbedeutende Partei maßgeblich gesteuert. Mit der Spaltung der "Bewegung" übertrugen sich die zwischen Anhängern und Gegnern Kühnens bestehenden Differenzen auch auf die FAP und machten deren personelle und organisatorische Situation immer verworrener. Der nahezu völligen Ausgrenzung Kühnens und seiner Anhänger aus Desolates der FAP folgten 1990 neue tiefgreifende MeinungsverschiedenheiErscheinungsbild ten und Kompetenzstreitigkeiten in der Parteispitze. Dieses Erscheinungsbild, insbesondere die aus der inneren Zerrissenheit resultierenden organisatorischen Schwächen beeinträchtigten Struktur und Aktivitäten der Partei nachhaltig und ließen ihre Attraktivität weiter schwinden. So gelang es der FAP 1990 nicht einmal, die für die beabsichtigte Teilnahme an Wahlen erforderlichen Unterstützungsunterschriften beizubringen. Bundesvorsitzender der FAP ist seit 1988 der ehemalige Leiter der verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) Friedhelm Busse. Aufgrund seines intern umstrittenen Führungsstils, der insbesondere vom Generalsekretär Jürgen Mosler heftig kritisiert wurde, haben inzwischen viele Aktivisten die Partei verlassen. Der Mitgliederstand ging 1990 auf Rückläufige 200 (1989: 350) Personen zurück; davon sind 20 (1989: 30) AnhänMitgliederzahl g e r in Bayern aktiv. Anstelle des bisherigen Mitteilungsblatts "FAPIntern" erscheint seit August 1990 als einziges offizielles Parteiorgan die im Auftrag des Parteivorstands herausgegebene Publikation "Neue Nation" mit dem Untertitel "Volkstreue Zeitung für 87 1. Jahrgang - Nr. 1 - August 1990 Ä^^^^^^^B HF NEUE NATION k f l VOLKSTREUE TETTÜNG FCJR DTIJTSCITLÄNID^M H H A H V Deutschland". Aktive Landesverbände bestehen in Bayern, Berlin (seit Herbst 1990), Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen; der Landesverband Hamburg wurde aufgelöst. Fraglich ist, ob der in den aktuellen Verlautbarungen der Partei nicht mehr erwähnte Landesverband Baden-Württemberg noch existiert. In Bayern bestehen weiterhin die Kreisverbände Ansbacher Land, Aschaffenburg und Nürnberg. Ihre Aktivitäten beschränkten sich im wesentlichen auf interne Zusammenkünfte und Propagandaaktionen. Der Kreisverband München und der erst 1990 bekanntgewordene Kreisverband Augsburg haben sich von der FAP getrennt und treten mittlerweile als eigenständige Organisation auf (vgl. Nr. 5.4). Die aufgrund der Entwicklung in der ehemaligen DDR gehegten Hoffnungen, Zulauf aus den fünf neuen Ländern zu erhalten und dort auch organisatorisch Fuß fassen zu können, haben sich bisher nicht im erwarteten Umfang erfüllt. Auf dem Bundesparteitag am 10. März in Aachen bestätigten die Billigung des Teilnehmer den bisherigen Bundesvorsitzenden Friedhelm Busse bisherigen Kurses in seiner Funktion. Als Stellvertreter wählten sie den Landesvorsitauf dem Bundesparteitag zenden von Nordrhein-Westfalen Siegfried Borchardt und den bisherigen Bundesgeschäftsführer Volker Jaschke. Auch die weiteren Funktionen im Parteivorstand wurden durch Anhänger Busses besetzt. Das Wahlergebnis markiert die endgültige Niederlage des Mosler-Flügels in der FAP, der nach vorangegangenen heftigen Richtungskämpfen dem Parteitag ferngeblieben war. Bereits einen Tag später trat der neugewählte Vorstand zur ersten konstituierenden Sitzung zusammen, um in erster Linie die interne Opposition Entmachtung auszuschalten. Der Bundesvorstand beschloß, den bayerischen des MoslerFlügels Landesvorsitzenden Michael Swierczek wegen mangelnder Zusammenarbeit mit der Parteispitze und Boykotts des Bundesparteitags aller Ämter zu entheben. Des weiteren wurde das 1988 neu gebildete Generalsekretariat unter Jürgen Mosler aufgelöst und dessen Stellvertreter Volker Heidel und Michael Swierczek als Leiter der Referate "Propaganda" bzw. "Presse" abberufen. Zum kommissarischen Leiter des Landesverbandes Bayern bestellte der Bundesvorstand Michael Sauckel aus München. 86 88 GewaltEine Übermacht politischer Gegner verhinderte am 17. Februar in bereitschaft Frankfurt a. M. eine Kundgebung der NPD zum Thema "Volksabstimmung für deutsche Einheit". Als die Polizei die gewalttätige Protestaktion auflösen wollte, stürmten rund 80 FAP-Anhänger, darunter auch der Bundesvorsitzende und weitere zehn Personen aus Bayern, auf die Gegendemonstranten zu. Die Polizei konnte ein Aufeinandertreffen beider Gruppen verhindern und die FAP-Anhänger später in Gewahrsam nehmen. AgitationsAls Reaktion auf die Entwicklung in der DDR forderte die FAP den themen "sofortigen Austritt der BRD" aus der Europäischen Gemeinschaft und der NATO. Sie behauptete, auf dem Weg der "völligen Neugestaltung unseres Landes nach dem Vorbild einer Ordnung, die ihre Effektivität bereits bewiesen hat und vor ihrer gewaltsamen Zerschlagung die überwältigende Mehrheit unseres Volkes auf ihrer Seite wußte", bildeten nationale Idee und Sozialismus "eine untrennbare Einheit". Ferner vertrat sie die Auffassung, daß "das deutsche Volk und seine Regierung niemals auf nur einen Quadratmeter deutschen Bodens verzichten" dürften, der "durch Kriegsereignisse abgetrennt wurde", und lehnte daher eine "Anerkennung der z. Zt. bestehenden polnischen Westgrenze" ab. Außerdem wandte sie sich gegen "unerwünschte Ausländer und Wirtschaftsasylanten"; angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage und Wohnungsnot müßten "unsere deutschen Volksgenossen" bei der Vergabe von Arbeitsplätzen und Wohnungen bevorzugt behandelt werden. 5.4 Nationale Offensive (NO) Die am 3. Juli in Augsburg gegründete NO entwickelte sich -- offenbar als Reaktion auf die Flügelkämpfe in der FAP -- aus den zum Mosler-Flügel zählenden FAP-Kreisverbänden Augsburg und München. Sie versteht sich als Auffangbecken für enttäuschte FAP-Anhänger, aber auch für Angehörige des übrigen rechtsextremistischen Spektrums. Ihr Programm enthält Forderungen wie "Kein Verzicht auf die Ostgebiete", "Keine ausländische Mehrheitsbeteiligung an deutschen Firmen und Produktionsmitteln", "Raus aus der EG" und "Rückführung der Ausländer in ihre Heimatländer -- Kulturvermischung ist Völkermord". Hinzu kommen Aussagen, die dem Programm der NSDAP vom 24. Februar 1920 nachempfunden sind. So befürwortet die NO die Bekämpfung von "Spekulationen" und "Zinswucher" und tritt für eine "gesetzliche Kontrolle der Zinswirtschaft" ein. Außerdem fordert sie die Enteignung von Firmen, die "gegen das Volkswohl verstoßen", und eine Erziehung der Jugend nach dem "Leitbild des Gemeinschaftsgedankens". Darüber hinaus verlangt sie die Einstellung aller Wiedergutmachungszahlungen und eine "Redigierung der Geschichtsdarstellung nach den neuesten Erkenntnissen der Historiker". 89 Die im Aufbau befindliche Partei zählt bundesweit rund 70 Mitglieder, davon etwa 20 in Bayern. Am 7. Juli wurde in Augsburg der Landesverband Bayern gegründet. Bundesund Landesvorsitzender ist der aus Weimar stammende Carlo Bauer. Die NO wollte sich an der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober beteiligen, konnte aber die erforderliche Zahl von Unterstützungsunterschriften nicht beibringen. Im Parteiorgan "Deutscher Beobachter" erklärte der ehemalige FAP-Funktionär Michael Swierczek seine Unterstützung für die NO und wies auf erhebliche "Auflösungserscheinungen bei der FAP" hin. Demgegenüber besitze die NO eine "erfreulich hohe Kampfmoral" und gute Kontakte zum Ausland. In ihrem politischen Konzept komme sie der FAP "in vielen Punkten recht nahe" und sei zugleich "Ansprechpartner für andere nationale Gruppen, Verbände und Parteien". Die "hohe Disziplin" und der "unbedingte Siegeswille" der neuen Partei seien ein sicheres Zeichen für eine erfolgversprechende politische Arbeit. Nach eigenen Angaben will die NO bereits im August in Thüringen ein Koordinierungstreffen mit Vertretern "verschiedener nationaler Gruppen aus der BRD und der DDR" durchgeführt haben. In einem Flugblatt rief die NO zur Teilnahme an der alljährlichen Gedenkkundgebung für den ehemaligen Reichsminister Rudolf Heß am 18. August auf. Unter der Überschrift "Auf nach Wunsiedel!" hieß es, der "Friedensflieger" Rudolf Heß sei vor drei Jahren 90 Aufkleber der NO Brogenbealer Arbeitslager! nationale l& Offenfioe (TIO) Poftfadi 51, 8901 Dieöorf u$ & SL der NATO ein ins ergnügen nationale I nTinTTnTTaiiTii Poftfadi 51, 8901 Dieborf in alliierter Haft "hinterhältig ermordet" worden. Sein Tod sei "Mahnung und Aufforderung zugleich, seiner zu gedenken und auf die Entwürdigung unseres ganzen Volkes und besonders der Kriegsgeneration aufmerksam zu machen". Weiteres Propagandamaterial der NO enthielt Aufschriften wie "Rechts -- Radikal -- Richtig", "Kein Wahlrecht für Ausländer! Deutschland uns Deutschen!", "Drogendealer ins Arbeitslager!" und "Raus aus der NATO -- Rein ins Vergnügen!". 91 5.5 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle Die Gesamtzahl der bekanntgewordenen neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Vorfälle verringerte sich gegenüber dem Vorjahr von 166 auf 160 nur unwesentlich. Nicht mitgezählt sind dabei weitere äußerlich vergleichbare Fälle, in denen ein rechtsextremistisches Motiv nicht erkennbar oder nicht vorhanden war (z. B. beim Verwenden von NS-Symbolen als Mittel der politischen Diffamierung). In München und Nürnberg ereigneten sich mit 32 (1989: 23) bzw. 19 (1989: 14) rund 32% (1989: 22%) aller Vorfälle (ohne die oben genannten "allgemeinen Verdachtsfälle"). Meist handelte es sich um Schmierund Klebeaktionen, bei denen Hakenkreuze und SS-Runen gesprüht oder Parolen wie "Heil Hitler", "Sieg Heil" und "Ausländer raus" angebracht wurden. So besprühten unbekannte Täter in der Nacht zum 11. April ein Anwesen in Schwabsoien, Landkreis Weilheim-Schongau, mit SS-Runen, einem Hakenkreuz und den Worten "Stellt die Türken an die Wand, Deutschland wird ein schönes Land". In München wurden am 1. Mai zwei Schaufensterscheiben mit einem Davidstern und den Parolen "Ausländer raus" und "Kauft nicht bei Juden" beschmiert. Am 8. September schmierten unbekannte Täter in Landshut Hakenkreuze und die Worte "Sattelt die Juden, wir reiten nach Auschwitz -- Euer Adolf Hitler". Anlässe für Ermittlungsverfahren waren auch das Tragen von NS-Symbolen an Kleidungsstücken, die Beschädigung jüdischer Gedenkstätten sowie anonyme Beleidigungen und Bedrohungen aus rassistischen bzw. antisemitischen Motiven. Eine Aufklärung gelang in 40% (1989: 38,7%) der Fälle. Unter den ermittelten 79 Tätern (1989: 155) befanden sich 26 (1989: 12) Minderjährige. Die Staatsanwaltschaften stellten vier Verfahren ein. In vier Fällen wurden die Täter verurteilt. Die Verfahren gegen die übrigen Beschuldigten dauerten Ende 1990 noch an. Die vor Jahren aus Großbritannien importierte Subkultur der SkinRechtsextremistiheads hat sich zum militanten Unruheherd am Rande des Rechtssches Potential extremismus ausgebildet. Als Gesamtphänomen sind die Skinbei Skinheads heads keine Erscheinungsform des Rechtsextremismus, da sie in aller Regel nicht aus politischen Motiven heraus handeln und wegen ihrer oft nur wenig entwickelten geistigen Reife meist auch gar nicht in der Lage wären, politische Vorhaben folgerichtig zu entwikkeln. Einer differenzierten Betrachtungsweise bedarf allerdings das äußerlich vielfach neonazistisch geprägte Auftreten von Skinheads und militanten Fußballfans (Hooligans), die z. B. verbotene nationalsozialistische Embleme, Parolen und Grußformen verwenden. Solches Verhalten mag häufig dem unpolitischen Bedürfnis nach Selbstbestätigung und Provokation entspringen; es kann aber auch Ausdruck einer dem äußeren Erscheinungsbild entsprechenden rechtsextremistischen Motivation sein. Auch in der aggressi- 92 ven Haltung gegenüber Ausländern, verbunden mit einem mißverstandenen Nationalgefühl, ergeben sich Berührungspunkte zu Neonazis, die hier Ansätze für eine Erweiterung ihrer personellen Basis suchen. Trotz punktueller Annäherung sind aber nachhaltige Werbeerfolge der Neonazis ausgeblieben. Bundesweit wurden bisher etwa 250 von insgesamt rund 2.500 Skinheads dem rechtsextremistischen Potential zugerechnet. Es handelte sich dabei um Personen, die sich regelmäßig neonazistisch artikulierten und zugleich eine über reine Provokation hinausgehende, rassistisch motivierte Fremdenfeindlichkeit entwickelten oder sogar in rechtsextremistischen Organisationen -- insbesondere der FAP -- aktiv mitwirkten. Seit der Wiedervereinigung dürfte sich dieses Potential deutlich erhöht haben; wegen des noch sehr unvollständigen Informationsstandes sind hierüber allerdings keine exakten Angaben möglich. Die Sicherheitsbehörden in den fünf neuen Ländern gehen jedoch mit guten Gründen davon aus, daß die dortigen Skinheads ihre Gesinnungsgenossen in Westdeutschland sowohl an Zahl als auch an Politisierung und Brutalität erheblich übertreffen. 6. Sonstige rechtsextremistische Organisationen 6.1 Wiking-Jugend (WJ) "NordlandDie 1952 gegründete WJ ist eine straff nach dem Führerprinzip geIdeologie" leitete "volkstreue nordländische" Jugendorganisation, die sich als "heranzubildene Elite" versteht und ihre "kämpferische" Weltanschauung betont. Sie bekennt sich zu einer "Lebensgemeinschaft auf völkischer Grundlage" und betrachtet das Gesetz der "Auslese alles Starken und Gesunden" in sozialdarwinistischer Weise als "entscheidende Kraft im Leben". Ihre Bedeutung liegt insbesondere darin, daß sie Kindern und Jugendlichen erste Begegnungen mit rechtsextremistischem Gedankengut vermittelt. Organisation Die in Gaue gegliederte WJ mit Sitz in Stolberg/Nordrhein-Westfaunverändert len zählt im Bundesgebiet rund 400 (1989: 380) Mitglieder, davon wie im Vorjahr etwa 60 in Bayern. Bundesführer ist Wolfgang Nahrath aus Stolberg. In Bayern bestehen die Gaue "Bayern" in Freising und "Franken" in Stockstadt, Landkreis Aschaffenburg. Die WJ unterhält Kontakte zu Jugendgruppen gleichen Namens und gleicher Zielsetzung in Belgien, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Spanien und in den Niederlanden. Agitation zur Publikationsorgan des Bundes ist die vierteljährlich erscheinende Frage der GrenSchrift "Wikinger" in einer geschätzten Auflage von 800 Exemplazen Deutschren. Darin hieß es, rechtliche Grundlage für einen Friedensvertrag lands seien die Grenzen vom 1. September 1939. Vor diesem Zeitpunkt sei dem Deutschen Reich kein Gebiet durch Annexion einverleibt worden. Polen habe sich nach dem Ersten Weltkrieg räuberisch 93 Organ der WJ auf deutsche Gebiete ausgebreitet und sodann die deutsche Mehrheit systematisch zur Abwanderung gezwungen, mit Mord und Schikanen überzogen und gewaltsam polonisiert. Die WJ veranstaltete am 3. Oktober einen Gedenkmarsch von Simmershausen, Kreis Fulda, nach Oberweid, Bezirk Suhl (ehemals DDR). Die Veranstaltung endete mit einer Kundgebung unter dem Motto "Heim ins Reich". In Bayern beschränkten sich die öffentlichen Aktivitäten der WJ im wesentlichen auf Zeltlager und Fahrten. 6.2 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) Die 1960 in Frankfurt a. M. von ehemaligen SSund NSDAP-Angehörigen gegründete GFP stellt vor allem ein Podium für Publizisten dar, die rechtsextremistisches Gedankengut vertreten. Sie will in einer angeblich "durch Siegerrechte und Besiegtenpflichten beschränkten Öffentlichkeit" eine "Freistatt für den deutschen Gedanken und das deutsche Wort" schaffen und erhalten. So wendet sie sich gegen die "Entstellungen in der deutschen Geschichtsbe- 94 trachtung" und die "unwahren Darstellungen der Ursachen und Hintergründe beider Weltkriege" sowie "gegen jede Unterdrükkung der Meinungsvielfalt". In Wirklichkeit scheint sich ihr "geistiger Kampf" in erster Linie gegen die Indizierung rechtsextremistiMitgliederscher Veröffentlichungen durch die Bundesprüfstelle für jugendgestärkste rechtsfährdende Schriften zu richten. Die Vereinigung, die ihren Sitz in extremistische München hat, zählt im Bundesgebiet rund 430 Mitglieder (1989: Kulturvereini400). Vorsitzender ist seit Mai 1985 Dr. Gerd Sudholt. Als Organ ergung scheint vierteljährlich die Schrift "Das Freie Forum". Unter dem Motto "Einheit und Neuordnung" hielt die GFP vom 8. bis 10. Juni in Bensheim-Auerbach (Hessen) ihren "1. Gesamtdeutschen Kongreß" ab. An dieser Veranstaltung beteiligten sich bis zu 240 Personen. Als Redner trat u. a. der frühere NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden auf. 6.3 Freundeskreis Ulrich von Hutten Der im Februar 1982 von Rechtsextremisten gegründete Freundeskreis Ulrich von Hutten mit Sitz in Starnberg vertritt rechtsextremistische, insbesondere rassistische Thesen und verbreitet Äußerungen, die das NS-Regime verharmlosen. Die Vereinigung zählt wie im Vorjahr bundesweit etwa 300 Mitglieder. Vorsitzende ist die Präsidentin der Deutschen Kulturgemeinschaft (DKG) in Österreich Lisbeth Grolitsch. Wie im Vorjahr trat der Freundeskreis vorwiegend mit der Herausgabe und Verbreitung der Schrift "Huttenbriefe -- für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht" in Erscheinung. Darin wandte sich die Vorsitzende gegen die "von deutschen Kollaborationspolitikern unwidersprochen hingenommene und pausenlos verbreitete Lüge NS-Apologie von der deutschen Kriegsschuld". Weiter erklärte sie, das deutsche Volk bejahe das Lebensrecht des polnischen Volkes, kenne aber auch den polnischen Chauvinismus, der immer wieder begierig versucht habe, sein Kulturgefälle durch das Eindringen in den ^^tetum/ßuttur^o^dtun^Kec^t 8. Jahrgang Oktober 1990 Folge 5 95 deutschen Lebensraum zu überwinden. Der Raub deutschen Volksund Kulturbodens schaffe keinen Frieden zwischen den Völkern. Europa werde sich daran erinnern müssen, daß Polen "im Auftrage Englands die Lunte für den Zweiten Weltkrieg gezündet" habe. Ein Beitrag über den Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939 enthielt die Behauptung, Ziel der "westalliierten Feindstaaten" sei die "Vernichtung Deutschlands und damit die Zerstörung Europas" gewesen. Es bestehe "nicht der geringste Zweifel, daß Hitler Europa vor dem Schicksal bewahren wollte, das Churchill, Roosevelt und Stalin ihm zugedacht hatten und das von 1944 bis 1989 vollzogen wurde". Die Entscheidung Hitlers, "den Bolschewismus zu vernichten", werde "gerade durch die jüngste Geschichte der Freiheits-Revolution der Völker gegen die kommunistisch-bolschewistische Gewaltherrschaft aufs Glänzendste gerechtfertigt". In der Oktober-Ausgabe hieß es, ein "um die Zukunft des Volkes Rassismus besorgter Deutscher" werde als "Ausländerfeind" behandelt, wenn er sich gegen den "Asylunfug" und den Familiennachzug von Gastarbeitern ausspreche. Wenn er es außerdem ablehne, daß "Fremdrassige in Massen in unserem Lande eine staatlich konzessionierte Landnahme betreiben", werde er sogar als "Rassist" beschimpft, obwohl heute jedermann beobachten könne, was einem Volk oder Land widerfahre, das dem "multirassischen Schicksal" anheimfalle. 6.4 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) Die DDF wurde am 1. April 1983 auf Initiative des früheren Generalmajors der Wehrmacht Otto Ernst Remer nach dessen Trennung vom Freundeskreis Ulrich von Hutten gegründet. Sie zählt wie im Vorjahr etwa 160 Mitglieder. Eine Geschäftsstelle der beim Amtsgericht Kaufbeuren eingetragenen Vereinigung befindet sich in Bad Kissingen. Herausgeber des DDF-Organs "Recht und Wahrheit" und Vorsitzender der DDF ist Georg Albert Bosse. Neben rassistischem Gedankengut propagierte die DDF vor allem NS-Apologie ein auf Rehabilitierung des NS-Regimes ausgerichtetes Geschichtsbild. So glorifizierte der Ehrenvorsitzende Otto Ernst Remer die Idee der "Volksgemeinschaft" als "einzigartigen, großartiDoppelausgabe DM 10,Stimme des Bismarck-Deutschen 6. Jahrg. Nr. 9 + 10 Organ der "Deutschen Freiheitsbewegung" e.V. SeptVOkt. 1990 96 gen Gedanken", der seinerzeit den "ideologischen Unterbau" für die von Hitler entwickelte nationalsozialistische Weltanschauung abgegeben habe. Diese "urdeutsche Idee" sei zugleich das "Geheimnis" von deutscher "Kraft und Stärke" gewesen, das im Dritten Reich "aller Welt vorbildlich vorgelebt" worden sei und u. a. das "deutsche Ausharrungsvermögen in sechs langen und entbehrungsreichen Kriegsjahren" erkläre. Rassismus Des weiteren identifizierte sich die DDF mit der These "AusländerIntegration ist Völkermord" und behauptete, der "deutsche Volkerhalt" sei nicht nur durch den "Zustrom fremdrassiger Einwanderer" bedroht, sondern auch durch die "Bonner Politik des Völkermords am eigenen Volk" mittels Geburtenverhütung und Abtreibung. 7. Organisationsunabhängige Publizistik Die sieben (1989: neun) Verlage, Vertriebsund Buchdienste in Bayern, die Publikationen mit rechtsextremistischem Inhalt herausgeben bzw. verbreiten, entwickelten 1990 wiederum eine beachtliche Tätigkeit. Die Auflage der periodisch herausgegebenen einRückgang der schlägigen Druckschriften betrug monatlich 435.000 (1989: Auflagenzahlen 500.000) Exemplare, wobei erhöhte Auflagen zu besonderen Anlässen nicht eingerechnet sind. Der Rückgang um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr ist insbesondere auf die nach der Europawahl 1989 zum Teil erheblich reduzierten Auflagen der im DSZ-Verlag erscheinenden Wochenzeitungen zurückzuführen. Das Angebot umfaßte außerdem Bücher mit rechtsextremistischem Inhalt sowie Schallplatten, Tonkassetten und Videofilme. DSZ-Verlag als Wirkungsvollstes Propagandainstrument des Rechtsextremismus Schwerpunkt der in der Bundesrepublik Deutschland ist weiterhin die Druckschrifrechtsextremistitenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) in München unter schen Publizistik der Leitung von Dr. Gerhard Frey. Im Verlag erscheinen die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) mit einer Wochenauflage von etwa 63.000 (1989: 65.000), der "Deutsche Anzeiger" (DA)* mit wöchentlich etwa 18.000 (1989: 30.000) und die "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ) mit einer wöchentlichen Auflage von rund 20.000 (1989: 25.000) Exemplaren. Bei Werbeaktionen werden die Auflagen beträchtlich erhöht. Dr. Frey ist auch Geschäftsführer der Freiheitlichen Buchund Zeitschriftenverlags GmbH (FZ-Verlag) in München, deren Buchdienst Werke zur "Durchsetzung der historischen Wahrheit" gegen die "antideutschen Umerzieher" sowie Beiträge über das "Sündenregister deutscher Politiker" anbot, das Steuergeldverschwendung, Asylbetrug und den Versuch, Deutschland "umzuvolken", einschließe. * Mit Ablauf des Jahres 1990 stellte der DA sein Erscheinen ein. Seitdem führt die DWZ den Untertitel "Deutscher Anzeiger". 97 Erfundene deutsche Verbrechen Die neuen Fernseh-Lügen wsm Deutsche ^^^^ R 2295 C National" Zeitung %'VelPSPS*UZdeg * I."OD".-I2.