Verfassungsschutzbericht Bayerisches Staatsministerium des Innern Verfassungsschutzbericht Bayern 1988 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern Odeonsplatz 3, 8000 München 22 RB Nr. 03A/89/12 Satz: Reiff Druck & Verlag, Vogelweideplatz 9, 8000 München 80 Druck: Druckhaus Kastner Wolnzach, Schloßhof 2-6, 8069 Wolnzach Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet. Dieses Jahr feiern wir deshalb das 40jährige Bestehen des freiheitlichsten Staates, der je auf deutschem Boden bestanden hat. Daß dies möglich ist, verdanken wir den Schöpfern der Verfassung, die in ihr selbst ein System zur Abwehr verfassungsfeindlicher Kräfte vorgesehen haben. Zu diesem Instrumentarium der wehrhaften Demokratie zählt nicht zuletzt die Einrichtung von Verfassungsschutzbehörden, die Informationen über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten haben. Das Sammeln und Auswerten derartiger Informationen ist nicht Selbstzweck. Es ist in erster Linie Entscheidungshilfe für Landtag und Staatsregierung bei der Gewinnung eines Lagebildes sowie zur Vorbereitung des Einsatzes exekutiver Mittel zur Sicherung der freiheitlichen demokratischen Gründordnung. Es dient darüber hinaus aber auch der Aufklärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und nachrichtendienstliche Bedrohungen. Als eine solche Information der Öffentlichkeit versteht sich auch dieser Bericht. Nur wer über extremistische Organisationen und extremistische Hintergründe mancher vermeintlich unverfänglicher Vereinigungen informiert ist, ist in der Lage, seine Entscheidungen richtig zu treffen. Dieser Bericht zeigt, daß die weit überwiegende Mehrheit der Bürger die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bejaht und extremistischen Gruppierungen eine Absage erteilt. Gleichwohl erfordert der politische Extremismus weiterhin aufmerksame Beobachtung. Diese ist durch das Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz gewährleistet. Seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebührt dafür Dank und Anerkennung. München, im Juni 1989 Dr. Edmund Stoiber Dr. Günther Beckstein Staätsminister Staatssekretär Inhaltsverzeichnis Allgemeiner Überblick 10 1. Abschnitt Linksextremismus 12 1. Allgemeines 12 2. Orthodoxer Kommunismus 15 2.1 Überblick 15 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 16 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort 16 2.2.2 Steuerung der DKP durch die SED und die KPdSU 20 2.2.3 Organisation 22 2.2.4 Bündnispolitik 25 2.2.4.1 Aktionseinheit 26 2.2.4.2 "Breites antimonopolistisches Bündnis" 30 2.2.5 Publikationen, Verlage und sonstige Propagandaträger 35 2.2.6 Schulung 38 2.2.7 Betriebsarbeit der DKP 41 2.2.8 DKP-Hochschulgruppen 42 2.3 Nebenorganisationen der DKP 43 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 43 2.3.2 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) 48 2.3.3 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) . . . . 50 4 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen 52 2.4.1 Allgemeines 52 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) 53 2.4.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (WN-BdA) 56 2.4.4 "Die Friedensliste" 59 3. Neue Linke 60 3.1 Überblick 60 3.2 Dogmatische Neue Linke 61 3.2.1 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 61 3.2.2 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 62 3.2.3 Marxistische Gruppe (MG) 65 3.2.4 Sonstige Gruppen der Dogmatischen Neuen Linken 69 3.2.4.1 Kommunistischer Bund (KB) 69 3.2.4.2 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 70 3.2.4.3 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 71 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 71 3.3.1 Allgemeines 71 3.3.2 "Autonome" Gruppen 72 3.3.3 Anarchisten 78 3.3.3.1 M.a.F.i.A 78 3.3.3.2 Anarchistische Föderation Nordbayern (AFNB) 79 3.4 Linksextreme Schriften 79 4. Linksextremer Einfluß auf die "Anti-AKW-Bewegung" 81 4.1 Allgemeines 81 4.2 Einzelfälle 82 5. Linksextremer Einfluß auf die "Friedensbewegung" 83 5.1 Allgemeines 83 5.2 Agitationsund Aktionsschwerpunkte 85 2. Abschnitt Rechtsextremismus 88 1. Allgemeines 88 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 91 5 2.1 Ideologisch-politischer Standort 91 2.2 Organisation 93 2.3 Wahlabsprachen zwischen NPD und DVU-Liste D 94 2.4 Sonstige Aktivitäten 96 2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) 98 2.6 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 100 3. Deutsche Volksunion e.V. (DVU) 101 3.1 Ideologisch-politischer Standort 101 3.2 Organisation , 101 3.3 Aktionsgemeinschaften der DVU 102 3.4 Aktivitäten 102 4. Deutsche Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D) . . . . . 103 4.1 Ideologisch-politischer Standort 103 4.2 Organisation 105 4.3 Aktivitäten 106 5. Neonazistische Organisationen und Vorfälle 109 5.1 Allgemeines 109 5.2 "Bewegung" ehemaliger ANS/NA-Anhänger 110 5.3 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 115 5.4 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG) 119 5.5 Nationalrevolutionäre 120 5.6 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle 121 6. Sonstige rechtsextreme Organisationen 122 6.1 Deutscher Block (DB) 122 6.2 Wiking-Jugend (WJ) 123 6.3 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 124 6.4 Freundeskreis Ulrich von Hütten 124 6.5 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 125 6 7. Organisationsunabhängige Publizistik 127 8. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus 133 3. Abschnitt Extremistische Bestrebungen von Ausländern 136 1. Allgemeines 136 2. Äthiopische Gruppen 138 3. Afghanische Gruppen 138 4. Arabische Gruppen 138 5. Griechische Gruppen 140 6. Iranische Gruppen 141 6.1 Orthodoxe Kommunisten 141 6.2 Neue Linke 141 7. Italienische Gruppen 142 8. Jugoslawische Gruppen 143 8.1 Kroatischer Nationalrat (HNV) 143 8.2 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 143 9. Kurdische Gruppen 144 9.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 144 9.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e.V. (KOMKAR) 149 10. Spanische Gruppen 149 11. Türkische Gruppen 149 11.1 Orthodoxe Kommunisten 150 11.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen 151 11.2.1 Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 151 11.2.2 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) 154 11.3 Extreme Nationalisten 156 11.4 Islamische Extremisten 156 7 4. Abschnitt Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 158 1. Allgemeines 158 2. Rote Armee Fraktion (RAF) 159 2.1 Kommandobereich der RAF 161 2.2 Militante der RAF 162 2.3 Umfeld der RAF 163 3. Revolutionäre Zellen (RZ) 165 4. Festnahmen und Strafverfahren 166 5. Politisch motivierte Gewaltaktionen in Bayern 167 5. Abschnitt Spionageabwehr 170 1. Allgemeines 170 2. Agentenwerbung 171 3. Kontaktanlässe/Werbungsmethoden 172 3.1 Nachrichtendienstliche Ansprache von Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland 172 3.2 Nachrichtendienstliche Ansprachen von Personen mit Wohnsitz im kommunistischen Machtbereich 173 4. Zielrichtung/Zielobjekte 173 4.1 Politische Spionage 173 4.2 Militärische Spionage 174 4.3 Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage 175 5. Schutz vor nachrichtendienstlicher Verstrickung 176 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 178 1. Einstellungsüberprüfung 178 2. Extremisten im öffentlichen Dienst 179 8 Anhang 1 Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1974 181 Anhang 2 Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst . . . . ' 184 Anhang 3 Verzeichnis von Publikationen deutscher extremistischer und extremistisch beeinflußter Organisationen 187 Anhang 4 Stichwortverzeichnis 191 Allgemeiner Überblick Dieser Verfassungsschutzbericht enthält Feststellungen zur inneren Sicherheit im Freistaat Bayern für das Jahr 1988. Er gibt einen Überblick über Bestrebungen von Extremisten, die unmittelbar oder mittelbar gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben sowie Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Der Verfassungsschutzbericht enthält auch Informationen über sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten für fremde Mächte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eine Ordnung zu verstehen, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den fundamentalen Prinzipien dieser freiheitlichen Grundordnung gehören die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit der politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. 1. Die linksextremen Kräfte konnten auch 1988 die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht gefährden, obwohl ihr Ziel, die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung, nach wie vor unverändert blieb. 1988 gab es in Bayern 100 linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppen mit rund 11.250 Mitgliedschaften. Die Zahl der Gruppen und Mitgliedschaften hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr deutlich verringert. Diese Entwicklung ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die orthodoxen moskauorientierten Kommunisten durch die vom sowjetischen Staatsund Parteichef Michail Gorbatschow betriebene Politik mit den Leitbegriffen "Glasnost" und "Perestrojka" vor große innerparteiliche Probleme gestellt werden. Dies wirkte sich negativ auf Mitgliederentwicklung und außenwirksame Aktivitäten aus. Innerhalb der dogmatischen Neuen Linken in Bayern konnte die Marxistische Gruppe (MG) ihre Dominanz weiter festigen. Die MG muß auf Grund ihrer Aktivitäten, des großen Potentials ihrer Angehörigen sowie ihrer Zusammenset10 zung als eine der gefährlichsten verfassungsfeindlichen Gruppierungen in Bayern angesehen werden. Aus dem Bereich der undogmatischen Neuen Linken beteiligte sich 1988 vor allem der anarchistisch orientierte "autonome" Flügel an der Kampagne gegen die Jahresversammlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB), die vom 27. bis 29. September in Berlin (West) stattfanden. Militante Aktionen "autonomer" Gruppen richteten sich daneben gegen die am Bau von kerntechnischen Anlagen beteiligten Firmen sowie gegen Einrichtungen und Anlagen von Energieversorgungsunternehmen und der Deutschen Bundesbahn. Die Zahl dieser Aktionen war jedoch rückläufig. 2. Auch die Bestrebungen rechtsextremer Vereinigungen und Personen gefährdeten 1988 den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat nicht. In Bayern betätigten sich 28 rechtsextreme Organisationen und Gruppen mit rund 5.200 Mitgliedern bzw. Anhängern. Innerhalb des organisierten Rechtsextremismus stellten die Deutsche Volksunion - Liste D (DVU-Liste D), die ihren Mitgliederbestand um zwei Drittel erhöhen konnte, die Deutsche Volksunion (DVU) mit ihren Aktionsgemeinschafteh und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) den zahlenmäßig größten Anteil. Die vorwiegend von ehemaligen Anhängern der verbotenen neonazistischen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) getragene neonazistische "Bewegung" blieb in zwei rivalisierende Lager gespalten. Aktivisten dieser "Gesinnungsgemeinschaft" einstiger ANS/NA-Anhänger waren weiterhin bestrebt, in der von ihnen unterwanderten Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) Vorstellungen der ANS/NA durchzusetzen. 3. Die Anzahl ausländischer Extremisten betrug 1988 rund 6.700; die Zahl der Organisationen stieg auf 150. Vor allem die militante orthodox-kommunistische Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) einschließlich ihrer Nebenorganisationen sowie gewaltbereite Vereinigungen der türkischen Neuen Linken stellten nach wie vor eine Gefährdung der inneren Sicherheit dar. Aufmerksamer Beobachtung bedarf auch die Entwicklung im Bereich des islamischen und nationalistischen Ausländerextremismus. 4. Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch Terroristen hielt an. Die Rote Armee Fraktion (RAF) blieb auch 1988 die gefährlichste terroristische Vereinigung. Nach einer "Ruhepause" von nahezu zwei Jahren stellte sie mit dem versuchten Mordanschlag gegen den Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Dr. Hans Tietmeyer am 20. September ihre Gefährlichkeit erneut unter Beweis. Bei den Revolutionären Zellen (RZ) und ihrer Frauengruppe "Rote Zora" waren die terroristischen Aktivitäten rückläufig. Die Mehrzahl der im Bundesgebiet verübten Anschläge war Gruppen und Einzeltätem aus dem militanten, autonomen und anarchistischen Spektrum zuzurechnen. Die Spionageaktivitäten der Geheimdienste des Ostblocks hielten auch 1988 trotz oder vielmehr gerade wegen der sowjetischen Politik von "Glasnost" und "Perestrojka" an. Das Ausspähungsinteresse der östlichen Nachrichtendienste richtete sich wiederum auf alle wesentlichen Entwicklungen und bedeutsamen Veränderungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär. 11 1. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines 1988 gab es in Bayern etwa 100 linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppen mit rund 11.250 Mitgliedschaften. Die Zahl der Mitgliedschaften hat sich dabei im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 2.000 verringert. Diese Entwicklung ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die orthodoxen Kommunisten durch die sowjetische Politik von "Glasnost" und "Perestrojka" vor große innerparteiliche Probleme gestellt werden. Zahl und Stärke von linksextremen und linksextrem beeinflußten Organisationen in Bayern: 1986 1987 1988 Zahl der Organisationen 120 110 100 Mitgliedschaften Orthodoxe Linke 11.600 11.400 9.400 Mitgliedschaften Neue Linke 2.000 2.100 1.850 Insgesamt 13.600 13.500 11.250 Die Gesamtzahl von 11.250 Mitgliedschaften für das Jahr 1988 läßt sich wie folgt weiter aufgliedern: Mitgliedschaften in orthodox-kommunistischen Kernund Nebenorganisationen 3.800 abzüglich Mehrfachmitgtiedschaften in Kernur*d Nebenorganisationen -- 100 3.700 Mitgliedschaften in orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen 5.600 9.300 Mitgliedschaften in Kernund Nebenorganisationen der Neuen Linken 1.700 abzüglich Mehrfachmitgliedschaften in Organisationen der Neuen Linken -- 50 1.650 Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen der Neuen Linken 150 1.800 Gesamtzahl (erkannte Mehrfachmitgliedschaften abgezogen) 11.100 12 Wie sich aus vorstehender Tabelle ergibt, sind Mehrfachmitgliedschaften nur jeweils innerhalb des Bereichs der Kernoder Nebenorganisationen der Orthodoxen Linken und der Neuen Linken berücksichtigt. Über Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sowie Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen einerseits und Kernoder Nebenorganisationen andererseits liegen keine zuverlässigen Zahlen vor. In der Zahl der Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sind auch Nichtextremisten enthalten; eine zahlenmäßige Aufgliederung ist nicht möglich. Kommunisten sowohl der Orthodoxen wie der Neuen Linken haben auch 1988 wie in den Vorjahren durch eine Vielzahl von Aktionen versucht, bei der Propagierung ihrer Ziele Unterstützung bei Demokraten zu finden. Agitationsthemen waren insbesondere Abrüstung, Arbeitslosigkeit, "Imperialismus" und friedliche Nutzung der Kernenergie. Da durch die neue Politik des sowjetischen Staatsund Parteichefs Gorbatschow jedoch derzeit eher der Eindruck entsteht, als würde die Sowjetunion Elemente westlicher Gesellschaftssysteme versuchsweise übernehmen, ist es den Kommunisten im Bundesgebiet 1988 noch weniger als in den Vorjahren gelungen, das Modell einer kommunistischen Gesellschaftsordnung erfolgreich zu propagieren. Die frühere Geschlossenheit der orthodox-kommunistisch ausgerichteten Gruppen beginnt vielmehr von innen her aufzubrechen, weil das Für und Wider zu "Perestrojka" und "Glasnost" manche Organisationen an den Rand der Spaltung bringt. Die bedeutendsten linksextremen bzw. linksextrem beeinflußten Organisationen waren 1988: 1.1 Kommunistische Kernorganisationen Die kommunistischen Kernorganisationen verstehen sich als führende Kraft im Kampf für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Orthodoxe Linke Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Neue Linke Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Marxistische Gruppe (MG) Kommunistischer Bund (KB) Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 1.2 Kommunistische Nebenorganisationen Die kommunistischen Nebenorganisationen sind organisatorisch selbständige Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Führungsgremien, die sich jedoch 13 der jeweiligen Kernorganisation unterordnen. Sie bekennen sich wie diese zum Kampf für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Maßgebende Führungsfunktionen dieser Vereinigungen sind mit Mitgliedern der Kernorganisation besetzt. Die wesentlichen Nebenorganisationen waren 1988: Nebenorganisationen der DKP Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP) Nebenorganisationen der MLPD Arbeiterjugendverband Marxisten-Leninisten (AJV/ML) Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) Nebenorganisation des AB Kommunistischer Hochschulbund (KHB) 1.3 Kommunistisch beeinflußte Organisationen Ein erheblicher Teil der Organisationen im linksextremen Bereich besteht aus Vereinigungen, die sich überparteilich oder unabhängig darstellen, tatsächlich aber unter einem mehr oder weniger starken Einfluß kommunistischer Kernoder Nebenorganisationen stehen. Der Einfluß drückt sich insbesondere darin aus, daß sie -- von diesen oder auf deren Initiative hin gegründet wurden, -- wichtige Führungsfunktionen mit Kommunisten besetzen, -- eng mit Kernoder Nebenorganisationen zusammenarbeiten, -- Ziele verfolgen, die sich in Teilbereichen mit typisch kommunistischen Ziel Setzungen decken. Teilweise liegen mehrere dieser Merkmale vor, teilweise alle. Entsprechend stark ist dann der kommunistische Einfluß. So gibt es Gruppen, die keine wesentliche Entscheidung gegen den Willen der Kernoder Nebenorganisationen treffen können; andere haben trotz erheblicher kommunistischer Einflußnahme noch Raum für ein politisches Eigenleben. Die wichtigsten Organisationen, die unter kommunistischem Einfluß standen, waren 1988: Von der DKP beeinflußte Organisationen: Deutsche Friedens-Union (DFU) Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (WN-BdA) 14 Die Friedensliste Sozialistischer Hochschulbund (SHB) als ständiger Bündnispartner des MSB Spartakus Vom AB beeinflußte Organisationen: Anti-Strauß-Komitee (ASKo) Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ) Vom BWK beeinflußte Organisation: Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) Von der VSP beeinflußte Organisation: Autonome Sozialistische Jugendgruppen (ASJG) 1.4 Sonstige linksextreme Gruppen Hierbei sind in erster Linie die sogenannten undogmatischen Gruppen der Neuen Linken zu nennen, die eine feste ideologische Bindung ablehnen. Ihr Spektrum reicht von autonomen Gruppierungen bis hin zu anarchistisch ausgerichteten Zusammenschlüssen. Ihr Endziel ist die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele propagieren und praktizieren sie auch Gewalt gegen Personen und Sachen. 2. Orthodoxer Kommunismus 2.1 Überblick In der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Bayern sind die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und ihre Nebenorganisationen sowie - mit Einschränkungen - die von der DKP oder ihren Nebenorganisationen beeinflußten Organisationen Sammelbecken für die orthodoxen Kommunisten. Sie stellten bisher nach außen einen festgefügten Block dar, der jedoch derzeit aufgrund interner politischer Auseinandersetzungen in seiner bisherigen Einheit stark gefährdet ist. Im Funktionärsbereich sind die orthodox-kommunistischen Kernund Nebenorganisationen nach wie vor eng verflochten; sie sind auch finanziell sehr gut ausgestattet. Die orthodoxen Kommunisten bekennen sich nach wie vor zum Marxismus-Leninismus und damit, auch wenn sie es zur Verschleierung ihrer wahren Ziele nicht offen aussprechen, zur sozialistischen Weltrevolution und zur Diktatur des Proletariats. Das Grundmodell dieser "sozialistischen Ordnung" sahen die orthodoxen Kommunisten bislang ebenso in der Sowjetunion wie in der DDR verwirklicht. Sie betonen auch jetzt noch die feste Verbundenheit mit den kommunistischen Parteien dieser Länder, obwohl die politischen Veränderungen in der Sowjetunion und die Auseinandersetzung damit die DKP in die größte innere Krise ihrer 20-jährigen Geschichte gestürzt haben. 15 Ungeachtet dessen versteht sich die DKP nach wie vor als Teil der kommunistischen Weltbewegung, der die Führungsrolle bei der revolutionären Umgestaltung der kapitalistischen in die sozialistische Gesellschaftsordnung zukomme. Einigendes Band ist der "proletarische Internationalismus", der "Geschlossenheit und Aktionseinheit im Kampf um die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft" zum Ausdruck bringen soll. 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Die DKP wurde am 26. September 1968 anstelle der im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Aus diesem Grund widmete sie dem 70. Jahrestag der um die Jahreswende 1918/19 erfolgten Gründung der KPD in der UZ breiten Raum. Mit der KPD sei eine revolutionäre Kraft geschaffen worden, die sich im Kampf gegen "Imperialismus" und "Militarismus", für Völkerverständigung und grundlegende gesellschaftliche Umgestaltungen bewährt habe. Wie vor 70 Jahren stehe die Arbeiterbewegung auch heute vor einer Umbruchperiode. Von der damaligen KPD könne die DKP lernen. Es gebe keinen Grund, die revolutionären Prinzipien, die Lehren von Marx, Engels und Lenin in Frage zu stellen. Ihre Prinzipienfestigkeit müsse die DKP jedoch mit größter Flexibilität bei der Beantwortung neuer Fragen verbinden. Die DKP hat daher erneut die Aufhebung des Verbotes der KPD gefordert. Dazu erklärte ein DKP-Präsidiumsmitglied, in einer Zeit, da permanent von der Freiheit der Andersdenkenden gesprochen werde, zeige das Festhalten am Verbot der KPD, wie es in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich um Demokratie und Freiheit stehe. Das KPD-Verbotsurteil von 1956 stelle die DKP unter Ausnahmerecht und kriminalisiere den Marxismus-Leninismus. Unter Berufung darauf würden "Berufsverbote" gegen DKP-Mitglieder exekutiert und die Partei selber als "verfassungsfeindlich" eingestuft. Das Urteil habe statt eines Neubeginns die "Restauration" begünstigt und die "antikommunistische Staatsdoktrin" juristisch besiegelt. Die DKP ist nach wie vor die stärkste extremistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland und nimmt die politische Führung der orthodoxen Kommunisten in Anspruch. Ideologisch vertritt sie die Lehren des Marxismus-Leninismus. Nach dieser Ideologie des "wissenschaftlichen Sozialismus" ist der erste Schritt zum Kommunismus eine Revolution mit dem Ziel der Errichtung der politischen Herrschaft des Proletariats. Die Kommunistische Partei hat dabei im Klassenkampf durch Agitation und Änderung des Bewußtseins der Arbeiterklasse auf eine Revolution hinzuarbeiten und diese zu führen. Der Revolution soll die Diktatur des Proletariats folgen, d.h. die Macht soll in dieser Phase diktatorisch durch die "Elite" der Arbeiterklasse, die Kommunistische Partei, ausgeübt werden; die Gewaltenteilung ist damit beseitigt. In der Phase der Diktatur des Proletariats soll es allerdings noch gegensätzliche Klassen geben, die in der nächsten Stufe der Entwicklung, dem Sozialismus, aufhören zu existieren. Dann führt allein die Kommunistische Partei den sozialistischen Staat und die sozialistische Gesellschaft. Auf dem Höhepunkt des Sozialismus stirbt 16 nach dieser Ideologie der Staat ab; in dem sich daran anschließenden Stadium des Kommunismus soll es keine Klassen und keinen Staat mehr geben; an seine Stelle tritt die Gesellschaft. Diese "grundlegend neue Gesellschaftsordnung" baue - so die DKP - auf der "revolutionären Überwindung der kapitalistischen Machtund Besitzverhältnisse" auf und könne nur "im harten Klassenkampf" durchgesetzt werden. Sie setze die Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse im Bündnis mit anderen Werktätigen voraus. Die Lehre von Marx, Engels und Lenin sei der "politische Kompaß der DKP und wissenschaftliches Fundament ihrer Politik". In "schöpferischer Anwendung" dieser Lehre entwickle die DKP Strategie und Taktik ihres Kampfes um die Errichtung des Sozialismus in der Bundesrepublik Deutschland. Als die Partei des "Klassenkampfes" und des "Sozialismus" bekenne sie sich zu den Grundsätzen einer "bolschewistischen Partei neuen Typs", die gekennzeichnet sei durch die Anerkennung der Lenin'schen Normen der Parteimitgliedschaft und des Parteiaufbaues sowie der Diktatur des Proletariats. In bemerkenswert wirklichkeitsnaher Beurteilung geht die Partei jetzt davon aus, daß die Überwindung des Kapitalismus in der Bundesrepublik Deutschland in absehbarer Zeit nicht realistisch sei. Deshalb entwickelt die Partei eine "Politik der Übergänge", bei der es angesichts globaler Probleme zunächst darauf ankomme, durch kraftvolle Volksbewegungen den Imperialismus "friedensfähig" zu machen. Wenn die Partei derzeit gleichwohl für eine "Reformalternative" eintrete, so bedeute dies nicht, daß sie den Sozialismus - ihr Endziel - aufgegeben habe. Die Partei erachtet es dabei als möglich und im Interesse der Arbeiterklasse auch für erstrebenswert, daß ihr Kampf in eine "antimonopolistische Demokratie" einmündet. Darunter versteht sie eine Periode "grundlegender Umgestaltungen", in der eine von der "Arbeiterklasse und den anderen demokratischen Kräften getragene antimonopolistisch-demokratische Staatsmacht" geschaffen werden soll. Diese Aussagen der DKP belegen trotz der aus taktischen Gründen variierten Begriffsbildung, daß die DKP einen dogmatischen Marxismus-Leninismus vertritt. Die Formulierungen "sozialistische Umwälzung" und "politische Macht der Arbeiterklasse" sind gleichbedeutend mit den marxistisch-leninistischen Kernbegriffen "sozialistische Revolution" und "Diktatur des Proletariats". Dieser Sprachgebrauch dient der DKP ebenso zur Verschleierung ihrer verfassungsfeindlichen Zielsetzung wie ihre Beteuerung, sie "wirke auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland" und erstrebe die "grundlegende Umgestaltung auf der Basis der demokratischen Prinzipien und Rechte des Grundgesetzes". Ihr Bekenntnis, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, ist nur vor dem Hintergrund des marxistisch-leninistischen Demokratieverständnisses zu verstehen. In Wirklichkeit sieht die DKP im Grundgesetz nur eine disponible Basis für ihren Kampf. Die Grundrechte versteht sie nicht als Garantie eines Freiheitsraumes für jeden Bürger, sondern als Legitimation und Auftrag für die Arbeiterklasse, die bestehende Ordnung zu beseitigen und den Sozialismus und eine sozialistische Verfassung marxistisch-leninistischer Prägung zu erkämpfen. Nachdem Ende Januar 1986 der Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow sein Demokratisierungsprogramm verkündet hatte, das mit den Leitbe17 griffen "Perestrojka" (Umgestaltung/Neugestaltung) und "Glasnost" (Transparenz/Offenheit) verbunden ist, entstanden zunehmend auch innerhalb der orthodoxen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland kontroverse Diskussionen. Die DKP befindet sich, auch nach dem Urteil maßgeblicher Parteifunktionäre, infolge dieser Diskussionen in der schwierigsten Situation seit ihrer Gründung im Jahre 1968. Die Krise hat zu einem offenen "Linienstreit" zwischen "Traditionalisten" und "Erneuerern" geführt, der sich im Lauf des Jahres 1988 deutlich zugespitzt und auf dem 9. Parteitag im Januar 1989 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Bereits im Januar 1988 hatte sich der DKP-Vorsitzende Herbert Mies kritisch zur Lage der Partei geäußert: Diese sei in mancher Hinsicht sehr ernst. Nach dem 8. Parteitag im Mai 1986 seien erstmals in der Geschichte der DKP schwer überwindbare Meinungsverschiedenheiten aufgetreten. Insgesamt sei die Einheit und Geschlossenheit der Partei erschüttert worden. Mies wandte sich gegen das permanente Infragestellen der Politik der Partei und mahnte, die neuen "revolutionären", dem sozialistischen Ziel näherkommenden Chancen wahrzunehmen. Die Chancen, die sich aus der Entwicklung in der Sowjetunion ergeben könnten, seien erst unzureichend genutzt; es habe sich als schwierig erwiesen, dazu eine einheitliche Position zu finden. Auch im Juni hatte sich die DKP-Spitze noch verhalten positiv zur neuen Politik der Sowjetunion geäußert: Die Thesen zur 19. Allunionskonferenz der KPdSU vom 28. Juni bis 1. Juli in Moskau hätten gezeigt, daß "Perestrojka, Demokratisierung und Glasnost unumkehrbar" seien. Auch die DKP dürfe Fragen nach der innerparteilichen Entwicklung und Demokratie nicht ausweichen und müsse notfalls Korrekturen vornehmen. Die Denkanstöße der KPdSU sollten aber entsprechend den "Entwicklungsnotwendigkeiten" der DKP aufgegriffen werden. Seit dem Abschluß der 19. Allunionskonferenz der KPdSU wird die Reaktion der DKP auf "Glasnost" und "Perestrojka" jedoch zunehmend zurückhaltend und zwiespältig. Vor dem Sekretariat der Partei und auf Informationsveranstaltungen mit Mitgliedern des Parteivorstandes betonte der DKP-Vorsitzende, die KPdSU habe die "Grundfrage" beantwortet: "Nicht weniger, sondern mehr Sozialismus". Die Konferenz gebe der DKP einen ermunternden, aber auch "mit vielen Fragen verbundenen Impuls". Mies sperrte sich jedoch gegen eine -früher selbstverständliche - vorbehaltlose Übertragung der Neuerungen in der KPdSU auf die DKP. Die Allunionskonferenz fördere die Diskussion über die Rolle der DKP. Die Partei könne jedoch nicht "von gestern auf heute" alle Anregungen verarbeiten. Es gebe Punkte, welche die DKP "tatsächlich ... voranbringen" könnten. Andererseits müsse sie sich an ihren eigenen Bedingungen orientieren und dürfe die Vorschläge der KPdSU nicht "schematisch" übernehmen. Im September zeichnete der DKP-Vorsitzende dann ein dramatisches Bild: Es gebe keine Einheit der Partei mehr, sondern "zwei Linien". In Diskussionen des Präsidiums und des Sekretariats sowie in mehreren Papieren werde der demokratische Zentralismus zugunsten basisdemokratischer oder liberaler 18 Auffassungen in Frage gestellt. Unter der Flagge des Kampfes gegen den Stalinismus werde versucht, jene Einheitlichkeit und Disziplin aufzugeben, ohne die eine kommunistische Partei nicht auskommen könne. Der bestehende Meinungspluralismus in der Partei werde mißverstanden im Sinne der Verwandlung der DKP in eine pluralistische Partei. Es gebe Kräfte, die auf eine radikale Veränderung der Partei, ihres Programms und ihrer zentralen Führung zielten. Mies warnte, das Ergebnis solcher Bemühungen wäre keine erneuerte, sondern eine zerfallende DKP. Es dürfe kein Zurück geben hinter jene Organisationsprinzipien, die im Programm und Statut niedergelegt seien; auf Dauer könne keine kommunistische Partei mit "zwei Linien" nebeneinander leben. Nach einer "äußerst kontrovers" geführten Debatte verabschiedete der Parteivorstand den Entwurf eines Positionspapiers "Zur Lage und künftigen Entwicklung der DKP". Dieser Aussage versagte etwa ein Fünftel der Vorstandsmitglieder die Zustimmung. Sie argumentierten, die Erneuerung der DKP erfordere einen Bruch mit bisherigen organisatorischen, programmatischen und strategischen Vorstellungen. Auch die zur Erstellung des Entwurfs eingesetzte Arbeitsgruppe hatte keine Einigkeit erzielt. Von ihren 20 Mitgliedern legten sechs Personen eine "Minderheitenstellungnahme" vor, in der die Verfasser den "Dogmatismus", den "bürokratischen Zentralismus" sowie die "mangelnde Kompetenz" der Führung für die Krise in der Partei verantwortlich machten. Die Führung der DKP bemühte sich daraufhin, den Richtungsstreit innerhalb der Partei einzudämmen und die Diskussion über die Entwicklung der DKP zu kanalisieren. In einem Referat kritisierte ein Präsidiumsmitglied die Minderheit, die den Entschließungsentwurf "Zur Lage und künftigen Entwicklung der DKP" abgelehnt und eine eigene Stellungnahme vorgelegt hatte. Das sei in der Geschichte der kommunistischen Bewegung der Bundesrepublik Deutschland "einmalig". Die Vorstellungen der Minderheit müßten zurückgewiesen werden. Die Minderheit sehe nur die Fehler, nicht aber die Erfolge der Partei, z.B. in der Aktionseinheitsund Bündnispolitik. Die Forderung der Minderheit nach einer grundlegenden organisatorischen Erneuerung der DKP sei basisdemokratisch beeinflußt und beschwöre die Gefahr einer pluralistischen Partei herauf. Wenn die Minderheit darüber hinaus die Menschheit als Gefährdungsgemeinschaft anstelle der Arbeiterklasse zum Subjekt für eine Wende der Weltgeschichte erkläre, weiche sie von der kommunistischen Weltanschauung ab. Die Minderheitenmeinung dürfe keine zweite Plattform werden; dies wäre der Anfang vom Ende einer einheitlichen DKP. Der DKP-Vorsitzende bemühte sich danach nochmals, vermittelnd in den Meinungsstreit innerhalb der Partei einzugreifen und sich gleichzeitig gegen Positionen des "Minderheitenpapiers" abzugrenzen. Unter der beschwörenden Überschrift "Was uns eint, ist stärker als das, was uns trennt" veröffentlichte er in der UZ einen Artikel, wonach die Führung der DKP es sich nicht leicht gemacht habe, die "Wahrheit von der Existenz einer zweiten Linie" offen auszusprechen. Die Lage sei sehr ernst. Gewiß wollten auch die Verfechter des "Minderheitenpapiers" keine Spaltung der DKP, doch könne ihr Weg in eine reformistische Partei führen. Dies sei eine Kraftprobe und diene nicht einer fruchtbaren Diskussion. Die Widersprüche müßten jetzt mit dem Ziel der Einheit auf klaren Positionen gelöst werden. 19 Dies gelang jedoch auch auf dem 9. Parteitag vom 6. bis 8. Januar 1989 in Frankfurt a. M. nicht. Trotz des Leitmotivs "Für die Erneuerung der Bundesrepublik - Neues Denken und solidarisches Handeln in unserem Land und in der DKP" endete er mit einer schweren Niederlage der "Erneuerer" innerhalb der DKP. Fünf Mitglieder des alten Vorstandes, die sich nach sowjetischem Vorbild für eine Erneuerung und Demokratisierung der Partei einsetzen, wurden nicht mehr in den neuen Vorstand gewählt. Die noch verbliebenen wenigen "Reformer" im neuen Vorstand wurden überwiegend nur mit sehr knappen Ergebnissen gewählt. Einen erheblichen Stimmeneinbruch mußten jedoch auch der Parteivorsitzende Herbert Mies und seine Stellvertreterin Ellen Weber hinnehmen. Beide erzielten das mit Abstand schlechteste Ergebnis ihrer bisherigen Amtszeit: Mies erhielt lediglich 71,8 %, Weber sogar nur 67,7 % der Stimmen. In seinem Rechenschaftsbericht mußte Mies zugeben, daß die Zahl der Mitglieder seit dem 8. Parteitag um über 10.000 abgenommen habe und die Partei in bisher beispiellose innere Widersprüche geraten sei; ihre Handlungsfähigkeit und Einheit seien bedroht. Zu Spekulationen über eine Spaltung der Partei äußerte Mies, die Partei gehe nach wie vor davon aus, daß das, "was uns eint, stärker ist als das, was uns trennt". Gegenüber Journalisten gab er in einem Interview allerdings zu, daß die DKP am Ende des Parteitags "möglicherweise einige Sekunden vor der Spaltung" gestanden habe. Trotz des heftigen Streits innerhalb der DKP hält Mies an den marxistisch-leninistischen Grundpositionen fest. Dazu gehört nach seinen Worten die Entwicklung der Partei als revolutionäre Arbeiterpartei mit marxistischer Weltanschauung, die Erhaltung ihrer Kampfkraft, ihrer Orientierung auf die Arbeiterklasse, eine richtige Handhabung des demokratischen Zentralismus, die Verbindlichkeit von "demokratisch vorbereiteten" und gefaßten Beschlüssen. All dies sei für eine kommunistische Partei unverzichtbar. Zugleich warf er den Erneuerern vor, einen Monopolanspruch für die richtige Anwendung der Impulse, die vom Kurs der KPdSU ausgehen, für sich zu reklamieren und Spekulationen über Gegensätze zwischen der KPdSU und der SED auf die Partei zu projizieren. Auch diese Bemerkung macht deutlich, daß die DKP demgegenüber innerparteilich mit dem neuen Kurs der KPdSU und dem zögerlichen Verhalten der SED der DDR nicht zurechtkommt. 2.2.2 Steuerung der DKP durch die SED und die KPdSU Trotz ihrer "inneren Krise" betrachtet die DKP das in der DDR herrschende Staatsund Gesellschaftssytem nach wie vor als Muster für die von ihr angestrebte Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Gründung der DDR markiere einen "Wendepunkt in der Geschichte unseres Volkes". Mit der "sozialistischen Revolution" in der DDR habe die deutsche Arbeiterbewegung ihren "größten Sieg" errungen. In der DDR würden die "besten revolutionären, demokratischen und nationalen Traditionen der deutschen Geschichte" verkörpert. Von einem solchen Staat hätten "Generationen von Kommunisten und Sozialisten" geträumt. Nur in einem solchen Staat könne es "wirkliche Volksherrschaft als Demokratie" geben. Die DKP wird deshalb auch nach wie vor in erster Linie von der SED der DDR angeleitet und umfassend unterstützt. Zahlreiche Arbeitsgespräche zwischen 20 SEDund DKP-Funktionären sicherten auch 1988 die Verbundenheit beider Parteien. Sie dienen einer umfassenden Kontrolle der DKP durch die SED. Zuständig ist dafür die sogenannte "Westabteilung" beim Zentralkomitee der SED. Den Bezirksorganisationen der DKP sind jeweils Bezirksorganisationen der SED als "Patenbezirke" zugewiesen. In Bayern sind dies für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern der SED-Bezirk Suhl und für die DKP-Bezirksorganisation Südbayern der SED-Bezirk Gera. Zwischen den Führungen von SED und DKP wird jährlich ein Rahmenplan festgelegt, innerhalb dessen die SEDund DKP-Bezirksorganisationen ihre jährlichen schriftlichen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit treffen. Unterstützung gewährte die SED der DKP auch dadurch, daß sie Einrichtungen der DDR für die Schulung, Förderung und Betreuung von Kommunisten aus der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stellte. Für verdiente Kader der DKP organisiert und finanziert die SED Urlaubs-, Krankenhausund Kuraufenthalte in der DDR. Zahlreiche Unterlagen der DKP werden in die DDR verbracht und dort in SED-Archiven aufbewahrt, insbesondere Unterlagen über DKP-Mitglieder. Auch 1988 wurde eine große Zahl einreisender "DDRReisekader" festgestellt, die im Rahmen der "Westarbeit" der SED einen Auftrag im Bundesgebiet zu erfüllen haben. Zu den Reisekadern zählen neben Funktionären der SED und der sogenannten DDR-Massenorganisationen auch Wissenschaftler, die neben ihrem beruflichen Auftrag politisch agitieren und Informationen gewinnen sollen. Die Anbindung an die SED macht auch eine Stellungnahme der DKP zum 27. Jahrestag der Errichtung der Berliner Mauer deutlich. So sei der Mauerbau der Grundstein für Realismus gewesen, für ein Umdenken, das heute weitere Früchte trage. Dieses "Neue Denken" habe den Weg zum Grundlagenvertrag, zum Honecker-Besuch in der Bundesrepublik Deutschland und zu einem "sehr nützlichen Nebeneinander der beiden deutschen Staaten, welches von Monat zu Monat gedeihlicher und umfassender funktioniert, gelegt". Der "pflichtgemäße" Ruf aus Bonn, "Westberlin" und Washington "Die Mauer muß weg!" nütze niemandem, auch nicht der so wichtigen Fortsetzung des Abrüstungsprozesses, bei dem die Bundesrepublik Deutschland und die DDR ein gewichtiges Wort mitsprechen könnten. Eine Delegation der DKP unter Leitung des Parteivorsitzenden Herbert Mies traf am 21. Oktober in Berlin (Ost) mit dem Generalsekretär des Zentralkomitees der SED Erich Honecker und weiteren Politbüromitgliedern zusammen. In einer gemeinsamen Presseerklärung wurde betont, die Gespräche seien im Geiste der traditionellen brüderlichen Verbundenheit beider Parteien verlaufen. Honecker und Mies hätten die 20jährige Entwicklung der DKP als erfolgreich bezeichnet. Die Partei habe sich stets getreu dem Erbe der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung als nationale und internationale Kraft erwiesen. Mies habe das Wirken der SED für Frieden und Abrüstung gewürdigt und betont, die positiven Ergebnisse der Beziehungen zwischen SED und SPD hätten "spürbar die Zusammenarbeit zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten gefördert". Trotz der gegenwärtigen ideologischen Spannungen besteht auch die Abhängigkeit der DKP gegenüber der KPdSU fort. Die gegenseitigen Beteuerungen 21 "brüderlicher Verbundenheit" sind aber erkennbar zurückhaltender formuliert als in den vergangenen Jahren. So erklärte der DKP-Vorsitzende nach einem Gespräch mit dem sowjetischen Außenminister am 18. Januar lediglich, die Freundschaft zwischen "bundesdeutschen und sowjetischen Kommunisten" sei ein Aktivposten in den Beziehungen zwischen beiden Staaten. Das Gespräch habe ihn darin bestärkt, daß ein neues Kapitel in den deutsch-sowjetischen Beziehungen auch von der Handschrift der DKP mitgezeichnet sein werde. Nach einem Gespräch mit dem Generalsekretär der KPdSU erklärte Mies zwar, die DKP stimme mit dem von der KPdSU eingeschlagenen Weg der "Perestrojka" völlig überein. Auch sie suche Antworten auf neue Herausforderungen der Zeit; dieser Prozeß verlaufe nicht widerspruchsfrei. Um die sowjetischen Abrüstungsinitiativen zu unterstützen, werde die DKP in der Bundesrepublik Deutschland die Verlängerung der Wehrdienstzeit und den Bau des "Jägers 90" bekämpfen sowie für eine Null-Lösung bei den Kurzstreckenwaffen und für eine Kürzung des Verteidigungsetats um jährlich zehn Prozent eintreten. In einer anschließenden Pressekonferenz antwortete er jedoch auf die Frage nach der unterschiedlichen Haltung von KPdSU und DKP zu "Glasnost", jedes sozialistische Land und jede Parteiführung sei für die eigene Politik selber verantwortlich. Die KPdSU und alle kommunistischen Parteien müßten sich mit Fehlern in ihrer Geschichte auseinandersetzen. Auch die deutschen Kommunisten hätten Fehlleistungen und Ungerechtigkeiten begangen, jedoch seien sie nicht für den Stalinismus und seine Folgen verantwortlich. Von Seiten der KPdSU erklärte umgekehrt der Leiter der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der KPdSU auf einer Tagung von "Kommunistischen und Arbeiterparteien" in Prag, der Kapitalismus sei beständiger als von den Kommunisten ursprünglich angenommen. Die kommunistischen Parteien hätten auch nicht vermocht, die Vorzüge des Sozialismus zur Geltung zu bringen und dem Westen ein überzeugendes Beispiel für eine Demokratisierung der Gesellschaft und eine beschleunigte Lösung wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu geben. ( 2.2.3 Organisation In Bayern gab es Ende 1988 weniger als 2.500 DKP-Mitglieder (1987: 3.100). Die Partei hatte 1988 in der Bundesrepublik Deutschland noch rund 35.000 (1987: 38.000) Mitglieder. Eine der Hauptursachen für den erheblichen Mitgliederrückgang dürfte in der mangelnden Bereitschaft der DKP-Führung liegen, Reformen im ideologischen und organisatorischen Bereich durchzuführen. Punktuelle Änderungsvorschläge des Parteivorsitzenden Herbert Mies zu Einzelbereichen, wonach z.B. die Quote der "Genossinnen" im Präsidium und Sekretariat auf mindestens 40 Prozent erhöht werden müsse oder die Zahl der Präsidiumsund Sekretariatsmitglieder zu verkleinern sei, finden bei den meisten DKP-Mitgliedern kaum noch Resonanz. Durch einen Teil der Parteibasis ist die gesamte DKP-Führung heftiger Kritik ausgesetzt, weil sie die Partei mit "stalinistischer Methodik" lenke. 22 Die DKP gliedert sich im Bundesgebiet in zwölf Bezirksorganisationen. Diese sind in Kreisbzw. Gebietsorganisationen unterteilt, die die Grundorganisationen, nämlich die Orts-, Stadtteil-, Wohngebiets-, Betriebsund Hochschulgruppen zusammenfassen. Bayern ist in die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern aufgeteilt. In einem Bildungsmagazin für das Bildungsjahr 1987/88 wurde die Organisationsstruktur der DKP wie folgt begründet: "Das einheitliche Handeln der Kommunistinnen und Kommunisten bringt ihre Stärke zur Geltung. Selbst wenn eine nur relativ kleine Zahl von Genossinnen und Genossen an einem bestimmten Punkt in einem Betrieb, an einem Ort, in einem Kreis, in einem Land vorhanden ist, so kann durch einheitliches Handeln eine viel größere Wirkung, als es die kleine Zahl vermuten läßt, erzielt werden. Die Grundorganisationen und ihre Mitglieder müssen in die demokratische Miterarbeitung der Politik einbezogen werden. Es geht vor allem um die gemeinsame, initiativreiche und konsequente Umsetzung der Politik zugunsten der Erweiterung des Masseneinflusses der DKP". Vorsitzender der DKP ist nach wie vor Herbert Mies, stellvertretende Parteivorsitzende Ellen Weber. Der Parteivorstand besteht aus 92 Mitgliedern, darunter 8 aus Bayern. Vorsitzender im DKP-Bezirk Nordbayern ist Herbert Stiefvater, im Bezirk Südbayern Walter Listl. Die DKP ist nach dem marxistisch-leninistischen Prinzip des "demokratischen Zentralismus" aufgebaut. Nach diesem Prinzip des hierarchischen Parteiaufbaus werden die Organe und Funktionäre jeder Ebene zwar durch die nächstniedrigere Ebene gewählt. Die Willensbildung findet dann jedoch von oben nach unten statt, d.h. Beschlüsse der vorgesetzten Ebene sind für nachgeordnete Parteigliederungen absolut verbindlich. Damit ist folgerichtig das strikte Verbot jeder Fraktionsbildung verbunden. An diesen Grundsätzen will die DKP auch trotz "Glasnost" und "Perestrojka" festhalten. Nach Aussage eines Präsidiumsmitglieds der DKP dürften die Diskussionsprozesse nicht die "Einheit des Willens und Handelns" blockieren. Die "Freiheit der Kritik" müsse sich im "Rahmen der Prinzipien des innerparteilichen Lebens" halten und sich den Zielen der Partei unterordnen. Es sei nicht vertretbar, die Prinzipien des innerparteilichen Lebens als "veraltet" oder "überholt" abzutun. Die DKP werde strikt an den "Leninschen Organisationsgrundsätzen der marxistischen Partei" festhalten. Sie unterscheide sich durch ihren Charakter als revolutionäre Arbeiterpartei, ihre marxistisch-leninistische Weltanschauung, ihre Zugehörigkeit zur kommunistischen Weltbewegung und ihre sozialistische Zielsetzung von allen anderen Parteien und sei durch keine andere Organisation zu ersetzen. In welche Begründungsschwierigkeiten die DKP durch die neue Linie der KPdSU geraten ist, zeigt eine leicht abweichende Akzentsetzung des DKP-Vorsitzenden: "Perestrojka" und "Glasnost" dürften um die "Weiterentwicklung des innerparteilichen Lebens" keinen Bogen machen. Im Mittelpunkt müsse "die Vorwärtsentwicklung eines wahrhaft kommunistischen innerparteilichen Lebens" stehen. Ein Präsidiumsmitglied der DKP erklärt demgegenüber, in der DKP werde mehr Demokratie praktiziert als in anderen Parteien. Statt ihre fundamentalen Grundsätze und Werte der 23 VERÄNDERN Mitglied werden Das Bonner Atomprogramm, Hochrüstung und Sozial abbau zeigen den Charakter des kapitalistischen Sy stems. Die DKP ist die Partei des Soziaiismus. Korn' munisten haben in Vergangenheit und Gegenwart be wiesen, daß sie für Frieden und Demokratie kämpfen. Wer die Welt verändern will, muß sich organisieren, in der DKP. Ich will Mitglied der DKP werden Name: Vorname: Anschrift: Alter: Beruf: . einsenden an DKP Südbayern Organisation aufzugeben, um modern zu sein, müsse eine kommunistische Partei ihre Struktur besser nutzen. In ihrem nach dem Parteiengesetz veröffentlichten Rechenschaftsbericht wies die DKP für 1987 Einnahmen in Höhe von 23,1 Mio DM (1986: 22,8 Mio DM) aus, davon 11 Mio DM an Mitgliedsbeiträgen und 9,6 Mio DM an Spenden. 1987 sind für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern 925.574,68 DM (1986: 1.008.229,09 DM), für die DKP-Bezirksorganisation Südbayern 1.086.844,94 DM (1986: 922.719,37 DM) an Gesamteinnahmen ausgewiesen (Bundestagsdrucksache 11/3315 vom 14.11.1988). Zwar behauptet die DKP, sie finanziere sich ausschließlich aus diesen Einnahmequellen. Tatsächlich war sie aber auch 1988 nicht in der Lage, die Ausgaben für den aufwendigen Par24 teiapparat, die Veranstaltungen und Aktionen sowie die umfangreiche publizistische Agitation aus dem eigenen Finanzaufkommen zu bezahlen. Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß die DKP 1988 für ihre Parteiarbeit, ihre Nebenorganisationen und die von ihr geförderten Verlage, Publikationen usw. wieder Zuschüsse aus der DDR von mehr als 65 Mio DM erhalten hat. 2.2.4 BUndnispolitik Die sogenannte "Bündnispolitik" ist nach wie vor zentraler Bestandteil der Gesamtpolitik der DKP und ihrer Nebenorganisationen. Sie beruht auf marxistisch-leninistischer Strategie und Taktik. Nicht zuletzt im Hinblick auf ihr schwaches Wählerpotential ist die DKP bestrebt, Bündnisse mit nicht-kommunistischen Kräften in der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" und in einem "breiten, antimonopolistischen Bündnis" zu schaffen und damit eine Breitenwirkung zu erreichen. Außerdem versucht sie, mit der Bündnispolitik demokratische Kräfte an die Partei heranzuführen. Ein DKP-Leitungsfunktionär erläuterte in der Broschüre mit dem Titel "klasse, demokratie, aktion", die Mitte 1988 herausgegeben wurde, die Grundsätze kommunistischer Bündnispolitik. Danach werde sie stets in einer ganz konkreten Etappe des Klassenkampfes, unter ganz konkreten Bedingungen ausgearbeitet und praktiziert. Ausgangspunkt hierzu sei die Herbeiführung einer Wende zu demokratischem und sozialistischem Fortschritt in der "Etappe des antimonopolistischen Kampfes". Die orthodoxen Kommunisten sehen deshalb eine vorrangige Aufgabe darin, die "Arbeiterklasse" an demokratische Bewegungen heranzuführen und dafür zu sorgen, daß "Arbeiterinteressen" im Bündnis zur Geltung kommen. Für die DKP ist jedoch von ausschlaggebender Bedeutung, daß die politische, ideologische und organisatorische Selbständigkeit der Partei gewahrt wird. Die Partei dürfe keinesfalls auf die Entwicklung ihrer eigenen Politik verzichten. Kommunistische Bündnispolitik verlange auch das offene Auftreten der Kommunisten. So habe schon im "Manifest der kommunistischen Partei" von Marx und Engels der Grundsatz gegolten: "Die Kommunisten verschmähen es, ihre Aufgaben und Absichten zu verheimlichen!". Erst offenes Auftreten ermögliche, antimonopolistische Einsichten zu vermitteln und voranzutreiben; dies sei unverzichtbar zur Bekämpfung des Antikommunismus. Ein Verbergen der kommunistischen Identität würde den antikommunistischen Verleumdungen gegenüber der DKP und demokratischen Bündnissen Nahrung geben. Die Bündnispartner der DKP seien von der Notwendigkeit zu überzeugen, punktuelle Bündnisse zu umfassenderen Bündnissen weiterzuführen. Dies sei ein gangbarer Weg zur Entwicklung einer antimonopolistischen Kräftekonzentration. Mögliche Bündnispartner sieht die DKP in "Sozialdemokraten, Gewerkschaftern, Grünen und Alternativen, Umweltschützern, Frauenbewegungen, Christen, sozialen Liberalen, Sozialisten, Ausländergruppen und Linkskräften". Bei ihrem "Kampf" um Bündnispartner nimmt sich die DKP allgemeiner Tagesthemen an und propagiert Forderungen, von denen sie annimmt, daß sie auch bei Nichtkommunisten auf Zustimmung stoßen. Demokratische "Bündnispartner" nehmen dabei häufig nicht wahr, daß "Bündnislosungen" wie "Für Frieden", "Für sozialen Fortschritt" für Kommunisten in einem anderen politischen Zusammenhang stehen als für sie selbst. 25 Im Rahmen der Bündnispolitik tritt die DKP häufig nicht unmittelbar als Initiator in Erscheinung, sondern bedient sich der von ihr beeinflußten Organisationen. Ein Beispiel dafür ist die enge Zusammenarbeit der DKP-Nebenorganisation MSB Spartakus mit dem Sozialistischen Hochschulbund (SHB). Der SHB, der in Bayern etwa 60 Mitglieder hat, betreibt eine Politik der "gewerkschaftlichen Orientierung", wobei er für ein langfristiges strategisches Bündnis mit den orthodoxen Kommunisten eintritt und die Errichtung der "antimonopolistischen Demokratie" als Öffnung des "Weges zum Sozialismus" anstrebt. Durch die Verwendung derselben Begriffe wird der Zusammenhang zur Politik der DKP deutlich. Das Bemühen um den Aufbau einer Aktionseinheit zwischen Kommunisten und Nichtkommunisten ist kein Phänomen, das auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist. Die Sowjetunion bedient sich dabei weltweit ihrer Einwirkungsorganisationen, die die Aufgabe haben, das allgemeine Bewußtsein in den westlichen Ländern zu beeinflussen, zu mobilisieren und schließlich im Sinne Moskaus zu verändern. Die zentrale Steuerung der kommunistischen Einwirkungsorganisationen liegt in den Händen einer eigens dafür zuständigen Sektion der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der KPdSU. Zu den kommunistischen Einwirkungsorganisationen zählen: -- Der Weltfriedensrat (WFR); Verbindungen bestehen zur WN-BdA, zum KFAZ und zur DFU -- die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR); Verbindungen bestehen zur WN-BdA -- der Weltbund Demokratischer Jugend (WBDJ); Verbindungen bestehen zur SDAJ, zum MSB Spartakus und zu den JP -- die Internationale Demokratische Frauenföderation (IDFF); Verbindungen bestehen zur DFI -- die Internationale Vereinigung Demokratischer Juristen (IVDJ); Verbindungen bestehen zur VDJ -- die Weltföderation der Wissenschaftler (WFW); Verbindungen bestehen zum BdWi. Im Vorfeld der kommunistischen Einwirkungsorganisationen ist eine Vielzahl von "internationalen" Komitees, Büros und Kommissionen tätig. Dadurch soll die zentrale Steuerung von Kampagnen durch die KPdSU verschleiert werden. Diese Verschleierung gelingt besonders, wenn bekannte demokratische Persönlichkeiten für Aktionen und Veranstaltungen gewonnen werden können. 2.2.4.1 Aktionseinheit Als "Kernstück" ihrer Bündnispolitik sieht die DKP die Herbeiführung der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse". Damit versucht sie, ein Zusammenwirken von "Arbeitern, Angestellten und Beamten, deutschen und ausländischen Kollegen, sozialdemokratischen und kommunistischen, christlichen und parteilosen Arbeitern" zu erreichen. 