-ÖS freiheitlich * u n a b h ä n g i g * iiberoartellich D " ^ DOMOM^I*," ^ L ^ 7 Deutschland bald Verbrecher-Paradies? David Irving: Die Lügen gegen Deutschland S o f ä l s c h t d a s F e r n s e h e n (Seite 3) Deutftf)eIöotf)en3ettung 33. J"vo"ng. N r . " DEUTSCHE NACHRICHTEN --HS 1 "-"* OST - WEST - KURIER R2343C FOR NATIONALE POLITIK * KULTUR UND WIRTSCHAFT Die Wochenzeitungen Dr. Freys, die auch als Sprachrohre der DVU-Liste D fungieren, nahmen das militärische Engangement der USA im Golfkonflikt zum Anlaß einer antiamerikanischen KampagAgitationsthema ne, in der sie den USA die moralische Legitimation auch mit HinGolfkrise weisen auf deren Passivität in Bezug auf die annektierten deutschen Ostgebiete absprachen. So erklärten sie, die Entrüstung der USA und der Sowjetunion über den Einmarsch des Irak in Kuwait sei "ungefähr so berechtigt wie die Klage eines Massenmörders über eine erschlagene Fliege". Zu der "Schizophrenie" der Morallehren des US-Präsidenten als "oberster Richter der Welt" gehöre, daß die Annexion des winzigen Kuwait durch eine arabische und mohammedanische Mittelmacht eine Gefahr für die ganze Menschheit sein solle, während auf der anderen Seite die "westliche Wertegemeinschaft" in den vergangenen Monaten durch ein Maximum an Druck erzwungen habe, daß "der Raub eines riesigen deutschen Territoriums durch Polen" sowie "die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen mitsamt der Ermordung von 3 Millionen" legitimiert werden sollten. Wenn die weltweite Verurteilung des 98 Irak ernst gemeint sei, dann sei "auch über die sogenannte OderNeiße-Linie noch nicht das letzte Wort gesprochen". Sofern die Vereinten Nationen an Polen den gleichen Maßstab wie an den Irak anlegten, hätte "eine internationale Streitmacht schon längst die polnisch besetzten deutschen Ostgebiete freikämpfen müssen". Asylanten und Breiten Raum nahm wie im Vorjahr die polemische Behandlung Ausländer des Asylantenund Ausländerproblems unter Überschriften wie "Erobern Zigeuner Deutschland?", "Ausländer-Terror in Deutschland" und "Wie viele Asylbetrüger kommen noch?" ein. Die Zeitungen behaupteten, Asylantenheime seien "zu Rauschgift-Drehscheiben geworden, in denen ausländische Verbrecher nicht strafverfolgt und ausgewiesen, sondern mit Sozialhilfe bestens versorgt" würden. NS-Apologie Zu den weiteren Agitationsthemen gehörte die "einseitige Vergangenheitsbewältigung", die auf "Geschichtsfälschung" und "unmoralischen Kollektiworwürfen" aufgebaut sei. Die Wiedervereinigung werde jedoch "zwangsläufig eine Normalisierung des Nationalbewußtseins im ganzen deutschen Volk mit sich bringen". Es sei kaum vorstellbar, daß sich "die Mitteldeutschen in einen Schuldturm für die NS-Zeit sperren" ließen. Die Publikation "Nation Europa" der Nation Europa Verlags GmbH in Coburg und die bisher im Türmer-Verlag erschienenen "Deutschen Monatshefte" sind seit Januar 1990 zu einer neuen Monatsschrift mit der Bezeichnung "Nation Europa -- Deutsche Fusion zwecks Monatshefte" vereint. Die Auflage der von dem NPD-Funktionär Stärkung des Peter Dehoust und dem GFP-Vorsitzenden Dr. Gert Sudholt herpublizistischen ausgegebenen Schrift beträgt rund 15.000 Exemplare monatlich. Gewichts Der Verlag wird von dem 1954 gegründeten Verein "Nation Europa-Freunde" finanziell unterstützt. Gesellschafter des Verlages und Vorsitzender des Unterstützungsvereins ist Peter Dehoust, der in der März/April-Ausgabe der neuen Schrift äußerte, es sei für die "nationalen Deutschen" bedrückend, daß ihnen "mit der kleindeutschen Vereinigung der Verzicht auf die deutschen Ostgebiete abgepreßt werden" solle. Obwohl derzeit im "Chor der Wiedervereini- W J5104E EMIIM" DEUTSCHE M ONATSHEFTE 99 ger" die "Bonner Wendehälse" dominierten, bleibe aber der "politischen Rechten" als wichtige Aufgabe die "Wahrung der nationalen Identität unseres Volkes gegen die ungehindert fortschreitende Überfremdung" und die Wiederherstellung der nationalen Ehre und Gleichberechtigung durch "Beendigung der geschichtsund wahrheitswidrigen Umerziehung". In einem weiteren Beitrag hieß es, die westlichen Medien hätten zwar jeden NS-Verbrecher mit "alttestamentarischem Haß" bis ins höchste Alter verfolgt, aber eine unbegreifliche Scheu gezeigt, die "menschenverachtende Kehrseite des real existierenden Sozialismus offen beim Namen zu nennen". Im Abschnitt "Nachrichten von der Überfremdungsfront" wurden Agitation gegen durch Zusammenfassung zahlreicher negativer Presseberichte die "Überfremüber Ausländer und Asylanten Vorurteile gegen diesen Personendung" kreis propagandistisch gefördert. Einleitend hieß es dazu, es sei größte Eile geboten, wenn man verhindern wolle, daß "durch weitere Libanonisierung die Bundesrepublik, die DDR und schließlich ganz Europa zum Augiasstall werden". Die "Asyllobby mit ihrem humanitär verbrämten Internationalismus und die sie unterstützenden lernunfähigen Sozialromantiker" wollten "hier bei uns ein Sozialamt für die ganze Welt errichten, uneingedenk der Tatsache, daß unser Untergang damit vorprogrammiert" sei. Der Druffel-Verlag in Berg am Starnberger See, der vom Vorsitzenden der Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) Dr. Gert Sudholt geleitet wird, gibt Literatur heraus mit dem Ziel, sowohl "zeitgeschichtliche Quellen für eine spätere Geschichtsforschung zu sichern" als auch "gegen Umerziehung und Gehirnwäsche mit geistig-literarischen Waffen zu kämpfen". In der Verlagswerbung hieß es, mit neuen Dokumenten zur "Kriegsursachenfrage" würden "Fälschungen" widerlegt und die "etablierte Geschichtsschreibung" in NS-Apologie ihre Schranken gewiesen. Bisher unbekannte Quellen bewiesen, daß "das Reich ab 1940 unentrinnbar der großen Auseinandersetzung mit dem Osten entgegenging". Das Buch "Die Jalta-Dokumente" enthülle die "Verschwörung gegen Deutschland", deren Ziel "die physische Vernichtung Deutschlands, die Vertreibung von Millionen und schließlich die Teilung der Welt" gewesen sei. Das Werk "Vom Klassenkampf zur Volksgemeinschaft" unterstreiche die "gewaltigen sozialen Errungenschaften" des Dritten Reiches. Der Verlag Hohe Warte -- Franz von Bebenburg KG in Pähl, Landkreis Weilheim, gibt die Schrift "Mensch und Maß" heraus, die monatlich zweimal in einer Auflage von etwa 1.500 Exemplaren erscheint. Die Schrift verbreitete die Auffassung, die "Umerziehung" sei "das Programm der Westmächte" gewesen, um den Charakter Agitationsthema und das Denken der besiegten Deutschen von Grund auf zu veränVergangenheitsdern. Die "Vergangenheitsbewältigung" sei "die Fortsetzung diebewältigung ses Vorhabens, nun beflissen mit deutscher Gründlichkeit und 100 B 20513 D jWentcf) uno jHa| DRÄNGENDE LEBENSFRAGEN IN NEUER SICHT dem eigentümlichen Hang zur Übertreibung bis an die Grenze des Absurden geführt". Auch die Mitteldeutschen sollten "nun in die Erpressungsgemeinschaft einbezogen werden". Nicht nur die Polen würden sich auf die "anerzogenen Schuldkomplexe" verlassen, um "die Deutschen mit immer weiter gehenden Forderungen unter Druck setzen zu können". Daß bei der "Bewältigungsarbeit" die nationalsozialistische "Volksgemeinschaft" paradoxerweise zu einer "Schuldgemeinschaft" umgeformt werde, sei "ein fast rassistisches Stammesdenken" und mit der sonst propagierten "pluralistischen Gesellschaft" unvereinbar. Die im Denk mit!-Verlag in Nürnberg unregelmäßig erscheinende Schrift "Denk mit!" behauptete, mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen habe Hitler keinen Krieg begonnen, sondern "die einzig noch mögliche Maßnahme ergriffen, mörderische und kriegerische Aggressionen der Polen zu unterbinden". Unmittelbar NS-Apologie darauf hätten sich "die Kriegsverbrecher in England" durchgesetzt. Dabei sei es "nicht gegen Adolf Hitler, sondern gegen unser Volk" gegangen. Was die Alliierten mit Waffengewalt nicht geschafft hätten, nämlich den "Genocid am deutschen Volk", solle nun mit der "Gastarbeiterbzw. Asylantenwaffe" erreicht werden. Der Herausgeber Klaus Huscher äußerte ferner, die "von den Engländern er- J 3257 F Folge 3/1990 DM6,mi itl Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahl Nachrichtenblatt der Unabhängigen ÜBERPARTEILICHE ZEITSCHRIFT DES DEUTSCHEN REICHES fundenen Greuellügen" über die "planmäßige Ausrottung der europäischen Juden durch Giftgas in den deutschen Konzentrationslagern" seien die "Rechtsgrundlage" der "Ausnahmegerichte", die "unter dem Deckmantel der Rechtsstaatlichkeit" die Aufrechterhaltung von Volksverhetzung betrieben. Ein von "illegalen Verfassern" erlassenes "Maulkorbgesetz" betreffe sogar die "symbolischen Opfer", die "weder geboren wurden noch gelebt haben, aber ebenfalls in den Schulbüchern eines alliierten Protektorates und in den Hirnen der mit der Robe getarnten Justizkriminellen vorzugsweise durch Gas verstorben" seien. Die im Odal-Verlag in Rodach b. Coburg erscheinende Zeitschrift Der Scheinwerfer erklärte, die "Umerziehung und Umformung der Deutschen" sei schon soweit gediehen, daß kein Deutscher mehr zu fragen wage, ob man wirklich glaube, die "für uns aufgebauten Lügengebäude 'unserer' Geschichte von der Kollektiv-'Schuld' bis zur Kollektiv-Scham ewig aufrechterhalten zu können". Die von den Sowjets übergebenen Totenbücher des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz hätten den Beweis erbracht, daß dort "keine 4 Millionen Menschen 'vernichtet' wurden, sondern rund 74.000 Internierte nur durch Kriegseinwirkung wie zum Beispiel alliierten Bombenterror, Krankheiten, Seuchen und an natürlichen Ursachen verstorben sind". 8. "Revisionismus"-Kampagne 8.1 Ziele und Methoden Als Revisionismus im weiteren Sinne werden in einem ursprünglich von Rechtsextremisten verwendeten Sprachgebrauch Bestrebungen bezeichnet, die angeblich in der Nachkriegszeit falsch dargestellte Geschichte der Weltkriege, des Nationalsozialismus und des Dritten Reiches zu korrigieren. Das rechtsextremistische Lager ist sich weitgehend darin einig, daß das deutsche Volk in wesentlichen Fragen seiner jüngeren Geschichte, insbesondere hinsichtlich der Alleinschuld Hitlers am Zweiten Weltkrieg und der massenhaften Ermordung von Juden in deutschen Konzentrationsla- 102 Rehabilitierung gern, rehabilitiert werden müsse. Als Revisionismus im engeren des NationalSinne ist die Leugnung des sog. "Holocaust" zu verstehen; meist sozialismus wird der Begriff in diesem engeren Sinne gebraucht. Zweck soldurch dilettancher Versuche, den Nationalsozialismus von seiner größten tischen und unSchuld zu befreien, ist die Wiedergewinnung "nationaler Identität" seriösen Umgang und die Herausbildung eines "gesunden und lebendigen Nationalmit historischen Quellen bewußtseins". In Verfolgung dieses Ziels müssen die rechtsextremistischen Revisionisten freilich Regeln der kritischen Geschichtswissenschaft mißachten und Forschungsergebnisse negieren, die nicht ihrem vorgefaßten Geschichtsbild entsprechen. Ihre Argumentation liegt damit zwangsläufig neben der historischen Realität und führt zu falschen Ergebnissen. Zusammenfassend ist zu betonen, daß diese Art von "Geschichtsrevision" weder Selbstzweck noch politisch neutral noch allein der historischen Wahrheit verpflichtet ist, sondern als Mittel fungieren soll, sich von einem vermeintlich aufgezwungenen "Schuldkomplex" zu befreien. Übersteigerter Nationalismus und Antisemitismus bilden die Wurzeln dieses Revisionismus, der letztlich die Opfer zu Tätern und die Täter zu Opfern einer angeblich falschen Geschichtsschreibung machen will. 8.2 Entwicklung Revisionismus war von Anfang an keine deutsche, sondern eine internationale Erscheinung. Ab Mitte der 60er Jahre erschien eine große Anzahl von Büchern auf dem Markt, die den historischen Nachweis führen wollten, daß es keine Tötung von Juden in Gaskammern gegeben habe. Es fällt auf, daß die maßgeblichen Autoren keine Historiker waren, sondern andere Berufe hatten. So war der Amerikaner Arthur B. Butz, der Verfasser des Buches "The Hoax of the 20th Century" ("Der Jahrhundertbetrug"), Professor für Elektrotechnik. Der Engländer Richard Verrall, der unter dem Pseudonym Richard Harwood das Buch "Did Six Million Really Die?" ("Starben wirklich sechs Millionen?") schrieb, war hauptamtlicher Funktionär der rechtsextremistischen "National Front". Der Autor der Schrift "Es gab keine Gaskammern" Robert Faurisson war Dozent für französische Literatur des 20. Jahrhunderts. Der deutsche Agrarjournalist Thies Christophersen und der Jurist Wilhelm Stäglich verfaßten die Schrift "Die Auschwitz-Lüge" bzw. das Buch "Der Auschwitz-Mythos". "Leuchter-Bericht" In den letzten beiden Jahren ist eine verstärkte Revisionismuskampagne festzustellen. Sie wurde ausgelöst durch einen Strafprozeß, der 1988 vor dem Bezirksgericht Toronto gegen den in Kanada lebenden deutschen Revisionisten Ernst C. F. Zündel anhängig war. Zündel war der wissentlichen Verbreitung falscher Nachrichten angeklagt. Er legte zu seiner Entlastung ein auf Robert Faurissons Initiative von Fred A. Leuchter aus Boston verfaßtes technisches "Gutachten" vor, demzufolge in Auschwitz und einigen anderen Konzentrationslagern auf Grund der technischen Gegebenheiten keine Juden in Gaskammern hätten getötet werden können. Leuchter trug seine Thesen auf dem neunten revisionistischen Weltkongreß vor, der im Februar 1989 in der Nähe von Los Angeles stattfand. Der britische Schriftsteller David Irving, der an diesem Kongreß teilgenommen hatte, erklärte anschließend auf einer Pressekonferenz, der "Leuchter-Bericht" habe ihn überzeugt, daß der Holocaust nur eine Propagandalüge der Sieger des Zweiten Weltkrieges sei. Der "Leuchter-Bericht" wird seitdem zunehmend verbreitet. In seiner englischen Urfassung vertreiben ihn Zündel in Toronto und Irving in London. Der Schweizer Revisionist Dr. Max Wahl verbreitet eine deutsche Übersetzung. Eine Widerlegung von Leuchters Thesen enthält das 1989 in New York erschienene Buch des französischen Pharmakologen Jean-Claude Pressac "Auschwitz. Technique and Operation of the Gas Chambers" ("Auschwitz. Technik und Betrieb der Gaskammern"). Das Institut für Zeitgeschichte in München schloß sich in einer Stellungnahme den Ausführungen Pressacs an und bezeichnete den "Leuchter-Bericht" als "pseudowissenschaftliche, ziemlich plump gemachte NS-apologetische Propagandaschrift". 8.3 Aktivitäten Irving vertrat die These, daß der Holocaust eine "Propagandalüge" sei, in mehreren Vorträgen in Deutschland. Zu den Trägern seiner Kampagne gehörte dabei auch das von dem Neonazi Ewald Bela Althans repräsentierte "Deutsche Jugendbildungswerk" (DJBW), ein strukturloses Propagandagebilde, das seit 1985 rechtsextremistische Aktivitäten der geschilderten Art organisiert. So fand auf Einladung des DJBW am 21. April in München eine geschlossene Vortragsveranstaltung statt, bei der Irving vor rund 500 Teilnehmern zum Thema "Deutschlands Weg zu Einheit und Neutralität -- Schluß mit der Siegerpropaganda" referierte. Im Anschluß an die Veranstaltung, die als "Durchbruch des Revisionismus" angekündigt war, formierte sich aus dem Kreis der Zuhörer ein Aufzug von etwa 200 Personen, die einen Marsch zur Feldherrnhalle durchführen wollten. Sie führten Reichskriegsflaggen und Plakattafeln mit Aufschriften wie "Wir sind das Volk" und "Deutschland, einig Vaterland" mit. Die Polizei löste den nicht angemeldeten Aufzug auf und nahm zwölf Personen, darunter auch David Irving, wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, Beleidigung, Sachbeschädigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung vorläufig fest. Darüber hinaus organisierte Althans, der auch maßgeblicher Kontaktmann Zündeis im Bundesgebiet ist, am 11. Mai in München eine Veranstaltung mit dem Initiator des "Leuchter-Berichts" Robert Faurisson, zu der sich rund 90 Personen einfanden. Für Herbst und Winter 1990 kündigte Zündel eine neue revisionistische Agitationskampagne in Europa an. Im Rahmen dieser Kampagne sollten in München, Wien, Leipzig, Dresden, Berlin, Stuttgart, Bonn, Hannover, Hamburg, Brüssel, Straßburg und Madrid Vorträge und exklusive Abendessen mit "international bekannten Akademikern, Politikern, Juristen und Revisionisten" stattfinden. Die erste Veranstaltung wurde auf Einladung des DJBW als "revisionistisches Mittagessen" am 30. September in München durchgeführt, wo Zündeis kanadischer Strafverteidiger Doug Christie vor etwa 170 Personen sprach. Neben solchen spektakulären Aktionen wird eine ständige Agitation in revisionistischen Zeitschriften betrieben. Im deutschen Sprachgebiet sind dies vor allem die Publikationen "Eidgenoss" und "Sieg" (vgl. Nr. 9). 9. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus Neben den vorstehend unter Nr. 8 erwähnten Auftritten ausländischer Revisionisten zeigte sich der Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus auf Bayern insbesondere in der Einfuhr und Verbreitung vorwiegend neonazistischer und antisemitischer Zeitschriften, Rundbriefe und Aufkleber, die überwiegend aus Österreich, Kanada, der Schweiz und den USA stammten. Die neonazistische NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) in den USA fordert die "Ausschaltung des jüdischen Einflusses", die Überwindung des "Materialismus" durch den Nationalsozialismus und die "Neugründung der NSDAP als legale Partei". Endziel sei die "Schaffung eines nationalsozialistischen Staates" in einem "neuvereinigten Großdeutschen Reich" und die "Errichtung einer Neuen Ordnung auf einer rassischen Grundlage in der gesamten arischen Welt". Der Propagandaleiter der NSDAPAO Gary Rex Lauck gibt große Mengen an Agitationsmaterial heraus, darunter das Publikationsorgan "NS Kampfruf", das zweimonatlich in einer Auflage von etwa 2.000 Exemplaren erscheint. Dieses in den USA straffrei hergestellte NS-Propagandamaterial geht von der Parteizentrale in Lincoln/Nebraska den oft nur aus einer Person bestehenden Stützpunkten der NSDAP-AO im Bundesgebiet zu, denen die Weiterverbreitung im Inland obliegt. Die in Bayern festgestellten Hakenkreuzaufkleber der NSDAP-AO enthielten Aufschriften wie "Ausländer raus", "Rotfront verrecke", "Jetzt NSDAP", "NS-Verbot aufheben", "Kauft nicht bei Juden" und "Wir sind wieder da". Der Einfluß der NSDAP-AO zeigte sich auch an der Verwendung solcher Parolen bei neonazistischen Schmieraktionen. Im "NS Kampfruf" hieß es, die Juden seien bei uns immer ein rassischer und politischer Fremdkörper gewesen, der die nationalen Notwendigkeiten im Überlebenskampf unseres Volkes niemals mitgetragen habe. So habe das Internationale Judentum 1933 weltweit zum Krieg gegen Deutschland aufgerufen. Die "Endlösung der Judenfrage", die den Deutschen heute zum Vorwurf gemacht werde, sei zu allen Zeiten eine berechtigte Abwehrreaktion der betroffenen Völker gewesen. Ein Volk, das zu einem derartigen "innenpolitischen Krieg" gegen ein eingewandertes artfremdes Volk nicht mehr in der Lage sein sollte, sei dem Untergang geweiht. Am 5./6. Juli traf sich Gary Rex Lauck in Berlin mehrmals mit dem führenden deutschen Neonazi Michael Kühnen. In einer der Presse zugeleiteten "Gemeinsamen Erklärung" begrüßten beide Neonazis den Wandel in der DDR. Ferner propagierten sie den Kampf für die "Rückgewinnung der uns geraubten Ostgebiete des Deutschen Reiches", die "Wiedervereinigung mit der deutschen Ostmark (Österreich)" und die Gründung eines "Vierten Reiches". 106 Der Inhaber des in Toronto/Kanada ansässigen Verlags Samisdat Publishers Ltd. Ernst C. F. Zündel agitiert in dem von ihm hergestellten Propagandamaterial insbesondere gegen die "Vergasungslüge" und die "Kriegsschuldlüge". Gegen ihn sind in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Ermittlungsverfahren anhängig. Der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht München erließ am 14. August gegen Zündel Haftbefehl u. a. wegen Volksverhetzung. PRIVAT, VERTRAULICH. PERSÖNLICH | SAMISDAT 206 CARLTON ST., TORONTO. ONTARIO, C A N A D A M5A 211 TEL. 4 1 6 - 9 2 2 - 9 8 5 0 | | R u n d b r i e f N r . 136 Persönliche Ideen des Verfassers. Datum i5.oktob.90| In seinem "Germania"-Rundbrief Nr. 129 vom 18. Mai äußerte Zündel, Polen habe noch nicht dafür bezahlt, daß es Europa und damit die Welt 1939 durch seinen Chauvinismus in einen europäischen Bruderkrieg gestürzt habe, der sich dann zum Weltkrieg ausgedehnt habe. Polen sei durch seine Großmannssucht und seinen Größenwahn dafür verantwortlich, daß dieser schrecklichste aller Kriege ausgebrochen sei, nicht aber das Deutsche Reich. Die Orgie der Brutalität, der Vertreibung und der Erniedrigung der Volksdeutschen durch die Polen nach dem Kriege sei noch nicht gesühnt. Zündeis Thesen wurden auch bei neonazistischen Propagandaaktionen aufgegriffen. So schmierten unbekannte Täter in der Nacht zum 20. Oktober in einem britischen Soldatenfriedhof in Dürnbach, Landkreis Miesbach, u. a. die Parolen "Der Holocaust ist eine jüdische Propagandalüge zur Erpressung von Wiedergutmachungsgeldern. Schluß mit der psychologischen Kriegsführung gegen das deutsche Volk. Es gab keine Gaskammern im Dritten Reich. Wir liefern den Beweis, Ernst Zündel, Kanada/Ontario, Carlton Street 206". Die Monatsschrift "Sieg" des österreichischen Rechtsextremisten Walter Ochensberger nimmt eine führende Stellung innerhalb des aus dem Ausland nach Bayern eingeschleusten NS-Propagandamaterials ein. In einem "Neujahrsaufruf" behauptete die Schriftleitung, in den "angeblich befreiten" deutschen Teilstaaten würden "deutschbewußte Idealisten" bespitzelt, schikaniert und verfolgt, weil sie "Besatzung und Fremdherrschaft" anklagten und sich weigerten, das verordnete Geschichtsbild der Sieger anzubeten, sondern gegen die gesteuerte Überfremdungsund Völkervermischungspolitik aufbegehrten und die deutsche Einheit propagierten. 107 In der Sonderausgabe Nr. 09/1990 hieß es, die "antideutsche Hetze" verstärke sich in bedrohlichem Maße. Die "zionistische Journaille" und das "gekaufte und korrupte Politiker-Gewürm" ließen "keine noch so blödsinnige Gelegenheit aus, um von deutscher Schuld und notwendiger Sühne zu faseln". Sie haßten das deutsche Volk und zeigten es ohne Scheu. Die Hauptakteure in der Justiz und den "System-Medien" verteidigten "die Lüge von den '6Millionen-Vergasten' mit Klauen und Zähnen". Eine wichtige Voraussetzung für den Frieden sei die Beseitigung des "jüdischen Unrechts am deutschen Volk -- manifestiert durch das Rachesymbol Auschwitz". AZ 8401 Winterthur 14. Jahrgang I 1 Erscheint 6-10 Mal < , , ' jährlich I Einzelpreis Fr. 3.-- L 1 Informationsblatt zur eidgenössischen und europäischen Besinnung 31 August 1990 7-8 / 9 0 Die von Dr. Max Wahl in Winterthur/Schweiz zweimonatlich herausgegebene Schrift "Eidgenoss" behauptete, das Deutsche Reich habe "den Schutz seiner weißen Menschen zum Gesetz erhoben" und durch diese "gesunde, rassenbewahrende" Entscheidung einen zuvor noch nie erlebten "sozialen und kulturellen Aufschwung seiner Volksgemeinschaft ermöglicht". Zwangsläufig habe das jüdische Volk, das "für sich den gleichen Rassenschutz seit Jahrtausenden in Anspruch" nehme, damit aber zugleich "Auserwähltheit" und "Weltbeherrschungsansprüche" verbinde, auf deutschem Boden "mit dem Recht des dortigen Volkes in Konflikt geraten" müssen. In weiteren Beiträgen wurde das Verfolgungsschicksal der Juden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geleugnet und behauptet, es sei eine "wissenschaftlich erwiesene Tatsache", daß es "im Deutschen Reich nie eine 'Judenvernichtung' gegeben" habe. Während der NS-Diktatur hätten weder "Vernichtungslager" noch ein "Plan zur physischen Vernichtung der Juden (Endlösung)" oder eine "Menschenleben auslöschende Gaskammer" existiert. Die "Auschwitz-Lüge" diene nur der Erpressung und Ausbeutung des deutschen Volkes. Das Amtsgericht München erließ gegen die Schrift im April, Juni und Oktober allgemeine Beschlagnahmebeschlüsse wegen Verdachts der Volksverhetzung, Beleidigung, Aufstachelung zum Rassenhaß und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. 108 10. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen und Verlage sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen -- einschl. Sitz-(z.T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise Ende 1990 und Auflagen -- z.T. geschätzt--) 1. Nationaldemokratische Organisationen: Nationaldemokratische Partei 1.300 Deutsche Stimme Deutschlands (NPD) -- monatlich -- -- Stuttgart -- 200.000 Junge Nationaldemokraten (JN) 150 Einheit und Kampf -- Stade -- (vormals: Junge Stimme) -- vierteljährlich -- 1.200 JN-Bayern-Info -- unregelmäßig -- 200 Nationaldemokratischer Hochunter 10 Vorderste Front schulbund (NHB) -- München -- 2. National-Freiheitliche Organisationen: Deutsche Volksunion -- 3.100 (Publizistische Sprachrohre: Liste D (DVU-Liste D) siehe DSZ-Verlag) -- München -- Deutsche Volksunion e.V. (siehe DVU-Liste D) (DVU) einschl. Aktionsgemeinschaften -- München -- 109 Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen -- einschl. Sitz - (z.T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise Ende 1990 und Auflagen -- z.T. geschätzt--) 3. Neonazistische Organisationen: Gesinnungsgemeinschaft der 30 Die Neue Front Neuen Front (GdNF), auch: -- monatlich -- -- Initiative Volkswille einige Hundert -- Antikommunistisches Aktionsbündnis (Antiko) -- Freie Gewerkschaftsbewegung (FGB) -- Sturm-Abteilung (SA) Freiheitliche Deutsche Arbeiter20 Neue Nation partei (FAP) (bisher: FAP -- Intern) -- Stuttgart -- -- monatlich -- mehrere Hundert Hilfsorganisation für nationale 30 Nachrichten der HNG politische Gefangene und -- monatlich -- deren Angehörige e.V. (HNG) 300 -- Frankfurt a.M. -- NSDAP-Auslandsund AufNS Kampfruf bauorganisation (NSDAP-AO) -- zweimonatlich -- -- Stützpunkte im Bundes2.000 gebiet -- Nationale Offensive (NO) 20 Deutscher Beobachter -- Augsburg -- -- monatlich -- 500 Nationalistische Front (NF) unter 10 Aufbruch - Bielefeld -- 4. Sonstige Organisationen: Wiking-Jugend e.V. (WJ) 60 Wikinger -- Stolberg -- -- viermal jährlich -- 700 Gesellschaft für Freie Publizi40 Das Freie Forum stik e. V. (GFP) -- vierteljährlich - -- München -- 700 Freundeskreis Ulrich von 30 Huttenbriefe -- für Hutten e.V. Volkstum, Kultur, Wahrheit -- Starnberg -- und Recht -- zweimonatlich -- 4.000 110 Organisation Mitglieder in Bayern Publikationen -- einschl. Sitz(z.T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise Ende 1990 und Auflagen -- z.T. geschätzt--) Die Deutsche Freiheits35 Recht und Wahrheit bewegung e.V. (DDF) -- zweimonatlich -- -- Kaufbeuren -- 2.500 Deutscher Block (DB) 15 -- Memmingen -- Nationalrevolutionäre Auf15 Für die Sache des Volkes bauorganisation (NRAO) -- unregelmäßig -- -- München -- 300 5. Verlage: Druckschriftenund ZeitungsDeutsche National-Zeitung verlag GmbH (DSZ-Verlag) (DNZ) -- München -- -- wöchentlich -- 63.000 Deutscher Anzeiger (DA) -- wöchentlich -- 18.000 Deutsche Wochen-Zeitung (DWZ) -- wöchentlich -- 20.000 Nation Europa Verlag GmbH Nation Europa - Deutsche -- Coburg -- Monatshefte -- monatlich -- 15.000 Verlag Hohe Warte - Franz Mensch und Maß von Bebenburg KG -- zweimal monatlich - Pähl - 1.500 Denk mit! -- Verlag Denk mit! -- Nürnberg -- -- unregelmäßig -- 1.000 3. Abschnitt Extremistische Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines Situation und Aktivitäten der extremistischen und extremistisch beeinflußten Ausländergruppen wurden 1990 maßgeblich durch zwei Faktoren bestimmt. Zum einen handelte es sich dabei um die politischen Umwälzungen in Mittelund Osteuropa, die dort zum weitgehenden Zusammenbruch des orthodoxen Kommunismus führten, zum anderen um den Golfkonflikt, der durch die Besetzung und Annexion von Kuwait durch den Irak am 2. August ausgelöst wurde. Der irakische Einmarsch in Kuwait war das beherrschende Thema unter den im Bundesgebiet lebenden arabischen und islamischen Extremisten. Ihre Haltung zur Krise am Persischen Golf war gespalten, wobei vor allem unter den Angehörigen palästinensischer Organisationen eine Mehrheit erkennbar war, die dem aggressiven Kurs des irakischen Diktators Saddam Hussein positiv gegenüberstand und davon eine rasche Förderung der eigenen politischen Ziele erhoffte. Islamische Extremisten verurteilten zwar die irakische Annexion Kuwaits, waren aber über das Engagement der USA im Land der Heiligen Stätten weitaus stärker empört. Ähnlich reagierten -- ungeachtet ihrer ideologischen Ausrichtung -- auch die übrigen ausländischen Extremisten, die sich meist von beiden Kontrahenten des Golfkonflikts distanzierten, aber insbesondere das militärische Eingreifen der USA und der NATO in der Golfregion und der Türkei kritisierten und zum Anlaß einer verstärkten Kampagne gegen den "Imperialismus" nahmen. Der mit den politischen Veränderungen in Osteuropa einhergehende ideologische Substanzverlust des orthodoxen Kommunismus wirkte sich demotivierend auf fast alle orthodox-kommunistischen Ausländergruppen aus, deren Agitation gegen den "imperialistischen Klassenfeind" in den letzten Jahren ohnehin schon erheblich an Schwungkraft verloren hatte. Eine Zusammenarbeit mit deutschen Gesinnungsgenossen, die seit der Wiedervereinigung selbst mit Existenzproblemen zu kämpfen haben, war nur noch vereinzelt feststellbar. Hauptziel der meisten orthodox-kommunistischen Ausländerorganisationen im Bundesgebiet -- insbesondere derjenigen südeuropäischer Herkunft -- ist es zwar nach wie vor, die politischen Verhältnisse im Heimatland zu verändern. Ihre Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland konzentriert sich aber nunmehr darauf, die hier ansässigen Landsleute über innenpolitische Vorgänge im Heimatland und deren Bewertung durch die dort tätige Mutterorganisation zu unterrichten. Außerdem setzen sie sich schwerpunktmäßig für die wirtschaftlichen und sozialen Belange ihrer Landsleute im Bundesgebiet ein. Ihre Forderungen sind insbesondere auf die Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländer, die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit sowie die Lösung bestehender Schulund Rentenprobleme gerichtet. Solche programmatischen Zielsetzungen richten sich aber nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Landes und unterliegen damit nicht mehr dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzbehörden. Dies hatte zur Folge, daß sich bis Ende 1990 die Zahl der orthodox-kommunistischen Ausländergruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen deutlich verringerte. Der partielle Abwärtstrend wurde allerdings durch eine Zunahme im Bereich der islamisch-extremistischen türkischen Gruppen insgesamt nahezu ausgeglichen. So sank die Zahl der in Bayern erfaßten extremistischen oder extremistisch beeinflußten Ausländerorganisationen auf 124 (1989: 132); die Mitgliederzahl ging auf rund 4.800 (1989: 6.900) zurück. Dieser deutliche Schwund der personellen Basis um fast 30 Prozent war vor allem dadurch bedingt, daß mehrere mitgliederstarke griechische und italienische Gruppen wegen Wegfalls der orthodox-kommunistischen Beeinflussung als Beobachtungsobjekte zu streichen waren. In der Übersicht auf Seite 114 sind die in Bayern bestehenden extremistischen und extremistisch beeinflußten Vereinigungen nach ihren ideologischen Standorten und politischen Zielsetzungen aufgeschlüsselt (zur Verfassungsfeindlichkeit dieser Ziele siehe Allgemeiner Überblick). Örtlich selbständige Gruppen sind dabei gesondert gezählt, auch wenn sie zu einer Dachorganisation gehören. Eine der aktivsten Gruppen extremistischer Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland war 1990 die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die unvermindert ihren terroristischen Kampf in der Türkei für ein "befreites" Kurdistan führt. Von den militanten Vereinigungen der türkischen Neuen Linken, die den gewaltsamen Sturz der türkischen Regierung anstreben, geht weiterhin eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit aus. Aufmerksamer Beobachtung be- 114 OrthodoxNeue Extrem IslamischGesamt kommuniLinke nationaliextremistische einschl. stische stische Gruppen sozialGruppen Gruppen revolutionäre Gruppen Anzahl der Araber') 2 8 -- 8 18 Organisationen Iraner 2 2 1 -- 5 ausländischer Jugoslawer 1 -- 2 7 -- 9 Extremisten nimmt Kurden 3 9 -- -- 12 leicht ab Türken 5 12 9 42 68 Sonstige2) 5 5 2 -- 12 Gesamt 17 38 19 50 124 ') Staaten der arabischen Liga a ) darunter Äthiopier (2), Griechen (4), Tamilen (2) dürfen auch die Aktivitäten islamisch-extremistischer Gruppen, insbesondere türkischer Herkunft, die einen erheblichen personellen und organisatorischen Aufwärtstrend verzeichneten. Palästinensische Extremistengruppen befaßten sich schwerpunktmäßig mit dem Widerstand der palästinensischen Bevölkerung in den von Israel besetzten Gebieten (Intifada) und dem Golfkonflikt. Mit der fortschreitenden Verschärfung der Golfkrise entwickelten sie sich in Teilbereichen zu einem nicht zu unterschätzenden Sicherheitsrisiko. Eine besondere Gefährdung ging von Palästinensergruppen außerhalb der PLO aus, die sich dem irakischen Diktator, der das Palästinenserproblem mit der Golfkrise verknüpfte, als Helfer bei terroristischen Aktionen anboten. 2. Arabische Gruppen Haltung der PLO Die 1964 gegründete Palästinensische Befreiungsorganisation zwiespältig (PLO) ist die Dachorganisation der palästinensischen Befreiungsbewegung. Obwohl sie sich seit einiger Zeit vom Terrorismus verbal distanziert, befürwortet die PLO gewaltsame Aktionen gegen Ziele in den von Israel besetzten Gebieten Palästinas weiterhin als legitime Mittel des palästinensischen "Befreiungskampfes". Darüber hinaus ist sie bestrebt, aus dem Palästinenseraufstand im Schwerpunkte Westjordanland und Gazastreifen (Intifada) politischen Nutzen zu Intifada und ziehen. Im Golfkonflikt ergriff sie Partei für den irakischen AggresGolfkrise sor, von dem sie angesichts ihres jahrzehntelangen vergeblichen Kampfes für einen "unabhängigen Staat Palästina" eine schnelle 115 Lösung der Probleme im Nahen Osten, insbesondere der Palästinenserfrage, erhoffte. Vorsitzender des Exekutivkomitees der PLO und zugleich Leiter der zahlenmäßig stärksten PLO-Organisation Al Fatah ist Yassir Arafat, der seine proirakische Haltung in der Golfkrise erst gegen Ende 1990 zu modifizieren versuchte, als sich in der Al Fatah Widerstand dagegen regte, sich auf die Seite des voraussichtlichen Verlierers zu schlagen. Anhänger der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) sowie Palästinensergruppen außerhalb der PLO begrüßten ebenfalls mehrheitlich das Vorgehen des irakischen Diktators Saddam Hussein, weil dieser versuchte, den von den Vereinten Nationen geforderten Rückzug seiner Truppen aus Kuwait mit dem Palästinenserproblem propagandistisch zu koppeln. Der auf Initiative der PLO gegründete Sozialrevolutionär-nationalistische Palästinensische Arbeiterverband in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (PAV) ist maßgeblich von der Al Publikation der PFLP 116 Fatah beeinflußt. Er hat die Aufgabe, die Al Fatah in ihrem Kampf für einen Palästinenserstaat materiell und ideell zu unterstützen und für die Ziele der Palästinenser im Gastland zu werben. Örtliche Untergliederungen sind der Verein Palästinensischer Arbeiter München (VPA) und der Palästinensische Arbeiterverband (PAV) in Nürnberg, die loyal zu Arafat stehen. Der VPA führte am 6. Januar in München eine Veranstaltung mit rund 400 Besuchern zum Gedenken an die Gründung der PLO und den Beginn der Intifada durch. Ein Redner rief zur Unterstützung des Palästinenseraufstands in den israelisch besetzten Gebieten auf und forderte die Anerkennung des 1988 auf dem Gebiet des Gazastreifens und des Westjordanlands proklamierten "unabhängigen Staates Palästina" durch alle Länder der Welt. Der PLO-Vertreter Dr. Abdallah AlFranghi aus Bonn betonte, daß die PLO der Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele entsagt habe. Dennoch befürwortete er eine Fortsetzung der Intifada, die das Anliegen der Palästinenser schon erheblich gefördert habe. In einer Presseerklärung protestierte der PAV gegen die Tötung zahlreicher Palästinenser durch israelische Sicherheitskräfte am 8. Oktober auf dem Tempelberg in Jerusalem. In der als Flugblatt verbreiteten Erklärung hieß es, dieses in der jüngeren Geschichte der Stadt Jerusalem beispiellose Massaker sei durch gezielte Provokationen einer fanatischen jüdischen Siedlerbewegung ausgelöst worden. Obwohl der Weltsicherheitsrat Israel schon des öfteren verurteilt habe, sei noch kein einziges Mal eine UN-Delegation in die besetzten Gebiete entsandt worden. Dagegen habe man die UN-Resolutionen gegen den Irak mit Härte durchgesetzt. Dieser Doppelmoral der USA dürften die Europäer nicht tatenlos zusehen. 3. Iranische Gruppen 3.1 Orthodoxe Kommunisten Orthodox-kommuDie seit Mai 1983 im Iran verbotene und aufgelöste Tudeh-Partei nistische Iraner verhält sich im Bundesgebiet überwiegend konspirativ. Sie bekaum aktiv kennt sich zum bewaffneten Kampf und fordert den Sturz der iranischen Regierung durch Anwendung revolutionärer Gewalt. Neben Verbindungen zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) unterhält sie auch Kontakte zu kommunistischen Organisationen im Nahen Osten. Als Parteiorgane erscheinen die Wochenzeitschrift "Nameh Mardom" (Botschaft des Volkes) und das deutschsprachige Informationsblatt "Tudeh-Bulletin". Nennenswerte Aktionen der Tudeh-Partei waren 1990 in Bayern nicht zu verzeichnen. Die ebenfalls orthodox-kommunistische Organisation Iranischer Studenten, Sympathisanten der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) -- O.I.S. -- trat 1990 in Bayern nicht in Erscheinung. 3.2 Neue Linke Die Anhänger der im Iran als Guerillakämpfer tätigen Volksmojahedin haben sich im Bundesgebiet in der Iranischen Moslemischen Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V. (IMSV) zusammengeschlossen. Die Volksmojahedin, eine Organisation islamischer Fundamentalisten mit marxistischer Prägung, waren maßgeblich an der Revolution im Iran beteiligt, gerieten aber nach dem Umsturz zunehmend in Opposition zur neuen Regierung, gegen die sie seit Juni 1981 bewaffneten Widerstand leisten. Am 22. Juni fand in Bonn eine Kundgebung von rund 2.000 Anhängern der IMSV statt, an der sich auch etwa 120 Sympathisanten der IMSV aus Bayern beteiligten. Die Demonstranten führten zahlreiche Transparente und Plakate mit, auf denen sie den Sturz der iranischen Regierung propagierten. Im Hinblick auf die Ermordung von Dr. Kazem Radjavi forderten sie außerdem Schutz für die iranischen Oppositionellen in der Bundesrepublik Deutschland. Dr. Radjavi, ein führendes Mitglied der Volksmojahedin, war am 24. April 1990 in Genf einem Schußwaffenanschlag zum Opfer gefallen. In Bayern wurden außer der Verbreitung der Schrift "Mojahed" (Kämpfer) und des IMSV-Organs "Freiheit für Iran", die sich beide mit der behaupteten Unterdrückung des iranischen Volkes durch seine derzeitige Regierung befaßten, keine weiteren Aktivitäten von Anhängern der IMSV bekannt. Die 1984 gegründete Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (OIDA), die ein Sammelbecken linksoppositioneller Iraner darstellt, wird vorwiegend von Anhängern der iranischen Neuen Linken beeinflußt. Sie will durch Unterstützung revolutionärer Kräfte im Iran zum Sturz des "reaktionären Regimes" beitragen. Ferner bekämpft sie den Einfluß des "Imperialismus" und ruft dazu auf, dessen Praktiken nicht nur im Iran, sondern in der ganzen Welt zu entlarven. Die Ortsgruppe München der OIDA, die u. a. Kontakte zum Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) unterhält, feierte am 24. März in München das iranische Neujahrsfest. Zu der Veranstaltung fanden sich rund 800 Besucher ein. Außer einem Transparent mit der Aufschrift "Nieder mit der Islamischen Republik" war keine politische Aussage festzustellen. In der im Frühjahr 1990 bekanntgewordenen Erstausgabe ihres Organs "Bultan-e Panahandeh" (Flüchtlingsbulletin) veröffentlichte die OIDA unter der Überschrift "Wem schlägt die Todesglocke?" eine Analyse über die Veränderungen im Ostblock, in der die "imperialistischen Länder" scharf angegriffen wurden. Der Verfasser warf insbesondere der Bundesrepublik Deutschland hegemoniale und revanchistische Politik im Herzen Europas vor. Die neuen Regierungen Polens, Ungarns und der Tschechoslowakei hätten das russische Joch mit dem europäischen Joch, an seiner Spitze Großdeutschland, vertauscht. 118 4. Jugoslawische Gruppen 41 Kroatischer Nationalrat (HNV) Der im Februar 1974 in Toronto/Kanada gegründete nationalistisch ausgerichtete Kroatische Nationalrat (HNV) versteht sich als Dachorganisation der kroatischen Widerstandsbewegungen aut internationaler Ebene. Sein Ziel ist die Wiederherstellung des "unabhängigen Staates Kroatien" in seinen ethnischen Grenzen, wobei er für das kroatische Volk das Recht beansprucht, auf eigenem Boden durch Revolution und bewaffneten Kampf seine nationale Freiheit und staatliche Unabhängigkeit zu verwirklichen. Oberstes Organ des HNV ist das im Turnus von zwei Jahren gewählte Parlament (SABOR). Dem im November 1989 gewählten 8. SABOR gehören 30 Mitglieder an, darunter auch ein Funktionär aus Bayern. Als Basisinstitutionen des HNV bestehen im Bundesgebiet 16 Ortsausschüsse, deren Arbeit von einem Koordinationsausschuß mit Sitz in Stuttgart gesteuert wird. Annäherung an Auf der konstituierenden Sitzung des 8. SABOR, die vom 12. bis die kroatische 17 März in Fellbach bei Stuttgart stattfand, wurden der Präsident Regierung d e s SABOR Dr. Radovan Latkovic (Buenos Aires) und der Vorsitzende des HNV-Exekutivausschusses Dr. Mate Mestrovic (New York) in ihren Funktionen bestätigt. Vom 25. bis 27. August tagte der SABOR in München, daran anschließend bis 29. August in Zagreb. Unmittelbar vor Tagungsbeginn hatte die nach den Parlamentswahlen am 22. April gebildete Regierung der Republik Kroatien dazu eingeladen, die Sitzung in Zagreb abzuhalten, und betont, das freie demokratische Kroatien werde allen Emigrantenorganisationen seine Türen öffnen, die zur Zusammenarbeit bereit seien. In seiner AbSchlußerklärung wertete der SABOR diese Einladung als Bestätigung seiner Arbeit zum Wohle des kroatischen Volkes. Die Sitzung in Zagreb symbolisiere das Ende eines langen, leidvollen Zeitraumes, in dem mit Gewalt versucht worden sei, die Vereinigung des heimatlichen mit dem emigrierten Kroatien zu verhindern. Es sei nun die Pflicht der Kroaten daheim und in der Welt, die kroatische Regierung bei allen Maßnahmen zur Errichtung eines selbständigen Staates Kroatien zu unterstützen. Solange dieses Ziel nicht erreicht sei, wolle der SABOR als eigenständige Organisation bestehen bleiben. 4.2 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) Die HDP, die im Juni 1981 von Exponenten des "Kroatischen Frühlings" als Gegenpol zum HNV gegründet wurde, versteht sich als Sammelbecken linksorientierter kroatischer Emigranten. Sie will den "Vielvölkerstaat" Jugoslawien mit allen Mitteln zerschlagen und propagiert Gewalt innerhalb und außerhalb Jugoslawiens als "legitimes Mittel" zur Durchsetzung ihrer Ziele. Das in Australien 119 wöchentlich herausgegebene Publikationsorgan der HDP "Hrvatski Tjednik" (Kroatisches Wochenblatt) hat mit der Ausgabe vom 13. Februar nach über 12 Jahren sein Erscheinen eingestellt. Das Blatt war nicht mehr in der Lage, die Vielzahl der aktuellen Informationen im Zusammenhang mit dem Nationalitätenkonflikt in Jugoslawien kurzfristig redaktionell umzusetzen. Der HDP-Vorsitzende Nikola Stedul (Schottland) begründete in einem Rundschreiben an alle Funktionäre und Mitglieder die zeitweilige Inaktivität der Organisation mit den veränderten Verhältnissen in Kroatien nach den dortigen freien Wahlen vom April 1990. Es werde vom Erfolg der neuen politischen Führung in der Heimat abhängen, ob die HDP ihre Arbeit fortsetze. Dazu wurde noch bekannt, daß die HDP mittlerweile in Jugoslawien mit dem Aufbau eines Parteiapparates begonnen hat. 5. Kurdische Gruppen 5.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Die in der Türkei verbotene PKK bekennt sich zum Marxismus-LePKK beansprucht ninismus und fühlt sich allen "sozialistischen" Ländern nach den Führungsrolle "Prinzipien des proletarischen Internationalismus" verbunden. Sie beim Kampf gegen befürwortet den bewaffneten Kampf in der Türkei gegen die dortige türkische RegieRegierung und versteht die von ihr propagierte "Revolution Kurdirung stans" als "Teil der mit der Oktoberrevolution begonnenen und mit den nationalen Befreiungsbewegungen ständig verstärkten Revolution des Weltproletariats". Ihr Ziel ist die Beseitigung des türkischen "Kolonialismus" und die Errichtung eines unabhängigen kurdischen Staates unter Führung der PKK. Zu diesem Zweck führt sie einen ständigen Guerillakampf gegen den türkischen Staat, wobei sich ihre Gewaltakte nicht nur gegen militärische Objekte, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung richten. Die bisherigen Anschläge auf Mitglieder und Einrichtungen konkurrierender Kurdenorganisationen in Europa, die den von der PKK erhobenen Anspruch, zur alleinigen politischen Vertretung des kurdischen Volkes berufen zu sein, nicht anerkennen, sowie die bis hin zum Mord reichenden "Bestrafungsaktionen" gegen Dissidenten und Kritiker in den eigenen Reihen setzten sich zwar 1990 nicht fort, verdeutlichen aber gleichwohl nach wie vor die besondere Militanz der Partei. Der Exilsitz der straff organisierten und äußerst konspirativ arbeiHierarchische tenden PKK befindet sich in Damaskus/Syrien; Generalsekretär ist Organisation Abdullah Öcalan. Die Partei wird von einem Zentralkomitee geleitet, dessen Beschlüsse für alle Untergliederungen verbindlich sind. Der Vollzug dieser Beschlüsse wird durch das "Komitee für Parteisicherheit, Kontrolle und Nachrichtendienst" sichergestellt, das wiederum "Gruppen für spezifische Arbeiten", so z. B. bei Bestrafungsaktionen gegen Dissidenten, einsetzt. Unter dem wachsenden Verfolgungsdruck der türkischen Behörden begann die 120 Publikation der PKK SERXWEBUN Jl SERXWEBUN Ü AZADIYE Bl RÜMETVIR TigTEK NlNEl I 9 Siyi 103 . T " m m n 1990 3.-DM - PKK etwa um 1980 mit dem Aufbau ihrer "Europa-Auslandsorganisation", die den Kampf der PKK in der Türkei unterstützen und im Falle einer Niederlage als Auffangbasis zur Fortsetzung der Aktivitäten dienen soll. Führungsgremium ist das "Europakomitee", dem Gebietskomitees in mehreren westeuropäischen Ländern unterstellt sind. Im Bundesgebiet bestehen regionale Untergliederungen, die ihrerseits die örtlichen Gruppen kontrollieren und anleiten. Beachtlicher Die PKK zählt bundesweit rund 4.000 (1989: 2.000) Anhänger, daAufwärtstrend von etwa 750 (1989: 300) in Bayern mit Schwerpunkten im Raum München/Augsburg, Bayreuth/Hof, Nürnberg und Ingolstadt/Regensburg. Breit gefächerte Der militärische Teil der PKK ist die Volksbefreiungsarmee KurdiTeilund Nebenstans (ARGK). Dieser in den Kurdengebieten operierenden organisationen Kampfeinheit werden zahlreiche Sabotageakte und Überfälle auf kurdische Dörfer zugeschrieben. Als "politischer Arm" der Partei fungiert die 1985 gegründete internationale Teilorganisation Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK), die durch sogenannte "Kurdistan-Komitees" die Propagandaarbeit der PKK betreibt. Der 1984 gegründete Dachverband Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (FEYKA-Kurdistan) mit Sitz in Bonn, In dem die örtlichen Mitgliedsvereine der PKK zusammengeschlossen sind, vertritt als Basisorganisation der PKK deren Interessen im Bundesgebiet. Eine weitere Nebenorganisation der PKK ist der Verein patriotischer Künstler Kurdistans in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (HUNERKOM), der die kulturellen Aktivitäten der PKK in Westeuropa organisiert. Zur Erweiterung ihres Einflusses gründete die PKK im Jahre 1987 ferner als "Massenorganisationen" die -- Union der patriotischen Frauen Kurdistans (YJWK) -- Union der revolutionär-patriotischen Jugend Kurdistans (YXK) -- Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) sowie Anfang 1989 die -- Union der patriotischen Intellektuellen Kurdistans (YRWK). 121 Rund 1.000 Personen besuchten am 3. März in Nürnberg eine von Aktivitäten mit der ERNK veranstaltete Feier anläßlich des kurdischen NeujahrsBezug zu Bayern fests. An einer bundesweiten Demonstration der FEYKA-Kurdistan am 21. April in Köln beteiligten sich rund 7.500 PKK-Anhänger, darunter auch etwa 400 aus Bayern. Die Demonstranten forderten einen unabhängigen kurdischen Staat und protestierten gegen angebliche Deportationen und Hinrichtungen von Kurden durch die türkische Armee. Am 26. Mai fand in Ingolstadt eine Veranstaltung der ERNK statt. Daran beteiligten sich rund 400 Personen aus Bayern, BadenWürttemberg und dem Saarland, die auf einem Plakat für die Freilassung der vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf angeklagten PKK-Funktionäre eintraten. Ein weiteres Plakat erinnerte an die Gründung der ERNK im März 1985. Zu einer Großveranstaltung der PKK am 25. August in Göppingen erschienen über 4.000 Besucher, darunter auch etwa 600 aus Bayern. Anlaß war das Gedenken an den Beginn des bewaffneten Widerstandskampfs der PKK mit der Gründung der ARGK im August 1984. Die FEYKA-Kurdistan organisierte am 8. September in Köln eine Großdemonstration anläßlich des 10. Jahrestages der Machtübernahme durch das Militär in der Türkei (12. September 1980). Dazu fanden sich rund 7.000 Teilnehmer -- überwiegend PKK-Anhänger -- ein, darunter auch etwa 200 Personen aus Bayern. Die Demonstranten kritisierten in Sprechchören den "Faschismus" in der Türkei und forderten die Einstellung aller Kurdenprozesse in der Bundesrepublik Deutschland. Mitte Oktober wurden in Ingolstadt Plakate verbreitet, in denen die Europavertretung der ERNK zum Boykott türkischer Waren aufrief. Jeder Pfennig an Devisen für die türkische Regierung bedeute Folterung und Terrorisierung der kurdischen Bevölkerung mittels Bomben und chemischer Waffen. Anläßlich des 12. Jahrestags ihrer Gründung (27. November 1978) organisierte die PKK am 20. Oktober in der Kölner Sporthalle eine Großveranstaltung. Dazu fanden sich rund 15.000 Kurden aus dem gesamten Bundesgebiet ein. Zur Teilnahme an der von Folklorebeiträgen umrahmten Veranstaltung war in Ingolstadt und Neuburg a. d. Donau auf Plakaten ohne Impressum geworben worden. Am 17. November blockierten rund 20 türkische Kinder in Nürnberg die Gleise der Straßenbahn. Sie trugen eine rote Fahne mit Stern und verteilten Flugblätter der "ERNK-Sympathisanten in der BRD", die sich mit der Situation der Kurden in der Türkei befaßten. Am 24. Oktober jährte sich der Beginn des vor dem OberlandesDüsseldorfer gericht Düsseldorf anhängigen Strafprozesses gegen ehemals Kurdenprozeß führende PKK-Funktionäre. Anhänger der PKK demonstrierten aus diesem Anlaß vor dem Gerichtsgebäude. Die Angeklagten stehen 122 im Verdacht, einer terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK angehört bzw. sie unterstützt zu haben. In einigen Fällen wird ihnen darüber hinaus Mord, Mordversuch, Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung und Urkundenfälschung vorgeworfen. Im Gegensatz zum Vorjahr äußerte sich die Solidarität der PKK mit den Angeklagten weniger in Protestkundgebungen als vielmehr in verbaler Kritik. So bezeichnete die PKK den Prozeß in verschiedenen Propagandaschriften als "politisches Verfahren", das die Kriminalisierung des kurdischen Widerstands bezwecke. Der Bundesregierung warf sie dabei vor, mit der "kolonialfaschistischen" türkischen Regierung zusammenzuarbeiten und sich aktiv am "Vernichtungskrieg" gegen das kurdische Volk zu beteiligen. Der Generalsekretär Öcalan erklärte, der Prozeß sei ein Angriff gegen die Existenz des kurdischen Volkes, den die Partei nicht ignorieren oder schweigend über sich ergehen lassen könne; sie werde daher die ihr gemäßen "demokratischen" Maßnahmen ergreifen. Ähnliche Drohungen wurden intern auch gegen ehemalige, als Kronzeugen auftretende PKK-Funktionäre ausgesprochen. Stellungnahmen Auch im Golfkonflikt sah die PKK eine Chance für das Selbstbezum Golfkrieg stimmungsrecht des kurdischen Volkes. In ihrer deutschsprachigen Kampfschrift "Kurdistan-Report" vom Dezember 1990 erklärte sie, der "Imperialismus" stehe nicht auf der Seite des kurdischen Volkes. Dieses fühle sich den Völkern der Region verbunden, lehne jegliche Einmischung imperialistischer Staaten ab und widersetze sich den reaktionären Regimen in der Region einschließlich der "faschistischen" Diktatur im Irak. Mit dem Golfkonflikt entstehe erstmals in der Geschichte des kurdischen Widerstandes für die PKK eine unabhängige Position. Sie biete dem kurdischen Befreiungskampf eine neue Chance, wenn dieser seine Politik weiterentwickle und stabilisiere. Es gelte nunmehr, dem imperialistisch-kolonialistischen Krieg mit einer nationalen Erhebung zu begegnen; die PKK fordere: "Nieder mit dem türkischen und irakischen Kolonialfaschismus". Darüber hinaus kritisierte die PKK aber auch das Verhalten der USA und der westlichen Länder, die den Giftgaseinsatz gegen Tausende von Kurden im Irak stillschweigend hingenommen hätten und erst aktiv geworden seien, als es darum gegangen sei, die arabischen Ölquellen zu sichern. 5.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e. V. (KOMKAR) Der orthodox-kommunistischen, mit der PKK konkurrierenden KOMKAR mit Sitz in Köln gehören in Bayern als Mitgliedsvereine die Kurdistan-Arbeitervereinigung in Nürnberg e. V. und das Kurdistan Kulturzentrum in Nürnberg an. Anläßlich des zweiten Jahrestages des Einsatzes chemischer Waffen gegen die kurdische Stadt Halabja durch den Irak (16. März 123 1988) veranstalteten die KOMKAR und die orthodox-kommunistische Vereinigung der kurdischen Studenten in Europa (KSSE) am 16. März in Nürnberg eine gemeinsame Protestkundgebung. Vor rund 60 Teilnehmern kritisierten die Redner die irakische und die türkische Regierung wegen ihrer feindlichen Einstellung gegenüber dem kurdischen Volk. Auch mehrere westeuropäische Länder, darunter die Bundesrepublik Deutschland, wurden im Zusammenhang mit Giftgaslieferungen an den Irak scharf angegriffen. Am 17. November führte die KOMKAR in Nürnberg eine weitere Veranstaltung durch. Unter den rund 1.000 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet befanden sich Anhänger der PKK sowie Vertreter der orthodox-kommunistischen Sozialistischen Partei Türkisch-Kurdistans (TKSP), deren Ziele im Bundesgebiet von der KOMKAR vertreten werden. Die Redner befaßten sich mit der Situation der Kurden in der Türkei und betonten das Recht der Kurden auf Selbstbestimmung. Der Generalsekretär der TKSP Burklay Kemal trat dafür ein, als Voraussetzung für eine internationale Diskussion des Kurdenproblems einen kurdischen "Nationalkongreß" bzw. eine ähnliche Einrichtung zu schaffen. 6. Türkische Gruppen Die orthodox-kommunistischen Gruppen im Bundesgebiet konnten auch 1990 den Abwärtstrend nicht aufhalten. Gruppen der türkischen Neuen Linken propagierten nach wie vor den Kampf gegen den "Faschismus" in der Türkei. Aktuelle Themen ihrer Agitation waren neben der Ausländergesetzgebung insbesondere die Wiedervereinigung und der Golfkonflikt. Dem linksextremistischen Spektrum stehen auf der entgegengesetzten Seite türkische Gruppen gegenüber, deren Ideologie teils durch einen extremen Nationalismus, teils durch einen religiös'begründeten politischen Fanatismus bestimmt ist. Steigende Mitgliederzahlen und ein intensiver organisatorischer Aufbau verweisen auf die zunehmende Bedeutung islamisch-extremistischer Vereinigungen. 