26 Bei ihrem Werben um Aktionseinheit kommt es der DKP insbesondere auf ein Zusammenwirken mit den Sozialdemokraten an. Im Parteiprogramm der DKP heißt es dazu: "Im Ringen um die Aktionseinheit mißt die DKP dem gemeinsamen Handeln von Kommunisten und Sozialdemokraten entscheidende Bedeutung bei. Sie repräsentieren die beiden Hauptströmungen der Arbeiterbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. Die DKP erstrebt ein vertrauensvolles, kameradschaftliches Verhältnis zu den Mitgliedern, Anhängern und Organisationen der Sozialdemokratie. Sie tritt, geleitet von den Interessen der Arbeiterklasse, für die Zusammenarbeit mit der SPD ein". Erneut hat die DKP die Aufhebung des sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlusses gefordert, mit dem die SPD am 14. November 1970 ihren Mitgliedern die Zusammenarbeit mit Kommunisten untersagt hat. Anlaß für den DKP-Vorstoß war die Erklärung des SPD-Parteivorstandes vom 31. Mai 1988, wonach der Beschluß über die Unvereinbarkeit einer gleichzeitigen Mitgliedschaft in der SPD und dem "Sozialistischen Deutschen Studentenbund" (SDS) aus dem Jahre 1961 für gegenstandslos erklärt wurde. Der DKP-Pressesprecher hat diese Erklärung sofort im Sinne der Anbiederungspolitik der DKP als neue "Integrationslinie des SPDParteivorstandes" bezeichnet; sie werfe die Frage auf, "ob der inzwischen von den Realitäten überholte Beschluß der SPD-Führung von 1970 aufgehoben wird, der ein Zusammenwirken mit Kommunisten als unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der SPD erklärt (Aktionseinheitsverbot)". Interessant seien nach Ansicht der DKP dabei die Aussagen eines SPD-Bundestagsabgeordneten zum Verhältnis von SPD und DKP in einem Interview mit dem DKP-Zentralorgan UZ vom 18. Mai. Die UZ hatte den SPD-Abgeordneten u.a. mit den Worten zitiert, das gemeinsame Papier von SED und SPD vom August 1987 "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit" habe das Gespräch zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten in eine geordnete Form gebracht. Nun dürfe man Berührungsängste auch in der Bundesrepublik Deutschland nicht so furchtbar ernst nehmen. Als positives Zeichen im Verhältnis zur SPD wertete die DKP auch die Aussage eines SPD-Präsidiumsmitgliedes, wonach die DKP "nicht grundsätzlich aus dem inneren Dialog in unserer Republik" ausgeklammert werden dürfe. Für die DKP sei dies nur eine logische Schlußfolgerung aus dem von Gliederungen der SPD und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) gemeinsam erarbeiteten Dokument. Auch den Parteitag der SPD in Münster vom 30. August bis 2. September nahm die DKP zum Anlaß, vermeintliche Gemeinsamkeiten von Kommunisten und Sozialdemokraten herauszustellen und für die "Aktionseinheit" zu werben. In einem Grußschreiben an die Delegierten des Parteitages betonte der DKP-Vorsitzende, zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten gebe es nicht wenige gemeinsame Auffassungen zu einer neuen Sicherheitspolitik und zur Vertretung von Arbeiterinteressen. In der "Friedensbewegung" und den "Arbeiterkämpfen" sei die Bereitschaft zum Dialog gewachsen. In einer Diskussion, die sich der kommunalpolitischen Bundeskonferenz der DKP am 2. Juli in Nürnberg anschloß, wurden kommunale Bündnisse der DKP mit Sozialdemokraten, Grünen und Bürgerinitiativen als Schlüssel zum Erfolg bezeichnet. Besondere Bedeutung mißt die DKP auch der Arbeit in Gewerkschaftsgremien auf allen Ebenen bei, weil sie in den Gewerkschaften die "breiteste und umfas27 sendste Klassenorganisation der Arbeiter, Angestellten und Beamten sieht. Sie betont für jeden Kommunisten sei es "selbstverständliche Pflicht", "ein aktiver Gewerkschafter zu sein und für die Verwirklichung der den Interessen der Arbeiterklasse dienenden Gewerkschaftsbeschlüsse zu kämpfen". Sie behalt sich damit allerdings vor, selbst zu entscheiden, welche Beschlüsse dies sind. Ihr Ziel ist, in Gewerkschaften Einfluß zu gewinnen und sie zu treuen "Bündnisorganisationen" zu machen. Sie setzt sich dafür ein, dem Antikommunismus in den Gewerkschaften keinen Raum zu geben und die "Grundsätze der Einheitsgewerkschaften strikt zu beachten". Nach Auffassung der DKP sollen die Einheitsgewerkschaften nicht "Stütze für ein brüchiger werdendes kapitalistisches System", sondern "Kraftzentrum zur Durchsetzung der Klasseninteressen der Arbeiter, Angestellten und Beamten" sein. Die DKP befolge getreu die Anweisung Lenins an die Kommunisten, in die Gewerkschaften einzutreten, in ihnen zu bleiben und in ihnen um jeden Preis kommunistische Arbeit zu leisten. Engagement in Gewerkschaften ist für die DKP damit Mittel zum Zweck. Nach Darstellung der Partei sind fast 75 % der DKP-Mitglieder gewerkschaftlich organisiert, nahezu ein Fünftel davon hat gewerkschaftliche Funktionen. Das Anfang Dezember tagende gewerkschaftspolitische Forum beim Parteivorstand der DKP befaßte sich mit Zukunftsaufgaben der Gewerkschaften. Dabei wurde behauptet, es gebe in den Gewerkschaften sehr wohl bereits Ansätze, "gewerkschaftliche Abwehrreaktionen mit konzeptionellen Strategien zu verbinden". Die Gewerkschaften hätten "ein neues Selbstverständnis gewonnen und sich politisiert". Gewerkschaftlicher Kampf werde "mit betrieblicher Verankerung und breiter politischer Bewegung verbunden". Auch gebe es eine "neue Militanz", wie sie sich bei Betriebsbesetzungen und anderen Aktionen zeige. Ein Beispiel für die Bemühungen der DKP, Aktionseinheit mit den Gewerkschaften zu demonstrieren, sind die jährlich stattfindenden 1. Mai-Feiern des DGB. Unter der Losung "Frieden für unser Land - Arbeit für alle - Solidarisch kämpfen" rief die DKP ihre Mitglieder sowie "alle Kolleginnen und Kollegen" auf, an den gewerkschaftlichen Demonstrationen und Kundgebungen teilzunehmen und hierbei für "Frieden und Abrüstung, gegen Sozialabbau und Massenarbeitslosigkeit" zu demonstrieren. Dieser "Kampftag der Arbeiterklasse" stehe auch im Zeichen vieler Solidaritätsbekundungen für die Völker, "die um ihre Befreiung und Unabhängigkeit kämpfen", so z.B. in Nicaragua, Honduras, Südafrika und im Nahen Osten. Der DKP-Vorsitzende Herbert Mies und seine Stellvertreterin Ellen Weber "dokumentierten ihre Verbundenheit mit den Zielen der Arbeiterbewegung" durch ihre Teilnahme am DGB-Demonstrationszug in Düsseldorf. Bundesweit mobilisierte die DKP ihre Anhänger zur "Aktionswoche" des DGB und seiner Einzelgewerkschaften, die vom 15. bis 22. Oktober 1988 unter dem Thema "Arbeit für alle - Gerechtigkeit für jeden - gemeinsam handeln" stattfand. In einem Aufruf des Parteipräsidiums wurde an alle Genossinnen und Genossen, an alle Vorstände und Arbeitskreise der DKP appelliert, mit eigenen und gemeinsamen Aktionen gegen die "geplante Verschärfung des Paragraphen 218, die geplanten Steuererhöhungen, die Einführung eines Dienstlei28 stungsabends, die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes, die Leistungskürzungen bei der Gesundheitsreform und die Zerschlagung der Post" zu protestieren. Die "Rettung der Stahlstandorte" sah die DKP wie im Vorjahr als weiteren Schwerpunkt ihrer bündnispolitischen Bestrebungen an. So unterstützte sie die Aktionen der Belegschaft des Stahlwerkes Rheinhausen gegen die geplante Stillegung, um sich als "antimonopolistische Kraft" und als Arbeiterpartei zu profilieren und zugleich Aktionseinheit mit Sozialdemokraten und Gewerkschaften demonstrieren zu können. Nach dem endgültigen Beschluß, das Rheinhausener Werk zu schließen, veranstaltete die DKP am 14. Mai in Rheinhause'n ein bundesweites Forum unter der Losung "Rheinhausen ist überall - 29 aus den Kämpfen lernen". Daran beteiligten sich nach Angaben der kommunistischen Presse mehrere hundert Parteimitglieder und "Bündniskräfte". Funktionäre der DKP hoben in ihren Reden hervor, daß die Proteste antimonopolistisches Bewußtsein geschaffen hätten. Die Partei habe in Rheinhausen mehr geleistet als andere Parteien und sich damit einen guten Namen gemacht. An den Aktionen in Rheinhausen beteiligten sich auch Angehörige der DKP aus Bayern; u.a. überreichten Mitglieder der DKP-Betriebsgruppen aus Nürnberg am 6. Februar dem Betriebsrat in Rheinhausen eine Spende von DM 1.300, gesammelt in Nürnberger Betrieben. In Bayern versuchte die DKP, durch Aktionen für den Erhalt der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg und gegen den Abbau von Arbeitsplätzen bei einem Unternehmen der Elektroindustrie in Nürnberg neue Bündnispartner zu gewinnen. Eingehend auf die "Arbeitskämpfe" in Nordbayern äußerte Herbert Stiefvater auf der Bezirksdelegiertenkonferenz am 22723. Oktober in Nürnberg, die DKP habe in den Arbeiterkämpfen der Region ihre Rolle als marxistische Arbeiterpartei wahrgenommen und dafür Anerkennung gefunden. Dies hätten der Stimmenzuwachs für DKP-Mitglieder bei den Betriebsratswahlen und die Entwicklung der Aktionseinheit mit sozialdemokratischen Genossen gezeigt. Diese Einschätzung - so die UZ - sei durch die Vielzahl offizieller Gäste aus Gewerkschaften und Betrieben bestätigt worden. In deren Grußansprachen sowie in zahlreichen Grußschreiben von Gewerkschaften sei die positive Rolle der DKP in den betrieblichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen unterstrichen worden. 2.2.4.2 "Breites antimonopolistisches Bündnis" Neben der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" hat für die DKP nach wie vor das "breite antimonopolistische Bündnis" große Bedeutung. Sie verwendet diesen Begriff inzwischen anstelle der Bezeichnung "Volksfrontpolitik", die auf Beschlüsse des 7. Kongresses der KOMINTERN im Sommer 1935 in Moskau zurückgeht. In der Sache besteht kein Unterschied. Bei ihren Bemühungen, ein derartiges Bündnis zu bilden, wendet sich die DKP an Intellektuelle sowie an bürgerliche Kreise bis hin zu mittleren Unternehmen. Sie will diese Personenkreise in Bündnisse gegen das "Monopolkapital" einbeziehen, seien sie auch "sachlich und zeitlich noch so begrenzt". Daher arbeite sie "aktiv in demokratischen Bewegungen, Bürgerinitiativen und Bündnissen mit". Im Rahmen der Politik des "breiten antimonopolistischen Bündnisses" führt die Partei vor allem mit Hilfe der von ihr beeinflußten Organisationen Kampagnen durch und greift Forderungen auf, die auch von demokratischen Gruppen vertreten werden. Dabei versucht die DKP jedoch, propagandistisch einen Bezug zwischen diesen tagespolitisch bestimmten, aktuellen Forderungen und ihren langfristigen kommunistischen Zielsetzungen herzustellen. Es gilt das bündnispolitische Konzept: "Gemeinsames betonen - Trennendes zurückhalten". Mit dieser "Minimalkonsensstrategie" kann die DKP zwar ihrerseits z.B. bei Aktionen der "Friedensbewegung" nur einen Teil ihrer Forderungen propagieren. Andererseits kann sie damit jedoch verhindern, daß nichtkommunistische Gruppen der "Friedensbewegung" Positionen artikulieren, die mit den Zielen der DKP nicht übereinstimmen. 30 Entsprechend dieser Maxime nahmen die DKP und ihre Vorfeldorganisationen auch 1988 maßgeblichen Einfluß auf die "Ostermärsche". In einem Artikel in der UZ vertrat die stellvertretende Vorsitzende der Partei die Meinung, die "Ostermärsche" hätten gezeigt, daß mit der "Sensibilität und Wachsamkeit der am Frieden orientierten demokratischen Öffentlichkeit" weiter gerechnet werden müsse. Besonders intensiv seien die Brennpunkte der "sozialen Kämpfe" mit den Brennpunkten der "militärischen Bedrohungen" verbunden worden. Wer diese Aktionen miterlebt habe, habe sehen können, daß sich immer wieder "neue Mitstreiter" aus den unterschiedlichsten politischen Organisationen, aus den Gewerkschaften, den christlichen Kirchen, Schulen und Betrieben den "Ostermärschen" angeschlossen hätten. Auch in die Protestaktionen der "Anti-AKW-Bewegung" schaltete sich die DKP ein. Ihre Mitglieder beteiligten sich in großer Zahl an den zentralen Demonstrationen und Kundgebungen der "Anti-AKW-Bewegung" am 5. März in Gorleben, Frankfurt a.M., Essen und Regensburg. In Regensburg gehörte der örtliche DKP-Kreisvorsitzende zu den Organisatoren der Protestaktion. DKPMitglieder verteilten vor Beginn einer Demonstration, die aus Anlaß der Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Ohu II am 15. Januar in Landshut durchgeführt wurde, eine Extra-Ausgabe der DKP-Zeitung "Report Neues München", die u.a. Beiträge zum "Atommüll-Skandal" enthielt. Außerdem zeigten sie Sandwichplakate mit Aufschriften wie "Atombombe: Heute Nukem - morgen WAA! Stoppt die Atom-Mafia - DKP". Am 12. Mai berieten in Bonn Vertreter der DKP-Parteiführung, "Umweltexperten" aus den Bezirksorganisationen der Partei und Wissenschaftler über politische und technologische Fragen eines Ausstiegs aus der Kernenergie. Dabei soll es - so die UZ - zu einem teilweise kontroversen Meinungsaustausch gekommen sein. Übereinstimmung sei jedoch darin erzielt worden, daß ein weltweiter Ausstieg aus der Kernenergie zwar nötig, wegen des Systemwettbewerbs zwischen Sozialismus und Kapitalismus jedoch nicht überall sofort möglich sei. Dies gelte jedoch nicht für die Bundesrepublik Deutschland; hier sei ein sofortiger Ausstieg nötig und möglich. Auch mit der Beteiligung an den Protestaktionen gegen die Errichtung der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) versuchte die DKP, ihre politischen Vorstellungen zu popularisieren und ihre "Bündnisfähigkeit" unter Beweis zu stellen. In mehreren Ausgaben der UZ forderte die DKP-Nordund Südbayern ihre Mitglieder und Sympathisanten dazu auf, sich am "Großaktionstag" gegen die WAW in Wackersdorf am 15. Oktober zu beteiligen. Nach Bekanntwerden des Störfalls im Atomkraftwerk Biblis verlangte der DKPVorsitzende in einem Schreiben an den Deutschen Bundestag die Einsetzung eine unabhängigen Untersuchungskommission. Die Behauptung von dem besonders hohen Sicherheitsstandard der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland sei offenbar "eine Lüge". In Biblis sei ein GAU mit katastrophalen Auswirkungen möglich gewesen. Die DKP fordere deshalb den sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie "in der BRD". Nach wie vor betrieb die DKP auch die Kampagne gegen die "Berufsverbote". Nach einer Meldung in der "Volkszeitung" vom 22. Januar bezeichnete die stellvertretende DKP-Vorsitzende anläßlich einer "Aktionskonferenz", die 31 Weiter abrüsten. 1 Rüstungswirtschaft umbauen. # 32 der orthodox-kommunistisch beeinflußte Arbeitsausschuß der bundesweiten Initiative "Weg mit den Berufsverboten" am 16. Januar in Frankfurt a.M. durchführte, die "Berufsverbote" als "Relikte des Kalten Krieges". Auf die Frage, warum Kommunisten deswegen nicht vor das Bundesverfassungsgericht gingen, erklärte sie, daß man "auf die Gerichte... nicht mehr vertrauen" könne. Auch das Bundesverfassungsgericht verdiene "kein höheres Vertrauen". Die DKP habe deshalb beschlossen, mit den "Berufsverbotsfällen" zur Zeit nicht vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, weil sie damit rechnen müsse, daß es bei der derzeitigen politischen Wetterlage "geradezu eine Herausforderung" für das Gericht sein könne, zu sagen "bis hierhin und nicht weiter". Dies würde es aber unmöglich machen, weitere politische Erfolge im Kampf gegen die "Berufsverbote" zu erringen. Die DKP und die von ihr beeinflußten Organisationen Deutsche Friedens-Union (DFU), "Friedensliste" und Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. (VDJ) gehörten neben nichtextremistischen Organisationen zum Trägerkreis des Kongresses "Freiheit stirbt mit Sicherheit", der am 9./10. Dezember in Köln stattfand. Etwa 250 Teilnehmer diskutierten "Strategien der Gegenwehr" gegen die "Sicherheitsgesetze". In einem "Manifest 1988 der bundesdeutschen Bürgerinnen-Rechtsbewegung" forderten sie u.a., die "Anti-Terror-Gesetze" aus den 70er Jahren aufzuheben und die Verfassungsschutzämter abzuschaffen. Der Kongreß beschloß, bundesweit Unterschriften gegen die geplanten Sicherheitsgesetze zu sammeln. Unter dem Motto "Unsere Zukunft - Frieden und Arbeit" führte die DKP zum "Internationalen Frauentag" (8. März) in zahlreichen Städten im Bundesgebiet INTERNATIONALER FRAUENTAG Frauen Mir in der DDR - Ein Gesprächsabend mit Brigitte Heinrichs und Margitta Lambert aus der DDR Freitag, 4.3.88 - 19.30 Uhr Bayreuth, Gaststätte DKP Die Arbeiterpartei 33 Diskussionsveranstaltung Frauen in der DD i * : emanzipiert Gesprächspartnerin: Erika Semmler, Vorsitzende der Frauenkommission der SED in Gera, DDR 34 Der rg te Besen FrauenRundschau der DKP [Nummer 3 Südbayern März88 Kundgebungen, Diskussionsrunden und "Frauenfeste" durch. Frauen aus der DKP beteiligten sich auch an den in vielen Städten stattfindenden Aktionswochen von Frauenbündnissen. In einer "Frauen-Aktions-Woche" vom 5. bis 11. März veranstalteten die DKP-GrUndorganisationen weitere Solidaritätsaktionen für die Beibehaltung der vorhandenen Ladenschlußregelung und gegen das geplante Beratungsgesetz zu SS218 StGB. Im bayerischen Raum wurden allein 22 von der DKP organisierte Aktionen bekannt, die vor allem in den Großstädten eine rege Beteiligung aufwiesen, 2.2.5 Publikationen, Verlage und sonstige Propagandaträger Die wichtigste Publikation der DKP ist ihr Zentralorgan "Unsere Zeit - Die Zeitung der arbeitenden Menschen - Zeitung der DKP" (UZ). Ihre Auflagenhöhe ging im Jahr 1988 auf etwa 21.000 Exemplare (1987: 22.000) an Werktagen zurück. Die Wochenendausgabe am Freitag erschien nur noch mit einer Auflage von etwa 39.000 (1987: 46.000) Stück. Die orthodoxen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland verfügen seit Jahren über einen großen Propagandaapparat mit einem Netz von Verlagen und beachtlicher drucktechnischer Kapazität. Die "Plambeck & Co. Druck und Verlag GmbH" in Neuss hat bisher das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) und die meisten anderen Publikationen der DKP und ihrer beeinflußten Organisationen verlegt. Zum Jahresbeginn 1988 hat die "WG-Verlagsund Vertriebsgesellschaft mbH" die Betreuung sowie die Abonnentenverwaltung der Zeitungen und Zeitschriften des Plambeck Verlages übernommen. Die " W G " ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Plambeck Verlages und hat ihren Firmensitz ebenfalls in Neuss. Dieser Verlag gibt neben der UZ und den "Marxistischen Blättern" - dem theoretischen Organ der DKP - die wichtigsten kommunistischen Jugendzeitschriften; nämlich "elan", "rote blätter", "Jugendpolitische Blätter" und "pionier" heraus. Bereits im Jahre 1987 hatten sich der "Pahl-Rugenstein Verlag", die "Weltkreis-Verlags GmbH" und die "Röderberg Verlag GmbH" zum "Pahl-Rugenstein Verlag" mit Sitz in Köln zusammengeschlossen. Das neue Unternehmen setzt die eingeführten Programme aller drei Verlage fort, u.a. die Zeitschriften "Blätter für deutsche und internationale Politik", "Demokratische Erziehung", "demokratisches Gesundheitswesen" und "Demokratie und Recht". Vom "Damnitz-Verlag", der bis zum Jahresende 1987 eine Abteilung der "Plam35 beck & Co. Druck und Verlag GmbH" war, hat der "Pahl-Rugenstein Verlag" ab Januar 1988 die Herausgabe der Vierteljahreszeitschrift "tendenzen, - Zeitschrift für engagierte Kunst" übernommen. Die DKP-gesteuerten Verlage Plambeck und Pahl-Rugenstein bilden seit nunmehr zwei Jahren das Zentrum des orthodox-kommunistisch beeinflußten Verlagsnetzes. Daneben existiert weiterhin die "Brücken-Verlag GmbH - Literaturvertrieb - ImportExport", die ein umfangreiches Büchersortiment aus der UdSSR, der DDR und anderen sozialistischen Staaten bereithält. Bisher wurde diese "fortschrittliche Literatur" über der Firma angeschlossene sog. "collektiv"-Buchhandlungen vertrieben, die im ganzen Bundesgebiet angesiedelt waren. Zum 1. April hat der Brücken-Verlag seine 29 "collektiv"-Buchhandlungen an die "Akzent-Handelsgesellschaft mbH & Co. KG" mit Sitz in Düsseldorf verkauft. Mit dieser Entscheidung wollte der Brücken-Verlag die Weichen zugunsten eines verstärkten Ausbaus des Importgeschäfts stellen. Die bisher in Bayern ansässigen "collectiv"-Buchhandlungen in München und Nürnberg wurden in "Akzent Buchhandlung Libresso" umbenannt, führen aber das gleiche Sortiment weiter. Die DKP stützt sich ferner auf die "Nachrichten-Verlags GmbH" mit ihren gewerkschaftsbezogenen Publikationen, wie den "Nachrichten zur Wirtschaftsund Sozialpolitik", und auf den Musikverlag "plane GmbH", dessen Geschäftsführung seit Jahren von Kommunisten bestimmt wird. Für ihre Kulturarbeit bedient sich die DKP auch der Firma "UNIDOC Film GmbH", mit deren Filmen und Videos "aktuelle Bedürfnisse der Friedensinitiativen und der Genossen in der Partei und in der SDAJ abgedeckt" werden sollen. Weiterhin hat der Parteivorstand der DKP alle zwei Monate die Zeitschrift "Praxis - Erfahrungen aus dem Leben und der Arbeit der Partei" veröffentlicht. Das "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF), wissenschaftliches Institut der DKP, gab auch 1988 Veröffentlichungen, Berichte und Analy36 r - REPORT L , Herausgeber: Bezirksvorstände der DKP Südbayern und Nordbayern Verantwortlich i.S.d.p.: Ktaus Brütting, Germersheimer Str. 30, 8 München 90 - E.i.S. ! J sen heraus. So wurde im Jahrbuch 14 des IMSF das Thema "Die Französische Revolution 1789 bis 1989 - Revolutionstheorie heute" behandelt. Ebenfalls durch Publikationen und Veranstaltungen möchte die "Marx-Engels-Stiftung e.V." in Wuppertal Kenntnisse über die heutige Wirksamkeit der Ideen von Karl Marx und Friedrich Engels vermitteln. Der 1979 von DKP-Funktionären gegründeten Stiftung kommt eine propagandistische Steuerungsfunktion innerhalb der DKP zu. Im Mai 1988 wurde zu diesem Zweck in Trier ein Bildungsund Informationszentrum der "Marx-Engels-Stiftung" eröffnet. Die Forderungen und Vorschläge der DKP zu aktuellen Themen wurden in zahlreichen Buchveröffentlichungen der orthodox-kommunistisch beeinflußten Verlage dargestellt. Schwerpunkte bildeten wiederum die Themen "Glasnost" und "Perestrojka", die weltweite "atomare Abrüstung", die "Dritte-Welt-Politik" und die "Einflußnahme" des Westens auf die Länder Mittelamerikas. Daneben erschienen 1988 auf Bundesebene u.a. die DKP-Broschüren "Weg mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz", "Kampf um Rheinhausen", "Kommunalpolitik der DKPArbeiterpolitik im Wohngebiet", "SozialhilfeIhr gutes Recht" und "DKP von A - Z". Im Bereich der DKP-Bezirksorganisation Südbayern gab die Partei in der Reihe "Frauen in der DKP" die beiden Hefte "Wir Frauen sind kein schwach Geschlecht" und "Weg mit dem Beratungsgesetz zum SS218 StGB" heraus. Im Rahmen ihrer "Abrüstungskampagne" veröffentlichte die DKP-Südbayern die Berichte "Ohne Rüstung - Alternativen zur Rüstungsproduktion" und "Neues Denken für München - von der Waffenschmiede zum Friedenszentrum". Große Bedeutung mißt die DKP nach wie vor ihren Kleinzeitungen bei, die in erster Linie lokale politische Themen behandeln. Im Jahr 1988 erschienen 54 verschiedene Kreis-, Orts-, Stadtteilund Wohngebietszeitungen (1987: ca. 50), wobei etwa die Hälfte nicht regelmäßig herausgegeben wird. Um den jeweiligen DKP-Grundorganisationen eine Hilfe zur Gestaltung der Kleinzeitungen zu geben, hat der DKP-Parteivorstand monatlich die Broschüre "InfoDienst" an die Grundorganisationen verteilt. Im Bereich der DKP-Bezirksorganisationen Nordund Südbayern sind 1988 14 Kleinzeitungen neu erschienen, so z.B. "Das Nürnberger Blatt der DKP", eine Jugendzeitschrift der DKP-Kreisorganisation Nürnberg. 37 DKP-Kleinzeitungen herent und dr Wn&Mhi vom mnsbnxlt^r Ring Zeitung der DKP-Wohngetiietsgruppe Glestng/Au/Harlaching jt Stadtteüzeitung für Ramersdort /Berg am Laim Fürthers: Kleeblatt Zeitung der DKP für Fürth Nr.2 Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei für Augsburg 2.2.6 Schulung Die DKP betrachtet es als erstrangige ideologische und politische Aufgabe, "den Arbeitern und anderen Werktätigen Einsichten in die eigene Klassenlage und den unversöhnlichen Gegensatz zwischen ihren Klasseninteressen und den Machtund Profitinteressen des Großkapitals zu vermitteln und klassenmäßige Erkenntnisse zu vertiefen". Jedes Mitglied der DKP müsse sich bemühen, die "Theorie von Marx, Engels und Lenin zu studieren". Die "ideologische Arbeit" soll das DKP-Mitglied befähigen, "offensiv und überzeugend" die "Weltanschauung und Politik" der Partei zu verbreiten. Diesen Zielen sowie der Verwirklichung des Selbstverständnisses der kommunistischen Partei als einer "Gemeinschaft von Gleichgesinnten" dient die Intensivschulung der DKP-Mitglieder. Diese umfaßt Schulungsabende in den Parteigruppen, Kurse der Marxistischen Abendschulen (MASCH) und der Marxistischen Betriebsarbeiterschulen. Außerdem bietet die DKP ihren Mitgliedern Grundund Spezialkurse zu Themen wie Bündnispolitik oder Ökologieund Umweltpolitik der DKP an der von ihr betriebenen Karl-Liebknecht-Schule in Leverkusen an. 38 Bei der Ausbildung ihrer Kader wird die DKP aktiv von der KPdSU und der SED unterstützt. So unterhält die SED zur Ausbildung von DKP-Funktionären der mittleren Parteiebene (Kreisund Bezirksvorstände) in Berlin-(Ost)-Biesdorf die SED-Parteischule "Franz Mehring". An dieser Schule finden ständig Lehrgänge, die sich über mehrere Monate erstrecken, statt. Bisher wurden dort mehr als 4.000 DKP-Funktionäre für die Parteiarbeit in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildet. Verläßliche, mit höheren Parteiämtern versehene oder dafür vorgesehene Funktionäre entsendet die DKP zu Jahreskursen und dreimonatigen "Auffrischungskursen" an das "Institut für Gesellschaftswissenschaften" beim ZK der KPdSU in Moskau. Dort sind bisher mehr als 500 DKPFunktionäre geschult worden. Die Marxistische Arbeiterbildung - Vereinigung zur Verbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus (MAB), "Dachvereinigung verschiedener selbständiger marxistischer Bildungsorganisationen von sehr unterschiedlicher Strukturund Organisationsform", betreibt insbesondere mit Unterstützung der DKPKreisorganisationen die "Marxistischen Abendbzw. Arbeiterschulen" (MASCH). Ihre Kurse, die auch Nicht-Parteimitgliedern offenstehen, arbeiten auf der Grundlage einer von der MAB herausgegebenen Seminarplansammlung und umfassen das Studium der marxistischen politischen Ökonomie und des "Wissenschaftlichen Sozialismus", der Grundlage der gesamten marxistisch-leninistischen Doktrin. In der MAB waren 1988 bundesweit knapp 30 örtliche MAB-Gemeinschaften tätig. Die im Oktober 1987 gegründete "Marxistische Bildungsgemeinschaft Oskar Maria Graf e.V.", München, die die fast 20jährige Tätigkeit der Münchner Marxistischen Arbeiterbildung fortsetzt, trat 1988 mit einer Reihe von Vorträgen zu Themen wie "Für neues Denken und eine neue Politik im High-tech-Zentrum München" und "Parteikonferenz der KPdSU in Moskau" an die Öffentlichkeit. An den Veranstaltungen nahmen durchschnittlich 30 Personen teil. Mitglieder, die in Betrieben und Gewerkschaften wichtige Funktionen ausüben und erlangen sollen, werden in den Marxistischen Betriebsarbeiterschulen der DKP intensiv geschult. Diese Lehrgänge haben das Ziel, eine gründliche und systematische Einführung in die wichtigsten Bereiche des Marxismus-Leninismus zu geben. Neben der theoretischen Schulung wurden Betriebsarbeitern auch Themen der Philosophie, der politischen Ökonomie und des Imperialismus nahegebracht. Als gesellschaftsund sozialwissenschaftliches Institut der DKP ist das 1968 gegründete "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF) in Frankfurt a. M. anzusehen. Das IMSF hat die Aufgabe, die Theorie und Methode des "Wissenschaftlichen Sozialismus auf ökonomische und soziale Prozesse des heutigen Kapitalismus" anzuwenden. Dem IMSF wurde im März 1987 eine neue Abteilung mit der Bezeichnung "Zentrum für Marxistische Friedensforschung" (ZMF) angegliedert. Das ZMF will insbesondere die "politische Friedensdiskussion" des Inund Auslandes durch "wissenschaftliche Informationen" anregen. Kernstück der Parteibildung bleiben jedoch nach wie vor die Bildungsveranstaltungen der Grundorganisationen für alle DKP-Mitglieder. Zur Unterstüt39 DKP-Betriebszeitungen DKP-Betriebszeitung fürdns Nürnberger Klinikum Schritt, macher DKP ZEITUNG - VON KOLLEGEN FDK KOLLEGEN DER STADTVERWALTUNG DKP der ^ Dezember 8 8 A aufklärer ES Kommune Zeiting tiidie Artieiter Angestellten und Beamten der Stadt München Bilanzanalyse ES & EXTRA-AUSGABE DER BETRIEBSZEITUNGEN DER DKP 40 zung dient die Publikation "Bildungs-Magazin", eine vom Parteivorstand für die "Bildungsjahre" 1986/87 und 1987/88 herausgebrachte Informationsbroschüre. 2.2.7 Betriebsarbeit der DKP Die DKP sieht ihre Betriebsarbeit als den "Motor des Klassenkampfes" an. Der Betrieb ist für sie als "Ort des alltäglichen Klassenkampfes", des -wie Marx sagte - elementaren "Guerillakrieges zwischen Kapital und Arbeit" das "wichtigste Kampffeld". Hier sieht die DKP "die besten Möglichkeiten, den Arbeitern die Unversöhnlichkeit ihrer Klasseninteressen mit denen der Bourgeoisie bewußt zu machen". Die DKP handelt dabei getreu der Devise Lenins: "Die Agitation unter den Arbeitern besteht darin, an allen spontanen Kampfaktionen der Arbeiterklasse, an allen Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Kapitalisten, wegen Arbeitszeit, Arbeitslohn, Arbeitsbedingungen teilzunehmen". Als Hauptadressatin ihrer Betriebsarbeit sieht die DKP die "Arbeiterklasse" in den Großbetrieben. Aktuelle Schwerpunkte der DKP-Betriebsarbeit sind die Branchen der Stahlund Werftindustrie sowie des Bergbaues und die großen metallverarbeitenden Werke der Automobilindustrie. Im Hinblick auf die sich ändernden Strukturen, insbesondere in den Hochtechnologiebereichen der Industrie und auf dem weiten Feld der Dienstleistungen sei - so die DKP - jedoch auch neues Denken und Handeln gefordert, da hier qualifizierte Facharbeiter, 41 ^ ^ "* ^ ^ infodiensl Nr. 104/Oktober 1988 intodienst Angestellte und "Intelligenz" anzusprechen seien. In Umsetzung dieser Politik mißt die DKP der Bildung von Betriebsgruppen einen besonderen Stellenwert zu. Deren wesentliche Aufgabe besteht darin, DKP-Mitglieder in Betriebsräten und gewerkschaftlichen Vertrauenskörpern zu unterstützen und in Betriebsund Gewerkschaftsversammlungen "den Standpunkt der Arbeiterklasse überzeugend" zu vertreten. Trotz dieser Bemühungen hat die DKP ihr Ziel, in allen Großbetrieben mit mehr als 1.000 Beschäftigten eine Betriebsgruppe oder ein Betriebsaktiv zu schaffen, nicht erreicht. Die Zahl der in Bayern bekanntgewordenen Betriebsgruppen erhöhte sich auf 39 (1987:36); die Anzahl der Betriebsaktivs betrug 20. Die Betriebsaktivs sind Vorläufer der Betriebsgruppen. Ihre Aufgabe ist es, in dem betreffenden Betrieb die Voraussetzung für die Bildung einer Betriebsgruppe zu schaffen. In sie werden Mitglieder aus Wohngebietsund Hochschulgruppen zeitweilig delegiert, die den "Genossen des Betriebs alle Hilfe und Unterstützung zu geben" haben. Als weiteres Hilfsmittel für ihre betrieblichen Unterwanderungsbestrebungen dienen der DKP ihre Betriebszeitungen. Die Zahl der in Bayern bekanntgewordenen Betriebszeitungen erhöhte sich auf 37 (1987: 30). Die DKP betrachtet die Betriebszeitungen als eine der "schärfsten Waffen der politischen, ideologischen und ökonomischen Aufklärungsarbeit", als eine "besondere Form der Betriebsagitation". Da die DKP in den Betriebszeitungen auch eine wichtige Form der Öffentlichkeitsarbeit sieht, strebt sie an, daß jede Betriebsgruppe und jedes Betriebsaktiv eine eigene Betriebszeitung herausgibt. 2.2.8 DKP-Hochschulgruppen Die DKP-Hochschulgruppen sind Grundeinheiten der DKP, denen alle an einer Hochschule tätigen DKP-Mitglieder (Lehrpersonal, Mitarbeiter der Verwaltung und Studenten) angehören sollen. Die Zahl der Mitglieder ist in Bayern unter 60 gesunken. Ihre Aufgabe ist es, im Bildungsbereich die Voraussetzungen für einen etappenweisen Übergang von der parlamentarischen Demokratie zum Sozialismus kommunistischer Prägung zu schaffen. Die DKP-Hochschulgruppen steuerten auch 1988 wieder die Aktionen des MSB Spartakus. Sie arbeiteten ferner mit anderen linksextremen Studentenorganisationen zusammen, die für "Mitbestimmung und Demokratisierung" der Hochschulen eintreten. DKPHochschulgruppen bestehen in Augsburg, Bamberg, Erlangen-Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Ihre Publikationen erscheinen unter Titeln wie "DKP-Aktuell", "Rundschlag", "audimarx", "Krokodil", "Uni Prawda" und "steter Tropf". 42 2.3 Nebenorganisationen der DKP Die DKP wurde auch 1988 in ihren politischen Aktivitäten in weiten Bereichen durch ihre Nebenorganisationen unterstützt. Diese sind zwar organisatorisch selbständige Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Führungsgremien, ordnen sich aber politisch der DKP unter und bekennen sich wie diese zum Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung. Maßgebende Funktionen nehmen DKP-Mitglieder wahr. Solche Nebenorganisationen sind wie bisher die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), der Marxistische Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) und die Jungen Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP). 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die SDAJ wurde 1968 in Essen gegründet. Sie hat bundesweit nur noch rund 6.500 Mitglieder (1987:15.000). In Bayern gingen die Mitgliederzahlen auf etwa 600 zurück (1987: 1.150). Die Festivalkampagne zur Mitgliederwerbung vom September 1987 bis Juni 1988 brachte keinen Erfolg. Die Hauptursache für den starken Mitgliederrückgang bei der SDAJ dürfte in der Politik des Generalsekretärs der KPdSU und der dadurch eingetretenen Desillusionierung zu suchen sein. Viele junge orthodoxe Kommunisten zeigten sich außerdem über die weitgehende "Gängelei" der SDAJ durch die DKP-Parteispitze enttäuscht. Vielfach wird eine Beschlußfassung durch die Basis gefordert, wie sie bei den "Grünen" praktiziert werde. Trotz des massiven Mitgliederschwunds, der auf Bundesebene mehr als die Hälfte der Mitglieder kostete, ist die SDAJ, deren Mitglieder zum Teil gleichzeitig der DKP oder von der DKP beeinflußten Organisationen angehören, noch die stärkste Nebenorganisation und zugleich Kaderreserve der DKP. Mit dieser kämpft sie gemeinsam für eine "sozialistische Ordnung" in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Vorbild der DDR. Nach ihrem "Aktionsprogramm für die Grundrechte der Jugend" will die SDAJ die "sozialistische Bundesrepublik" im "entschiedenen Klassenkampf" erreichen. Sie bekennt sich zu einem Sozialismus nach den Ideen von Marx, Engels und Lenin und will die revolutionären Traditionen der Arbeiterjugendbewegung fortsetzen. Auch heute gebe es nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Möglichkeit, Massen von Jugendlichen zu jungen Revolutionären zu erziehen. Die SDAJ ist eine der aktivsten Mitgliedsorganisationen des prosowjetischen Weltbundes der Demokratischen Jugend (WBDJ) und pflegt vor allem mit der SED-Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) und der sowjetischen Jugendorganisation Komsomol "freundschaftliche Verbundenheit". Am 10./11. Dezember fand in Dortmund ein bundesweiter "Workshop Erneuerung" der SDAJ statt. Unter den rund 350 Teilnehmern, die über die Entwicklung des Verbandes und seiner Politik kontrovers diskutierten, befanden sich auch etwa 50 Personen aus Bayern. Die SDAJ-Bundesvorsitzende betonte als Wortführerin der "Reformisten", in der SDAJ dürfe es eine Einheit im Denken nicht geben, wohl aber sei eine Einheit im Handeln nötig, um die gekämpft werden müsse. Nach Berichten in der UZ war das Treffen von heftigen Debatten über das Selbstverständnis der SDAJ gekennzeichnet. So habe ein Teil der 43 SDAJ-Mitglieder für einen revolutionären Jugendverband plädiert, der über dem Kampf für Reformen die grundsätzliche Kritik am Kapitalismus nicht vergesse. Andere hätten sich für eine "radikaldemokratische" Organisation ausgesprochen. Einige hätten sich gegen die Konzeption eines kommunistischen Jugendverbandes gewandt, dessen Hauptaufgabe es sei, der DKP Mitglieder zuzuführen. Die Teilnehmer empfahlen dem Bundesvorstand, umgehend den nächsten SDAJ-Bundeskongreß einzuberufen. Die organisatorische Struktur der SDAJ blieb 1988 unverändert. Bundesvorsitzende der SDAJ ist nach wie vor Birgit Radow, ihr Stellvertreter Hans Georg Eberhard. Dem Bundesvorstand gehören 6 SDAJ-Funktionäre aus Bayern an. Es bestehen Landesverbände, die ihrerseits in Kreisverbände und Ortsgruppen unterteilt sind. In Bayern gibt es in Anlehnung an die Organisation der DKP die Landesverbände Franken/Oberpfalz und Südbayern. Sprachrohr der SDAJ ist "elan - das Jugendmagazin". Es erscheint monatlich in einer Auflage 44 * *:<-?:; von 14.000 Exemplaren (1987: 19.000). In Bayern wurden 1988 17 Kleinzeitungen der SDAJ bekannt, davon 2 Betriebszeitungen (1987: 17 Kleinzeitungen, davon 4 Betriebszeitungen). Die zentrale Ausbildungsstätte der SDAJ, die auch von der DKP und den Jungen Pionieren genutzt wird, befindet sich auf Gut Wahrberg in Aurach, Landkreis Ansbach. 1988 fanden dort zahlreiche Lehrgänge für SDAJ-Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter statt, sowie Veranstaltungen mit Themen wie "Einführung in die Politik der SDAJ", "Dritte Welt und unsere Solidarität", "Antifaschistische Arbeit", "Ökologie und globale Probleme" und "Marxistische Philosophie - neues politisches Denken". Das alljährlich auf Gut Wahrberg durchgeführte "Victor-Jara-Treffen" wurde 1988 durch eine Kulturkonferenz ersetzt. Die geringe Zahl von nur 35 Personen, die sich dort einfand, wurde von einem Funktionär auf die mangelhafte inhaltliche und organisatorische Vorbereitung zurückgeführt. Die SDAJ ist in Bayern in keinem Jugendring auf Stadt-, Kreisoder Landesebene vertreten. Auch eine Aufnahme in den Deutschen Bundesjugendring (DBJR), in dem 20 Jugendverbände und 11 Landesjugendringe zusammengeschlossen sind, scheiterte trotz intensiver Bemühungen: Die 60. Vollversammlung des DBJR lehnte den Aufnahmeantrag der SDAJ erneut mit großer Mehrheit ab. 45 Der Bundesvorstand der SDAJ hatte seine Mitglieder aufgerufen, den Monat Januar 1988 zum "Azubi-Monat" (Auszubildenden-Monat) der SDAJ zu machen. In den Mittelpunkt des "Azubi-Monats" stellte die SDAJ die "Solidarität" mit den "kämpfenden" Belegschaften in Rheinhausen und anderen Standorten sowie den Kampf um Jugendund Ausbildungsvertretungen. Dabei wollte sich die SDAJ sichtbar als ein Verband profilieren, der an der Seite der kämpfenden Arbeiter steht. Eine Spendensammlung erbrachte rund 1.000 DM, die im Februar anläßlich eines bundesweiten SDAJ-Gruppenleiter-Treffens in Rheinhausen übergeben wurden. Im März hielt die SDAJ unter dem Motto "Wir wollen Arbeit, Bildung und sinnvolle Freizeit - Abrüstung ist Zukunft" in München und Nürnberg Kreisdelegiertenkonferenzen ab. Vertreter der DKP, der WN-BdA und der iranischen Tudeh-Partei nahmen als Gäste daran teil. In München wurde mit harter Kritik auf 46 den desolaten Zustand der SDAJ aufmerksam gemacht; ein großer Teil der Mitglieder zeige an der politischen Arbeit kein Interesse mehr. In Nürnberg hob man demgegenüber die gute Zusammenarbeit mit der DKP hervor. Anläßlich des 20jährigen Bestehens der SDAJ veröffentlichte das Verbandsorgan "Jugendpolitische Blätter" Beiträge von drei ehemaligen sowie der derzeitigen Bundesvorsitzenden. Übereinstimmend betonten alle vier Autoren die kommunistische Tradition der SDAJ. Zur gegenwärtigen Situation erklärten die Autoren in bemerkenswerter Bescheidenheit, im "kapitalistischen Teil Deutschlands" sei es schon ein Sieg, daß DKP und SDAJ über einen Zeitraum von 20 Jahren ohne Verbot hätten wirken können. Die Einsicht in die Überlegenheit des Sozialismus und die Richtigkeit des Marxismus-Leninismus mache bei den zu fortschrittlichen Positionen neigenden Teilen der Jugend nur langsame Fortschritte; es dominierten noch reformistische, grün-alternative, pazifistische und basisdemokratische Ideologien. Zu einer "Massenorganisation" sei die SDAJ daher nicht geworden; die Ergebnisse ihrer Bemühungen seien oft bescheidener gewesen als von den Mitgliedern wahrgenommen. Zusammen mit dem Marxistischen Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) veranstaltete die SDAJ am 4. und 5. Juni im Revierpark 47 Gvsenberg bei Herne ihr 6. Festival der Jugend, an dem etwa 80.000 Personen teilnahmen, unter ihnen Delegationen der Freien Deutschen Jugend (FDJ) der DDR des Leninschen Komsomol der UdSSR und aus anderen sozialistischen Ländern; eingeladen waren Bruderverbände aus 50 Ländern. An Diskussionsforen nahmen laut kommunistischer Presse auch Sozialdemokraten, Grüne und Gewerkschaftsvertreter teil. Nach Aussage der SDAJ-Bundesvorsitzenden war das Festival von drei politischen Schwerpunkten geprägt: Solidarität mit dem Volk Südafrikas und Boykott von südafrikanischen Produkten, Vertiefung der Haltung Jugendlicher gegen Neonazis und Kampf um Arbeit und Ausbildungsplätze. Jugendliche errichteten ein "Mahnmal des Widerstandes" gegen Jugendarbeitslosigkeit. Aus Bayern nahmen etwa 400 Personen teil, überwiegend aus dem Landesverband Franken/Oberpfalz. Die SDAJ agitiert nicht gegen die allgemeine Wehrpflicht. Sie betont vielmehr die Bedeutung "demokratischer Soldaten" im Klassenkampf. Sie könnten "im Verlaufe demokratischer und antimonopolistischer Veränderungen" dafür sorgen, daß das "Militär in den Kasernen bleibt"; so sei eine sozialistische Umwälzung ohne Bürgerkrieg und Blutvergießen möglich. In ihrem "antimilitaristischen Kampf" unterstützte die SDAJ deshalb auch 1988 die von ihr beeinflußten Arbeitskreise Demokratischer Soldaten (ADS). ADS-Angehörige in Bayern beteiligten sich an mehreren Veranstaltungen der SDAJ. Die ADS-Zeitung "Rührt Euch" wurde im Januar am Hauptbahnhof in München verteilt. 2.3.2 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) Der MSB Spartakus, gegründet 1971, ist der stärkste orthodox-kommunistische Studentenverband in der Bundesrepublik Deutschland. Er bekennt sich zum Marxismus-Leninismus. Zusammen mit der DKP und der SDAJ kämpft er für die "sozialistische Revolution" und propagiert den "realen Sozialismus" der DDR als grundsätzliche Alternative zum "kapitalistischen System". Er sieht sich als "größte und einflußreichste Studentenorganisation an den bundesdeutschen Hochschulen" und als entscheidenden Faktor für die "Kontinuität der Studentenbewegung", die wegen der "Aktionseinheit", vor allem mit dem Sozialistischen Hochschulbund (SHB), zu einem Motor der außerparlamentarischen Bewegung geworden sei. Die Zusammenarbeit mit kommunistischen Jugendund Studentenorganisationen wurde auch 1988 beibehalten. Bundesweit verfügt der MSB Spartakus nach erheblichen Mitgliederverlusten nur noch über etwa 3.500 Mitglieder (1987:6.000). Bei den Ortsgruppen an den bayerischen Hochschulen in Augsburg, München, Regensburg, Bamberg, Erlangen-Nürnberg, Landshut, Würzburg und Coburg sank die Mitgliederzahl unter 200. Organ des MSB Spartakus sind die "rote blätter", das in einer monatlichen Auflage von 9.000 Exemplaren erscheinende Student(inn)en-Magazin. Als Nebenorganisation der DKP hat der MSB Spartakus die Aufgabe, kommunistische Vorstellungen in die Hochschulen einzubringen und die Studenten hierfür zu mobilisieren. Während die DKP-Hochschulgruppen die Politik der DKP an den Hochschulen offen vertreten, übt der MSB Spartakus aus taktischen Gründen vielfach größere Zurückhaltung, um sich anderen Studentengruppen als "Bündnispartner" anbieten zu können. Im Rahmen dieser Aufga48 benerfüllung verfolgt der MSB Spartakus auch eine Politik der "gewerkschaftlichen Orientierung". Er versucht hierbei, seine hochschulpolitischen Forderungen mit gewerkschaftlichen Kampfmitteln wie "Urabstimmung" und "Streik" durchzusetzen. Bei einem Programmkongreß des MSB Spartakus im Oktober in Hamburg unter dem Motto "Aufbruch und Erneuerung" wurde ein Leitantrag verabschiedet, mit dem Politik, Arbeitsweise und Organisationsformen des Verbandes neu bestimmt werden sollen. Darin wird u. a. ausgeführt, Voraussetzung revolutionären Handelns sei eine unvoreingenommene Analyse der neuen Anforderungen an den Marxismus und an marxistische Organisationen. Brüche mit der bisherigen Theorie und Praxis seien dabei erforderlich. Der Bundesvorsitzende führte aus, eine Preisgabe des sozialistischen Ziels stehe nicht zur Diskussion, es seien jedoch neue Prioritäten für den Klassenkampf zu setzen. Vor der Überwindung des Kapitalismus müsse noch ein Ausweg aus der "Krise der Zivilisation" gefunden werden. Er beklagte auch einen Rückgang des Einflusses der Kommunisten, was u.a. auf Dogmatisierung und Schematisierung marxistischer Theorie sowie auf bürokratische Tendenzen in kommunistischen Organisationen zurückzuführen sei. Auch dem MSB Spartakus sei es nicht gelungen, die rückläufige Tendenz, u.a. den Mitgliederschwund von rund 40%, zu stoppen. Im Verbandsorgan "rote blätter" (Nr. 11/1988) kritisierte dessen Chefredakteur massiv die Haltung der DKP zu den Entwicklungen in der Sowjetunion: Die Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland hätten Schwierigkeiten, aus den Veränderungen in der Sowjetunion zu lernen; insbesondere namhafte DKP-Mitglieder ließen eine kritische Distanz gegenüber den Veränderungen erkennen. Gebrochen werde in der Sowjetunion unter anderem mit einem Parteiverständnis, das sozialistischen Meinungspluralismus und die Existenz verschiedener Plattformen als per se parteischädigend betrachte. "Perestrojka" verlange von den Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland, selbständig zu denken, verlange aber nicht, bisherige eherne Prinzipien durch neue eherne Prinzipien zu ersetzen. Erste Auswirkung des neuen Kurses des MSB Spartakus scheint zu sein, daß der Bundesvorsitzende des MSB Spartakus und seine Stellvertreterin nicht mehr zu ordentlichen Delegierten für den 9. Parteitag der DKP gewählt wurden. In einer Erklärung erhebt der MSB Spartakus deshalb schwere Vorwürfe gegen die DKP: Diese wolle anscheinend den MSB Spartakus ausgrenzen. Die Änderung der Programmatik, Politik und Arbeitsweise hätten dem MSB Spartakus seitens der DKP den Vorwurf eingebracht, eine "reformistische Organisation" zu sein. Der MSB Spartakus hoffe, die Partei werde das bisher prinzipiell freundschaftliche Verhältnis nicht grundsätzlich in Frage stellen und erwarte, daß der 9. Parteitag den Reformismusvorwurf zurücknehme. Nur so könne eine "Spaltung von oben" abgewendet werden. Neben den innerparteilichen Diskussionen wurden nur vereinzelt nach außen wirksame Veranstaltungen und Aktionen durchgeführt. Sie befaßten sich unter anderem mit den Themen "Kampf gegen die Novellierung des Bayerischen Hochschulgesetzes", "Studienbedingungen an den Hochschulen", "EG-Regelung zu den FH-Diplomen", "Apartheid-Politik in Südafrika", "Palästina-Informationen" und "Berufsverbote". 49 im im^> '>, Kinderferien in der DDR Kinderferien zu erBastelgruppen, Theater, Film, Neptunfe,st, Disco, schwinglichen Preisen Betriebsbesichtigungen und ... und ... gibt es kaum noch in un(| * Einen Betrieb von innen sehen, oder auf einen Mähdreserer Stadt. Immer mehr y " i scher klettern. Fragen stellen! Einen Tag in einer Gastwird der Rotstift an sofamilie verbringen. Mit Kindern aus unserem Nachbarzialen Einrichtungen anland DDR reden. Theater spielen und basteln. Einmal gesetzt. Kinder und Jugendliche sind bealles das machen, wozu sonst keine Zeit und keine Gesonders betroffen. Immer mehr Menschen ii legenheit ist! unserem Land wollen eine Kürzung des Rüstungshaushaltes. Sie fordern: Keine ßeteili Ferien in der DDR sind ein wichtiger Beitrag zur gung am Rüstungswettlauf im Weltall -- wir haFreundschaft und Völkerverständigung. Den Kindern ben nur die eine Erde! Entspannung, Abrüstung HA werden Ferien in den schönsten Gegenden der DDR und Völkerverständigung mit Westund Osteuro- ^ pa sind wichtig für das Zusammenleben der Menschen. geboten. Sie wohnen in Bungalows, auf sie wartet ein Dank der Solidarität der sozialistischen DDR machen tolles Programm mit Sport, Spiel und Spaß. Sie treffen es die DKP und die Jungen Pioniere schon seit mehr als Kinder aus anderen Ländern, schließen Freundschaf12 Jahren möglich, Arbeiterkindern erholsame und erten. Sie lernen die DDR und die Menschen dort kennen. lebnisreiche Ferien anzubieten. Die Betreuung: In einer Gruppe sind 10 Kinder, für die ein Betreuer aus der Bundesrepublik verantwortlich ... und dann ist immer was los: Spaß und Spiele, Kinist. Es gibt Ärzte, die sich um die Kinder kümmern. derfeste, gutes Essen, herumtoben, auch mal faulenKurzum: Unterbringung, Betreuung und Verpflegung zen. Mit Kindern aus anderen Ländern zusammen sein. garantieren allen Kindern schone und erlebnisreiche Im letzten Jahr waren alle Kinder rundum zufrieden. Ferientage. 1988 wird es auch wieder scsein. Dafür garantieren die DKP und die Jungen Pioniere. Sport, Spiel, Wanderungen, richtig viel erleben, Sport treiben, Schwimmen gehen, schöne Gegenden durchstreifen, einen Malwettbewerb gewinnen, beim Schachturnier dabei sein. Aber das ist noch nicht alles! 2.3.3 Junge PioniereSozialistische Kinderorganisation (JP) Die JP wurden 1974 auf Initiative der DKP nach dem Vorbild der Staatsjugendorganisationen der sozialistischen Länder gegründet. Sie erfassen Kinder von 6 bis 14 Jahren. Nach ihrer Satzung kämpfen die JP für den Sozialismus und betrachten sich als Teil der weltweiten kommunistischen Pionierbewegung. Sie dienen der DKP und der SDAJ als Basis für die Mitgliedergewinnung. Die DKP unterstützt mit der SDAJ und dem MSB Spartakus die JP in der Erwartung, daß sie die Kinder kommunistisch erziehen. Führungspositionen innerhalb der JP werden durchwegs von Jugendlichen und Erwachsenen eingenommen, die als DKPbzw. als SDAJ-Angehörige bekannt sind. Sowohl der JP-Bundesvorsitzende wie auch seine Stellvertreterin gehören gleichzeitig dem geschäftsführenden Bundesvorstand der SDAJ an. Von den 55 Mitgliedern der Bundesleitung kommen 5 aus Bayern. Die JP gliedern sich nach ihrer Satzung in Gruppen-, Kreisund Landesverbände, in Bayern bestehen die Landesverbände Franken/Oberpfalz und Südbayern. Die Zahl der JP-Mitglieder betrug bundesweit 3.000 (1987: 4.000). In Bayern ist die Mit50 gliederzahl auf 300 (1987: 500) zurückgegangen. Vom Bundesverband werden die Kinderzeitung "Pionier" und die "Pionierleiterinformation" veröffentlicht. Die JP veranstalteten zu Pfingsten wieder ihre traditionellen Camps. An der Veranstaltung des Landesverbandes Franken/Oberpfalz in der Nähe von Erlangen nahmen 150 Personen (davon etwa 100 Kinder) teil. Für die Unterbringung sorgte die DKP. Der JP-Landesverband Südbayern hätte diesmal eine Jugendsiedlung bei Königsdorf, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen als Veranstaltungsort seines Camps benutzt. Etwa 60 Kinder wurden von zahlreichen DKP/ SDAJ-Angehörigen "betreut". Mit "Frohe Ferien für alle Kinder" warben DKP und JP auch in diesem Jahr wieder intensiv für Ferienreisen in sozialistische Länder. Mindestens 3.500 Kinder und Betreuer reisten im Rahmen der "Kinderferienaktion" in die DDR; aus Bayern nahmen etwa 280 Kinder daran teil. In den Ferienlagern werden die 10bis 14-Jährigen "kindgerecht" in kommunistischem Sinne beeinflußt. Durch Besuche in "volkseigenen Betrieben", bei ausgesuchten kommunistisch orientierten Familien und in Häusern der "Ernst-Thälmann-Pioniere" soll den Kindern der Sozialismus nähergebracht und die DDR als "kinderfreundliches Land" dargestellt werden. Außerdem biete die "Kinderferienaktion", so die JP, enorme Chancen zur Verankerung der DKP, SDAJ und der JP in den Arbeiterwohngebieten und in den Betrieben. Bei einer Informationsfahrt in die DDR hatten die Eltern die Möglichkeit, das Ferienlager vorher zu besichtigen. Die "Marxistischen Blätter" befaßten sich 1988 mit dem Schwerpunktthema "Kinder". Die Autoren befürworteten vor allem, Kinder direkt in "gesellschaft51 liehe Auseinandersetzungen" einzubeziehen. Kinder und Kinderorganisationen würden immer mehr zu einem Bestandteil der "demokratischen Bewegung", Sie würden ihre Forderungen zur Abrüstung direkt, einfach, logisch und überzeugend vertreten. Über die Aktivitäten ihrer Kinder seien Eltern zu Demonstrationen gekommen. Viele Menschen fühlten sich zur kommunistischen Bewegung hingezogen, weil Kinder und Eltern dabei seien. Die Offenheit, mit der sich die "Marxistischen Blätter" zu dieser politischen Instrumentalisierung von Kindern bekennen, ist bemerkenswert. 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen i 2.4.1 Allgemeines Die DKP ist realistisch genug zu erkennen, daß sie mit einer unverhohlenen Propagierung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele bei der Bevölkerung keine nennenswerte Resonanz findet. Deshalb wirkt sie, oft mit Unterstützung ihrer Nebenorganisationen, darauf hin, daß Organisationen, Initiativen oder Komitees gegründet werden, die nicht Teil der Partei oder ihrer Nebenorganisationen sind, aber gleichwohl dazu dienen, kommunistische Zielsetzungen zu fördern. Außerdem bemüht sich die DKP nach den Grundsätzen ihrer Bündnispolitik, bei zahlreichen nichtkommunistischen Organisationen Einfluß zu gewinnen, zu erhalten oder ihn zu verstärken. Der Einfluß der DKP bzw. ihrer Nebenorganisationen auf solche "beeinflußten Organisationen" - verschiedentlich auch als "Vorfeldorganisationen" bezeichnet - zeigt sich u.a. darin, daß diese Organisationen eng mit der DKP oder ihren Nebenorganisationen zusammenarbeiten, daß sie von der DKP oder ihren Nebenorganisationen materiell unterstützt werden, daß sie in ihren Führungsgremien wichtige Positionen mit Kommunisten besetzen oder daß unter ihren Mitgliedern zahlreiche Kommunisten sind. Diese beeinflußten Organisationen propagieren vielfach Forderungen, die für sich gesehen nicht verfassungsfeindlich sind, aber in Teilbereichen mit Zielsetzungen der orthodoxen Kommunisten übereinstimmen. Damit leisten sie den Bestrebungen der DKP Vorschub, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, denn dieser zentralen verfassungsfeindlichen Zielsetzung dienen alle Aktivitäten der DKP, auch die vermeintlich unverfänglichen. Bei den beeinflußten Organisationen liegen häufig mehrere, gelegentlich auch alle genannten Merkmale vor. Je stärker der kommunistische Einfluß ist, desto geringer sind die Möglichkeiten für die nichtextremistischen Mitglieder, Einfluß zu nehmen auf die interne Willensbildung, die politischen Äußerungen und die Aktivitäten dieser Organisationen. Bei anderen beeinflußten Organisationen besteht dagegen trotz des DKP-Einflusses Raum für politisches Eigenleben; die kommunistische Beeinflussung ist hier für das einfache Mitglied und für Außenstehende nicht immer leicht erkennbar. Hierzu zählen auch einige "Friedensinitiativen", die in unterschiedlichem Ausmaß von der Orthodoxen Linken, aber auch von Gruppierungen der Neuen Linken beeinflußt werden. Bei den meisten "Friedensinitiativen" ist jedoch eine extremistische Beeinflussung nicht feststellbar. 52 Die wichtigsten DKP-beeinflußten Organisationen sind: -- die Deutsche Friedens-Union (DFL)) -- die Vereinigung der Verfolgten des Naziregmines - Bund der Antifaschisten (WN-BdA) -- die "Friedensliste". Als weitere orthodox-kommunistisch beeinflußte Organisationen sind zu nennen: -- die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) -- das Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) -- die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. (VDJ) -- die Demokratische Fraueninitiative (DFI) -- die "Freundschaftsgesellschaft Bundesrepublik Deutschland - Kuba e.V." (FG BRD-Kuba e.V.) -- die "Gesellschaft für die Freundschaft zwischen den Völkern in der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Vietnam e.V." (FG BRD-Vietnam e.V.) Sie entfalteten in Bayern 1988 keine nennenswerten Aktivitäten. Das gilt auch für die DFG-VK, die bei bundesweit rückläufiger Entwicklung in Bayern nur noch etwa 1.500 Anhänger besitzt. Auch das Nürnberger Bürgerkomitee "Verteidigung der Grundrechte - Aufhebung der Berufsverbote" und die "Münchner Bürgerinitiative gegen Berufsverbote", die sich seit Jahren gegen die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern und Angehörigen des öffentlichen Dienstes wenden, traten 1988 kaum noch an die Öffentlichkeit. Im Einklang mit den Zielsetzungen der DKP beteiligten sich orthodox-kommunistisch beeinflußte Organisationen 1988 an DKP-Kampagnen und Aktionen. Zentrale Themen waren der "Kampf für den Frieden" und gegen den "Neofaschismus" in der Bundesrepublik Deutschland. Die Forderung nach einer atomwaffenfreien Zone in Europa, die Kampagne "Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz" und Aufrufe gegen den Bau des "Jäger 90" bildeten im "Friedenskampf" die Schwerpunkte. Orthodox-kommunistische Vorfeldorganisationen beteiligten sich auch an den Herbstaktionen der "Friedensbewegung". Sie engagierten sich bei den "Bankenaktionstagen" und wandten sich gegen die "Apartheidpolitik" in Südafrika. Vorfeldorganisationen der DKP arbeiteten auch im Münchner Koordinationskreis für die Kampagne gegen die Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank im September in Berlin (West) mit. 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) Die 1960 auf kommunistisches Betreiben als "Volksfrontpartei" gegründete DFU, die sich seit 1984 als "politische Vereinigung" versteht, weiß sich dem "antifaschistischen und antimonopolistischen Auftrag des Grundgesetzes und 53 der meisten Länderverfassungen verpflichtet", wobei die Begriffe "antifaschistisch" und "antimonopolistisch" im Sinne der orthodox-kommunistischen Ideologie als prokommunistisch verstanden werden. Die DFL) wendet sich insbesondere gegen "Antikommunismus" und "Demokratieabbau" und fordert "Schluß zu machen ... mit der Militarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche". Die DFU, die Mitglied des sowjetisch gelenkten Weltfriedensrates (WFR) ist, vertritt die Auffassung, daß die Erreichung der Ziele der "Friedensbewegung und anderer demokratischer und sozialer Bewegungen nur im Bündnis mit der Arbeiterbewegung, mit ihren Gewerkschaften und Parteien möglich ist". Verfassungskonforme Forderungen, die auch von demokratischen Kräften vertreten werden, wie etwa das Eintreten für "friedliche Koexistenz, Entspannung und Abrüstung, sozialen und demokratischen Fortschritt", werden entsprechend der Strategie orthodox-kommunistisch beeinflußter Organisationen in verschleierter Form mit Zielsetzungen der orthodoxen Kommunisten verbunden. Die politische Betätigung der DFU leistet damit der Förderung kommunistischer Vorstellungen Vorschub. Alleiniges Leitungsorgan der DFU ist nach der Abschaffung des bisher bestehenden Direktoriums der aus 64 Personen bestehende Bundesvorstand. Diesem gehören Mitglieder der 1956 verbotenen KPD, der DKP sowie kommunistisch beeinflußter Organisationen an. Der Bundesvorstand wählte aus seiner Mitte einen Arbeitsausschuß, dem zehn Personen angehören. Bundesweit verfügt die DFU über neun Landesverbände, davon einen in Bayern. Dem Landesverband Bayern sind fünf Bezirksverbände nachgeordnet. Die Zahl der Mitglieder lag am Jahresende unverändert bei rund 1.000 Personen, in Bayern bei knapp 400 Personen. Der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern der DFU ist Heinz Drab aus Nürnberg. Als Sprachrohr sowohl der DFU als auch der WN-BdA dient die wöchentlich erscheinende "Volkszeitung". Ihr Chefredakteur gehört der DKP an und war lange Zeit für die "roten blätter", das Zentralorgan des MSB Spartakus, verantwortlich. Daneben gibt das Pressereferat des Bundesvorstandes der DFU in unregelmäßigen Abständen einen "Pressedienst" heraus, in dem u.a. vom Arbeitsausschuß zu aktuellen Problemen Stellung genommen wird. Von der "Kommission Abrüstung und Sicherheit" der DFU wird das "Abrüstungsinfo", vom "Arbeitskreis Demokratie" das "info demokratie" herausgegeben. Darüber hinaus veröffentlichte die DFU 1988 mehrere Broschüren, u.a. "Abschrekkung oder Abrüstung - Was will die CDU?" und "Die 'offene deutsche Frage' und der Frieden". Der Landesverband Bayern gab 1988 mehrere Ausgaben der im November 1987 erstmals erschienenen Publikation "Bayern-Info" heraus, in denen über Themen wie "Ostermärsche", Delegationsreisen in die DDR und Aktivitäten der "Friedensbewegung" berichtet wurde. Am 12. ordentlichen Unionstag der DFU am 23724. April in Frankfurt a. M., der unter dem Leitmotiv "Europa ohne Massenvernichtungswaffen! Für Abrüstung, globale Verantwortung, Demokratisierung" stand, nahmen neben 180 Delegierten auch 70 Gäste, u.a. aus der UdSSR, der DDR, der CSSR, Polen und Ungarn, teil. Die Delegation der DKP wurde von der stellvertretenden Parteivorsitzenden Ellen Weber geleitet. In ihrem Rechenschaftsbericht hob 54 Abrüstet EXTMA Internationales Treffen für kernwaffenfreie Zonen Berlin/DDR 20.-22. Juni 1&88 Extra (A)/JuM 1988 Mft ZukUfl&skajte Ekfropa. Ksmmss&ims&erKhten, Reösrbaiträgen u.a. DFU Deutsche Friedens-Union 55 die DFL) ihre kontinuierliche "Bündnisarbeit" in "demokratischen Bewegungen" hervor, wobei ein Schwerpunkt der "Kampf für Frieden und Abrüstung" gewesen sei. Außerdem habe sie im Rahmen der Auseinandersetzung um demokratische und soziale Rechte viel Kraft auf die Bewegung gegen "Berufsverbote" verwandt. In ihrer Arbeit habe auch die Bekämpfung des Antikommunismus besondere Bedeutung gehabt. Die vom Unionstag verabschiedeten Anträge forderten "Beseitigung der seit 16 Jahren andauernden Berufsverbotspolitik", den Ausstieg aus der zivilen Nutzung der Kernenergie und die sofortige Einstellung des Baues der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf. Außerdem wurde vor den "geplanten antidemokratischen 'Sicherheitsgesetzen'" gewarnt, die "nicht auf die Sicherheit des Bürgers, sondern auf die Sicherheit dieser Regierung vor ihren Bürgern" zielten. Mitte des Jahres initiierte die DFL) den Aufruf "Jäger 90 - gefährlich, sinnlos, teuer", für den seitdem Unterschriften gesammelt werden. Der Herausgeberkreis einer entsprechenden Informationsbroschüre setzt sich aus Funktionären der DFU und der "Friedensliste" zusammen. Die Arbeit in der Bündnispolitik war nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der DFU-Aktivitäten. Besonders ausgeprägt war die Mitwirkung bei der Organisation der von der "Friedensbewegung" veranstalteten "Ostermärsche": Die "Bundesweite Informationsstelle Ostermarsch '88" war in der Vorbereitungsphase in der Landesgeschäftsstelle Hessen der DFU untergebracht. Auch in Bayern beteiligte sich die DFU an den "Ostermärschen". Der DFU-Landesgeschäftsführer trat als Anmelder und stellvertretender Versammlungsleiter der Ostermarschaktionen in Nürnberg auf. Die DFU beteiligte sich weiterhin an der Arbeit des Personenbündnisses "Die Friedensliste", an dessen Gründung im Jahr 1984 sie mitgewirkt hatte; dem Bundesvorstand gehören mehrere Funktionäre der DFU an. Die DFU betätigte sich auch 1988 im Rahmen der Krefelder Initiative, deren Adresse unverändert mit der Anschrift der DFU-Bundesgeschäftsstelle übereinstimmt. Die Planung und Organisation des am 22./ 23. Oktober in Kassel durchgeführten 7. Forums der Krefelder Initiative lag - wie in den Vorjahren - in den Händen der DFU. Auch 1988 bot die DFU Informationsreisen nach Suhl und Gera in der DDR und nach Prag an. Die Bezirke Suhl und Gera sind den DKP-Bezirksorganisationen Nordund Südbayern als "Patenbezirke" zugeordnet. 