6.1 Orthodoxe Kommunisten Die Situation der 1988 gegründeten Vereinigten KommunistiNiedergang der sehen Partei der Türkei (TBKP) war von der Krise des orthodoxen orthodoxen Kommunismus bestimmt. Die durch Mitgliederverluste geKommunisten schwächte Gruppierung veranstaltete am 24725. Februar in München eine Konferenz, an der etwa 130 Personen teilnahmen. Der stellvertretende Parteivorsitzende Mehmet Karaca vertrat die Auffassung, daß die Theorie des Marxismus-Leninismus nach wie vor Gültigkeit habe; der Sozialismus sei gleichwohl am Ende, weil man ihn falsch praktiziert und anstelle der Herrschaft der Arbeiterklasse 124 eine Parteidiktatur errichtet habe. Für die künftige Tätigkeit der TBKP gelte die Parole "Einheit, Legalität, Erneuerung". Die Teilnehmer beschlossen, die politische Arbeit u. a. auf Proteste gegen das neue Ausländergesetz und auf die rechtliche Aufwertung der Gastarbeiter zu Status-Einwanderern zu konzentrieren. Bei der Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei (GDF), die bislang weitgehend die Ziele der TBKP vertreten hatte, stehen inzwischen sozialpolitische Themen im Vordergrund. An der zweiten Delegiertenkonferenz am 8./9. Dezember in Kassel nahmen rund 200 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teil. Die Delegierten übten heftige Kritik am neuen Ausländergesetz, das die Rechte der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer weiter einschränke. Gegenstand breiter Diskussionen war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Oktober 1990, das das kommunale Wahlrecht für Ausländer für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Delegierten erklärten, daß die GDF diese Entscheidung zwar akzeptieren müsse, aber nicht nachlassen werde, für das kommunale Wahlrecht der Ausländer zu kämpfen. Bei der Neuwahl des Bundesvorstands wurde der bisherige Vorsitzende Arif Ünal aus Wuppertal in seiner Funktion bestätigt. 6.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen Unveränderte GeDie in Bayern aktiven Vereinigungen der türkischen Neuen Linken waltbereitschaft orientieren sich vorwiegend am Gedankengut der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und der Türkischen VolksbefreiungsparteiAfront (THKP/-C). Trotz ideologischer Differenzen besteht in den Zielen dahingehend Übereinstimmung, daß beide einen Umsturz in der Türkei mit revolutionären Mitteln anstreben. 6.2.1 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Die gewaltorientierte TKP/ML wurde im Jahre 1972 illegal in der Türkei gegründet. Im Jahre 1974 fand die Gründungsversammlung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland statt. Ziel der TKP/ML ist die Beseitigung des politischen Systems der Türkei Organ der TKP/ML 125 zugunsten einer kommunistischen Gesellschaftsordnung im Sinne des Marxismus-Leninismus. Ihr militärischer Zweig ist die Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO). Von der konspirativ arbeitenden TKP/ML hat sich infolge ideologischer Differenzen schon vor Jahren die Gruppe "Bolsevik Partizan" abgespalten. Die TKP/ML unterhält in Bayern einige Stützpunkte, so z. B. in Augsburg und Nürnberg. Im August 1990 nahm die TKP/ML in zwei türkischsprachigen Flugschriften zur Golfkrise Stellung. Sie kritisierte das Vorgehen der Amerikaner ebenso wie das der Iraker und ergriff Partei für die kurdische Volksgruppe. Der türkische Staat wurde beschuldigt, selber den Krieg zu wollen, um sich Teile des Iraks anzueignen und die nationale kurdische Bewegung zu vernichten. Die kurdische Freiheitsbewegung könne jedoch auch von der Golfkrise profitieren, sofern sie -- ohne Zusammenarbeit mit Feinden des Iraks -- nur auf das Volk vertrauend vorgehe. Alle Schichten und Volksgruppen in der Türkei seien daher aufgerufen, sich in den Reihen der TKP/ML und ihrer "Türkischen Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO) gegen Reaktion und Imperialismus zusammenzuschließen und die revolutionäre Bewegung zu unterstützen. Die Spaltergruppe Bolsevik Partizan der TKP/ML führte am 17. März in Nürnberg eine Veranstaltung zum Internationalen Frauentag durch, an der rund 200 Personen teilnahmen. Eine Referentin sprach über die Rolle der Frau innerhalb einer revolutionären Organisation. In Diskussionsbeiträgen wurde der verstärkte Kampf gegen den "Männerchauvinismus" innerhalb und außerhalb der Partei angekündigt. In einem im Herbst 1990 verbreiteten Flugblatt wandte sich die Angriffsziel Gruppierung gegen alle "imperialistischen, reaktionären oder konImperialismus terrevolutionären Kriege" und behauptete, bei dem im Nahen Osten zu erwartenden Krieg gebe es keine gerechte Seite. Auf der einen stehe die imperialistische/sozialimperialistische Welt mit den USA als Hauptgendarm, auf der andern Seite das faschistische, blutbeschmierte Regime Saddam Husseins. Die Kriegsfront gegen den Irak diene allein imperialistischen Interessen. Die Türkei sei dabei, eines der wichtigsten Nachschubgebiete der Imperialisten zu werden. Das strategische Ziel der türkischen Faschisten bestehe darin, bei einer Zerschlagung des Iraks Süd-Kurdistan zu besetzen, um den kurdischen Befreiungskampf zu erstikken. Die nationale Befreiung könne daher nur durch einen revolutionären Krieg gegen Imperialismus und Sozialimperialismus erreicht werden. Es gelte nunmehr, die Ansichten der Partei an die Werktätigen heranzutragen und die Golfkrise als propagandistische Gelegenheit zum weiteren Aufbau der Partei zu nutzen. Die 1976 gegründete Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. (ATIF) vertritt das Gedankengut der TKP/ML. DSH GEN TERSIT TEENIT . : = 127 Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Zeitpunkt für einen gewaltsamen Umsturz in der Türkei führten -- entsprechend der Entwicklung bei der TKP/ML -- im Jahre 1981 zur Spaltung der ATIF in die Gruppen "Partizan" und "Bolsevik Partizan". Örtliche Untergliederungen beider Gruppen bestehen auch in Bayern. In einem Mitte Mai verbreiteten Flugblatt agitierte die ATIF gegen die Wiedervereinigung und die Ausländerpolitik der Bundesregierung. ATIF agitiert Unter der Überschrift "Leisten wir aktiven Widerstand gegen die gegen die Europaund Großdeutschlandpläne des BRD-Imperialismus" erWiedervereinigung klärte sie, es sei ihre Aufgabe, die "Großmachtpläne" der Bundesrepublik Deutschland zu entlarven. Jede Form der Wiedervereinigung unter kapitalistischen Bedingungen sei abzulehnen, da dies eine Annexion der DDR darstelle und sich gegen die Interessen der werktätigen Bevölkerung richte. Weiter hieß es in dem Flugblatt, die Bonner Politiker trieben die Aushöhlung des Asylrechts und die Entrechtung von Flüchtigen systematisch voran. Ausländerfeindlichkeit sei ein wesentliches Merkmal bundesdeutscher Politik; Ziel der Herrschenden sei es, Menschen fortschrittlich-demokratischer oder gar offen marxistisch-leninistischer Gesinnung europaweit und über die Grenzen Europas hinaus zu politischem Freiwild abzustempeln. Die vom Gedankengut der TKP/ML geprägte Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) entstand Ende 1986 durch den Zusammenschluß der ATIF mit ihren Schwesterorganisationen in Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Schweden und der Schweiz. Das bisherige ATIF-Organ "Mücadele" (Kampf) erscheint seitdem als "Zentralorgan" der ATIK. Die ATIK führte vom 13. bis 15. April in Frankfurt a. M. ihren Jahreskongreß durch, an dem etwa 500 Personen aus dem Inund Ausland teilnahmen. Die Veranstaltung begann mit einer Gedenkminute für die gefallenen Revolutionäre. Nach Verlesen der Berichte über die politische Weltlage, die Lage in Europa und die Jugendarbeit wurde beschlossen, die Frauenund Jugendarbeit auszuweiten, die Mitgliederwerbung zu verstärken und den revolutionären 128 Plakat der Avrupa 'da Dev Gene BSV-SOL DAHA G Ü g L Ü BIR Ö R G Ü T L Ü L Ü K igiN DEVRlMCI SOL'U D E S T E K L E M E KAMPANYASINA KATIL ! 129 Kampf in der Türkei zu unterstützen. Erstmals wurde während eines ATIK-Kongresses öffentlich eine Geldsammlung zum Waffenerwerb für die "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO) durchgeführt, die rund 4.200 DM erbrachte. 6.2.2 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) Die Ziele der in der Türkei verbotenen THKP/-C werden im Bundesgebiet von mehreren Gruppen vertreten, die vielfach auch konspirativ arbeiten. Zahlenmäßig stärkste der vom Gedankengut der THKP/-C geprägten Vereinigungen im Bundesgebiet ist die sozialrevolutionäre Devrimci Yol (Revolutionärer Weg), die im Bundesgebiet unter der Bezeichnung "Devrimci Isci" (Revolutionärer Arbeiter) in Erscheinung tritt und 1990 in Bayern keine nennenswerten Aktivitäten zeigte. Die aus einer Abspaltung von Devrimci Yol hervorgegangene SoVerbotene zialrevolutionäre Gruppe Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) wurde Extremistenorga1983 vom Bundesminister des Innern verboten. Ihre Anhänger benisation steigert tätigen sich seitdem auch unter der Tarnbezeichnung "Avrupa 'da öffentliche Dev Gene" (Revolutionäre Jugend in Europa). Aktivitäten Aus Protest gegen das Verbot der Mai-Feiern in der Türkei zogen am 1, Mai rund 50 Türken vor das Türkische Generalkonsulat in München. Etwa 10 bis 15 mit weißen Dreieckstüchern vermummte Personen warfen mehrere Fensterscheiben ein und schleuderten zwei mit Dieselkraftstoff gefüllte Flaschen gegen das Gebäude. Bevor als Zeichen des Protestes vor dem Haupteingang ein Reifen angezündet werden konnte, fielen aus dem Generalkonsulat heraus mehrere Schüsse. Ein allem Anschein nach der Gruppe Devrimci Sol zuzurechnender Demonstrant erlitt dabei eine Schußverletzung am Oberarm. In einer Stellungnahme der türkischen Gruppe "Avrupa 'da Dev Gene" zu diesem Vorfall hieß es nämlich, ungeduldige Konsulatsangehörige hätten auf die Demonstranten das Feuer eröffnet und "unseren Freund" am Arm schwer verletzt. Es sei genug geschossen worden, um ein Massaker auszulösen. Gleichwohl unterstütze der mit der Türkei Hand in Hand arbeitende deutsche Imperialismus den Versuch, alles zu vertuschen. Die Auslandsvertreter des "faschistischen Regimes" würden den "Angriff auf die Revolutionäre bezahlen". In einer im September 1990 im Bundesgebiet verbreiteten Flugschrift zur Golfkrise verurteilte die Gruppe Devrimci Sol die irakische Besetzung Kuwaits; sie betonte aber, dies sei kein Grund für Imperialisten, den Nahen Osten anzugreifen und das Blut der dort lebenden Völker zu vergießen. Dieselben imperialistischen Staaten, die heute den Irak verurteilten, besetzten und bombardierten seit Jahren fremde Länder und massakrierten Menschen. Für die Imperialisten sei es ein leichtes, die Türkei als Mitglied der NATO 130 dazu zu bewegen, sich auf Abruf für den Krieg bereitzuhalten. Dies bedeute für die türkische Bevölkerung Kriegsund Krisenzeiten. Die türkische Regierung sehe wohl die Zukunft ihres Landes darin, dem Imperialismus als Sprungbrett zu dienen; sie betrachte es als heilige Mission, die Arbeiterklasse im eigenen Land barbarisch zu unterdrücken und für die Ölkonzerne und Ölscheichs in den Tod zu schicken. 6.3 Extreme Nationalisten ADÜTDFund Die 1978 gegründete Föderation der Türkisch-Demokratischen TIKDB wenig Idealistenvereine in Europa e. V. (ADÜTDF) mit Sitz in Frankfurt aktiv a. M. vertritt das Gedankengut der in der Türkei verbotenen und aufgelösten extrem nationalistischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP). Die Ideologie der ADÜTDF vereinigt militanten Nationalismus mit striktem Antikommunismus. Von der türkischen Jugend in Deutschland fordert sie Distanz zu westlich-dekadenten Einflüssen und die Betonung ihrer türkischen Identität. Am 2. Juni hielt die ADÜTDF in Houthalen-Helsteren/Belgien ihren 13. Jahreskongreß ab. Daran beteiligten sich rund 3.000 Personen, darunter auch Anhänger der ADÜTDF aus Bayern. Bei der Wahl des Vorstands wurde Ayhan Özer zum neuen ADÜTDF-Vorsitzenden gewählt. Dem neuen Vorstand gehören auch zwei Personen aus Nürnberg an. Als Hauptredner trat Alparslan Türkes auf, der die MHP bis zu ihrer Auflösung geführt hatte und nun deren Nachfolgerin, die "Nationalistische Arbeitspartei" (MCP), leitet. Er warnte vor Kommunismus und Imperialismus; die einzige Rettung für die Türkei sei der Nationalismus. Weltweit sprächen rund 200 Millionen Menschen türkisch. Könnte man alle diese Menschen für die nationalistische Sache gewinnen, sei keine Macht der Welt in der Lage, diese Bewegung aufzuhalten. Die der ADÜTDF angeschlossenen Ausländervereine in Bayern traten 1990 nicht öffentlich in Erscheinung. Die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e. V. (TIKDB), die sich im Oktober 1987 nach Führungsstreitigkeiten von der ADÜTDF abspaltete, sieht ihre Hauptaufgabe in der Lösung von Problemen der Türken in Europa. Vorsitzender ist Musa Serdar Celebi. Die TIKDB führte am 12. Mai in Mainz ihren 3. Jahreskongreß durch. An der Veranstaltung nahmen rund 800 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Belgien, den Niederlanden und Frankreich teil. Der wiedergewählte Vorsitzende Celebi befaßte sich in seiner Rede insbesondere mit der Situation der türkischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland und in der Türkei. Des weiteren übte er Kritik am neuen Ausländergesetz. In Bayern hat die TIKDB bisher nur geringe Resonanz gefunden. 131 6.4 Islamische Extremisten Der von Cemaleddin Kaplan geführte Verband der islamischen ICCB propagiert Vereine und Gemeinden e. V. Köln (ICCB) will durch eine Revolueine islamische tion nach dem Beispiel des Iran in der Türkei eine Islamische ReRepublik publik errichten. Der ICCB-Vorsitzende propagiert den Sturz der türkischen Regierung und die Bildung eines theokratischen Staatsgefüges mittels eines Zusammenschlusses aller Muslime; der islamische Weg sei nicht mit Hilfe einer politischen Partei gangbar, sondern nur mit einer religiösen Sammlungsbewegung. Wie die Machtveränderungen im Ostblock zeigten, könne durch organisierte Volksbewegungen jede Regierungsform verändert werden. In seinem Verbandsorgan "Ümmet'i Muhammed" (Die Gemeinde Mohammeds) vom 15. September erklärte der ICCB -- ohne auf die irakische Besetzung Kuwaits einzugehen -- zum Golfkonflikt, hier habe sich lediglich ein islamisches Land mit einem anderen zusammengeschlossen. Die Muslime verurteilten das gegen den Irak verhängte unmenschliche Embargo und betrachteten die dafür verantwortlichen zionistischen Kräfte als Feinde. Im Mittleren Osten sei ein dauerhafter Frieden nur denkbar, wenn die US-Amerikaner, die heiligen Boden besetzt hielten, sich bedingungslos zurückzögen. Die USA hätten es in Zukunft nicht mit zaghaften und ängstlichen Volksmassen zu tun, sondern mit revolutionären Muslimen. Wenn es heute ein brennendes Problem gebe, so sei dies nicht die Annexion Kuwaits, sondern die gewaltsame Unterdrükkung des palästinensischen Volkes durch den terroristischen israelischen Staat, der islamisches Blut fließen lasse. Am 21. Oktober hielt der ICCB in Köln seine Jahreshauptversammlung ab. Daran beteiligten sich rund 5.000 Personen, darunter auch zahlreiche Anhänger des ICCB aus Bayern. Im Veranstaltungssaal befanden sich Transparente mit den Parolen "Palästina wird für Israel zum Friedhof", "Diese Steine werden das Gehirn Israels zerstückeln", und "Das staatliche Verfassungsgesetz muß der Koran sein". Der ICCB-Vorsitzende Cemaleddin Kaplan betonte den absoluten Führungsanspruch seines Verbandes und kündigte eine europaweite islamische Bewegung mit neuen Dimensionen an. Die Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V. (AMGT) mit AMTG stärkt ihre ihrem publizistischen Sprachrohr "Milli Gazete" (Nationale Zeitung) organisatorische ist ein Sammelbecken von Anhängern der in der Türkei verboteund personelle nen und aufgelösten Nationalen Heilspartei (MSP) bzw. deren Basis Nachfolgerin, der vom früheren MSP-Vorsitzenden Prof. Necmettin Erbakan geleiteten Wohlfahrtspartei (RP). Aufgrund intensiver Mitgliederwerbung zeigte sie bundesweit einen deutlichen Aufwärtstrend. Am 26. Mai fand in Köln die 6. Jahreshauptversammlung der AMGT statt. Daran nahmen rund 15.000 Personen aus der Bundesrepublik Deutschland, dem westeuropäischen Ausland sowie außereuropäischen Staaten teil. Unter den Gästen befand sich auch der RP-Vorsitzende Erbakan. Der AMGT-Vorsitzende Osman Yumakogullari betonte in seiner Eröffnungsrede die wachsende Bedeutung der AMGT und bezeichnete den Islam nach dem Scheitern von Kommunismus und Sozialismus als einzige Alternative. Auch der Kapitalismus stehe vor dem Zusammenbruch, zumal der moralische Niedergang des Westens nicht mehr aufzuhalten sei. Besonders scharf kritisierte der Redner das neue Ausländergesetz. Der AMGT schlössen sich 1990 in Bayern viele neue Ausländervereine mit hohen Mitgliederzahlen an, die jedoch keine öffentlichen Aktivitäten zeigten. Zu internen Schulungsund Gebetsveranstaltungen in Lohhof, Landkreis München, und Nürnberg erschienen jeweils zwischen 500 und 700 Teilnehmer. 133 7. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern, deren Nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) 1. Afghanische Gruppen AWARAGAN -- Demokratische OrganiPadjoesch (Erforschung) sation der Afghanen im Ausland Echpolwaki (Freiheit) Gruppe der Neuen Linken -- dreimonatlich -- 2. Arabische Gruppen Palästinensische Befreiungsorganisation Falestine Al Thawra (PLO) (Palästina -- Die Revolution) Al Fatah Al Sakhrah (Der Fels) Demokratische Front für die Befreiung Al Hourriah (Die Freiheit) Palästinas (DFLP) -- wöchentlich -- orthodox-kommunistisch Volksfront für die Befreiung Palästinas Al Hadaf (Das Ziel) (PFLP) -- wöchentlich -- marxistisch-leninistisch Democratic Palestine -- zweimonatlich -- Al Karamah (Die Würde) -- zweimonatlich -- Volksfront für die Befreiung Palästinas -- Ila-Al-Amam (Vorwärts) Generalkommando (PFLP-GC) -- wöchentlich -- marxistisch-leninistisch Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) Hizb Allah (Partei Gottes) Al-Ahd (Die Verpflichtung) schiitisch-extremistisch -- wöchentlich -- Palästinensischer Arbeiterverband in der Al Amel (Der Arbeiter) Bundesrepublik Deutschland und WestBerlin (PAV) Sozialrevolutionär-nationalistisch Sitz: Wuppertal Palästinensischer Studentenverband in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin e.V.(PSV) Sozialrevolutionär-nationalistisch Verein Palästinensischer Arbeiter München (VPA) Sozialrevolutionär-nationalistisch Palästinensischer Arbeiterverband (PAV), Nürnberg Sozialrevolutionär-nationalistisch Palästina-Libanon-Komitee (PLK), Nürnberg linksextremistisch beeinflußt 3. Griechische Gruppen Kommunistische Partei Griechenlands Risospastis (Radikaler) (KKE-Ausland) Kommounistiki Epitheorisi orthodox-kommunistisch (Kommunistische Revue) Prowlimata tis Irinis ke tou Sosialismou (Probleme des Friedens und des Sozialismus) 135 Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) 4. Iranische Gruppen Tudeh-Partei Nameh Mardom orthodox-kommunistisch (Botschaft des Volkes) -- wöchentlich -- Tudeh Bulletin -- unregelmäßig -- Organisation Iranischer Studenten, SympathiIran-Informationsblatt santen der Organisation der Volksfedayin Aksariat (Mehrheit) des Iran (Mehrheit) -- O.I.S. -- orthodox-kommunistisch Iranische Moslemische Studenten-VereiniFreiheit für Iran gung Bundesrepublik Deutschland e.V. - wöchentlich -- (IMSV) Mojahed (Kämpfer) Gruppe der Neuen Linken Sitz: Köln Organisation Iranischer Demokraten im Iran-Info Ausland (OIDA) Bultan -- e Panahandeh Gruppe der Neuen Linken (Flüchtlingsbulletin) Organisation der iranischen Studenten in der Iran im Kampf Bundesrepublik Deutschland und WestIran-Rundschau Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin -- unregelmäßig Guerilla Iran (Ashraf-Deghani-Anhänger) -O.I.P.F.G.Gruppe der Neuen Linken Union islamischer Studentenvereine in Qods (Jerusalem) Europa (U.I.S.A.) -- unregelmäßig - islamisch-extremistisch 136 Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) 5. Jugoslawische Gruppen Kroatischer Nationalrat (HNV) Vjesnik (Bote) extrem nationalistisch -- unregelmäßig -- Kroatisches Nationalkomitee in Hrvatska Drzava (Kroatischer Staat) Europa e.V. (HNO) -- monatlich -- Mitgliedsorganisation des HNV Sitz: München Kroatische Staatsbildende Bewegung Hrvatski Tjednik (Kroatisches (HDP) Wochenblatt) Sozialrevolutionär-nationalistisch -- wöchentlich -- eingestellt 13.02.1990 6. Kurdische Gruppen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Berxwedan (Widerstand) marxistisch-leninistisch -- monatlich -- Serxwebun (Unabhängigkeit) -- monatlich -- Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) Teilorganisation (Kampfeinheit) der PKK Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) Kurdistan-Report Teilorganisation der PKK -- zweimonatlich -- Kurdistan-Komitee e.V., Köln Nachrichten aus Kurdistan Nebenorganisation der PKK -- unregelmäßig -- Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) Nebenorganisation der PKK Verein patriotischer Künstler Kurdistans in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (HUNERKOM) Nebenorganisation der PKK 137 Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) Union der patriotischen Frauen Kurdistans (YJWK) Nebenorganisation der PKK Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) Nebenorganisation der PKK Union der patriotischen Intellektuellen Kurdistans (YRWK) Nebenorganisation der PKK Union der revolutionär-patriotischen Jugend Kurdistans (YXK) Nebenorganisation der PKK Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan Denge KOMKAR (Stimme KOMKAR) in der Bundesrepublik Deutschland und -- unregelmäßig -- Westberlin e.V. (KOMKAR) Informationsbulletin Kurdistan orthodox-kommunistisch -- zweimonatlich -- 7. Spanische Gruppen Kommunistische Partei Spaniens (PCE) Mundo Obrero (Welt der Arbeit) orthodox-kommunistisch 8. Türkische Gruppen 8.1 Orthodoxe Kommunisten Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei (TBKP) Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei (GDF) Nebenorganisation der TBKP 8.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen Türkische Kommunistische Partei/ Partizan Marxisten-Leninisten (TKP/ML) -- unregelmäßig 138 Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) Frontorganisation derTKP/ML Bolsevik Partizan (BP) Bolsevik Partizan Spaltergruppe der TKP/ML -- unregelmäßig -- Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) Sitz: Duisburg Internationales Kulturzentrum in Augsburg (IKZ) Mitgliedsverband der ATIF Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Mücadele (Kampf) Europa (ATIK) -- monatlich -- Zusammenschluß der ATIF und ihrer Schwesterorganisationen Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) Devrimci Isci (Revolutionärer Arbeiter) Devrimci Isci Spaltergruppe der Devrimci Yol (Revolutionärer Arbeiter) -- unregelmäßig -- Türkei Information -- zweimonatlich -- Avrupa 'da Dev Gene (Revolutionäre Jugend in Europa) Tarnorganisation der 1983 verbotenen Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 8.3 Extreme Nationalisten Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) Sitz: Frankfurt a. M. Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine Yeni Gün (Der neue Tag) e.V.(TIKDB) Sitz: Frankfurt a.M. 139 Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungsweise) 8.4 Islamische Extremisten Verband der islamischen Vereine und Ümmet i Muhammed (Die Gemeinde Gemeinden e.V., Köln (ICCB) Mohammeds) -- 15tägig -- Islamische Bewegung Spaltergruppe Sitz: Köln Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa Milli Gazete (Nationale Zeitung) e.V.(AMGT) -- täglich -- Sitz: Köln Föderation Islamischer Vereine und Gemeinden im Land Bayern e.V. Sitz: München 140 4. Abschnitt Terror* und sonstige politisch motivierte Gewalt 1. Überblick Die Bedrohung der innefen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch politisch motivierte Gewalttäter hielt auch im Jahre 1990 unvermindert an. Die terroristischen Aktivitäten waren im wesentlichen gekennzeichnet durch den versuchten Mordanschlag der Roten Armee Fraktion (RAF) auf Staatssekretär Hans Neusei, weitere Schußwaffenund Sprengstoffanschläge der Provisional Irish Republican Army (PIRA) auf Angehörige und Einrichtungen der britischen Rheinarmee sowie durch die wiederholten öffentlichen Drohungen des irakischen Präsidenten Saddam Hussein nach Beginn der Golfkrise, weltweit durch ihm zu Diensten stehende Terrorkommandos Anschläge verüben zu lassen. RAF gefährlichste Die RAF blieb auch 1990 die gefährlichste deutsche terroristische deutsche TerrorVereinigung. Ein Kommando "Jose Manuel Sevillano" der RAF vergruppe suchte am 27. Juli in Bonn-Auerberg, den Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Hans Neusei, zu ermorden. Die zweite Ebene der RAF ("Militante der RAF") setzte ihre am 10. Dezember 1989 begonnene Anschlagsserie mit drei verübten bzw. versuchten Anschlägen auf Einrichtungen von Wirtschaftsunternehmen fort. Die Tatsache, daß zumindest bei einem dieser Anschläge auch Personenschaden bewußt in Kauf genommen wurde, verdeutlicht die Gefährlichkeit auch dieser Ebene der RAF. Anschläge der RZ Revolutionäre Zellen (RZ) verübten bzw. versuchten am 6. Mai einen Sprengstoffanschlag auf das Amt für öffentliche Ordnung in Köln sowie vier Brandanschläge in Berlin. Anschlagsziele waren neben einer Bank mehrere Einrichtungshäuser. * Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum Dritter durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannt sind (vor allem: Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Explosion durch Sprengstoff) oder durch andere Gewalttaten, die der Vorbereitung solcher Straftaten dienen. 141 Darüber hinaus war die Gefährdungslage bundesweit gekennAutonome und zeichnet von einer hohen Zahl teilweise schwerster Brandund Anarchisten verSprengstoffanschläge, die dem RAF-Umfeld, in der Mehrzahl jeübten die meidoch Gruppen und Einzeltätern aus dem militanten autonomen sten Anschläge und anarchistischen Spektrum zuzurechnen waren. Begründet wurden zahlreiche Anschläge mit der Forderung, die "haftunfähigen" Gefangenen aus "RAF und Widerstand" freizulassen, sowie mit den Themenbereichen "Solidarität mit dem Hungerstreik in Spanien inhaftierter terroristischer Gewalttäter", "Asylpolitik", "Antifaschismus", "Südafrika" und der Räumung besetzter Häuser. Bevorzugte Angriffsziele waren Konzerne, Kaufhäuser und Geldinstitute. Erklärtes Ziel aller in der Bundesrepublik Deutschland agierenden linksextremistischen Terrorgruppen ist die gewaltsame Zerschlagung der gegenwärtigen Staatsund Gesellschaftsordnung, in der sie ein Instrument zur Durchsetzung weltweiter kapitalistischer und imperialistischer Ausbeuterinteressen sehen. Keine der genannten Gruppen bietet eine realistische Perspektive für die Zeit nach der angestrebten Revolution. Alle nennen als Ziel eine "herrschaftsfreie Gesellschaft". Vielfach geben sie vor, das Bild der späteren Gesellschaft schäle sich erst nach und nach im Kampf gegen das herrschende System heraus. Für die Existenz einer rechtsterroristischen Vereinigung in Bayern In Bayern keine gibt es derzeit keine Hinweise. Fehlende organisatorische StruktuHinweise auf ren dürfen aber nicht über die Gefährlichkeit und Unberechenbarrechtsterrorikeit rechtsterroristischer Gewalttäter hinwegtäuschen. Den Nährstische Vereinigung boden hierfür bilden hauptsächlich neonazistische Gruppierungen. Auch die Bedrohung der inneren Sicherheit durch ausländische Bedrohung durch Terroristen hielt weiter an. Die Provisional Irish Republican Army ausländische (PIRA) setzte 1990 ihre Anschlagsserie auf Angehörige und EinTerrorgruppen richtungen der britischen Rheinarmee fort. Bei Schußwaffenattentahält an ten sowie verübten und versuchten Sprengstoffanschlägen im nordwestdeutschen Raum und in den Niederlanden wurden mehrere Personen getötet und z. T. erheblicher Sachschaden verursacht. In Belgien und den Niederlanden gelang in der Zeit vom 16. bis 19. Juni die Festnahme von vier mutmaßlichen PIRA-Terroristen. Bei Rhynem/Hamm und in Belgien konnten umfangreiche Waffenund Sprengstoffmengen sichergestellt werden, die in Erddepots gelagert waren. In der zweiten Jahreshälfte stieg, bedingt durch den Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait am 2. August und die dadurch ausgelöste Golfkrise, die terroristische Bedrohung durch islamisch-extremistische und palästinensische Terrorgruppen erheblich an. So hatte einerseits der irakische Präsident Saddam Hussein mehrfach öffentlich gedroht, weltweit Terroranschläge gegen Einrichtungen der Staaten verüben zu lassen, die sich gegen irakische Interes- 142 sen gestellt hätten. Daneben hatte eine Reihe palästinensischer Gruppen wie die Palästinensische Befreiungsfront (PLF), die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und die Abu-NidalOrganisation (ANO) Partei für den Irak ergriffen und sich zur Begehung von Terrorakten gegen die Staaten der gegen den Irak gerichteten Allianz bereiterklärt. 2. Rote Armee Fraktion (RAF) Die vor rund 20 Jahren entstandene Rote Armee Fraktion (RAF) verfolgte ursprünglich das Ziel, als Avantgarde des revolutionären Kampfes durch terroristische Aktionen der "Stadtguerilla" im "antiimperialistischen Kampf" und im "strategischen und taktischen Zusammenwirken mit den Befreiungskämpfen der unterdrückten Nationen" eine Solidarisierung der Massen und eine revolutionäre Situation herbeizuführen. Aus ihrem "Planungspapier" vom April 1984 geht hervor, daß die RAF ihren "Kampf" in einer koordinierten "antiimperialistischen Front" führen will, die die drei Ebenen "Guerilla" (Kommandobereich), "Widerstand" (RAF-Umfeld) und "Gefangene" (inhaftierte terroristische Gewalttäter) umfaßt. Die RAF sah sich danach nicht mehr nur als verlängerter Arm der Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, sondern als eigenständige Guerilla im "imperialistischen Zentrum Westeuropa". In das Feindbild ihres "antiimperialistischen Kampfes" schloß sie insbesondere die maßgebenden Stützen der bestehenden "Machtstrukturen" ein. Dazu zählte sie neben den Sicherheitsbehörden ("Repressionsapparat") die Bereiche Politik, Militär, Kapital und Industrie. Deren vielfältige Verflechtungen umschrieb sie mit dem Begriff "militärisch-industrieller Komplex" (MIK). RAF erweiterte In ihren Selbstbezichtigungsschreiben zu den 1989 und 1990 verZielvorstellung übten bzw. versuchten Mordanschlägen erweiterte die RAF dieses Feindbild um den Begriff "Europäische Weltmacht". Diese Entwicklung hat sich nach Auffassung der RAF durch den weitgehenden Zusammenbruch des kommunistischen Machtbereichs in Osteuropa und die deutsche Wiedervereinigung ergeben. Dadurch habe der Imperialismus den Kalten Krieg gewonnen. Dies habe zur Stabilisierung des "imperialistischen Machtblocks" geführt. Dadurch sei Europa unter Führung des wiedervereinigten Deutschlands zur Weltmacht geworden. Zwei Ausgaben Vom ideologischen Sprachrohr der RAF, der erstmals Ende 1984 des RAF-Sprachbekanntgewordenen Untergrundbroschüre "Zusammen kämpfen rohrs _ Zeitung für die antiimperialistische Front in Westeuropa" sind die Ausgaben Nr. 11 (März 1990) und Nr. 12 (August 1990) bekanntgeworden. Diese Schriften enthielten neben Selbstbezichtigungsschreiben zu Anschlägen der "Kommandoebene" und "kämpfender Einheiten der RAF" mehrere Beiträge, in denen u. a. 143 Mitglieder und ehemalige Mitglieder "kämpfender Einheiten" Überlegungen zur Fortführung einer breiten militanten Bewegung anstellten. 2.1 Kommandoebene der RAF Die Erweiterung des Feindbildes der RAF um den Begriff "Europäische Weltmacht" war erstmals Bestandteil der Selbstbezichtigung zum Mord an Dr. Alfred Herrhausen am 30. November 1989. Mit dieser Erweiterung ihres Feindbildes versuchte die RAF verstärkt, auch eine "europäische Front der Guerilla" zu formieren und weitere nationale Gruppen in den "revolutionären Kampf" und die Diskussionsprozesse hierzu einzubinden. Die am 30. November 1989 begonnene Anschlagsserie sollte ofGeplanter Anfenbar im März 1990 mit einem Attentat auf den Bundesminister für schlag auf Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ignaz Kiechle fortgesetzt Bundesminister werden. In am 5. März bekanntgewordenen SelbstbezichtigungsIgnaz Kiechle schreiben eines Kommandos "Juliane Plambeck" wurde zu diesem geplanten, aber nicht ausgeführten Anschlag ebenfalls u. a. die "westeuropäische Formierung" als Begründung herangezogen. Diese "westeuropäische Formierung" sei verantwortlich dafür, daß "ganze Volkswirtschaften in existenzielles Chaos" stürzten; sie wolle auf diese Weise den eigenen Profit langfristig sichern. Im Hinblick auf den Demokratisierungsprozeß in Osteuropa behaupteten die Verfasser, daß "dieses faschistische System" ein "neues Opfer des kapitalistischen Diktats" gefunden habe. Dagegen müsse der "gesamte Widerstand" in einem "forcierten Aktionismus" vorgehen. Zentrale Bedeutung in diesem in "einheitlicher Ordnung" gemeinsam zu führenden Kampf gegen die "westeuropäischen Formierungsprozesse" schrieben die Verfasser hierbei dem Europäischen Binnenmarkt zu. Mit der Kommandobezeichnung "Juliane Plambeck" knüpfte die Selbstbezichtigung direkt an den am 30. November 1989 von einem "Kommando Wolfgang Beer" verübten Mordanschlag auf Dr. Alfred Herrhausen an. Die mutmaßliche Terroristin Juliane Plambeck war am 25. Juli 1980 in Bietigheim bei Vaihingen/Enz zusammen mit Wolfgang Beer, einem ehemaligen RAF-Mitglied, bei einem Verkehrsunfall getötet worden. Die Auswahl des mutmaßlichen Anschlagsopfers führte im RAFKritik an der Umfeld -- anders als beim Mord an Dr. Herrhausen -- zu erhebliKommandoebene cher Verunsicherung, da der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten diesen Kreisen als Opfer nicht hinreichend vermittelbar erschien. Deshalb veröffentlichte die Kommandoebene am 27. April eine Erklärung, in der sie die Anschlagsplanungen bestritt. Die Selbstbezichtigung sei von den Sicherheitsbehörden verfaßt und der RAF in die Schuhe geschoben worden (VS-Kiste). Taktisches Sie habe im Umfeld "Chaos und Desorientierung" bewirkt. Dieser Dementi 144 Entwicklung solle jetzt entgegengetreten werden. Ursprünglich habe die Absicht bestanden, hierzu erst in einem neuen Grundsatzpapier zum "revolutionären Prozeß" Stellung zu nehmen. Mit diesem vordergründig aus taktischen Erwägungen heraus veröffentlichten Dementi versuchte die Kommandoebene offenbar einer ähnlichen Entwicklung entgegenzuwirken, wie sie 1985 zu erheblicher Kritik aus dem Umfeld und letztlich zum Eingeständnis der Kommandoebene der RAF geführt hatte, einen Fehler begangen zu haben. Damals hatte die RAF im Zusammenhang mit einem Sprengstoffanschlag am 8. August 1985 auf den Luftwaffenstützpunkt der US-Streitkräfte in Frankfurt a. M. einen US-Soldaten lediglich zu dem Zweck ermordet, sich mit seiner Identitätskarte Zutritt zum Stützpunkt zu verschaffen. Versuchter Mord Am Morgen des 27. Juli verübte ein Kommando "Jose Manuel Sean Staatssekrevillano" der RAF an der Autobahnausfahrt Bonn-Auerberg einen tär Neusei Sprengstoffanschlag auf den Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Hans Neusei, der dabei glücklicherweise nur leicht verletzt wurde. Der auf den Wagen des Staatssekretärs gerichtete Sprengsatz war, wie die beim Mordanschlag auf den Vorstandssprecher der Deutschen Bank Dr. Alfred Herrhausen am 30. November 1989 verwendete Bombe, durch eine Lichtschranke ausgelöst worden. In der Nähe des Tatortes ließen die Täter ein kurzes Selbstbezichtigungsschreiben zurück, in dem der Anschlag parolenhaft mit dem Hungerstreik in Spanien inhaftierter terroristischer Gewalttäter der Terrorgruppen GRAPO* und PCE(r)** begründet wurde. Bei Jose Manuel Sevillano handelt es sich um einen bei diesem Hungerstreik am 25. Mai verstorbenen Gefangenen. Ein ausführliches Selbstbezichtigungsschreiben ging am 31. Juli u. a. bei spanischen, französischen und italienischen Nachrichtenagenturen ein. Auch in diesem Selbstbezichtigungsschreiben begründeten die Verfasser den Anschlag mit dem Hungerstreik in Spanien und der Notwendigkeit, die Forderungen der Inhaftierten zu unterstützen. Die Bundesrepublik Deutschland sei "als führende europäische Macht" für den Tod von Sevillano verantwortlich. Staatssekretär Neusei sei u. a. deshalb als Angriffsziel ausgewählt worden, weil er eine "eisenharte NATO-Linie" gegenüber den gefangenen "Revolutionären" in der Bundesrepublik Deutschland und in Spanien vertrete. Daneben gingen die Verfasser auch auf die veränderte politische Situation in den Ländern Osteuropas ein. So führten sie aus, daß der Imperialismus den Kalten Krieg gewonnen habe. Die "Auflösung des sozialistischen Blocks" habe zu einer Stabilisierung des "imperialistischen Machtblocks" geführt. * Grupo Revolucionario Antifascista Primero de Octubre (Revolutionäre Antifaschistische Gruppe 1. Oktober) ** Partido Comunista de Espana Reconstituido (Wiedergegründete Kommunistische Partei Spaniens) 145 Dadurch und durch die "Einverleibung der DDR" habe es die Bundesrepublik Deutschland "innerhalb Westeuropas zu uneingeschränkter Vormacht" und der ganze "westeuropäische Block" zur Weltmacht gebracht. Der Anschlag solle daher einerseits der "Durchsetzung der Forderungen der Gefangenen und dem Aufbau revolutionärer Gegenmacht in Westeuropa" und andererseits der "Einleitung einer langen Kampfphase gegen die neuentstandene großdeutsche/westeuropäische Weltmacht" dienen. Besonders eindringlich versuchten die Verfasser erneut, andere Gruppen in die Aktivitäten der RAF einzubinden: Für den "Neuaufbau einer starken revolutionären Bewegung" sei es zunächst erforderlich, sich "über die Brennpunkte in der Konfrontation Imperialismus/Befreiung zu verständigen, um dann zur gemeinsamen Intervention zu kommen". Ob die RAF mit ihrer Aufforderung an andere Gruppen, sich ihrem Kampf anzuschließen, Erfolg haben wird, erscheint zweifelhaft. Jedoch muß auch in Zukunft, insbesondere im Hinblick auf die Ankündigung einer "langen Kampfphase", mit weiteren schwersten Straftaten der RAF-Kommandoebene und ihres militanten Umfeldes gerechnet werden. Als besonders gefährdet müssen nach wie vor die Repräsentanten und Institutionen aus den Bereichen Politik, Staat und Wirtschaft angesehen werden. Die Kommandoebene der RAF ist nicht nur im Hinblick auf ihre personelle Stärke von -- geschätzt -- etwa 15 bis 20 Mitgliedern, sondern auch logistisch weiterhin in der Lage, schwerste Terroranschläge zu begehen. Auch die Ankündigung eines bisher nicht bekanntgewordenen Grundsatzpapiers gibt Anlaß zu besonderer Wachsamkeit, denn in der Vergangenheit wurden derartige Papiere häufig im Zusammenhang mit gegen Menschen gerichteten Anschlägen veröffentlicht. Am 27. September ging einer Nachrichtenagentur in Bonn eine Erneuter Versuch, zweiseitige mit "Rote Armee Fraktion 24.09.1990" unterzeichnete militanten LinksErklärung zu. Die Verfasser äußerten sich darin insbesondere zum extremisten näher zu komrnen Verhältnis zwischen RAF und "Widerstand". Besondere Bedeutung maßen die Verfasser dabei den polizeilichen Durchsuchungen in der Hafenstraße in Hamburg vom Mai zu. Diese Durchsuchungsmaßnahmen standen seinerzeit im Zusammenhang mit der Fahndung nach zwei mutmaßlichen Angehörigen der "Militanten der RAF". Die Verfasser bestritten in der Erklärung, daß die RAF in der Hafenstraße Anschlagspläne gelagert oder dort eine "Kommandozentrale" unterhalten habe. Auch gebe es dort keine "legalen Mitglieder der RAF". "RAF-Mitglieder" agierten der Erklärung zufolge nur aus der "Illegalität". Anschließend betonten die Verfasser in ihrem mehr taktischen als konzeptionellen Papier erneut die Bereitschaft zur Diskussion mit "Leuten aus den unterschiedlichen Zusammenhängen", mit denen sie zum Teil schon in Kontakt stünden. Es gehe für sie darum, "mit Genossen und Genossinnen, die in anderen Kämpfen drinsteckten oder deren Zielvorstellung" sich 146 mit der ihren deckte, darüber zu diskutieren, wie man zusammen zu "größerer Kraft und Stärke kommen" könne. Die auch in diesem Papier angesprochene Bündnispolitik der RAF ist bisher nicht über Ansätze hinausgekommen. Die RAF und ihr Umfeld versuchen zwar, sich mit anderen linksmilitanten Gruppen über die Zielvorstellungen der RAF auseinanderzusetzen und die Neubestimmung "revolutionärer Politik" festzulegen, jedoch scheiterten diese Bemühungen bisher stets sowohl an dem avantgardistischen Anspruch der RAF als auch an den "Berührungsängsten" anderer Gruppen gegenüber der RAF. Verbindungen zu Daneben war die RAF auch bestrebt, Kontakte zu Terrorgruppen ausländischen im Ausland zu pflegen und dies durch Solidaritätsaktionen sowie Terrorgruppen durch entsprechende Namensgebungen für ihre Terrorkommandos zu unterstreichen. Einzelne dieser ausländischen Terrorgruppen wie z. B. die französische Action Directe (AD) sind allerdings zur Zeit inaktiv und im wesentlichen zerschlagen oder wie die italienischen Roten Brigaden (BR) durch Festnahmen in den vergangenen Jahren geschwächt, so daß es bisher insbesondere im Bezug zu den BR bei einer Ankündigung abgestimmter Aktionen geblieben ist. Zu beachten sind jedoch auch die Solidaritätsaktionen mit den spanischen Terrorgruppen GRAPO und PCE(r), die trotz zahlreicher Festnahmen nach wie vor aktionsfähig sind. Im Hinblick auf bisher in dieser Deutlichkeit noch nicht bekanntgewesene deutsche Bezüge in einem Selbstbezichtigungsschreiben der griechischen Terrorgruppe "Revolutionäre Organisation 17. November" bedürfen auch mögliche Kontaktversuche der RAF nach Griechenland der aufmerksamen Beobachtung. 2.2 Militante der RAF Die "Militanten der RAF" sind nach dem Kommandobereich als zweite "kämpfende Ebene" in die RAF eingebunden und damit als integrierter Bestandteil der RAF anzusehen. "Kämpfende Einheiten" dieser Ebene der RAF setzten 1990 ihre am 10. Dezember 1989 nach dem Mord an Dr. Herrhausen begonnene Anschlagsserie, die sich primär gegen Sachwerte richtete, mit drei verübten bzw. versuchten Brandund Sprengstoffanschlägen fort. "Militante" der Am 4. Februar verübte eine "Kämpfende Einheit 'Cepa' Gallende" RAF setzten einen Sprengstoffanschlag auf die Hauptverwaltung eines EnergieOffensive fort Versorgungsunternehmens in Essen. Die unbekannten Täter hatten zwei Sprengsätze in einem Kellereingang eines Nebengebäudes abgelegt und zur Explosion gebracht. Nach einem versuchten Sprengstoffanschlag auf ein Verwaltungsgebäude einer Großbank in Eschborn/Taunus am 25. Februar bezichtigte sich eine "Kämpfende Einheit Febe Elisabeth" der Tat. Hier hatten die Täter einen mit rund 50 kg Sprengstoff in sechs 147 Bundesbahngasflaschen als Autobombe präparierten Pkw vor dem Verwaltungsgebäude abgestellt. Der Sprengsatz zündete jedoch nicht. In der Schule für Kommunikationsund Datentechnik eines Elektrokonzerns in Bonn/Bad Godesberg brannte am 27. Februar durch einen Brandsatz ein Klassenzimmer aus, wobei zehn Computerterminals zerstört wurden. Zu diesem Brandanschlag bekannte sich eine "Kämpfende Einheit Hüseyin Hüsnü Eroglu". An den zu diesen Anschlägen bekanntgewordenen Selbstbezichti"Militante" der gungsschreiben war eine zunehmend Sozialrevolutionäre AusrichRAF streben eine tung der Begründungen bemerkenswert. Damit sollte offenbar revolutionäre mehr Akzeptanz bei anderen Gruppen, z. B. im autonomen BeFront an reich, erzielt werden. Die angegriffenen Firmen wurden dabei im wesentlichen als die Marktführer in der jeweiligen Branche und damit als in erster Linie verantwortlich für Ausbeutung und Verschlechterung der Lebensbedingungen von Menschen dargestellt. Ebenso wurden in allen drei Selbstbezichtigungen verstärkte Bemühungen zum Aufbau der "revolutionären Front" gefordert. Bemerkenswert im Zusammenhang mit diesen Selbstbezichtigungen sind auch die Beiträge von Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern "Kämpfender Einheiten" sowie von Personen aus dem terroristischen Umfeld, die einen breiten Diskussionsprozeß mit Initiativen und Gruppen aus anderen "politischen Zusammenhängen" vorantreiben wollen. Im ideologischen Sprachrohr des RAF-Spektrums "Zusammen kämpfen", Nr. 12, August 1990, wurden teils in Interviewform, teils in Briefen und Artikeln z. T. kritische Fragen an den RAF-Kommandobereich und die Militanten der RAF gestellt, die deren Probleme und Schwächen nach der Offensive 1986 bis heute beleuchten. Diese Beiträge lassen keinen Zweifel daran, daß die Verfasser an einer breiten militanten Bewegung interessiert sind und nach neuen Perspektiven suchen. Zu Einzelfragen antworteten auch Angehörige von "Kämpfenden Einheiten". Sie gestanden dabei den "Einbruch" nach 1986 ein, der u.a. auf Fehleinschätzungen, Kommunikationsproblemen sowie fehlender Resonanz im "Widerstand" beruht habe. 2 3 Inhaftierte der RAF Aus Solidarität mit den hungerstreikenden Häftlingen der spaniSolidaritätshunschen Terrorgruppe GRAPO und der ihr nahestehenden PCE(r) gerstreik mit den nahmen die Inhaftierten aus "RAF und Widerstand" am 16. Januar hungerstreikenden einen Solidaritätshungerstreik auf, den sie abwechselnd jeweils für Häftlingen spanischer Terrorgrupeine Woche führten. An einer ersten bis 26. Februar dauernden pen Hungerstreikwelle beteiligten sich 39 Häftlinge. In den von einzelnen Inhaftierten bei Beginn ihres Hungerstreiks abgegebenen 148 schriftlichen Erklärungen war die Parallelität und Internationalität des Kampfes der Inhaftierten in Spanien und in der Bundesrepublik Deutschland gegen einen gemeinsamen Gegner herausgestellt. Darüber hinaus gingen die Verfasser auch auf Aspekte des "revolutionären Kampfes" ein, der gegen die imperialistische Formierung zu führen sei. Sie zeigten sich überzeugt, daß die "Revolutionäre Westeuropas" in naher Zukunft zunehmend in "gemeinsam bestimmten Kämpfen" stehen würden. Am 8. März begann eine zweite Hungerstreikwelle, die bis 5. Mai andauerte. Parallel zum Verlauf in Spanien wurde diese Welle gegen Ende März nur noch in abgeschwächter Form weitergeführt und schließlich abgebrochen, nachdem auch dort die meisten Häftlinge ihren Hungerstreik vorerst abgebrochen hatten. Der inhaftierte terroristische GewalttäFesthalten am ter Christian Klar begründete den Abbruch in einem veröffentlichen revolutionären Brief vom 14. Mai damit, daß derartige Aktionen nur eine begrenzte Kam f P zeitliche Wirkung hätten. Ferner brachte er zum Ausdruck, daß die Imperialisten die Errichtung des europäischen Binnenmarktes nicht erreichen würden, denn "die Kugel kann die Bestie schließlich auch noch im Sprung erreichen". Diese Äußerung ist beispielhaft für die ungebrochene Identifizierung inhaftierter terroristischer Gewalttäter mit dem "revolutionären Kampf". Ende März fanden im gesamten Bundesgebiet bei 25 inhaftierten terroristischen Gewalttätern Zellendurchsuchungen statt. Hierbei wurden schriftliche Unterlagen sichergestellt, die auf das Bestehen eines illegalen Informationssystems schließen ließen, in das seit längerer Zeit nahezu alle inhaftierten RAF-Mitglieder eingebunden waren. Von dem inhaftierten RAF-Mitglied Helmut Pohl, der bereits während des 10. kollektiven Hungerstreiks im Jahre 1989 als "Wortführer" der RAF-Häftlinge in Erscheinung trat, wurde Ende August 1990 eine achtseitige "Erklärung" bekannt, in der er ein illegales Informationssystem der Inhaftierten indirekt bestätigte sowie Ausführungen zu den Festnahmen ehemaliger RAF-Mitglieder in der früheren DDR sowie zur aktuellen Fortentwicklung "revolutionärer Politik" machte. 2.4 Umfeld der RAF Den Gruppierungen des engeren RAF-Umfeldes gehören bundesweit etwa 250 Personen an. Ihr Ziel ist nach wie vor der Aufbau einer "antiimperialistischen Front" aus "Guerilla und Widerstand". In internen Diskussionen befassen sie sich seit 1987 vor allem mit Struktur und Organisationsformen des sogenannten Widerstandes. Sie versuchten dabei insbesondere Vorstellungen über eine "antiimperialistische Front" in andere linksextremistische Gruppierungen, bevorzugt in militante autonome Gruppen, einzubringen. 149 Dominierendes Thema des engeren und weiteren RAF-Umfeldes, Solidaritätsdessen Angehörige schlechthin als "Antiimps" bezeichnet werden, aktionen für die war in den ersten Monaten 1990 der Hungerstreik der GRAPOHungerstreikenden Häftlinge in Spanien. Hierzu initiierten bzw. beteiligten sich die Antiimps an zahlreichen Veranstaltungen und sonstigen Aktionen. Dabei nutzten sie die Gelegenheit, über die bekundete Solidarität mit den spanischen Häftlingen hinaus auch die Forderungen nach Zusammenlegung der RAF-Inhaftierten und nach Freilassung von ihrer Meinung nach haftunfähigen terroristischen Gewalttätern in die Öffentlichkeit zu tragen. Allerdings blieb die Vielzahl der demonstrativen Aktionen schon wegen der niedrigen Teilnehmerzahl, die selten über 30 Personen hinausging, ohne große öffentliche Resonanz. Aus Anlaß des Hungerstreiks der GRAPO-Häftlinge Gewaltaktionen kam es auch zu einer Vielzahl von militanten Aktionen, insbesondere zu Sachbeschädigungen überwiegend gegen Einrichtungen und Firmen mit Bezügen zu Spanien, aber auch gegen deutsche Banken und Parteibüros. Im Rahmen der Fahndung nach zwei mutmaßlichen RAF-AngehöriDurchsuchungen gen durchsuchte die Polizei am 15. Mai u. a. die Häuser der "Hain der Hafenfenstraße" in Hamburg. Dabei wurden neben mehreren Personalstraße computern, 600 Disketten, Druckern, Scannern und einer Funkwerkstatt nebst Funkgeräten schriftliche Unterlagen aufgefunden, die auf die Ausspähung führender Politiker und Wirtschaftsführer schließen lassen. Am 5. Dezember fanden in fünf deutschen Städten erneut Hausdurchsuchungen bei Personen des RAF-Umfeldes statt. Die Exekutivmaßnahmen führten zur Auffindung einer Vielzahl von beweiserheblichen Gegenständen wie Schriftmaterial, Flugblätter, Stadtpläne, Landkarten, Adressenverzeichnisse und Kopien von Selbstbezichtigungen. In Bayern sind Gruppierungen des RAF-Umfeldes mit SchwerRAF-Umfeld in punkten in München und Nürnberg bekannt. Ihnen gehören etwa Bayern 20 Personen an, davon einige aus dem engeren RAF-Umfeld. Die Nürnberger Gruppierung unterhält zu ähnlichen Gruppen im Bundesgebiet enge Kontakte. Die Verbindungen der Münchner Gruppe sind rückläufig. Der Schwerpunkt der Aktivitäten lag ebenfalls im Großraum Nürnberg. So beschränkten sich die SolidaritätsakSchwerpunkt der tionen zum in Spanien geführten Hungerstreik fast ausschließlich Aktivitäten im auf den Raum Nürnberg, Fürth, Erlangen. Antiimperialisten führten Großraum Nürnin diesem Zusammenhang am 31. Januar und 17. Februar in Nürnberg berg unter Beteiligung von Autonomen je eine Solidaritätsveranstaltung für die in Spanien inhaftierten terroristischen Gewalttäter durch. Dabei zeigten die jeweils etwa 35 Personen u. a. Transparente mit Aufschriften wie "Liebe und Kraft für die Genoss(inn)en aus GRAPO und PCE(r)" und "Seit dem 30.11.1989 im Hungerstreik -- für die Zusammenlegung". 