2.4.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (WN-BdA) Die WN-BdA ist die mitgliederstärkste orthodox-kommunistisch beeinflußte Organisation. Sie beschließt und handelt häufig entsprechend den von der DKP vertretenen Positionen. Sie ist Mitglied der prosowjetischen Föderation Internationale des Resistants (FIR) und des sowjetisch gelenkten Weltfriedensrates (WFR). Nach ihrer Satzung läßt sich die WN-BdA "von den Erfahrungen des Kampfes gegen Faschismus und Krieg" leiten. Sie tritt ein für "antifaschistisch-demokratische Entwicklungen auf allen Gebieten des politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens in der Bundesrepublik 56 Deutschland" und bekämpft die "Ursachen und Erscheinungsformen des Faschismus, Militarismus, Antisemitismus, Revanchismus und der Ausländerfeindlichkeit". Die WN-BdA strebt "die Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte an, um zur Verwirklichung des Vermächtnisses des antifaschistischen Widerstandskampfes beizutragen". Sie will mit allen Verbänden und Vereinigungen des Inund Auslandes, die ebenfalls "antifaschistische Ziele" verfolgen, zusammenarbeiten. Die Mitgliederzahlen auf Bundesebene (14.000) und in Bayern (1.200) sind gegenüber dem Vorjahr unverändert. Die mitgliederstärksten der 19 bayerischen Kreisverbände sind München und Nürnberg. Präsident der WN-BdA ist Dr. Joseph Rossaint. Er ist Träger der Leninmedaille des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, Träger der Friedensmedaille des Weltfriedensrates (WFR) und Büromitglied des Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ).Der Generalsekretär der WN-BdA ist gleichzeitig Mitglied des DKPParteivorstandes. Etwa zwei Drittel der Mitglieder des Bundesvorstandes und des Präsidiums der WN-BdA sind Kommunisten. Bis auf den Präsidenten der WN-BdA gehören alle Mitglieder des Sekretariats der DKP an. Der Landesverband Bayern ist im Bundesvorstand mit zehn Personen vertreten, u.a. mit dem DKP-Funktionär und bayerischen Landesvorsitzenden Oskar Neumann. Die Landessekretärin der WN-BdA in Bayern, Marion Lehmicke, ist Vorstandsmitglied der DKP-Bezirksorganisation Südbayern und Mitglied im Sprecherkreis der Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA). Gemeinsames wöchentlich erscheinendes Sprachrohr der WN-BdA und der DFU ist die "Volkszeitung", die nach Angaben der WN-BdA an fast 10.000 Zeitungskiosken im Bundesgebiet erhältlich ist. Das "Kioskprojekt" soll zur Gewinnung neuer Leser und Leserinnen beitragen. Der Bundesvorstand der W N - BdA gibt außerdem die monatlich erscheinende Mitgliederzeitschrift "antifaschistische rundschau" und ergänzend hierzu den "antifaschistischen jugenddienst" sowie seit April 1987 den "antifaschistischen informationsund Pressedienst" heraus. Die gelegentlich vom Landesverband Bayern herausgegebenen "antifaschistischen nachrichten" sowie regionale Informationsblätter vervollständigen die Reihe der Publikationen. Im Rahmen der orthodox-kommunistischen antifaschistischen Bündnispolitik wurden zum 55. Jahrestag des Beginns der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (30. Januar) zahlreiche Veranstaltungen (Kundgebungen, Mahnwachen und Versammlungen) im Bundesgebiet durchgeführt, die größtenteils von der WN-BdA initiiert waren. Eine weitere "historisch-politische Konferenz" fand aus Anlaß des 50. Jahrestages der Unterzeichnung des Münchner Abkommens am 24. September in München statt. Vor rund 50 Teilnehmern diskutierten unter der Leitung der Landessekretärin der WN-BdA Wissenschaftler aus der Bundesrepublik Deutschland, der DDR, aus Frankreich, der CSSR und der UdSSR über "friedenspolitische" Themen. Die WN-BdA beteiligte sich auch an den wesentlichen Aktionen der "Friedensbewegung". Sie gehörte u.a. zum Aufruferund Teilnehmerkreis des "Ostermarsches '88" Anfang April und der "Münchner Friedenswochen" im Herbst 1988. Auf einer "Strategiekonferenz" 57 Für ein antifaschistisches Bayern Seite antifaschistische Nr. 1 0 / O k t o b e r 1988 rundschau 58 der WN-BdA am 14. Mai in Frankfurt a. M. berieten etwa 150 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet über "Handlungsstrategien gegen Neofaschismus, Revanchismus und Ausländerfeindlichkeit" und bestätigten die gewachsene Bereitschaft zu "antifaschistischem" Engagement. Bei der Berichterstattung über die Konferenz behauptete die UZ (Zentralorgan der DKP) vom 17. Mai: "Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ist es gelungen, daß im Eintreten gegen den Neofaschismus sogar solche unterschiedlichen politischen Kräfte wie SPD, Grüne, DKP, die im Wahlkampf konkurrieren, die übergreifende antifaschistische Gemeinsamkeit wahren". Ein Schwerpunkt der Arbeit der WN-BdA war 1988 eine Aktionsreihe zum 50. Jahrestag der "Reichskristallnacht" (nationalsozialistisches Judenpogrom am 9./10. November 1938). Nach eigenen Aussagen wollte die WN-BdA diesen Termin dazu nutzen, um mit anderen Veranstaltern und Organisationen übereinstimmende Positionen zu erarbeiten. 2.4.4 "Die Friedensliste" Das Personenbündnis "Die Friedensliste" entstand 1984 auf Betreiben der DKP, der von ihr beeinflußten DFU und der Demokratischen Sozialisten (DS). In den Gremien sind die orthodoxen Kommunisten nach wie vor stark vertreten. Dem Bundesvorstand gehören 45 Personen an, darunter zahlreiche Mitglieder der DKP oder DKP-beeinflußter Organisationen. Unter den fünf Bundessprechern befinden sich je ein Mitglied des DKP-Parteivorstandes und des DFU-Bundesvorstandes. Die "Friedensliste Bayern", die in München und Nürnberg jeweils ein Büro unterhält, ist im Bundesvorstand mit drei Personen, darunter einem Bundesvorstandsmitglied der WN-BdA, vertreten. Im Mittelpunkt der thematischen Arbeit stand auch 1988 der "FriedensKampf". Dazu wurden z.B. in Nürnberg mehrere Veranstaltungen im Rahmen der "Gesprächsrunde Frieden" durchgeführt, wozu Funktionäre der DKP, der DFU und ein Sekretär beim Weltfriedensrat (WFR) als Diskussionsteilnehmer angekündigt wurden. Außerdem führte die "Friedensliste" am 19./20. November eine "Euro-Konferenz" zum Thema "Tendenzen Europas" mit internationaler Beteiligung, u.a. aus der UdSSR, der DDR und der CSSR durch. Mit dieser Konferenz wollte die "Friedensliste" einen Beitrag "zur Diskussion um die künftige politische Gestaltung Europas" leisten. Seit Mai 1987 wurde intern intensiv über die Perspektiven der Arbeit der "Friedensliste" nach Abschluß des Vertrages zwischen den USA und der Sowjetunion über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite (INF-Vertrag) diskutiert; dabei stand vor allem auch eine Kandidatur der "Friedensliste" zu den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 1989 zur Debatte. Nach einer Umfrageaktion beschlossen die Teilnehmer der 9. Bundesversammlung am 20. November entsprechend dem Vorschlag des Bundesvorstandes, auf eine Kandidatur bei den Europawahlen 1989 zu verzichten. 59 3. Neue Linke 3.1 Überblick Die Neue Linke besteht aus linksextremen und linksextrem beeinflußten Organisationen und Gruppen, die in ihrer Mehrzahl aus der Sozialrevolutionären Studentenbewegung der 60er Jahre hervorgegangen sind. Als Ziel streben die dogmatischen Gruppen der Neuen Linken eine kommunistische Gesellschaft an. Sie lehnen jedoch - anders als die DKP mit ihren Nebenorganisationen - den Kommunismus sowjetischer Prägung als "revisionistisch", "bürokratisch" und "sozialimperialistisch" entartet ab. Das Erscheinungsbild der meisten dieser sog. K-Gruppen war auch 1988 geprägt von mangelnden Aktivitäten, Mitgliederschwund, finanziellen Schwierigkeiten, Auflösungserscheinungen und Fusionsverhandlungen untereinander, um den drohenden Zerfall aufzuhalten. Der Zusammenschluß der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) mit der Gruppe Internationale Marxisten (GIM) zur Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) im Jahr 1986 hat 1988 zu keinem neuerlichen Aufschwung einer Organisation der Neuen Linken geführt. Die VSP gehört jetzt dem Kreis um den Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) und anarchosyndikalistische Gruppierungen an, deren Ziel es ist, die "Einheit der revolutionären Sozialistinnen und Sozialisten" weiter voranzutreiben. Diese Gruppierungen geben deshalb eine "Beilage" zu ihren Publikationen mit "gesammelten Beiträgen aus der Diskussion der Linken" heraus. Darüber hinaus versuchten VSP und BWK einer Vereinigung näherzukommen. In Papieren, die in Fusionsgesprächen erarbeitet und im Mai 1988 veröffentlicht wurden, waren sowohl die gemeinsamen Positionen als auch die noch kontroversen Standpunkte dargestellt. In Bayern konnten lediglich die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) und der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) mit seinem AntiStrauß-Komitee (ASKo) ihre Position halten. Einzige ernstzunehmende Ausnahmeerscheinung unter den Gruppen der dogmatischen Neuen Linken ist jedoch nach wie vor die Marxistische Gruppe (MG), die ihren an sich schon hohen Mitgliederstand weiter festigen konnte. Die dogmatischen Gruppen der Neuen Linken suchten 1988 weiterhin nach konfliktträchtigen Themen. In Bayern blieben sie im politischen Tagesgeschehen ohne Bedeutung. Sie engagierten sich vorwiegend im Betriebs-, Bildungs-, "Antifaschismus-", "Antiimperialismus-" und Ausländerbereich. Weitere Themen und Anlässe für Aktionen dieser Gruppen waren die "Tarifpolitik der Monopole", die "Massenarbeitslosigkeit" sowie die Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche. Auch der Kampf gegen die Stillegung eines Stahlwerkes in Rheinhausen, die Unterstützung des "Befreiungskampfes" in Südafrika sowie die Diskussion über den Ausstieg aus der Kernenergie (Kampf gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf) boten diesen Gruppen Gelegenheit zu entsprechenden Aktionen. Für die meisten Gruppen der Neuen Linken wurde die Kampagne gegen die Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB) im September 1988 in Berlin (West) zu einem dominierenden Thema, wobei sie besonders gegen Entwicklungshilfekonzepte und Kreditpolitik des IWF agitierten und in örtlichen Anti-IWF-Initiativen mitarbeiteten. 60 Die undogmatischen Gruppen der Neuen Linken, die nach ihren vielfach diffusen Vorstellungen für eine "gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft" kämpfen, verfolgen trotz unterschiedlicher "ideologischer" Ausrichtung alle als Endziel die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. Seit Jahren treten dabei die "Autonomen" in den Vordergrund, die Gewalt gegen Personen und Sachen propagieren und praktizieren. Ihre militanten Aktionen richteten sich dabei, wenngleich mit weiterhin rückläufiger Tendenz, auch 1988 gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW), gegen die am Bau von kerntechnischen Anlagen beteiligten Firmen sowie gegen Einrichtungen und Anlagen von Energieversorgungsunternehmen und der Deutschen Bundesbahn. Wie Gruppen der dogmatischen Neuen Linken stellten auch die "Autonomen" das Thema "Jahresversammlung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB)" 1988 in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten. Auch in Bayern kam es dabei zu einer Reihe von Sachbeschädigungen, von denen vor allem Banken betroffen waren. 3.2 Dogmatische Neue Linke 3.2.1 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die aus dem ehemaligen Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD) hervorgegangene, 1982 in Bochum gegründete MLPD bezeichnet sich als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in der BRD und in WestBerlin". Ihr grundlegendes Ziel ist der "revolutionäre Sturz" der "Diktatur der Monopolkapitalisten" und die Errichtung der "Diktatur des Proletariats". In ihrem "Grundsatzprogramm" bekennt sich die MLPD zu den "Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und MaoZedong", dessen Idee der "Großen Proletarischen Kulturrevolution" sie verteidigt. Sie kritisiert die "revisionistische Entartung" in allen "realsozialistischen Ländern" einschließlich der Volksrepublik China. Auch der Reformkurs Gorbatschows wurde von der MLPD als "neuer revisionistischer Betrug" verurteilt. Nach Auffassung der MLPD dient die gegenwärtige Etappe des Klassenkampfes der Vorbereitung der Revolution. Nur unter Führung einer "revolutionären Partei" könne die Arbeiterklasse erfolgreich zum Sturm gegen den "staatsmonopolistischen Kapitalismus" übergehen. Die MLPD habe die Aufgabe, die Arbeiterklasse "über die Aktionseinheit in kleinen Fragen zur Einheitsfront in allen wesentlichen Fragen" zusammenzuschließen. Der Schwerpunkt der Partei liegt im westund südwestdeutschen Raum. Ihre Mitglieder sind in Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirken organisiert, die einer "Zentralen Leitung" mit Sitz in Essen unterstehen. Die MLPD verfügt bundesweit über mehr als 1.300 Mitglieder. Bayern ist in die MLPD-Bezirke Bayern-Süd und Franken mit insgesamt etwa 90 Mitgliedern aufgeteilt. Nebenorganisationen der MLPD sind der Arbeiterjugendverband MarxistenLeninisten (AJV/ML) mit der Kinderorganisation Rotfüchse (gemeinsames Pu61 blikationsorgan "Rebell"), der Marxistisch-Leninistische Schülerund Studentenverband (MLSV) mit dem Publikationsorgan "Roter Pfeil" und der MarxistischLeninistische Bund Intellektueller (MLBI). Letzterer soll zur "Massenorganisation" der MLPD für "werktätige Intellektuelle" ausgebaut werden. Das Zentralorgan "Rote Fahne" erscheint wöchentlich in einer unveränderten Auflage von rund 10.000 Exemplaren. Theoretisches Organ der Partei ist der "Revolutionäre Weg". Darüber hinaus verbreitete die MLPD in Bayern 13 verschiedene Betriebsund Stadtzeitungen, die größtenteils regelmäßig erschienen. Die Zeitungen behandelten in ihren Beiträgen neben den allgemeinen Themen der MLPD vielfach aktuelle betriebliche und kommunale Probleme wie Entlassungen, "Arbeitsplatzvernichtung" oder Umweltverschmutzung durch Betriebe, zu deren Lösung die MLPD ihre Politik als Alternative anbot. Es erschienen auch Artikel in türkischer und griechischer Sprache. Vom 17. bis 19. Juni fand in Duisburg der III. Parteitag der MLPD statt. In mehreren Resolutionen u.a. zu den Aufgaben der MLPD im Kampf um die Einheit der internationalen marxistisch-leninistischen Arbeiterbewegung sowie zur Beteiligung der MLPD an den Europaund Kommunalwahlen wurden die nächsten Aufgaben festgelegt. In größeren Städten Bayerns, insbesondere im mittelund unterfränkischen Raum, rief die MLPD mit Annoncen in Tageszeitungen, durch Plakatanschläge und Verteilen der "Roten Fahne extra" zur Teilnahme an der Großveranstaltung zum III. Parteitag der MLPD am 16./17. Juli in der Kölner Sporthalle auf. Unter den 1.200 Teilnehmern waren auch MLPD-Angehörige aus Bayern. Hauptredner war der Parteivorsitzende Stefan Engel. Er betonte, seine Partei habe während ihres Kampfes gegen die Schließung eines Stahlwerks erstmals Ereignisse von bundesweiter Bedeutung beeinflussen, zeitweilig sogar den Takt der Auseinandersetzung bestimmen können. "Arbeitskämpfe" waren für die MLPD auch in Bayern ein geeignetes Mittel, um für ihre Ziele zu werben. Den Streik der Belegschaft einer Firma in Schweinfurt nahm die Bezirksleitung Franken zum Anlaß, in einem Flugblatt zur "Solidarität mit den streikenden Kollegen" und zu Spenden auf ein MLPD-Solidaritätskonto aufzurufen. Die MLPD setzte auch ihre Jugendarbeit fort. Am 3. "Pfingstjugendtreffen" in Stuttgart beteiligten sich bis zu 3.000 Personen. In den Sommerferien führten die MLPD-Jugendorganisationen AJV/ML und MLSV im Landkreis Neumarkt i. d. Opf. ein Jugendund Kinderlager durch, an dem in drei Gruppen insgesamt rund 300 Kinder und Jugendliche teilnahmen. 3.2.2 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Der AB, 1973 aus dem Zusammenschluß mehrerer örtlich tätiger maoistisch orientierter Zirkel in Bayern entstanden, beruft sich auf den Marxismus-Leninismus und Mao Zedongs Ideen. Er strebt die Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse" und die "Errichtung einer Diktatur des Proletariats" an. Endziel ist die Verwirklichung des Kommunismus in einer "klassenlosen Gesellschaft". Der AB bekennt offen, daß er seine Ziele nur mit Gewalt erreichen könne. Er rechtfertigt die "revolutionäre Gewalt" damit, daß die "herrschende Klasse" nicht freiwillig auf ihre Macht verzichte. 62 Der AB ist vorwiegend in Bayern tatig. Hier bestehen Gruppen in Augsburg, München, Nürnberg, Regensburg und im Raum Altötting-Burghausen-Waldkraiburg. Neben diesen AB-Gruppen gibt es in München, Nürnberg und Regensburg "Freundeskreise", die den AB finanziell unterstützen sollen. Außerhalb Bayerns verfügt der AB unverändert in 14 Städten des Bundesgebietes über Ortsgruppen oder Stützpunkte. Die Gesamtmitgliederzahl ist auf weniger als 300 Personen gesunken. In Bayern hat der AB etwa 100 Mitglieder. Die Leitung des AB erfolgt durch das Zentralkomitee, das seinen Sitz in München hat. Im Bildungsbereich wird der AB von seiner Nebenorganisation Kommunistischer Hochschulbund (KHB) unterstützt; ihm gehören in Bayern weniger als 50 Mitglieder an. Der KHB ist zusammen mit der von ihm beeinflußten "Liste stärkt den AStA" (LISA) bzw. "Liste Demokratischer AStA" (LDA) an den bayerischen Hochschulen aktiv. Ferner arbeiten Aktivisten des AB und des KHB in einer weiteren an den Hochschulen aktiven Gruppe "Brennpunkt Links" mit. Zentralorgan des AB ist die "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ). Sie erscheint in unregelmäßigen Abständen im AB-eigenen "Verlag Das Freie Buch GmbH, Buchund Zeitungsverlag" in München. 1988 erschienen eine Normalausgabe und etliche Flugschriften. Nach wie vor nimmt der AB innerhalb der dogmatischen Neuen Linken in Bayern eine herausgehobene Position ein. Er führte jedoch auch 1988 nur wenige Veranstaltungen unter eigenem Namen durch. Agitationsschwerpunkte des AB waren neben der permanenten "Antifaschismus-Kampagne" die Agitation gegen die Sozialpolitik der Bundesregierung. Zum Thema "Sohn unserer Klasse, 100 Jahre Ernst Thälmann" gab die Redaktion der KAZ eine Sondernummer heraus. Für die Durchführung von Veranstaltungen benutzte der AB auch 1988 verstärkt seine beeinflußten Organisationen; von einzelnen eigenen Veranstaltungen abgesehen agierte er hauptsächlich aus dem Hintergrund. Zum Tod des Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß druckten und klebten der AB und das von ihm stark beeinflußte Anti-Strauß-Komitee (ASKo) mehrere Plakate, die den Verstorbenen herabzuwürdigen versuchten. Für ein AB-Flugblatt, das im Oktober in München und Augsburg verbreitet wurde, erließ das Amtsgericht München am 24. Oktober einen Beschlagnahmebeschluß wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Unter dem Motto "Wir brauchen die Fabriken. Die Kapitalisten brauchen wir nicht!" rief der AB zu eigenen Maifeierlichkeiten in Augsburg, München, Nürnberg, Regensburg sowie in verschiedenen Städten außerhalb Bayerns auf. An dem Aufzug in München beteiligten sich rund 350 Personen. Der "Aktionsausschuß gegen Zwangsarbeit und Abschiebung in Sammellager", der den AB bei seiner Arbeit gegen die von ihm behauptete Ausländerfeindlichkeit unterstützte, trat 1988 nicht in Erscheinung. Im Rahmen seiner Betriebsarbeit verbreitete der AB zahlreiche Betriebszeitungen und Flugblätter, in denen er sich mit Themen befaßte wie "Die Reichen sollen zahlen!", "Arbeiten, bis Du umfällst...!" und "Das Kapital fordert - die Regierung beschließt - der Arbeiter zahlt". Darüber hinaus hielt er in seinem Münchner Zentrum Arbeiterbildungsabende ab, in denen u.a. zu den Themen "Der Stoff, aus dem die (Großmacht-)Träume sind" und "AIDS" referiert wurde. 63 Im Jahre 1972 hatten Schüler-, Betriebsund Arbeiterbasisgruppen in Passau, Regensburg und München jeweils ein Anti-Strauß-Komitee (ASKo) gegründet. Nach dem Zusammenschluß der in Bayern bestehenden Arbeiterbasisund Betriebsgruppen zum Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) übernahmen AB-Aktivisten die Führung der gegen den verstorbenen Bayerischen Ministerpräsidenten gerichteten Komitees. Nach der 1972 ausgearbeiteten "Plattform", die bisher nicht geändert wurde, haben die Komitees die Aufgaben, den "Sturz des rechten Führungskaders und dessen ideologischen Führers" vorzubereiten und "alle faschistischen Organisationen" zu bekämpfen. Heute bestehen noch Anti-Strauß-Komitees in Regensburg und München, die vom AB stark beeinflußt sind. Der Mitgliederstand ist sowohl in München mit etwa 40 als auch in Regensburg mit rund 50 Personen unverändert. Sprachrohr der Komitees ist der "Demokratische Informationsdienst" (DID), der im Eigendruck und Selbstverlag in einer Auflage von rund 3.000 Exemplaren hergestellt wird. Auch nach dem Tod von Ministerpräsident Franz Josef Strauß will das ASKo seine Tätigkeit, jedoch unter neuem Namen, fortsetzen. Schwerpunkte sollen in Zukunft u.a. die Agitation gegen das Ausländergesetz und gegen "die Beseitigung der Demokratie am Bauzaun von Wackersdorf und anderswo" darstellen. Das ASKo unterstützte 1988 den AB insbesondere bei Aktionen gegen den "Faschismus", die AIDS-Politik sowie in der Agitation gegen den verstorbenen Bayerischen Ministerpräsidenten. Am 8. Juli führte der AB in München zum Thema "Die bayerische Staatsregierung zensiert, beschlagnahmt, verbietet. Warum fürchten sie so sehr das offene Wort?" eine Veranstaltung mit anschließendem Aufzug durch. Die auftretenden Redner sprachen über die angebliche "Staatswillkür" im allgemeinen und insbesondere über Maßnahmen der Behörden, von denen sie selbst betroffen waren. So wurden u.a. das gerichtlich nicht bestätigte Verbot einer Versammlung des Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK) am 5. Mai sowie polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) erörtert. An der Versammlung in München nahmen rund 600 Personen teil. Am anschließenden Aufzug beteiligten sich etwa 350 Personen. Wegen Beleidigung und Verunglimpfung des Staates ordnete am 16. Februar das Amtsgericht München die Beschlagnahme der vom ASKo herausgegebenen Zeitschrift "Demokratischer Informationsdienst" (DID) Nr. 67 an und leitete gegen den presserechtlich Verantwortlichen ein Ermittlungsverfahren ein. Die Publikation enthielt u.a. einen Beitrag, in dem unterstellt wurde, daß im Freistaat Bayern die demokratische Verfassung, Grundrechte und Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt seien. In einem weiteren Artikel, der mit "Die Demokratie wird gelegentlich in Blut gebadet" überschrieben war, wurde zusätzlich auch die Bundesrepublik Deutschland verunglimpft. Ferner enthielt das Blatt auch Abbildungen und Beiträge, in denen das Urteil gegen einen HlV-infizierten Straftäter mit menschenverachtender NS-Rechtsprechung verglichen wurde. Eine weitere dem Einfluß des AB unterliegende Organisation ist die Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ). Ortsgruppen bestehen in Nürnberg und München; die dritte in Bayern bestehende Ortsgruppe nennt 64 sich Demokratischer Jugendzirkel Regensburg. Ihr Publikationsorgan "Kämpfende Jugend", dient auch dem AB als Werbeträger. Die IVRJ unterstützte 1988 den AB insbesondere in der "Antifaschismusund Antimilitarismusarbeit". In diesem Zusammenhang stehen Versammlungen und Informationsstände, die die IVRJ auch 1988 jeweils zu den Einberufungsterminen vor Kasernen in München und Nürnberg durchführte. Bei diesen Veranstaltungen mit den Themen "Rekrutenabschied" oder "Gegen den Krieg" verteilten die Teilnehmer Publikationen und Flugblätter mit gegen die Bundeswehr gerichtetem Inhalt an die einrückenden Rekruten. Ein bei derartigen Veranstaltungen im Oktober 1985 und April 1987 verteiltes Flugblatt "Rekrutenabschied" war 1988 Gegenstand eines Strafverfahrens, in dem sich vier Mitglieder der IVRJ vor dem Landgericht München I verantworten mußten. Der Herausgeber dieses "Rekrutenabschiedes" erhielt eine Haftstrafe von 8 Monaten, deren Verbüßung gegen DM 1.500 Geldbuße zur Bewährung ausgesetzt wurde. Damit wurde erstmals für ein Vergehen nach SS 89 StGB - verfassungsfeindliches Einwirken auf die Bundeswehr - eine Freiheitsstrafe ausgesprochen. Gegen die Zeitschrift "Kämpfende Jugend", Ausgabe Januar 1988, die im Januar ebenfalls vor einer Münchener Kaserne verteilt wurde, erließ das Amtsgericht München am 20. Januar einen allgemeinen Beschlagnahmebeschluß. Die Zeitschrift enthielt Artikel, die geeignet waren, die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehrangehörigen zu untergraben; in ihnen wurde u.a. zur Meuterei aufgefordert. Außerdem waren in der Zeitschrift mehrfach die Kennzeichen der 1952 verbotenen "Freien Deutschen Jugend" (FDJ) abgedruckt. 3.2.3 Marxistische Gruppe (MG) Die MG, die Ende der 60er Jahre aus den "Roten Zellen" hervorgegangen ist, nimmt innerhalb der Gruppen der Neuen Linken eine Sonderstellung ein. Sie ist gekennzeichnet durch einen hierarchischen Aufbau, straffe Disziplin, intensive Schulung der Mitglieder sowie strenge Abschirmung des Verbandslebens und entspricht insoweit einer marxistisch-leninistischen Kaderorganisation. Programmatisch lehnt sie jedoch den "Leninismus" in seiner dogmatischen Form ab. Die MG bekämpft die "Demokratie" als "Staatsform der bürgerlichen Ausbeutung" und tritt dafür ein, den Staat auf dem Weg über die sozialistische Revolution abzuschaffen. Voraussetzung sei der "Klassenkampf des Proletariats", zu dessen "Bewußtseinsorientierung" sie beitragen wolle. Das Bekenntnis der MG zur sozialistischen Revolution schließt auch die Anwendung von revolutionärer Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ein. Um die Revolution jedoch in ihrem Sinne zu lenken, strebt die MG an, die Schaltstellen des Staates und des Kapitals (Industrie) mit "eigenen Leuten" zu besetzen. Der "Marsch durch die Institutionen" in Staat und Wirtschaft ist somit weiterhin erklärtes MG-Ziel (siehe 6. Abschnitt Nr. 2 - Extremisten im öffentlichen Dienst -)'. Die MG konnte ihre Vormachtstellung innerhalb der Neuen Linken in Bayern behaupten. Ihr sind in Bayern wie im Vorjahr insgesamt etwa 5.200 Personen (bundesweit etwa 10.000-15.000) zuzurechnen, die fest in die MG eingebunden sind, Beiträge entrichten und Schulungen (Sympathisantenplena) besu65 Nr. 3 März 1988 DM 2.50 B 5045 E %M C L 7 Gegen die Kosten l?lPS?PSj der Freiheit chen. Sie verteilen sich innerhalb der MG-Hierarchie auf die Gruppen Sympathisant, Kandidat, Mitglied und Funktionär. Der obersten Gruppe, den Mitgliedern und Funktionären, gehören in Bayern etwa 700 Personen an. Die MG ist damit die stärkste Gruppierung im gesamten extremistischen Spektrum in Bayern. Ihre Gefährlichkeit liegt auch darin begründet, daß sie ihre Anhänger hauptsächlich unter Studenten und Akademikern findet. Erstmals trat die MG in einem Kommunikationstreff für Jugendliche in Erlangen unter der Bezeichnung "Rote-Schüler-Initiative" (RSI) in Erscheinung. Mit einem Flugblatt "Die RSI stellt sich zur Diskussion" lud sie Schüler, die sich mit marxistischer Kritik auseinandersetzen und darüber mit der RSI diskutieren wollen, zum wöchentlichen "Schüler-Meeting" im Kulturtreff ein. Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes zeichnete ein MG-Funktionär. Der organisatorische Schwerpunkt der MG liegt in Bayern. Hier bestehen Gruppen in Bamberg, Erlangen/Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Aktivitäten, die auf Stützpunkte schließen lassen, wurden auch aus Bayreuth, Fürth, Ingolstadt und Schweinfurt bekannt. Die bedeutendste Gruppe ist nach wie vor die MG München, die faktisch eine Führungsfunktion ausübt. Kommunikationsund Bildungszentren sind der "Laden" des "Vereins zur Förderung des studentischen Pressewesens e.V.", die "MHBund NEW-Gesellschaft für Druck und Vertrieb wissenschaftlicher Literatur mbH" und der "Resultate-Verlag" in München sowie die "MG-Läden" in Erlangen, Nürnberg und Würzburg. Gliederung und leitende Gremien der MG werden nach wie vor weitgehend geheimgehalten. Organisatorisch praktiziert die MG einen straffen Führungsstil und verlangt die stete Bewährung des einzelnen Angehörigen. Die Finanzierung der MG erfolgt durch hohe Beiträge und Spenden. Die Verwendung der erheblichen Mittel, die gute Bezahlung der Funktionsträger sowie die Kosten für Schulungsobjekte werden vor den MG-Angehörigen geheimgehalten. Eine Rechnungslegung erfolgt nicht. Zentrale Publikationsorganeyder MG sind die "MSZ - Marxistische Streitund Zeitschrift - Gegen die Kosten der Freiheit" und die "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ). Zusätzlich erscheinen örtliche "Hochschulzeitungen" mit Einzelauflagen bis zu 14.000 Exemplaren sowie Betriebs-, Branchenund Regionalausgaben der MAZ. Das theoretische Organ der MG führt den Titel "Resultate". Agitationsschwerpunkte der MG waren 1988 die Kernenergiepolitik der Bundesregierung, "Wiedervereinigung '88" sowie Themen wie "Die Studentenbe66 Publikationen MG m M j& * " ' " " * Marxistische M A / Arbeiter Nürnberger Hochschulzeitung N. i " " *". ,. derMARXISTISCHENGRUPPE(MG) u" >..".'Regensburger Hochschulzeitung der MARXISTISCHEN GRUPPE (MG) >**'*" >-"*** wegung 1968 - das war sie wirklich", "Klarstellungen zum IWF", "Was will Kohl in Moskau? - Gute Beziehungen - Das heißt: Unverschämte Ostpolitik" und "40 Jahre Israel - Ein Staat räumt auf". Hauptbetätigungsfelder waren wiederum die Hochschulen. Mit Hilfe der "Marxistischen Arbeiterzeitung" (MAZ), die 1988 in zahlreichen Städten vor Großbetrieben verteilt wurde, versuchte die MG in den Arbeitnehmerbereich einzudringen. Zu diesem Zweck hat die MG einen eigenen Kader für Betriebsarbeit gebildet, der über Einzelpersonen oder kleine Agitationsgruppen ihre Politik in die Betriebe tragen soll. Die versuchte Indoktrination der Arbeiter ist praxisbezogen und weniger "wissenschaftlich". In der MAZ behandelte die MG neben tagespolitischen auch spezielle Themen wie "Massenentlassungen von Rheinhausen", "Kündigungsgesetz: Ein Schutz für Kündigungen", "Wen stören die Ausländer", "Warum verdient wer wieviel" und "Der Nationalismus der Gewerkschaft". Mit teach-in's in München und Nürnberg sowie Stellungnahmen in eigenen Publikationen reagierte die MG auf die "Zeitspiegel"-Sendung am 22. Juni im Bayerischen Fernsehen. Der dort gesendete Beitrag über die MG und die anschließenden Presseveröffentlichungen in den Tageszeitungen lösten offenbar heftige Diskussionen innerhalb der Organisation aus. Vor rund 1.000 Zuhörern in der Ludwig-Maximilians-Universität München versuchte der MG-Funktionär Dr. Held die entstandene Unruhe unter den MG-Anhängern zu dämpfen, indem er die gesamte Berichterstattung in den Medien angriff und von Unwahrheiten und Volksverhetzung sprach. Verschiedenenorts kam es zu Austritten aus der MG. 67 Die Massenentlassungen Ein Beitrag zum von Rheinhausen Ost-West'Gipfel Ein Afghanistan nationales Rührstück - Spielplan abgesetzt vom vom "Verbrechen der Russen" zum "regionalen KonrfBkt" Alles über die Gewinner und Verlierer Ort Schwabinger Brau Münchner Freiheit Zeit: D O M . 25.2.88 Beginn l9h,Ei"taß au 18 h Kkxstelungen ZIMT) IWF Tausend Milliarden S Schulden der 3. Wett -keki ProbJent -keine Ungerechtigkeit -kein Resultat gescheiterter Entwicklungspoitik Gesefechaftshaus Gartenstadt Freitag, 24. Juni, 19.30 Uhr Plakate der MG 68 "20 Jahre Studentenbewegung" war das Thema zahlreicher öffentlicher Diskussionsveranstaltungen im gesamten Bundesgebiet zur Erinnerung an den Beginn der Studentenunruhen im Jahr 1968. Als Referent trat ausschließlich der MG-Funktionär Dr. Held, seinerzeit selbst aktives Mitglied dieser Bewegung und Gründer der "Roten Zellen" (Vorläuferorganisation der Marxistischen Gruppe), in Erscheinung. "Die Kapitalismuskritiker von 1968 sind erfolglos geblieben. Die Arbeiter haben sich nicht aufwiegeln lassen. Und was beweist das? Nichts - außer der Perfektion der demokratischen Erziehung zum Wähler, zur DGB-Karteileiche und zum Bildzeitungsleser. Und die Notwendigkeit, die Leute umso mehr zu agitieren" lautet das Fazit. Zum Thema "Wiedervereinigung '88: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben - Wir reformieren uns die DDR zurecht" fand in München vor rund 1.200 Besuchern eine öffentliche Diskussionsveranstaltung statt. Nach MG-Meinung treten seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland ihre "herrschenden Figuren offensiv mit dem Selbstbewußtsein an, daß die Bundesrepublik als 'legitimer Rechtsnachfolger des letzten Groß-Deutschland'" nur einen Auftrag kenne: "Sie muß wieder größer werden". Ihrer Ansicht nach sind die DDR-Kritiker für "BRD-Politiker" nützliche "Idioten", die "drüben Unzufriedenheit stiften und ihrer Regierung Schwierigkeiten machen" sollten. Ferner hätten sie immer wieder Anlässe zu schaffen, "damit sich Bonn heftig in die Innenpolitik der DDR einschalten" könne und Bewohner der DDR die "BRD-Regierung immer mehr als die eigentlich auch für sie zuständige" begreifen könnten. Weiteres Thema zahlreicher Veranstaltungen und Veröffentlichungen in MGPublikationen war "Falscher Protest zur IWF-Tagung in Berlin: Schulden und Hunger soll man nicht verwechseln". Nach Meinung der MG hätten die Gegner des IWF dabei seine Funktionen falsch beurteilt. Die Probleme in den Ländern der Dritten Welt seien demnach nicht die Schulden, sondern die Kredite und die dadurch stattfindende Ausnutzung dieser Staaten durch die Industrienationen. Bei den Wahlen für die Kollegialorgane der Hochschulen kandidierte die Marxistische Gruppe unter ihrem eigenen Namen, wobei sie damit nur ein Ziel verfolgt: "Das Privileg gewählter Studentenvertreter, in Uni-Räumen zu sagen, was sie zu sagen haben. Dieses Vorrecht nutzen wir mit unseren Diskussionsveranstaltungen hemmungslos aus, einen gewählten Fachbereichsrat zu haben, erspart uns einen Extra-Zank mit dem Ordnungsrecht". An den Hochschulen in Erlangen/Nürnberg und in München ist die MG im Konvent vertreten. 3.2.4 Sonstige Gruppen der dogmatischen Neuen Linken 3.2.4.1 Kommunistischer Bund (KB) Der Ende 1971 entstandene KB ist ein Zusammenschluß kommunistischer Organisationen auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus in seiner Weiterentwicklung durch Mao Zedong. Er strebt die "gewaltsame Zerschlagung des Staatsapparates" und seine "Ersetzung durch rätedemokratische Strukturen" an. Ende 1988 gehörten dem KB im Bundesgebiet unverändert etwa 400 Mit69 glieder an. Die Mehrzahl seiner Aktivisten ist in Hamburg organisiert. In Bayern befindet sich nach Eigenangaben in Nürnberg ein Organisationsschwerpunkt. Die Monatszeitung "Arbeiterkampf" (ak) wird in einer Auflagenhöhe von 4.800 Exemplaren vertrieben und erscheint regelmäßig. Darin agitierte die KBGruppe Nürnberg u.a. gegen einen Strafprozeß wegen SS 218 StGB in Memmingen und das Verbot einer "Tour de Terror" genannten Versammlung in München am 13. Juli. 3.2.4.2 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) Der 1980 von ehemaligen Angehörigen des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) in Hannover gegründete BWK bekennt sich in seinem Programm zur "proletarischen Revolution" und zur "Diktatur des Proletariats" im marxistisch-leninistischen Sinne. Er propagiert offen die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates". Die Zentrale des BWK hat ihren Sitz in Köln. Die Mitgliederzahl des BWK ging 1988 auf etwa 300 im Bundesgebiet zurück. Publikationsorgan ist die Zeitschrift "Politische Berichte". Sie erscheint vierzehntägig im Verlag "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung - Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH" (GNN) in Köln. Die Auflage betrug Ende 1988 unverändert 1.300 Stück. Nach wie vor strebt der BWK eine Vereinigung mit der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) an. Die am 19./20. März in Köln durchgeführte ordentliche 8. Bundesdelegiertenkonferenz brachte jedoch hierzu kein Ergebnis. Die Aktionsschwerpunkte des BWK waren 1988 die politischen Probleme der Kurden in ihrer Heimat und ihre angebliche Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland sowie die Sozialund Ausländerpolitik der Bundesregierung. Für Bayern ist lediglich eine herausragende Aktion zu nennen. So meldete ein Münchener Funktionär des BWK im Namen seiner Organisation für den 5. Mai eine öffentliche Versammlung in München zum Thema "Die Verfolgung der Kurden in der BRD ist ein Angriff auf den revolutionären Befreiungskampf in Nordwestkurdistan" an. Zu der Veranstaltung hatten neben dem BWK in einem gemeinsamen Flugblatt u.a. auch die nunmehr aufgelöste Anarchistische Arbeiter Union (AAU), die Münchner anarchistische Fraktion innerhalb der Autonomen (M.a.F.i.A.), FEYKA-Kurdistan und die Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) aufgerufen. Die von der Landeshauptstadt München mit Auflagen versehene, von der Regierung von Oberbayern verbotene und durch das Verwaltungsgericht München für eine Gaststätte wieder zugelassene Veranstaltung konnte dennoch nicht stattfinden, nachdem der Gastwirt sein Lokal für die Versammlung nicht mehr zur Verfügung stellte. Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) Die VOLKSFRONT, ehemals von der im Oktober 1986 aufgelösten KPD beeinflußt, wurde 1979 in Dortmund gegründet, um den wachsenden "Widerstand in unserem Volke" gegen "Aussperrungsterror", "brutale Polizeieinsätze" und "Naziprovokation" bundesweit zu organisieren. In der VOLKSFRONT sind vor allem Mitglieder des BWK und der VSP (ehemalige KPD-Angehörige) organisiert, wobei der BWK eine dominierende Rolle spielt. Die VOLKSFRONT ist somit eine BWKund VSP-beeinflußte Organisation, marxistisch-leninistisch 70 orientiert, mit bundesweit etwa 600 Mitgliedern. Bemerkenswerte Aktionen der VOLKSFRONT waren in Bayern nicht festzustellen. 3.2.4.3 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) Die VSP entstand Ende 1986 aus dem Zusammenschluß der Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) (KPD) mit der Gruppe Internationale Marxisten - Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM). Die VSP hat bundesweit rund 450 Mitglieder. In Bayern besteht nur noch eine Ortsgruppe in München. Weitere Mitglieder gibt es verstreut in einzelnen Orten. Die VSP bezeichnet sich als "kleine sozialistische, revolutionäre Partei" mit dem Ziel einer "von tatsächlicher Arbeitermacht geprägten sozialistischen Demokratie". Schwerpunkte in der Agitation der VSP waren 1988 die "Antifaschismusarbeit", "Anti-Atom-", Betriebsund Gewerkschaftsarbeit und Frauenthemen. Nennenswerte Aktivitäten der VSP waren in Bayern nicht zu verzeichnen. Als Organ der VSP wird die vierzehntägig erscheinende "Sozialistische Zeitung" (SoZ) in einer Auflagenhöhe von 2.500 Exemplaren herausgegeben. Theoretisches Organ der Partei ist das "Sozialistische Magazin" mit drei Ausgaben im Jahr. Auch 1988 strebte die VSP die Vereinigung der "revolutionären Linken" an. Fusionsverhandlungen mit dem BWK und anderen Gruppierungen wie der "Freien Arbeiter-Union/Rätekommunisten" (FAU/R) wurden auch 1988 fortgesetzt, ohne konkrete Ergebnisse zu erbringen. Von den VSP-beeinflußten "Autonomen Sozialistischen Jugendgruppen" (ASJG) gingen 1988 bundesweit fast keine Aktivitäten mehr aus. 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 3.3.1 Allgemeines Zum Bereich der Neuen Linken gehören auch die sogenannten undogmatischen Gruppen. Sie sind schwer überschaubar und bestehen häufig aus kleinen, örtlichen Zirkeln oder lockeren kurzlebigen Zusammenschlüssen. Sie lehnen starre Organisationsformen und feste Bindungen an ideologische Dogmen ab, befürworten im politischen Kampf Spontanität, Autonomie und "Selbstorganisation der Unterdrückten". Sie fordern vor allem die Arbeit an der "Basis" und "Selbstbestimmung" in Bezugsgruppen oder persönlichen "Arbeitsfeldern" zur "eigenen Befreiung". Das politische Spektrum dieser undogmatischen Linksextremisten reicht von Anhängern eines "undogmatischen wissenschaftlichen Sozialismus" über Sozialrevolutionäre bis hin zu Anarchisten. Sie alle verfolgen als Endziel die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. Als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele fordern sie vielfach "gewaltfreien" oder gewalttätigen Widerstand. Dabei wird das Widerstandsrecht als "Gegengewalt" aus der "strukturellen Gewalt" des Staates abgeleitet und legitimiert. Innerhalb der undogmatischen Neuen Linken konnte 1988 der anarchistisch orientierte "autonome" Flügel seine Bedeutung weiter festigen. Andere Gruppen dagegen verloren weiter an Einfluß. 71 Neben den undogmatischen Linksextremisten gibt es auch Gruppen, die auf den gleichen Aktionsfeldern, häufig mit ähnlichen Namen und Organisationsformen tätig werden, ohne jedoch extremistische Ziele zu verfolgen. Zu diesem Bereich zählt der größte Teil der sogenannten Alternativen. 3.3.2 "Autonome" Gruppen Etwa ab 1975 bildeten sich vor allem an den Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland immer mehr undogmatische Gruppen. Diese lehnten eine marxistisch-leninistische Konzeption ab und traten für Autonomie, Selbstorganisation der "Unterdrückten" und für Spontanität eigener Gefühlsäußerungen, für Aktionen ein, die "mehr aus dem Bauch heraus" als "aus dem Kopf" kommen sollten. Diese Entwicklung wurde begünstigt durch das Entstehen der "neuen sozialen Bewegungen" (wie z.B. Alternativbewegung, Frauenbewegung, Ökologiebewegung), die versuchten, "am Rande, in Nischen und auf Inseln das Modell einer sanften, solidarischen, ökologisch ausgeglichenen und demokratischen Zivilisation aufzubauen". Zu diesen "Bewegungen" fühlten sich die undogmatischen Gruppen der Neuen Linken an den Universitäten hingezogen. Ende der 70er Jahre traten dann in der norddeutschen Anti-Kernkraft-Bewegung, meist uniform in schwarzes Leder gekleidet, die ersten "Autonomen" als Träger radikal-militanter Widerstandsformen auf. 1980 begann der "Häuserkampf"; die "Hausbesetzerbewegung" breitete sich in der Folgezeit im ganzen Bundesgebiet aus. Neben dem Häuserkampf bestimmten zu Beginn der 80er Jahre der Bau der Startbahn West des Rhein-Main-Flughafens in Frankfurt a. M. und die Anti-AKW-Bewegung die Auseinandersetzungen der "Autonomen" mit dem Staat. Von 1982 bis 1985 befand sich die "autonome" Bewegung nach eigenen Angaben in einem Tief. Der "Tschernobyl-Effekt" ließ sie jedoch in neuer "Stärke" erstehen. Das Fehlen von ausgeprägten Hierarchien und der damit verbundenen Befehlsstrukturen ist ein Wesensmerkmal "Autonomer". Alle Entscheidungen von politischer Tragweite werden von allen Mitgliedern einer Gruppe getroffen. Es gibt zwar Abstimmungen; diese dienen jedoch lediglich der internen Entscheidungsfindung. Die dabei durchgeführten Diskussionen verlaufen langwierig, an ihrem Ende stehen nur selten verbindliche Beschlüsse. Ein Merkmal der antistaatlichen Grundhaltung der "Autonomen" ist die Ablehnung des Parlamentarismus und der ihn tragenden Parteien. Ziel der "Autonomen" ist die Errichtung einer "herrschaftslosen gewaltfreien Gesellschaft", wozu es notwendig sei, "diesen Staat zu zerschlagen". Um dieses Ziel zu erreichen, propagieren die "Autonomen" nicht nur Gewalt, sondern wenden sie auch an. Der Satz "Es ist leider eine Illusion, daß dieser Staat gewaltfrei beseitigt werden kann" hat auch nach den Morden an zwei Polizeibeamten an der Startbahn West des Flughafens Frankfurt a. M. am 2. November 1987 in großen Teilen der autonomen Gruppen seine Gültigkeit behalten. Die Taktik der "Autonomen" besteht darin, daß sie sich zunächst "Freiräume" und "Widerstandsnester" erkämpfen und den "Kampf gegen das System unberechenbar und flexibel führen" wollen, um damit "die Angreifbarkeit" des Staates aufzuzeigen. Dies soll vornehmlich erreicht werden durch die Wahl von Themen, die es ermöglichen, den als alltäglichen "Einpunkt-Widerstand" bezeichneten Kampf als Teil eines breiten gesellschaftlichen "Widerstandes" auszugeben. 72 KOMM NQmbera, M OaOffMfa Konlgstraßa i t t w o c h bis 0355? 2 2 3 6 4 7 Swmrtag AUTONOMENFEST 22. JANUAR 18UHR Die zu diesem Zweck instrumentalisierten politischen Themen reichen von Umweltschutz oder Frauenemanzipation über Anti-AKW-, Anti-Militarismusoder Antifaschismus-Kampagnen bis hin zu Sympathiebekundungen für Terrorgruppen und terroristische Aktivitäten. Die unterschiedliche Wahl der Themen ist auf die fehlende Homogenität der "Autonomen" zurückzuführen. Wo es notwendig erschien, breitere Aktionsbündnisse mit gemäßigten Gruppen einzugehen, geschah dies, z.B. bei Großdemonstrationen. "Autonome" lassen sich aber in der Regel auf keine Diskussionen darüber ein, ob dabei gewalttätige Aktionen vermieden werden sollten. In Bayern bestehen "autonome" Zusammenschlüsse in Augsburg, Coburg, Erlangen, München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg, die unter Bezeichnungen wie "Anti-NATO-Gruppe", "Infoladen-Gruppe", "Basisgruppe", "AntiWAA-Gruppe", "Prolos" und "Jobbergruppe", teilweise auch ohne Namen auftreten. Seit Ostern 1986 haben sich auch im Oberpfälzer Raum "autonome" Gruppen zusammengeschlossen. Anleitung und Unterstützung erhalten sie von den "autonomen" Gruppen aus München, Nürnberg und Erlangen. Das Potential der "Autonomen" beträgt unter Einbeziehung weiterer loser Zusammenschlüsse gegenwärtig in Bayern etwa 300 Personen. Schwerpunkte sind die Großräume München und Nürnberg/Erlangen sowie der Oberpfälzer Raum. 73 Flugblätter der Autonomen (Auszüge) AM 11.6. IN NÜRNBERG Treffpunkt: U-BAHNHOF BÄHENSCHANZE lO U H R "Sozialer FRIEDE"* Der KLASSENFEIND gewinnt! Keine Kriminalisierung von allen in Zusammenhang mit den Schüssen an der Startbahn Verhafteten! Freiheit für alle Gefangenen! Gegen Staat, Kapital und Patriarchat! Autonome lUS NÜmbug n n j Erbngen Die Beteiligung "autonomer" Gruppen in Bayern am Widerstand gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie ging auch 1988 weiter zurück. Hauptthema dieser Kreise war vielmehr die Jahresversammlung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB), die vom 27. bis 29. September in Berlin (West) stattfand. Die seit Jahresbeginn bundesweit angelaufene Kampagne gegen die Jahresversammlung wurde von einem Zusammenschluß "Autonomer" in Berlin (West) ausgelöst, der sich als "IWF-Plenum" bezeichnete. Dieses "IWF-Plenum" hatte bereits im September 1986 in der von den "Autonomen" herausgegebenen Zeitschrift "UNZERTRENNLICH" zum Widerstand gegen die Versammlung "per Argument" und "per Aktion" aufgerufen. Die Notwendigkeit des Widerstandes wurde damit begründet, daß der Internationale Währungsfonds die "zentrale Institution imperialistischer Herrschaft" sei. Dieser Aufruf wurde nicht nur von linksextremen, sondern auch von zahlreichen nichtextremistischen Zusammenschlüssen aufgegriffen. Von der nichtextremistischen Protestbewegung, der sich auch die DKP, die SEW und "Friedensinitiativen" anschlossen, wurden jedoch keine militanten Aktionen in Erwägung gezogen. Militante "Autonome" u.a. aus der Hafenstraße in Hamburg, Kiefernstraße in Düsseldorf, Hausbesetzer und Startbahn-West-Gegner planten dagegen von Anfang an gewaltsame Aktionen gegen Personen und Objekte. Parallel zu dieser von Berlin ausgehenden Entwicklung entstanden auch in Bayern entsprechende Aktionsbündnisse. Als regionale Zentren hatten sich München und Nürnberg herauskristallisiert. Zahlreiche "Autonome" im Bundesgebiet sprachen sich gegen die Beteiligung an den geplanten Aktionen in Berlin (West) aus und plädierten für dezentrale Aktionen im Bundesgebiet; diese Einstellung vertraten auch die "Autonomen" in Bayern. Das Nürnberger Aktionsbündnis zur Anti-IWF/WB-Kampagne, in dem auch "Autonome" mitarbeiteten, rief zu einem "Demonstrationsspektakel" am 2. Juli in Nürnberg auf. Neben dem Aufruf dieses Aktionsbündnisses erschien auch ein gesondertes, von "Autonomen" herausgegebenes Flugblatt zu dieser Veranstaltung, das mit "IWF, eine Mordmaschine läßt sich nicht reformieren!" überschrieben und mit einem fünfzackigen Stern mit Hammer und Sichel versehen war. Dieses Flugblatt, in dem zur Bildung eines "Revolutionären Blocks" auf der Veranstaltung aufgerufen wurde, endete mit der Forderung "Für den Internationalen Klassenkampf". An dem Aufzug beteiligten sich etwa 170 Personen, darunter 70 Personen, die linksextremen und autonomen Gruppen sowie dem terroristischen Umfeld zuzurechnen sind. Herausragendes Ereignis im Rahmen der IWF/Weltbank-Kampagne sollte die für 16. September in München geplante "BündnisDemonstration" werden. Zu dieser Veranstaltung mobilisierten Münchner "Autonome" mit der Absicht, einen süddeutschen revolutionären Block zu bilden. Die Resonanz auf diesen Aufruf war jedoch äußerst gering. Nur etwa 20 Anhänger der "Autonomen" beteiligten sich an diesem Aufzug von insgesamt 600 Personen. Bei weiteren Veranstaltungen, die im Rahmen der Anti-IWFKampagne im bayerischen Raum abgehalten wurden, konnte die gewünschte Mobilisierung ebenfalls nicht erreicht werden. Im Rahmen der Proteste gegen die Jahrestagung wurde auch in Bayern eine Reihe von Sachbeschädigungen festgestellt. Unbekannte Täter verursachten dabei vor allem in Bamberg und Kulmbach erheblichen Schaden, indem sie die Schlösser an den Eingangstüren von Bankgebäuden verklebten. 75 76 An erwähnenswerten Aktivitäten "autonomer" Gruppen im Jahre 1988 sind außerdem zu nennen: Ein sog. "revolutionärer internationalistischer Block" von 100 Personen nahm am Aufzug des DGB zum 1. Mai in Nürnberg teil. Dazu hatten neben Anhängern "autonomer" Gruppen auch der Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) und die Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) aufgerufen. In einem von "autonomen" Gruppen hierzu verbreiteten Aufruf mit dem Titel "Den Angriff gegen Lohnarbeit, Staat und Patriarchat von unten organisieren" betonten die Verfasser, daß "dieses System" nicht unantastbar sei. Kritisiert wurde jedoch, daß die Kämpfe der verschiedenen Gruppen, so z.B. die der Arbeiter, der Jobber, der Frauen und der Atomkraftgegner "bisher voneinander isoliert" abliefen und man "nicht in der Lage sei, zu begreifen", daß "alle Punkte, an denen man beginne, sich zu wehren und zu kämpfen, auf den gleichen Ausgangspunkt zurückzuführen seien, das kapitalistische patriarchale System". Unter dem Motto "Kampf dem Coburger Convent" führte die "Initiative gegen den Coburger Convent 1988", der u.a. DKP, MLPD und VOLKSFRONT sowie anarchistische Gruppierungen angehören, am 23. Mai in Coburg Protestaktionen gegen das Pfingsttreffen des Coburger Convents (CC) durch. An einem 77 Aufzug durch die Innenstadt mit anschließender Abschlußkundgebung beteiligten sich rund 300 Personen aus dem linksextremen Spektrum, darunter über 100 potentielle Störer aus "autonomen" Gruppen. Am 22. Juli besetzten 14 Personen, darunter mehrere "Autonome", ein zum Abbruch vorgesehenes Haus in Erlangen. An den Fenstern war u.a. ein Transparent mit der Aufschrift "Dieses Haus ist besetzt" angebracht. Nach zwei Stunden räumte die Polizei das Gebäude und nahm alle an der Besetzung beteiligten Personen vorläufig fest. Im Haus wurden u.a. zwei Kanister mit brennbarer Flüssigkeit, ein Kanister mit Bitumen, Funkgeräte, Werkzeug und eine größere Menge Verbarrikadierungsmaterial sichergestellt. In einer Erklärung, die in einer Erlanger Alternativzeitschrift abgedruckt war, forderten die Besetzer u.a., "diesen billigen Wohnraum in Innenstadtnähe zu erhalten". Ferner beabsichtigten die Besetzer, in den Räumen des Hauses ein "freies, autonomes Kulturund Informationszentrum" einzurichten. 3.3.3 Anarchisten 3.3.3.1 Münchner anarchistische Fraktion innerhalb der Autonomen (M.a.F.i.A.) Die Anarchistische Arbeiter Union (AAU) hat in der gemeinsamen Beilage zu den Publikationen von BWK, VSP u.a. im März ihre Auflösung erklärt. Die AAU, die etwa Ende 1984 durch eine Abspaltung von der Freien Arbeiter Union (FAU) entstanden war, begründete ihre Auflösung mit internen Schwierigkeiten. So habe man versucht, sich nach einer "personellen und konzeptionsmäßigen Krise" mehr zu öffnen und z.B. mit "Autonomen" verstärkt zusammenzuarbeiten. Dies habe dazu geführt, daß sich nunmehr eine neue anarchistische Gruppe zusammengefunden habe, die sich als "Münchner anarchistische Fraktion innerhalb der Autonomen" (M.a.F.i.A.) bezeichne. Die M.a.F.i.A., in der auch die verbliebenen Mitglieder der AAU mitarbeiten, ist nach Aussagen der Verfasser "in gewissem Sinn" als "Weiterentwicklung der AAU" anzusehen. "Sie übernimmt auch deren Funktionen, wie den Kontakt zu anderen Städten, und führt auch die aufgebauten Ansätze von Zusammenarbeit mit anderen revolutionären Gruppen und Organisationen weiter". Als neue Anschrift der M.a.F.i.A., der etwa 10 Personen angehören, ist ein "Infoladen" in München angegeben. Anläßlich einer Demonstration am 6. Februar in München verbreitete die M.a.F.i.A. Flugblätter, in denen sie sich mit einem bereits im November 1987 veröffentlichten, von Mitgliedern der Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) verfaßten "offenen Brief an die Autonomen" auseinandersetzte. In dem offenen Brief hatten die Verfasser'die Ideologie und vor allem die gewalttätigen Aktionen der "autonomen" Gruppen kritisiert. Die M.a.F.i.A. betonte in diesem Zusammenhang, daß sie "militante Aktionen" auch jetzt für nützlich und erforderlich halte, denn so lasse sich "zum Teil konkret bereits etwas erreichen (vgl. Adler/Südkorea, Hafenstraße ...)". Es gehe darum, "die Angreifbarkeit des Staates aufzuzeigen". Auch der Einsatz von Schußwaffen könne in einer "nicht-revolutionären Situation nötig sein", so daß man sich nicht grundsätzlich von diesem Mittel distanziere. So könne es auch nicht darum gehen, die "Zwil78 len wegzuschmeißen", sondern es gehe darum, "die Zwillen und vieles andere" als Mittel der Autonomen "sinnvoll einzusetzen". Die M.a.F.i.A. bekräftigte, daß sie das Gewaltmonopol des Staates niemals akzeptiere und sich niemals auf die Mittel beschränken werde, die der Staat ihr zugestehe. 3.3.3.2 Anarchistische Föderation Nordbayern (AFNB) Die 1986 in Bamberg gegründete AFNB, der sich Gleichgesinnte aus Aschaffenburg, Bamberg, Regensburg und Würzburg anschlossen, führte 1988 einige Veranstaltungen durch, die in der Öffentlichkeit jedoch kaum Beachtung fanden. Der AFNB dürften rund 25 Personen angehören. 3.4 Linksextreme Schriften Eine besondere Bedeutung für den Informationsaustausch innerhalb der undogmatischen Neuen Linken haben Publikationen, die auch über terroristische Aktionen informieren und Erklärungen terroristischer Gruppen und ihres Umfeldes abdrucken. Im regionalen Bereich gehört hierzu die Zeitschrift "freiraum". Sie veröffentlichte 1988 wiederholt Artikel, in denen zur Begehung von Straftaten aufgefordert wurde oder Straftaten gebilligt wurden. Aus den Beiträgen ist ersichtlich, daß es den Verfassern in erster Linie darum geht, die Zielvorstellungen und Anschlagstätigkeiten militanter Gruppen einem möglichst großen Interessentenkreis zu vermitteln. So enthielt die Ausgabe "Frühling 88" eine Selbstbezichtigung der "Revolutionären Zellen" (RZ) zu dem Sprengstoffanschlag auf Lastkraftwagen der US-Armee am 22. Februar in Göppingen. Ferner war eine Erklärung zum Hungerstreik von inhaftierten Mitgliedern der französischen Terrororganisation "Action Directe" sowie ein offener Brief der M.a.F.i.A. abgedruckt, in dem sie sich eindeutig zu gewalttätigen Aktionen bekennt. In der Ausgabe."Sommer88" beklagte sich ein Redaktionsmitglied über die mangelnde Unterstützung durch Personen des "autonomen" Spektrums. Im Zusammenhang mit der Jahresversammlung des IWF und der Weltbank wurde die Verschuldung der "3. Welt" aus "autonomer" Sicht dargestellt. Wörtlich heißt es u.a. in diesem Artikel: "Stören wir den IWF-Kongreß und zeigen wir praktische Solidarität mit allen Völkern! Ob gewaltfrei oder kompromißlos, versetzen wir ihnen den letzten Stoß! Solidarität heißt, den Widerstand gegen Unterdrückung auch hier entwickeln." Erwähnenswert ist auch ein Artikel mit dem Titel "Der autonome Orgasmus: Die Guerilla". Die unbekannte Verfasserin, die sich eindeutig zum "bewaffneten Kampf" bekennt, kritisiert in diesem Beitrag die ihrer Meinung nach häufig wenig durchdachten und schlecht vorbereiteten Anschläge von "Autonomen", betont jedoch ausdrücklich, daß es wichtig sei, "Personen oder Sachen anzugreifen", denn "Aktionen gehören zum autonomen Kampf wie Flugis verteilen, Veranstaltungen organisieren ..." und gibt eine Reihe von Hinweisen zu deren Planung und Durchführung. Die erwähnten Ausgaben wurden beschlagnahmt; der allgemeine Beschlagnahmebeschluß für die Ausgabe "Frühling 88" wurde inzwischen aufgehoben. Im Juli erschien nach zehnmonatiger Pause die Ausgabe Nr. 134 des "autonomen" Szeneblattes "radikal". Sie bestand aus zwei Heften, die den Abonnen79 ten auf dem Postwege mit fingierten Absendern zugeschickt wurden. Als Kontaktadresse war die Anschrift der Züricher "Wochenzeitung" (WOZ), einer Publikation der Alternativpresse, angegeben. Heft 1 befaßte sich ausführlich mit der "Repressionswelle" und dem "Justizterror" des Staates. Zu den "Startbahndurchsuchungen und Festnahmen" wird geäußert, durch "das Verrecken von zwei Bullen" hätten die Strafverfolgungsbehörden "einen Freischein, Menschen einzuknasten, zwangszuverhören und zu foltern". Das Heft 2 enthält u.a. ein Thesenpapier "zum Sinn militanter Aktionen". Wichtig sei, so heißt es dort, "die Schaffung von Zusammenhängen, die es ermöglichen, Firmen wegen einzelner Schweinereien immer wieder und so oft anzugreifen, bis sie sich aus Kostengründen beugen". In diesem Zusammenhang begrüßten die Verfasser die Anschläge der "Roten Zora". Wie in der Vergangenheit veröffentlichte "radikal" auch wieder Erklärungen der RZ und anderer militanter Gruppen zu terroristischen Anschlägen, ferner Anleitungen zur Herstellung von Sprengsätzen und zur Anfertigung einer "Auszieherkralle". Die Ausgabe Nr. 135, Oktober 88, mit gleicher Kontaktanschrift, enthält als Schwerpunkt Äußerungen zu den Protestaktionen in Berlin anläßlich der IWFund Weltbanktagung. U.a. schreiben die unbekannten Verfasser, die Aktionstage seien nicht nur ein heftiges Aufflackern phantasievoller Widerstandsformen gewesen, sie hätten vielmehr auch einen offensiven Schritt für eine gemeinsame antiimperialistische, antipatriarchale Perspektive und konkrete Angriffsziele bedeutet. Seit dem Frühjahr 1986 erscheint sporadisch das mittlerweile bundesweit verbreitete "autonome" Szeneblatt "UNZERTRENNLICH". Die Ausgabe Nr. 8 "Frühjahr 88" befaßt sich vor allem mit der Situation des "militanten Widerstandes" nach den Morden an zwei Polizeibeamten an der Startbahn West. Die unbekannten Verfasser fordern, daß die notwendige Auseinandersetzung über autonome Politik ehrlich und solidarisch geführt werden müsse. Die Diskussion dürfe nicht beim Begriff "Militanz" stehen bleiben, sondern müsse die Inhalte, Analysen, Organisierungsansätze und politischen Perspektiven der Bewegung genauer bestimmen. Nur so sei die "momentane Sprachlosigkeit gegenüber der rollenden Repressionswelle" zu überwinden. Die Ausgabe Nr. 9 "Sommer 88" veröffentlichte mehrere Beiträge zum "autonomen Knastkampf". Wie die unbekannten Herausgeber schreiben, wolle man mit dieser Debatte zur "Entwicklung revolutionärer Gegenmacht, drinnen wie draußen" beitragen. Hinsichtlich der seit Jahren von RAF-Angehörigen geforderten Zusammenlegung inhaftierter Genossen werden unterschiedliche Meinungen vertreten. Sie reichen von Zustimmung bzw. Weiteren.twicklung der Zusammenlegungsforderung bis hin zu deren Ablehnung. Ein weiterer Artikel befaßt sich mit der "Bedeutung revolutionärer Gewalt und politischer Organisation". Er beschreibt wesentliche Aspekte des "Sozialrevolutionären Kampfes" in den "Metropolen" und fordert eine Neuorientierung militanter Politik. Eine weitere diesem Bereich zuzurechnende Publikation trägt den Titel "KRIMINALISIERUNGSRUNDBRIEF". Die ab November verbreitete Doppelausgabe (Nr. 22/23) enthält das Selbstbezichtigungsschreiben des Kommandos "Khaled Aker" der RAF zum mißlungenen Anschlag auf den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Dr. Hans Tietmeyer sowie die gemeinsame Erklärung der 80 RAF und der italienischen Terrororganisation Rote Brigaden (BR) mit der Ankündigung einer gemeinsamen Offensive. Ferner enthält das Blatt zahlreiche Selbstbezichtigungen zu Brandanschlägen, die im Zusammenhang mit der IWF/Weltbanktagung verübt wurden, und die Taterklärung der "Autonomen Zelle Steve Biko" zum Sprengstoffanschlag auf eine Firma in Bremen. 4. Linksextremer Einfluß auf die "Anti-AKW-Bewegung" 4.1 Allgemeines Die friedliche Nutzung der Kernenergie und die damit verbundenen Probleme der Entsorgung und Endlagerung waren schon in früheren Jahren wiederholt Anlaß für bundesweite Protestaktionen von Kernkraftgegnern. Die Entscheidung der Betreiberfirma, eine Wiederaufarbeitungsanlage für abgebrannte Brennelemente in Wackersdorf (WAW) zu errichten, führte seit 1986 zu einer Verlagerung der gegen Kernkraftwerke gerichteten Aktivitäten vom norddeutschen Raum (Grohnde, Brokdorf und Gorleben) nach Bayern. Im Vergleich zu den Vorjahren ist jedoch eine weitgehende Beruhigung eingetreten. An den Protestaktionen der "Anti-AKW-Bewegung" gegen den Bau der WAW, die 1988 nur noch ganz vereinzelt stattfanden, beteiligten sich aus dem orthodox-kommunistischen Spektrum - mit unterschiedlicher Intensität - die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), der Marxistische Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) mit seinem ständigen Bündnispartner, dem Sozialistischen Hochschulbund (SHB), die Deutsche Friedens-Union (DFU), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (WN-BdA), die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK), die Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA) und das Nürnberger Friedensforum. Die DKP und vielfach auch die von ihr beeinflußten Gruppierungen begründeten ihre ablehnende Haltung im wesentlichen damit, daß die WAW den "Griff zur Atombombe" ermögliche. Neben den orthodoxen Kommunisten beteiligten sich an der "Anti-AKW-Be wegung" auch Gruppierungen der dogmatischen und undogmatischen Neuen Linken. Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) sieht in der WAW ein Großprojekt, das gegen den entschiedenen Widerstand der Bevölkerung durchgezogen werden solle. Die Errichtung der WAW ist für die MLPD Teil der atomaren Aufrüstungspläne des "imperialistischen Systems" der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb fordert sie zum aktiven Widerstand statt symbolischer Aktionen auf. Auch die linksextrem beeinflußte Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) wendet sich gegen die Errichtung der WAW mit der Behauptung, die WAW sei energiepolitisch und waffentechnologisch ein entscheidender Schlußbaustein für die schon laufenden Kriegsvorbereitungen. Das vom Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) beeinflußte Anti-Strauß-Komitee (ASKo) sieht in der "Plutoniumfabrik" in Wackersdorf den "vorläufigen Höhepunkt der Wiederbewaffnung" der Bundesrepublik Deutschland. Von "autonomen" Gruppierungen und anderen militanten Kernkraftgegnern, die 1986/87 Hauptträger der aggressiven Militanz gegen die WAW waren, gin81 gen 1988 nur noch wenige Aktivitäten aus. Zwar wurden zahlreiche Polizeidienstfahrzeuge durch ausgelegte Krähenfüße beschädigt, einzelne Hindernisse an Straßen und auf Gleisen der Bundesbahn aufgebaut sowie mehrere Brandanschläge durchgeführt. Die gewalttätigen Ausschreitungen am Bauzaun, wie sie vor allem 1986 stattfanden, haben sich jedoch nicht wiederholt. In verschiedenen Szeneschriften wird die Resignation der "Autonomen" in ihrem Kampf gegen die WAW kritisiert, so auch in der von Berliner "Autonomen" Ende Juli verbreiteten Broschüre mit dem Titel "ABGEBRANNT - Eine Wiederaufarbeitung des Widerstands gegen die WAA Wackersdorf 1981-88 aus autonomer Sicht". Die Broschüre enthält nicht nur einen umfassenden chronologischen Abriß des Anti-AKW-Kampfes in der Oberpfalz, sondern bietet darüber hinaus Einblick in autonome Strategie und Taktik. Die Verfasser - Autonome aus Berlin (West), der Oberpfalz, Erlangen und München - wollen mit dieser Broschüre auf Fehler in der autonomen Politik hinweisen und Perspektiven für den Widerstand nennen. Es bestünden in der Oberpfalz "weiterhin gute Bedingungen für den Kampf gegen die Atommafia", denn das Brennelementeeingangslager in Wackersdorf werde demnächst fertiggestellt und damit würden die Atomtransporte durch die Oberpfalz Realität. Der Schwerpunkt autonomer Politik habe sich zwar von der Region weg verlagert; dennoch bleibe der AntiWAW-Kampf ein wichtiger Bezugspunkt, "um systemsprengende Ansätze auszumachen und Funken zu setzen". 4.2 Einzelfälle Anhänger von Gruppen der Neuen Linken und auch Mitglieder der DKP gehörten zu den etwa 200 Teilnehmern eines bundesweiten "Aktionsund Koordinierungstreffens" der "Anti-AKW-Bewegung" am 24. Januar in Marburg. Auf dem Treffen bestand Einvernehmen, daß Atommülltransporte weiterhin behindert werden müßten. Anläßlich einer Demonstration gegen die Kernenergie am 15. Januar auf dem Marienplatz in München verteilten DKP-Funktionäre die Extra-Ausgabe der DKP-Zeitung "Report Neues München", die u.a. Beiträge zum "AtommüllSkandal" enthielt. Bei einem Aufzug am 16. Januar in Augsburg zum Thema "Atomfilz", zu dem verschiedene Organisationen und Initiativen aufgerufen hatten, stellten die Anhänger der DKP und der SDAJ die zahlenmäßig größte Gruppe. Ein DKP-Funktionär eröffnete mit einer Ansprache zum Thema "Transnuklear-/ Nukem-Skandal" am 16. Januar eine Demonstration des "Aktionskreises gegen WAA" in Regensburg, an der sich rund 200 Personen beteiligten. Als Unterstützer der Demonstration traten verschiedene Organisationen auf, darunter die DKP, die SDAJ, der MSB Spartakus und der Sozialistische Hochschulbund (SHB). Anhänger von DKP, SDAJ und BIFA sowie "Autonome" beteiligten sich am 6. Februar in München an einem Aufzug von etwa 2.500 Personen zum Thema "Gegen Atommüllverschiebung & Inbetriebnahme von Ohu II". Eine Gruppe von "Autonomen", die als geschlossener Block hinter einer schwarzen Fahne mit fünfzackigem Stern und Anarcho-Zeichen (ein von einem Kreis umschlos82 senes A) marschierte, rief wiederholt in Sprechchören "Feuer und Flamme für diesen Staat". Auf der Schlußkundgebung am Marienplatz forderte ein DKPFunktionär den Ausstieg aus der Kernenergie und die Demokratisierung der gesamten "Atomwirtschaft". Im Zusammenhang mit dem Absturz eines französischen Militärflugzeuges Ende März in der Nähe der Kernkraftwerke Isar I und II bei Ohu, Landkreis Landshut, erklärte die DKP-Südbayern, sie verurteile die mit den Tiefflugmanövern verbundene "Gefährdung der Bevölkerung". Ein Absturz von Jagdbombern auf Kernkraftwerke könne eine Atomkatastrophe auslösen, die das gesamte Leben unseres Kontinents bedrohe. Die Sorglosigkeit des Innenministeriums zeige, die "bayerische Atommafia gehe notfalls über Leichen". Der Absturz der Militärmaschine sei ein erneutes Signal zum sofortigen "Ausstieg aus der Atomwirtschaft" und für die "Beendigung von Tiefflugmanövern". Im Rahmen des bundesweiten Aktionstages am 5. März gegen das "Bonner Atomprogramm" beteiligten sich Mitglieder der DKP und der von ihr beeinflußten Vereinigungen sowie Kräfte der Neuen Linken in großer Zahl an den Demonstrationen und Kundgebungen in Gorleben, Essen, Frankfurt a.M. und Regensburg. Zu den Organisatoren der Protestaktion in Regensburg gehörte auch der örtliche DKP-Kreisvorsitzende. Etwa 4.000 Personen, darunter zahlreiche Linksextremisten, nahmen an einer bundesweiten Demonstration zur Stillegung aller Atomanlagen am 19. März in Hanau teil. Zu der Veranstaltung hatten auch die DKP, mehrere ihrer Vorfeldorganisationen und auch Gruppen der Neuen Linken mobilisiert. Die stellvertretende DKP-Vorsitzende Ellen Weber und das DKP-Präsidiumsmitglied Werner Stürmann gingen im Demonstrationszug mit; DKP-Mitglieder forderten "Stoppt die Atommafia - Keine Bombe aus Hanau!". Auf der Abschlußkundgebung sprach u.a. auch ein Vertreter der WN-BdA. Verschiedene bundesweite Vorbereitungstreffen zu der Demonstration in Hanau hatten einen tiefen Zwiespalt unter den beteiligten Gruppen erkennen lassen. Die Entscheidung der örtlichen Initiativen für eine gewaltfreie Demonstration und der Ausschluß militanter Gruppen bei der Formulierung der Aufrufe hatten dazu geführt, daß sich "Autonome" und militante AKW-Gegner aus Nordund Süddeutschland von dieser Veranstaltung distanzierten und nicht daran teilnahmen. 5. Linksextremer Einfluß auf die "Friedensbewegung" 5.1 Allgemeines Die Linksextremisten bilden innerhalb der "Friedensbewegung" zahlenmäßig nach wie vor eine Minderheit. Der kommunistische Einfluß auf die "Friedensbewegung" geht aber andererseits über seinen zahlenmäßigen Anteil hinaus, weil er wesentlich von der Intensität der Propaganda und dem Engagement innerhalb der unterschiedlichen Gruppen abhängt. Die Gruppierungen der "Friedensbewegung" können unter Berücksichtigung des linksextremen Einflusses in zwei große Lager zusammengefaßt werden, und zwar in den "traditionellen" und den "autonomen/unabhängigen" Flügel. Die Aktivitäten der "Frie83 densbewegung" gingen deutlich zurück. Diese Entwicklung ist Ausfluß des positiven Ergebnisses der Abrüstungsverhandlungen zwischen Ost und West. Seit Jahren versuchen orthodoxe Kommunisten, mit Kampagnen für "Frieden und Abrüstung" auch innerhalb der "Friedensbewegung" eine Massenbasis für ihre weitergehenden verfassungsfeindlichen Ziele zu gewinnen. Zu diesem Zweck rufen sie Initiativen, Komitees und sonstige Vereinigungen ins Leben und beteiligen sich aktiv an bereits bestehenden nichtextremistischen Gruppierungen und Initiativen. Bei diesem sogenannten "Friedenskampf" bedient sich die DKP ihrer Nebenorganisationen SDAJ, MSB Spartakus und JP sowie der von ihr beeinflußten Gruppierungen wie KFAZ, DFU, DFG-VK, WN-BdA, "Friedensliste" und linksextrem beeinflußter "Friedensinitiativen". Der "Friedenskampf" ist Teil einer von der KPdSU weltweit betriebenen Kampagne, bei der der prosowjetische Weltfriedensrat (WFR) bisher eine zentrale Stellung einnahm. Die Bedeutung des WFR in der "Friedensbewegung" ist jedoch erkennbar zurückgegangen, da er kaum noch in die Propagierung der neuen Außen-, Sicherheitsund Abrüstungspolitik der Sowjetunion einbezogen wird. Dem WFR gehören Personen und Organisationen aus mehr als 130 Ländern an. Aus der Bundesrepublik Deutschland sind dies die DFU und die WN-BdA als kollektive Mitglieder sowie verschiedene Einzelpersonen wie z.B. das DKPPräsidiumsmitglied und Mitglied des KFAZ-Büros Martha Buschmann, die 1983 in den Kreis der Vizepräsidenten des WFR gewählt wurde, und der ehemalige Bundesvorsitzende der DFG-VK und Mitglied des KFAZ-Büros Klaus Mannhardt. In seiner Satzung wendet sich der WFR u.a. gegen Massenvernichtungswaffen, Aufrüstung, militärische Stützpunkte im Ausland, Rassismus und Kolonialismus und fordert die "friedliche Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlichen politischen Systemen". Für 1988 sah der WFR die Schwerpunkte seiner Kampagnen bei der Schaffung von atomwaffenfreien Zonen, insbesondere in Europa, dem Verbot aller Atomwaffenversuche und der Verhinderung der Militarisierung des Weltraums. Einer der Träger der auf Bundesebene geführten "Friedenskampagnen" war das 1974 unter maßgeblicher orthodox-kommunistischer Beteiligung gebildete Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ). Seinem Leitungsgremium, dem "Büro", gehören führende Funktionäre der DKP, der DFU und der WN-BdA an. Insgesamt 10 der 16 Angehörigen des "Büros" sind direkt oder indirekt über ihre Organisationen DFU und WN-BdA Mitglieder des WFR. Bundesweit bestehen örtliche Komitees und Initiativen des KFAZ. Wie in den Jahren vorher arbeitete das KFAZ im "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" (KA) mit. An Publikationen gibt das KFAZ ein "Friedensjournal", einen "Friedensschnelldienst" und eine "Friedensinformation" heraus. Zu den "Herbstaktionen" der "Friedensbewegung" erklärte die stellvertretende DKP-Vorsitzende, die "Friedensbewegung" habe zwar ihre Wachsamkeit und Aktionsbereitschaft erneut bewiesen; eine Massenmobilisierung wie in den frühen 80er Jahren sei jedoch nicht zustandegekommen. Sie brauchten ein durch Initiativen vorbereitetes Klima und einen Anlaß, der Bedrohung oder Hoffnung auf einen Punkt bringe. Deshalb seien gegenwärtig drei mit Unterschriftensammlungen verbundene Initiativen, und zwar der "Bonner Friedensappell '88", die Initiative gegen den 84 "Jäger 90" und die Initiative "Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz" besonders wichtig. Die Bevölkerung müsse über solche Unterschriftenaktionen mobilisiert werden. Mit der Unterzeichnung des INF-Vertrags hat der orthodox-kommunistisch orientierte Teil der "Friedensbewegung" den wesentlichen Gegenstand seiner bisherigen Kampagne verloren. Im Dezember 1987 wurde daher eine neue Kampagne mit den Hauptforderungen "Für ein atomwaffenfreies Europa und die Beseitung aller Massenvernichtungswaffen, für eine deutliche Reduzierung der konventionellen Waffen, der Truppenstärken und der Rüstungsausgaben, für die Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion und Osteuropas, für gerechte Beziehungen zu den Völkern der Dritten Welt und den Stopp aller Rüstungsexporte statt europäischem Großmachtstreben" eingeleitet. Mit Unterschriftensammlungen verbundene Initiativen wandten sich - in Übereinstimmung mit der Grundposition der DKPgegen den Bau des "Jäger90", forderten "Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz!" und richteten den "Bonner Friedensappell '88" an die Öffentlichkeit. Deutlich abgesetzt von diesem Spektrum besteht ein autonom/unabhängiger Teil der "Friedensbewegung", dem neben anarchistischen "Gewaltfreien Aktionsgruppen", "Anti-Kriegs"-Gruppen der undogmatischen Neuen Linken und radikal-pazifistischen Initiativen auch Gruppen der Umweltschutzbewegung, Dritte-Welt-Komitees, Grüne und christlich orientierte sowie sonstige nichtextremistische "Friedensinitiativen" zuzurechnen sind. Dieses Spektrum ist zu einem Teil in der mittlerweile in "Bundeskoordination unabhängiger Friedensgruppen" (BUF) umbenannten "Bundeskonferenz unabhängiger Friedensgruppen" organisiert. Die Integrationsfunktion dieser BUF, in deren Trägerkreis Anhänger der Neuen Linken maßgeblich mitarbeiten, nahm durch den Austritt der anarchistischen Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) weiter ab. Die BUF ist auch nicht mehr in der Geschäftsführung des "Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung" (KA) vertreten; ihren Sitz im KA hat sie jedoch behalten. Innerhalb des Spektrums der Autonomen/Unabhängigen waren ideologische Gemeinsamkeiten kaum erkennbar. Diese Gruppen waren weder gewillt noch in der Lage, Massenaktionen selbst durchzuführen. Das autonom/unabhängige Spektrum setzte sich vor allem mit dem Komplex "Rüstung und Militarisierung" sowie mit "Sozialer Verteidigung" auseinander. 5.2 Agitationsund Aktionsschwerpunkte Erster Aktionshöhepunkt 1988 waren die "Ostermärsche" vom 2. bis 4. April. Bundesweit demonstrierten in mehr als 300 Städten und Gemeinden rund 85.000 (1987: 100.000) Personen mit "Friedensmärschen", Radtouren, Kundgebungen und vereinzelten "symbolischen Blockaden" für Abrüstung, Verzicht auf Nachrüstung bei den Kurzstreckenraketen, Einhaltung des INF-Vertrags, Schaffung von atomund chemiewaffenfreien Zonen sowie Senkung der Rüstungsausgaben. Wie in den Vorjahren hatten die DKP und die von ihr beeinflußten Organisationen - vor allem die Deutsche Friedens-Union (DFU) - auf die Vorbereitung und Durchführung der Aktionen maßgeblich Einfluß genommen. 85 An den "Ostermärschen" in Bayern nahmen insgesamt 17.000 (1987: 20.000) Personen teil. Träger der Veranstaltungen waren meist örtliche oder regionale "Friedensinitiativen", die teilweise von linksextremen Gruppen aktiv unterstützt wurden. Bei mehreren Veranstaltungen traten als Anmelder, Leiter oder Redner DKP-Aktivisten oder Vertreter DKP-beeinflußter Organisationen auf. Aktionshöhepunkte in Bayern waren die Kundgebungen am 2. April in München mit etwa 4.500 Teilnehmern und am 4. April in Nürnberg mit etwa 6.000 Personen. Weitere Veranstaltungen mit linksextremer Beteiligung fanden in Aschaffenburg, Augsburg, Kaufbeuren, Lindau, Peißenberg und in den Landkreisen Eichstätt, Mühldorf und Würzburg statt. Zu den Aufrufern und Teilnehmern zählten u.a. Angehörige der DKP, SDAJ, JP, WN-BdA, DFG-VK, DFI, MLPD und des AB. Zum 7. und 8. Mai lud der bundesweite "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" (KA), in dem neben Demokraten auch Linksextremisten mitarbeiten, zur diesjährigen "Aktionskonferenz der Friedensbewegung" nach Tübingen ein. Unter den rund 400 Teilnehmern waren zahlreiche Mitglieder linksextremer und linksextrem beeinflußter Gruppierungen sowie Vertreter aus der Sowjetunion und der DDR. Für die DKP waren u.a. die stellvertretende Parteivorsitzende Ellen Weber und Mitarbeiter des Parteivorstandes anwesend. Die Konferenzteilnehmer diskutierten Perspektiven und Aktionsmöglichkeiten der "Friedensbewegung" nach Abschluß des Vertrages zur Beseitigung atomarer Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag) und einigten sich auf eine neue langfristig angelegte Aktionsund Informationskampagne unter dem Motto "Wer Frieden will, muß den Frieden vorbereiten: Versöhnung mit der Sowjetunion, Atomwaffen abschaffen, Europa abrüsten!". Aktionen in Böblingen gegen die Aufstellung einer deutsch-französischen Brigade am 1. Oktober, am sog. "NATO-Kriegsführungsbunker" in Linnich/Glimbach am 15. Oktober, am Sitz des Bundesamtes für Wirtschaft in Eschborn sowie in Schwalbach am 12. November gegen "BRD-Rüstungsexporte in die Dritte Welt" und während der Tagung der Nordatlantischen Versammlung vom 12. bis 17. November in Hamburg sollten die neue Kampagne einleiten. Ferner beschlossen die Teilnehmer, die Protestaktionen vom 23. bis 25. September gegen die Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Berlin (West) zu unterstützen. Die nordund südbayerische "Friedensbewegung" hatten auf regionalen Konferenzen entschieden, die Böblinger Aktion am I.Oktober mitzutragen. Das Münchner Friedensbündnis - ein Zusammenschluß aus 14 Organisationen, darunter die DKP-beeinflußten Gruppen DFG-VK, DFU, Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA), "Münchner Friedensforum" und W N - BdA - führte am 16. September in München eine Informationsveranstaltung zum Thema "Deutsch-französische Brigade - erster Schritt zur westeuropäischen Atommacht" mit etwa 150 bis 200 Personen durch. An der Diskussionsrunde beteiligten sich u.a. Vertreter der DKP und der "Friedensliste". Übereinstimmend wandten sich die Referenten gegen eine militärische und rüstungswirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich. 86 Das orthodox-kommunistisch beeinflußte "Nürnberger Friedensforum" veröffentlichte zu den "Aktionstagen der nordbayerischen Friedensbewegung" vom 1. bis 15. Oktober ein Veranstaltungsprogramm unter dem Motto "Kein Rüstungsund Atomzentrum Bayern! Frieden schaffen! Gemeinsam für eine soziale und gerechte Welt ohne Waffen!". Die DFU-gesteuerte Krefelder-Initiative (Kl) führte am 22723. Oktober in Kassel ihr 7. Forum unter dem Leitgedanken "Die Chancen nutzen - Abrüsten!" mit etwa 300 Teilnehmern durch, darunter zahlreiche Linksextremisten und Angehörige DKP-beeinflußter Organisationen. In einem dort verabschiedeten "Appell gegen eine neue Nachrüstung" fordert die Kl die Bundesregierung und die Regierungen aller der NATO angehörenden Staaten auf, Gorbatschows Abrüstungsvorschläge mit einer Konzeption der Abrüstung und nicht mit einer als Modernisierung getarnten neuen Nachrüstung zu beantworten. Die Beseitigung der atomaren und chemischen Waffen, eine drastische Verringerung der konventionellen Rüstung und die Unterstützung der von der DFU mitgetragenen Kampagne gegen den "Jäger 90" sind weitere Ziele. Im Rahmen der "Friedenswochen '88" fanden im November mehrere friedenspolitische Aktionen statt. Unter dem Motto "Frieden schaffen ohne Waffen" rief ein aus 13 Gruppierungen bestehender Aufruferkreis in München zur Teilnahme an den vom 5. bis 26. November angebotenen Veranstaltungen auf. Dem Aufruferkreis gehörten neben demokratischen Gruppen auch die orthodoxkommunistisch beeinflußten Gruppierungen Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA), Münchner Friedensforum, Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) und Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (WN-BdA) an. Zum Auftakt der "Münchner Friedenswochen" sprach der Landesvorsitzende der WN-BdA vor rund 120 Zuhörern über "Judenpogrome". Höhepunkt der "Münchner Friedenswochen" war eine gemeinsame Konferenz von "Münchner Friedensinitiativen" zum Thema "Aus München soll ein Friedenszentrum werden!". Nach der Eröffnung der Konferenz durch die DKP-Funktionärin und Landessekretärin der WN-BdA fanden Einführungsreferate zu den Themen "Friedensmedizin", "Rüstungskonversion" und "Abbau von Feindbildern" statt. Am 26727. November führte das orthodox-kommunistisch beeinflußte "Nürnberger Friedensforum" einen "Dialog für den Frieden" mit Mitgliedern des Friedensrates der CSSR in Nürnberg durch. In drei Arbeitsgruppen wurden dabei die Themen "Gemeinsames Haus Europa", "Frieden und die globalen Probleme der Umweltzerstörung, des Hungers und der Unterentwicklung" und "Frieden und die Verwirklichung der Menschenrechte" diskutiert. Auf Einladung des Münchner Friedensbündnisses trafen sich am 11. Dezember in München Vertreter von rund 20 südbayerischen Friedensgruppen zum "Südbayerischen Friedensratschlag". Leiterin der Veranstaltung war die Landessekretärin der WN-BdA, die auch dem Vorstand der DKP-Bezirksorganisation Südbayern angehört. Zum Thema "Modernisierung von NATO-Waffen" sprach ein Münchner DKP-Funktionär. Die Teilnehmer legten die Schwerpunkte der "Friedensarbeit" für 1989 fest. Einen Schwerpunkt sollen Aktivitäten zum 50. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs (1. September) bilden. 87 2. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines Der Rechtsextremismus verfügt im Gegensatz zum Linksextremismus orthodoxer Prägung nicht über ein theoretisches System, das über Länderund Kulturgrenzen hinweg Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Die Bestrebungen rechtsextremer Organisationen sind in der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß sie die Grundlagen der Demokratie ablehnen und - aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt - eine totalitäre Regierungsform unter Einschluß des Führerprinzips anstreben. Bestimmende Merkmale des Rechtsextremismus sind vor allem -- die pauschale Überbewertung der Interessen der "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die auf eine Aushöhlung der Grundrechte abzielt (völkischer Kollektivismus), -- ein den Gedanken der Völkerverständigung mißachtender Nationalismus, -- die offene oder verdeckte Wiederbelebung des Antisemitismus und anderer rassistischer Thesen, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, -- immer wiederkehrende Versuche, das NS-Regime unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des Dritten Reiches zu rechtfertigen und dabei seine Verbrechen zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige Diffamierung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten in der Absicht, den überragenden Wert der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in den Augen der Bevölkerung zu erschüttern. Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen rechtsextremen Organisationen zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Mittel des Kampfes gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. Im Jahre 1988 betätigten sich in Bayern 28 (1987: 29) rechtsextreme Organisationen und Gruppen mit rund 5.200 Mitgliedern bzw. Anhängern (1987: 4.880). Innerhalb des organisierten Rechtsextremismus stellten die Deutsche Volksunion e.V. (DVU) mit ihren Aktionsgemeinschaften, die Deutsche Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D) und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands 88 (NPD) einschließlich ihrer Jugendund ihrer Studentenorganisation mit zusammen rund 4.600 Mitgliedern in Bayern den größten Anteil. Aufmerksamer Beobachtung bedarf das Erstarken der DVU-Liste D, zumal sich deren Zusammenarbeit mit der NPD intensivierte und dem Rechtsextremismus im Jahre 1988 insgesamt weiteren Auftrieb gab. Bei den neonazistischen Organisationen wiesen die Aktivitäten eine rückläufige Tendenz auf, während die Mitgliederzahlen stagnierten. Die vorwiegend von ehemaligen Anhängern der verbotenen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) getragene "Bewegung" blieb in zwei rivalisierende Lager gespalten. Aktivisten dieser "Gesinnungsgemeinschaft" einstiger ANS/ NA-Anhänger waren weiterhin bestrebt, insbesondere in der von ihnen unterwanderten Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) Vorstellungen der ANS/NA durchzusetzen. Übersicht über Zahl und Mitgliederstärke rechtsextremer Organisationen in Bayern (280 erkannte Mehrfachmitgliedschaften sind durch Abzug bereits berücksichtigt) 1986 1987 1988 Anzahl der Organisationen 28 29 28 MitgHederstärke NPD mit JN und NHB 1.470 1.470 1.470 DVU einschl. Aktionsgemeinschaften 2.100 2.300 2.300 DVU-Llste D __ 500 830 Neonazistische Organisationen und Einzelaktivisten 240 260 260 Sonstige Organisationen 320 350 350 Insgesamt 4.130 4.880 5.210 Aktuelles Thema rechtsextremer Agitation war vor dem Hintergrund der bevorstehenden Europawahl 1989, an der sich die DVU-Liste D mit Unterstützung der NPD beteiligen will, die Politik der Europäischen Gemeinschaft (EG). Polemische Angriffe galten dabei insbesondere der Rolle der Bundesrepublik Deutschland, die als "Zahlmeister der EG" diesem "Pleite-Unternehmen" die Stahlindustrie, den Bergbau und die deutsche Landwirtschaft opfere. Einen weiteren Schwerpunkt bildete das von Rechtsextremisten aller Schattierungen aufgegriffene Ausländerund Asylantenproblem. Ihr maßgebliches Motiv ist dabei ihre rassistische und nationalistische Einstellung, die sich mit vorgeblich gesicherten Erfahrungen und weltanschaulichen "Erkenntnissen" gegen alles Andersgeartete und Fremde richtet. Sie versuchen, unter Ausnutzung wirtschaftlicher Existenzängste mit Warnungen vor einer "Ausländerüberflutung" fremdenfeindliche Vorurteile propagandistisch zu fördern, um dadurch breite Unterstützung für ihre weitergehenden politischen Ziele zu erreichen. Mit nationalistischen Neutralismusparolen, die oft antiamerikanische Zü89 ge trugen, versuchten Rechtsextremisten außerdem, den Gedanken eines der "Friedenssicherung" dienenden wiedervereinigten "Großdeutschlands" zu propagieren. Weitere Agitationsthemen waren wie im Vorjahr die Kriegsschuldfrage, die Judenverfolgung während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der "Nationalmasochismus" führender demokratischer Politiker. Die Zahl der neonazistischen und rassistischen einschließlich der antisemitischen Vorfälle, bei denen ein rechtsextremes Motiv erkennbar bzw. zu vermuten war, ist gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Verringert haben sich auch die Kontakte bayerischer Neonazis zu Gleichgesinnten im Ausland. Erhöht hat sich dagegen der Anteil des aus dem Ausland stammenden und in Bayern verbreiteten rechtsextremen Propagandamaterials. Militante Neonazis, die Gewalt nicht nur befürworten, sondern auch anwenden, stellen nach wie vor eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit dar. Von erheblicher Bedeutung war wiederum die Tätigkeit der in Bayern ansässigen organisationsunabhängigen Verlage und Vertriebsdienste, die Druckerzeugnisse mit rechtsextremem Inhalt in hoher Auflage herstellten und verbreiteten. Das Angebot erfaßte nicht nur organisierte Rechtsextremisten, sondern zielte auch - wie aus seiner Quantität erkennbar - auf sonstige Personen ab, die für rechtsextreme Vorstellungen ansprechbar sein könnten. In Bayern traten 1988 im wesentlichen folgende Organisationen und Gruppen in Erscheinung: 1.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und der Nebenorganisation Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 1.2 Deutsche Volksunion e.V. (DVU) mit den Aktionsgemeinschaften Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) Aktion Deutsche Einheit (AKON) Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur 1.3 Deutsche Volksunion - Liste D (DVU - Liste D) 1.4 Neonazistische Gruppen "Bewegung" ehemaliger ANS/NA-Anhänger Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) Nationalrevolutionäre 90 1.5 Sonstige rechtsextreme Organisationen Deutscher Block (DB) Wiking-Jugend (WJ) Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) Freundeskreis Ulrich von Hütten Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 2.1 Ideologisch-politischer Standort Obwohl die NPD auch in ihrem neuen, im November 1987 verabschiedeten Parteiprogramm "Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft" betont, sie trete für die freiheitliche demokratische Grundordnung ein, lehnt sie wesentliche Prinzipien dieser Grundordnung weiterhin ab. Die Unterschiede zwischen der Staatsund Gesellschaftsordnung des Grundgesetzes und den Vorstellungen der NPD beruhen vor allem auf unvereinbar gegensätzlichen Auffassungen zur Stellung des Einzelnen in der Gemeinschaft und zur Stellung des Staates ihm gegenüber. In der freiheitlichen Demokratie wird dem Menschen um seiner Würde willen die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit durch den Staat gewährleistet. Im Gegensatz hierzu gibt die NPD dem Staat vor dem Einzelnen den Vorrang. Dem Primat des Individuums vor dem Staat, wie er sich aus Art. 1 des Grundgesetzes ergibt, stellt sie die "Gemeinschaft des Volkes" entgegen, die "kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander für Deutschland" praktiziere und in "nationaler Solidarität" vorhandene Gruppeninteressen überwinde. Diese pauschale Überbewertung der "Volksgemeinschaft" im Sinne eines völkischen Kollektivismus knüpft an ein Leitbild an, das wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war. Die Absicht, Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft durch die uneingeschränkte Unterordnung des Einzelnen unter nicht näher definierte Gemeinschaftsinteressen aufzuheben, ist mit den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten nicht vereinbar und verkennt, daß die Menschenrechte des Einzelnen originär sind und sich nicht von einer "Volksgemeinschaft" ableiten lassen. Ferner klingen in den Veröffentlichungen der Partei nach wie vor rassistische und nationalistische Zielsetzungen und Denkweisen an. Ihre für Rechtsextremisten charakteristische Ablehnung alles Andersartigen, hinter der sich die Überzeugung von der Höherwertigkeit der eigenen Rasse und Nation verbirgt, versucht die NPD unter Berufung auf die "Vielfalt des Lebens und seiner Erscheinungen" zu rechtfertigen, wobei sie insbesondere die natürliche "Ungleichheit der Menschen" betont. Entsprechend dieser auf ihrem "wissenschaftlich gesicherten" Menschenbild beruhenden Grundeinstellung behandelte die Partei das Ausländerund Asylantenproblem vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der "Überfremdung" und vertrat die Auffassung, die als "Integration" getarnte "Zwangsgermanisierung" der hier lebenden Ausländer trage zum Verlust unserer "nationalen Identität" bei. Ferner warnte die Partei vor einem "Massenzustrom von Ausländern", der den inneren Frieden gefährde, 91 und behauptete, ein "Heer von Einwanderern aus allen Teilen dieser Erde" müsse "nach dem Willen unserer untauglichen Politiker vom deutschen Steuerzahler ausgehalten werden", wobei das deutsche Volk unter dem Stichwort "Asyl" in einem "unglaublichen Maß ausgebeutet und betrogen" werde. Die nationalistische Zielsetzung der NPD wurde auch bei ihrer "Agitation gegen die Europäische Gemeinschaft (EG) deutlich. So erklärte die Partei, die EG gewinne immer mehr den Charakter einer "Organisation zur Kontrolle und Abschöpfung der Schaffensund Wirtschaftskraft der Deutschen". Eine antideutsche Politik stelle den "Fleiß unseres Volkes" in den Dienst "fremder Interessen". Nach Auffassung der NPD habe das deutsche Steueraufkommen vorrangig der Bewältigung "deutscher Aufgaben" zu dienen; die Rolle der Deutschen als "Dukatenesel für alle Welt" müsse ein Ende haben. Jede deutsche Milliarde, die in das "verrottete EG-Agrarsystem" fließe, werde zu einer "Sterbehilfe für die deutsche Landwirtschaft". Die Steuerzahler hielten einen "aufgeblähten EG-Umverteilungsapparat" am Leben, während unserer Landwirtschaft "gerade dadurch jede Überlebenschance genommen" werde. Die "Betroffenen dieser katastrophalen Politik" sollten daher "dem Spuk der Vernichtung einer Lebensgrundlage durch eine mächtige, übernationale Bürokratie ein Ende machen". Die EG müsse entweder auf eine "neue Vertragsgrundlage" gestellt werden, oder unsere Landwirtschaftspolitik müsse "renationalisiert", also der Zuständigkeit der EG entzogen werden. Die dadurch freiwerdenden Milliardenbeträge erlaubten dann "eine ökonomisch sinnvolle und ökologisch richtige Qualitätsproduktion im Rahmen einer nationalen Landwirtschaftspolitik". Wie in den Vorjahren verzichtete die Partei fast völlig auf Versuche, das NSRegime zu rechtfertigen, und beschränkte sich im wesentlichen auf Kritik an der "Vergangenheitsbewältigung", die dazu beitrage, die "Grundlagen der Gemeinschaft unseres Volkes" zu zerstören. Sie behauptete, jeder "Versuch zur Objektivität" werde "mit moralischer Hinrichtung geahndet"; erlaubt sei inzwischen "nur noch kollektivistische Schuldzuweisung an das Deutsche Volk". Damit sei ein nicht länger hinnehmbarer "Zustand geistiger Unfreiheit" erreicht. Zu den Hauptangriffszielen der Partei gehören nach wie vor die demokratischen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland und ihre Repräsentanten. Damit einhergehend lehnt die NPD zugleich die bestehende staatliche Ordnung ab. So warf sie den "herrschenden Bonner Parteien" vor, sie hätten die Staatskasse "skrupellos in einen Selbstbedienungsladen" umfunktioniert. "Selbstsucht, unkontrolliertes Machtstreben, Schlamperei und persönliche Bereicherungssucht" seien die "Merkmale demokratischer Verfallserscheinungen". Keine der "alten Parteien CDU/FDP/SPD" habe die Kraft zu einer dringend notwendigen Neubesinnung; ihre "Machterhaltungsinteressen" und die "wirklichen Interessen unseres Volkes" klafften weit auseinander. So hätten sich die "Selbstbedienungsparteien" mit der Teilung Deutschlands bereits abgefunden und unsere nationalen Belange der "Schimäre" der Europäischen Gemeinschaft (EG) untergeordnet. Die Zukunft Europas gehöre indes nicht "realitätsfremden Integrationsfanatikern"; daher werde die NPD ihr Ziel der Erhaltung der nationalen Identität auch gegen die "geistigen Nachtwächter frem92 der Interessen" durchsetzen. Diese diffamierende Polemik läßt darauf schließen, daß die NPD die Prinzipien des Mehrparteiensystems und der Chancengleichheit der Parteien trotz ihres formalen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt und durch bewußte Entstellung der Verfassungswirklichkeit suggerieren will, diese Grundordnung habe sich - am Maßstab praktischer Bewährung gemessen - als untauglich erwiesen. Der 1982 beschlossene neutralistische Kurs der NPD sieht einen Zusammenschluß der beiden deutschen Staaten zu einer "Konföderation Deutschland" als Vorstufe zur Wiedervereinigung vor und enthält die Forderung nach dem Austritt der Bundesrepublik Deutschland und der DDR aus der NATO bzw. dem Warschauer Pakt. Dazu vertritt die NPD die Auffassung, die Verpflichtung zu diesem "Deutschen Sonderweg" ergebe sich zwingend aus der geographischen und politischen Lage Deutschlands, das friedlich nur dann wiedervereinigt werde, wenn dies der Interessenlage der Sowjetunion entspreche. Endziel seien weder Neutralität für die Bundesrepublik Deutschland noch ein neutraler Status für zwei deutsche Staaten, sondern Blockfreiheit und Neutralität für "Gesamtdeutschland". 2.2 Organisation Die am 28. November 1964 in Hannover von Funktionären der ehemaligen Deutschen Reichspartei (DRP) gegründete NPD zählte 1988 bundesweit rund 6.400 Mitglieder (1987: 6.200). JN und NHB sind dabei nicht eingerechnet. Der Beitritt zur NPD ist mit der Verpflichtung verbunden, monatliche Beiträge zu entrichten, Satzung und Programm der NPD als verbindlich zu akzeptieren und sich zu den Zielen der Partei zu bekennen. Gegenüber dem Vorjahr haben sich keine wesentlichen organisatorischen Änderungen ergeben. Parteivorsitzender ist Martin Mußgnug, der diese Funktion seit 1971 innehat. Seine Stellvertreter sind der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern Walter Bachmann, der Generalsekretär der Partei Walter Seetzen und der Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg Jürgen Schützinger. Der Landesverband Bayern mit Sitz in München zählt wie im Vorjahr etwa 1.300 Mitglieder (ohne JN und NHB). Er gliedert sich in sieben Bezirksund rund 60 Kreisverbände, von denen aber mehr als die Hälfte nicht aktiv ist. . Verbrecher wohlaufSo werden Asylanten Benin (wtst)i. Beiseln tot! verwöhnt! Deutschlands Einheit kommt bestimmt IIIIMBBP-Lesen und weitergeben DEUTSCHEM. STIMME 13. Jahrgang Nr. "September 1988 BnzeipreM 2 , - DM NationaJdemofcratiKhe Zeitung a*"sntwiflaa"ai 000 Ausgabe E 8027 E EG - unser Unglück? Widerstand wird zur Pflicht 93 DAS G A N Z E D E U T S C H L A N D SOLL ES S E I N BAYERN ri |UI STIMME T^T^?aTn^sTurTT^E"s^^yTÄTr?ET7ET??N^E^^7YETff Als Organ der NPD erscheint im parteieigenen Verlag in Stuttgart die Zeitung "Deutsche Stimme" mit einer durchschnittlichen monatlichen Auflage von rund 185.000 Exemplaren (1987: 170.000). Die Bezugsgebühr ist im Mitgliedsbeitrag eingeschlossen. Zur Ergänzung des Verbandsorgans und als Argumentationshilfe für die Mitglieder gibt der Parteivorstand die Presseinformation "Neuer politischer Dienst" und das Schulungsblatt "NPD-Forum" heraus. Mitteilungsblatt des Landesverbandes Bayern ist die seit Oktober 1987 wieder erscheinende "Bayern-Stimme". Der "NPD-Frankenspiegel" des Bezirksverbandes Mittelfranken hat nur regionale Bedeutung. Eine im Herbst 1985 in Oberitalien eröffnete Schulungsstätte, die von einem Parteivorstandsmitglied aus Moosburg a.d. Isar, Landkreis Freising, geleitet wird, dient der Heranbildung von Führungskräften. In ihrem Rechenschaftsbericht nach dem Parteiengesetz wies die NPD für 1987 Gesamteinnahmen von rund 4,3 Millionen DM (1986: 3,2 Millionen) aus, von denen 13,9% (1986: 17,4%) auf Mitgliedsbeiträge, 28,5% (1986: 39,5%) auf Spenden und 31,5 % auf die Wahlkampfkostenerstattung von rund 1,3 Millionen DM aus der Bundestagswahl 1987 entfielen. Beim Landesverband Bayern sind für 1987 Gesamteinnahmen von 513.152 DM (1986: 453.256 DM) ausgewiesen, davon 12,4% (1986: 13,7%) Mitgliedsbeiträge und 50,2% (1986: 72,2 %) Spenden. 2.3 Wahlabsprachen zwischen NPD und DVU-Liste D Die sich seit Sommer 1986 abzeichnende Annäherung zwischen der Parteispitze und dem Münchner Verleger Dr. Gerhard Frey, der zugleich Vorsitzender der DVU und der DVU-Liste D ist, führte im Frühjahr 1987 zu einem Wahlbündnis zwischen NPD und DVU-Liste D. Beide Parteien sicherten sich in einer "Gemeinsamen Erklärung" zumindest bis zur Landtagswahl in Baden-Württemberg am 20. März 1988 gegenseitige Wahlkampf Unterstützung unter Wahrung ihrer "politischen Eigenständigkeit" zu. Ziel dieser Absprache ist es, das "unfruchtbare Gegeneinander der Vergangenheit" zu überwinden und "der gesamtdeutschen Sache wesentlich stärkere Durchschlagskraft" zu verleihen. Nach dem Wahlerfolg der DVU-Liste D bei der Bremer Bürgerschaftswahl im September 1987, bei der es erstmals seit dem Ende der 60er Jahre wieder einem Kandidaten einer rechtsextremen Partei gelang, ein Landtagsmandat zu erringen, und nach den mit Hilfe der DVU-Liste D erreichten Erfolgen der NPDKandidaten bei Oberbürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg entschlossen sich die Parteivorstände beider Parteien Ende 1987 zur gegenseitigen Un94 terstützung auch bei weiteren Wahlen; u:a. vereinbarten sie, daß bei der Europawahl 1989 nur die DVU-Liste D kandidieren werde. Ergänzend dazu kamen Mitte Januar 1988 die Parteivorsitzenden Mußgnug und Dr. Frey überein, daß die DVU-Liste D der NPD sechs Monate nach Feststellung des endgültigen amtlichen Wahlergebnisses der Europawahl eine Million Deutsche Mark Kostenersatz für deren Wahlkampfhilfe erstatten werde. Wegen dieser Absprachen kam es innerhalb der NPD und ihrer Jugendorganisation zu heftigen Kontroversen. Viele Kritiker befürchteten, die NPD könnte durch ihren Verzicht auf Wahlteilnahme zugunsten einer anderen Partei auf Dauer ihre Eigenständigkeit verlieren. Andere warfen Dr. Frey eine ausschließlich auf Profit ausgerichtete Geschäftstüchtigkeit vor, bei der nicht die "nationale Politik" im Vordergrund stehe, sondern am Ende eine Fusion mit der DVUListe D unter Selbstaufgabe der NPD. Der Vorsitzende des.NPD-LandesverbandesJiaar sowie dessen Stellvertreter bezichtigten Mußgnug sogar des "Wortbruchs", weil er auf dem Bundesparteitag im November 1987 versprochen habe, die Entscheidung über die Teilnahme der NPD an der Europawahl erst nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg zu treffen. Der Verzicht auf die Teilnahme an der Europawahl sei unter Bruch der Bundessatzung zustandegekommen und zeige die fehlende Loyalität des Parteivorsitzenden und des Präsidiums gegenüber der Gesamtheit der Partei. Offensichtlich als Reaktion auf diese Vorwürfe erklärte Mußgnug in einem an alle Parteimitglieder gerichteten Rundschreiben vom Februar 1988, die "allgemein sichtbare Aufwärtsentwicklung" der NPD habe zu gezielten Aktionen der politischen Gegner geführt, um Uneinigkeit in die Reihen der NPD zu tragen und ihre politische Arbeit zu erschweren. Auch die NPD müsse sich politischen Entwicklungen stellen, da "keine Partei ihre politischen Ziele isoliert und unabhängig vom Umfeld voranbringen" könne. Mit der "Vereinigung aller nationalen Wochenzeitungen im Verlag von Dr. Gerhard Frey" sei ein "unübersehbarer Machtfaktor" aufgebaut worden, wobei "in allen Grundsätzen gleiche politische Ziele vertreten" würden. Angesichts dieser Entwicklung habe sich die NPD die Aufgabe gestellt, die "Einheit aller nationalen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland als Vorstufe der Einheit der Nation politisch zu verwirklichen". In diesem Zusammenhang habe die Parteiführung "unter Berücksichtigung aller für Deutschland notwendigen Perspektiven" mit der DVU-Liste D vereinbart, daß diese als "Wahlverband der vereinigten Patrioten" an der Europawahl 1989 teilnehmen und auf ihrer Wahlliste auch Kandidaten aus den Reihen der NPD aufstellen werde. Ein Erfolg bei der Europawahl programmiere den Erfolg bei der anschließenden Bundestagswahl, bei der die dann als "Wahlpartei der gesamten politischen Rechten" kandidierende NPD "massiv von der Liste D unterstützt" werde. Jetzt dürfe die "Hoffnung von Millionen von Wählern", die für "kleinkariertes Sektendenken" kein Verständnis hätten, nicht enttäuscht werden. Die Parteigemeinschaft sei deshalb aufgerufen, allen "Störungen dieses gemeinsamen Weges eine klare Absage zu erteilen". Wer jetzt "Stimmung gegen das gemeinsame Antreten und Handeln deutscher Patrioten" betreibe und die Parteiführung angreife, handle "bewußt oder unbewußt im Sinne der Feinde unseres Volkes". Die satzungsmäßig verantwortlichen Stellen der Partei würden diesen Bestrebungen mit aller Härte begegnen. 95 Ein eigens wegen dieser Meinungsverschiedenheiten einberufener außerordentlicher Bundesparteitag am 26. Juni in Feucht, Landkreis Nürnberger Land, hatte die Aufgabe, Entscheidungen über die intern umstrittene Bündnispolitik des Parteivorstands zu treffen. Nach einer mehrstündigen, zum Teil emotionell geführten Diskussion verband Mußgnug schließlich die Abstimmung mit der Vertrauensfrage für sich und das Parteipräsidium. Die Mehrheit der Delegierten billigte daraufhin mit 182 zu 133 Stimmen den Kurs der Parteispitze und beschloß, daß die NPD zugunsten d^FTJvTPListe D auf eine Teilnahme an der Europawahl verzichten und stattdessen den Wahlkampf der DVU-Liste D unterstützen werde. Zugleich bestätigten die Delegierten eine Vereinbarung mit der DVU-Liste D, wonach die NPD mit Unterstützung der DVU-Liste D bei der nächsten Bundestagswahl kandidieren will. Oppositionelle Kräfte in der NPD stehen der Zusammenarbeit mit Dr. Frey gleichwohl weiterhin mißtrauisch gegenüber und befürchten, daß die DVU-Liste D im Falle eines Erfolgs bei der Europawahl die NPD vereinnahmen könnte. Zwar ist es der Parteiführung inzwischen weitgehend gelungen, die Opponenten auf die Parteilinie zu verpflichten bzw. mit Disziplinarmaßnahmen auszuschalten; dennoch regt sich immer noch Kritik. So erhoben innerparteiliche Gegner des Wahlabkommens mit der DVU-Liste D in einem Anfang Dezember an NPD-Mitglieder versandten Flugblatt die Forderung "Ja zur NPD! Ja zur EGWahlteilnahme!" und erklärten, der Parteivorsitzende Mußgnug und sein Präsidium hätten "die NPD in eine Sackgasse geführt" und die Teilnahme der NPD an der kommenden Europawahl "für ein Linsengericht" an Dr. Gerhard Frey abgetreten. Einer Debatte über diese "Verzichtspolitik" habe sich das Präsidium jedoch durch die Absage des diesjährigen ordentlichen Bundesparteitages "unter fadenscheinigen Gründen" entzogen und damit das notwendige Band des Vertrauens zwischen den Verbänden und der Führung endgültig zerschnitten. "Wegen erhaltener Wahlkampfkostenvorauszahlungen und eines dem NPD-Parteivorstand vorenthaltenen Verzichtsvertrages zwischen Mußgnug und Frey" sei zudem die gesamte NPD "ins Zwielicht geraten". Jetzt müsse "mit den Mußgnug-Freyschen Millionenmauscheleien um Staatsgelder aufgeräumt werden". Die NPD brauche "eine neue vertrauenswürdige Führung". Bewährte Aktivisten, darunter der langjährige Parteijustitiar Dr. Wolfgang Huber aus München, hätten sich bereits zur Mitarbeit bereiterklärt. Dr. Huber kritisierte ebenfalls das "rechtswidrig eingefädelte Bündnis" mit der DVU-Liste D und forderte den "geschlossenen Rücktritt des ungetreuen Präsidiums". Wer den als Verleger und Geschäftsmann erfolgreichen Vorsitzenden der DVU-Liste D für einen "Politiker und Retter unseres Volkes" halte, solle "doch gleich aus der NPD verschwinden und fremde Geschäfte offen besorgen". 2.4 Sonstige Aktivitäten Der NPD-Landesverband Bayern führte am 29. Mai unter dem Leitspruch "Für eine lebenswerte Zukunft - NPD" in Oberrimbach, Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim, seinen 22. Ordentlichen Parteitag durch. Die Tagung sollte ursprünglich in Kaufbeuren-Neugablonz stattfinden, wurde aber kurzfristig nach Mittelfranken verlegt, da die Kaufbeurer Stadtverwaltung die 96 Überlassung des Veranstaltungslokals von einer hohen Sicherheitsleistung für etwaige Sachbeschädigungen durch Gegendemonstranten abhängig gemacht hatte. Bei der Vorstandswahl bestätigten die Delegierten den bisherigen Landesvorsitzenden Walter Bachmann aus Regensburg in seiner Funktion. In seinem Rechenschaftsbericht erklärte Bachmann, die bayerische NPD befinde sich im Aufwärtstrend. Mit Nachdruck befürwortete er das Wahlbündnis der NPD mit der DVU-Liste D. Ferner trat er dafür ein, den Aufenthalt "sozialschmarotzender Scheinasylanten" im Bundesgebiet unverzüglich zu beenden; außerdem kritisierte er die Bayerische Staatsregierung wegen der "Verfolgung" von NPD-Mitgliedern im öffentlichen Dienst. Ausführlich befaßte sich Bachmann mit dem Verhalten der Stadt Kaufbeuren, das er als "politische Wegelagerei" bezeichnete. In diesem Zusammenhang wandte er sich gegen "sittenwidrige Vereinbarungen hinsichtlich einer Kaution gegen mögliche Beschädigungen städtischer Hallen durch Dritte". Schon die Juden hätten nach der "Reichskristallnacht" im November 1938 alle Schäden an ihren Geschäften und Wohnungen selbst beseitigen und bezahlen müssen; allerdings habe die damalige Regierung niemals von sich behauptet, der "freiheitlichste Rechtsstaat, den wir jemals hatten" zu sein. Die Angriffe gegen die NPD seien ein blinder Feueralarm politischer Brandstifter und sollten davon ablenken, daß der heutige "Antifaschismus" in Wirklichkeit "ins Mark der Freiheit und ins Herz der nationalen Identität" ziele. Aus Anlaß des Jahrestages der Reichsgründung im Jahre 1871 führte die NPD Mitte Januar in Augsburg, Landshut und München Gedenkveranstaltungen durch. Bei der "Reichsgründungsfeier" in Landshut, die gemeinsam mit der Deutschen Volksunion e.V. (DVU) veranstaltet wurde, erklärte der NPD-Pressesprecher Karl-Heinz Vorsatz, Bismarck sei das Leitbild der deutschen "Patrioten", die spätestens 1991 mit dem Einzug in den Bundestag die "Abrümpelung der herrschenden Gesinnungspolitiker" jeglicher Couleur einleiten würden. Am alljährlichen "Politischen Aschermittwoch" der bayerischen NPD am 17. Februar in Osterhofen, Landkreis Deggendorf, beteiligten sich rund 350 Personen, darunter als Vertreter der DVU-Liste D deren Pressesprecher BerndI JDröse, der ein Grußwort überbrachte und in einer kurzen Ansprache die politische Zusammenarbeit beider Parteien würdigte. Im Hauptreferat zum Thema "NPD -gegen Lumperei und Niedertracht" wandte sich der bayerische Landesvorsitzende Walter Bachmann gegen die den Deutschen angeblich aufgezwungene Rolle als "Objekte fremder Mächte" und behauptete, aus den Deutschen werde "eine Kreuzung zwischen Sündenbock und Melkkuh gezüchtet". So -tapsten deutsche Politiker "wie Esel mit aufgenähten Geldsäkken" in der Welt herum und nähmen dazu noch "dankbar Fußtritte entgegen", obwohl die derzeitige wirtschaftliche Lage eher den "nationalen Notstand" rechtfertige. Des weiteren kritisierte der Redner insbesondere das "unersättliche Pleiteunternehmen EG", dessen Bestreben, uns "von fremder Einfuhr abhängig" zu machen, in die "Knechtschaft einer westlich-kapitalistischen Einheitsgesellschaft" führe. Als Auftakt zum Europawahlkampf der DVU-Liste D, den auch die niederbayerische NPD mit öffentlichen Versammlungen unterstützte, veranstaltete der 97 NPD-Bezirksverband Niederbayern am 10. September in Straubing seinen traditionellen "Ostbayerntag". Unter den anwesenden Gästen befand sich auch der stellvertretende bayerische Landesvorsitzende der DVU-Liste D Günther Resch. Auf einer Kundgebung, zu der sich rund 150 Zuhörer einfanden, kritisierte der stellvertretende Parteivorsitzende Jürgen Schützinger die "kinderund familienfeindliche" Politik der Bundesregierung und wandte sich gegen Forderungen nach Einführung eines Wahlrechts für Ausländer. Hinsichtlich der Europapolitik forderte er eine "echte Partnerschaft mit einem gerechten Mitund Füreinander". Die deutsche Politik müsse endlich wieder "deutsch, normal und vernünftig" werden. Des weiteren trat die bayerische NPD u.a. mit einer Sonnwendfeier am 18. Juni sowie mit Aktionen zum Tag der deutschen Einheit (17. Juni) und zum Jahrestag des Baues der Berliner Mauer (13. August 1961) an die Öffentlichkeit. Der für den 12./13. November in Neunkirchen a. Brand, Landkreis Forchheim, geplante Bundesparteitag der NPD fand nicht statt, da sich die Gemeinde geweigert hatte, der NPD eine als Veranstaltungslokal vorgesehene Mehrzweckhalle zu vermieten. Versuche der NPD, die Überlassung der Halle in verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchzusetzen, waren erfolglos geblieben. Daraufhin wurde der Parteitag auf das Jahr 1989 verschoben. 2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) Die JN als Jugendorganisation der NPD bekennen sich in Ideologie und Zielsetzung zum Programm der Mutterpartei. Nach ihrem Statut sind sie zur aktiven Mitarbeit in den Gremien der NPD verpflichtet. Sie verstehen sich als "die unversöhnlichen Gegner der Völkermordsordnung von Jalta" und als "Verächter des Status quo"; dementsprechend wollen sie für diejenigen, die sich "selbstzufrieden am Zustand der Teilung Deutschlands erwärmen", die "eiskalte Dusche" sein. Ihre durch solche Aussagen gekennzeichnete Aggressivität wird indes von der Mutterpartei nur bedingt toleriert. Aus vorwiegend taktischen Gründen versucht die NPD, die Jugendorganisation zu disziplinieren, ihren Konfrontationskurs zu entschärfen und den in Teilbereichen erkennbaren neonazistischen Ansätzen entgegenzutreten. Bundesvorsitzender der in Landes-, Bezirksund Kreisverbände gegliederten JN ist seit September 1987 Karl-Heinz Sendbühler aus München. Den Landesverband Bayern leitet weiterhin Ralf Ollert aus Nürnberg. 1988 hatten die JN im Bundesgebiet einen weiteren Zuwachs auf 800 (1977: 750) Mitglieder zu verzeichnen. In Bayern, wo sie wie im Vorjahr etwa 170 Mitglieder zählen, entwickelten nur die Bezirksverbände Mittelfranken und~Öberbayern nennenswerte Aktivitäten. Ende des Jahres wurde die organisatorische Basis durch die Gründung des Kreisverbandes Eichstätt erweitert. Als Beilage zum NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" erscheint im parteieigenen Verlag in Stuttgart gelegentlich die "Junge Deutsche Stimme", deren Chefredakteur der JN-Bundesvorsitzende ist. Der JN-Bundesvorstand gibt in unregelmäßigen Abständen das Mitteilungsblatt "Junge Stimme" heraus; sein im September wieder erschienener "JN-Pressedienst" forderte die aktiven Kreisverbände auf, eine "JN-Schülerzeitungsoffensive" einzuleiten und da98 JmWm SSM ^ Stuttgart DS-Verlagsbellage n/88 durch die schulische Öffentlichkeit über die politischen Vorstellungen der JN besser zu informieren. Ferner wurden darin die Aufnahme von Kontakten zum örtlichen Kreisjugendring sowie Truppenbesuche bei Einheiten der Bundeswehr angeregt. Das unregelmäßig herausgegebene Nachrichtenblatt des Landesverbandes Bayern "JN-Bayern-Info" enthält Mitteilungen des Landesvorstandes, Presseerklärungen sowie Berichte und Termine bayerischer Verbände. Den Mitteilungsblättern "Oberland" des Bezirksverbandes Oberbayern, "JN-Info" des Bezirksverbandes Mittelfranken, "Gänsehaut" des Bezirksverbandes Unterfranken und "Südost-Info" des Kreisverbandes Traunstein/Altötting kommt nur regionale Bedeutung zu. Herausragendes Thema interner Diskussionen war auch 1988 die Zusammenarbeit zwischen JexJ^PJDjund dem Münchner Verleger Dr. Gerhard Frey, insbesondere das Wahlabkommen mit dessen DVU-Liste D. Zwar konnten sich die Kritiker dieses Kurses ebensowenig durchsetzen wie die Opponenten in der Mutterpartei; gleichwohl wird das Thema innerhalb der JN weiterhin heftig und kontrovers erörtert. Am 24725. September fand in München-Neuperlach unter dem Motto "Nation statt Resignation" der 17. Ordentliche JN-Bundeskongreß mit rund 100 Teilnehmern statt. In einem Beschluß zu staatlichen Maßnahmen gegen Extremi99 sten im öffentlichen Dienst erklärten die Delegierten, es sei eine "Ungeheuerlichkeit", daß Angehörige "zugelassener Parteien" seitens des Staates "Berufsverbote" erhielten. Dies gelte "für die DKP ebenso wie für die NPD". Der JN-Landesverband Bayern hielt seinen Landeskongreß am 14. Mai in Erding ab. Bei der Vorstandswahl wurde der bisherige Landesvorsitzende Ralf Ollert wiedergewählt; sein Stellvertreter ist Christian Ehrenstraßer aus Forstinning, Landkreis Ebersberg. Die Münchner JN nahmen die ersten Saisonspiele in der Bundesund Bayernliga zum Anlaß, Kontakte zu Fußballfans zu suchen. Dazu verbreiteten sie vor den Stadien des FC Bayern München und des TSV 1860 einen Terminplan der jeweiligen Vorrundenspiele mit einer Selbstdarstellung der JN. Darin propagierten sie unter der Überschrift "Wer wir sind -was wir wollen" Forderungen wie "Ausländerstopp" und "Deutsche Arbeitsplätze vor allem für deutsche Arbeitnehmer". Ferner wandten sie sich gegen die Stationierung amerikanischer und sowjetischer Raketen in Deutschland, den "mörderischen Teilungsterror an der Mauer und der Zonengrenze", die "Bonner Alt-Parteien" und die "ausbeuterische EG" und traten dafür ein, daß "Deutschland das Land der Deutschen bleibt". 