150 Im Großraum Nürnberg beschädigten außerdem am 31. Juli unbekannte Täter bei mehreren Niederlassungen eines Automobilkonzerns eine Reihe dort abgestellter Fahrzeuge. In einem am 1. August bei einer Tageszeitung eingegangenen Selbstbezichtigungsschreiben wurden diese Straftaten ebenfalls mit dem in Spanien geführten Hungerstreik begründet. Die Verfasser betonten ferner, daß der Kampf der inhaftierten terroristischen Gewalttäter auch als Teil des Kampfes gegen "Europa '92" zu sehen sei. 3. Revolutionäre Zellen (RZ) Die erstmals im Jahre 1972 in Erscheinung getretenen Revolutionären Zellen sind unabhängig voneinander operierende Kleingruppen, die durch das Ziel des "Sozialrevolutionären, antikapitalistischen Kampfes" verbunden sind. Sie agieren aus streng abgeschotteten Zellen heraus, aber nicht aus dem Untergrund, sind also nicht darauf angewiesen, sich eine konspirative Logistik zu schaffen. Unter weitgehendem Verzicht auf eine dogmatische Theorie bleibt den einzelnen Personen oder Kleingruppen die Wahl des Betätigungsfeldes und die Art der Aktion sowie die Intensität des Engagements freigestellt. Ihre Taktik besteht im allgemeinen darin, mit möglichst geringem Einsatz und Risiko möglichst großen Sachschaden anzurichten, der nach ihrer Auffassung den betroffenen Einrichtungen bzw. Unternehmen mehr schadet als der Ausfall einer Führungsperson. Ihre Attentate sind deshalb anders als die "militärischen" Anschläge des "Kommandobereichs" der RAF nicht direkt auf Mord an Menschen gerichtet. Die Tötung oder Verletzung von Menschen wird jedoch billigend in Kauf genommen, soweit dies den Tätern erforderlich erscheint, um ihr primäres Anschlagsziel zu erreichen. Die RZ wollen mit ihren Aktivitäten den Anstoß zu einer militanten Massenbewegung geben und einen bewaffneten Massenwiderstand auslösen. Ihnen kommt es darauf an, daß ihre Aktionen nachvollziehbar sind und einem möglichst großen relevanten Personenkreis eine Identifikation mit ihren Zielen ermöglichen. Dementsprechend liegen die Anknüpfungspunkte für ihre Aktionen in allen gesellschaftlichen Konfliktfeldern -- von Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Personennahverkehr über Sanierungsvorhaben, Bau von in der Bevölkerung umstrittenen Großprojekten und Ausbeutung der Dritten Welt bis hin zur Ausländerund Asylproblematik sowie zur Biound Gentechnologie. Die Aktionsvielfalt reicht dabei von Sachbeschädigungen und Sabotageakten bis hin zu schweren Brandund Sprengstoffanschlägen. Anschläge der RZ In diesem Jahr bekannten sich Revolutionäre Zellen einschließlich "Nachahmern" oder sog. "Resonanz"-RZ zu einem versuchten Sprengstoffanschlag am 6. Mai auf das Amt für öffentliche Ordnung in Köln und zu Brandanschlägen am 27. April auf ein Möbel- 151 haus mit einem Sachschaden in Millionenhöhe, am 8. Juli auf einen Container einer Bank und am 19. November auf zwei Geschäftshäuser, jeweils in Berlin. In ihrem Selbstbezichtigungsschreiben begründeten die RZ den mißlungenen Sprengstoffanschlag auf das Amt für öffentliche Ordnung in Köln u. a. mit der Anschuldigung, die Behörde sei das "administrative Zentrum des Vorgehens gegen Immigranten/innen, Flüchtlinge und die in Köln ansässige Roma-Bevölkerung"; die Aktion beziehe sich zugleich auf den Widerstand gegen das "neue alte Ausländerrecht", das in der Behörde vollzogen werde. Für die in Berlin verübten Brandanschläge waren dagegen in erster Linie mögliche Auswirkungen auf die "sozialen Verhältnisse" im Zusammenhang mit der Rolle Berlins als deutscher Hauptstadt ausschlaggebend, wozu auch die angegriffenen "Konsumtempel" die nötige Infrastruktur schaffen würden. Am 3. Februar verursachte ein Brandanschlag auf eine EnergieNachahmer der R2 technikfirma in Frankfurt a. M. einen Sachschaden in Millionenhöhe. In einem Selbstbezichtigungsschreiben erklärte eine Gruppierung mit der Bezeichnung "Revolutionäre Viren", die offenbar das Gedankengut der RZ übernommen hat, der Anschlag sei wegen der Einbindung des Unternehmens in ein Großprojekt in "Kurdistan" erfolgt. Mit diesem Anschlag sollte der "Befreiungskampf" kurdischer Frauen und Männer unterstützt werden. "Antiimperialismus in den Metropolen" bedeute nach Ansicht der Verfasser, "diese Kämpfe aufzugreifen und mit sozialen Ansätzen hier zu verbinden". Die "autonome Frauengruppe in der RZ", die "Rote Zora", war 1990 nicht aktiv. 4. Festnahmen und Strafverfahren Am 16. März nahm die Polizei einen 28jährigen Mann wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung fest. Er hatte zusammen mit zwei weiteren Personen, die kurz darauf ebenfalls festgenommen werden konnten, in das Rathaus der Gemeinde Bruchsal/Untergrombach/BadenWürttemberg eingebrochen. Wohnungsdurchsuchungen bei den Festgenommenen führten u. a. zur Sicherstellung schriftlicher Unterlagen mit terroristischem Bezug. Der zuständige Ermittlungsrichter erließ Haftbefehl u. a. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Mit nunmehr rechtskräftigem Urteil vom 10. Mai verurteilte die JuNeonazi zu gendkammer des Landgerichts Amberg den Neonazi Josef Salier 121/2 Jahren wegen besonders schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe Haft verurteilt von 12 Jahren und sechs Monaten. Der Angeklagte hatte am 17. Dezember 1988 in Schwandorf einen Brandanschlag auf ein überwiegend von Ausländern bewohntes Haus verübt, bei dem vier 152 Menschen ums Leben kamen. Er war im August 1988 bei einer Durchsuchung des "Zentrums" der neonazistischen Nationalistischen Front (IMF) in Bielefeld als Mitglied der NF bekanntgeworden; außerdem hatte er Kontakte zur Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) unterhalten. Festnahme mehreDie Sicherheitsbehörden der ehemaligen DDR nahmen in der Zeit rer mutmaßlicher vom 6. bis 18. Juni sieben mit Haftbefehl gesuchte mutmaßliche RAF-Mitglieder in Angehörige der RAF fest. Die festgenommenen Susanne Albrecht, der ehemaligen Henning Beer, Monika Helbing, Werner Lotze, Silke Maier-Witt, SiDDR grid Sternebeck und Inge Viett hatten mehrere Jahre unter anderer Identität, mit der sie vom ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ausgestattet worden waren, in der DDR gelebt. Ihnen werden neben der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zum Teil schwerste Straftaten zur Last gelegt. Drei weitere mutmaßliche ehemalige Angehörige der RAF, die ebenfalls festgenommen worden waren, wurden wegen Verjährung der Strafverfolgung wieder freigelassen. Wegen Verdachts der Beteiligung am 1979 gescheiterten Attentat auf den damaligen NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig wurde Ralf Baptist Friedrich, einer der drei zunächst wieder Freigelassenen, am 12. November in Hamburg erneut festgenommen. Hohe Strafen für Wegen gemeinschaftlicher versuchter schwerer Brandstiftung in Börsenbrandstifter Tateinheit mit Sachbeschädigung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. am 8. Oktober Gabriele Hanka, Sigrid Happe und Sven Schmid zu Freiheitsstrafen von jeweils sieben Jahren. Die Verurteilten hatten zusammen mit drei weiteren Tätern am 12. April 1989 insgesamt 37 Molotow-Cocktails in die Räume der Wertpapierbörse Frankfurt a. M. geworfen. Die Tat stand im Zusammenhang mit dem 10. kollektiven Hungerstreik inhaftierter terroristischer Gewalttäter. In einem abgetrennten Verfahren verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. am 19. Dezember Stefan Feifei wegen des gleichen Sachverhalts ebenfalls zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Am 22. Oktober verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Revisionsverfahren Dr. Ingrid Strobl wegen Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Das ursprüngliche Urteil vom 6. Juni 1989 war vom Bundesgerichtshof am 8. Mai 1990 teilweise aufgehoben und an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß Frau Dr. Strobl einen Wecker gekauft und weitergegeben hatte, der am 28. Oktober 1986 als Zeitzünder bei einem von terroristischen Revolutionären Zellen (RZ) verübten Sprengstoffanschlag auf ein Verwaltungsgebäude der Lufthansa AG in Köln gedient hatte. 153 5. Politisch motivierte Gewaltaktionen in Bayern Die Zahl der Gewaltakte in Bayern, bei denen das angegriffene Zahl der Anschläge Ziel, die Tatausführung oder eine Selbstbezichtigung auf politische in Bayern leicht Motive hindeuteten, ist in Bayern im Vergleich zum Vorjahr gesunrückläufig ken. Insgesamt wurden acht Brandanschläge (1989: 12) verübt oder versucht. Sprengstoffanschläge waren wie in den beiden vorangegangenen Jahren nicht zu verzeichnen. An politisch motivierten Gewaltaktionen sind insbesondere zu nennen: Im Zusammenhang mit einer internationalen Kampagne gegen einen Mineralölkonzern, die vor längerer Zeit auch von militanten Linksextremisten aufgegriffen wurde, kam es auch in Bayern zu Sachbeschädigungen an Einrichtungen dieses Konzerns. In der Nacht zum 24. April schnitten unbekannte Täter an einer Tankstelle des Konzerns in Passau neun Zapfschläuche ab und brachten themenbezogene Schmierschriften an. In der Nacht zum 30. April schütteten unbekannte Täter an einer Tankstelle in Elsenfeld, Landkreis Miltenberg, Zucker in die Tanks und schnitten ebenfalls acht Zapfschläuche an den Tanksäulen ab. Der Sachschaden betrug rund 55.000 DM. Am 16. Mai setzten unbekannte Täter in München den Anhänger eines Pkw mit jugoslawischem Kennzeichen in Brand. Es entstand Sachschaden von 3.000 DM. Bereits am Vortag hatte der Halter des Pkw an seinem Fahrzeug einen mehrsprachigen Aufkleber mit der Aufschrift "Freiheit für Kroatien" vorgefunden. In der Nacht zum 31. Juli übergössen unbekannte Täter in Fürth und Nürnberg bei Niederlassungen eines Automobilkonzerns mehrere Neufahrzeuge mit Abbeizmitteln. In einem Selbstbezichtigungsschreiben wurden die beiden Aktionen mit dem von Angehörigen der GRAPO und PCE(r) in Spanien durchgeführten Hungerstreik und dem Tod eines Inhaftierten begründet. Am 22. September entzündeten unbekannte Täter in Neumarkt/ Oberpfalz in einem nur von Ausländern bewohnten Haus eine mit Heizöl gefüllte Flasche. Das hölzerne Treppengeländer war bereits in Brand geraten, als der Hausmeister den Brand entdeckte und löschen konnte. Aus Anlaß des Tages der Deutschen Einheit am 3. Oktober wurden auch in Bayern mehrere Sachbeschädigungen und Schmierereien festgestellt. Unbekannte Täter verbrannten bzw. zerrissen u. a. in Kelheim, Oberstdorf und Wernberg-Köblitz, Landkreis Schwandorf, vor öffentlichen Gebäuden aufgezogene Flaggen der Bundesrepublik Deutschland. In Kranzberg, Landkreis Freising, schmierten in der Nacht zum 3. Oktober unbekannte Täter an die Wand eines Lagerhauses die Pa- role "Verrecke Deutschland, damit wir leben können". Im Stadtgebiet Erding brachten unbekannte Täter ebenfalls an mehreren Gebäuden Schmierschriften mit Bezug zur Wiedervereinigung an. Am 4. Oktober warfen unbekannte Täter Molotow-Cocktails an die Hausmauer des Amtsgerichts Aschaffenburg. Zuvor hatten die Täter vergeblich versucht, eine Fensterscheibe an der Gebäudefront einzuschlagen. Es entstand Sachschaden von etwa 1.000 DM. In der Nacht zum 19. Oktober verklebten unbekannte Täter an sieben Zweigstellen einer Großbank in Nürnberg die Türschlösser. In einem am 23. Oktober bei einer Nürnberger Tageszeitung eingegangenen Selbstbezichtigungsschreiben begründeten die Täter die Aktion u. a. mit dem Jahrestag der "Ermordung der Gefangenen aus der RAF in Stammheim". Am 18. Oktober 1977 hatten Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim Selbstmord verübt. Daneben forderten die unbekannten Verfasser europaweite Zusammenlegung der inhaftierten terroristischen Gewalttäter, Solidarität mit derzeit hungerstreikenden inhaftierten Terroristen in Spanien sowie den Erhalt der "Hafenstraße" in Hamburg. Auf das Landratsamt in Forchheim wurde in der Nacht zum 6. Dezember der dritte Brandanschlag innerhalb von zehn Wochen verübt. Unbekannte hatten zwei Molotow-Cocktails gegen ein Fenster der im ersten Stock des Landratsamts liegenden Ausländerbehörde geworfen. Bereits am 28. September und 19. November waren auf die gleiche Art und Weise Brandanschläge auf das Landratsamt begangen worden. 156 5. Abschnitt Spionageabwehr 1. Positionsbeschreibung Die Spionageabwehr im Jahre 1990 war geprägt von der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR -- zuletzt "Amt für Nationale Sicherheit" (AfNS) -- im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der deutschen Einheit und vom Verlust der Vorherrschaft der kommunistischen Parteien in Polen, Ungarn und in der Tschechoslowakei sowie den damit verbundenen Auswirkungen auf die Nachrichtendienste dieser Staaten. Diese Veränderungen führten zu einer ganz erheblichen Steigerung der Bedrohung durch die sowjetischen Nachrichtendienste, die bisher mehr als "stille Teilhaber" vor allem an der Arbeit des MfS partizipiert haben, nun aber verstärkt unmittelbar in der Bundesrepublik Deutschland nachrichtendienstlich tätig werden. Erleichtert wird dies den sowjetischen Nachrichtendiensten dadurch, daß sie im Besitz von Akten und Berichten des ehemaligen MfS sind und daß frühere hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter des MfS (IM) in ihre Dienste getreten sind. Sie haben damit für ihre Tätigkeit in Deutschland wesentliche Vorteile erlangt, die insbesondere in der sprachlichen und mentalen Identität von Führungsoffizier und Quelle bestehen und ein wesentliches Moment des Erfolges des MfS waren. Die Spionageabwehr des Landesamtes für Verfassungsschutz hat sich hierauf eingestellt. Daneben war und ist die Aufarbeitung von Informationen von ehemaligen Mitarbeitern der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS ein Arbeitsschwerpunkt. 2. Rückblick auf die Arbeit des MfS 2.1 Das MfS als Schwert und Schild der Partei Unumschränkte Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR war am 8. Februar Rechte des MfS 1950 durch Gesetz der Volkskammer gegründet worden und hatte zur Sicherung des sich zu einem "abgeschirmten Aufklärungsund Abwehrorgan" mit Herrschaftsanfast unumschränkten Rechten zur Sicherung des Herrschaftsanspruchs der SED spruchs der SED entwickelt. Es hatte alle polizeilichen Befugnisse, obwohl seine Aufgaben gesetzlich nicht bestimmt waren. Die kon- 157 zeptionelle Identität von Partei und Staat in Diktaturen führt zwangsläufig dazu, daß deren Nachrichtendienste systematisch zur Sicherung der Herrschaft der Partei genutzt werden. In ganz besonders eindeutiger Weise war die Verantwortung des Nachrichtendienstes für die Partei und die der Partei für den Nachrichtendienst in der ehemaligen DDR ausgeprägt. Auf eine entsprechende Anfrage im Deutschen Bundestag erläuterte dies die Bundesregierung wie folgt: "Die Mitverantwortung der Ersten Sekretäre der Bezirksleitungen der SED für das totalitäre Überwachungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR ergibt sich aus ihrer Stellung innerhalb der Hierarchie der SED und aus ihrer parteiamtlichen Funktion in Verbindung mit der bedingungslosen Verpflichtung des MfS auf die SED und die Sicherung ihrer Herrschaft. Als Mitglieder des Zentralkomitees der SED -- in einigen Fällen sogar des Politbüros des Zentralkomitees -- gehörten die Ersten Sekretäre der SED-Bezirksleitungen dem laut Statut der SED 'Höchsten Organ der Partei' zwischen den Parteitagen an. Demzufolge sind sie politisch mitverantwortlich für alles, was das MfS im Auftrag, im Dienste oder mit Duldung der Zentralparteiführung unternommen hat. Konkreten, sei es mitwisserisch, sei es weisungsbefugt begründeten Anteil an der Überwachungspraxis in ihrem Amtsbereich hatten die Ersten Sekretäre auf der Bezirksebene sowohl als Vorsitzende des 'gewählten' Gremiums Bezirksleitung, welchem immer auch der Chef der jeweiligen MfS-Bezirksverwaltung angehörte, ebenso wie als Leiter des Apparates der Bezirksleitung, der jeweils mit einer Sicherheitsabteilung ausgestattet war." Die umfassende Steuerung des MfS durch die SED wurde vor allem auch durch die Position des Ministers Mielke im Politbüro des Zentralkomitees der SED und die Mitgliedschaft fast aller MfS-Angehörigen in der SED sowie den entsprechenden Parteigliederungen auf allen Organisationsebenen des MfS gewährleistet. Folgerichtig diente die weit überwiegende Mehrzahl der rund Repressionsap100.000 hauptamtlichen Mitarbeiter und der weiteren etwa 109.000 parat des MfS IM dem internen Repressionsapparat, d. h. der permanenten Überwachung und Unterdrückung des Volkes im Interesse der kommunistischen SED. Dazu verfügten sie zuletzt über mehr als 2.000 Gebäude und konspirative Wohnungen, etwa 20.000 Kraftfahrzeuge, ca. 200.000 Schußwaffen von der Pistole bis zu Panzerbüchsen, gigantische Anlagen zur Telefonüberwachung sowie eine Infrastruktur, die den Mitarbeitern des MfS eine Elitestellung gab (eigenes Krankenhaus, eigene Sportstätten, eigene Hochschule in Potsdam usw.). Der Zentrale des MfS mit über 40.000 Mitarbeitern in der Normannenstraße in Berlin waren 15 Bezirksverwaltungen und 219 Kreisdienststellen nachgeordnet. 158 Zu den hauptamtlichen Mitarbeitern zählten auch mehrere tausend "Offiziere im besonderen Einsatz", die für das MfS konspirativ tätig waren (sog. OibE). Sie waren unter Verheimlichung ihres Dienstverhältnisses zum MfS in sicherheitsrelevanten Schlüsselstellungen des Staates, der Volkswirtschaft oder des gesellschaftlichen Lebens für die interne "Abwehr" sowie die Auslandsaufklärung des MfS tätig. Die IM wurden vom MfS bereits in jungen Jahren ausgewählt, geschult, zielgerichtet plaziert und aufgebaut. Zahlreiche IM kamen so in leitende Funktionen von Parteien, Vereinen oder kirchlichen Einrichtungen, ohne daß ihre Doppelfunktion entdeckt wurde. Damit gewann das MfS nicht nur Informationen aus dem Führungszirkel, sondern konnte auch unbemerkt steuernd und manipulierend in diese Institutionen eingreifen. Aus dem Kreis inoffizieller Mitarbeiter wurden häufig auch hauptamtliche Mitarbeiter rekrutiert. 2.2 Die "Auslandsaufklärung" genannte Spionagetätigkeit des MfS Nur ein Teil der Mitarbeiter des MfS war in der "Auslandsaufklärung" tätig, d. h. trug zur Spionagetätigkeit in den alten Bundesländern bei. Die Auslandsaufklärung des MfS erfolgte fast ausschließlich durch die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Sie deckte im nachrichtendienstlichen Verbund der Staaten des ehemaligen Ostblocks zu 80% den deutschsprachigen Raum ab. Erfolgversprechende Ansatzpunkte gewann die HVA unter anderem durch die Erkenntnisse des MfS aus dem innerdeutschen Reiseverkehr oder aus verwandtschaftlichen Kontakten zwischen den Bürgern der beiden deutschen Staaten. Darüber hinaus erhielt sie Informationen aus der Hauptabteilung Fernmeldeaufklärung (HA III), die sie auch zur Abklärung und Überwachung von für das MfS interessanten Personen nutzen konnte. Beispielhaft für die Nutzung verwandtschaftlicher Beziehungen von IM ist folgender Fall: Ein 34jähriger Beamter aus dem Raum München wurde 1978 bei einem Verwandtenbesuch in der DDR von seinem Onkel, der IM des MfS war, diesem Dienst zugeführt und zur nachrichtendienstlichen Tätigkeit verpflichtet. In den folgenden beiden Jahren fanden jeweils vier Treffs in München, Berlin und Wien statt, bei denen zunächst nur Telefonbücher, Fachbücher und später auch EDVHandbücher geliefert wurden. Neben der Beschaffung von Unterlagen aus seinem Arbeitsbereich mußte der Agent auch seine Freunde und Kollegen für das MfS abklären und deren Eignung für eine nachrichtendienstliche (ND) Tätigkeit beurteilen. Als sich die ND-Verbindung für das MfS als interessant herauskristallisierte, übernahm ein hauptamtlicher MfS-Mann die Führung des Agenten, schulte ihn und wickelte jährlich bis zu zehn Treffen unter konspi- 159 rativen Umständen in den Nachbarländern ab. Für seine Dienste erhielt der Agent das relativ bescheidene Entgelt von etwas über 8.000 DM. Gegen den Beamten wurde inzwischen Anklage erhoben. Zwei Drittel aller Anwerbungen von Bürgern aus den alten BundesAnwerbemethoden ländern erfolgten im Zusammenhang mit Privatoder Geschäftsreisen in die DDR. Man verstand es dabei von seiten des MfS sehr geschickt, familiäre Bindungen, Geschäftsinteressen, evtl. kompromittierende Situationen oder sonstige Abhängigkeiten für nachrichtendienstliche Erstkontakte oder Verpflichtungen zu nutzen. Eine zentrale Rolle spielten dabei IM des MfS in Kreisen des Hotelpersonals, wie Portiers, Kellner oder Zimmermädchen. Sie berichteten dem MfS über "Damenbesuche" oder sonstige Auffälligkeiten. Bei interessanten Zielpersonen scheute das MfS auch nicht davor zurück, durch verdeckte Kameras oder "Wanzen" kompromittierende Situationen zu dokumentieren. Nicht wenige Reisende wurden vom MfS dann vor die Alternative gestellt, sich mit der Staatssicherheit zu arrangieren oder auf weitere Erlaubnisse für Besuchsoder Geschäftsreisen zu verzichten. Bürger der ehemaligen DDR wurden vom MfS vielfach bei der Antragstellung auf Ausreise oder bei Fluchtvorbereitungen angeworben und die Ausreisegenehmigung von der Bereitschaft zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit dem MfS abhängig gemacht. Durch Überläufer gewonnene Erkenntnisse bestätigen, daß sich die DDR besonders intensiv bemühte, Know-how und embargogeschützte Güter mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beschaffen. Bestellungen der volkseigenen Betriebe, die COCOMWaren betrafen, liefen deshalb unmittelbar zum MfS, das danach die Beschaffung in die Wege leitete. Soweit es sich um größere finanzielle Aufwendungen handelte, mußte vorab die Devisenbeschaffung über den zum MfS gehörenden Bereich Kommerzielle Koordinierung geregelt werden. Die hier praktizierte Form der staatlich gelenkten Industriespionage erstreckte sich nicht nur auf militärisch interessante Güter, sondern auf den gesamten Volkswirtschaftsbereich mit den Schwerpunkten Elektronik, Elektrotechnik und Datenverarbeitungstechnik. Herausgehobenes Zielobjekt für militärische Technologie war in Bayern die Firma Messerschmitt-Bölkow-Blohm. Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erließ im Dezember 1990 gegen ein Münchner Ehepaar Haftbefehl wegen Landesverrats. Ein heute 56jähriger Kaufmann steht im Verdacht, 1958 vom MfS in das Bundesgebiet eingeschleust worden zu sein. Fünf Jahre später soll seine Ehefrau ebenfalls zur Spionage verpflichtet worden sein. Ein wesentliches Hilfsmittel der Spionagetätigkeit des MfS war die Fernmeldeaufklärun Fernmeldeaufklärung, die in einem Ausmaß stattgefunden hat, wie 9 als wesentes viele nicht für möglich gehalten hatten. Die Hauptabteilung III üchesHilfs- m des MfS hörte dabei auch in Bayern im großen Umfang Telefonge- 160 FERNMELDEAUFKLÄRUNG DES MFS ECHO (Auersberg, Satellitenfunk) BLITZ (Frankenhei THÜRINGEN HESSEN . " Legende: ^ \ Abhörstationen : vermutlicher Erfassungsbereich Richtfunkstrecke Grgd03285/Sg85 Grundkarte: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung 161 spräche, Telex und Telefaxverbindungen sowie öffentliche und nichtöffentliche Funksendungen ab. Die Aufnahme des Fernmeldeverkehrs erfolgte über ortsfeste Beobachtungsstationen in der DDR und in der CSFR, aber auch von Schiffen und von Fahrzeugen aus. Durch EDV-gestützte Rufnummernselektion und modernste Aufzeichnungseinrichtungen konnten vom MfS täglich 400 bis 500 Meldungen erstellt und an die Auftraggeber übermittelt werden. Zielobjekte der Ausspähung waren nicht nur führende Personen aus Regierung, Politik und Wirtschaft, sondern auch Techniker aus High-Tech-Unternehmen oder Mitarbeiter von Behörden oder militärischen Einrichtungen. Das Mithören diente der Informationsbeschaffung allgemein, der Abklärung von Personen mit nachrichtendienstlich interessanten Zugängen, der Beschaffung von Kompromaten für öffentliche Ansprachen oder auch der Überwachung bereits verpflichteter Agenten. Es gibt aber auch Anhaltspunkte dafür, daß manche Gespräche mitgehört und aufgezeichnet wurden, ohne daß die betroffenen Personen oder der Gesprächsinhalt von aktueller nachrichtendienstlicher Relevanz gewesen wären. Diese Sammelwut führte zu so großen Mengen von Informationen, daß eine Auswertung nicht mehr in vollem Umfang möglich war. Die vom MfS an der deutsch-tschechischen Grenze installierten Abhöreinrichtungen sind in betriebsfähigem Zustand an die CSFR übergeben worden. Die Einrichtungen an der ehemaligen deutschdeutschen Grenze wurden außer Betrieb gesetzt. Teile dieser Anlagen sind in sowjetischen Besitz übergegangen. Die "Auslandsaufklärung" des MfS wurde als letzte Abteilung des MfS aufgelöst. Bis September 1990 hatte sie fast alle Agenten abgeschaltet und zum Teil mit hohen Abschlußprämien bedacht (bis zu 10.000 DM). Der letzte Leiter der HVA, Generalleutnant Großmann, äußerte öffentlich zur Quellenabschaltung, man habe sich "gegenseitig nochmal der Achtung und Wertschätzung versichert und verabschiedet". Großmann räumte weiter ein, daß bereits mit der Wende in der DDR der Aktenbestand der Auslandsaufklärung wesentlich verkleinert worden war. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand war das Komitee für KGB partizipierte am Staatssicherheit (KGB) der Sowjetunion bereits vor der Wende im InformationsRahmen des regulären Informationsverbundes in den Staaten des verbünd ehemaligen Ostblocks über alle wichtigen Agenten des MfS in der westlichen Welt unterrichtet und partizipierte an deren Erkenntnissen. Zwischen dem MfS und dem KGB gab es außerdem sowohl im Bereich der Fernmeldeaufklärung als auch bei der kostenintensiven Überwachung des Satellitenverkehrs eine enge fachliche Zusammenarbeit. Das KGB wird nun versuchen, ehemalige Agenten des MfS, die noch in ihren Positionen in Wirtschaft und Verwaltung sitzen, für die Mitarbeit zu gewinnen. Dabei kann dem KGB das Wissen um ihre frühere Agententätigkeit als Erpressungsmittel dienen. Personen, die unfreiwillig nachrichtendienstlich verstrickt wurden, sollten sich deshalb von sich aus mit dem Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz in Verbindung setzen, um sich zu offenbaren und beraten zu lassen, wie sie sich aus dieser Verstrickung lösen können, ohne sich automatisch einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist unter der Telefonnummer 089-312010 ständig erreichbar. Die Auflösung des MfS veranlaßte bereits zahlreiche ehemalige hauptamtliche MfS-Angehörige, mit dem Verfassungsschutz Kontakt aufzunehmen. Die "Überläufer" wiesen auf hier tätige Agenten hin und ermöglichten deren Identifizierung und Festnahme. Es ist anzunehmen, daß sich ehemalige MfS-Angehörige auch künftig an die Verfassungsschutzbehörden wenden, um durch Hinweise auf hier tätige Agenten einen Beitrag zur Schadensbegrenzung zu leisten und die eigene Lage in einem evtl. Strafverfahren zu verbessern. Ehemalige Agenten des MfS sollten sich deshalb schnell zur Selbstgestellung entschließen, denn nur die freiwillige Offenbarung läßt Strafmilderung oder gar Absehen von Strafe zu. Vom Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz wurden im abgelaufenen Jahr 48 Vorgänge zur Strafverfolgung an den Generalbundesanwalt abgegeben. Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte im Jahr 1990 zwei Personen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (im Jahr 1989 waren es fünf Personen). 3. Die Lage der Nachrichtendienste in den Staaten des ehemaligen Ostblocks Von den politischen Veränderungen in Osteuropa blieben auch die dortigen Nachrichtendienste nicht unberührt. Nachfolgend wird ein Überblick über die derzeitigen Strukturen der gegnerischen Nachrichtendienste sowie über deren Ausspähungsbemühungen gegeben. 3.1 UdSSR Im Zuge von "Perestrojka" und "Glasnost" ist auch das Komitee für Staatssicherheit (KGB) in der UdSSR zunehmend in die öffentliche Diskussion gekommen. Auffallend ist dabei auch die erstmals zu beobachtende Öffentlichkeitsarbeit des KGB, wie sie in verschiedenen und immer häufigeren Stellungnahmen von KGB-Repräsen- 163 tanten zu aktuellen Tagesfragen neuerdings zum Ausdruck kommt. Dabei wird versucht, in der russischen Bevölkerung Akzeptanz für die Notwendigkeit des KGB und seine Aufgaben zu erreichen. Hierzu gehört die öffentlich verkündete "Abschaffung" von Aufgaben, die die Repression der Bevölkerung zum Ziel hatten. Aufgaben, die sich allgemeiner Unterstützung erfreuen, wie der Kampf gegen Terrorismus, Waffenund Drogenhandel werden demgegenüber demonstrativ in den Vordergrund gestellt, wobei auch eine internationale Zusammenarbeit angestrebt wird. Von diesen Veränderungen und der Diskussion um das KGB ist Wirtschaftsspiodessen Auslandsaufklärung jedoch nicht betroffen. Diese Arbeit nage bleibt des KGB und des militärischen Nachrichtendienstes (GRU) wird Schwerpunkt des KPR nach Aussagen aus den eigenen Reihen unabhängig von Reformen in der Sowjetunion fortgesetzt. Welche Schwerpunkte in der zukünftigen Aufklärungsarbeit von den sowjetischen Nachrichtendiensten gesetzt werden, geht aus offiziellen Stellungnahmen führender KGBund GRU-Vertreter aus dem Jahr 1990 hervor. Demnach sollen in erster Linie Informationen zur Ankurbelung der Wirtschaft sowie für militärische und politische Belange beschafft werden. Durch die illegale Beschaffung von technischem Know-how und High-Tech-Produkten lassen sich Entwicklungszeiten und Entwicklungskosten sparen. Nach den Worten des KGB-Chefs Krjutschkow sieht das KGB deshalb seine Aufgabe darin, die sowjetische Wirtschaft mit Informationen aus dem Westen zu versorgen, um sie auf diese Weise schnell an moderne Technologie heranzuführen. Gerade in Deutschland muß mit nachrichtendienstlichen Aktivitäten der sowjetischen Dienste, auch in Bayern, gerechnet werden. Gründe dafür sind der teilweise Wegfall der bisherigen Unterstützung durch die Partner-Nachrichtendienste der Staaten des ehemaligen Ostblocks, vor allem aber der Wegfall des MfS, sowie die dadurch bedingte Notwendigkeit der verstärkten eigenen Informationsbeschaffung. Durch den Zusammenbruch des MfS in der ehemaligen DDR sowie durch die Veränderungen bei den übrigen Partnerdiensten fällt für die sowjetischen Nachrichtendienste ein großes Informationsaufkommen aus. Durch die Wiedervereinigung haben sich außerdem die Arbeitsbedingungen für die sowjetischen Dienste auf dem Boden der ehemaligen DDR grundlegend geändert. Diese ehemals sichere operative Basis, von der die eigene Aufklärungstätigkeit der sowjetischen Nachrichtendienste gegen die Bundesrepublik Deutschland überwiegend betrieben wurde, steht spätestens seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 nicht mehr zur Verfügung. KGB und GRU sind deshalb nunmehr gezwungen, ihr Verhalten bei der Werbung und Führung von Agenten vom Gebiet der ehemaligen DDR aus den neuen, für sie ungünstigeren Gegebenheiten anzupassen. Ferner sind sie gezwungen, neue Informationsnetze aufzubauen und verstärkt neue Quellen zu werben. Nicht ungenutzt bleiben hier die 164 Möglichkeiten, ehemalige hauptamtliche Angehörige und IM des MfS anzuwerben, denen durch die Wiedervereinigung die Arbeitsgrundlage entzogen wurde. Mit unverminderter Intensität bemühen sich die sowjetischen Nachrichtendienste weiterhin, aussiedlungswillige Bürger der Sowjetunion für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland anzuwerben. Bei der immer größer werdenden Zahl von Aussiedlern (1990 waren es 148.000) dürfte es nicht allzu schwer fallen, hierunter geeignete Personen anzusprechen bzw. bereits angeworbene "zu verstecken". Die bestehenden Legalresidenturen bzw. die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR existierenden militärischen Einrichtungen dürften künftig verstärkt als nachrichtendienstliche Stützpunkte dienen. 3.2 Ungarn Sicherheitsdienst Die politische Wende in Ungarn hatte 1990 auch auf die Nachricharbeitet nur noch tendienste des Landes Auswirkungen. Alle Sicherheitsdienste, für nationale auch die militärischen, wurden personell reduziert. Nach der vollBedürfnisse ständigen Auflösung der Abteilung Innere Sicherheit des ungarischen Innenministeriums gibt es derzeit noch folgende vier Dienste: -- Amt für nationale Sicherheit (Inlandsnachrichtendienst) Mit rund 1.000 Mitarbeitern hat dieser Dienst nur noch etwa 10% des Personals der früheren Inlandsaufklärung. Dieser Personalstamm setzt sich aber weitgehend aus Angehörigen des früheren Inlandsdienstes zusammen, die ohne Überprüfung übernommen wurden. Die Aufgaben dieses Dienstes dürften in etwa den Aufgaben der Verfassungsschutzämter in Deutschland entsprechen. -- Informationsamt der ungarischen Republik (Auslandsnachrichtendienst) Auch dieser Dienst wurde in seiner Personalstärke erheblich reduziert. Geschätzt wird derzeit eine Mitarbeiterzahl zwischen 200 und 600. -- Sicherheitsdienst der ungarischen Armee Die Aufgaben dieses Dienstes entsprechen in etwa den Aufgaben des deutschen Militärischen Abschirmdienstes (MAD). -- Militärischer Aufklärungsdienst Auch dieser Dienst mußte seinen Mitarbeiterstamm von 800 auf rund 600 Mitarbeiter verringern, wobei noch weitere Reduzierungen beabsichtigt sind. Für die ungarischen Aufklärungsdienste dürften als Leitlinie nur noch die nationalen Interessen Ungarns von Bedeutung sein, d. h. die ungarischen Dienste dürften künftig Informationen nur noch 165 ausschließlich für eigene Bedürfnisse sammeln. Eine "spezielle" Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten der UdSSR und Ungarns soll nicht mehr bestehen. Bemühungen, sich dem Westen anzunähern und in den westlichen Nachrichtendiensten und anderen Sicherheitsbehörden Partner für eine Zusammenarbeit insbesondere auf den Gebieten der Terrorismusbekämpfung und der Abwehr des organisierten Verbrechens zu finden, sind eingeleitet. Bemerkenswert ist die Aussage von ungarischer Seite, daß gegen Deutschland keine Spionage betrieben werden soll. Es bleibt zu hoffen, daß sich dies in Zukunft bestätigen lassen wird. 3.3 CSFR Die Entwicklung und die Aktivitäten der Nachrichtendienste der Umstruktunerung CSFR müssen ebenfalls im engen Zusammenhang mit der innendes Auslandspolitischen Entwicklung gesehen werden. Die aus den Parlamentsnachrichtenwahlen im Juni 1990 hervorgegangene tschechoslowakische Redienstes gierung bewirkte zunächst die Auflösung des in der CSFR gefürchteten und verhaßten, für die innere Sicherheit zuständigen Teils des Nachrichtendienstes StB (Statni Bezbecnost). Statt dessen wurde zunächst die Errichtung eines "Bundesamtes für den Schutz der Verfassung und Demokratie" beschlossen. Das Amt soll seine Aufgabe darin sehen, die Verfassung und die demokratische Entwicklung in der CSFR zu schützen, kriminelle Aktivitäten aufzuspüren sowie das Eigentum der Bürger zu sichern. Ende des Jahres 1990 erhielt das Amt als "Bundesinformationsdienst" neue gesetzliche Grundlagen und wurde personell neu strukturiert. Nach Aufgabenstellung und gesetzlichen Befugnissen ist dieser neugeschaffene Dienst gegenwärtig als reine Abwehrbehörde konzipiert. Eine evtl. Ausstattung mit exekutiven Befugnissen wird derzeit noch diskutiert. Der Auslandnachrichtendienst wurde von der neuen Regierung bisher nicht in Frage gestellt, doch wurde er im Laufe des in der CSFR stattfindenden Demokratisierungsprozesses immer wieder neu geordnet und in kleinerem Rahmen als bisher neu strukturiert. Der militärische Nachrichtendienst in der CSFR ist dagegen weitgehend unverändert geblieben. Es gibt keine Hinweise darauf, daß die Aufklärungsaktivitäten des militärischen Nachrichtendienstes gegen die Bundesrepublik Deutschland nachgelassen hätten. Die politische Entwicklung in der CSFR läßt vermuten, daß die CSFR künftig -- ebenso wie Ungarn -- bei ihrer Aufklärungsarbeit nationale Interessen in den Vordergrund stellen wird. 3.4 Polen Die politische Wende in Polen hat zu einer grundlegenden Neustrukturierung beim zivilen Nachrichtendienst (SB-Sicherheits- 166 dienst) geführt. Die sich bereits seit Mitte des letzten Jahres abzeichnende Umorganisation, in deren Folge mehrere Abteilungen mit repressiver Aufgabenstellung aufgelöst wurden, wurde mit dem Erlaß eines neuen Gesetzes vorläufig abgeschlossen. Dieses Gesetz verkündet unter anderem die formale Auflösung des SB und die Errichtung eines neuen "Amtes für Staatsschutz" (UOP). Mitarbeiter des früheren SB können in den neuen Dienst UOP nur übernommen werden, wenn sie einer parlamentarischen Prüfungskommission unbelastet erscheinen und für die neuen Aufgaben des "Amtes für Staatsschutz" als geeignet angesehen werden. Wie tiefgreifend die angestrebte personelle Erneuerung ausfallen wird, läßt sich derzeit aber noch nicht absehen. Keine Änderung Ferner darf nicht übersehen werden, daß zwar mit repressiven Aufbei der Auslandsgaben befaßte Abteilungen des Sicherheitsdienstes aufgelöst wuraufklärung Jen, andere Arbeitsfelder des Dienstes, die keiner politischen Kritik ausgesetzt waren, jedoch von nachhaltigen Reformmaßnahmen verschont geblieben sind. Dies gilt insbesondere für die Auslandsaufklärung und die Spionageabwehr, die in der öffentlichen Diskussion kaum erwähnt wurden und deren organisatorischer Fortbestand außer Zweifel steht. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Polen und dem jetzt vereinten Deutschland ist neben der Wirtschaftsspionage insbesondere auf dem Feld der politischen Spionage auch zukünftig mit nachrichtendienstlichen Aktivitäten zu rechnen. Struktur und Aufgabenstellung des militärischen Dienstes (Z II) sind von der politischen Wende in Polen bisher weitgehend unberührt geblieben. Die Militärspionage wird weiterhin einen Schwerpunkt in der Beobachtung des westlichen Rüstungsbzw. Abrüstungsverhaltens haben. 3.5 Bulgarien Schwerpunkte Die in Bulgarien 1990 durchgeführten Parlamentswahlen brachten der Auslandsauf-- abgesehen von der Ablösung des früheren Staatsund Parteiklärung bei chefs Schiwkow -- keine gravierenden Änderungen in den politiWirtschaft schen Machtverhältnissen des Landes. Es ist davon auszugehen, und Technik daß die bulgarischen Nachrichtendienste, insbesondere die zivile und militärische Auslandsaufklärung, ihre Arbeit fortsetzen. Schwerpunkte der gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Aufklärungsarbeit werden dabei wie bisher die Gebiete Wirtschaft und Technik sein, da Bulgarien insbesondere auf diesen Gebieten großen Nachholbedarf aufweist. 167 3.6 Rumänien Rumänien, das als einziges Land des ehemaligen Ostblocks eine blutige Revolution erleben mußte, zeigt sich derzeit als ein Land, in dem sich trotz Beseitigung der Familiendiktatur des CeausescuClans die Machtverhältnisse politisch kaum geändert haben. Unruhen in Rumänien bis in die jüngste Zeit, die entgegen allen rechtsstaatlichen Bekundungen zum Teil gewaltsam niedergeschlagen wurden, weisen darauf hin, daß sich die kommunistischen Strukturen erhalten haben. Zwar erfolgte 1990 die Auflösung der im Volksmund als "SecuritaAuslandsnachrichte" bezeichneten rumänischen Nachrichtendienste, doch entstantendienst unverden danach der neue Sicherheitsdienst SRI (Abwehr und Informaändert tionsbeschaffung) und der zivile Auslandsnachrichtendienst SIE, der dem Sicherheitsdienst SRI organisatorisch angegliedert sein dürfte. Dabei ist anzumerken, daß sich das Personal der neuen Dienste zumindest teilweise aus den Mitarbeitern der alten "Securitate" rekrutiert. Eine Änderung beim militärischen Nachrichtendienst DIA ist nicht eingetreten. Es ist daher insgesamt davon auszugehen, daß sich in Rumänien an Aufgaben und Zielsetzung der Auslandsnachrichtendienste nichts geändert hat. Das bedeutet, daß sowohl Ausspähung der Emigranten als auch Wirtschaftsspionage auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland weiterhin betrieben werden. 4. Zusammenfassung und Ausblick Seit der Auflösung des MfS der ehemaligen DDR als staatlicher Organisation ist der stärkste und offensivste Gegner der deutschen Spionageabwehr nicht mehr vorhanden. Die ehemaligen Mitarbeiter des MfS bleiben jedoch als Quellen für die gegnerischen Nachrichtendienste interessant. Die Bereitschaft des einzelnen, sich erneut nachrichtendienstlich zu betätigen, wird weitgehend von seiner beruflichen und sozialen Integration im wiedervereinten Deutschland abhängen. Auch ehemalige IM des MfS sind der Gefahr einer erneuten nachrichtendienstlichen Ansprache ausgesetzt, wenn sie ihre frühere Verstrickung nicht offenbart haben und nunmehr eine für die Spionage interessante Tätigkeit ausüben. Die größte nachrichtendienstliche Bedrohung wird in Zukunft jeSpionage in den doch von den sowjetischen Diensten ausgehen. Aber auch NachZeiten des richtendienste der übrigen Staaten des ehemaligen Ostblocks politischen werden, wenn auch mit anderer Intensität und anderen ZielsetzunUmbruchs gen als bisher, weiter in der Bundesrepublik Deutschland spionieren. Wie weit sich hier künftig Änderungen durch eine weitere Öffnung und Annäherung an den Westen ergeben, bleibt abzuwarten. Die Wirtschaftsund die Wissenschaftsspionage werden, jedenfalls solange die desolate Lage der Volkswirtschaft der Länder des ehemaligen Ostblocks andauert und Devisen für reguläre Handelsgeschäfte nicht ausreichend zur Verfügung stehen, eher zunehmen. Festzuhalten bleibt ferner, daß gerade in Zeiten des politischen Umbruchs der politischen Spionage erhöhte Bedeutung zukommt. Durch die Öffnung der Grenzen in Osteuropa und die damit verbundene verstärkte Reisetätigkeit wird die Aufklärung durch die gegnerischen Dienste zudem wesentlich erleichtert. Die im Westen entstandene Euphorie bezüglich der politischen Vorgänge im Osten eröffnet Nachrichtendiensten günstige Möglichkeiten, durch offene Gesprächsaufklärung bzw. Gesprächsabschöpfung an für sie interessante Informationen heranzukommen. Sie sind dadurch immer weniger gezwungen, sich konspirativer nachrichtendienstlicher Methoden zu bedienen. Außerdem sind mit Hilfe der immer größer werdenden technischen Möglichkeiten (Fernmeldeaufklärung, Eindringen in EDV-Dateien) viele Informationen einfacher und sicherer zu beschaffen als mit klassischen nachrichtendienstlichen Operationen. Deshalb muß sowohl bei offenen Gesprächen mit relativ unbekannten Personen als auch bei Benutzung von Telekommunikationsanlagen mit einem "Mithörer" gegnerischer Nachrichtendienste ^gerechnet werden. 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst Das öffentliche Dienstrecht forciert nach dem Grundgesetz, den Beamtengesetzen und den tarifvertraglichen Regelungen von den Angehörigen des öffentlichen Dienstes Treue zur Verfassung. 1. Einstellungsüberprüfung Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wirkt bei der Überprüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst in Erfüllung seines gesetzlichen Auftrages mit. Dieser Auftrag wurde in Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 des neuen Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) ausdrücklich bestätigt (vgl. Anhang 1). Die Kampagne, dieses Verfahren unter dem politischen Schlagund Reizwort "Berufsverbot" zu diffamieren, hält seit Jahren an, obwohl die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens durch die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Zwischenzeit wiederholt bestätigt wurde. Die Zahlen für 1990 ergeben folgendes Bild: Auf 22.385 Anfragen über Bewerber für den öffentlichen Dienst in Bayern teilte das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bayerischen Staatsministerium des Innern zu 25 Personen (21 aus dem linksextremistischen und 4 aus dem rechtsextremistischen Bereich) Erkenntnisse mit. Zu 18 Personen (aus dem linksextremistischen Bereich) gab das Staatsministerium des Innern Erkenntnisse an die Einstellungsbehörden weiter. Diese führten zur Ablehnung einer Person durch die Einstellungsbehörde. Über zwei Bewerbungen ist noch nicht entschieden worden. 171 2. Extremisten im öffentlichen Dienst Als Extremisten im öffentlichen Dienst sind Bedienstete erfaßt, die in den letzten fünf Jahren als Mitglieder oder aktive Angehörige extremistischer Parteien oder Organisationen oder sonst mit erheblichen extremistischen Aktivitäten in Erscheinung getreten sind. Da nicht in allen Fällen gerichtsverwertbare Erkenntnisse vorliegen, die die Ablehnung einer Bewerbung bzw. eine Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen, gelingt es auch Extremisten, in den öffentlichen Dienst zu gelangen bzw. dort zu verbleiben. Ende 1990 waren dies (in Klammern die Vergleichszahlen für 1989): LinksGesamtdavon in extremisten zahl DKP DKP-NebenGruppen und beeinder flußten OrgaNeuen nisationen* Linken Landes188(222) 25 (28) 4 (6) 159(188) dienst Kommunal106(132) 53 (80) 6 (9) 47 (43) dienst sonstige öffentl. Ein14 (14) 3 (3) -(-) 11 (11) richtungen Zusammen 308 (368) 81(111) 10(15) 217(242) * bei gleichzeitiger Mitgliedschaft in der DKP dort gezählt Bei den im öffentlichen Dienst beschäftigten Extremisten, die den Gruppen der Neuen Linken zuzurechnen sind, handelt es sich im wesentlichen um Angehörige der Marxistischen Gruppe (MG). Der starke Rückgang bei der DKP ist bedingt durch zahlreiche Parteiaustritte. Von den linksextremistischen Landesbediensteten waren beschäftigt: 105 (127) als Lehrpersonal an Grund-, Haupt-, Sonder-, Realschulen und Gymnasien 43 (48) als wissenschaftliches und sonstiges Personal an Hochschulen 8 (13) im Justizdienst 32 (34) in sonstigen Verwaltungszweigen 172 Von den linksextremistischen Kommunalbediensteten waren beschäftigt: 21 (26) als Bedienstete in Krankenanstalten 31 (46) in sozialpädagogischen Berufen wie Sozialarbeiter, Jugendheimleiter etc. 25 (21) als Lehrer an städtischen Schulen 29 (39) in sonstigen Verwaltungszweigen Außerdem sind weitere 29 (39) Linksextremisten mit Wohnsitz in Bayern bei Bundesbehörden beschäftigt. Rechtsextremisten Gesamtzahl davon in NPD DVU Landesdienst 12(13) 4 (4) 6 (7) Kommunaldienst 10(10) 6 (6) -(-) Zusammen 22 (23) 10(10) 6 (7) Von den rechtsextremistischen Landesbediensteten waren beschäftigt: 2 (2) als Lehrer an einer Wirtschaftsschule bzw. Gymnasium 5 (4) im Justizund Polizeidienst 5 (7) in sonstigen Verwaltungszweigen Die rechtsextremistischen Kommunalbediensteten waren in sonstigen Verwaltungszweigen beschäftigt. 174 Anhang 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) Vom 24. August 1990 (BayRS 12-1-1) Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, das nach Anhörung des Senats hiermit bekanntgemacht wird: I. Abschnitt Organisation und Aufgaben des Verfassungsschutzes Art. 1 Organisation des Verfassungsschutzes, Verhältnis zur Polizei (1) Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder besteht in Bayern ein Landesamt für Verfassungsschutz. (2) 1 Freiheitliche demokratische Grundordnung nach Absatz 1 ist eine Ordnung, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. 2Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung gehören mindestens: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. (3) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz ist eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnete Behörde. 2Das Landesamt und Dienststellen der Polizei dürfen einander nicht angegliedert werden. 3Dem Landesamt für Verfassungsschutz steht ein Weisungsrecht gegenüber Dienststellen der Polizei oder die Befugnis zu polizeilichen Maßnahmen nicht zu. Art. 2 Zuständigkeit 1 (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die gesetzlich festgelegten Aufgaben zu erfüllen. 2Dazu gehört auch die Zusammenarbeit Bayerns mit dem Bund und den anderen Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 175 (2) Verfassungsschutzbehörden der anderen Länder dürfen in Bayern nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gesetzes tätig werden. Art. 3 Aufgaben (1) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, 1. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, zu beobachten; solche Bestrebungen und Tätigkeiten können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen. 2Das Landesamt hat in Erfüllung dieser Aufgabe Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solche Bestrebungen oder Tätigkeiten zu sammeln und auszuwerten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, 1. an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. an der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen, 3. an technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen, die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftig sind, gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, mitzuwirken. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, amtliche Auskünfte zu erteilen 1. im Rahmen der Überprüfung der Verfassungstreue von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, 2. nach Maßgabe der Art. M u n d 15. 176 II. Abschnitt Allgemeine Befugnisse und Datenverarbeitung Art. 4 Allgemeine Befugnisse (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz die dazu erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten auch ohne Kenntnis der betroffenen Gruppierung oder Person erheben und in Akten und Dateien verarbeiten, diese Informationen nutzen sowie aus Akten und Dateien übermitteln, soweit nicht nachfolgend besondere Bestimmungen gelten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an einer Überprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 nur mitwirken und nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 nur Auskunft erteilen, wenn die betroffene Person von der Durchführung der Überprüfung Kenntnis hat; werden der Ehegatte, der Verlobte oder die Person, mit der die betroffene Person in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, in die Überprüfung miteinbezogen, so ist auch deren Kenntnis erforderlich. (3) 'Sind für die Erfüllung einer Aufgabe verschiedene Maßnahmen geeignet, so hat das Landesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die die betroffene Gruppierung oder Person voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 2Eine Maßnahme unterbleibt, wenn sie einen Nachteil herbeiführt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Art. 5 Erhebung personenbezogener Daten 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten erheben, soweit das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. 2Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 darf das Landesamt für Verfassungsschutz personenbezogene Daten jedoch nur im Rahmen von Nachermittlungen erheben, soweit das zur Überprüfung von Informationen erforderlich ist, die bei den Verfassungsschutzbehörden bereits vorliegen. Art. 6 Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel (1) 'Zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz darf das Landesamt für Verfassungsschutz auch nachrichtendienstliche Mittel anwenden. 2Sie dienen der verdeckten Informationsgewinnung und der Sicherheit des Landesamts für Verfassungsschutz und seiner Mitarbeiter. 3Nachrichtendienstliche Mittel sind Maßnahmen zur Tarnung, der Einsatz geheimer Mitarbeiter und andere Maßnahmen, die verbergen sollen, daß das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen erhebt. "Bei Sicherheitsüberprüfungen (Art. 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2) darf das Landesamt für Verfassungsschutz nur das nachrichtendienstliche Mittel der Tarnung von Mitarbeitern anwenden. 177 (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten nach Art. 5 durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel erheben, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder auf diese Weise Erkenntnisse über Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. das zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamts für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. (3) 'Personenbezogene Daten dürfen durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel nur erhoben werden, wenn die Daten nicht auf eine andere geeignete Weise gewonnen werden können, die die betroffene Person weniger beeinträchtigt. 2Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. 3Sie ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich ergibt, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (4) 'Für den Einsatz besonderer technischer Mittel zur Informationsgewinnung im Schutzbereich des Art. 13 des Grundgesetzes, ohne daß eine für die Verfassungsschutzbehörde tätige Person anwesend ist, gilt das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz) vom 13. August 1968 (BGBl I S. 949), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 16 des Gesetzes vom 8. Juni 1989 (BGBl I S. 1026) und das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz vom 11. Dezember 1984 (GVBI S. 522, BayRS 12-2-1) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend. 2Die Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter hat in diesem Fall unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur erfolgen. (5) Die Zulässigkeit von Maßnahmen nach dem Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz bleibt unberührt. Art. 7 Speicherung und Veränderung personenbezogener Daten (1) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz personenbezogene Daten in Dateien speichern und verändern, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen oder 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 erforderlich ist oder 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach Art. 3 Abs. 2 an Überprüfungen mitwirkt. 