2.6 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) Der NHB mit Sitz in München wurde 1967 als Studentenorganisation der NPD gegründet. Er steht in "kritischer" Solidarität zur NPD und vertritt nach seiner Satzung die nationaldemokratische Grundhaltung an den deutschen Universitäten und Hochschulen. Mit dem Beitritt zum NHB ist die Verpflichtung verbunden, dessen Zielsetzung anzuerkennen und zu unterstützen. Der NHB zählt im Bundesgebiet wie im Vorjahr etwa 30 Mitglieder. Aktiv in Erscheinung trat nur eine Hochschularuppe in NordrheinWestfalen. Auf der 23. Ordentlichen Bundesversammlung des NHB am 8. April in Regensburg wurde Thomas Lux aus Wjjpp_ertal zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Gleichzeitig verlegte der NHB seine Bundesgeschäftsstelle nach Erlangen. Der neue NHB-Vorsitzende und sein Stellvertreter Peter Marx aus SäärTärücken sind als Gegner des Wahlbündnisses der NPD mit der DVU-Liste D bekannt. Dieser Umsfärid^rkTä71"^eTnriTiält einer beim Sonderparteitag der NPD am 26. Juni in Feucht verteilten Broschüre "NHB -zur Sache!". Darin wandte sich der NHB gegen die Zusammenarbeit der NPD mit der DVU-Liste D und rief die Delegierten auf, "einer Zukunft zu vertrauen, deren Gestaltung in unseren eigenen Händen liegen muß". Solange die NPD das Denken den "Angestellten eines Münchener Verlegers" überlasse, dulde sie es, aufs "Abstellgleis der Politik geschoben zu werden". Es sei daher an der Zeit, der "Entmündigung Deutschlands und der Entmündigung der NPD durch pseudonationale Geschäftemacher" ein Ende zu bereiten. Scharfe Kritik galt auch einer im Januar 1988 getroffenen Vereinbarung mit dem Vorsitzenden der DVU-Liste D, wonach die NPD für den Verzicht auf die Teilnahme an der Europawahl 1989 eine Million DM erhalten soll. Dazu hieß es, die NPD dürfe niemals "von privaten Geldgebern oder Geschäftemachern abhängig werden". 100 3. Deutsche Volksunion e.V. (DVU) 3.1 ideologisch-politischer Standort Die DVU, die keine politische Partei ist, weist hinsichtlich ihrer ideologischen Ausrichtung vielfach Übereinstimmung mit der NPD auf. Sie befaßt sich mit ähnlichen Themen wie die NPD, ist jedoch in ihren Aussagen aggressiver und mehr tagespolitisch bezogen. Ihr Erscheinungsbild ist im wesentlichen gekennzeichnet durch eine nationalistisch und rassistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit, gelegentlich auch durch einen zurückhaltend artikulierten unterschwelligen Antisemitismus. Hinzu kommen Versuche, die NS-Zeit durch Leugnung oder Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu rechtfertigen bzw. zu verharmlosen. Außerdem diffamiert die DVU demokratische Institutionen und deren Repräsentanten, wobei sie bevorzugt den "Nationalmasochismus" und die "Kollektivanklagen" führender Politiker gegen das deutsche Volk aufgreift. Als prinzipielle Gegnerin supranationaler Einrichtungen agitiert sie ferner vor allem gegen die Europäische Gemeinschaft. Nationalistisch-neutralistischen Bestrebungen, die auf eine Loslösung der Bundesrepublik Deutschland aus dem westlichen Verteidigungsbündnis hinauslaufen, steht sie indes im Gegensatz zur NPD und einigen anderen rechtsextremen Organisationen ablehnend gegenüber. 3.2 Organisation Die DVU wurde im Jahre 1971 in München als Auffangbecken für ehemalige NPD-Anhänger gegründet. Nach ihrer Satzung haben die Mitglieder außer der Zahlung monatlicher Beiträge keine weiteren Verpflichtungen. Die DVU zählt derzeit im Bundesgebiet zusammen mit ihren Aktionsgemeinschaften nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden wie im Vorjahr rund 12.500 Mitglieder, davon etwa 2.300 in Bayern. Bundesvorsitzender ist der Verleger Dr. Gerhard Frey aus München. Seine Stellvertreter sind Dr. Bernhard Steidle aus Bonn und Dr. Fritz von Randow aus Hamburg. Die DVU unterhält in allen Bundesländern formell Bezirksverbände, deren Vorsitzende nicht gewählt, sondern von Dr. Frey bestimmt werden. Die in Bayern bestehenden Untergliederungen entwickelten nach wie vor kaum eigene Initiativen. Im Verlag des DVU-Vorsitzenden erscheinen die "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ), der "Deutsche Anzeiger" (DA) und die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ). Diese teilweise inhaltsgleichen Wochenzeitungen fungieren als Werbeträger und publizistische Sprachrohre sowohl der DVU als auch der DVU-Liste D. EG - Gefahr für Deutschlands Zukunft? SE Deutscher Anzeiger Freiheitliche Wochenzekung : War Deutschland allein schuld? 101 3.3 Aktionsgemeinschaften der DVU Die von der DVU geschaffenen Aktionsgemeinschaften, deren attraktiv niedrige Mitgliedsbeiträge vom DVU-Vorstand festgelegt werden, sind integrierte Bestandteile der DVU. Ihre Veröffentlichungen erscheinen fast ausschließlich in den "national-freiheitlichen" Wochenblättern von Dr. Frey. Der Beitritt zu einer Aktionsgemeinschaft begründet kraft Satzung gleichzeitig die Mitgliedschaft in der DVU, die sich damit zur mitgliederstärksten rechtsextremen Organisation im Bundesgebiet entwickelt hat. Die Wirksamkeit und Gefährlichkeit dieser Propagandainstrumente der DVU beruht insbesondere darauf, daß sich ihre Aussagen nur auf Teilbereiche rechtsextremer Agitation beziehen und bei isolierter Betrachtungsweise vielfach nicht erkennen lassen, welche Grundhaltung hinter anscheinend unverfänglichen, auch Nichtextremisten vermittelbaren Forderungen wie "Ausländerbegrenzung" oder "Schutz der deutschen Kultur" steht. Wie im Vorjahr traten die sechs Aktionsgemeinschaften mit eigenständigen Aktionen kaum an die Öffentlichkeit. Die Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) will den Gedanken einer Generalamnestie für bisher ungesühnte NS-Verbrechen verbreiten. Die Aktion Deutsche Einheit (AKON) agitiert vor allem in ostpolitischen Fragen. So lehnt sie die Ostverträge, soweit sie über eine Gewaltverzichtserklärung hinausgehen, als "null und nichtig" ab. Die Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) betrachtet die "Bewahrung des deutschen Charakters von Deutschland" als Grundvoraussetzung des "Weiterlebens unseres Volkes" und wendet sich gegen den Mißbrauch des Asylrechts durch "Wirtschaftsflüchtlinge". Die Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) kämpft gegen eine behauptete "linke bis linksradikale Tendenz" von Rundfunkund Fernsehsendungen an, in denen gegen die "Lebensrechte und Lebensinteressen des deutschen Volkes" agitiert werde. Der Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten wendet sich gegen die "Verleumdung des deutschen Soldaten" und will dessen Ansehen und Ehre unter strafrechtlichen Schutz gestellt wissen. Der Deutsche Schutzbund für Volk und Kultur versteht sich als "überparteiliche Vereinigung verantwortungsbewußter Deutscher" und fordert insbesondere den Schutz des deutschen Volkstums, der deutschen Sprache und der deutschen Kultur. 3.4 Aktivitäten Die im Verlag des DVU-Vorsitzenden erscheinenden Wochenzeitungen veröffentlichten auch 1988 Werbeanzeigen für die DVU und ihre Aktionsgemeinschaften. Davon abgesehen konzentrierte Dr. Frey seine Anstrengungen fast durchwegs auf den organisatorischen Ausbau der DVU-Liste D, so daß die öffentlichen Aktivitäten der DVU nahezu zum Erliegen kamen. Bei der BundesverjajpmJungjl^^VU_am 20. Dezember in München beschlossen die Teilnehmer "eine Satzungsänderung. Danach sollen Mitglieder über 102 Für Deutschlands Rechte DEUTSCHE VOLKSUNION e. V. (DVU) JSH die führende überparteiliche Bewegung der verfassungstreuen Rechten und freiheitlichen Mitte (Vorsitzender Dr. Gerhard Frey) Ehrenbund Rudel Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten Aktion deutsche Einheit (AKON) setzt sich für die Wiedervereinigung Gesamtdeutschlands ein Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) arbeitet für ein Ende der Kriegsverbrecherprozesse gegen Besiegte des II. Weltkrieges Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) will die Interessen des deutschen Volkes bei diesen Medien durchsetzen Initiative für Ausländerbegrenzung (I. f. A.) verteidigt den deutschen Charakter Deutschlands Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur kämpft für den Erhalt des Lebens und der Heimat Werbeanzeige der DVU und ihrer Aktionsgemeinschaften (Auszug) 16 Jahre ..zugle(chJ^jtgJ|e^r_derJ3jeutsi:h^ri_y^lksunion - LisjteJHDVU) sein". Sie werden "der Deutschen Volksunion - Liste D (DVU) als Neumitglieder vorgeschlagen, sofern sie die Mitgliedschaft in der Deutschen Volksunion - L i - ste D nicht ausdrücklich ablehnen bzw. nicht schon Mitglied der Deutschen Volksunion - Liste D (DVU) sind". Die "Mitgliedschaft in der DVU e.V. bleibt hiervon unberührt". Auf Antrag sind "Mitglieder, die der Deutschen Volksunion - Liste D (DVU) angehören, in der DVU e.V. beitragsfrei". Diese Neuregelung signalisiert die Absicht, die DVU-Mitglieder in die DVU-Liste D überzuführen. Auf ähnliche Weise hatte schon vor Jahren die DVU die Mitglieder ihrer Aktionsgemeinschaften in den Verein integriert. Daß es Dr. Frey auch darum geht, die Unterschiede zwischen Verein (DVU) und Partei (DVU-Liste D) zu verwischen, zeigt der Umstand, daß die DVU bei der Satzungsänderung ihre Kurzbezeichnung - in Angleichung an die Praxis der DVUListe D - nunmehr auch formell auf "DVU" festlegte; in ihren Werbeanzeigen gebraucht sie diese Abkürzung schon seit Jahren. Dr. Frey will damit - im Hinblick auf die kommende Europawahl - potentiellen Interessenten und Wählern offenbar eine steile Aufwärtsentwicklung der DVU-Liste D suggerieren. 4. Deutsche Volksunion - Liste D (DVU-Liste D) 4.1 Ideologisch-politischer Standort Die DVU-Liste D hat sich ihrem Programm zufolge das Ziel gesetzt, den "Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden". Ihr "ganzes Streben gilt der Durchsetzung von Recht und Freiheit für das deutsche Volk und Vaterland, eines gleichen Rechts für alle Deutschen". Das Parteiprogramm ist - wie schon an den vorstehend zitierten Schlußpassagen erkennbar - bewußt allgemein formuliert, um politischen Gegnern möglichst we103 nig Angriffsflächen zu bieten. Seine Hauptforderungen gleichen den von der DVU und ihren Aktionsgemeinschaften propagierten Zielen. So setzt sich die Partei mit Parolen wie "Deutschland soll deutsch bleiben", "Deutschland zuerst" und "Gleichberechtigung für das deutsche Volk" dafür ein, den Ausländeranteil zu begrenzen, den "zunehmenden Ausländerzustrom" in das Bundesgebiet zu stoppen, die deutsche Politik auf das Ziel der Wiedervereinigung zu konzentrieren, die "Zuweisung von Kollektivschuld und Kollektiwerantwortung an die Deutschen" einzustellen und die allein auf die Besiegten des Zweiten Weltkrieges beschränkte Verfolgung von Kriegsverbrechen durch Erlaß einer längst "überfälligen Generalamnestie" zu beenden. In Teilbereichen sind auch Parallelen zu Vorstellungen der NPD erkennbar, so z.B. im Eintreten für eine "Abkehr von der EG-Massenproduktion" zugunsten der Erhaltung des bäuerlichen Familienbetriebs. Die am Programm nicht ohne weiteres erkennbare rechtsextreme Grundhaltung der Partei wird erst an den ihr zurechenbaren Äußerungen führender Funktionäre sowie am Inhalt ihrer publizistischen Sprachrohre deutlich, die im Verlag des Bundesvorsitzenden Dr. Frey erscheinen. Einen Agitationsschwerpunkt bildeten darin Versuche, die NS-Zeit durch Leugnung oder Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu rechtfertigen bzw. zu verharmlosen. So hieß es in der DNZ, das deutsche Volk werde "alle Jahre wieder zum 1. September und bei sonstigen 'Schuld-und Sühnereden' im Inund Ausland" mit der "Allein-Kriegsschuld am Ausbruch des deutsch-polnischen Krieges" belastet, den "die Kriegstreiber Churchill und Roosevelt zum Zweiten Weltkrieg ausgeweitet" hätten. Die "einseitige Schuldzuweisung mit den in ewige 'Sühnehaftung' genommenen Deutschen" wirke sich in allen Bereichen katastrophal aus. Dennoch schämten sich manche "Volksvertreter" nicht, immer wieder "das deutsche Volk anzuklagen und mit dem 'Kainsmal' zu brandmarken", obwohl das Kriegsziel der westalliierten "Kreuzzügler" die "Vernichtung Deutschlands" gewesen sei. Die Geschichte dürfe nicht so dargestellt werden, wie sie "von Hilfswilligen des alliierten 'Umerziehungs'-Programms der Jugend mit dem 'Nürnberger Trichter' der Sieger eingetrichtert" werde. Breiten Raum nahmen ferner nationalistisch und rassistisch geprägte Aussagen zum Ausländerproblem und zur Europäischen Gemeinschaft (EG) ein. Der Parteivorsitzende Dr. Frey behauptete in einem im NPD-Organ "Deutsche Stimme" abgedruckten Beitrag, deutsche Interessen würden "für Europa geopfert". Die Bundesregierung sei "in einer leidenschaftlichen Europatümelei gewillt, die Bundesrepublik möglichst vieler Souveränitätsrechte zu entkleiden". Während sich der "Zustrom an Ausländern" fortsetze, müßten deutsche Steuerzahler "Milliarden Mark für Scheinasylanten aufwenden". Die DVU-Liste D wende sich "gegen jedes Ausländerwahlrecht in Deutschland". Sie verteidige den "deutschen Charakter unseres eigenen Vaterlandes" und verstehe sich als Bewahrerin "unserer deutschen Identität", die "nicht unter dem supranationalen Mantel eines westeuropäischen Bundesstaates verschwinden" dürfe. Die publizistischen Sprachrohre der Partei betonten, immer mehr Bundesdeutsche wollten sich "nicht länger als Fußabstreifer des Auslandes und Zahlmeister Europas mißbrauchen lassen". Deutschland könne nicht die Probleme des Auslands lösen und sei auch nicht das "Sozialamt der ganzen Welt". Es 104 gebe "genug Probleme im eigenen Land, so die Überwindung der deutschen Spaltung, sinnvolle Lösungen für Ausländerbegrenzung und den Erhalt des deutschen Volkes durch Förderung der Geburten". Des weiteren griffen Dr. Frey's Zeitungen die "Bonner Altparteien" an, wobei sie deren Repräsentanten als "Überfremdungsfanatiker", "Integrationsextremisten" und "lupenreine Politbetrüger" bezeichneten. Die DNZ erklärte, der Bundespräsident gehöre als "Chefankläger gegen das deutsche Volk" zu jener "in Bonn besonders zahlreich vertretenen Gattung von Politikern", die es vorziehe, die Vergangenheit "allein zu Lasten des deutschen Volkes" zu bewältigen, statt Probleme der Gegenwart wie die "Überfremdung Deutschlands" tatkräftig anzugehen. Im DA hieß es, die "radikale Linksschwankung" der CDU habe dazu geführt, daß der parlamentarische Bonner Alltag von "zwei ebenso gemäßigten und unprofilierten wie bis zum Zynismus hin angepaßten Linksparteien" geprägt werde und damit "immer mehr zur Farce" pervertiere. Der Verdacht, daß "wir es in diesem Land mit einer total nivellierten 'Führungsschicht' zu tun" hätten, die "zu jeder Kriecherei und Speichelleckerei bereit" sei, wenn sie sich nur an den "Pölsterchen ihrer Pfründe festklammern" könne, verdichte sich laufend. Durch eine "rücksichtslose Monopolisierung der etablierten Parteien" steuerten wir einer "ideenlosen Bonzokratie" entgegen. Alles, was "diesem Staat seine innere Würde zurückverleihen" könnte, werde zudem "mit dem Stigma des 'Rechtsextremismus' pauschal verketzert", um die "Monopolstellung der etablierten Funktionärskaste zu verewigen", die brennende Fragen wie die "Revision massiver Geschichtslügen" und die Abwehr der ethnischen "Überfremdung" völlig vernachlässige, 4.2 Organisation Die DVU-Liste D wurde am 5. März 1987 in München unter maßgeblicher Beteiligung von Mitgliedern und Funktionären der DVU und der NPD gegründet. Sie zählt nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bundesweit rund 6.000 (1987: 2.500) Mitglieder, davon etwa 830 (1987: 500) in Bayern. Bundesvorsitzender ist Dr. Gerhard Frey; sein Stellvertreter Dr. Fritz von Randow nimmt eine entsprechende Funktion auch in der "überparteilichen" DVU wahr, die mit ihren Aktionsgemeinschaften als "vorparlamentarische Kraft" weiterbesteht. Die Partei, die im Vorjahr lediglich in Bremen einen Landesverband gründete, verfügte Ende 1988 in allen Bundesländern mit Ausnahme von NordrheinWestfalen über Untergliederungen auf Landesund Kreisebene. Dieser forcierte organisatorische Ausbau soll der Partei im gesamten Bundesgebiet Stützpunkte für den Europawahlkampf und die damit verbundenen Aktionen schaffen. Am 2. Februar fand in München die Gründungsversammlung des Landesverbandes Bayern statt. Zum Landesvorsitzenden wurde Dr. Gerhard Frey, zu seinem Stellvertreter der niederbayerische Bezirksvorsitzende der Deutschen Volksunion e.V. (DVU) Günther Resch aus Passau gewählt. Als weitere bayerische Untergliederungen konstituierten sich im Jahre 1988 die Bezirksverbände Oberbayern, Niederbayern, Mittelfranken, Oberpfalz und Schwaben sowie die Kreisverbände Augsburg, München und Passau. Die Gründung des letzteren 105 Kreisverbandes steht in Zusammenhang mit der beabsichtigten Teilnahme der DVU-Liste D an den 1990 stattfindenden Kommunalwahlen in Passau. Anlaß dieser Kandidatur ist ein Rechtsstreit um die Überlassung der Passauer Nibelungenhalle an die DVU für deren alljährliche Großkundgebung im August; im Verfahren vor dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof war die DVU unterlegen, da die Halle diesmal im fraglichen Zeitraum bereits anderweitig belegt war. Dazu erklärte die DVU-Liste D, neben der Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten werde die Stadt Passau nun auch "auf demokratischem Wege zu rechtsstaatlichem Verhalten gezwungen" werden. Die Partei sei entschlossen, bei der Stadtratswahl im März 1990 die Mehrheit der CSU zu brechen und mit einer starken Fraktion zu garantieren, daß die in der Verfassung verbürgten Grundrechte "nicht Monopol der etablierten Kräfte und insbesondere einer Staatspartei bleiben". In ihrem Rechenschaftsbericht nach dem Parteiengesetz wies die DVU-Liste D für 1987 Gesamteinnahmen von rund 11 Million DM aus, von denen 20,4% auf Mitgliedsbeiträge, 70,9 % auf Spenden und 8,7 % auf die Wahlkampfkostenerstattung von rund 89.500 DM aus der Bremer Bürgerschaftswahl entfielen. 4.3 Aktivitäten Nachdem der Partei im Vorjahr der Einzug in die Bremer Bürgerschaft gelungen war, bereitete sie sich organisatorisch und propagandistisch auf die 1989 stattfindende Europawahl vor. Seit Ende Januar 1988 appellierte der Parteivorsitzende Dr. Gerhard Frey in seinen Wochenzeitungen an alle "deutschdenkenden" Menschen, durch eine "ungeheure Kraftanstrengung" den Einzug der DVU-Liste D "in der größtmöglichen Stärke in das Europa-Parlament durchzusetzen". Des weiteren forderte er zum Beitritt zur DVU-Liste D, zur Mitteilung von Adressen "Deutschgesinnter", zu Abonnements und PatenschaftsabonAements seiner Wochenzeitungen und zu Spenden für die Partei unter Hinweis auf deren steuerliche Abzugsfähigkeit auf. Nach dem "Versagen alter Parteien" und angesichts des "politischen Sumpfes", der unsere Gesellschaft weitgehend präge, brauche der freiheitliche demokratische Rechtsstaat eine "parlamentarische Rechte". In einer als Meinungsumfrage getarnten Anzeige unter der Überschrift "Ausländerwahlrecht - Nein! Deutsche Interessen - Ja!" wandte sich die DVU-Liste D außerdem gegen das ihren Angaben zufolge vom Europäischen Parlament beschlossene "Wahlrecht" für Ausländer und forderte zu Unterschriften unter Angabe des Namens, Alters und der Anschrift auf. Diese "Meinungsumfrage" war offenbar ein Versuch, für die Mitgliederwerbung die Personalien von Interessenten zu erlangen. Im "Deutschen Anzeiger" (DA) vom 26. August griff Dr. Frey eine Reihe weiterer Themen auf, mit denen die DVU-Liste D ihren Europawahlkampf bestreiten will. So verwies er unter der Überschrift "Ist die EG unser Untergang? Wir zahlen, die anderen kassieren" auf "EG-Skandale" wie die "EG-Freizügigkeit", die "weitere Scharen von Ausländern nach Deutschland bringen" werde, und die "EG-Lebensmittelvernichtung", deren Hauptlast der deutsche Steuerzahler trage. Eine "verfehlte" Politik in Bonn und Brüssel sei auch für das "Bauernsterben" und die Werftenund Stahlkrise verantwortlich. Im Zuge der europäischen "Rechtsangleichung" 106 seien weitere Verschlechterungen im Umweltund Lebensmittelschutz zu erwarten. Die "Einführung des Kommunalwahlrechts für alle EG-Ausländer" habe ferner zur Folge, daß "Millionen Fremde" die hiesige Politik "direkt mitbestimmen" könnten. Schließlich werde der "angestrebte westeuropäische Bundesstaat in Verbindung mit der offen verkündeten 'multikulturellen Gesellschaft' durch Millionen ausländischer Zuwanderer" die "Chancen zur Wiedervereinigung erheblich mindern". Der Wähler im Bundesgebiet stehe daher bei der Europawahl 1989 vor der Alternative, dem "EG-Extremismus" der "Etablierten" ein "völliges Unterpflügen deutscher Belange" zu ermöglichen, oder mit der DVU-Liste D eine "Lobby für deutsche Interessen" nach Straßburg zu entsenden und damit "deutlichen Protest gegen die verfehlte etablierte Politik" zu artikulieren. Am 17. Februar führte die DVU-Liste D erstmals eine Aschermittwoch-Kundgebung in Straubing durch. Daran beteiligten sich rund 1.100 Personen, darunter zahlreiche Teilnehmer der NPD-Kundgebung in Osterhofen, die nach deren Beendigung nach Straubing gekommen waren. Der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Bayern Karl Feitenhansl sprach zum Thema "EG -Segen oder Fluch?". Als Hauptredner wandte sich Dr. Frey gegen die Einführung eines Wahlrechts für Ausländer und trat dafür ein, das "ScheinAsylantentum" abzuschaffen. Abschließend rief er die Zuhörer auf, die "nationale Einheit" bei der nächsten Europawahl zu stärken und die DVU-Liste D durch Parteieintritte sowie Spenden zu unterstützen. Unter dem Motto "Erst Deutschland, dann Europa" führte die DVUListe D am 18. September in der Nibelungenhalle in Passau die von der DVU übernommene alljährliche Großkundgebung durch, nachdem es zuvor der DVU als Verein nicht gelungen war, die Überlassung des Versammlungslokals gerichtlich durchzusetzen. An der Veranstaltung, die zugleich Auftakt des Europawahlkampfs der Partei war, beteiligten sich rund 2.200 Personen, darunter zahlreiche Besucher aus Österreich und Südtirol. In seinem Referat zum Thema "Hat die deutsche Nation eine Zukunft?" versuchte Dr. Frey eine "Generalabrechnung mit etablierten Versagern und Nationalmasochisten". Er wandte sich u.a. gegen die fortschreitende "Überfremdung" und den "Milliarden" verschlingenden Mißbrauch des Asylrechts; außerdem kritisierte er die "Verleumdung der deutschen Nation" und den "Verrat" am Wiederverernigungsgebot des Grundgesetzes sowie die "Helotengesinnung" und "Selbstbedienungsmentalität" vieler Politiker. Insbesondere polemisierte er gegen die Europäische Gemeinschaft, die nicht nur den deutschen Steuerzahler ausbeute, sondern auch bundesdeutsche Schlüsselindustrien und den Bauernstand ruiniere. Des weiteren bekannte er sich zur politischen Zusammenarbeit mit der NPD und rief abschließend alle "Patrioten" auf, der DVU-Liste D beizutreten. Danach sprach der britische Schriftsteller David Irving zum Thema "Die Umerziehung der Deutschen und ihre Auswirkungen", wobei er sich hauptsächlich zur Kriegsschuldfrage äußerte. Den mit 20.000 DM dotierten "Andreas-Hofer-Preis" erhielt die Generalsekretärin der niederländischen "Zentrumsdemokraten" in Anerkennung ihres "mutigen Einsatzes für die Sache ihrer Heimat"; die Preisträgerin hatte bei einem Anschlag politischer Gegner schwere Verletzungen erlitten. Gegen die Veranstaltung der DVU-Liste D protestierten am selben Tag in 107 Aufkleber der DVU-Liste D Passau rund 1.000 politische Gegner mit einem Aufzug. Unter den Teilnehmern befanden sich Anhänger der DKP, SDAJ, WN-BdA und MLPD sowie rund 150 "Autonome". Die Polizei nahm 22 Personen vorübergehend fest und stellte Schlagwerkzeuge, Stichwaffen und sonstige gefährliche Gegenstände sicher. Beim bayerischen Landesparteitag am 20. November in München kritisierte Dr. Frey vor etwa 200 Teilnehmern die Asylund Ausländerpolitik der Bundesregierung sowie die "EG-Träumereien" des Bundeskanzlers, deren Verwirklichung einem "Verrat an den Anliegen des eigenen Volkes" gleichkäme. Umso notwendiger sei ein Wahlerfolg der DVU-Liste D bei der kommenden Europawahl. Die Partei habe deswegen schon umfangreiche Werbemaßnahmen eingeleitet, die sich gezielt an bestimmte Berufsgruppen richteten, um auf diese Weise einen Großteil der Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland über das Programm der DVU-Liste D zu informieren. Bestandteil der erwähnten Werbemaßnahmen war u.a. ein an "deutsche Landwirte und Winzer" versandtes Flugblatt, in dem die DVU-Liste D die Adressaten dazu aufrief, beider Europawahl 1989 den "etablierten Parteien" die "überfällige Quittung" zu geben. Wer gegen die "verfehlte Politik in Bonn und Brüssel" protestieren wolle, müsse die DVU-Liste D wählen, damit sie mit einer starken Fraktion die "Lebensinteressen des deutschen Volkes und vor allem 108 auch der deutschen Bauern und Winzer" vertreten könne. Im Europäischen Parlament werde sich die DVU-Liste D für die Forderung "Statt zunehmender Milliarden-Zahlungen an die EG - deutsches Geld den deutschen Bauern!" einsetzen. In einem persönlichen Anschreiben, dem das genannte Flugblatt sowie ein Parteiprogramm beigefügt waren, betonte der Parteivorsitzende Dr. Frey, am 18. Juni 1989 hätten "die deutschen Bauern und Winzer die einzigartige Gelegenheit, den alten Parteien den Verrat am deutschen Bauernstand heimzuzahlen". Am Bundesparteitag der DVU-Liste D, der am 26. November in Feucht, Landkreis Nürnberger Land, stattfand, beteiligten sich rund 450 Personen, darunter der NPD-Vorsitzende Martin Mußgnug und weitere NPD-Funktionäre. Zweck des Parteitags war die Nominierung der Kandidaten für die Europawahl am 18. Juni 1989. Auf Platz 1 der Bundesliste wurde der Parteivorsitzende Dr. Gerhard Frey gewählt. Die folgenden Plätze nehmen der Parteifunktionär Wilhelm Crinius aus Niedersachsen, der NPD-Vorsitzende Martin Mußgnug, die Parteifunktionäre Gerhard Frey jun. und Bruno Wetzel aus Bayern sowie der stellvertretende NPD-Vorsitzende Jürgen Schützinger ein. In dem auf dem Parteitag verabschiedeten Wahlprogramm zur Europawahl kündigt die DVU-Liste D an, sie werde "im neuen EG-Parlament die deutschen Interessen wahrnehmen". Des weiteren wendet sie sich gegen eine Europäische Gemeinschaft, in der "die Deutschen die Zahlmeister ohne Gegenleistung sind und in der die etablierten Parteien Interessen und Rechte des deutschen Volkes opfern". Gegen die Durchführung des Parteitags protestierten am 25. und 26. November insgesamt rund 130 politische Gegner, darunter Anhänger der DKP und WN-BdA, mit Mahnwachen und einem Schweigekreis. 5. Neonazistische Organisationen und Vorfälle 5.1 Allgemeines Der Neonazismus (neuer Nationalsozialismus) umfaßt alle Aktivitäten und Bestrebungen, die ein offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und auf die Errichtung eines dem NS-Staat vergleichbaren oder ähnlichen Systems gerichtet sind. Die Zahl der Neonazis im Bundesgebiet ist gegenüber dem Vorjahr von rund 1.520 auf 1.480 zurückgegangen; darunter befinden sich etwa 260 in Bayern. Etwa 1.320 (1987: 1.380) von ihnen sind den neonazistischen Organisationen als Mitglieder zuzurechnen, davon rund 200 in Bayern. Die Zahl der "Einzelgänger", die durch neonazistische Aktivitäten in Erscheinung traten, ohne sich an eine bestimmte Gruppe zu binden, ist im Bundesgebiet um rund 20 auf 160 gestiegen; davon entfallen wie im Vorjahr etwa 60 auf Bayern. Die 23 (1987: 20) erkannten neonazistischen Zusammenschlüsse im Bundesgebiet sind zum Teil lose Gesinnungsund Kampfkader, deren Anhänger sich teilweise auch in anderen Gruppen engagieren. Klare organisatorische Strukturen sind meist nicht erkennbar; regelmäßig dominiert jedoch ein "Führer", von dem auch der Bestand der Gruppe abhängt. Neonazistische Gruppen legen Wert darauf, in der Öffentlichkeit Aufsehen zu erregen und dadurch eine Bedeutung vorzuspiegeln, die ihnen angesichts ih109 rer geringen Stärke und der Ablehnung durch die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich nicht zukommt. Ihre Agitation ist vor allem durch Bestrebungen zur Wiedereinführung des NS-Systems, unverhohlenen Antisemitismus und sonstigen Rassismus, Verharmlosung und Leugnung der NS-Verbrechen sowie durch Verherrlichung von Institutionen und Personen der Hitler-Diktatur gekennzeichnet. Teilweise ist auch eine Orientierung an der nationalrevolutionären Frühform des Nationalsozialismus zu beobachten. Eine geistige Durchdringung der eigenen Ziele und Methoden findet kaum statt. Die Auseinandersetzung mit den bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen beschränkt sich auf die meist kritiklose Übernahme von Parolen der ehemaligen NSDAP. Gewalt wird emotional bejaht und angewendet, wo es sich ergibt und zweckmäßig erscheint. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. Juni 1986 gegen den militanten Neonazi Karl-Heinz Hoffmann ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 25. August die Revision des ehemaligen Leiters der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe Hoff mann (WSG) als unbegründet verworfen hat. Das Landgericht hatte Hoffmann wegen Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung, Nötigung in mehreren Fällen, Geldfälschung, Strafvereitelung und Verstoßes gegen das Waffenund Sprengstoffgesetz zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. 5.2 "Bewegung" ehemaliger ANS/NA-Anhänger Nach dem Ende 1983 vom Bundesminister des Innern verfügten Verbot der neonazistischen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) setzte sich deren bisheriger Organisationsleiter Michael Kühnen an die Spitze einer als "Gesinnungsgemeinschaft" gedachten "Bewegung", die sich der "nationalsozialistischen Idee" verpflichtet fühlt. Dieser Neonazikreis, der schon in seiner Bezeichnung unmittelbar an die NS-Terminologie anknüpft und ein Instrument zur Steuerung neonazistischer Aktivitäten darstellt, sucht die Ziele der verbotenen ANS/NA weiterzuverfolgen. Er zählt bundesweit rund 500 Personen und setzt sich aus ehemaligen ANS/NA-Mitgliedem, aber auch aus Neuzugängen zusammen; ein Teil von ihnen ist Mitglied der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP). Organisatorische Basis ist das von Kühnen im Mai 1984 initiierte "Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers" (KAH). Seit 1986 ist die nach dem Vorbild des KAH streng hierarchisch gegliederte "Bewegung" in zwei rivalisierende Lager gespalten. Anlaß dieses Zerwürfnisses war der von führenden Neonazis an die Adresse Kühnens und seines Stellvertreters Thomas Brehl gerichtete Vorwurf der Homosexualität. Beide erklärten daraufhin zum 1. September 1986 ihren Austritt aus der "Bewegung". Ihre Nachfolge traten die Neonazis Jürgen Mosler und Volker Heidel an. Die Entscheidung Kühnens, die "Bewegung" zu verlassen, stieß bei seinen Gesinnungsgenossen zum Teil auf Unverständnis. Einige erkannten die neue Führung nicht an und riefen dazu auf, sich erneut um Kühnen zu scharen. Dies wohl bewog ihn, seinen Austritt im Dezember 1986 zu widerrufen und die Konfrontation mit den "Putschisten" um Mosler zu suchen mit dem Ziel, selbst wieder die Führung in der "Bewegung" zu übernehmen. Die Fronten zwischen 110 TDiTtecftani) W Ute Tleue front Nr. 52 6. Jahrgang Februar 1988 Vielvölkerstaat Bundesrepublik Publikation der "Bewegung" (Gruppe Kühnen) Kühnens Anhängern und Gegnern haben sich seither zunehmend verhärtet mit der Folge, daß jede der beiden Gruppen eine Schrift mit dem Titel "Die Neue Front" (NF) herausgibt und auch sonst eigene politische Aktivitäten entfaltet. Kühnens Gefolgsleute treten seit 1987 auch unter Bezeichnungen wie "Antizionistische Aktion" (AA), "Antikommunistisches Aktionsbündnis" (Antiko) und "Volksbewegung gegen Überfremdung" (VBÜ) in Erscheinung. Bei diesen im Vorjahr gebildeten "Vorfeldorganisationen" der "Bewegung" (Gruppe Kühnen) handelt es sich um Propagandainstrumente ohne organisatorische Struktur. Die "Antizionistische Aktion" bezichtigte Israel in ihren in Bayern verbreiteten Schriften der "Knechtung des palästinensischen Volkes". Sie kritisierte die "herrische Arroganz und rücksichtslose Brutalität der israelischen Besatzer" im Gaza-Streifen und Westjordanland und behauptete, der "Auserwähltheitswahn eines rassistischen und imperialistischen Groß-Israel" habe das friedliche Zusammenleben aller ethnischen und religiösen Gruppen in Palästina zunichte gemacht. Die Verwirklichung dieses "palästinensischen Traumes" scheitere "allein an den Zionisten"; daher vertrete die "Antizionistische Aktion" die Forderung "Den Zionismus austilgen!". 111 Die Neue Front Nr.47/48 März/April '88 6. Jahrgang Der Schuß in den Ofen Justizterror Publikation der "Bewegung" (Gruppe Mosler) In der von Kühnens Anhängern herausgegebenen Publikation "Die Neue Front" äußerte der frühere Organisationsleiter der verbotenen ANS/NA in seinem "26. Brief aus der Haft", das deutsche Volk benötige jetzt eine "kämpferische Elite", die durch ihre Einsatz-und Opferbereitschaft, ihre Treue zu "Volk, Idee und Partei" in der Lage sein werde, "eine Revolution durchzuführen und die Macht zu ergreifen". Diese Elite habe sich an den von ihm formulierten zehn Geboten des "politischen Soldatentums" zu orientieren, die u.a. forderten: "Sei erbarmungslos!". Sie müsse die "führende Kraft in unserem Volk" werden und an die Stelle der heute herrschenden "korrupten und selbstsüchtigen Führungsschichten" treten. Eine weitere Ausgabe dieser Schrift enthielt die auf die Gruppe Mosler zielende Ankündigung: "Wenn sie Krieg haben wollen, werden sie Krieg bekommen! Und dann werden sie ihn so total und radikal bekommen, wie sie es sich nur wünschen können!". Am 1. März wurde Kühnen nach Verbüßung seiner Haft aus der Justizvollzugsanstalt Butzbach/Hessen entlassen. Das Landgericht Frankfurt a.M. hatte ihn am 25. Januar 1985 wegen Verbreitens von Propagandamitteln und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Einbeziehung früherer Freiheitsstrafen zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und 112 vier Monaten unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre verurteilt. Nach der Haftentlassung begann Kühnen sofort, seine Anhänger und die ihm ergebenen "Kameradschaften" innerhalb der "Bewegung" aufzusuchen, um seine Gefolgsleute um sich zu sammeln und neue Initiativen im Kampf für den Nationalsozialismus zu ergreifen. Um den Bekanntheitsgrad seiner Organisation zu steigern, nutzte er jede Gelegenheit, Kundgebungen in der Öffentlichkeit abzuhalten und vor eingeladenen Journalisten und Fernsehteams seine Ideen vom "Kampf für das IV. Reich" und von der Neugründung der NSDAP zu erläutern. Wegen solcher Äußerungen eröffnete die Staatsanwaltschaft Frankfurt erneut ein Ermittlungsverfahren gegen ihn. Auf seinen Kundgebungen stellte Kühnen eine von ihm neugegründete Organisation "Nationale Sammlung" (NS) vor, die als "programmatische Plattform" allen "nationalund Sozialrevolutionären Kräften" offenstehe. Diese "Wählerinitiative", aus der später eine politische Partei entstehen sollte, bekannte sich zum Grundsatz "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" und trat dafür ein, "Umerziehung und Greuelpropaganda" zu beenden. Sie wandte sich ferner gegen die "massenhafte Ansiedlung geschlossener fremdvölkischer Minderheiten in der BRD (Überfremdung)" und forderte den "konsequenten politischen Kampf gegen den Zionismus, seine Erpressungsmethoden, Lügen und Frechheiten gegenüber unserem Volk". Die NS wollte im März 1989 bei den Kommunalwahlen in Frankfurt a.M. und Langen/Hessen kandidieren, wurde aber am 9. Februar 1989 vom Bundesminister des Innern verboten und aufgelöst. Am 2. März führte die Polizei bei 83 Angehörigen der "Bewegung" eine bundesweite Durchsuchungsaktion durch. Die Betroffenen stehen im Verdacht, den organisatorischen Zusammenhalt der verbotenen ANS/NA aufrechterhalten zu haben. Schwerpunkte der Aktion waren die Länder Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Aufgrund von Haftbefehlen nahm die Polizei vier führende Aktivisten der "Bewegung" aus Duisburg, Grevenbroich, Hannover und München als Rädelsführer fest. Die Exekutivmaßnahmen, die sich in Bayern gegen insgesamt 22 Personen richteten, führten zur Sicherstellung von umfangreichem Beweismaterial. Neben einigen Waffen und weiteren nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenständen fand die Polizei Uniformteile, NSSymbole und -Abzeichen, Organisationsund Schulungsunterlagen sowie "Dienstvorschriften" der "Bewegung" und umfangreiches neonazistisches Propagandamaterial. Mehrere sichergestellte Personalcomputer und Disketten belegten außerdem, daß auch Neonazis moderne Informationsund Kommunikationstechnologien nutzen. In einer "Extra-Ausgabe" ihrer Publikation "Die Neue Front" kritisierte die Gruppe Mosler der "Bewegung" den "unerwünschten Besuch" der "Lakaien des Besatzersystems" und zeigte sich erstaunt, daß die bundesweiten Exekutivmaßnahmen fast ausschließlich der "Bewegung junger bekennender nationaler Sozialisten" galten, die "Kühnen und Konsorten bereits vor über einem Jahr aus ihren Reihen verbannten". Trotz der Inhaftierung "bedeutender Kameraden" durch die "Vasallen der BRD" sei aber die Aktionsfähigkeit nicht gemindert. "Terror" erzeuge vielmehr Fanatismus, und letzterer sei die "Kraft, die unsere kleine Gemeinschaft so stark macht". Der Artikel endete mit dem Aufruf: "Wir, die wir bis zum Tode zur heiligen Idee stehen, werden nur noch energischer, totaler und radikaler gegen dieses Terrorsystem vorzugehen wissen". 113 Im April gründeten Kühnens Anhänger eine bundesweite "Freie Gewerkschaftsbewegung", die den Anspruch erhebt, "allein konsequent die Interessen des deutschen Arbeiters zu vertreten". Am 14. Mai sollte Kühnen in Siegertsbrunn, Landkreis München, bei der geplanten Gründung eines Landesverbandes Bayern der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) als Gastredner auftreten. Im Veranstaltungslokal hatten sich rund 50 Aktivisten und Sympathisanten der "Bewegung" (Gruppe Kühnen) aus Österreich, Hessen und Bayern versammelt. Beim Eintreffen vor dem Lokal wurde Kühnen, der seit seiner Haftentlassung bei anderen Veranstaltungen bereits mehrere neonazistische Propagandadelikte begangen hatte, zur Verhütung weiterer Straftaten bis zum nächsten Morgen in Gewahrsam genommen. Nach einigen kurzen Ansprachen verließen die Neonazis den Veranstaltungsort, ohne den FAP-Landesverband gegründet zu haben, und fuhren nach München. Dort marschierten am späten Nachmittag rund 30 Anhänger Kühnens mit einer schwarz-weiß-roten Fahne in geschlossener Formation zum Polizeipräsidium. Sie sangen "Einst kommt der Tag der Rache" und riefen in Sprechchören Parolen wie "Ausländer raus", "Nieder mit dem Bullenstaat" und "Freiheit für Kühnen". Die Polizei löste die nicht angemeldete Versammlung auf, stellte die Personalien der Teilnehmer fest und leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Am Abend fielen die Neonazis erneut auf, als sie in einem Festzelt in München "Sieg Heil" riefen und den Hitlergruß andeuteten. Die Polizei nahm die Störer zur Identifizierung vorübergehend fest. 27 Aktivisten, die bereits an der nicht angemeldeten Versammlung vor dem Polizeipräsidium teilgenommen hatten, wurden bis zum nächsten Tag in Gewahrsam genommen. Gegen alle Beteiligten leitete die Polizei außerdem Ermittlungsverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein. Am 28. Mai hielt Kühnen in der Fußgängerzone in München vor etwa 50 Zuhörern eine Rede über die politische Situation in der Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig verteilten einige seiner Anhänger Flugblätter der neonazistischen "Nationalen Sammlung" (NS) mit der Aufschrift "BRD 1988 und kein Land in Sicht". Darin kündigte die von Kühnen gegründete NS an, sie werde "nicht tatenlos zusehen, wie korrupte Politiker und Wirtschaftsbonzen unser Land zum Spielball imperialistischer Mächte machen". Eine positive Veränderung sei "mit diesem scheindemokratischen System nicht mehr möglich". Eine "nationale und sozialistische Revolution" müsse daher das "Zeitalter des Verfalls" ablösen und es durch eine "Neue Ordnung" ersetzen, deren Träger "der Arbeiter der Stirn und der Arbeiter der Faust" seien. Die Polizei nahm Kühnen wegen Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung fest; seine neun Gesinnungsgenossen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. Gegen Kühnen erging wegen Fluchtgefahr Haftbefehl, der zwei Wochen später gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde. Das Amtsgericht München verurteilte Kühnen am 15. November wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 900 DM. Der führende Aktivist der "Bewegung" (Gruppe Kühnen) Christian Worch meldete im Namen der von ihm geleiteten "Nationalen Initiative - Freiheit für Michael Kühnen" für den 17. Juni eine Mahnwache vor der Justizvollzugsanstalt 114 Stadelheim in München an. Anlaß war der Ende Mai vom Amtsgericht München gegen Kühnen erlassene Haftbefehl. Die geplante Aktion wurde von der Landeshauptstadt München wegen der dabei zu erwartenden Straftaten verboten. Kühnen und etwa 60 seiner Gefolgsleute beteiligten sich am 20. August in Wunsiedel an einem von einem Neonazi aus Nordrhein-Westfalen angemeldeten Aufzug unter dem Motto "Trauerfeier für Rudolf Heß". Bei der Schlußkundgebung würdigte Christian Worch den verstorbenen "Stellvertreter des Führers" als "Märtyrer" und "Friedensflieger"; zugleich kündigte er jährlich wiederkehrende Aktionen zum Todestag von Heß in Wunsiedel an. Bereits am 13. August hatten sich in einer Gaststätte in Nagel, Landkreis Wunsiedel i.Fichtelgebirge, rund 40 Anhänger der "Bewegung" (Gruppe Mosler) zum Gedenken an Heß getroffen. Die Zusammenkunft war ohne Außenwirkung verlaufen. Am 19. November versammelten sich in einer Gaststätte in Lichtenfels rund 80 Anhänger Kühnens aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Hauptredner der als "Gautreffen" angekündigten Zusammenkunft war Michael Kühnen. Er äußerte, die von ihm geschaffene - damals noch nicht verbotene - "Nationale Sammlung" (NS) sei innerhalb der "Bewegung" eine von den Grundsätzen "Glaube, Gehorsam und Kampf" beseelte Elite, der bei den anstehenden Kommunalwahlen in Hessen eine "Durchbruchsschlacht" gelingen könne. Den seiner Ansicht nach vorprogrammierten Wahlsieg der NS verglich er mit dem Punkt, von dem aus die NSDAP in den 20er Jahren ihren Aufstieg begonnen habe. In Zusammenhang mit rechtsextremen Aktionen im Raum Wunsiedel anläßlich des Todes von Rudolf Heß im August 1987 waren gegen Kühnens Gefolgsleute noch einige Strafverfahren anhängig. So verhängte das Amtsgericht Wunsiedel am 25. Mai gegen einen Neonazi eine Geldbuße von 400 DM wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und am 30. Mai gegen eine Aktivistin eine Geldstrafe von 960 DM wegen Hausfriedensbruchs. Mitte Oktober fanden vor dem Landgericht Hof Berufungsverhandlungen gegen zwei weitere Aktivisten statt. Einer von ihnen wurde wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 600 DM verurteilt. Soweit beide vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs bzw. Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz freigesprochen wurden, legte die Staatsanwaltschaft dagegen Revision ein. 5.3 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Die im März 1979 gegründete FAP, deren Satzung und Programm keine eindeutig rechtsextreme Zielsetzung erkennen lassen, war bis Ende 1983 eine politisch unbedeutende, auf den Raum Stuttgart beschränkte regionale Organisation. Nach dem Verbot der ANS/NA im Dezember 1983 hatte deren damaliger Organisationsleiter Michael Kühnen zu verstehen gegeben, daß die ANS/ NA ihre eigenen neonazistischen Bestrebungen unter dem Deckmantel der FAP fortzusetzen gedenke. Seither schlossen sich ehemalige ANS/NA-Anhänger, die einen neuen organisatorischen Rahmen für ihre politischen Aktivitäten suchten, der FAP an in der Absicht, sie entsprechend den Vorstellungen der 115 ANS/NA umzufunktionieren. Von diesen Neonazis, die teils dem Kühnen-, teils dem Mosler-Flügel der "Bewegung" angehören, wird die FAP weiterhin maßgeblich gesteuert. Damit übertrugen sich die zwischen Anhängern und Gegnern Kühnens bestehenden Differenzen auch auf die FAP und machten deren personelle und organisatorische Situation immer verworrener. Die FAP zählt wie im Vorjahr bundesweit über 500 Mitglieder, von denen rund 60 (1987: 80) in Bayern aktiv sind. Landesverbände bestehen in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen; die am 14. Mai beabsichtigte Gründung des FAP-Landesverbandes Bayern scheiterte (vgl. Nr. 5.2). Zu den in Bayern bestehenden Kreisverbänden Ansbacher Land, Aschaffenburg, Bad Neustadt a.d.Saale, Coburg, GarmischPartenkirchen, Günzburg, Kaufbeuren, Kitzingen und München kamen 1988 die Kreisverbände Bamberg und Kronach hinzu. Die FAP-Untergliederungen Berchtesgadener Land, Obermain und Würzburg wurden wegen Inaktivität aufgelöst. Auf dem Bundesparteitag der FAP am 5. November in Stuttgart wählten die dem Mosler-Flügel der "Bewegung" zuzurechnenden Delegierten den ehemaligen Leiter der verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) Friedhelm Busse zum neuen Bundesvorsitzenden. Anhänger Kühnens, die offenbar auf Veranlassung des bisherigen FAP-Vorsitzenden Martin Pape zur Abstimmung nicht zugelassen wurden, bestellten daraufhin am selben Tag auf einer Gegenveranstaltung einen eigenen Vorstand, an dessen Spitze der Gründer der Wiking-Jugend (WJ) Walter Matthaei steht. Die Spaltung der "Bewegung" hat damit auch in organisatorischer Hinsicht auf die FAP übergegriffen. Im Parteiorgan "FAP-Intern" äußerte der zum FAP-Generalsekretär ernannte führende Aktivist der "Bewegung" Jürgen Mosler, die Wahlergebnisse des Bundesparteitages ermöglichten es "der Mehrheit endlich, die weiteren Geschicke der Partei allein in die Hand zu nehmen und die Partei von störenden und abartigen Elementen zu befreien". Die FAP werde "diesem herrschenden System mit seinen z.T. kuriosen Gesetzen" eine "geschlossene nationale und sozialistische Partei entgegenstellen". Die Schrift berichtete ferner über die erste Sitzung des neuen Parteivorstands am 19. November, bei der Volker Heidel und der Münchner Neonazi Michael Swierczek zu stellvertretenden Generalsekretären ernannt wurden; zugleich übertrug ih116 Aufkleber der FAP FAP-Niedersachsen Postfach 510372 ^ A j ^ ^ 3000 3000 Hat Hannover 51 ASYLANTEN Ausländer RAUS! RAUS! Unsere Jugend Ist arbeitslos. Deutschland den Deutschen FAP-NietlewKhsm Postfach 51 03 72 Posttech 5 W ) 3 ? 2 3000 Hanno"" 51 3 0 0 0 Hannover 51 117 nen der Parteivorstand die Leitung der Referate "Propaganda" bzw. "Presse". In der ersten Ausgabe der seit Oktober 1988 erscheinenden Publikation hatte Mosler betont, daß die FAP innerhalb kurzer Zeit zur "Speerspitze des nationalen Widerstandes" gegen "Dekadenz", "Überfremdung", "Kommunismus" sowie gegen die über unser Volk verbreiteten "Lügen" geworden sei. Schon einmal habe es eine anfangs sehr kleine Partei geschafft, zu einer "Volksbewegung zu werden, die den Gegnern der germanischen Völker das Fürchten beibrachte". Deshalb sei "die Angst der Gegner unseres Volkes auch begründet"; sie wüßten nämlich genau, daß eine "nationale Partei" wie die FAP "eine ernsthafte Gefahr für ihre zersetzende Tätigkeit" sei. Die Aktivitäten der FAP-Anhängerschaft in Bayern bestanden im wesentlichen in internen Zusammenkünften und propagandistischen Aktionen. So sprühten FAP-Angehörige in der Nacht zum 5. Januar in Kitzingen einen Davidstern, Hakenkreuze und Parolen wie "Deutschland erwache" und "Türken raus". Ein FAP-Anhänger beleidigte und mißhandelte am 27. Januar in Kitzingen einen Türken; zuvor hatte er an dessen Wohnung Hakenkreuze und ausländerfeindliche Parolen geschmiert. Acht FAP-Aktivisten aus Bayern und Baden-Württemberg führten am 17. Juni auf dem Olympiaberg in München eine nicht angemeldete Kundgebung durch. Sie entrollten ein etwa 45 m langes und 3 m breites Transparent mit der Aufschrift "FAP - Freiheit für die Einheit der Nation"; gleichzeitig verteilte der Versammlungsleiter Flugblätter der FAP mit dem Titel "Freiheit für Deutschland! Der Auftrag des 17. Juni". Darin erklärte die FAP, sie werde "getreu dem Auftrag der Märtyrer des 17. Juni für unser Land aktiv bleiben", solange "ein fremder Soldat auf deutschem Boden" stehe und "kulturell und wirtschaftlich fremde Macht" auf Deutschland laste. Die Polizei nahm die Beteiligten zur Feststellung der Personalien vorläufig fest, stellte rund 2.000 Flugblätter sicher und leitete ein Ermittlungsverfahen wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Unbekannte Täter verbreiteten in der Nacht zum 25. September in Aschaffenburg Aufkleber der FAP mit Parolen wie "Rudolf Heß - von den Alliierten ermordet - niemals vergessen", "Den Verrat am Vaterland stoppen - deshalb: FAP" und "Besatzer raus - Gegen Kapitalismus und Kommunismus". Das Landgericht Nürnberg-Fürth verhängte in einer Berufungsverhandlung am 21. September gegen einen Aktivisten der FAP eine Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch. Zwei mitangeklagte Gesinnungsgenossen erhielten je eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Alle Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegenstand des Verfahrens war eine nächtliche Schmieraktion im Nürnberger Fußballstadion im April 1987. In einer Berufungsverhandlung am 22. September verurteilte das Landgericht München II einen 19jährigen FAP-Aktivisten aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einem Freizeitarrest und fünf Tagen gemeinnütziger Arbeit. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Angeklagte hatte im Juni 1987 am "1. Werdenf eiser Ausbildungslager" des FAP-Kreisverbandes Garmisch-Partenkirchen teilgenommen, bei dem die Neonazis u.a. uniformähnliche Kleidung getragen hatten. 5.4 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) Die 1979 von Neonazis gegründete HNG mit Sitz in Frankfurt a.M. zählt rund 220 (1987: 240) Mitglieder. Sie betreut inhaftierte Gesinnungsgenossen finanziell und ideell, um deren "Kampfmoral" zu erhalten. Daneben sollte es von Anfang an Aufgabe der HNG sein, den von Exekutivmaßnahmen betroffenen Gesinnungsgenossen ein ihrer neonazistischen Anschauung entsprechendes politisches Kontaktund Aktionsfeld zu bieten. Zulauf erhielt sie vor allem aus Kreisen verbotener neonazistischer Organisationen, deren ehemalige Anhänger die Ausrichtung der HNG zunehmend beeinflussen. So ist seit Februar 1984 die frühere ANS/NA-Aktivistin Christa Goerth aus Bielefeld Vorsitzende der HNG. Nach der Inhaftierung des ehemaligen ANS/NA-Funktionärs Christian Worch im März 1985 wurde das Amt des Schriftleiters der HNG-Publika119 tion "Nachrichten der HNG" dem führenden FAP-Aktivisten Volker Heidel aus Hannover übertragen, der einst der 1982 verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) angehört hatte. Wegen ihrer gruppenübergreifenden Betätigung hat sich die HNG zu einem Sammelbecken neonazistischer Bestrebungen und zugleich zu einer Schaltstelle für Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen entwickelt. Insbesondere ist eine Zusammenarbeit mit der von französischen Neonazis gegründeten Schwesterorganisation "Comite Objectif entraide et solidarite avec les victimes de la Repression Antinationaliste" (COBRA) festzustellen. Die HNG veröffentlichte in ihrem monatlich erscheinenden Mitteilungsblatt regelmäßig Listen, Anschriften und Briefe von "nationalen politischen Gefangenen", darunter auch von rechtsterroristischen Gewalttätern. In der März-Ausgabe rief die HNG zur Teilnahme an einem "Friedhofsprozeß" am 18. Mai in Wunsiedel auf, wo sich ein Neonazi wegen seiner Aktivitäten anläßlich des Todes von Rudolf Heß vor Gericht zu verantworten hatte. ' / - ' * 5.5 Nationalrevolutionäre Unter der Bezeichnung "Nationalrevolutionäre" tritt seit Mai 1986 in München eine Gruppierung in Erscheinung, die sich zuvor wegen interner Differenzen Aufkleber der Nationalrevolutionäre 120 von der neonazistischen Nationalistischen Front (NF) mit Sitz in Bielefeld getrennt hatte. Die vom früheren 2. stellvertretenden NF-Vorsitzenden Josef Heggmair geleitete Gruppe zählt wie im Vorjahr etwa 20 Mitglieder. In ihrem Grundsatzprogramm, das in Aufbau und Inhalt mit dem der NF nahezu übereinstimmt, fordern die Nationalrevolutionäre die "antiimperialistische Nationale Befreiung von fremder Macht und ihren deutschen Handlangern" und den "Kampf für ein biologisch gesundes Volk". Sie wenden sich in diesem Zusammenhang gegen eine "weitere fremdvölkische Einwanderung" und propagieren eine "lebensrichtige Neue Ordnung" in einer dem "Gemeinsinn und dem Volksinteresse" dienenden "Volksgemeinschaft der Zukunft". In einem Ende Januar in München verbreiteten Flugblatt mit der Überschrift "Den Zionismus stoppen!" kritisierten die Nationalrevolutionäre die "herrische Arroganz und rücksichtslose Brutalität der israelischen Besatzer" im GazaStreifen und Westjordanland. Sie bezichtigten Israel der "Knechtung des palästinensischen Volkes" mit dem Ziel, ein "rein jüdisches Groß-Israel" schaffen zu wollen, und behaupteten, die Israelis hätten "Tausende" von Palästinensern "verhaftet und in Lagern konzentriert (gelernt ist gelernt)". Das Amtsgericht München erließ für die Schrift einen allgemeinen Beschlagnahmebeschluß und verurteilte einen 25-jährigen Aktivisten wegen Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Geldstrafe von 900 DM. In der Ausgabe 3 ihres für "Kampfgenossen und Interessenten" bestimmten "NR-InfoDienstes" forderten die Nationalrevolutionäre u.a. die Entmachtung der herrschenden Klasse und die "Rückführung der Gastarbeiter". Des weiteren bezichtigten sie die christlich-demokratische Regierungspartei, als "konsequenter Parteigänger der Atomlobby" Deutschlands Spaltung zu betreiben und den westlichen Teil dem anglo-amerikanischen Finanzkapital auszuliefern. Die Agitation der Gruppierung weist äußerlich auch Berührungspunkte zum Linksextremismus auf. So forderten die Nationalrevolutionäre in einer Ende des Jahres herausgegebenen Schrift mit dem Titel "Für die Sache des Volkes - Gegen Fremdherrschaft und Kapital" gemeinsam "mit allen nationalund Sozialrevolutionären Kräften der Welt" die "Einstellung aller Zahlungen an die Hochfinanz" sowie die "Enteignung aller Banken, Produktionsmittel und des Großgrundbesitzes". Sie behaupteten ferner, unsere "farblosen politischen Strohmänner" seien ohnehin nur dazu da, die "Beschlüsse der Konzernund Bankvorstände in die nötige Gesetzesform zu bringen". So sei es "letzten Ende egal, welche der Systemparteien die Regierung stellt". Abschließend propagierte die Gruppe ihre bereits aus Flugblättern bekannten Forderungen wie "Schutz des Lebens statt Schutz des Kapitals", "Schluß mit kapitalistischer Entwurzelung" und "Kampf dem Imperialismus -Freiheit den Völkern!". Eine echte Bereitschaft zur Kooperation mit Linksextremisten ist allerdings wegen der in Wirklichkeit unüberbrückbaren ideologischen Gegensätze nicht vorhanden. 5.6 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle Die Gesamtzahl der bekanntgewordenen neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Vorfälle verringerte sich gegenüber dem Vorjahr von 274 auf 208. In weiteren 175 (1987: 120) äußerlich vergleichbaren Fällen war ein rechts121 extremes Motiv nicht erkennbar bzw. nicht vorhanden (z.B. beim Verwenden von NS-Symbolen als Mittel der politischen Diffamierung). Allein in München und Nürnberg ereigneten sich mit 40 (1987: 80) bzw. 19 (1987: 12) rund 28 % (1987: 34 %) aller Vorfälle (ohne allgemeine Verdachtsfälle). Meist handelte es sich um Schmierund Klebeaktionen, bei denen Hakenkreuze und SS-Runen gesprüht oder Parolen wie "Heil Hitler", "Juden raus", "Türken raus" und "Ausländer raus" angebracht wurden. Eine auffallende Häufung solcher Aktionen war anläßlich des 50. Jahrestages der "Reichskristallnacht" (nationalsozialistisches Judenpogrom am 9./10. November 1938) zu verzeichnen. Anlässe für Ermittlungsverfahren waren auch das Tragen von NS-Symbolen an Kleidungsstücken, die Beschädigung jüdischer Gedenkstätten sowie anonyme Beleidigungen und Bedrohungen aus rassistischen bzw. antisemitischen Motiven. Eine Aufklärung gelang in 208 Fällen (1987: 126). Unter den ermittelten 246 Tätern (1987: 174) befanden sich 36 (1987: 39) Minderjährige. Die Staatsanwaltschaften stellten 46 Verfahren ein. In 19 Fällen wurden die Täter verurteilt. Die Verfahren gegen die übrigen Beschuldigten dauerten Ende 1988 noch an. Eine Gesamtsteuerung der Aktionen durch eine oder mehrere extremistische Gruppen war nicht erkennbar. Die polizeilichen Ermittlungen wegen des neonazistisch geprägten Auftretens von Skinheads und Fußballfans, die z.B. Hakenkreuze oder SS-Runen an der Kleidung trugen, erbrachten nur in Einzelfällen Hinweise auf eine diesem äußeren Erscheinungsbild entsprechende politische Motivation der Täter. Ein gruppenbezogenes Zusammenwirken von Fußballfans bzw. Skinheads einerseits und Neonazis andererseits war hingegen in Bayern auch 1988 nicht feststellbar. 