2 ln den Fällen des Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 dürfen personenbezogene Daten in Dateien nur gespeichert werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 vorliegen. 178 (2) 'Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien gespeichert werden. 2Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres sind zwei Jahre nach dem Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung in Dateien zu überprüfen und spätestens fünf Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, daß weitere Erkenntnisse im Sinn des Art. 3 Abs. 1 angefallen sind über ein Verhalten nach Eintritt der Volljährigkeit. 3Für Akten, die zu einer minderjährigen Person geführt werden, gelten die vorstehenden Prüfungsund Löschungsfristen entsprechend. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Dauer der Speicherung in Dateien und in Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, auf das Maß festzulegen, das zur Erfüllung seiner Aufgabe nach diesem Gesetz erforderlich ist. (4) Werden Bewertungen über Betroffene gespeichert, muß erkennbar sein, wer die Bewertung vorgenommen hat und wo die Informationen gespeichert sind, die der Bewertung zugrunde liegen. Art. 8 Berichtigung und Löschen von Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, ist dies zu vermerken. (2) 'Das Landes^mt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung nach Art. 7 unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung seiner gesetzlich festgelegten Aufgaben nicht mehr erforderlich ist; Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, sind unter diesen Voraussetzungen zu vernichten. 2Ob die Voraussetzungen der Löschung und Vernichtung nach Satz 1 vorliegen, ist bei jeder Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen zu entscheiden. 3Die Löschung oder Vernichtung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. "In diesem Fall sind die Daten zu sperren; sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. (3) 'Für die Archivierung gelten die Vorschriften des Bayerischen Archivgesetzes. 2 Die Anbletungspflicht bestimmt sich nach Maßgabe der nach Art. 6 Abs. 2 BayArchivG abzuschließenden Vereinbarung. Art. 9 Errichtungsanordnung 1 (1) Für den erstmaligen Einsatz einer automatisierten Datei, in der personenbezogene Daten verarbeitet werden, hat das Landesamt für Verfassungsschutz in einer Errichtungsanordnung, die der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern bedarf, festzulegen: 179 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. Betroffener Personenkreis, 4. Art der zu speichernden Daten, 5. Eingabeberechtigung, 6. Zugangsberechtigung, 7. Regelmäßige Übermittlungen, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, 9. Protokollierung des Abrufs. 2 Nach der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern ist die Errichtungsanordnung dem Landesbeauftragten für den Datenschutz unverzüglich mitzuteilen. Entsprechendes gilt für wesentliche Änderungen des Verfahrens. (2) Die Zustimmung des Staatsministeriums des Innern darf nur erteilt werden, wenn die Speicherung personenbezogener Daten auf das erforderliche Maß beschränkt ist. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in angemessenen Abständen die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. Art. 10 Geltung des Bayerischen Datenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der gesetzlich festgelegten Aufgaben durch das Landesamt für Verfassungsschutz finden die Art. 8 bis 12, 16 bis 18, 20 und 26 Abs. 2 des Bayerischen Datenschutzgesetzes keine Anwendung. Art. 11 Auskunftserteilung 1 (1) Ein Anspruch auf Auskunft über die beim Landesamt für Verfassungsschutz in Dateien oder Akten gespeicherten Informationen besteht nicht. 2Hat eine Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten, so entscheidet das Landesamt für Verfassungsschutz nach pflichtgemäßem Ermessen über das Auskunftsbegehren. (2) Soweit eine Person einer Sicherheitsüberprüfung nach Art. 3 Abs. 2 unterzogen wird oder zu einer Person Auskunft nach Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 erteilt wird, hat diese Person abweichend von Absatz 1 einen Anspruch auf Auskunft über die Daten des Landesamts für Verfassungsschutz, die es im Rahmen der Erfüllung dieser Aufgaben übermittelt hat. (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Erfüllung der Aufgaben nach Art. 3 durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 180 2. durch die Auskunftserteilung nachrichtendienstliche Zugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamts für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Information oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden muß. (4) 1Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung. 2Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß er sich hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. 3 Dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Staatsministerium des Innern im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. "Mitteilungen des Landesbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den Kenntnisstand des Landesamts für Verfassungsschutz zulassen, sofern dieses nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. III. Abschnitt Übermittlungsregelungen Art. 12 Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz ohne Ersuchen (1) Die Behörden, Gerichte hinsichtlich ihrer Register, Gebietskörperschaften und andere der staatlichen Aufsicht unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie sonstige öffentliche Stellen des Freistaats Bayern haben von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihnen bei Erfüllung ihrer Aufgaben bekanntgewordenen Informationen zu übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz nach Art. 3 Abs. 1 oder entsprechender Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst, b oder c des Grundgesetzes erforderlich sein kann. (2) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen nach ihrem Eingang unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie für die Erfüllung seiner in Absatz 1 genannten Aufgaben erforderlich sind. 2Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. 3Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall dürfen die nicht erforderlichen Informationen nicht verwendet werden. Art. 13 Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen (1) 'Die in Art. 12 Abs. 1 genannten öffentlichen Stellen haben dem Landesamt für Verfassungsschutz auf dessen Ersuchen die ihnen bei Erfüllung ihrer Aufgaben be- 181 kanntgewordenen Informationen zu übermitteln, soweit das zur Erfüllung der Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz nach diesem Gesetz erforderlich ist. 2Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Ersuchen nach Satz 1 nur stellen, wenn die Information auf andere Weise nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Gruppierung oder Person stärker belastende Maßnahme gewonnen werden kann. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat Ersuchen zu begründen, es sei denn, daß eine Begründung dem Schutz der betroffenen Gruppierung oder Person zuwiderläuft oder den Zweck der Maßnahme gefährden würde. 4Es hat die Ersuchen aktenkundig zu machen. (2) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Akten anderer öffentlicher Stellen und amtlich geführte Dateien unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 einsehen, soweit das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist und die sonstige Übermittlung von Informationen aus den Akten oder den Dateien den Zweck der Maßnahme gefährden, einen übermäßigen Aufwand erfordern oder das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unnötig beeinträchtigen würde. 2Über die Einsichtnahme in amtlich geführte Dateien hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die eingesehene Datei hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (3) 'Hält eine in Art. 12 Abs. 1 genannte öffentliche Stelle das Ersuchen nach Absatz 1 oder die Einsichtnahme nach Absatz 2 für unzulässig, so teilt sie das dem Landesamt für Verfassungsschutz mit. 2Besteht dieses auf dem Ersuchen oder der Einsichtnahme, so entscheidet darüber die oberste fachliche Aufsichtsbehörde, die für die ersuchte Stelle zuständig ist. (4) Art. 12 Abs. 2 gilt entsprechend. Art. 14 Personenbezogene Datenübermittlung durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, wenn das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist oder wenn die öffentliche Stelle die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Strafverfolgung benötigt. 2Gleiches gilt, wenn der Empfänger die personenbezogenen Daten zur Erfüllung anderer ihm zugewiesener Aufgaben benötigt, sofern er dabei auch zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen oder Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit oder auswärtige Belange zu würdigen hat. 3Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden, es sei denn, daß das Landesamt für Verfassungsschutz einer anderen Verwendung für Zwecke nach Satz 1 und 2 zugestimmt hat. "Satz 1 gilt auch für die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz. 182 (2) 'Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl II 1961 S. 1183) personenbezogene Daten übermitteln. 2Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (3) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an überoder zwischenstaatliche öffentliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. 2Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen. 3Sie ist aktenkundig zu machen. "Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (4) 'Personenbezogene Daten dürfen an andere Empfänger als öffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und das Staatsministerium des Innern seine Zustimmung erteilt hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl von gleichartigen Fällen vorweg erteilt werden. 2Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung aktenkundig zu machen. 3Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. "Das Landesamt für Verfassungsschutz hat den Empfänger darauf hinzuweisen. (5) 'Übermittlungspflichten nach bundesrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz kann andere Verfassungsschutzbehörden auch dadurch unterrichten, daß es diesen den Abruf von Daten im automatisierten Verfahren ermöglicht. Art. 15 Unterrichtung der Öffentlichkeit 'Das Staatsministerium des Innern und das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1.2Dabei dürfen der Öffentlichkeit personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an der Unterrichtung das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an der Wahrung ihrer Anonymität überwiegt. Art. 16 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung durch das Landesamt für Verfassungsschutz als unvollständig oder unrichtig, sind sie unverzüglich ge- 183 genüber dem Empfänger zu berichtigen, wenn das zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person erforderlich ist. Art. 17 Übermittlungsverbote (1) Die Übermittlung von Informationen durch das Landesamt für Verfassungsschutz nach den Art. 4 und 14 hat zu unterbleiben, wenn 1. erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung das schutzwürdige Interesse der Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegt, oder 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern. (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationsübermittlungen zulassen oder verbieten, bleiben unberührt. IV. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle Art. 18 Parlamentarische Kontrollkommission (1) 'Die Staatsregierung unterliegt hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz der Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission. 2Die Rechte des Landtags und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. (2) 1Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus fünf Mitgliedern. 2Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission werden zu Beginn jeder neuen Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte gewählt. 3ln gleicher Weise wird für jedes Mitglied ein Stellvertreter gewählt. "Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint. (3) 'Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission; Absatz 4 bleibt unberührt. 2Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. 3 Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Stellvertreter. (4) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtags so lange aus, bis der nachfolgende Landtag eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat. Art. 19 Geheimhaltung (1) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. 2Die 1 Mitglieder und ihre Stellvertreter sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten ver- 184 pflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekanntgeworden sind. 3Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Parlamentarischen Kontrollkommission. (2) 1Die Parlamentarische Kontrollkommission tritt mindestens einmal im Vierteljahr zusammen. 2Jedes Mitglied kann die Einberufung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. 3Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter und gibt sich eine Geschäftsordnung. Art. 20 Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission und Berichtspflicht der Staatsregierung (1) 1Die Staatsregierung unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. 2Die Staatsregierung berichtet zu einem konkreten Thema aus dem Aufgabenbereich des Landesamts für Verfassungsschutz, sofern die Parlamentarische Kontrollkommission dies wünscht. (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der Staatsregierung bestimmt. (3) 'Die Kontrolle der Durchführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz bleibt der in Art. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) genannten Kommission nach den dortigen Bestimmungen vorbehalten. 2Der Parlamentarischen Kontrollkommission ist auf Anforderung, mindestens aber einmal im Jahr, der Bericht nach Art. 3 AGG 10 zu erstatten. V. Abschnitt Schlußvorschriften Art. 21 Erfüllung bundesrechtlicher Aufgaben Zur Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst, b und c des Grundgesetzes stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz die Befugnisse zu, die es zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. Art. 22 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 des Grundgesetzes eingeschränkt werden. 185 Art. 23 Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz Das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (AGG 10) vom 11. Dezember 1984 (GVBI S. 522, BayRS 12-2-1) wird wie folgt geändert: 1. Art. 2 Abs. 3 Satz 6 erhält folgende Fassung: "6Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes bedarf." 2. In Art. 3 werden die Worte "den für Sicherheitsfragen zuständigen Ausschuß des Landtags" durch die Worte "die Parlamentarische Kontrollkommission für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" ersetzt. Art. 24 Inkrafttreten 'Dieses Gesetz tritt am 1. November 1990 in Kraft. Gleichzeitig treten außer Kraft: 1. Das Gesetz über die Errichtung eines Landesamts für Verfassungsschutz (BayRS 12-1-1), 2. Art. 8 Abs. 2 Nr. 5 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayRS 204-1-1). München, den 24. August 1990 Der Bayerische Ministerpräsident In Vertretung Dr. M. Berghofer-Weichner Stellvertreterin des Ministerpräsidenten und Staatsministerin der Justiz 186 Anhang 2 Stichwortverzeichnis Abu-Nidal-Organisation (ANO) 142 Action Directe (AD) 146 Aktion Deutsche Einheit (AKON) 81 Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) 82 Aktion Oder-Neiße (AKON) 81 Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ (ANS/NA) 83 Nationale Aktivisten Al Fatah 115 Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) 156 Antifaschistische Nachrichten 62 Antikommunistisches Aktionsbündnis (Antiko) 84 Anti-Strauß-Komitee/Stoppt die Erben (ASKo) 48 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 44 Arbeiterjugendverband/Marxisten-Leninisten) (AVJ/ML) 49 Arbeiterkampf (ak) 61 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 119 Arbeiter und Bauern 61 Aufbruch 109 Autonome 50 Avrupa 'da Dev Gene 129 AWARAGAN -- Demokratische Organisation der 133 Afghanen im Ausland Basisgruppe 50 Bayern-Info 35 Bayern-Stimme 70 Bolsevik Partizan 125 Bündnis antifaschistischer Ratschlag Bund Westdeutscher Kommunisten Bunte Hilfe Nordbayern CLASH -- Zeitung für den Widerstand in Europa Das Freie Buch GmbH, Buchund Zeitungsverlag Das Freie Forum Demokratische Front für die Befreiung Palästinas Demokratischer Informationsdienst Demokratischer Jugendzirkel Regensburg Denk mit! Denk mitl-Verlag Der Scheinwerfer Deutsche Allianz -- Vereinigte Rechte Deutsche Alternative Deutsche Friedens-Union Deutsche Kommunistische Partei DKP-Hochschulgruppen DKP-Info Deutsche Kulturgemeinschaft Deutsche Monatshefte Deutsche National-Zeitung Deutsche Reichspartei Deutsche Stimme Deutsche Volksunion e.V. Deutsche Volksunion -- Liste D Deutsche Wochen-Zeitung Deutscher Anzeiger Deutscher Beobachter Deutscher Block Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur 188 Deutsches Jugendbildungswerk (DJ B W ) 103 Devrimci Isci (Revolutionärer Arbeiter) 129 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 129 Devrimci Yol (Revolutionärer Weg) 129 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 95 Die Neue Front (NF) 85 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) 96 Druffel-Verlag 99 Ehrenbund Rudel -- Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten 82 Eidgenoss 107 Einheit und Kampf 108 elan -- Das Jugendmagazin 30 FAP-Intern 86 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) 125 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der (KOMKAR) 122 Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e.V. Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei (GDF) 124 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen (FEYKAaus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. Kurdistan) 120 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine (ADÜTDF) 130 in Europa e.V. Föderation islamischer Vereine und Gemeinden 139 im Land Bayern e.V. Freie Deutsche Jugend (fdj) 31 Freie Gewerkschaftsbewegung (FGB) 84 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 86 Freiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH (FZ-Verlag) 96 Freundeskreis Ulrich von Hutten 94 frontal 60 Für die Sache des Volkes 110 189 Germania-Rundbrief 106 Gesellschaften für Druck und Vertrieb wissenschaftlicher 41 Literatur mbH Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 93 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) 83 Grupo Revolucionario Antifascista Primero de Octubre (GRAPO) 144 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und (HNG) 109 deren Angehörige e.V. Hizb Allah 134 Huttenbriefe 94 Infoladen-Gruppe 50 Initiative für Ausländerbegrenzung (l.fA) 82 Initiative Volkswille 84 Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ) 48 Institut für Marxistische Studien und Forschung e.V. (IMSF) 22 Interim 54 Internationales Kulturzentrum in Augsburg (IKZ) 138 Intifada 114 Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung Bundesrepublik (IMSV) 117 Deutschland e.V. Islamische Bewegung, Köln 139 JN-Bayern-Info 108 Jobbergruppe 50 Jugendpolitische Blätter 30 Junge Nationaldemokraten (JN) 74 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) 33 Junge Stimme 108 Kämpfende Einheit 146 Kämpfende Jugend (KJ) 48 Karl-Liebknecht-Schule 22 Komitee für Staatssicherheit (KGB) 162 190 Kommerzielle Koordinierung 159 Kommunikationszentrum, Nürnberg (KOMM) 50 Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) 45 Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) 16 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 19 Kommunistische Partei Griechenlands (KKE-Ausland) 134 Kommunistische Partei Luxemburgs (KPL) 27 Kommunistische Partei Spaniens (PCE) 137 "Kommunistische Plattform" in der PDS 58 Kommunistischer Bund (KB) 61 Kommunistischer Hochschulbund (KHB) 45 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) 127 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 118 Kroatischer Nationalrat (HNV) 118 Kroatisches Nationalkomitee in Europa e.V. (HNO) 136 Kurdistan Arbeitervereinigung in Nürnberg e.V. 122 Kurdistan-Komitee 120 Kurdistan Kulturzentrum in Nürnberg 122 Lernen und kämpfen (luk) 49 Leuchter-Bericht 102 Linke Liste/PDS 56 Marx-Engels-Stiftung e.V. 28 Marxistische Arbeiterzeitung (MAZ) 42 Marxistische Blätter 21,28 Marxistische Gruppe (MG) 39 Marxistische Schulzeitung 60 Marxistische Streitund Zeitschrift -- Gegen die Kosten (MSZ) 42 der Freiheit Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) 32 Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) 49 191 Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 48 Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) 49 Mensch und Maß 99 MHBund NEW-Gesellschaften für Druck und Vertrieb 41 wissenschaftlicher Literatur mbH Ministerium für Staatssicherheit (MfS) 156 Mitteldeutsche Nationaldemokraten (MND) 70 Nachrichten der HNG 109 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 67 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 108 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 120 Nationale Heilspartei (MSP) 131 Nationale Offensive (NO) 88 Nationalistische Arbeitspartei (MCP) 130 Nationalistische Front (NF) 109 Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (NRAO) 110 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 83 Nation Europa -- Deutsche Monatshefte 98 Nation Europa Verlag GmbH 98 Nation Europa -- Freunde 98 Neue Nation -- Volkstreue Zeitung für Deutschland 86 Neuer politischer Dienst 70 NPD-Forum 70 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 104 NS Kampfruf 104 Odal-Verlag 101 Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (OIDA) 117 Organisation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik (O.I.P.F.G.) 135 Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran (Ashraf-Deghani-Anhänger) Organisation Iranischer Studenten, Sympathisanten der (O.i.s.; 116 Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) 192 Palästina-Libanon-Komitee, Nürnberg (PLK) 134 Palästinensische Befreiungsfront (PLF) 142 Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 114 Palästinensischer Arbeiterverband, Nürnberg (PAV) 116 Palästinensischer Arbeiterverband in der Bundesrepublik (PAV) 115 Deutschland und West-Berlin e.V. Palästinensischer Studentenverband in der Bundesrepublik (PSV) 134 Deutschland und West-Berlin e.V. Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 130 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 55 PDS/Linke Liste 58 Partido Comunista de Espana Reconstituido (PCE-r) 144 Partizan 127 Plambeck u. Co. Druck und Verlag GmbH 27 PODIUM 36 Politische Berichte 61 Position 30 Prolos 50 Provisional Irish Republican Army (PIRA) 140 radikal 55 Radikale Linke 38 Rebell 49 Recht und Wahrheit 95 Resultate 42 Resultate-Verlag 41 Revisionisten 101 Revolutionäre Organisation 17. November 146 Revolutionäre Zellen (RZ) 150 Rote Armee Fraktion (RAF) 142 Rote Brigaden (BR) 146 Rote Fahne 49 193 Rote Rauchzeichen 28 Rote Tische 22,31 Rote Zora 151 Roter Pfeil 49 Rotfüchse 49 Samisdat Publishers Ltd. 106 Securitate 167 Sieg 106 Skinheads 91 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 29 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 16 Sozialistische Partei Türkisch-Kurdistans (TKSP) 123 Sozialistische Zeitung (SoZ) 61 Sozialistischer Hochschulbund (SHB) 60 Sozialistisches Forum 21 Sozialistisches Magazin (Soz-Magazin] i 61 Sturm-Abteilung (SA) 83 Tudeh-Partei 116 Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) 125 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 124 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) 129 Türmer-Verlag 98 Union der patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) 120 Union der patriotischen Frauen Kurdistans (YJWK) 120 Union der patriotischen Intellektuellen Kurdistans (YRWK) 120 Union der revolutionär-patriotischen Jugend Kurdistans (YXK) 120 Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e.V. (TIKDB) 130 Union islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) 135 Unsere Zeit (UZ) 21 UZ-Verlags-GmbH 27 194 Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln (ICCB) 131 Verein Palästinensischer Arbeiter München (VPA) 116 Verein patriotischer Künstler Kurdistans in der Bundesrepublik (HUNERKOM) 120 Deutschland e.V. Verein zur Förderung des studentischen Pressewesens e.V. 41 Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei (TBKP) 123 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 61 Vereinigung der kurdischen Studenten in Europa (KSSE) 123 Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) 131 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der (VVN-BdA) 36 Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland Verlag Hohe Warte -- Franz von Bebenburg KG 99 Verlag Samisdat Publishers Ltd. 106 Verlagsund Vertriebsgesellschaft mbH (VVG) 27 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 120 Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) 81 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 115 Volksfront für die Befreiung Palästinas -- Generalkommando (PFLP-GC) 133 Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT; 62 Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei (VSBD/PdA) 86 der Arbeit Vorderste Front 108 Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) 30 Wikinger 92 Wiking-Jugend (WJ) 92 Wohlfahrtspartei (RP) 131 Zusammen Kämpfen -- Zeitung für die antiimperialistische 142 Front in Westeuropa