6. Sonstige rechtsextreme Organisationen 6.1 Deutscher Block (DB) Der 1947 in München gegründete DB bekennt sich zur "Führung des Staates durch eine Elite". Er hält "Demokratie mit dem Führertum für vereinbar", lehnt "rassischen Mischmasch" ab und tritt für die "Wiedereinführung eines Pflichtarbeitsdienstes" ein. Die Gruppierung mit Sitz in Memmingen zählt im Bundesgebiet wie im Vorjahr rund 30 Mitglieder, davon etwa die Hälfte in Bayern, wo sie in den Kreisverbänden "Ritter von Epp", München, und "Fritz Plötz", Wolfratshausen, organisiert sind. "Reichsvorsitzender" ist Richard Etzel aus Memmingen. Mit einer Feier unter dem Motto "Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu!" gedachten am I.Mai DB-Anhänger in München der Befreiung Münchens von der Räteherrschaft im Jahre 1919. Die .traditionelle "Schlageter-Gedenkfeier" des DB am Gedenkstein bei Kleinwendern, Landkreis Wunsiedel i.Fichtelgebirge, wurde u.a. wegen möglicher Gegendemonstrationen abgesagt. Stattdessen legte der DB-Vorsitzende Etzel am 17. Juni in Anwesenheit von etwa 45 Personen am Grab von Wehrmachtsoberst a.D. Hans-Ulrich Rudel in Dornhausen einen Kranz nieder. Am 26. August hielt der DB in einer Münchner Gaststätte eine als "geschlossene Veranstaltung" deklarierte Gedenkfeier für Rudolf Heß ab. Die weiteren Aktivitäten des DB beschränkten sich auf meh122 rere interne Vortragsveranstaltungen, die größtenteils im Raum München stattfanden. 6.2 Wiking-Jugend (WJ) Die 1952 gegründete WJ ist eine straff nach dem Führerprinzip geleitete "volkstreue nordländische" Jugendorganisation, die sich als "heranzubildende Elite" versteht und ihre "kämpferische" Weltanschauung betont. Sie bekennt sich zu einer "Lebensgemeinschaft auf völkischer Grundlage" und betrachtet das Gesetz der "Auslese alles Starken und Gesunden" in sozialdarwinistischer Weise als "entscheidende Kraft im Leben". Die in Gaue gegliederte WJ mit Sitz in Stolberg/Nordrhein-Westfalen zählt im Bundesgebiet rund 400 (1987: 380) Mitglieder, davon etwa 60 in Bayern. Bundesführer ist Wolfgang Nahrath aus Stolberg. In Bayern bestehen die Gaue "Bayern" in Freising und "Franken" in Stockstadt, Landkreis Aschaffenburg. Die WJ unterhält Kontakte zu Jugendgruppen gleichen Namens und gleicher Zielsetzung in Belgien, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Spanien und in den Niederlanden. Publikationsorgan des Bundes ist die vierteljährlich erscheinende Schrift "Wikinger" in einer geschätzten Auflage von 800 Exemplaren. Der Gau Bayern veröffentlicht seine Nachrichten im "Odalbrief", der 1988 nach vierjähriger Pause wieder mit zwei Ausgaben erschien. Die Tätigkeit der WJ war auch 1988 von internen Auseinandersetzungen geprägt. Besonders der vom WJ-Bundesführer vertretene Kurs einer engen Zusammenarbeit mit Neonazis traf auf heftige Kritik eines Teils der Funktionäre und der Basis. Auf Grund seiner engen Verbindungen insbesondere zum Mosler-Flügel der "Bewegung" schloß sich Nahrath der in Neonazikreisen geführten Kampagne gegen Homosexualität an. In einem Rundschreiben vom 12. Mai an die "Freunde und Kameraden" bezog der WJ-Bundesführer eindeutig Stellung gegen Michael Kühnen. Er betonte, die WJ sei stets gegen Abnormitäten eingetreten und wünsche daher bei ihren Lagern, Treffen und sonstigen Veranstaltungen keine Homosexuellen. Beim Pfingstlager der WJ vom 20. bis 25. Mai im Kreis Celle/Niedersachsen kam es in diesem Zusammenhang zu einer Auseinandersetzung, als Anhängern Kühnens der Zutritt zum Lager verwehrt wurde. Der ehemalige WJ-Bundesführer Walter Matthaei, der seit November an der Spitze von Kühnens Gefolgsleuten in der FAP steht, verließ daraufhin demonstrativ das Treffen. Vom 27. Dezember 1988 bis 1. Januar 1989 veranstaltete die WJ ein "Winterlager" in der Jugendherberge in Aschaffenburg; sie hatte sich dort als "hessische Folkloregruppe" angemeldet. Unter den rund 80 Teilnehmern befanden sich auch Anhänger der "Bewegung" (Gruppe Mosler). Die WJ hatte erklärt, sie freue sich mit "Feuer und Flamme auf die Jahreswende 1988/89 in Fulda". Der Landrat des Kreises Fulda verbot darauf am 30. Dezember die von der WJ in der Silvesternacht bei Hilders-Simmershausen/Rhön in der Nähe der innerdeutschen Grenze geplanten "Mahnfeuer". Kontrollen der Polizei sorgten für die Einhaltung des Verbots. Im Zusammenhang mit der von einem Aktionskomitee "Nie wieder Faschismus" für den 31. Dezember in Fulda angekündigten Demonstration gegen die geplanten Aktionen der WJ nahm die Polizei rund 123 30 Rechtsextremisten, darunter den WJ-Bundesführer, vorübergehend fest. In Bayern unterband die Polizei in der Silvesternacht das Vorhaben von WJ-Angehörigen, im Raum Aschaffenburg ein "Mahnfeuer" zu entzünden. Das Amtsgericht Bad Neustadt a.d.Saale verhängte gegen den WJ-Bundesführer am 31. August eine Geldstrafe von 1.200 DM. Der Angeklagte hatte in Zusammenhang mit einer Silvesterfeier der WJ am 31. Dezember 1987 in Fladungen, Landkreis Rhön-Grabfeld, eine nicht angemeldete Versammlung unter freiem Himmel geleitet. Die im Januar 1985 von Aktivisten der WJ und FAP als gemeinsame Aktionsplattform gegründete Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO) trat 1988 nicht in Erscheinung. 6.3 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) Die 1960 in Frankfurt a.M. von ehemaligen SSund NSDAP-Angehörigen gegründete GFP stellt vor allem ein Podium für Publizisten dar, die rechtsextremes Gedankengut vertreten. Sie will in einer angeblich "durch Siegerrechte und Besiegtenpflichten beschränkten Öffentlichkeit" eine "Freistatt für den deutschen Gedanken und das deutsche Wort" schaffen und erhalten. So wendet sie sich gegen die "Entstellungen in der deutschen Geschichtsbetrachtung" und die "unwahren Darstellungen der Ursachen und Hintergründe beider Weltkriege" sowie "gegen jede Unterdrückung der Meinungsvielfalt". In Wirklichkeit scheint sich ihr "geistiger Kampf" in erster Linie gegen die Indizierung rechtsextremer Veröffentlichungen durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zu richten. Die Vereinigung, die ihren Sitz in München hat, zählt im Bundesgebiet wie im Vorjahr rund 400 Mitglieder. Vorsitzender ist seit Mai 1985 Dr. Gert Sudholt. Als Publikationsorgan erscheint vierteljährlich die Schrift "Das Freie Forum". Unter dem Motto "Das Selbstbestimmungsrecht und die Deutschen" hielt die GFP vom 28. bis 30. Oktober in Planegg, Landkreis München, ihren Jahreskongreß ab. Bei der Veranstaltung, an der etwa 150 Personen teilnahmen, wurde der ehemalige Mitherausgeber der "Deutschen Wochen-Zeitung" (DWZ) und frühere NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden mit der Verleihung der HüttenMedaille der GFP geehrt. 6.4 Freundeskreis Ulrich von Hütten Der im Februar 1982 von Rechtsextremisten gegründete Freundeskreis Ulrich von Hütten mit Sitz in Starnberg vertritt rechtsextreme, insbesondere rassistische Thesen und verbreitet Äußerungen, die das NS-Regime verharmlosen. Die Vereinigung zählt wie im Vorjahr bundesweit etwa 300 Mitglieder. Vorsitzende ist die Präsidentin der Deutschen Kulturgemeinschaft (DKG) in Österreich Lisbeth Grolitsch. Aus Anlaß des 500. Geburtstages Ulrich von Huttens veranstaltete der Freundeskreis am 23724. April in Niederaula/Hessen eine Gedenkfeier, an der bis zu 350 Personen, darunter auch Rechtsextremisten aus Bayern, teilnahmen. Der Veranstaltungsort wurde bis zuletzt geheimgehalten, offensichtlich um politi124 6. Jahrgang Juni 1988 Folge 3 Die Äusraubung des Deutschen Volkes nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und deren Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft bis in die Gegenwart in. sehen Gegnern keine Möglichkeit zur Vorbereitung von Protestaktionen zu bieten. Im übrigen trat der Freundeskreis wie im Vorjahr vorwiegend mit der Herausgabe und Verbreitung des Publikationsorgans "Huttenbriefe - für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht" in Erscheinung. Darin hieß es in einem Beitrag "Latenter Krieg gegen das Deutschtum", gerade im "42. Jahr unseres nationalen Helotendaseins" erlebten wir eine "maßlose Steigerung der weltweiten Lügenpropaganda und der haßerfüllten Hetze". "Profitpolitiker" und "hochbezahlte Geschichtsfälscher" sowie "sonstige wohlfeile Schreiberlinge aller Grade" würden sich darin überbieten, den Deutschen "das letzte noch vorhandene Geschichtsund Selbstbewußtsein auszutreiben". So seien den "ungeheuerlichen Blutund Vertreibungsverbrechen" die "Inquisitionsforen" der "Entnazifizierung" und der "Umerziehung" gefolgt. Noch immer dauere der "gnadenlose Vernichtungsfeldzug gegen unser biologisch gefährlich geschwächtes und seelisch-geistig verwirrtes Volk" an. Während die "Kriegsschuld" der Siegermächte und die Verletzungen des geltenden Völkerund Kriegsrechts durch die Feinde Deutschlands "beharrlich verschwiegen" würden, erlebten die "Legenden über 'deutsche Kriegsverbrechen' eine gesteigerte Neuauflage". Dabei sei die nach dem Zweiten Weltkrieg geborene Mehrheit des deutschen Volkes, der Vergleichsund Informationsmöglichkeiten fehlten, "wehrlos der laufenden Lügenpropaganda ausgesetzt". Es sei "hoch an der Zeit, die Wahrheit vom Geisteskot verräterischer Kollaborateure zu befreien und allen bisher Betrogenen wieder sichtbar zu machen". 6.5 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) Die DDF wurde am I.April 1983 auf Initiative ihres derzeitigen Vorsitzenden, 125 ORGAN DER DEUTSCHEN FREIHEITSBEWEGUNG 4. Jahrgang Nr. 11 und 12 Nov./Dez. 1988 des früheren Generalmajors der Wehrmacht Otto Ernst Remer, nach dessen Trennung vom Freundeskreis Ulrich von Hütten gegründet. Der Sitz der etwa 160 (1987: 130) Mitglieder zählenden Gruppierung befindet sich seit 1987 in Bad Bocklet, Landkreis Bad Kissingen. Verbindungen bestehen u.a. zur FAP und zum Inhaber des in Toronto/Kanada ansässigen Verlags Samisdat Publishers Ltd. Ernst C.F. Zündel. Die DDF verfolgt vor allem rassistische und nationalistisch-neutralistische Bestrebungen. So trat sie für eine "Zusammenarbeit mit Rußland" ein, denn "ohne die Existenz der Sowjetunion als Alternative und Verbündeter" sei Deutschland "den Erpressungen des Westens wehrlos ausgeliefert". Wenn "Amerikaner und Zionisten" die Sowjetunion wirtschaftlich und militärisch bekämpften, so wie "sie uns in zwei Weltkriegen eingekreist und bekämpft" hätten, seien wir "nicht bereit, aus der Bundesrepublik einen Eckpfeiler dieser amerikanischen-zionistischen Einkreisungsund Vernichtungspolitik gegen die Sowjetunion abzugeben". Aus den Erfahrungen der Geschichte sei es "in keiner Weise verständlich und natürlich, mit jenen Freundschaft zu pflegen und dafür zu zahlen, die sich - wie England und die USA - als unsere unversöhnlichen Feinde erwiesen" hätten und "nicht müde werden, uns mit Propaganda und Hetze gefügig zu machen und unter Druck zu halten". Ein Beitrag im DDF-Organ "Der Bismarck-Deutsche" wandte sich gegen "Ausländerüberflutung", "Überfremdung", "entartete Kunst" und "Rassenmischung" und propagierte den "Vorrang der Gemeinschaft"; diese beginne "bei den heutigen, kleinen, politischen Lebensund Kampfgemeinschaften des Nationalen Sozialismus" und führe "über die ersehnte Volksgemeinschaft bis hin zu einer weltweiten Ordnung freier Völker". In der folgenden Ausgabe des DDF-Organs erklärte Remer, Israel könne sich nur dadurch behaupten, daß "das Kolonialvolk Bundesrepublik" seit Jahrzehnten "mit astronomisch hohen Wiedergutmachungszahlungen" an einen Staat, den es "im 3. Reich noch gar nicht gegeben" habe, "erpreßt" werde. Ein weiterer Beitrag, in dem u.a. von der "Gaskammernlüge" die Rede war, enthielt die Behauptung, die Alliierten seien die "Erfinder des Gasbetruges" gewesen. Die Polizei leitete gegen Remer ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole ein. Am 29./30. April führte die DDF in Bad Kissingen ihre Jahresversammlung durch. Daran beteiligten sich rund 60 Mitglieder und Anhänger aus dem Bun126 EG - Segen oder Fluch? /& National+Zeitung S1.""^""""* * " * " " frelheitUchB unabhängig *überparteilich jgsS-"iSXS?S Agypt 3,50 SO e / Arg. "5 AuaDai / Amlr. 1.50 I * / M " 40 Mr / 0*1.10 "kr / Fkwl V Fmii / Gl *--' Wie verbrecherisch ist Israels Politik? Deutsche P 2295 C National+Zeitung mSiST--" g "wi/iv-oi n^lhelÜli^BiinalinaiiglgBUberparteluch s r C ' ^ g S S ; Agypt3^EQr/Ar"15*unml/*iiMr. 1^tAyB^40Mt/D".i0^kffrinnt^-PnUi>Qrf"ch.100Or./Wot ^ " ^ Schein-Asylanten als Verbrecher entlarvt Freie Bahn für f r e m d e G a u n e r Deutsche P 2295 C National+Zeitung S S g g S * " ""../".-*" &B)pt3^ESE/Arfrl5Auilral/Au^.1^IA/B^40Mr/W. 10dto/Fhint.Vftflli^ freiheitlich *unabhängig*überparteilich arff-"^-saa ^ ^ B0OT1 !"A.,"* Wird Deutschland türkisch? Die Gefahren der Überfremdung desgebiet, Österreich und den Niederlanden. Bei der Vorstandswahl wurde der DDF-Vorsitzende Otto Ernst Remer in seiner Funktion bestätigt. Die Polizei durchsuchte am 2. August die Geschäftsstelle der DDF. Grundlage des gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses war ein Ermittlungsverfahren gegen einen DDF-Funktionär, der in einem im DDF-Organ veröffentlichten Beitrag die Ermordung von Juden in den Gaskammern des Konzentrationslagers Auschwitz geleugnet hatte. 7. Organisationsunabhängige Publizistik Die neun (1987: zehn) Verlage, Vertriebsund Buchdienste in Bayern, die Publikationen mit rechtsextremem Inhalt herausgeben bzw. verbreiten, entwickelten 1988 wiederum eine beachtliche Tätigkeit. Die Auflage der periodisch herausgebenen einschlägigen Druckschriften betrug monatlich 410.000 (1987: 390.000) Exemplare, wobei erhöhte Auflagen zu besonderen Anlässen nicht eingerechnet sind. Darüber hinaus wurden Bücher mit rechtsextremem Inhalt angeboten. 127 Haben die Deutschen eine Zukunft?/s. 4 DeutfrfjtIDotljetöritung FOR NATIONALE POLITIK * KULTUR UNO W I R T S C H A T T " " Wie die EG Deutschland schadet Kommt das Ausländer-Wahlrecht? Wirkungsvollstes Propagandainstrument des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland ist weiterhin die Druckschriftenund Zeitungsverlags GmbH in München unter der Leitung von Dr. Gerhard Frey. Im Verlag erscheinen die "Deutsche NationalZeitung" (DNZ) mit einer Wochenauflage von etwa 70.000 (1987: 65.000) Exemplaren, der "Deutsche Anzeiger" (DA) mit wöchentlich etwa 20.000 (1987: 24.000) Exemplaren und die "Deutsche WochenZeitung" (DWZ) mit einer wöchentlichen Auflage von rund 22.000 (1987: 28.000) Exemplaren. Bei Werbeaktionen werden die Auflagen beträchtlich erhöht. Dr. Frey ist auch Geschäftsführer der Freiheitlichen Buchund Zeitschriftenverlags GmbH (FZ-Verlag) in München, deren Buchdienst Werke gegen "Geschichtsfälscher" anbot, in denen "die Behauptung, Deutschland trage die Alleinschuld am Ausbruch der Weltkriege" widerlegt und "das Bild des seit 1945 propagierten Umerziehungskurses" revidiert werde. Die Wochenzeitungen Dr. Freys agitierten 1988 verstärkt gegen die Politik der Bundesregierung, wobei der Ton der Angriffe auf demokratische Politiker, insbesondere solche der CDU, an Schärfe erheblich zunahm. Diese Entwicklung hängt offenbar damit zusammen, daß die Zeitungen, die früher die Wahl der Unionsparteien empfahlen, inzwischen als Sprachrohre der bei Wahlen kandidierenden DVU-Liste D fungieren und als solche bestrebt sind, diese Partei den Lesern und Wählern als "rechte Alternative" zu präsentieren. So erklärte der "Deutsche Anzeiger" (DA), seit dem Regierungswechsel im Herbst 1982 sei in keiner "Lebensfrage des deutschen Volkes" auch nur die geringste Verbesserung erreicht worden. Über 300.000 Neuasylanten seien "seit der 'Wende' hereingekommen, davon über 90 Prozent Asylbetrüger". Enge Vertraute des Bundeskanzlers forderten sogar schon offen die "Ansiedlung und Integration von Millionen von Ausländern" im Bundesgebiet. Deutschland müsse jedoch "das Land der Deutschen bleiben"; bei dieser "für unser Volk entscheidenden Überlebensfrage" habe die Bundesregierung aber "kläglich versagt". Der Bundeskanzler betreibe "eine Politik des Ausverkaufs deutscher Interessen an die EG". So habe sich das "Bauernsterben" verstärkt fortgesetzt; Schlüsselindustrien wie Werften und Montanindustrie seien ins Schlingern geraten. Im Zeichen der "geistig-moralischen Wende" würden Soldatenehrenmale in großer Zahl geschändet; gleichzeitig entstünden überall Denkmäler für Fahnenflüchtige. Der "Nationalmasochismus" strebe neuen Höhepunkten entgegen. Nie zuvor sei "das gesamte deutsche Volk von den eigenen Spitzenpolitikern derart beleidigt, beschuldigt und angeklagt" worden. "Einen größeren 128 Polit-Betrug als das 'Wende'Versprechen" habe es in der bundesdeutschen Geschichte nicht gegeben. Die "Deutsche Nationai-Zeitung" (DNZ) erklärte in einem Artikel "Warum wir ewig büßen sollen", eine "allein deutsche Schuld beschwörende Propaganda" habe "die Erinnerung an das Unrecht, das den Besiegten im Rahmen einer blutigen 'Befreiung' widerfuhr, auszulöschen versucht". Heute würden "ausschließlich tatsächliche oder erfundene 'deutsche Verbrechen' angeprangert, während die Siegermächte ihre zum Himmel schreienden Untaten amnestieren und ungesühnt lassen". "Überall auf der Welt und zu jeder Zeit" betonten führende deutsche Politiker die "Einzigartigkeit deutscher Verbrechen" und belasteten das deutsche Volk zusätzlich mit einer "Kollektivschuld", die auch noch kommende Generationen erfasse. Unter der Schlagzeile "Wie mächtig ist Israel wirklich?" kritisierte die DNZ die "Untaten der israelischen Politik gegen die entrechtete palästinensische Bevölkerung" und erklärte, die "gerade in den internationalen Medien so mächtige israelische Propaganda" habe derzeit Mühe, "ihre Desinformation zum Erfolg zu bringen". "Im Sinne einer Aufklärung der Weltöffentlichkeit über das wahre Geschehen" sei daher ein neu erschienenes "Enthüllungswerk" eines israelischen Autors mit dem Titel "Schmutzige Allianzen/Die geheimen Geschäfte Israels" zu begrüßen. Dieses Buch zeige, daß Israel "dank seiner Lobby in den USA" die Macht habe, "alle möglichen Konzessionen von fremden Staaten zu erhalten". Es belege ferner, daß es "kaum ein Krisengebiet rund um die Welt" gebe, wo Israel nicht eingreife. Mit Überschriften wie "Kommt Wahlrecht für Ausländer?" und "Soll Deutschland türkisch werden? Bonn plant Masseneinwanderung" agitierte die DNZ ferner gegen die "Überfremdung" durch Ausländer und die mit der "Millionen-Ausländerflut" verbundene "Umwandlung des deutschen Volkes in eine multikulturelle und multirassische Gesellschaft". In der "Deutschen Wochen-Zeitung" (DWZ) hieß es, die "fortwirkende Umerziehung" sei bestrebt, die Deutschen "geschichtslos" zu machen. Dieses Ziel werde "von deutschen Hilfswilligen bis zur Stunde vorangetrieben". Interessierte Kreise versuchten immer wieder, "den Deutschen einen Schuldkomplex einzuhämmern". Mit der "dauernden Darstellung tatsächlicher oder angeblicher Kriegsverbrechen auf deutscher Seite" werde u.a. "der krampfhafte Versuch unternommen, möglichst hohe Wiedergutmachungs-Beiträge zu erhalten". Die "Behauptung von der angeblichen Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges" sei "von den Siegermächten zum unumstößlichen Dogma der Nachkriegszeit erhoben" worden. Oberste Repräsentanten unseres Staates beteiligten sich "mit einem in anderen Bereichen der Politik zu vermissenden Eifer an der Massen-Denunziation des deutschen Volkes". Der Bundeskanzler, der sich "von einer 'Wucht der Geschichte' getroffen" fühle, wolle "dem deutschen Volk am liebsten ein Kainsmal auf die Stirn brennen". Die "einseitige, allein zu Lasten des deutschen Volkes gehende Vergangenheitsbewältigung" führender Unionspolitiker übertreffe selbst die "maßlosen Umerziehungsorgien von Brandt und Heinemann". In der 1953 gegründeten Nation Europa Verlags GmbH in Coburg erscheint die Monatsschrift "Nation Europa" (NE) in einer Auflage von etwa 129 10.000 Exemplaren. Der Verlag wird von dem 1954 gegründeten Verein "Nation Europa-Freunde" finanziell unterstützt. Gesellschafter des Verlags und Herausgeber der NE sowie Vorsitzender des Unterstützungsvereins ist der NPDFunktionär Peter Dehoust. Die Schrift kritisierte die in "angemaßter 'Volkserzieher'-Pose" betriebene Vergangenheitsbewältigung. Die "These von der Kollektivschuld aller 1945 erwachsenen Deutschen" werde "wieder aufgewärmt und jetzt sogar auf die Jugend und die zukünftigen Generationen ausgedehnt". Dahinter stehe "das ganz ordinäre Interesse, die Deutschen auf Dauer sowohl geteilt wie zahlungswillig zu halten, indem man sie zu ewigen Verbrechern stempelt und neurotisiert". Andauernde Selbstanklage werde "nicht als Nestbeschmutzung, sondern als historische Notwendigkeit angesehen". Der uns auferlegte "Bewältigungsrummel" erinnere an die Geißlerumzüge des Mittelalters. In der Schrift hieß es ferner, in den "multikulturellen Krabbelstuben unserer Republik" sei "von völkischer Hygiene schon lange nichts mehr zu spüren". Die "antirassistische Psychose" habe "in dieser Gesellschaft der Selbstbeschuldigung pathologische Formen angenommen". Immer wieder versuchten die Befürworter der Integrationsund Ausländerpolitik, "mit abgedroschenen Argumenten die Überfremdung unseres Landes und die Zerstörung unserer 130 MM Kultur zu rechtfertigen". Im Abschnitt "Nachrichten von der Überfremdungsfront" wurden durch Zusammenfassung zahlreicher negativer Presseberichte über Ausländer und Asylanten Vorurteile gegen diesen Personenkreis propagandistisch gefördert. Einleitend hieß es dazu, eine "Ausländermafia" beabsichtige, "immer mehr Ausländer ins Land zu holen und damit das deutsche Volk in seinem Bestand zu bedrohen". Solchen "volksfremden Elementen" gehe es "unter allerlei humanitären Vorwänden" um die "Zerstörung unseres Volkes zugunsten einer multikulturellen Gesellschaft". Der Druffel-Verlag in Berg am Starnberger See, der vom Vorsitzenden der Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) Dr. Gert Sudholt geleitet wird, gibt Literatur heraus mit dem Ziel, sowohl "zeitgeschichtliche Quellen für eine spätere Geschichtsforschung zu sichern" als auch "gegen Umerziehung und Gehirnwäsche mit geistig-literarischen Waffen zu kämpfen". In der Verlagswerbung hieß es, mit neuen Dokumenten zur "Kriegsursachenfrage" würden "Fälschungen" widerlegt und die "etablierte Geschichtsschreibung" in ihre Schranken gewiesen. Desgleichen werde die "Verschwörung gegen Deutschland enthüllt", deren Ziel "die Zerstückelung des Reiches, die physische Vernichtung Deutschlands, die Vertreibung von Millionen und schließlich die Teilung der Welt" gewesen sei. "Sensationelles Material" dokumentiere, daß es bei den "alliierten Siegertribunalen" nicht um Recht, sondern um "Rache" gegangen sei. Der 1977 von Dr. Gert Sudholt übernommene Türmer-Verlag in Berg am Starnberger See will einen "Beitrag zum Geistesleben des 'nicht umerzogenen' Teiles unseres Volkes" leisten. Er gibt seit 1982 die "Deutschen Monatshefte" in einer Auflage von etwa 5.000 Exemplaren heraus, die sich als "wesentliches Organ deutscher Selbstbesinnung" verstehen. Die Schrift veröffentlichte einen Beitrag, der die "Bonner Bonzokratie" angriff und behauptete, bei den "Lizenzparteien" sei "allein ein Konsens zur Zerstörung unseres Volkes vorhanden". Alle bisher in Bonn oder den Ländern Verantwortlichen hätten es geflissentlich versäumt, "objektive Dokumentationen über die gegen das deutsche Volk gerichteten Anschuldigungen" erarbeiten zu lassen. Dies beweise unwiderlegbar, daß es sich bei den Bonner Politikern "nicht um die Vertreter deutscher Interessen, sondern seit eh und je um Erfüllungsgehilfen der von A bis Z erlogenen Siegerpropaganda" handle. Objektive Dokumentationen würden nämlich "viele der seit 1945 gegen das deutsche Volk gerichteten Beschuldigungen wie Seifenblasen zerplatzen lassen und damit den uns Deutschen aufgezwungenen Schuldkomplex mit einem Schlage beseitigen". In einem weiteren Artikel hieß es, die "Umerzieher" hätten "zum letzten Großangriff" geblasen. In nie gekanntem Ausmaß träten "politische Betrüger, widerlichste Heuchler, Medienlumpen in geschlossenen Formationen zu hysterischen Attacken an", um doch noch zu erreichen, was bisher nicht vollständig gelungen sei, nämlich alle Deutschen zu "winselnden Kreaturen" herabzuwürdigen. Das Schöffengericht Starnberg verurteilte Dr. Sudholt am 13. Juli wegen Beleidigung in Tateinheit mit Volksverhetzung zu einer hohen Geldstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Anlaß des Strafverfahrens war der in den Deutschen Monatsheften Nr. 2/1987 publizierte Artikel "Elie Wiesel: Ein wichtiger Falschzeuge" von Dr. Robert Faurisson. Der Verfasser dieses Beitrags ist ein 131 ehemaliger Professor der Universität Lyon, der in seinen Schriften die Verbrechen der NS-Zeit verharmlost und insbesondere die Existenz von Gaskammern leugnet. Der Verlag Hohe Warte - Franz von Bebenburg KG in Pähl, Landkreis Weilheim, gibt die Schrift "Mensch und Maß" heraus, die monatlich zweimal in einer Auflage von etwa 1.500 Exemplaren erscheint. Die Schrift betonte, daß "Frankreich und England dem Deutschen Reich wegen Hitlers Einmarsch in Polen den Krieg erklärt, Stalins nahezu gleichzeitigen Einmarsch aber stillschweigend geduldet" hätten. Unsere Politiker wagten jedoch "derlei Tatsachen nicht zu erwähnen", sondern legten mit schuldbewußter Miene allenthalben "Bußbekenntnisse" ab. So habe sich der Bundespräsident in seiner Rede am 8. Mai 1985 "ausdrücklich zum Höchstmaß der seinem Volke zur Last gelegten Verbrechen" bekannt. Nur zaghaft hätten "einige deutsche Stimmen an der Rede Kritik zu äußern und zu bemerken" gewagt, daß "namhafte ausländische Historiker schon seit vielen Jahren ernsthafte Zweifel angemeldet hatten an der These von 6 Millionen durch Deutsche ermordeten Juden", die der Bundespräsident "wie eine feststehende Tatsache erwähnt" habe. In der heutigen Zeit sei jedoch "ein eigenes Denken über die deutsche Geschichte verboten", sofern es sich "auf Zahlen der ermordeten Juden und auf das Vorhandensein von Gaskammern" beziehe. Die hier von Medien vorgegebenen Inhalte müßten "als unantastbare Wahrheit nacherlebt und weitergegeben werden". In einer Buchbesprechung hieß es, einer neuen Generation von Deutschen solle beigebracht werden, daß sie das "größte Verbrechervolk der Erde" seien. Es gelte, solchem "Lügenunternehmen" entgegenzutreten, das von "zunftmäßigen Greuelerfindern" angezettelt und von "ergebenst hündischen Deutschen" selbst "eifrigst mitbetrieben" worden sei. Dabei hätten die "Feinde Deutschlands" Tatsachen "unterdrückt" und ihre eigenen Verbrechen "totgeschwiegen". Ihre "Statthalter in Bonn" seien ohnehin "angstvoll bemüht, hier alles unter Verschluß zu halten, was den strahlenden Glanz der Weltgangster ankratzen könnte". Der Ederer-Verlag in München bot auch 1988 Publikationen an, in denen die NS-Verbrechen verharmlost werden. In den Prospekten hieß es, daß die "Holocaust-Giftspritzen ein Teil einer großangelegten Reparationszahlungsstrategie" seien und "das schmutzige Geschäft mit den jüdischen Leiden" zwischen "Zionisten und servilen Bonner Politikern auf Kosten des in der Bundesrepublik Deutschland lebenden deutschen Volksteiles abgewickelt" werde. Die im Denk mit-Verlag in Nürnberg erscheinende Schrift "Denk mit!" berichtete u.a. über "sensationelle Enthüllungen im Zündel-Verfahren", das am 18. Januar in Toronto/Kanada gegen den NS-Aktivisten Ernst C.F. Zündel eröffnet wurde und auch diesmal wieder die Geschichte revidiere. So habe der als Zeuge gehörte Delegierte des Internationalen Roten Kreuzes einräumen müssen, daß ihm "keine Dokumente bekannt" seien, wonach das Internationale Komitee des Roten Kreuzes Beweise hätte, daß es während des Zweiten Weltkrieges "Gaskammern zu Menschenvergasungen in deutschen Lagern gegeben" hätte. Die in Rodach b. Coburg erscheinende Zeitschrift Der Scheinwerfer behauptete in einem Beitrag "Ist ein Waffenstillstand schon Frieden oder noch Krieg?", 132 Nachrichtenblatt der Unabhängigen ÜBERPARTEILICHE ZEITSCHRIFT DES DEUTSCHEN REICHES der Zweite Weltkrieg habe sich "nicht gegen Hitler", sondern "gegen Deutschland und die Kraft des deutschen Volkes" gerichtet. In jedem anderen Land, das sich "in einer solchen Situation wie jetzt Deutschland" befände, würden "Partisanengruppen die Besatzungsmächte abknallen". Es sei unerträglich, wie der Bundespräsident immer wieder vom Frieden rede und andererseits "kübelweise Schmutz auf unser Volk" werfe. Die "Vernichtung des Deutschtums" gehe immer weiter und habe "mit dem Hereinholen millionenfacher Ausländer in deutsches Land und deren Integrierung einen unerträglichen Höhepunkt erreicht". Der Inseratenteil enthielt Werbeanzeigen für Druckerzeugnisse rechtsextremer Organisationen. 8. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus Der Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus auf Bayern zeigte sich insbesondere in der Einfuhr und Verbreitung vorwiegend neonazistischer und antisemitischer Druckschriften. 1988 wurden in Bayern 32 (1987: 27) verschiedene, meist deutschoder englischsprachige Druckschriften, Flugblätter, Rundbriefe und Klebezettel festgestellt, die überwiegend aus Österreich, Kanada, Frankreich und aus den USA stammten. Die neonazistische NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO des Gary Rex Lauck aus Lincoln/Nebraska (USA) fordert die "Ausschaltung des jüdischen Einflusses", die Überwindung des "Materialismus" durch den Nationalsozialismus und die "Neugründung der NSDAP als legale Partei". Endziel sei die "Schaffung eines nationalsozialistischen Staates in einem freien, souveränen und neuvereinigten Großdeutschen Reich und die Errichtung einer Neuen Ordnung auf einer rassischen Grundlage in der gesamten arischen Welt". In ihrem Publikationsorgan "NS Kampfruf", das in einer Auflage von etwa 2.000 Exemplaren vierteljährlich erscheint, veröffentlichte die NSDAP-AO als Fortsetzungsserie das 25-Punkte-Programm der NSDAP in einer Kommentierung von Michael Kühnen. Dieser will mit seinen Aussagen die "unabänderlichen Wahrheiten" des NSDAP-Programms für die heutige Situation deutlich machen. Nachdem Kühnen im Vorjahr seine Vorstellungen über einen nationalistischen Staat auf biologisch-rassistischer Grundlage erläutert hatte, wandte er sich im "NSKampfruf" vom Januar/Februar 1988 den wirtschaftsund sozial133 AUSLÄNDER RAUS! NSDAP-AO Box 6414. Lincoln. NE 68506 USA NS-VERBOT AUFHEBEN! NSDAP-AO Box 6414. Lincoln, NE 68506 USA Aufkleber der NSDAP-AO politischen Zielen zu. Er forderte u.a. den Aufbau einer sozialistischen Volksgemeinschaft, die durch den Grundsatz geprägt sei, daß nur die eigene Arbeit Quelle des persönlichen Einkommens sein dürfe. Ferner propagierte er die "Brechung der Zinsknechtschaft" und die Einziehung des Vermögens der Siegermächte und ihrer "Kollaborateure". In Bayern wurden mehrmals Hakenkreuzaufkleber der NSDAP-AO mit Aufschriften wie "Ausländer raus", "Rotfront verrecke", "Jetzt NSDAP", "NS-Verbot aufheben", "Kauft nicht bei Juden" und "Wir sind wieder da" verbreitet. Der Inhaber des in Toronto/Kanada ansässigen Verlags Samisdat Publishers Ltd. Ernst C.F. Zündel agitiert in dem von ihm hergestellten Propagandamaterial insbesondere gegen die "Vergasungslüge" und die "Kriegsschuldlüge". In seinen auch in Bayern verbreiteten Rundbriefen verwies er auf das gegen ihn ab 18. Januar anhängige neue "Holocaust-Verfahren", in dem die "Zionisten" erneut "als geheime und unsichtbare Ankläger fungieren" würden. Sorge bereite ihm nicht nur die Bundesregierung, die sich wie alle bisherigen "deutschen Vasallen-Regierungen" verhalte und einem "Kämpfer fürs Reich" wieder einmal in den Rücken falle, sondern auch die "geradezu phlegmatische Reaktion" des "nationalen Lagers" in Deutschland, das in der "Vertretung echter deutscher Belange" völlig versagt habe. Zündel kritisierte ferner die "aktive und lauthals betriebene offizielle Nestbeschmutzung" und die "ewige Selbstbesudelung ä laKohl", die auf die Verbündeten der Deutschen längst abstoßend wirke. "Nur Zionisten und ihre Mitläufer" klatschten "diesen Ekelhaftigkeiten noch Beifall, mit einem hämischen, teuflischen Grinsen auf der Fratze", daß man "die Söhne und Töchter dieses einst so stolzen deutschen Volkes so klein gekriegt" habe, daß sie "heute den Quälern ihrer eigenen Seelen wie 134 dressierte Hunde aus der Hand fressen". In "zionistischen Führungskreisen" biege man sich-sicher "vor Lust und Lachen an dem selbstgerechten, öligen, salbungsvollen Getue und Getöse der Nachbeter des Holocaust-Kultes". In einem auch in Bayern verbreiteten Flugblatt rief Zündel seine Anhänger zu Spenden auf, um "dem ganzen Spuk ein Ende zu bereiten", und erklärte, er sei angeklagt, weil er "nicht an den 'Holocaust' geglaubt und dies auch noch öffentlich bekanntgegeben" habe. In diesem Zusammenhang wandte er sich gegen die "Manipulationen der weltweit wirkenden und mächtigen Zionisten-Lobby" und behauptete, der in der "Giftküche der Nürnberger Prozesse" entstandene "Holocaust" sei nichts anderes als ein "von Berufslügnern wissenschaftlich verfälschtes Propaganda-Ereignis" und ein "einträglicher Traum" einer "parasitären Sekte". In dem Prozeß in Toronto ging es um die Veröffentlichung der Schrift "Starben wirklich sechs Millionen", in der Zündel die Judenvernichtung im Dritten Reich leugnet. Zündel wurde am 13. Mai zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und von den kanadischen Behörden gegen eine Kaution auf freien Fuß gesetzt mit der Auflage, nichts mehr über das Thema "Holocaust" zu veröffentlichen. Unterdessen ermitteln auch deutsche Strafverfolgungsbehörden gegen Zündel u.a. wegen Verdachts der Volksverhetzung. Im Rahmen dieser Ermittlungsverfahren erließ das Amtsgericht München gegen ihn Haftbefehl. Die von dem österreichischen Rechtsextremisten Walter Öchensberger auch in Bayern verbreitete Zeitschrift Sieg gab unter der Überschrift "Das Ende einer Legende" Zeugenaussagen aus dem Strafverfahren gegen Zündel in Kanada wieder, wonach in den Gaskammern von Auschwitz "unmöglich jemand vergast worden sein" könne. Damit sei der "Holocaustschwindel" wissenschaftlich widerlegt und der "Lügenkomplex" zerschlagen, den die Kriegsgegner Deutschlands, insbesondere die "Zionisten", als Waffe gegen Deutschland erfunden und bis heute lautstark propagiert hätten. 135 3. Abschnitt Extremistische Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines Wie in den vergangenen Jahren verhielt sich der weitaus größte Teil der Ausländer in Bayern gesetzestreu. Die Bemühungen ausländischer Extremisten, unter ihren Landsleuten weitere Anhänger für ihre extremistischen Ziele zu gewinnen und dadurch die eigene Basis zu stärken, blieben weitgehend erfolglos. Nur eine geringe Minderheit der in Bayern lebenden Ausländer ist in extremistischen oder extremistisch beeinflußten Vereinigungen organisiert. Den letztgenannten Gruppen, die sich nach außen oft als "Betreuungsorganisationen" darstellen, gehören auch Mitglieder an, die nicht aus politischer Motivation beigetreten sind, sondern dort lediglich gesellige Kontakte oder Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsproblemen suchen. Dies schließt indes nicht aus, daß sie später unter dem Einfluß von dort auftretenden Agitatoren deren extremistische Auffassungen übernehmen und vertreten. Die Zahl der in Bayern erfaßten extremistischen oder extremistisch beeinflußten Ausländerorganisationen stieg auf 150 (1987: 147); besonderen Anteil an dieser Entwicklung hatten islamisch-extremistische Gruppen aus dem Nahen Osten. In der Übersicht auf der folgenden Seite sind die in Bayern bestehenden extremistischen und extremistisch beeinflußten Vereinigungen nach ihren ideologischen Standorten und politischen Zielsetzungen aufgeschlüsselt. Örtlich selbständige Gruppen sind dabei gesondert gezählt. Die Mitgliederzahl der extremistischen und extremistisch beeinflußten Ausländergruppen in Bayern ist von 6.800 im Jahre 1987 auf rund 6.700 zurückgegangen. Die Aktivitäten der extremistischen und extremistisch beeinflußten Ausländergruppen waren weiterhin von den Konflikten und Krisen in den Heimatländern der Mitglieder, aber auch von der Situation der Ausländer im Bundesgebiet bestimmt. So agitierten ausländische Extremisten gegen die behauptete Ausländerfeindlichkeit der deutschen Bevölkerung sowie gegen die Ausländerpolitik der Bundesregierung und forderten die Einführung des Wahlrechts für Ausländer. Propagandistische Angriffe galten ferner der ausländischen Staaten ge136 " ' * " - - - * " - OrthodoxNeue Linke Extrem IslamischGesamt kommunieinschl. nationaextremistische Sozialrevolistische stische Gruppen lutionäre Gruppen Gruppen Gruppen Äthiopier 4 2 -- _ 6 Afghanen -- 1 _ -- 1 Araber 3 11 -- 10 24 Griechen 23 -- 1 -- 24 Iraner 2 4 1 1 8 Italiener 5 -- 2 -- 7 Jugoslawen * -- 3 9 _ 12 Kurden 6 -- -- -- 6 Spanier 2 -- -- -- 2- Türken 6 19 6 21 52 Sonstige 1 5 2 -- 8 Gesamt 52 45 21 32 150 währten deutschen Wirtschaftshilfe und der Lieferung von Rüstungsgütern an Regierungen der Heimatländer. Mit Versuchen, politische Bestrebungen in den Heimatländern durch gewaltorientierte Aktionen vom Gastland her zu initiieren oder zu fördern, beeinträchtigten ausländische Extremisten auch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Die angespannte Lage am Arbeitsmarkt und die Besorgnis, eine extremistische Betätigung könne auch ausländerrechtliche Nachteile zur Folge haben, dürften sich indes wie schon in den Vorjahren dämpfend auf das Engagement ausländischer Extremisten ausgewirkt und zum Rückgang der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten beigetragen haben. Linksextreme Ausländergruppen fanden nach wie vor die Unterstützung ideologisch gleichgesinnter deutscher Organisationen. Umgekehrt beteiligten sie sich auch an Aktionen deutscher Linksextremisten. Bei der orthodox-kommunistischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wurde die Bereitschaft zur Gewaltanwendung in besonderem Maße deutlich. Auch militante Vereinigungen der türkischen Neuen Linken, die nach wie vor den gewaltsamen Sturz der türkischen Regierung anstreben, stellen weiterhin eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Aufmerksamer Beobachtung bedarf die zunehmend aggressive Agitation islamisch-extremistischer Türken gegen die derzeitige Staatsform der Türkei. Die von palästinensischen Gruppen ausgehenden Sicherheitsrisiken haben sich auch nach der Proklamation eines "unabhängigen Staates Palästina" auf einer Tagung des "Exilparlaments" der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in Algier nicht wesentlich verringert. Nach wie vor gibt es in Teilbereichen des palästinensischen Widerstands jedoch besonders militante Gruppen außerhalb der PLO, die nicht davor zurückschrecken, politische Initiativen zur Lösung des Palästinenserproblems durch Gewaltaktionen zu diskreditieren und zu durchkreuzen. Die Ende Oktober erfolgte Festnahme mehrerer An137 gehöriger der Volksfront für die Befreiung Palästinas-Generalkommando (PFLP-GC), die ein umfangreiches Waffenund Munitionslager angelegt hatten und offenbar mit der Vorbereitung von Anschlägen befaßt waren, verdeutlicht die von solchen Kräften ausgehende Bedrohung, von der weiterhin insbesondere amerikanische und israelische Einrichtungen betroffen sind. 2. Äthiopische Gruppen Die Eritreische Befreiungsfront (ELF) und die Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF) wollen mit ihrem bewaffneten Kampf gegen die sozialistische äthiopische Regierung die Befreiung und Unabhängigkeit der äthiopischen Provinz Eritrea erreichen. Trotz übereinstimmender Zielsetzung konnten sich beide Gruppierungen auch 1988 nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen. Die EPLF lehnt eine Annäherung an Moskau ab, während die ELF bereit wäre, sich im eritreischen Befreiungskampf auch von der UdSSR unterstützen zu lassen. In Bayern traten Anhänger beider Gruppen vorwiegend im Raum Nürnberg-Erlangen mit internen Veranstaltungen in Erscheinung. Größere Resonanz fand eine von der ELF am 8. Oktober in Nürnberg durchgeführte "Eritreische Nacht", zu der sich rund 300 Besucher einfanden. 3. Afghanische Gruppen Die der Neuen Linken zuzurechnende AWARAGAN - Demokratische Organisation der Afghanen im Ausland wandte sich gegen die sowjetische Intervention in Afghanistan. Sie möchte den "nationalen Befreiungskampf" des afghanischen Volkes materiell und ideell unterstützen und betrachtet ihren "Widerstand gegen die sowjetischen Aggressoren und ihre Lakaien" als "Teil des internationalen Befreiungskampfes der Völker gegen Imperialismus, Sozialimperialismus und Reaktion". Örtliche Untergliederungen der AWARAGAN bestehen in Essen, Hamburg, Hannover, Karlsruhe und München. Der im Mai 1988 begonnene und mittlerweile abgeschlossene Rückzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan führte bei der Sektion München der AWARAGAN zu einem Rückgang der Aktivitäten, die sich im wesentlichen auf eine von rund 100 Personen besuchte "Kulturveranstaltung" am 17. Dezember beschränkten. 4. Arabische Gruppen Die 1964 gegründete Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) ist die Dachorganisation der palästinensischen Befreiungsbewegung. Obwohl sie sich seit einiger Zeit vom Terrorismus verbal distanziert, betrachtet die PLO gewaltsame Aktionen gegen Ziele in den von Israel besetzten Gebieten Palästinas weiterhin als legitime Mittel ihres "Befreiungskampfes". Vorsitzender des Exekutivkomitees der PLO und zugleich Leiter der zahlenmäßig stärksten PLO-Organisation Al Fatah ist Yassir Arafat, der auf einer außerordentlichen Sitzung des Palästinensischen Nationalrats (PNC) am 15. November in Algier im Namen des PNC einen "unabhängigen Staat Palästina" auf dem Gebiet des 138 2 3 Jahre PLO 1.1.1965 bis 1.1.1988 23 Jahre palästinensische Revolution g j * ,', Xl,.} In II Z3/ ftül Der palästinensische Studenten-Verein, der palästinensische Arbeiter-Verband und das PalästinaLibanonKomitee laden zu einem Fest ein. 2 3 . Jan 88, 15.00 Uhr OESI Brückenstraße 23 Mit Vertretern der PLO - palästinensischer Musik - griechischer Musik - internationalen Liede - palästinensischen Spezialitäten DAS PALÄSTINENSISCHE VOLK w i r d mit allen Mitteln kämpfen, um seine PLO gegen die Angriffe der Zionisten, der Imperialisten und die arabische Reaktion zu schützen. Westjordanlandes und des Gazastreifens proklamierte. In einer weiteren Erklärung verlangte das "Exilparlament" der PLO, zwei UNO-Resolutionen, die u.a. das Existenzrecht Israels anerkennen, sowie das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung zur Grundlage einer internationalen Nahost-Friedenskonferenz zu machen. Allerdings fand diese Initiative nicht bei allen auf der Tagung vertretenen Guerillagruppen Zustimmung. Zu den Verfechtern eines härteren Kurses gehörte insbesondere die Volksfront für die 'Befreiung Palästinas (PFLP), aber auch die Palästinensische Befreiungsfront (PLF), deren Leiter Abul Abbas als Urheber der Entführung des Kreuzfahrtschiffes "Achille Lauro" im Oktober 1985 international gesucht wird. Der auf Initiative der PLO gegründete Palästinensische Arbeiterverband in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (PAV) ist maßgeblich von der Al Fatah beeinflußt. Er hat die Aufgabe, die Al Fatah in ihrem Kampf für einen Palästinenserstaat materiell und ideell zu unterstützen und für die Ziele 139 der Palästinenser im Gastland zu werben. Örtliche Untergliederungen sind der Verein Palästinensischer Arbeiter München (VPA) und der Palästinensische Arbeiterverband (PAV) in Nürnberg, die loyal zu Arafat stehen. Beide Gruppen organisierten im Januar 1988 anläßlich des Gründungstags der PLO zwei Veranstaltungen mit dem PLO-Vertreter Dr. Abdallah Frangi aus Bonn, an denen sich rund 300 bzw. 100 Personen beteiligten. Das linksextrem beeinflußte, im Frühjahr 1985 von Gegnern Arafats in Nürnberg gegründete Palästina-Libanon-Komitee (PLK) trat am 1. April mit einem Solidaritätsfest zum "Tag des Bodens" in Erscheinung. Vor rund 70 Teilnehmern sprach ein PLK-Funktionär über die Bedeutung dieses Gedenktags, der an die heftigen Protestaktionen vom 30. März 1976 gegen ein israelisches Gesetz zur Enteignung von Landbesitz der palästinensischen Bevölkerung in Galiläa erinnern soll. 5. Griechische Gruppen Die auch im Bundesgebiet aktive Kommunistische Partei Griechenlands (KKE-Ausland) mit Sitz in Athen erkennt als orthodox-kommunistischer Teil der seit Februar 1968 gespaltenen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) die führende Rolle der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) an. Organe der KKE-Ausland und ihrer Jugendorganisation Kommunistische Jugend Griechenlands (KNE) sind die Schriften "Risospastis" (Der Radikale), "Kommounistiki Epitheorisi" (Kommunistische Revue) und "Prowlimata tis Irinis ke tou Sosialismou" (Probleme des Friedens und des Sozialismus) bzw. "Odigitis" (Der Führer), die auch im Bundesgebiet verbreitet werden. Seit Jahren bestehen Verbindungen der KKE-Ausland zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). So beteiligten sich Mitglieder der KKE-Ausland im Juni 1988 wiederum am alljährlichen Zelt-Fest der DKP in Nürnberg. Die KKE-Ausland und ihre Jugendorganisation, die zu ihren Veranstaltungen in München und Nürnberg bis zu 150 Teilnehmer mobilisieren konnten, waren auch 1988 bestrebt, ihre Funktionäre und Mitglieder in die Vorstandschaften der griechischen Ausländervereine wählen zu lassen, um ihren Einfluß zu erweitern. Politische Schwerpunkte ihrer Forderungen waren wie im Vorjahr der Austritt Griechenlands aus der Europäischen Gemeinschaft und der NATO sowie die Auflösung der US-Militärbasen in Griechenland. Überregional bemühten sich sowohl die KKE-Ausland als auch die KNE um Stärkung ihrer Positionen im Verband Griechischer Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (OEK) und im Verband Griechischer Studentenvereine in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (OEFE). Diesen orthodox-kommunistisch beeinflußten Dachverbänden gehört der überwiegende Teil der in Bayern bestehenden Griechischen Gemeinden und Studentenvereine an. Aus der im Vorjahr aufgelösten Kommunistischen Partei Griechenlands (KKEInland) gingen inzwischen die Griechische Linke, die sich als Sammelbecken linker Kräfte versteht, und die Kommunistische Partei Griechenlands (Inland) - Erneuerte Linke (KKE-Inland-AA), deren Anhänger das Modell des "Eurokommunismus" übernahmen, hervor. 140 6. Iranische Gruppen 6.1 Orthodoxe Kommunisten Die seit Mai 1983 im Iran verbotene und aufgelöste Tudeh-Partei ist im Bundesgebiet überwiegend konspirativ tätig. Sie bekennt sich zum bewaffneten Kampf und fordert den Sturz der iranischen Regierung durch Anwendung revolutionärer Gewalt. Neben Verbindungen zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) unterhält sie auch Kontakte zu kommunistischen Organisationen im Nahen Osten. Als Parteiorgane erscheinen die Wochenzeitschrift "Nameh Mardom" (Botschaft des Volkes) und das deutschsprachige Informationsblatt "Tudeh-Bulletin". Die von Anhängern der Tudeh-Partei in Bayern verteilten Schriften enthielten Aufrufe zur Solidarität mit politischen Gefangenen im Iran. Daneben befaßten sie sich mit innerparteilichen Vorgängen, dem Kampf gegen die derzeitige iranische Regierung, dem Asylantenproblem in der Bundesrepublik Deutschland und dem irakisch-iranischen Krieg, wobei vor allem der militärischen Präsenz der USA in der Golfregion bis zur Einstellung der Kampfhandlungen scharfe Angriffe galten. In der ebenfalls orthodox-kommunistischen Organisation Iranischer Studenten, Sympathisanten der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) - O.l.S. - haben sich im Bundesgebiet die Anhänger der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) gesammelt. Diese Gruppierung hatte sich 1980 wegen ideologischer Differenzen von der im Jahre 1971 gegründeten marxistisch-leninistischen Guerilla-Organisation der Volksfedayin, die maßgeblich am Umsturz im Iran beteiligt war, abgespalten. Die O.I.S. trat in Bayern vorwiegend im Raum München mit Informationsständen und kleineren Versammlungen sowie durch Verbreitung ihres "Iran-Informationsblatts" und anderer Schriften in Erscheinung. An die Agitationsthemen der Tudeh-Partei anknüpfend forderte sie insbesondere die Beendigung des irakisch-iranischen Krieges sowie die Freilassung politischer Gefangener im Iran, denen "Folter und Hinrichtung" bevorstehe, und rief zu Spenden für davon betroffene Familien auf. 6.2 Neue Unke Die Anhänger der im Iran als Guerillakämpfer tätigen Volksmojahedin haben sich im Bundesgebiet in der Iranischen Moslemischen Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland (IMSV) zusammengeschlossen. Die Volksmojahedin, eine Organisation islamischer Fundamentalisten mit marxistischer Prägung, waren maßgeblich an der Revolution im Iran beteiligt, gerieten aber nach dem Umsturz zunehmend in Opposition zur neuen Regierung, gegen die sie seit Juni 1981 bewaffneten Widerstand leisten. Anhänger der IMSV verbreiteten 1988 in mehreren Städten Bayerns die Schrift "Mojahed" (Kämpfer) und das IMSV-Organ "Freiheit für Iran", die sich beide mit der "Unterdrückung" des iranischen Volkes durch seine derzeitige Regierung befaßten. Ferner sammelten sie im Namen der "Flüchtlingshilfe Iran e.V." Spenden zur Unterstützung des Kampfes der Volksmojahedin im Iran; diese Aktionen sind allerdings gegenüber dem Vorjahr stark zurückgegangen. Am 2. September protestierten rund 800 Anhänger der IMSV, darunter zahlreiche 141 Demonstranten aus Bayern, mit einem Aufzug in Bonn gegen die Hinrichtung von politischen Gefangenen im Iran. Die 1984 gegründete Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (OIDA), die ein Sammelbecken linksoppositioneller Iraner darstellt, wird vorwiegend von Anhängern der iranischen Neuen Linken beeinflußt. Sie will durch Unterstützung revolutionärer Kräfte im Iran zum Sturz des "reaktionären Regimes" beitragen. Ferner bekämpft sie den Einfluß des "Imperialismus" und ruft dazu auf, dessen Praktiken nicht nur im Iran, sondern in der ganzen Welt zu entlarven. Die Ortsgruppe München der OIDA, die Kontakte zur AWARAGAN - Demokratische Organisation der Afghanen im Ausland und zum Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) unterhält, forderte in ihren Publikationen die Beendigung des Golfkrieges sowie die Einstellung der Waffenlieferungen an den Irak und den Iran. Zur Neujahrsfeier der OIDA am 26. März in München erschienen rund 600 Besucher. In bundesweiten Flugblattaktionen griff die OIDA die Bundesregierung an, die trotz ausreichender gesetzlicher Handhaben nichts unternehme, um Rüstungsexporte deutscher Firmen in den Irak und den Iran HU unterbinden. Ferner behauptete sie, der deutsche Außenminister habe durch seinen Iran-Besuch einer "mörderischen Regierungsbande" Prestige verschafft. Der Bundespräsident habe sogar offiziell den iranischen Außenminister empfangen, der "Chef der islamischen Terrorzentralen" in der Bundesrepublik Deutschland sei. Die Organisation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran (Ashraf-Deghani-Anhänger) - O.I.P.F.G. -, die den gewaltsamen Sturz der iranischen Regierung anstrebt, kritisierte im Januar mit im Bundesgebiet verbreiteten Flugblättern die "Begrenzung der politischen Freiheiten" oppositioneller Iraner in Frankreich und behauptete, die französische Regierung setze diesen Personenkreis unter Druck, um ihre Beziehungen zum Iran zu verbessern. Im übrigen sei bei Maßnahmen des Iran gegen Oppositionelle eine Mitarbeit solcher Länder zu befürchten, die an dem "ungesättigten iranischen Rüstungsmarkt" interessiert seien. 7. Italienische Gruppen Die orthodoxe Kommunistische Partei Italiens (PCI), deren Parteiorgan die in Italien gedruckte Zeitschrift "L'Unitä" ist, betätigt sich auch in der Bundesrepublik Deutschland. Sie gliedert sich hier in die Gebietsföderationen Köln (Nord), Frankfurt a.M. (Mitte) und Stuttgart (Süd). In Bayern bestehen Bezirkskomitees in München und Nürnberg sowie eine Ortsgruppe in Augsburg. Die Mitgliederzahlen und Aktivitäten waren weiterhin rückläufig. Der im Jahre 1970 in Frankfurt a.M. gegründete Italienische Verband der Gastarbeiter und ihrer Familien (FILEF), eine von der orthodox-kommunistischen PCI beeinflußte Betreuungsorganisation, ist 1988 in Bayern nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Die extrem nationalistische Movimento Sociale Italiano - Destra Nazionale - MSI-DN - (Soziale Italienische Bewegung -Nationale Rechte), die 1980 mit 142 dem Aufbau eines Parteiapparates im Bundesgebiet begonnen hatte, entwikkelte wie in den Vorjahren in Bayern keine nennenswerten Aktivitäten. 8. Jugoslawische Gruppen 8.1 Kroatischer Nationalrat (HNV) Der im Februar 1974 in Toronto/Kanada gegründete nationalistisch ausgerichtete HNV versteht sich als Dachorganisation der kroatischen Widerstandsbewegungen auf internationaler Ebene. Sein Ziel ist die Wiederherstellung des "unabhängigen Staates Kroatien" in seinen ethnischen Grenzen, wobei er für das kroatische Volk das Recht beansprucht, auf eigenem Boden durch Revolution und bewaffneten Kampf seine nationale Freiheit und staatliche Unabhängigkeit zu verwirklichen. Oberstes Organ des HNV ist das im Turnus von zwei Jahren gewählte Parlament (SABOR). Dem im Dezember 1987 gewählten 7. SABOR gehören 30 Mitglieder an, darunter auch zwei Funktionäre aus Bayern. Als Basisinstitutionen des HNV bestehen im Bundesgebiet 15 Ortsausschüsse, deren Arbeit von einem Koordinationsausschuß mit Sitz in Stuttgart gesteuert wird. Publikationsorgan des HNV ist die unregelmäßig erscheinende Zeitschrift "Vjesnik" (Boje). Aus Anlaß des Jahrestages der Gründung des "Unabhängigen Staates Kroatien" (10. April 1941) veranstalteten der HNV und seine Mitgliedsorganisation "Kroatisches Nationalkomitee in Europa e.V." (HNO) mit Unterstützung der gleichfalls nationalistischen "Nationaldemokratischen Liga der Albanischen Treue" (N.D.SH.) am 9. April in München eine Gedenkfeier. Vor rund 250 Teilnehmern wies der HNO-Vorsitzende auf die historische Bedeutung der damaligen Staatsgründung hin. Weitere Redner nannten als Ziele der kroatischen und albanischen Emigration die Bildung jeweils souveräner Staaten und traten übereinstimmend für eine engere Zusammenarbeit ein. Besonders angesprochen wurden die jugendlichen Teilnehmer, deren Mitwirken zeige, daß der 10. April als Gedenktag fortlebe. Massive Angriffe galten den in Kroatien lebenden Serben, die für die Verfolgung und Unterdrückung der Kroaten verantwortlich seien. 8.2 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) Die HDP, die im Juni 1981 von Exponenten des "Kroatischen Frühlings" als Gegenpol zum HNV gegründet wurde, versteht sich als Sammelbecken linksorientierter kroatischer Emigranten. Sie will den "Vielvölkerstaat" Jugoslawien mit allen Mitteln zerschlagen und propagiert Gewalt innerhalb und außerhalb Jugoslawiens als "legitimes Mittel" zur Durchsetzung ihrer Ziele. Publikationsorgan der HDP ist die Zeitschrift "Hrvatski Tjednik" (Kroatisches Wochenblatt). In einer "Neujahrsbotschaft 1988" wandte sich die HDP an das "kroatische Volk". Darin rief sie zur intensiveren Unterstützung ihrer Organisation auf und ließ die Absicht erkennen, entsprechend dem Beispiel der Irischen Republikanischen Armee (IRA) und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) einen "Befreiungskampf" im Heimatland zu führen. 143 9. Kurdische Gruppen Die im Bundesgebiet aktiven Organisationen kurdischer Linksextremisten erstreben die Errichtung eines autonomen Kurdenstaates, der die von Kurden bewohnten Gebiete im Irak, im Iran, in Syrien und in der Türkei umfassen soll. In Bayern betätigen sich durchwegs orthodox-kommunistische kurdische Gruppen, von denen die gewaltorientierte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eine besondere Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. 9.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Die orthodox-kommunistische PKK mit Sitz in Köln bekennt sich zum Marxismus-Leninismus und fühlt sich allen sozialistischen Ländern, insbesondere der Sowjetunion, nach den "Prinzipien des proletarischen Internationalismus" verbunden. Sie befürwortet den bewaffneten Kampf in der Türkei und versteht die von ihr propagierte "Revolution Kurdistans" als "Teil der mit der Oktoberrevolution begonnenen und mit den nationalen Befreiungsbewegungen ständig verstärkten Revolution des Weltproletariats". In den vergangenen Jahren hat sie sich zu einer besonders militanten Organisation entwickelt. Während ihre von Erpressung über Körperverletzung bis hin zum Mord reichenden "Bestrafungsaktionen" zunächst vor allem abtrünnigen Anhängern und Kritikern in den eigenen Reihen galten, richten sich nunmehr ihre Gewaltakte zunehmend auch gegen Mitglieder und Einrichtungen konkurrierender Kurdenorganisationen, die den von der PKK seit Anfang 1987 betonten Anspruch, zur alleinigen politischen Vertretung des kurdischen Volkes berufen zu sein, nicht anerkennen. Der 1984 gegründete Dachverband Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland (FEYKA-Kurdistan) mit Sitz in Köln, in dem die örtlichen Mitgliedsvereine der PKK zusammengeschlossen sind, vertritt als Basisorganisation der PKK deren Interessen im Bundesgebiet. Frontorganisation der PKK ist die Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK); dieser in den Kurdengebieten operierenden Kampfeinheit werden zahlreiche Sabotageakte und Überfälle auf kurdische Dörfer zugeschrieben. Eine weitere Nebenorganisation der PKK ist die 1985 gegründete Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK), die durch sogenannte "Kurdistan-Komitees" die Propagandaarbeit der PKK betreibt. Der Verein patriotischer Künstler Kurdistans in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (HUNERKOM) organisiert die kulturellen Aktivitäten der PKK in Westeuropa. Als Organe der PKK erscheinen die Schriften "Serxwebun" (Unabhängigkeit) und "Berxwedan" (Widerstand) sowie der deutschsprachige "Kurdistan Report". Im Februar, März und Juli 1988 nahm die Polizei im Bundesgebiet mehrere PKK-Funktionäre fest. Gegen 16 von ihnen erhob der Generalbundesanwalt am 8. November Anklage vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Er wirft ihnen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK bzw. Unterstützung dieser Vereinigung, Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung vor. 14 von ihnen sind außerdem angeklagt, an der Ermordung von drei Landsleuten beteiligt gewesen zu sein sowie einen weiteren Mord versucht zu haben. Sie seien entweder direkt im Arbeitsbereich "Parteisicherheit, Kontrolle, Nachrichtendienst" der PKK tätig gewesen oder hätten als Angehö144 L'ANNEE, ENCORE PLUS PUISSANT, ET ENCORE PLUS C0M6ATTANT IN IHREM 10. JAHR NOCH STÄRKER, NOCH KÄMPFERISCHER YILINDA DANA CÜ(LÖf SAHA SAVAJKAN Plakat der PKK rige der kollektiv arbeitenden europäischen Parteiführung die Mitverantwortung für die von diesem Arbeitsbereich begangenen Straftaten getragen. Der genannte Arbeitsbereich sei eine auf Befehl der PKK-Führung gebildete selbständige terroristische Vereinigung, die gegen abtrünnige oder wegen parteischädigenden Verhaltens aufgefallene Parteimitglieder gewaltsam vorgehe. Diese Personen würden sogenannten Volksoder Revolutionsgerichten zugeführt, die Strafen bis hin zur Tötung des "Verräters" verhängten und auch vollstreckten. 145 ... . FEYKA-KURDISTAN ÜBER DIE ANGRIFFE GEGEN DEN NATtONAIiN BEFREIUNGSKAMPF KURDISTANS * Polizeirazzien gegen die Kurden in der BRD * Grenzüberschreitende Verfolgung FEYKA-KURDISTAN Öijfeiimt'niatUiu Nr. I PotWocH <5 34. "300 Bonn 1 Dokumentation der FEYKA-Kurdistan Aus Protest gegen die Festnahme der PKK-Funktionäre führten Sympathisanten der PKK seit 16. Februar im Inund Ausland zahlreiche Besetzungsaktionen durch, die sich vor allem gegen deutsche diplomatische Vertretungen, Büros von Nachrichtenagenturen und Zeitungsverlagen, Rathäuser, Gewerkschaftsgebäude und Parteibüros richteten. Ferner begannen sie in Bonn, Hannover und Stuttgart einen Hungerstreik. PKK-Anhänger aus Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz demonstrierten am 12. März an vier Grenzübergängen zum Bundesgebiet gegen die Inhaftierung ihrer Gesinnungsgenossen. Über 1.700 Kurden aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligten sich am 19. März in Bonn an einer Protestkundgebung gegen die Exekutivmaßnahmen der deutschen Behörden. In Aufrufen zur Teilnahme an der Veranstaltung hatte die FEYKA-Kurdistan betont, sie werde die "Verfolgungsund Angriffswelle der Bundesregierung" gegen den kurdischen Unabhängigkeitskampf nicht hinnehmen. Die Bundesregierung trete die Menschenrechte mit Füßen und unterstütze mit ihren "Angriffen auf kurdische Patrioten" das "Massakerander Menschlichkeit". Auch in einer im März veröffentlichten "Dokumentation" wandte sich die FEYKA-Kurdistan gegen die Festnahme der PKK146 WAS WILL DER WEST-DEUTSCHE STAAT VOM KURDISCHEN VOLK ? Mit Senf-, Nervenund andere Gift-Gase, die von der BRD geliefert wurden, hat die irakische Regierung 5.000 Kurden umgebracht und weitere zigtausende schwer verletzt. Mit Waffen --made in BRD-massakriert das türkische Militär das kurdische Volk. * Die BRD-Polizei führt intensive Razzien in den Wohnungen kurdischer Werktätiger durch. * 13 kurdische Patrioten wurden in der BRD willkürlich verhaftet. DAS KURDISCHE VOLK STEHT NICHT ALLEIN! SCHLUSS MIT DEN ANGRIFFEN GEGEN DAS KURDISCHE VOLK! ERNK Nationale Befreiungsfront Kurdistans Plakat der ERNK 147 Funktionäre und behauptete, die "Administration der BRD" habe speziell den "Patrioten aus Kurdistan" einen offenen Krieg erklärt. Die einzige Alternative, die ein die Unabhängigkeit Kurdistans befürwortender Patriot habe, sei die Unterstützung des "Nationalen Befreiungskampfes" unter Führung der PKK, die als "Volksbewegung" in der Lage sei, in Europa 20.000 Personen zu mobilisieren. Daneben führte die FEYKA-Kurdistan zur Unterstützung der Inhaftierten seit Mitte April eine Spendenkampagne und eine Unterschriftensammlung durch. Am 15. Juni betraten rund 50 Kurden, darunter 26 Kinder, die Räume der CSUGeschäftsstelle in Ingolstadt. Sie übergaben eine Resolution der "patriotischen Kurden aus Ingolstadt", in der sie für die Freilassung der seit Februar/ März inhaftierten "kurdischen Demokraten" eintraten. Mit der gleichen Forderung besetzten am 24. Juni 45 Kurden, darunter 18 Kinder, die CSU-Geschäftsstelle in Regensburg. Sie bezeichneten sich als "patriotische Kurden aus Regensburg" und übergaben ebenfalls eine entsprechende Resolution. Der Kurdische Volksverein e.V., eine örtliche Unterorganisation der PKK in Ingolstadt, kritisierte am 6. August an einem Informationsstand die "Aggression des westdeutschen Imperialismus gegen das kurdische Volk" und das Vorgehen der deutschen Sicherheitsbehörden gegen die PKK; Mitglieder dieses Vereins waren auch an der Aktion vom 15. Juni in der CSU-Geschäftsstelle beteiligt. Daneben machten Anhänger der PKK im Februar bundesweit auf Todesurteile aufmerksam, die ein türkisches Militärgericht Anfang Februar gegen 20 PKKAngehörige wegen Mordes und Umsturzversuches verhängt hatte. So führte die Vereinigung der Patrioten Kurdistans, eine weitere PKK-Unterorganisation in Nürnberg, am 27. Februar eine Protestdemonstration mit rund 70 Teilnehmern durch. An der Spitze des Aufzugs wurde ein Galgen getragen. Es folgten 20 Demonstranten, die sich aneinandergekettet hatten und auf ihren weißen Umhängen jeweils den Namen eines in der Türkei zum Tode verurteilten PKK-Angehörigen trugen. Bei der Schlußkundgebung appellierten die Redner an alle Kurden, sich mit der PKK zu solidarisieren. Die ERNK eröffnete im Frühjahr 1988 eine bundesweite Kampagne zur Verunsicherung von Türkei-Touristen. So wurden Ende April auch in mehreren bayerischen Städten Plakate der ERNK mit folgendem Text festgestellt: "Achtung - Lebensgefahr! Reisen Sie nicht in die Türkei! Bombenanschläge auf touristische Einrichtungen stehen bevor! Wir weisen darauf hin, daß auch die USA ihre Landsleute davor gewarnt haben, in die Türkei zu reisen! Von den ansonsten zu entstehenden Folgen tragen wir nicht die Verantwortung!". Bereits in einer Pressemitteilung vom 7. April hatte die ERNK Touristen davor gewarnt, in die Türkei zu reisen. Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr seien ein wichtiger Faktor für die türkische Wirtschaft und somit auch Ziel von Aktionen der Organisation. In einem in Köln am 15. April aufgegebenen Schreiben an ein Münchener Reisebüro wiederholte die ERNK ihre Warnung und betonte, sowohl die militärischen als auch die wirtschaftlichen Institutionen seien "wichtige Ziele" des bewaffneten "Befreiungskampfes". Insbesondere im Sommer des Jahres würden Bombenanschläge auf touristische Einrichtungen in der Türkei und in Kurdistan durchgeführt werden. Durch Flugblätter, Plakate und andere Aktionen wolle man die deutsche Öffentlichkeit informieren und hoffe, daß diese Warnung beachtet werde. 148 9.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e.V. (KOMKAR) Der orthodox-kommunistischen KOMKAR mit Sitz in Köln gehören in Bayern Mitgliedsvereine in München und Nürnberg an. Als Organ des Dachverbands erscheint alle zwei Monate das deutschsprachige " Informationsbulletin Kurdistan". Verbindungen bestehen zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und deren Nebenorganisation Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ). Am 2. April feierte die KOMKAR in Nürnberg das kurdische Neujahrsfest. Die Veranstaltung, an der rund 1.600 Personen teilnahmen, begann mit einer Gedenkminute für gefallene Revolutionäre. Es folgten Folkloredarbietungen und ein Lichtbildervortrag über das Leben und den Kampf in Kurdistan. Sprecher der KOMKAR bezeichneten die PKK als Feindin der KOMKAR und als Agentin des türkischen Staates. Die Feier endete mit dem Absingen der "Internationale". Die Kurdistan Arbeitervereinigung in Nürnberg e.V., ein Mitgliedsverband der KOMKAR, veranstaltete am 8. September im Anschluß an eine tags zuvor begonnene Mahnwache in Nürnberg einen Aufzug. Die rund 150 Teilnehmer zeigten Transparente mit Aufschriften wie "Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt" und "Wir protestieren gegen den Giftgaseinsatz gegen das kurdische Volk". Schon am 28. März hatte der Verein gegen den Einsatz chemischer Waffen durch den Irak in der Kurdenregion demonstriert. An den genannten Aktionen beteiligte sich auch der Kurdische Arbeiter-Solidaritätsverein e.V., ein Mitgliedsverband der KOMKAR in München. 10. Spanische Gruppen Die Kommunistische Partei Spaniens (PCE), die in Spanien von 1939 bis 1977 verboten war, wird in der Bundesrepublik Deutschland durch ein "Comite Federal" (Bundeskomitee) geleitet und verfügt dort über etwa 35 örtliche Zweiggruppen. In Bayern besteht eine Ortsgruppe in Nürnberg; in München befinden sich nur noch einige Einzelmitglieder. Publikationen der PCE sind die Zeitschrift "Mundo Obrero" (Welt der Arbeit) und das parteitheoretische Organ "Nuestra Bandera" (Unsere Fahne). Verbindungen bestehen zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Infolge rückläufiger Mitgliederzahlen hat die PCE bundesweit an Bedeutung verloren. Ihre Agitation richtete sich bei internen Versammlungen überwiegend gegen die Ausländerpolitik der Bundesregierung. 11. Türkische Gruppen Die propagandistischen Angriffe türkischer Linksextremisten aller ideologischen Richtungen zielten nach wie vor auf die Lage in der Heimat und das dortige "faschistische Regime". So demonstrierten am 10. September in Frankfurt a.M. aus Anlaß des Jahrestages der Machtübernahme durch das Militär in der Türkei (12. September 1980) rund 2.000 türkische und kurdische Linksextremisten, darunter auch Teilnehmer aus Bayern. Zu den Aktionsschwerpunkten gehörten auch Solidaritätskampagnen für politische Gefangene in türkischen 149 Haftanstalten sowie Proteste gegen den Besuch des türkischen Staatsoberhaupts in der Bundesrepublik Deutschland. Ein weiteres Agitationsthema war die Situation der Ausländer im Bundesgebiet; in diesem Zusammenhang waren insbesondere publizistische Initiativen gegen die beabsichtigte Änderung des Ausländergesetzes zu verzeichnen. Bei den orthodoxen Kommunisten vollzog sich durch den Zusammenschluß von zwei Parteien, dem eine Fusion der von ihnen beeinflußten Dachverbände vorangegangen war, ein Konzentrationsprozeß. Dem linksextremen Spektrum stehen auf der entgegengesetzten Seite türkische Gruppen gegenüber, deren Ideologie teils durch einen extremen Nationalismus, teils durch einen religiös begründeten politischen Fanatismus bestimmt ist. Während die nationalistischen Gruppen durch eine Spaltung an Bedeutung verloren haben, traten Vereinigungen islamischer Extremisten mit zunehmend aggressiven Parolen in Erscheinung. 11.1 Orthodoxe Kommunisten Die in der Türkei verbotene Kommunistische Partei der Türkei (TKP) und die gleichfalls im Exil tätige Arbeiterpartei der Türkei (TIP) schlossen sich am 8. Oktober in Oberhausen zur Vereinigten Kommunistischen Partei der Türkei (TBKP) zusammen. Der TKP gehörten im Bundesgebiet bisher etwa 300, der TIP etwa 250 Mitglieder an. Nach einem im Oktober 1987 veröffentlichten Teilentwurf ihres Parteiprogramms betrachtet sich die TBKP als "heutiger Träger der revolutionären Tradition"; Grundlage ihrer Politik sei die Theorie von Marx, Engels und Lenin. Zum Vorsitzenden der TBKP wurde der bisherige TIPVorsitzende Nihat Sargin und zum Generalsekretär - jeweils in Abwesenheit - der bisherige TKP-Generalsekretär Haydar Kutlu gewählt. Damit fand der im Vorjahr eingeleitete Einigungsprozeß zwischen der TKP und der TIP seinen Abschluß. In einem Glückwunschschreiben erklärte der DKP-Vorsitzende Herbert Mies, der Vereinigungsparteitag sei ein historischer Schritt und von großer politischer Bedeutung für die internationale kommunistische Bewegung. Sargin und Kutlu waren im November 1987 in die Türkei gereist, um dort die Gründung der TBKP vorzubereiten, und sofort festgenommen worden. Mitte März 1988 wurde in Ankara der Prozeß gegen sie eröffnet; beiden Parteiführern drohen hohe Haftstrafen. Die orthodox-kommunistisch beeinflußten Dachverbände Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FIDEF) und Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa-Einigkeit für Demokratie (DlBAF) schlossen sich am 778. Mai in Duisburg zur Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei (GDF) zusammen. Zur Gründungsversammlung waren rund 500 Personen, darunter auch Teilnehmer aus Bayern, erschienen. Nach Verabschiedung des Programms und der Satzung wurde bei den Vorstandswahlen der bisherige Leiter der FIDEF Hasan Özcan zum Vorsitzenden der GDF gewählt; sein Stellvertreter ist der ehemalige DIBAF-Vorsitzende Erol Boyraz. Bei der abschließenden Diskussion waren einige Mitgliedsvereine der FIDEF, darunter auch der Türkische Arbeiterverein in München (M.I.DER), nicht bereit, der GDF sofort beizutreten. Der GDF-Vorsitzende Hasan Özcan protestierte in einem Schreiben an den Bundeskanzler gegen die geplante Än150 derung des Ausländergesetzes. Mit der Gesetzesnovellierung werde beabsichtigt, die Ausländer als Menschen zweiter Klasse abzustempeln und aus dem Bundesgebiet zu verdrängen. 11.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen Die in Bayern aktiven Vereinigungen der türkischen Neuen Linken orientieren sich vorwiegend am Gedankengut der Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und der Türkischen Volksbefreiungspartei/front (THKP/-C). Trotz ideologischer Differenzen besteht in den Zielen dahingehend Übereinstimmung, daß beide einen Umsturz in der Türkei mit revolutionären Mitteln anstreben. 11.2.1 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Die gewaltorientierte TKP/ML wurde im Jahre 1972 illegal in der Türkei gegründet. Im Jahre 1974 fand die Gründungsversammlung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland statt. Ziel der TKP/ML ist die Beseitigung des politischen Systems in der Türkei zugunsten einer kommunistischen Gesellschaftsordnung im Sinne des Marxismus-Leninismus. Ihr militärischer Zweig ist die Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO). Von der konspirativ arbeitenden TKP/ML hat sich infolge ideologischer Differenzen schon vor Jahren die Gruppe "Bolsevik Partizan" abgespalten. Die TKP/ML unterhält in Bayern einige Stützpunkte, so z.B. in Augsburg, München und Nürnberg/Fürth. Ideologisches Sprachrohr der Partei ist das Blatt "Isci Köylü Kurtulusu" (Arbeiter-Bauern-Befreiung). In ihren Publikationen rief die TKP/ML weiterhin zum bewaffneten Kampf in der Türkei auf. Der Guerillakrieg als Hauptkampfmittel müsse in die Städte verlagert werden. Zur Verwirklichung der Revolution und zur Abrechnung mit den Volksfeinden müßten blutige und unblutige Kampfmethoden angewendet werden. Den Massen müsse erklärt werden, daß der wahre Frieden in der Zerschlagung des imperialistischen Systems liege. Die Gruppe "Bolsevik Partizan" bezeichnete in einer Flugschrift den "westdeutschen Imperialismus" als "einen der größten Blutsauger und Mörder der Völker der Welt". Es sei notwendig, bolschewistische Parteien aufzubauen und den westdeutschen Imperialismus sowie die anderen Feinde durch eine gewaltsame Revolution des Proletariats zu zerschlagen. 151 tmperyalizmin ve usaklarmin fa$ist diktatörlukleri halklarm devrimi ile yikilacaktir!.. Die faschistischen Diktaturen des Imperialismus und ihrer Handlanger werden durch die Revolution der Völker zerschlagen!.. TKP/ML(BOL$EViK) Plakat der TKP/ML 152 Im Juni begann die TKP/ML eine Postkartenkampagne gegen das von der Bundesregierung geplante neue Ausländergesetz. Sie erklärte, die Gesetzesnovelle diene dazu, die Ausländer zur Randgruppe abzustempeln und zu isolieren. Der Entwurf legitimiere die Spaltung zwischen der ausländischen und der einheimischen Bevölkerung, indem er die Ausländer zu Menschen zweiter und dritter Klasse herabwürdige. Das geplante Gesetz schaffe den Boden für rassistische und reaktionäre Angriffe und fördere die Ausländerfeindlichkeit. Etwa 15 Mitglieder und Sympathisanten der TKP/ML protestierten am 8. Oktober mit einer Versammlung in Deggendorf gegen den bevorstehenden Besuch des türkischen Staatspräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland. Am selben Tag stellte die Polizei in Ingolstadt bei zwei Türken rund 50 Plakate eines unter Federführung der TKP/ML gebildeten Aktionsbündnisses sicher, auf denen das türkische Staatsoberhaupt als "Volksfeind" und "Folterer" diffamiert wurde. Die 1976 gegründete Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) ist ein von der TKP/ML erheblich beeinflußter Dachverband. Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Zeitpunkt für einen gewaltsamen Umsturz in der Türkei führten - entsprechend der Entwicklung bei der TKP/ ML - im Jahre 1981 zur Spaltung der ATIF in die Gruppen "Partizan" und "Bolsevik Partizan". Örtliche Untergliederungen beider Gruppen bestehen auch in Bayern. In einem Ende Mai in Augsburg verbreiteten Flugblatt rief die ATIF zum Protest gegen die beabsichtigte Änderung des Ausländergesetzes auf. Sie erklärte, die Ausländerfeindlichkeit sei "Staatspolitik der westdeutschen Imperialisten". Es gehöre zur "primitivsten Politik der Kapitalisten", die Ausländer zum "Sündenbock" für die Wirtschaftskrise zu machen. Der "reaktionäre, rassistische" Entwurf zum neuen Ausländergesetz verstärke den polizeilichen Druck und vernichte die "Einmischung der Ausländer in das politische Leben". Er würdige die Ausländer zu "Menschen zweiter und dritter Klasse" herab; dadurch würden sie "zur Randgruppe der Gesellschaft abgestempelt und isoliert". Einheimische und Ausländer sollten daher in einer "gemeinsamen Kampffront" gegen die "Angriffe der Kapitalisten" vorgehen. Die vom Gedankengut der TKP/ML geprägte Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) entstand Ende 1986 durch den Zusammenschluß der ATIF mit ihren Schwesterorganisationen in Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Schweden und der Schweiz. Das bisherige ATIF-Organ "Mücadele" (Kampf) erscheint seitdem als "Zentralorgan" der ATIK. Vom 1. bis 3. April fand in Frankfurt a.M. der Jahreskongreß der ATIK statt. Die Mehrheit der etwa 500 Teilnehmer kam aus der Bundesrepublik Deutschland, da die dortige ATIF den Mittelpunkt der Konföderation darstellt. Bei den Vorstandswahlen bestätigten die Delegierten den bisherigen ATIKVorsitzenden Bedi Avci aus Stuttgart in seiner Funktion. Während der Tagung wurde die Grußbotschaft eines Funktionärs verlesen, der vor kurzem mit einer größeren Gruppe aus einem türkischen Militärgefängnis geflüchtet war. Die Botschaft endete mit der Feststellung: "Die Partei lebt, wir führen den Guerillakampf weiter!". In einem zum 1. Mai veröffentlichten Flugblatt behauptete die ATIK, die westeuropäischen Bourgeoisien beschnitten die Sozialrechte, raubten die demokratischen Rechte der Arbeiter und schürten mit der Förderung des Chauvinismus die Ausländerfeindlichkeit. Die Arbeitslosigkeit und alle ge153 sellschaftlichen Ungerechtigkeiten seien das Werk des schmarotzenden Kapitalismus. Eine weitere Schrift enthielt scharfe Kritik an dem Entwurf zum neuen Ausländergesetz. Mit der Gesetzesnovellierung wolle die Bundesregierung die politischen Organisationen und deren Mitglieder einschüchtern und die Voraussetzungen für ein Verbot dieser Gruppen schaffen. Der Entwurf habe das Ziel, die rechtliche Lage der Ausländer zu verschlechtern, sie zu diskriminieren, von der Gesellschaft auszuschließen und sie zur Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu zwingen. 11.2.2 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) Die Ziele der in der Türkei verbotenen THKP/-C werden im Bundesgebiet von mehreren Gruppen vertreten, die vielfach auch konspirativ arbeiten. Zahlenmäßig stärkste der vom Gedankengut der THKP/-C geprägten Vereinigungen im Bundesgebiet ist die Sozialrevolutionäre Devrimci Yol (Revolutionärer Weg), die seit Anfang 1986 in die Gruppen Devrimci Isci (Revolutionäre Arbeiter) und Göcmen (Emigrant) gespalten ist. Als Publikationsorgane erscheinen die Schriften "Türkei Information" und "Devrimci Isci" bzw. "Göcmen". Die Gruppe Devrimci Isci erklärte in ihrem Organ "Türkei Information" zum Besuch des türkischen Staatspräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland, die Aufenthalte dieses "Foltergenerals", "Faschisten" und "Menschenschlächters" in den europäischen Ländern seien eine Provokation für die Verfolgten des "faschistischen Regimes". Des weiteren forderte sie in einer deutschsprachigen Broschüre alle "antifaschistischen" Kräfte zur Unterstützung eines "Internationalen Tribunals" gegen die Türkei auf. Im Rahmen dieses von Devrimci Isci vorbereiteten "Tribunals", das am 10./11. Dezember in Köln stattfand, legten die Veranstalter auch eine "Anklageschrift" zum Thema "Polizeiund Militärhilfe besonders der BRD und deren Bedeutung für das türkische Folterregime" vor. Darin wurden zahlreiche deutsche Firmen und die Bundesregierung der fortgesetzten aktiven Beihilfe an "Verbrechen" des türkischen "Regimes" beschuldigt. Durch die Militärhilfe für das türkische "Folterregime" sei die Bundesregierung direkt an der Unterdrückung des kurdischen Befreiungskampfes beteiligt. Mit Einrichtungen wie dem Ausländerzentralregister und dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge verfüge die Bundesrepublik Deutschland über ein gewaltiges Unterdrückungspotential. Auch die Formulierungen im Entwurf zum neuen Ausländergesetz seien so gewählt, daß sie staatlicher Willkür Tür und Tor öffneten. Die aus einer Abspaltung von Devrimci Yol hervorgegangene und 1983 vom Bundesminister des Innern verbotene Sozialrevolutionäre Gruppe Devrimci Sol (Revolutionäre Linke), deren Anhänger seither auch unter der Bezeichnung "Avrupa'da Dev Gene" (Revolutionäre Jugend in Europa) auftreten, wandte sich mit einer in türkischer und deutscher Sprache verfaßten Erklärung an die "fortschrittliche demokratische europäische Öffentlichkeit". Darin rief die Gruppe zur Unterstützung hungerstreikender Häftlinge in der Türkei auf und erklärte, zur Stützung seines Systems praktiziere der "faschistische" türkische Staatsapparat Repression, Folter, Rassenvernichtung und Ausbeutung. Solange die Kapitalgeber, die "imperialistischen" Institutionen und Diener die154 KIZILDERE'NIN YOLU DEVRIMIN YOLUDUR! DEVRiMCl'svshv, Plakat der Devrimci Isci 155 ser Politik, d.h. die einheimischen Kollaborateure, nicht vernichtet seien, werde - die türkische Regierung ihre Praktiken nicht ändern. Der Kampf gegen den türkischen Staat gehe auch außerhalb der Gefängnisse weiter. 11.3 Extreme Nationalisten Die 1978 gegründete Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa (ADUTDF) mit Sitz in Frankfurt a.M. vertritt das Gedankengut der in der Türkei verbotenen und aufgelösten extrem nationalistischen Partei der Nationalen Bewegung (MHP), ist aber bestrebt, sich der Öffentlichkeit als gemäßigte Organisation zu präsentieren. Dem Dachverband sind auch einige Ausländervereine in Bayern angeschlossen. Am 25. Juni führte die ADUTDF in Iserlohn ihren 11. Jahreskongreß durch. Daran beteiligten sich rund 2.200 Personen aus dem Inund Ausland, darunter auch Anhänger der ADUTDF aus Augsburg, München und Nürnberg. Als Gäste waren mehrere ehemalige Abgeordnete der MHP anwesend. Der langjährige MHP-Vorsitzende Alparslan Türkes, der sich seit Anfang Juni in Westeuropa aufhielt und als Gast erwartet worden war, nahm nicht an der Veranstaltung teil; stattdessen wurde ein Tonband mit einer Ansprache von Türkes abgespielt. Zum Vorsitzenden des ADUTDF wählten die Delegierten Türkmen Onur aus Ulm, der den Verband seit dem Ende 1987 erklärten Rücktritt des damaligen Vorsitzenden Hasan Yildizhan kommissarisch geleitet hatte. Onur erklärte in seiner Rede, die ADUTDF werde wie bisher die türkischen Arbeiter in religiösen, nationalen, sozialen und kulturellen Fragen unterstützen, damit die Türken in Europa "muslimische Türken" bleiben könnten. Der Verein türkischer Idealisten e.V. (MÜO), eine Mitgliedsorganisation der ADUTDF in München, trat 1988 in Bayern nur sporadisch mit der Verteilung von Publikationsmaterial öffentlich in Erscheinung. Die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e.V. (TIKDB), die sich im Oktober 1987 nach Führungsstreitigkeiten von der ADUTDF abspaltete, hielt am 21. Mai in Koblenz ihre seit längerem vorbereitete Gründungsversammlung ab. An der Veranstaltung nahmen etwa 2.000 Personen teil, darunter mehrere ehemalige MHP-Funktionäre. Der bisherige kommissarische Leiter des Verbandes Musa Serdar Celebi wurde zum Vorsitzenden gewählt. Er erklärte, die TIKDB sehe ihre Hauptaufgabe in der Lösung von Problemen der Türken in Europa. In Bayern hat die TIKDB bisher kaum Resonanz gefunden. 11.4 Islamische Extremisten Der Ende 1984 gegründete Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln, der die Türkei nach dem Vorbild des Iran durch eine Revolution reislamisieren will, behauptete in seinem Organ "Teblig" (Die Verkündung) vom 15. Januar, die "Mörderbanden" Israels vergössen mit Terroranschlägen das Blut von Muslimen; der israelische Ministerpräsident sei ein Despot, auf dessen Befehl die Juden die Muslime in den besetzten Gebieten blutdürstig ermordeten. Der Verbandsvorsitzende Cemalettin Kaplan veröffentlichte in Flugschriften einen von ihm an den türkischen Staatspräsidenten gerichteten Brief, 156 in dem er erklärte, es sei unmöglich, Religion und Staat zu trennen. Ein Vertreter des kemalistischen Regimes und Götzendiener könne nicht Staatsoberhaupt eines muslimischen Volkes sein. Im neuen Sprachrohr des Verbandes "Ümmet" (Gemeinschaft der Gläubigen) hieß es in einem Appell an alle Muslime: "Der Islam ist Religion und Staat. Deine Staatsverfassung ist der Koran, dein Staat muß der Islam sein". Die Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT), ein Sammelbekken von Anhängern der in der Türkei verbotenen und aufgelösten "Nationalen Heilspartei" (MSP), führte am 14. Oktober in Kösching, Landkreis Eichstätt, eine Konferenz mit dem ehemaligen MSP-Vorsitzenden Prof. Dr. Necmettin Erbakan durch. An der Veranstaltung beteiligten sich rund 1.800 Personen, darunter auch Delegationen aus dem benachbarten Ausland. Dr. Erbakan kritisierte die Behandlung der Türken in der Bundesrepublik Deutschland und verurteilte die Bemühungen der Türkei um den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft, in dessen Gefolge Kultur und Religion der Türken völlig in Vergessenheit geraten würden. Die im Bundesgebiet erscheinende türkische Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationalzeitung), die als Organ der AMGT fungiert, enthielt antijüdische Hetzartikel mit Überschriften wie "Der grausame Jude" und "Zehntausend Flüche für den Juden". Darin wurden die Juden als "barbarische Ungeheuer", "destruktive und defätistische Wucherer" sowie als "Ausbeuter", "Henker" und "Terroristen" diffamiert. Sie seien schmutzig, listenreich und grausam und vergössen das Blut der palästinensischen Muslime. Geschäftsführer der "Milli Gazete" ist der AMGT-Vorsitzende Osman Yumakogullari. Der Föderation Islamischer Vereine und Gemeinden im Land Bayern e.V. gehören islamisch-extremistische Vereinigungen an, die das Gedankengut der MSP vertreten und teilweise zum Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln tendieren. Die anhaltende Fluktuation in diesem Bereich erschwert im einzelnen eine exakte Zuordnung. 157 4. Abschnitt Terror* und sonstige politisch motivierte Gewalt 1. Allgemeines Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch politisch motivierte Gewalttäter hielt auch im Jahre 1988 an. Dies verdeutlichen insbesondere der fehlgeschlagene Mordanschlag der Roten Armee Fraktion (RAF) auf Staatssekretär Dr. Hans Tietmeyer am 20. September in BonnBad Godesberg und der seit Jahren folgenschwerste Anschlag in Bayern am 17. Dezember auf ein Wohnund Geschäftshaus in Schwandorf, der vier Todesopfer - ein türkisches Ehepaar mit einem Kind und einen Deutschen - forderte. Als mutmaßlicher Täter konnte ein 19jähriger Auszubildender ermittelt und festgenommen werden, der Verbindungen zu neonazistischen Gruppen unterhielt. Darüber hinaus war die Gefährdungslage von einer gegenüber dem Vorjahr zwar bundesweit rückläufigen, aber immer noch besorgniserregend hohen Zahl teilweise schwerster Brand-und Sprengstoffanschläge gekennzeichnet, die dem RAF-Umfeld, den Revolutionären Zellen (RZ) und deren Frauengruppe "Rote Zora", zum überwiegenden Teil jedoch dem sonstigen linksterroristischen Spektrum zuzurechnen waren. Bevorzugte Ziele der Brandund Sprengstoffanschläge mit linksterroristischem Bezug waren vor allem Firmen mit Beteiligung an umstrittenen Bauvorhaben (hauptsächlich in den Bereichen Kernenergie sowie Bahnund Straßenbau), Geldinstitute, Kaufhäuser und Konzerne, die aus der Sicht der Täter die "kapitalistische Ausbeuterund Konzerngesellschaft" repräsentieren, Einrichtungen der Bundeswehr sowie verbündeter Streitkräfte. Die Rote Armee Fraktion (RAF) blieb auch 1988 die gefährlichste terroristische Vereinigung. Nach einer Pause von nahezu zwei Jahren stellte sie mit dem versuchten Mordanschlag auf Staatssekretär Dr. Tietmeyer ihre Gefährlichkeit wieder unter Beweis. Die "militante" zweite Ebene der RAF schloß sich jedoch dieser Aktion anders als in den Jahren 1985/86 nicht mit einer Terrorwelle an. * Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum Dritter durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129 a Abs. 1 des Strafgesetzbuchs genannt sind (vor allem: Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Explosion durch Sprengstoff) oder durch andere Gewalttaten, die der Vorbereitung solcher Straftaten dienen. 158 Bei den Revolutionären Zellen (RZ) und ihrer Frauengruppe "Rote Zora" waren die terroristischen Aktivitäten rückläufig. Die Mehrzahl der im Bundesgebiet verübten Anschläge war Gruppen und Einzeltätern aus dem militanten autonomen und anarchistischen Spektrum zuzurechnen. Die Täter sehen hierin Akte "revolutionärer Gegenmacht", die sie ihrem Ziel einer "herrschaftsfreien" Gesellschaft näher bringen sollen. Häufig werden die Täter auch von Haßund Rachegefühlen gegenüber dem "System" angetrieben. Für die Existenz einer rechtsterroristischen Vereinigung in Bayern gibt es derT zeit keine Hinweise. Fehlende organisatorische Strukturen dürfen aber nicht über die Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit rechtsterroristischen Potentials hinwegtäuschen. Den Nährboden hierfür bilden hauptsächlich neonazistische Gruppierungen. Diese Gefahr verdeutlicht vor allem der Brandanschlag auf ein Wohnund Geschäftshaus am 17. Dezember in Schwandorf, bei dem vier Menschen ums Leben kamen. Auch die in Lincoln/Nebraska (USA) ansässige NSDAP-AO übt mit Gewaltund Terroraufrufen in ihrer Hetzschrift "NSKampfruf" Einfluß auf die Gewaltbereitschaft militanter Neonazis aus. Die Bedrohung der inneren Sicherheit durch ausländische Terroristen hielt unvermindert an. Sie wurde deutlich durch die Anschläge der "Irisch-Republikanischen Armee" (IRA) auf Einrichtungen der britischen Rheinarmee in der ersten Jahreshälfte und das vom Generalbundesanwalt geführte Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der prosyrischen, marxistisch-leninistischen Guerillagruppe "Volksfront für die Befreiung PalästinasGeneralkommando" (PFLP-GC). Im Rahmen dieses Verfahrens wurden mehrere Personen festgenommen und ein umfangreiches Waffenund Sprengstofflager sichergestellt (vgl. 3. Abschnitt, Nr. 1). Erhöhte Wachsamkeit ist darüber hinaus auch gegenüber der militanten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) geboten, deren meist konspiratives Verhalten terroristische Ansätze aufweist. Gegen mehrere Angehörige dieser Gruppe hat der Generalbundesanwalt Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK erhoben (s. 3. Abschnitt, Nr. 9.1). 2. Rote Armee Fraktion (RAF) Die RAF entstand Ende der 60er Jahre um Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler und Ulrike Meinhof. Sie verfolgte zunächst das Ziel, als Avantgarde des revolutionären Kampfes durch terroristische Aktionen der "Stadtguerilla" im "antiimperialistischen Kampf" und im "strategischen und taktischen Zusammenwirken mit den Befreiungskämpfen der unterdrückten Nationen" eine Solidarisierung der Massen und eine revolutionäre Situation herbeizuführen. Inzwischen versteht sich die RAF nicht mehr als verlängerter Arm von Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, sondern als eigenständige Guerilla im "imperialistischen Zentrum Westeuropa". Als "Gegner" in ihrem "antiimperialistischen Kampf" sieht die RAF die "imperialistische Staatenkette" unter der Führung der USA als Sammelbegriff für alle "reaktionären Kräfte". Ihr Kampf richtet sich deshalb vor allem gegen die sichtbare Erscheinungsform dieses Blocks, das westliche Verteidigungsbündnis NATO und, bezogen auf West159 europa, gegen die Westeuropäische Union (WEU), der die RAF ihr Konzept einer "antiimperialistischen Front in Westeuropa" entgegensetzt. Als maßgebende Stützen der bestehenden Machtstrukturen betrachtet die RAF neben den Sicherheitsbehörden ("Repressionsapparat") die Bereiche Politik, Militär, Kapital und Industrie; sie umschreibt deren vielfältige Verflech.tungen mit dem Begriff "militärisch-industrieller Komplex" (MIK). Diese Bereiche tragen nach Auffassung der RAF ein von einer machtgierigen Clique beherrschtes System, das unter Führung der USA eine weltweite Ausbeutungspolitik mit dem Ziel der fortschreitenden militärischen, technologischen und damit wirtschaftlichen Überlegenheit gegenüber der Dritten Welt betreibt. Mögliche Anschlagsziele sind dementsprechend alle Funktionsträger und Institutionen, die zur Formierung der "imperialistischen Säule Westeuropa" beitragen können. Dazu gehören insbesondere Einrichtungen der Bundeswehr und der verbündeten Streitkräfte, Polizeiund Justizbehörden, Konzerne im Bereich der Computerund Elektroniktechnologie sowie der Verteidigungswirtschaft. Durch die Konzentration derartiger Unternehmen ist Bayern einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt. Die in verschiedenen Erklärungen der RAF deutlich gewordene verstärkte Betonung der "proletarischen Komponente" (Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt) kann dazu führen, daß darüber hinaus weitere Anschlagsziele in Betracht gezogen werden; dadurch wird es immer schwieriger, die Bandbreite solcher Ziele der RAF einzugrenzen. Als ideologisches Sprachrohr der RAF ist die seit Ende 1984 erscheinende Untergrundzeitschrift "Zusammen kämpfen - Zeitung für die antiimperialistische Front in Westeuropa" anzusehen. Sie enthält vor allem Selbstbezichtigungen der "kämpfenden Ebenen" der RAF und ist als Instrument der Kommunikation, Instruktion und Indoktrination anzusehen. Kommentarlos wiedergegebene Erklärungen ausländischer Terrorgruppen verweisen außerdem auf Bestrebungen der RAF, Bündnispartner für den von ihr propagierten Aufbau einer einheitlichen "westeuropäischen Guerilla" innerhalb einer "antiimperialistischen Front" zu finden. Die Bemühungen der RAF, u.a. im Bündnis mit dem sogenannten "internationalistischen Flügel" der französischen Terrorgruppe "Action Directe" (AD) eine einheitliche "westeuropäische Guerilla" aufzubauen, haben durch die Festnahme der AD-Führungsmitglieder am 21. Februar 1987 auf einem Bauernhof in Vitry-aux-Löges bei Orleans/Frankreich einen Rückschlag erlitten. Die vier ADFührungsmitglieder Jean-Marc Rouillan, Georges Cipriani, Joelle Aubron und Nathalie Menigon wurden zwischenzeitlich wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und verschiedener Straftaten in den Jahren 1980 bis 1986 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Nach der Zerschlagung dieser Gruppierung der AD waren verstärkte Annäherungstendenzen der RAF an die italienische Terrorgruppe "Rote Brigaden -für den Aufbau der kämpfenden Kommunistischen Partei" (BR - P.C.C.) zu verzeichnen. Interne Diskussionspapiere der RAF und der BR-P.C.C, die im Zusammenhang mit Festnahmen von Mitgliedern der BR-P.C.C am 15. Juni in Mailand und am 7. September in Rom in konspirativen Wohnungen aufgefunden wurden, belegen, daß Angehörige der RAF mit Angehörigen der B.R. - 160 P.C.C. in Diskussion standen. Betont wird in den Papieren, daß es nicht um einen organisatorischen Zusammenschluß von RAF und BR - P.C.C. gehe, sondern um den Aufbau der Einheit der revolutionären Kräfte durch die Entwicklung einer gemeinsamen Angriffslinie. Sichtbar wird das Zusammenwirken beider Terrororganisationen in der gemeinsamen Erklärung der RAF und der BR - P.C.C, die der Selbstbezichtigung eines "Kommandos Khaled Aker" der RAF zum versuchten Mordanschlag auf Staatssekretär Dr. Hans Tietmeyer beigefügt war. Das Kommunique macht deutlich, daß der RAF in ihrem Bemühen um Internationalisierung des Terrors eine Annäherung an die BR - P.C.C. gelungen ist, denn ebenso wie das gemeinsame Kommunique der RAF und der französischen Terrororganisation AD vom Jahre 1985 soll es der "Organisierung der kämpfenden revolutionären Front" in Westeuropa dienen. Bei dieser "Front" gehe es nicht um eine "Verschmelzung der einzelnen Organisationen zu einer einzigen", sondern die Gemeinsamkeit liege im Zeitpunkt und in der Zielrichtung des "Angriffs". Westeuropa wird dabei eine besondere Bedeutung im Rahmen des internationalen "imperialistischen Krisenmanagements" zugeschrieben, und zwar auf "ökonomischer", "militärischer", "konterrevolutionärer" und "politisch-diplomatischer" Ebene. In diesem Zusammenhang soll sich die in dem Kommunique angekündigte "gemeinsame Offensive" von RAF und BR - P.C.C. gegen Personen und Institutionen der westeuropäischen Wirtschaftsund Geldpolitik richten sowie gegen "die Politiken der westeuropäischen Formierung, die auf die Stärkung der imperialistischen Positionen zielen", wobei die Nahost-Region als aktuelles Beispiel genannt wird. Auch die Kommandobezeichnung "Khaled Aker" weist Bezüge zum Nahen Osten auf. Bei Khaled Aker handelte es sich um einen bei einem Terroranschlag am 25. November 1987 in Israel ums Leben gekommenen palästinensischen Terroristen. Die Namensgebung belegt, daß sich die Kommandoebene der RAF nach wie vor auch um Sympathiewerbung bei palästinensischen Organisationen bemüht. 2.1 Kommandobereich der RAF Am Morgen des 20. September versuchten in Bonn unbekannte Täter aus dem Kommandobereich der RAF den Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Dr. Hans Tietmeyer und seinen Fahrer zu ermorden. Etwa 300 m von der Wohnung des Staatssekretärs entfernt schössen die Täter mit einer Langwaffe mindestens dreimal auf seinen Dienstwagen, als er morgens ins Büro fuhr. Dr. Tietmeyer und sein Fahrer blieben unverletzt; das Fahrzeug wies mehrere Einschüsse auf. Im angrenzenden Gebüsch wurde eine der Tatwaffen, eine bei einem Überfall der RAF auf ein Waffengeschäft in Maxdorf am 5. November 1984 erbeutete Vorderschaftrepetierflinte, ein volles Maschinenpistolen-Magazin sowie drei Patronenhülsen sichergestellt. Ein von Zeugen in Tatortnähe gesehener ockerfarbener Ford Fiesta wurde etwa 5 km entfernt im Bonner Stadtteil Ippendorf aufgefunden und als Tatfahrzeug identifiziert. Es handelte sich dabei, wie in der Vergangenheit mehrfach von der RAF praktiziert, um eine sogenannte "Doublette", d.h., an dem Fahrzeug war ein gefälschtes Kennzeichen eines existenten Pkw gleichen Aussehens montiert. 161 In einem Selbstbezichtigungsschreiben eines "Kommandos Khaled Aker" der, RAF, das am 21. September bei mehreren Nachrichtenagenturen einging und dem ein als Entwurf bereits bekanntes Kommunique über das Bündnis RAF/ BR-P.C.C. in deutscher und italienischer Sprache beigefügt war, begründeten die Täter ihren Anschlag auf den Staatssekretär mit dessen Bedeutung für das "imperialistische Krisenmanagement". Er sei maßgeblich beteiligt an der "Formulierung, Koordinierung und Durchsetzung imperialistischer Wirtschaftspolitik" und sei u.a. als "Delegierter bei IWF und Weltbank" und "Weltwirtschaftsgipfeln" mitverantwortlich für "Völkermord und Massenelend in der Dritten Welt" sowie für die "Ausbeutung, Verelendung und Unterdrückung in Westeuropa". In einer weiteren Erklärung, die denselben Nachrichtenagenturen am 22. September zuging, erläuterten die Täter nochmals das Ziel ihres Anschlages und die Gründe für ihren Mißerfolg. Sie hätten Dr. Tietmeyer nicht - wie beabsichtigt - erschießen können, weil sich die Maschinenpistole verklemmt habe, mit der zuerst der Fahrer ausgeschaltet werden sollte, um den Wagen zum Stehen zu bringen. In diesem Moment hätten zwei Mitglieder des Kommandos schon ihre Deckung verlassen gehabt und deshalb vergeblich versucht, den Wagen mit einer Schrotflinte zu stoppen. Besondere Bedeutung ist dem Kommunique von RAF und BR-P.C.C. beizumessen, in dem eine neue gemeinsame Offensive angekündigt wird, denn der Anschlag auf Dr. Hans Tietmeyer entspricht der Angriffszielrichtung dieses gemeinsamen Kommuniques. Aufgrund der erkennbaren Parallelen zur gemeinsamen "Offensive" von RAF und AD Anfang des Jahres 1985 (gemeinsames Kommunique und daran anschließende Anschläge) muß mit weiteren schweren Straftaten von RAF und BR-P.C.C. in der Bundesrepublik Deutschland und/oder Italien gerechnet werden. Die Kommandoebene der RAF ist nicht nur im Hinblick auf ihre unverminderte personelle Stärke von etwa 20 Mitgliedern, sondern auch logistisch weiterhin in der Lage, schwerste Gewaltaktionen einschließlich koordinierter Operationen mit ausländischen Terroristen durchzuführen. Dies zeigt auch ein fehlgeschlagener Sprengstoffanschlag am 17. Juni im spanischen Rota, der ebenfalls der RAF zugerechnet werden muß. 2.2 Militante der RAF Die "Militanten der RAF" sind nach dem Kommandobereich als zweite "Kämpfende Ebene" in die RAF eingebunden und damit als integrierter Bestandteil der RAF anzusehen. Sie beteiligten sich 1986 an der "Offensive" der RAF mit neun schweren Sprengstoffanschlägen, die in ihrer Zielrichtung und von den Tatmitteln her enge Verbindungen zum Kommandobereich erkennen ließen. Damit haben sie sich als nicht weniger aktiv und fast genauso gefährlich wie die Kommandoebene selbst erwiesen. Zwar richteten sich ihre "militanten" Anschläge - anders als die Morde des Kommandobereichs - primär gegen Sachen; jedoch wurde dabei zunehmend eine Tötung oder Verletzung von Personen in Kauf genommen. Auf die enge Zusammenarbeit mit der Kommandoebene der RAF verwies neben den benutzten Tatmitteln und der Auswahl der Anschlagsobjekte auch die häufig mit Erklärungen der RAF inhaltlich und formal übereinstimmende Diktion der Selbstbezichtigungen, in denen sich die "Militanten der RAF" als "Kämpfende Einheit" bezeichneten, meist unter Hin162 zufügung des Namens eines verstorbenen Mitglieds einer ausländischen Terrorgruppe. Aufgefundene Unterlagen von "Militanten der RAF" aus dem Jahre 1987 belegen, daß sie sich in einer "defensiven" Phase befunden haben. Veröffentlichungen in "Zusammen kämpfen" vom Dezember 1987 und März 1988 sagen aus, daß man die eigenen Strukturen verbessern wolle und auf eine neue Offensive hinarbeite. Inwieweit diese Entwicklung auf eine Stabilisierung der "Militanten" hindeutet bzw. eine etwaige mit dem Kommandobereich abgestimmte Angriffsplanung fortgeschritten ist, läßt sich nicht abschätzen. 2.3 Umfeld der RAF Die das Gewaltkonzept der RAF bejahenden Gruppen werden aufgrund ihrer jeweils unterschiedlichen Nähe zum Kommandobereich als engeres bzw. weiteres Umfeld bezeichnet und bilden weiterhin ein für die RAF verläßliches Unterstützerpotential. Sie sehen ihre Aufgabe darin, Ideologie und Ziele der RAF öffentlich zu vertreten und für sie zu werben. Die Angehörigen dieser Gruppen halten Verbindung zu inhaftierten terroristischen Gewalttätern und Unterstützern der RAF und setzen sich für deren Forderungen, insbesondere nach "Zusammenlegung", ein. Außerdem gehört es zu ihren Aufgaben, den Informationsfluß zwischen den verschiedenen Ebenen der RAF aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus leisten sie logistische Unterstützungsarbeit (z.B. durch Beschaffen von Personalpapieren, Anmieten konspirativer Wohnungen) und werden so in die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Aktionen eingebunden. Letztlich stellt dieser Personenkreis auch das Rekrutierungspotential für die im Untergrund lebenden "illegalen" RAFMitglieder dar. In Bayern sind Gruppierungen des RAF-Umfeldes mit Schwerpunkten in Augsburg, München und Nürnberg bekannt. Ihnen gehören etwa 20 Personen an, davon einige aus dem engeren RAF-Umfeld. Die Gruppierungen unterhielten untereinander, aber auch zu ähnlichen Gruppen im Bundesgebiet, enge Kontakte. Zu den zentralen Agitationsthemen des RAF-Umfeldes gehört neben der Forderung nach "Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand" insbesondere die Lage der Palästinenser. Das Anfang 1986 durch den Frankfurter Kongreß "Antiimperialistischer und antikapitalistischer Widerstand in Westeuropa" wiedergeweckte Interesse an der Situation im Nahen Osten kam durch eine Reihe von Veranstaltungen zum Ausdruck. Das Ziel einer breiten Mobilisierung und Resonanz in der Öffentlichkeit konnte jedoch bisher nicht erreicht werden. Ferner war festzustellen, daß sich militante Palästinenserorganisationen nach wie vor politisch vom engeren RAF-Umfeld abgrenzen und lediglich ein auf die aktuelle Situation ausgerichtetes Zweckbündnis bejahen. Nach der Festnahme der vier führenden AD-Mitglieder im Februar 1987 versuchte auch das RAF-Umfeld verstärkt Kontakte zu ausländischen Terrorgruppen, vor allem in Italien und Spanien, herzustellen. Das engere RAF-Umfeld war bemüht, alle militanten linksextremen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland, die sich als "Widerstand" gegen den Staat verstehen, auf breiter Basis zu vereinen. Motivierender Ansatzpunkt war der "Sieg" der Bewohner der Hamburger Hafenstraße, der die Grenzen zwischen 163 den RAF-orientierten "Antiimps" und "Autonomen" zumindest während der Aktionstage vom 27. Dezember 1987 bis 2. Januar 1988 in Hamburg verwischte. Dieser momentane Erfolg erwies sich im Hinblick auf beabsichtigte gemeinsame Aktionen gegen den IWF-Kongreß jedoch als Trugschluß. Die Diskussionen zwischen "Antiimps" und "Autonomen" führten weder zu einem Bündnis noch zu einer Aktionseinheit. Viele "Autonome" scheuten das Risiko von militanten Aktionen in Berlin(West) und plädierten stattdessen für dezentrale militante Aktivitäten im übrigen Bundesgebiet. Auffallend war dagegen die Solidarität zwischen "Antiimps" und "Autonomen" aus dem süddeutschen Raum im Zusammenhang mit einer Veranstaltung am Abend des 14. November in der Technischen Universität in München. Anlaß war der Prozeß vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht gegen zwei Münchner RAF-Sympathisanten wegen Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Die ursprünglich in einer Gaststätte geplante Versammlung war dort wegen versammlungsrechtlicher Auflagen und wegen der Polizeipräsenz im Saal vorzeitig abgebrochen worden. Daraufhin begab sich ein Teil der etwa 350 Versammlungsteilnehmer in konspirativer Weise zu einem Erstsemesterfest in der Mensa der Technischen Universität. Dort folgten rund 600 Personen, darunter Angehörige des gesamten linksextremen Spektrums, den Ausführungen der ursprünglich für die abgesagte Versammlung angekündigten Referenten u.a. zur Bedeutung der Prozesse wegen SS 129 a StGB für die "politischen Gefangenen" und zur Zusammenlegungsforderung. In Sprechchören wurde mehrfach gerufen: "Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen". Über den eigentlichen Versammlungsanlaß, den genannten Prozeß, wurden nur wenige Worte verloren. Den beiden Angeklagten war vorgeworfen worden, am 4. November 1986 die "Veranstaltung zur Situation der politischen Gefangenen in der BRD" in der Gaststätte "Zunfthaus" in München organisiert zu haben. Für die Teilnahme an dieser Veranstaltung war mit Plakaten und Flugblättern geworben worden, deren Inhalt eine Unterstützung der RAF darstellte. Die geplante Veranstaltung war deshalb von der Landeshauptstadt München verboten und von der Polizei unmittelbar nach Beginn aufgelöst worden. Das Gericht befand eine 23-jährige Frau für schuldig, den Saal angemietet und die Versammlung mitorganisiert zu haben, und verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, verbunden mit einer Geldbuße. Der 27jährige Mitangeklagte wurde mangels Tatnachweises freigesprochen. Als eigenständige Aktionen von Anhängern des RAF-Umfeldes sind die Solidaritätsaktionen für die hungerstreikenden Inhaftierten der AD von Januar bis März zu werten. In diesem Zusammenhang stehen Brandanschläge auf zwei Niederlassungen der Fa. Renault am 25. Januar in Hamburg, am 16. Februar auf das Ausbildungszentrum der Deutschen Bank in Kronberg/Hessen und am 1. März auf die Fa. Renault-Landtechnik in Rosbach/Hessen sowie Sachbeschädigungen an Kraftfahrzeugen von Autohändlern französischer Automobile, u.a. am 15. März in Erlangen zum Nachteil eines Citroen-Händlers. Am 3. Februar kam es in Frankfurt a.M. zu Ausschreitungen gegen das französische Kulturinstitut durch etwa 60 RAF-Unterstützer. 164 3. Revolutionäre Zellen (RZ) Die RZ einschließlich ihrer autonomen Frauengruppe "Rote Zora" sind nach der RAF die gefährlichste terroristische Vereinigung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie unterscheiden sich vom Kommandobereich der RAF in Taktik und Strategie nach wie vor dadurch, daß ihre Mitglieder aus einem bürgerlichen Leben heraus operieren. Dieser Umstand und der Zusammenschluß in kleine, unabhängige Zellen erschweren das Erkennen und Bekämpfen. Seit ihrem erstmaligen Auftreten im Jahre 1973 verstehen sich die RZ als "Sozialrevolutionäre Bewegung". Langfristig verfolgen sie das Konzept des permanenten Guerillakampfes. Sie sind bestrebt, eine möglichst breite personelle und materielle Basis für eine "soziale Revolution" in der Bundesrepublik Deutschland zu schaffen. Ihre auf Nachvollziehbarkeit und Nachahmung angelegten "Widerstandshandlungen" sind von der Absicht getragen, das in "legalen" Protestbewegungen vorhandene Potential für die eigenen Ziele zu gewinnen; deshalb achten sie darauf, daß ihre Aktionen der "Masse" vermittelbar erscheinen. Ihre terroristischen Anschläge orientieren sich zumeist an aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konfliktthemen. In der Vergangenheit waren dies insbesondere der Protest gegen Militärdiktaturen in Lateinamerika, der SS 218 des Strafgesetzbuches, Fahrpreiserhöhungen und "Mietwucher", Großprojekte wie Kernkraftwerke oder der Bau der Startbahn West des Flughafens Frankfurt a.M" die NATO-Nachrüstung und die Entwicklung der Computertechnik. Neuerdings rücken die Ausländerund Asylproblematik sowie die "Ausbeutung" der Dritten Welt in den Mittelpunkt. Die autonome RZFrauengruppe "Rote Zora" bemüht sich in letzter Zeit, auf das in der Frauenbewegung vorhandene Protestpotential insbesondere durch Anschläge auf Einrichtungen im Bereich der Biound Gentechnologie Einfluß zu nehmen. Durch die auf die Entfachung von "Massenmilitanz" angelegte Anknüpfungsstrategie der RZ/"Rote Zora" sollen breite Volksschichten zum Kampf gegen behauptete Mißstände motiviert und ihre Mitwirkung oder zumindest Sympathie für "Widerstandshandlungen" gewonnen werden. Daneben versuchen sie, ihren Aktionen durch Betonung "internationalistischer" Aspekte zusätzlich eine "antiimperialistische" Ausrichtung zu verleihen. Die Palette ihrer Straftaten reicht mittlerweile von der Fälschung von Fahrausweisen öffentlicher Verkehrsmittel oder amtlicher Schreiben über Brandund Sprengstoffanschläge bis hin zu gezielten Schußwaffenattentaten auf Menschen; dabei haben sie allerdings Tötungsabsichten stets verneint. Insofern bleiben ihre Anschläge - obwohl sie den "bewaffneten Kampf auf allen Ebenen" propagieren - bewußt hinter den Mordanschlägen der RAF zurück, die nach ihrer Auffassung den "Massen" als ihrem potentiellen "revolutionären Subjekt" nicht vermittelbar und damit kontraproduktiv sind. 1988 verübten bzw. versuchten die RZ und die "Rote Zora" im Bundesgebiet zwei Brandund Sprengstoffanschläge (1987: 21 Brandund Sprengstoffanschläge und ein Schußwaffenattentat). Die "Rote Zora" bekannte sich zu einem versuchten Sprengstoffanschlag auf das Biotechnologische Zentrum an der Technischen Universität in Braunschweig in der Nacht zum 27. Februar. Die RZ begründeten einen Brandanschlag auf das Verwaltungsgebäude einer Firma in Hamburg am 25. April mit deren Handelsbeziehungen zu Israel und 165 Südafrika. Der aus dem Vergleich zum Vorjahr ersichtliche deutliche Rückgang der terroristischen Aktivitäten dürfte nicht zuletzt auf die polizeilichen Fahndungserfolge Ende des vergangenen Jahres zurückzuführen sein. Am 18. Dezember 1987 waren in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hamburg 33 Wohnungen von mutmaßlichen RZoder "Rote Zora"-Anhängern durchsucht worden. Gegen drei der Festgenommenen und vier flüchtige mutmaßliche Mitglieder wurde Haftbefehl wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung RZ/"Rote Zora" erlassen. Die autonome RZ-Frauengruppe "Rote Zora" verbreitete eine neue Anleitungsbroschüre über den "bewaffneten Kampf". Die Mitte August 1988 im Bundesgebiet, u.a. auch in Augsburg aufgetauchte 27seitige Broschüre mit dem Titel "Praktische Tips - Rote Zora" enthält neben Anleitungen zum Bau von Sprengund Brandsätzen, Beschreibungen von Alarmanlagen sowie Tips zum Einbrechen auch allgemeine Anleitungen zu konspirativem Verhalten als "Voraussetzung für effektiven Frauenwiderstand". Daß das Vorgehen der RZ auch in Bayern Nachahmer bzw. Sympathisanten findet, zeigen Flugblätter, die am 30. Juii bei einer Kaserne in Amberg aufgefunden wurden; sie enthielten eine Beschreibung von Zielen und Aktionen der RZ und warben für diese. Aufgrund des Inhalts und der Diktion der Flugblätter ist davon auszugehen, daß die unbekannnten Verfasser einer regionalen Gruppe angehören, die das Gedankengut der RZ aufgegriffen und deren Aufforderung zu "gezielten Aktionen" sowie "alltäglichem Widerstand" Folge geleistet hat (sog. "Resonanzzelle"). 4. Festnahmen und Strafverfahren Am I.März wurden Heinrich Jansen, Michael Max Dietiker und Bernhard Daniel Rosenkötter nach einem Brandanschlag auf die Firma "Renault-Traktoren und Maschinen GmbH" in Rosbach bei Friedberg/ Wetteraukreis festgenommen. Der Generalbundesanwalt hat am 24. Oktober gegen die genannten Inhaftierten wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer eigenständigen terroristischen Vereinigung, Unterstützung der RAF und Brandstiftung Anklage erhoben. Heinrich Jansen hatte sich 1970 der RAF angeschlossen. 1973 war er durch Urteil des Landgerichts Berlin wegen versuchten Mordes in zwei Fällen und anderer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden, die er bis November 1981 verbüßt hatte. Die im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag am 2. Mai 1986 auf die Polizeiinspektion Feucht gesuchten Tatverdächtigen wurden am 25. April in Hamburg bzw. am 18. Mai in Saarbrücken festgenommen. Beide legten Tatgeständnisse ab. Wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a. verurteilte das Jugendschöffengericht Nürnberg die beiden am 7. November zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten bzw. zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Freiheitsstrafen wurden jeweils auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Am 25. Mai wurde der niederländische Staatsangehörige Johan Willem Alderkamp am Grenzübergang Helmstedt/Autobahn vorläufig festgenommen. Er führte zwei Koffer mit, die 90 Exemplare des Buches "Widerstand heißt An166 griff" mit dem Untertitel "Erklärungen, Redebeiträge, Flugblätter und Briefe 1977-1987" enthielten. Das Buch beinhaltet eine chronologische Auflistung bereits bekannter Texte der RAF und ihres Umfeldes. Alderkamp befand sich bis 7. Dezember in Untersuchungshaft. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte am 28. Juni Eva Haule-Frimpong wegen Beteiligung am versuchten Sprengstoffanschlag auf die NATO-Schule in Oberammergau am 18. Dezember 1984 und am Raubüberfall auf einen Waffenhändler in Maxdorf am 5. November 1984, unerlaubten Waffenbesitzes, Munitionserwerbs und Urkundenfälschung in Tateinheit mit der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "RAF" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren. Die Mitangeklagten Christian Kluth und Luitgard Hornstein, die zusammen mit Frau Haule-Frimpong am 2. August 1986 in Rüsselsheim festgenommen worden waren, erhielten Freiheitsstrafen von zehn bzw. vier Jahren. Christian Kluth wurde wegen des Anschlags auf das Luftund Raumfahrtunternehmen Dornier in Immenstaad am 26. Juli 1986 in Tateinheit mit der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "RAF" und wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen verurteilt. Luitgard Hornstein wurde der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "RAF" und der Urkundenfälschung für schuldig befunden. Seit 5. September 1988 befindet sich Thomas Küpper in Untersuchungshaft. Er wird beschuldigt, Mitglied einer "Kämpfenden Einheit" zu sein. In einer Tasche, die in einer Telefonzelle offensichtlich vergessen wurde und Küpper zugerechnet werden konnte, befanden sich Kopien von internen Diskussionspapieren der RAF. Bei der Durchsuchung der Wohnung Küppers in Düsseldorf wurden Pläne des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen gefunden. Küpper hatte seit Jahren Kontakt zu Christian Kluth und Luitgard Hornstein. Als unbegründet verwarf der Bundesgerichtshof am 25. August die Revision des militanten Neonazis und ehemaligen Leiters der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG), Karl-Heinz Hoffmann, gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. Juni 1986. Das Landgericht hatte Hoffmann wegen Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung in mehreren Fällen sowie wegen Geldfälschung, Strafvereitelung und Vergehen gegen das Waffenund das Sprengstoffgesetz zu 9 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Vom Vorwurf der Beteiligung am Doppelmord an dem Verleger Shlomo Lewin und dessen Lebensgefährtin Frida Poeschke in Erlangen im Jahre 1980 war er freigesprochen worden. 5. Politisch motivierte Gewaltaktionen in Bayern Auch 1988 ist die Zahl der Gewaltakte in Bayern, bei denen das angegriffene Ziel, die Tatausführung oder eine Selbstbezichtigung auf politische Motive hindeuten, erheblich zurückgegangen. Sprengstoffanschläge blieben aus (1987: 8; 1986: 4). Insgesamt wurden 16 Brandanschläge (1987: 38; 1986: 74) verübt oder versucht. Deutlich rückläufig waren auch die gefährlichen Eingriffe in den Bahnverkehr (1988: 4; 1987: 12; 1986: 48) und die Anschläge auf energieführende Anlagen (1988: 3; 1987: 4, 1986: 42). Die beträchtliche Verringerung dieser Gewaltakte dürfte auf das Fehlen mobilisierender Bezugsereignisse, vor al167 lern aber auf die Fahndungserfolge der Sicherheitsbehörden zurückzuführen sein. An politisch motivierten Anschlägen und sonstigen politisch motivierten Gewaltakten in Bayern sind insbesondere zu nennen: Der seit Jahren folgenschwerste Brandanschlag in Bayern wurde in der Nacht zum 17. Dezember auf ein überwiegend von Ausländern bewohntes Haus in Schwandorf verübt. Er forderte vier Todesopfer und mehrere Verletzte; der Sachschaden wird auf über eine Million DM geschätzt. Als mußmaßlichen Täter ermittelte die Polizei einen 19-jährigen Auszubildenden, der bei seiner Vernehmung angab, er habe die ausländischen Hausbewohner nur "ärgern" wollen; diese Angaben hat er inzwischen widerrufen. Desweiteren gestand er zunächst, vor der Brandstiftung an einem anderen Anwesen in Schwandorf einen Aufkleber mit der Aufschrift "Türken raus" angebracht zu haben. Der mutmaßliche Täter ist durch Kontakte zu neonazistischen Gruppen, so z.B. durch den Bezug der "FAP-Nachrichten", bekanntgeworden. Im August 1988 fand die Polizei seine Personalien bei einer Durchsuchung des "Zentrums" der neonazistischen Nationalistischen Front (NF) in Bielefeld im dortigen Adressenmaterial. Am 26. November 1988 wurde er im Münchner Olympiastadion festgenommen, weil er bei einem Fußballspiel "Sieg Heil" gerufen hatte. Anfang Januar versuchten unbekannte Täter auf dem Baugelände der zukünftigen VII. Bereitschaftspolizeiabteilung bei Sulzbach-Rosenberg, Landkreis Amberg-Sulzbach, zwei Baufahrzeuge in Brand zu setzen. An einem Bagger sprühten sie einen fünfzackigen Stern und die Worte "Gegen Bullen". Unbekannte Täter versuchten in der Nacht zum 10. Februar, einen Spezialbagger auf dem Gelände des geplanten Rangierbahnhofes München-Allach in Brand zu setzen. Zu dem Anschlag bekannte sich eine "Autonome Gruppe München-Allach". Bereits in der Zeit vom 18. Dezember 1987 bis 4. Januar 1988 und am 25. Januar hatten unbekannte Täter auf dort abgestellte Baumaschinen Brandanschläge verübt bzw. versucht, wobei Sachschaden von etwa 8.000 DM entstand. In der Nacht zum 15. März zerstachen unbekannte Täter an Kraftfahrzeugen, die an einem Citroen-Autohaus in Erlangen abgestellt waren, 53 Reifen und brachten eine Schmierschrift "Solidarität mit dem Hungerstreik der Gefangenen von Action Directe" an. Es entstand Sachschaden in Höhe von 20.000 DM. Ein Beamter der Bahnpolizei entdeckte am 1. Mai kurz vor Mitternacht in Gräfelfing, Landkreis München, einen auf dem Bahnkörper der Strecke MünchenMittenwald im Bahnhofsbereich abgelegten und mit Schottersteinen verdämmten funktionsfähigen Brandsatz. Noch vor der Delaborierung brannte der Zündsatz ab, ohne daß sich die Brandmischung entzündete. Ziel des Anschlags war vermutlich die um diese Zeit den Tatort passierende S-Bahn. Unbekannte Täter setzten in der Nacht zum 23. Mai in Wackersdorf einen Bagger einer am Bau der WAW beteiligten Firma in Brand. Der Sachschaden wird auf rund 200.000 DM geschätzt. Baufahrzeuge des geschädigten Unternehmens waren damit seit 1985 insgesamt achtmal das Ziel von Brandanschlägen. Auf der Bahnlinie Schwandorf - Fürth i.Wald errichteten unbekannte Täter am 23. Mai aus Holz und Altreifen eine Sperre und setzten diese in Brand. Außer168 dem mußten im Waldgebiet um das WAW-Gelände drei Brandherde gelöscht werden. Unbekannte Täter versuchten in der Nacht zum 1. Juni in Amberg, einen Seilbagger einer am Bau der WAW beteiligten Firma in Brand zu setzen. Mit Parolen wie "Ausländer raus" und "Ausländerstopp" zerschlugen am 11. Juni mehrere randalierende Jugendliche Fensterscheiben eines Asylantenheimes in Eltmann, Landkreis Haßberge. In Augsburg drangen am 16. Juni acht junge Männer in ein Asylantenlager ein. Sie rissen Lichtschalter heraus, zertrümmerten Fensterscheiben und hinterließen mehrere Aufkleber mit dem Aufdruck "Rudolf Heß - das war Mord - doch unser Haß ist unendlich". In der Zeit vom 16. bis 20. Juni warfen unbekannte Täter mit Steinen die Frontscheibe eines in einem Kieswerk bei Schwandorf abgestellten Baggers ein. Ferner fuhren am 20. Juni zwei Lastkraftwagen derselben Firma bei Teublitz in dort ausgelegte Krähenfüße. Es entstand jeweils Sachschaden. Die geschädigte Firma, die am Bau der WAW beteiligt ist, war bereits mehrfach Ziel von Brandanschlägen. Zwischen dem 26. und 29. August verübten unbekannte Täter bei Brück i.d.OPf. einen Brandanschlag auf einen Bagger einer am Straßenbau nach Wackersdorf beteiligten Firma. Es entstand Sachschaden von ca. 1.200 DM. Ein Brandanschlag auf Baumaschinen verursachte am 18. September in Wörth a. d. Donau, Landkreis Regensburg, einen Sachschaden von 180.000 DM. Unbekannte Täter hatten versucht, mehrere Baumaschinen einer früher am Bau der WAW beteiligten Baufirma in Brand zu setzen, wobei nur ein Brandsatz zündete. In der Nacht zum 12. Oktober verübten zunächst unbekannte Täter einen Brandanschlag auf die am Ortsrand von Meitingen, Landkreis Augsburg, gelegene Schaltanlage eines Elektrizitätsunternehmens. Es entstand Sachschaden in Höhe von 50.000 DM. Ein hinterlegtes Selbstbezichtigungsschreiben war mit "Kommando gegen Atomstaat und Kapital" unterzeichnet. Die Täter wurden am 15. Oktober festgenommen. In der Nacht vom 30. zum 31. Oktober versuchten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf den Bagger einer Straßenbaufirma, die die Verbindungsstraße von Brück nach Wackersdorf errichtete. Am 26. Dezember entstand durch einen Brandanschlag auf eine Brunnenbohrstelle zur Wasserversorgung der WAW bei Bodenwöhr im Landkreis Schwandorf ein Sachschaden von 5.000 DM. Unbekannte Täter hatten einen Geräteschuppen in Brand gesetzt und mehrere Anti-WAW-Parolen sowie die Forderung nach Freilassung einer inhaftierten terroristischen Gewalttäterin an die auf der Baustelle befindlichen Baucontainer geschmiert. 169 lern aber auf die Fahndungserfolge der Sicherheitsbehörden zurückzuführen sein. An politisch motivierten Anschlägen und sonstigen politisch motivierten Gewaltakten in Bayern sind insbesondere zu nennen: Der seit Jahren folgenschwerste Brandanschlag in Bayern wurde in der Nacht zum 17. Dezember auf ein überwiegend von Ausländern bewohntes Haus in Schwandorf verübt. Er forderte vier Todesopfer und mehrere Verletzte; der Sachschaden wird auf über eine Million DM geschätzt. Als mußmaßlichen Täter ermittelte die Polizei einen 19-jährigen Auszubildenden, der bei seiner Vernehmung angab, er habe die ausländischen Hausbewohner nur "ärgern" wollen; diese Angaben hat er inzwischen widerrufen. Desweiteren gestand er zunächst, vor der Brandstiftung an einem anderen Anwesen in Schwandorf einen Aufkleber mit der Aufschrift "Türken raus" angebracht zu haben. Der mutmaßliche Täter ist durch Kontakte zu neonazistischen Gruppen, so z.B. durch den Bezug der "FAP-Nachrichten", bekanntgeworden. Im August 1988 fand die Polizei seine Personalien bei einer Durchsuchung des "Zentrums" der neonazistischen Nationalistischen Front (NF) in Bielefeld im dortigen Adressenmaterial. Am 26. November 1988 wurde er im Münchner Olympiastadion festgenommen, weil er bei einem Fußballspiel "Sieg Heil" gerufen hatte. Anfang Januar versuchten unbekannte Täter auf dem Baugelände der zukünftigen VII. Bereitschaftspolizeiabteilung bei Sulzbach-Rosenberg, Landkreis Amberg-Sulzbach, zwei Baufahrzeuge in Brand zu setzen. An einem Bagger sprühten sie einen fünfzackigen Stern und die Worte "Gegen Bullen". Unbekannte Täter versuchten in der Nacht zum 10. Februar, einen Spezialbagger auf dem Gelände des geplanten Rangierbahnhofes München-Allach in Brand zu setzen. Zu dem Anschlag bekannte sich eine "Autonome Gruppe München-Allach". Bereits in der Zeit vom 18. Dezember 1987 bis 4. Januar 1988 und am 25. Januar hatten unbekannte Täter auf dort abgestellte Baumaschinen Brandanschläge verübt bzw. versucht, wobei Sachschaden von etwa 8.000 DM entstand. In der Nacht zum 15. März zerstachen unbekannte Täter an Kraftfahrzeugen, die an einem Citroen-Autohaus in Erlangen abgestellt waren, 53 Reifen und brachten eine Schmierschrift "Solidarität mit dem Hungerstreik der Gefangenen von Action Directe" an. Es entstand Sachschaden in Höhe von 20.000 DM. Ein Beamter der Bahnpolizei entdeckte am 1. Mai kurz vor Mitternacht in Gräfelfing, Landkreis München, einen auf dem Bahnkörper der Strecke MünchenMittenwald im Bahnhofsbereich abgelegten und mit Schottersteinen verdämmten funktionsfähigen Brandsatz. Noch vor der Delaborierung brannte der Zündsatz ab, ohne daß sich die Brandmischung entzündete. Ziel des Anschlags war vermutlich die um diese Zeit den Tatort passierende S-Bahn. Unbekannte Täter setzten in der Nacht zum 23. Mai in Wackersdorf einen Bagger einer am Bau der WAW beteiligten Firma in Brand. Der Sachschaden wird auf rund 200.000 DM geschätzt. Baufahrzeuge des geschädigten Unternehmens waren damit seit 1985 insgesamt achtmal das Ziel von Brandanschlägen. Auf der Bahnlinie Schwandorf - Fürth i.Wald errichteten unbekannte Täter am 23. Mai aus Holz und Altreifen eine Sperre und setzten diese in Brand. Außer168 dem mußten im Waldgebiet um das WAW-Gelände drei Brandherde gelöscht werden. Unbekannte Täter versuchten in der Nacht zum 1. Juni in Amberg, einen Seilbagger einer am Bau der WAW beteiligten Firma in Brand zu setzen. Mit Parolen wie "Ausländer raus" und "Ausländerstopp" zerschlugen am 11. Juni mehrere randalierende Jugendliche Fensterscheiben eines Asylantenheimes in Eltmann, Landkreis Haßberge. In Augsburg drangen am 16. Juni acht junge Männer in ein Asylantenlager ein. Sie rissen Lichtschalter heraus, zertrümmerten Fensterscheiben und hinterließen mehrere Aufkleber mit dem Aufdruck "Rudolf Heß - das war Mord - doch unser Haß ist unendlich". In der Zeit vom 16. bis 20. Juni warfen unbekannte Täter mit Steinen die Frontscheibe eines in einem Kieswerk bei Schwandorf abgestellten Baggers ein. Ferner fuhren am 20. Juni zwei Lastkraftwagen derselben Firma bei Teublitz in dort ausgelegte Krähenfüße. Es entstand jeweils Sachschaden. Die geschädigte Firma, die am Bau der WAW beteiligt ist, war bereits mehrfach Ziel von Brandanschlägen. Zwischen dem 26. und 29. August verübten unbekannte Täter bei Brück i.d.OPf. einen Brandanschlag auf einen Bagger einer am Straßenbau nach Wackersdorf beteiligten Firma. Es entstand Sachschaden von ca. 1.200 DM. Ein Brandanschlag auf Baumaschinen verursachte am 18. September in Wörth a. d. Donau, Landkreis Regensburg, einen Sachschaden von 180.000 DM. Unbekannte Täter hatten versucht, mehrere Baumaschinen einer früher am Bau der WAW beteiligten Baufirma in Brand zu setzen, wobei nur ein Brandsatz zündete. In der Nacht zum 12. Oktober verübten zunächst unbekannte Täter einen Brandanschlag auf die am Ortsrand von Meitingen, Landkreis Augsburg, gelegene Schaltanlage eines Elektrizitätsunternehmens. Es entstand Sachschaden in Höhe von 50.000 DM. Ein hinterlegtes Selbstbezichtigungsschreiben war mit "Kommando gegen Atomstaat und Kapital" unterzeichnet. Die Täter wurden am 15. Oktober festgenommen. In der Nacht vom 30. zum 31, Oktober versuchten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf den Bagger einer Straßenbaufirma, die die Verbindungsstraße von Brück nach Wackersdorf errichtete. Am 26. Dezember entstand durch einen Brandanschlag auf eine Brunnenbohrstelle zur Wasserversorgung der WAW bei Bodenwöhr im Landkreis Schwandorf ein Sachschaden von 5.000 DM. Unbekannte Täter hatten einen Geräteschuppen in Brand gesetzt und mehrere Anti-WAW-Parolen sowie die Forderung nach Freilassung einer inhaftierten terroristischen Gewalttäterin an die auf der Baustelle befindlichen Baucontainer geschmiert. 169 5. Abschnitt Spionageabwehr 1. Allgemeines Auch im Jahre 1988 war die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied des NATO-Verteidigungsbündnisses und als bedeutender Industriestaat ein Zielobjekt der Spionagetätigkeit aller kommunistischen Staaten des Wärschauer Pakts. Nach dem Verständnis der Parteiund Staatsführungen kommunistischer Staaten ist Spionage nicht nur Mittel der Informationsgewinnung zum Schutz des eigenen Staates, sondern auch Teil der Auseinandersetzung mit den westlichen Demokratien. Den Beschäftigten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR wird all jährlich für den "heldenhaften Kampf an der unsichtbaren Front" gedankt. Der sowjetische Geheimdienst (KGB) versteht sich als "Schwert und Schild der Partei". Trotz aller Beteuerungen der Entspannungspolitik im Zeichen von "Glasnost" und "Perestrojka" bleiben die Nachrichtendienste der Ostblockstaaten weiterhin unter Ausnutzung der geographischen Lage Bayerns bemüht, mit hohem personellem und finanziellem Einsatz sowohl legal durch Auswertung allgemein zugänglicher Publikationen und Zugangsmöglichkeiten als auch illegal durch allgemeine und gezielte Spionageaufträge Informationen zu beschaffen und immer neue zusätzliche Agenten anzuwerben oder einzuschleusen. Die Ausspähungsbemühungen gegen die Bundesrepublik Deutschland und insbesondere den Freistaat Bayern gingen überwiegend von den Nachrichtendiensten der DDR und der CSSR aus. Die Nachrichtendienste der Staaten des Warschauer Paktes stützen sich bei ihrer Tätigkeit wesentlich auf die Arbeit der "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des Ministeriums für Staatsicherheit (MfS) und der "Verwaltung Aufklärung" (VA) des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MfNV) der DDR. Die Geheimdienste der DDR haben keine Sprachbarrieren zu überwinden, sind mit der Mentalität und den Lebensgewohnheiten der Bürger in der Bundesrepublik Deutschland vertraut und können auf verwandtschaftlichen Beziehungen sowie einem regen Reiseverkehr aufbauen. Sehr aktiv ist insbesondere bei Maßnahrhen gegen Bayern auch der militärische Nachrichtendienst der CSSR. Nicht weniger effektiv sind die Auslands-Nachrichtendienste der Sowjetunion. Allgemein bekannt sind das "Komitee für Staatssicherheit" (KGB) und, zuständig für den militärischen Bereich, die "Hauptverwaltung für Erkundung" (GRU) 170 der UdSSR. Der sowjetische Nachrichtendienst KGB hat in gewisser Beziehung eine Leitfunktion gegenüber den anderen zivilen Nachrichtendiensten des Ostblocks. Er unterhält bei ihnen Verbindungsbüros, um möglichst umfassend am Anfall wesentlicher Informationen teilzuhaben. Darüber hinaus scheinen diese Verbindungsbüros auch Kontrollfunktionen auszuüben. Auch von Seiten der Dienste Rumäniens, Polens und Ungarns wurden steigende Aktivitäten bekannt. Das Schwergewicht bei den bekanntgewordenen Spionageaufträgen lag 1988 wiederum bei der politischen Spionage, gefolgt von der Militärspionage und der Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage. Im Bundesgebiet wurden 1988 60 Personen wegen Spionageverdachts festgenommen. Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte 1988 zwei (1987: vier) Personen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu Freiheitsstrafen von 15 bzw. 18 Monaten. 2. Agentenwerbung Für eine Ansprache durch Nachrichtendienste kommunistisch regierter Länder kommen nicht nur Personen in Betracht, die unmittelbar Zugang zu geheimzuhaltenden und empfindlichen Informationen eröffnen können. Das Augenmerk der Dienste richtet sich nämlich nicht nur auf nachrichtendienstlich interessante Objekte im wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bereich, sondern auf alles, was Einblick in die Struktur, Lebensund Handlungsweise westlicher Gesellschaften ermöglicht. Kein Reisender, kein Besucher eines Ostblocklandes kann davon ausgehen, für den dortigen Nachrichtendienst uninteressant zu sein. Personen, die aus geschäftlichen oder wissenschaftlichen Gründen im Bundesgebiet oder im Ausland Gespräche mit Bewohnern aus Ostblockstaaten hatten, müssen wissen, daß ihr Gesprächspartner in aller Regel verpflichtet ist, über diesen Kontakt zu berichten. Diese Berichte gehen auch an den-jeweiligen Nachrichtendienst. Kontaktbemühungen der Nachrichtendienste des Ostblocks zielen nicht immer darauf ab, einen Agenten im Ausspähungsobjekt selbst zu plazieren. Ebenso häufig wurden Personen gesucht, die Ansätze für die nachrichtendienstliche Werbung anderer Personen bieten können ("Tipgeber"), ferner geheime Mitarbeiter, die als Kuriere oder Instrukteure die Anweisungen der Führungsstelle an Agenten weitergeben. Vielfach streben Nachrichtendienste mit einer Anbahnung nicht den schnellen Einsatz, sondern den langfristigen Aufbau eines Agenten mit einer interessanten beruflichen Perspektive an. Bei dieser Methode hängt die Erfolgsquote von einer möglichst hohen Zahl von Ansprachen ab. Die angesprochenen Personen waren immer wieder erstaunt, welche oft ins Detail gehende Kenntnis ihrer persönlichen Lebensumstände die "Gesprächspartner" hatten. Die Nachrichtendienste können Anwerbungen nur konkret planen, wenn sie wichtige Daten des möglichen künftigen Agenten kennen. Diese Hintergrunderkenntnisse werden von den östlichen Nachrichtendien171 sten auf vielfache Art gewonnen. Sie nutzen ihre Beteiligung am Aufenthaltsgenehmigungsverfahren bei Ostreisen von Bundesbürgern, werten Telefonund Adreßbücher aus, befragen Verwandte oder Bekannte im Ostblock oder setzen eigene Agenten ein, um Zielpersonen im Bundesgebiet abzuklären. Eine wesentliche Erkenntnisquelle sind auch die Berichte von Gesprächspartnern aus dem Ostblock. 3. Kontaktanlässe / Werbungsmethoden Die Nachrichtendienste der Warschauer-Pakt-Staaten waren auch in diesem Jahr unvermindert bemüht, Bewohner der Bundesrepublik Deutschland und Angehörige des kommunistischen Machtbereichs für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland zu gewinnen. Hauptträger der festgestellten Werbungsaktivitäten waren erneut die Nachrichtendienste der DDR, gefolgt von den Diensten Polens, der UdSSR, Rumäniens, der CSSR, Ungarns, Bulgariens und Jugoslawiens. 3.1 Nachrichtendienstliche Ansprachen von Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland Deutsche aus der Bundesrepublik Deutschland sind für die Werbungsaktivitäten fremder Nachrichtendienste bevorzugte Zielpersonen, weil sie ihren Wohnsitz bereits im westlichen Operationsgebiet haben. Dadurch entfällt der erhebliche organisatorische und finanzielle Aufwand für eine Schleusung und die damit häufig verbundene Notwendigkeit einer "Legendierung", d.h. die Verleihung einer falschen Identität auf der Grundlage von Daten, die auf eine andere tatsächlich existierende Person zutreffen. Ansatzmöglichkeiten bieten sich besonders bei privaten oder geschäftlichen Aufenthalten in kommunistischen Ländern. Die erhöhte Zahl der Einreisen, insbesondere in die DDR aufgrund der Erleichterungen im innerdeutschen Reiseverkehr, ermöglicht den Nachrichtendiensten der DDR, Anbahnungen im eigenen Machtbereich durchzuführen. Werbungsversuche fremder Dienste sind aber auch in der Bundesrepublik Deutschland selbst und in anderen westlichen Ländern festzustellen. Die fremden Nachrichtendienste verfügen wegen ihrer Verflechtung mit anderen Stellen des allumfassenden Staatsapparates in ihrem Land über fast unbegrenzte Möglichkeiten der Ansprache von Zielpersonen. Im eigenen Machtbereich sind die Nachrichtendienste z.B. in der Lage, bereits bei der Sichtung von Visaanträgen eine Auswahl von Personen vorzunehmen, die aufgrund ihres Berufs, Alters oder Wohnorts für eine nachrichtendienstliche Ansprache geeignet erscheinen. Eine Fülle solcher Hinweise ergibt sich insbesondere, wenn Personen aus dem Bundesgebiet aufgrund verwandtschaftlicher oder geschäftlicher Beziehungen häufiger Reisen in diese Staaten unternehmen. Die Nachrichtendienste des Ostblocks setzen bei Werbungsversuchen auch Druckmittel ein, indem sie die Furcht vor Bestrafung wegen einer Gesetzesübertretung (z.B. Verkehrsverstöße, Devisenoder Zollvergehen) ausnutzen oder mit einem Einreiseverbot drohen, das den davon Betroffenen die Auf172 rechterhaltung persönlicher Beziehungen in das betreffende Ostblock-Land unmöglich machen würde. In anderen Fällen versprechen sie Vorteile, wie etwa die Genehmigung der Eheschließung und der Ausreise des Ehepartners, wenn sich die angesprochene Person zu einer Mitarbeit bereiterklärt. Fremde Nachrichtendienste verfolgen ihr Werbungsvorhaben mit Geduld und Ausdauer, wenn eine nachrichtendienstliche Ansprache zwar nicht sofort Erfolg hat, das Verhalten der Zielperson aber weitere Bemühungen als aussichtsreich erscheinen läßt. Dabei versuchen sie auch, Kontakte in das Bundesgebiet durch geheime Mitarbeiter fortzusetzen. Es sind Fälle bekanntgeworden, in denen Rentner als Überbringer von Nachrichten eingesetzt wurden, weil deren Reisen in das Bundesgebiet wegen der in der DDR geltenden Reisebestimmungen unauffällig und plausibel legendiert werden konnten. Die Ansprache von Personen aus der Bundesrepublik Deutschland erfolgt überwiegend unter einer Legende, um den Angesprochenen zunächst über den tatsächlichen Auftraggeber und dessen wirkliche Absichten zu täuschen. Häufig geben die Anwerber vor, Wissenschaftler oder Journalisten zu sein, die Fachliteratur, Informationsmaterial oder lediglich Firmenprospekte benötigen. 3.2 Nachrichtendienstliche Ansprachen von Personen mit Wohnsitz im kommunistischen Machtbereich Nach wie vor versuchen fremde Nachrichtendienste, Personen mit Wohnsitz im kommunistischen Machtbereich anzuwerben, wenn diese ihre Übersiedlung oder Reisen in den Westen beantragen. Dabei nutzen sie den mit solchen Anliegen häufig verbundenen Wunsch nach Familienzusammenführung oder Pflege verwandtschaftlicher Beziehungen als Druckmittel aus, indem sie die Ausreisegenehmigung nicht selten von der Bereitschaft zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit abhängig machen. Es sind auch Fälle bekannt, in denen östliche Nachrichtendienste die mit Westauftrag verpflichteten Personen bereits vorher durch Zusammenarbeit im eigenen Land erprobt haben. 4. Zielrichtung / Zielobjekte 4.1 Politische Spionage Die politische Spionage zielte 1988 insbesondere auf Informationen über die Ostemigration, Rundfunkund Fernsehanstalten, Sicherheitsbehörden, Regierungsund Verwaltungsstellen des Bundes und der Länder, ferner auf Nachrichten aus Parteien und Gewerkschaften. Erkundet werden sollten aktuelle Projekte, Planungen, Tendenzen und Entscheidungen. Dies belegt folgender Fall des 34jährigen Diplomingenieurs F.: Im Dezember 1980 verpflichtete sich F. in der Sowjetunion gegenüber dem sowjetischen Geheimdienst KGB zur geheimdienstlichen Mitarbeit. Das war der Preis für die Genehmigung, 1981 in die Bundesrepublik Deutschland zu Eltern und Geschwistern übersiedeln zu dürfen. In Moskau war F. zunächst mehrere Tage lang eingehend geschult worden, u.a. im Funkverkehr, Chiffrieren und Dechiffrieren, Geheimschreibverfahren und in nachrichtendienstlicher Metho173 dik. Vor seiner Ausreise wurde er schließlich mit nachrichtendienstlichen Hilfsmitteln ausgerüstet, wie z.B. einem Kugelschreiber, in dessen Mine ein Hohlraum (Container) eingebaut war, in dem Weichfilmrollen mit Schlüsselzahlen zum Dechiffrieren von Funksendungen untergebracht waren. Über Funk hielt der sowjetische Nachrichtendienst via Berlin (Ost) Kontakt zu seinem Agenten. Falls die regelmäßigen verschlüsselten Anweisungen über Radio ausfallen würden, sollten konspirative Kreidezeichen an einem Laternenpfahl beachtet werden. F. berichtete seiner Führungsstelle zunächst weisungsgemäß über seine persönliche Situation und übermittelte Erkenntnisse aus seinem beruflichen Bereich. Später erhielt er den Auftrag, sich um Kontakte mit Persönlichkeiten des politischen Lebens zu bemühen und technologisches Know-how für die sowjetische Industrie nutzbar zu machen. Zu diesem Zweck trat F. in eine politische Partei seiner Wahl ein. Vergeblich versuchte er, in Erfüllung dieses speziellen Auftrags einen Bundestagsabgeordneten aus dem Verteidigungsausschuß anzuwerben. Aufgrund einer Warnung des KGB vernichtete F. 1985 alles, was ihn belasten konnte, und stellte seine nachrichtendienstliche Tätigkeit ein. Durch Ermittlungen der Spionageabwehr konnte F. trotzdem überführt werden. Im August wurde er zu zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Ein weiteres Beispiel politischer Spionage ist der Fall N.: N., ebenfalls in der Sowjetunion geboren, wurde 1988 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für den sowjetischen Nachrichtendienst KGB zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt. Seit 1983 hatte er bei mindestens neun Treffen, die meistens in Gaststätten stattfanden, auftragsgemäß seinem Führungsoffizier über seine Tätigkeit im Bundesverwaltungsamt in Köln und über den Zentralverband der Mittelund Ostdeutschen, bei dem er seit 1979 Mitglied war, berichtet. Darüber hinaus hatte er Einzelheiten seiner Referendarausbildung für das Lehramt mitgeteilt und über Ausbilder und Referendarkollegen berichtet. N. war Ende,1977 aus der Sowjetunion ausgesiedelt. Bei einem Besuchsaufenthalt in der UdSSR im April 1983 hatte er sich zur geheimdienstlichen Mitarbeit für den KGB bereiterklärt. 4.2 Militärische Spionage Die Militärspionage will neben der Rüstungsindustrie auch Stärke, Bewaffnung und Ausrüstung der Bundeswehr und der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten NATO-Streitkräfte ausspähen. Aufträge beziehen sich hier auf die Lage von Kasernen und deren Ausstattung mit technischem und militärischem Gerät. Bevorzugte Zielpersonen sind Angehörige der Bundeswehr, der alliierten Streitkräfte sowie das dort beschäftigte Zivilpersonal. Werbungsversuche werden vor allem bei Reisen von Angehörigen dieser Personengruppen in den Ostblock unternommen. Beispiele: Der amerikanische Staatsbürger C. war in den letzten sieben Jahren seiner Zugehörigkeit zur US-Armee bis zu seinem Ausscheiden 1985 als Verschlußsachenverwalter bei einer Armee-Einheit in Bad Kreuznach eingesetzt. In dieser 174 Eigenschaft hatte er Zugang zu als Verschlußsachen eingestuften militärischen Unterlagen, insbesondere auch zu Verteidigungsplänen. Derartige Unterlagen lieferte C. gegen hohes Entgelt über einen Führungsoffizier und über zwei in Schweden lebende Kuriere an den ungarischen Geheimdienst. Nach seinem Ausscheiden aus der Armee versuchte er, für seine östlichen Auftraggeber weitere Agenten anzuwerben. So warb er einen Angehörigen der US-Armee für eine geheimdienstliche Tätigkeit an und bezahlte ihm für die Lieferung von Unterlagen aus dem militärischen Bereich einen fünfstelligen Betrag. Im Juli 1988 führte C. das letzte Treffen mit seinem Führungsoffizier in Wien durch. Auch hier lieferte er gegen Entgelt auftragsgemäß militärische Unterlagen. Weil er in Geldnöten war, ist ein 32jähriger Metallarbeiter aus der Bundesrepublik Deutschland zum Spion für die Sowjetunion geworden. Im Sommer 1987 war er während eines Portugal-Urlaubs von zwei Urlaubern aus der UdSSR angesprochen worden. Zu seiner Überraschung wußten sie gut Bescheid über seine Tätigkeit in einem Betrieb, der Bremsund Hydraulikteile für die Rüstungsindustrie herstellt. Als sich der Urlaub dem Ende näherte, wurden die beiden Anwerber deutlicher. Sie stellten sich als Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes vor, der einen wichtigen Auftrag zu vergeben habe. Sie benötigten vor allem die Konstruktionspläne der Hydraulikteile für das Kampfflugzeug "Tornado" und den Panzer "Leopard". Überdies interessierten sie sich für einen Bremssteuerblock, dessen Registriernummer sie bereits kannten. Da der Arbeiter damals in erheblichen Geldnöten steckte - er war nach Portugal getrampt und schlief nachts am Strand -, nahm er den Auftrag an. Doch zur Übergabe von irgendwelchen Unterlagen kam es nicht. Dazu hätte der Arbeiter nämlich noch der Hilfe von Kollegen bedurft. Zwei von ihnen sprach er auch an, wobei er keinen Hehl aus seinem Auftraggeber machte und ihnen ein Honorar versprach. Einer der Kollegen verständigte aber die Geschäftsleitung. Der Arbeiter wurde daraufhin festgenommen. Als Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendienstes der DDR war U. seit 1986 im Bundesgebiet als nachrichtendienstlicher Instrukteur tätig. In der Wohnung einer bei den amerikanischen Streitkräften beschäftigten Zivilangestellten übernahm er diverse schriftliche Unterlagen aus dem Bereich der USArmee zur Weiterleitung an seine Auftraggeber. Ein weiterer Mitarbeiter des DDR-Nachrichtendienstes, B., war vor dem Haus postiert und sicherte den Treff ab. Die beiden Angehörigen des DDR-Nachrichtendienstes waren mit einem als Doublettenfahrzeug hergerichteten Pkw mit gefälschtem West-Berliner-Kennzeichen angereist. Bei ihrer Festnahme wiesen sie sich jeweils mit totalgefälschten Personalpapieren aus. U. wurde zu drei Jahren und B. zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. 4.3 Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage Im Bereich der Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage sind die östlichen Nachrichtendienste nach wie vor an Unternehmen der Datenverarbeitung, Mikroelektronik, Kernenergie sowie der Luftund Raumfahrttechnik interessiert. Dabei geht es um Erkenntnisse über Verfahren und Entwicklungsforschung und auch um die Erzeugnisse selbst. 175 Bezeichnend ist der Fall des Ehepaares P. aus München: Der Maschinenbauingenieur P. und seine Ehefrau werden der geheimdienstlichen Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR beschuldigt. P. hatte bei seiner Beschäftigungsfirma eine Fülle von Konstruktionsunterlagen an sich genommen und unter Mithilfe seiner Ehefrau in einem sogenannten "Toten Briefkasten" deponiert. Am 27. Juni war der 29jährige MfS-Mitarbeiter S. in der Nähe der innerdeutschen Grenze bei Maroldsweisach im unterfränkischen Landkreis Haßberge von Beamten der Bayerischen Grenzpolizei aufgegriffen und kontrolliert worden. Er führte die genannten Unterlagen mit sich, gab sich als Wanderer aus und legitimierte sich mit einem gefälschten Reisepaß der Bundesrepublik Deutschland, ausgestellt auf einen in Rheinland-Pfalz lebenden Mann. Nach Überprüfung und Verstrickung in Widersprüche nannte er seine richtigen Personalien und sagte, er sei "Bürger der DDR". S. und das Ehepaar P. wurden festgenommen. Die Ermittlungen des Bayerischen Landeskriminalamtes dauern noch an. Daß gegnerische Nachrichtendienste auch illegal Erzeugnisse unter Umgehung von Embargobestimmungen beschaffen, beweisen die Fälle der Kaufleute A. und D., die festgenommen werden konnten: Seit Herbst 1986 lieferte der 41jährige Kaufmann A. einem als Mitarbeiter der Handelsvertretung der UdSSR in Berlin (Ost) getarnten KGB-Agenten gegen Entgelt verschiedene Gegenstände in einem Auftragsvolumen von mehreren 100.000 DM. A. hatte den nachrichtendienstlichen Hintergrund der Aufträge erkannt und wollte in nächster Zeit weitere Aufträge des KGB erfüllen. Der Exportkaufmann D. bekam im Rahmen von Handelsbeziehungen mit der Sowjetunion im Jahre 1976 Kontakte zu einem als Mitarbeiter des Ministeriums für Radioindustrie der UdSSR auftretenden Angehörigen des sowjetischen Nachrichtendienstes KGB. Obwohl D. dies spätestens im September 1977 erkannte, traf er sich mit ihm auch in der Folgezeit regelmäßig und lieferte ihm und damit dem KGB - zum Teil unter Umgehung von Embargobestimmungen - Güter der Hochtechnologie. Außer Geräten für die Fernmeldeaufklärung und Computerzubehör lieferte er Broschüren, Zeitschriften und Bücher mit militärischem Inhalt. Auftragsgemäß beschaffte D. auch mehrere Geräte, die das KGB für seine eigene geheimdienstliche Tätigkeit benötigte, so u.a. einen Radarhorchsender, ein Abhörmikrofon und einen Miniaturrecorder. Ab 1984 lieferte er durch Vermittlung des KGB Geräte für die Fernmeldeaufklärung auch an die CSSR. Das Umsatzvolumen dieser Geschäfte betrug insgesamt mindestens drei Millionen Mark. Um die vom KGB gewünschten Gegenstände liefern zu können, täuschte D. seine Lieferanten über die Empfänger. Teilweise verschleierte er auch den Gegenstand der Lieferungen in den Ausfuhrerklärungen. 5. Schutz vor nachrichtendienstlicher Verstrickung Niemand ist bei privaten, geschäftlichen oder sonstigen Reisen in Länder des Ostblocks vor Ansprachen durch Nachrichtendienste sicher. Auch in westlichen Ländern sind Ansprachen durch Ostblocknachrichtendienste möglich. Jeder Angesprochene sollte sich klar darüber sein, daß der beste Schutz vor 176 nachrichtendienstlicher Verstrickung die konsequente Ablehnung des Werbungsversuches ist. Der Versuch der Ansprache sollte im Bundesgebiet dem Verfassungsschutz gemeldet werden, der in diesen Fällen den Betroffenen entsprechend beraten wird. Insbesondere bei Ansprachen in Ländern des Ostblocks kann sich der Angesprochene in einer wirklichen oder vermeintlichen Zwangslage befinden, der er nur durch Eingehen auf die Werbung entgehen zu können glaubt. Hat er sich deshalb anwerben lassen, so sollte er nach Rückkehr unbedingt sofort Kontakt zum Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, Tel. 089/31201-0, aufnehmen. Auch wenn bereits Aufträge ausgeführt worden sind, bietet eine Offenbarung vor dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz noch die Möglichkeit, eine strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ist keine Strafverfolgungsbehörde und unterliegt - anders als Polizei und Staatsanwaltschaft - nicht der Verpflichtung, strafbare Handlungen zu verfolgen. Für eine Offenbarung gegenüber dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, das für die Spionageabwehr in Bayern zuständig ist, ist es deshalb nie zu spät. 177 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst Das öffentliche Dienstrecht fordert nach dem Grundgesetz, den Beamtengesetzen und den tarifvertraglichen Regelungen von den Angehörigen des öffentlichen Dienstes Treue zur Verfassung. Das Verfahren zur Prüfung dieser Einstellungsvoraussetzung sowie zur Feststellung von Verletzungen der Treuepflicht regelt die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 (vgl. Anhang 2). 1. Einstellungsüberprüfung Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wirkt bei der Überprüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst in Erfüllung seines gesetzlichen Auftrages mit. Die Kampagne von Extremisten, die dieses Verfahren unter dem politischen Schlagund Reizwort vom "Berufsverbot" für Radikale diffamieren, hält seit Jahren an, obwohl die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens durch die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Zwischenzeit wiederholt bestätigt wurde. Die Zahlen für 1988 ergeben folgendes Bild: Auf 20.902 Anfragen über Bewerber für den öffentlichen Dienst in Bayern teilte das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bayerischen Staatsministerium des Innern zu 54 Personen (48 aus dem linksextremen und 6 aus dem rechtsextremen Bereich) Erkenntnisse mit. Zu 25 Personen (24 aus dem linksextremen, 1 aus dem rechtsextremen Bereich) gab das Staatsministerium des Innern Erkenntnisse an die Einstellungsbehörden weiter. Diese führten zur Ablehnung einer Person durch die Einstellungsbehörde. Über eine Bewerbung ist noch nicht entschieden worden. Sieben Bewerber für den juristischen Vorbereitungsdienst in Bayern, die nicht in das Beamtenverhältnis auf Widerruf übernommen wurden, konnten den Vorbereitungsdienst in ei/iem öffentlichrechtlichen Ausbildungsverhältnis ableisten. Eine Person, über die bereits 1987 Erkenntnisse mitgeteilt wurden, ist erst 1988 wegen mangelnder Verfassungstreue abgelehnt worden. Die geringe Zahl von Ablehnungen geht darauf zurück, daß die meisten Bewerber, bei denen aufgrund ihres Verhaltens in der Vergangenheit Zweifel an der 178 Verfassungstreue entstanden waren, diese Zweifel durch ein eindeutiges Abrücken vom Extremismus ausräumen konnten. Die vorgenannten Zahlen zeigen jedenfalls, daß das ebenso häufig wie grundlos kritisierte bayerische Verfahren der "Regelanfrage" für junge am öffentlichen Dienst interessierte Menschen kein Anlaß sein kann, während der Ausbildung ein unkritisch angepaßtes Verhalten an den Tag zu legen. Zur "Einschüchterung" ist der Beschluß der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 weder bestimmt noch geeignet. 2. Extremisten im öffentlichen Dienst Als Extremisten im öffentlichen Dienst sind hier Bedienstete erfaßt, die in den letzten fünf Jahren als Mitglieder oder aktive Angehörige extremistischer Parteien oder Organisationen oder sonst mit erheblichen extremistischen Aktivitäten in Erscheinung getreten sind. Da nicht in allen Fällen gerichtsverwertbare Erkenntnisse vorliegen, die die Ablehnung einer Bewerbung bzw. eine Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen, gelingt es auch Extremisten, in den öffentlichen Dienst zu gelangen bzw. dort zu verbleiben. Ende 1988 waren dies (in Klammern die Vergleichszahlen für 1987): Linksextremisten Gesamtzahl davon in DKP DKP-NebenGruppen und beeinder flußten OrgaNeuen nisationen* Linken Landesdienst 222 (203) 26 (25) 12(21) 184(157) Kommunaldienst 135 (128) 92 (86) 10(12) 33 (30) sonst, öffentl. Einrichtungen 16 (16) 5 (5) - (1) 11 (10) Zusammen 373 (347) 123(116) 22 (34) 228 (197) * bei gleichzeitiger Mitgliedschaft in der DKP dort gezählt Bei den im öffentlichen Dienst beschäftigten Extremisten, die den Gruppen der Neuen Linken zuzurechnen sind, handelt es sich im wesentlichen um Angehörige der Marxistischen Gruppe (MG) - vgl. 1. Abschnitt Nr. 3.2.3 -. Von den linksextremen Landesbediensteten waren beschäftigt: 121 (118) als Lehrpersonal an Grund-, Haupt-, Sonder-, Realschulen und Gymnasien 55 (41) als wissenschaftliches und sonstiges Personal an Hochschulen 12 (12) im Justizdienst 34 (32) in sonstigen Verwaltungszweigen. 179 Von den linksextremen Kommunalbediensteten waren beschäftigt: 25 (21) als Bedienstete an städtischen Krankenanstalten 44 (40) in sozialpädagogischen Berufen wie Sozialarbeiter, Jugendheimleiter 18 (18) als Lehrer an städtischen Schulen 48 (49) in sonstigen Verwaltungszweigen. Außerdem sind weitere 43 (48) Linksextremisten mit Wohnsitz in Bayern bei Bundesbehörden beschäftigt. Rechtsextremisten Gesamtzahl davon In NPD DVU Landesdienst 13(13) 4 (4) 7 (7) Kommunaldienst 10 (10) 5 (5) - ( - ) Zusammen: 23 (23) 9 (9) 7 (7) Von den rechtsextremen Landesbediensteten waren beschäftigt: 2 (2) als Lehrer an einer Wirtschaftsschule bzw. Gymnasium 5 (5) im Justizund Polizeidienst 6 (6) in sonstigen Verwaltungszweigen. 180 _ ,.._.. . . . . -- -- i -- -- 1 Anhang 1 M Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1974 (BayRS 12-1-1) Art. 1 Zuständigkeit (1) In Bayern wird ein Landesamt für Verfassungsschutz errichtet. Es ist eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnete Behörde und ist ausschließlich für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Art. 2 zuständig. Nach Bedarf können Außenstellen des Landesamtes für Verfassungsschutz eingerichtet werden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (3) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Art. 2 Aufgaben (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben; 181 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht; 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können; 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen; 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte; 4. bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder über alle Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, von denen es Kenntnis erhält und die für den Bund oder das betreffende Land von Wichtigkeit sind. Art. 3 Befugnisse Polizeiliche Befugnisse oder ein Weisungsrecht gegenüber Polizeidienststellen stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Art. 2 Abs. 1 und 2 ist das Landesamt für Verfassungsschutz befugt, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Art. 4 Amtshilfe und Auskunftserteilung (1) Die Behörden und Einrichtungen des Staates, die Gemeinden, die Gemeindeverbände, die sonstigen der Aufsicht des Staates unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die Gerichte und das Landesamt für Verfassungsschutz leisten einander Rechtsund Amtshilfe. 182 (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den in Absatz 1 genannten Stellen Auskünfte und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. (3) Darüber hinaus haben die in Absatz 1 genannten Stellen dem Landesamt für Verfassungsschutz alle Tatsachen und Unterlagen über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinn des Art. 2 Abs. 1 unaufgefordert zu übermitteln. Art. 5 Durchführungsbestimmungen Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen erläßt das Staatsministerium des Innern. Art. 6 Inkrafttreten Das Gesetz ist dringlich. Es tritt am 1. November 1950 in Kraft.*) *) Diese Vorschrift betrifft das Inkrafttreten des Gesetzes in der ursprünglichen Fassung vom 22. November 1950 (BayBS I S. 434). Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der späteren Änderungen, ergibt sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. 183 Anhang 2 Bayerischer Staatsanzeiger Nr. 16 vom 19. April 1973 Staatskanzlei Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 Nr. A I 3 - 180-6-84 Die Bayerische Staatsregierung hat in ihrer Sitzung vom 27. März 1973 in Übereinstimmung mit dem Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 ihren Beschluß vom 25. April 1961 über verfassungsfeindliche Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 25. April 1961, StAnz Nr. 19) durch die folgende Bekanntmachung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst neu gefaßt: I. Die Regierungschefs des Bundes und der Länder haben am 28. Januar 1972 folgenden Beschluß gefaßt i "1. Nach den Beamtengesetzen in Bund und Ländern -- darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt; .-sind Beamte verpflichtet, sich aktiv innerhalb und außerhalb des Dienstes für die Erhaltung dieser Grundordnung einzusetzen. Es handelt sich hierbei um zwingende Vorschriften. 184 2. Jeder Einzelfall muß für sich geprüft und entschieden werden. Von folgenden Grundsätzen ist dabei auszugehen: 2.1 Bewerber 2.1.1 Ein Bewerber, der verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelt, wird nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt. 2.1.2 Gehört ein Bewerber einer Organisation an, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. Diese Zweifel rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung des Einstellungsantrages. 2.2 Beamte Erfüllt ein Beamter durch Handlungen oder wegen seiner Mitgliedschaft in einer Organisation verfassungsfeindlicher Zielsetzung die Anforderungen des SS 35 Beamtenrechtsrahmengesetz nicht, aufgrund derer er verpflichtet ist, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, so hat der Dienstherr aufgrund des jeweils ermittelten Sachverhalts die gebotenen Konsequenzen zu ziehen und insbesondere zu prüfen, ob die Entfernung des Beamten aus dem Dienst anzustreben ist. 3. Für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst gelten entsprechend den jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen dieselben Grundsätze." II. Die Bayerische Staatsregierung hat die Verbindlichkeit dieser Grundsätze für alle öffentlich-rechtlichen Dienstherren und Arbeitgeber in Bayern mit Beschluß vom 18. April 1972 bestätigt. Zu ihrer Durchführung wird folgendes bestimmt: 1. Vor der Einstellung eines Bewerbers in den öffentlichen Dienst haben die Einstellungsbehörden zunächst beim Staatsministerium des Innern anzufragen, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Einstellung begründen. Das Staatsministerium des Innern ist verpflichtet, Anfragen dieser Art unverzüglich zu beantworten. Die Auskünfte sind auf Tatsachen zu beschränken, die gerichtsverwertbar sind. Die Anfrage nach Satz 1 entfällt, wenn bereits aufgrund anderer Vorschriften eine Überprüfung vor der Einstellung vorgesehen ist. 2. Beabsichtigt die Einstellungsbehörde nach Eingang der Auskunft des Staatsministeriums des Innern, den Bewerber einzustellen, so ist der Bewerber vor der Entscheidung über die Einstellung zunächst gemäß Anlage 1 * schriftlich zu belehren und zur Unterzeichnung der Erklärung gemäß Anlage 2* aufzufordern. : nicht abgedruckt 185 3. Bestehen aufgrund der vom Staatsministerium des Innern mitgeteilten oder anderweit bekannt gewordener Tatsachen oder wegen der Weigerung, die vorbezeichnete Erklärung zu unterschreiben, Zweifel daran, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt, so ist ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Können die Zweifel nicht ausgeräumt werden, so darf er nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt werden. 4. Wird die Einstellung in den öffentlichen Dienst deshalb abgelehnt, weil der Bewerber nicht die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt, so ist die Entscheidung dem Bewerber schriftlich unter Darlegung der Gründe mitzuteilen; betrifft sie die Übernahme in ein Beamtenoder Richterverhältnis, so muß sie außerdem eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. 5. Nummern 1 bis 4 gelten auch für Bewerbungen um die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Dabei sind Ausbildungszweck und Ausbildungsweise zu berücksichtigen. 6. Besteht der Verdacht, daß ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstößt, so prüft seine Dienststelle, ob die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen sind, um ihn zur Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten oder ihn aus dem Dienst zu entfernen. Art. 70 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes ist zu beachten. 7. In den Fällen der Nummern 4 und 6 sind die zuständige oberste Dienstbehörde und die Staatsministerien des Innern und der Finanzen vor der Entscheidung zu unterrichten und über den Fortgang der Sache auf dem laufenden zu halten. III. Den Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, nach den vorstehenden Bestimmungen zu verfahren. IV. Diese Bekanntmachung tritt am 1. April 1973 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 25. April 1961 (StAnz Nr. 19) außer Kraft. München, den 27. März 1973 Der Bayerische Ministerpräsident Dr. h. c. Goppel 186 Anhang 3 Verzeichnis von Publikationen deutscher extremistischer und extremistisch beeinflußter Organisationen Titel zuzuordnen Abrüstungsinfo DFU Antifaschistische Nachrichten WN-BdA antifaschistische rundschau WN-BdA antifaschistischer informationsund Pressedienst WN-BdA antifaschistischer jugenddienst WN-BdA Arbeiterkampf (a k) KB audimarx DKP-HG Bayern-Stimme NPD Bayern Info DFU Bildungs-Magazin DKP-Bildungszeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik DKP-nahe Publikation Das Freie Forum GFP Demokratie und Recht DKP-nahe Zeitschrift Demokratische Erziehung DKP-nahe Bildungszeitschrift Demokratischer Informationsdienst (DID) ASKo Demokratisches Gesundheitswesen DKP-nahe Zeitschrift Denk mit! Denk-mit-Verlag Der Bismarck-Deutsche DDF 187 Titel zuzuordnen Der Scheinwerfer E. Hefendehl Deutsche Monatshefte Türmer-Verlag Deutsche National-Zeitung (DNZ) DSZ-Verlag Deutsche Stimme NPD Deutsche Wochen-Zeitung (DWZ) DSZ-Verlag Deutscher Anzeiger (DA) DSZ-Verlag Die Neue Front (NF) "Bewegung" DKP-aktuell DKP-HG elan, das Jugendmagazin SDAJ Erlanger Hochschulzeitung MG FAP-Intern FAP frei räum undogmatische Neue Linke Gänsehaut JN Huttenbriefe Freundeskreis Ulrich von Hütten info demokratie DFU Info-Dienst DKP JN-Bayern-Info JN JN - Info JN JN-Pressedienst JN Jugendpolitische Blätter (JPB) SDAJ Junge Deutsche Stimme JN Junge Stimme JN Kämpfende Jugend Kämpfende Jugend Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) AB KRIMINALISIERUNGS-RUNDBRIEF Ermittlungsausschüsse, neue Linke Krokodil DKP-HG Marxistische Arbeiterzeitung (MAZ) MG Marxistische Schulzeitung MG Marxistische Blätter DKP Marxistische Streitund Zeitschrift MG - Gegen die Kosten der Freiheit (MSZ) Mensch und Maß Verlag Hohe Warte Münchner Hochschulzeitung MG Münchner Schulzeitung MG NACHRICHTEN zur Wirtschaftsund DKP-nahe Zeitschrift Sozialpolitik/Gewerkschaftsspiegel 188 Titel zuzuordnen Nachrichten der HNG HNG Nation Europa (NE) NE-Verlag Neue Lage ADS Neuer politischer Dienst NPD NPD-Forum NPD NPD-Frankenspiegel NPD NR-Info-Dienst Nationalrevolutionäre Nürnberger Hochschulzeitung MG Oberland JN Odalbrief WJ Pionier JP Pionierleiterinformation JP Politische Berichte BWK praxis DKP Pressedienst DFU radikal Autonome Rebell AJV/ML Regensburger Hochschulzeitung MG Resultate MG Revolutionärer Weg MLPD rote blätter MSB Spartakus Rote Fahne MLPD Roter Pfeil MLSV Rührt Euch ADS Rundschlag DKP-HG Sozialistische Zeitung (SoZ) VSP SoZ-Magazin VSP steter Tropf DKP-HG Südost-Info JN tendenzen -- Zeitschrift für DKP-nahe engagierte Kunst Zeitschrift Uni Prawda DKP-HG Unsere Zeit (UZ) DKP-Zentralorgan UNZERTRENNLICH Autonome 189 Titel zuzuordnen Volkszeitung DFU/WN-BdA Wikinger WJ Würzburger Hochschulzeitung MG Zusammen Kämpfen -- Zeitung für die Sprachrohr antiimperialistische Front in Westeuropa der RAF 190 Anhang 4 Stichwortverzeichnis Action Directe (AD) 160 Aktion Deutsche Einheit (AKON) 102 Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) 102 Aktionsausschuß gegen Zwangsarbeit und 63 Abschiebung in Sammellager Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ (ANS/NA) 110 Nationale Aktivisten Akzent Buchhandlung, Libresso 36 Al Fatah 138 Anarchistische Arbeiter Union (AAU) 78 Anarchistische Föderation Nordbayern (AFNB) 79 Antikommunistisches Aktionsbündnis (Antiko) 111 Anti-Strauß-Komitee (ASKo) 34,81 Antizionistische Aktion (AA) 111 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 62 Arbeiterjugendverband (Marxisten/Leninisten) (AJV/ML) 61 Arbeiterpartei der Türkei (TIP) 150 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 144 Arbeitskreis Demokratischer Soldaten (ADS) 48 Autonome 72 Autonome Sozialistische Jugendgruppen (ASJG) 71 Avrupa 'da Dev Gene 154 AWARAGAN -- Demokratische Organisation der 138 Afghanen im Ausland "Bewegung" ehemaliger ANS/NA-Anhänger 110 Bolsevik Partizan 15 , 153 Brennpunkt Links 63 Brücken-Verlag GmbH 36 191 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 70 Bundeskoordination unabhängiger Friedensgruppen (BUF) 85 Comite Objectiv entraide et solidarite avec les victimes (COBRA) 120 de la Repression Antinationaliste Demokratische Fraueninitiative (DFI) 53 Demokratischer Jugendzirkel Regensburg 65 Denk mit-Verlag 132 Deutsche Friedensgesellschaft -- (DFG-VK) Vereinigte Kriegsdienstgegner 53 81, 84 Deutsche Friedens-Union (DFU) 53 81,84 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 16,81 DKP-Hochschulgruppe (DKP-HG) 42,48 Deutsche Kulturgemeinschaft (DKG) 124 Deutsche Reichspartei (DRP) 93 Deutsche Volksunion e.V. (DVU) 101 Deutsche Volksunion -- Liste D (DVU103 Liste D) Deutscher Block (DB) 122 Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur 102 Devrimici Isci (Revolutionäre Arbeiter) 154 Devrimici Sol (Revolutionäre Linke) 154 Devrimici Yol (Revolutionärer Weg) 154 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 125 Die Friedensliste 59,84 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) 128 Druffel-Verlag 131 Ederer-Verlag 132 Ehrenbund Rudel -- Gemeinschaft zum 102 Schutz der Frontsoldaten Eritreische Befreiungsfront (ELF) 138 Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF) 138 Föderation Internationale des Resistants (FIR) 26,56 Flüchtlingshilfe Iran e.V. 141 192 Föderation der Arbeiter aus der Türkei (ATIF) 153 in Deutschland e.V. Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (DIBAF) 150 -- Einigkeit für Demokratie Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan (KOMKAR) 149 in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e.V. Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der (FIDEF) 150 Bundesrepublik Deutschland e.V. Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei (GDF) 150 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kultur(FEYKA144 vereinigungen aus Kurdistan in der BundesKurdistan) republik Deutschland Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten(ADÜTDF) 156 vereine in Europa Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) 78 Föderation Islamischer Vereine und Gemeinden im 157 Land Bayern e.V. Freie Deutsche Jugend (FDJ) 43 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 115 Freiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH (FZ-Verlag) 128 Freundeskreis Ulrich von Hütten 124 Freundschaftsgesellschaft Bundesrepublik (FG BRD 53 Deutschland -- Kuba e.V. Kuba e.V.) Friedensliste Bayern 59 Gesellschaft für die Freundschaft zwischen den (FG BRD53 Völkern in der Bundesrepublik Deutschland und Vietn.e.V.) der sozialistischen Republik Vietnam e.V. Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 124 Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und (GNN) 70 Nachrichtenverbreitung mbH Göcmen 154 Griechische Linke 140 Gruppe Internationale Marxisten -- Deutsche Sektion (GIM) (30,71 der IV. Internationale Hilfsorganisation für nationale politische (HNG) 119 Gefangene und deren Angehörige 193 Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) 102 Initiative "Weg mit den Berufsverboten" 33 Initiative zur Vereinigung der Revolutionären (IVRJ) 64 Jugend Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) 36,39 Internationale Demokratische Frauenföderation (IDFF) 26 Internationale Vereinigung Demokratischer (IVDJ) 26 Juristen Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung (IMSV) 141 Bundesrepublik Deutschland Irish Republican Army Italienischer Verband der Gastarbeiter (FILEF) 142 und ihrer Familien Junge Nationaldemokraten (JN) 98 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) 50 Kämpfende Einheit 162 Kämpfende Jugend (KJ) 65 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) 53,84 Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten (KAH) 110 zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers Kommunistische Internationale (KOM30 INTERN) Kommunistische Jugend Griechenlands (KNE) 140 Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) 20 Kommunistische Partei der Türkei (TKP) 150 Kommunistische Partei Griechenlands (KKE140 Ausland Kommunistische Partei Griechenlands (KKE140 Inland) Kommunistische Partei Griechenlands (Inland) (KKE140 -- Erneuerte Linke Inland AA) Kommunistische Partei Italiens (PCI) 142 Kommunistische Partei Spaniens (PCE) 149 Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) 61 Kommunistischer Bund (KB) 69 Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) 70 194 Kommunistischer Hochschulbund (KHB) 63 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) 153 Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung (KA) 86 Krefelder Initiative 56,87 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 143 Kroatischer Nationalrat (HNV) 143 Kroatisches Nationalkomitee in Europa (HNO) 143 Kurdischer Arbeiter-Solidaritätsverein e.V. 149 Kurdischer Volksverein e.V. 148 Kurdistan Arbeitervereinigung in Nürnberg e.V. 149 Kurdistan-Komitee 144 Liste Demokratischer AStA (LOA) 63 Liste Stärkt den AStA (LISA) 63 Marx-Engels-Stiftung 37 Marxistische Arbeiterbildung (MAB) 39 Marxistische Arbeiterschulen (MASCH) 38 Marxistische Gruppe (MG) 65 Marxistische Bildungsgemeinschaft Oskar Maria Graf 39 Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) 62 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 61,81 Marxistisch-Leninistische Parteien und Bünde (K-Gruppen) 60 Marxistisch-Leninistischer Schülerund (MLSV) 62 Studentenverband Marxistischer Studentinnenund (MSB 48 Studentenbund Spartakus Spartakus) MHB und NEW-Gesellschaften für Druck und 66 Vertrieb wissenschaftlicher Literatur mbH Movimento Sociale Italiano -- Destra Nazionale (MSI-DN) 142 Münchner anarchistische Fraktion innerhalb der Autonomen (M.a.F.i.A.) 78 Münchner Bürgerinitiative für Frieden und (BIFA) 87 Abrüstung Münchner Bürgerinitiative gegen Berufsverbote 53 Münchner Friedensbündnis 86 Münchner Friedensforum 86 Nachrichten-Verlags GmbH 36 Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue (N.D.SH.) 143 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 91 195 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 100 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 144 Nationale Heilspartei (MSP) 157 Nationale Initiative -- Freiheit für Michael Kühnen 114 Nationale Sammlung (NS) 115 Nationalistische Front (NF) 121 Nationalrevolutionäre 120 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 110 Nation Europa Verlag GmbH 129 Nation Europa -- Freunde 130 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 133 Nürnberger "Bürgerkomitee Verteidigung der 53 Grundrechte -- Aufhebung der Berufsverbote" Nürnberger Friedensforum 87 Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (OIDA) 142 Organisation der Iranischen Studenten in der Bundes(O.I.P.F.G.) 142 republik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran (Ashraf-Deghani-Anhänger) Organisation Iranischer Studenten, Sympathisanten (O.I.S.) 141 der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) Pahl-Rugenstein Verlag Palästina-Libanon-Komitee (PLK) 140 Palästinensische Befreiungsfront (PLF) 139 Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 138 Palästinensischer Arbeiterverband (PAV) 139, 140 Palästinensischer Nationalrat (PNC) 138 Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 156 Partizan 153 Plambeck u. Co. Druck und Verlag GmbH 35 Resultate Verlag 66 Revolutionäre Zellen (RZ) 165 Röderberg Verlag GmbH 35 Rote Armee Fraktion (RAF) 159 Rote Brigaden ("Brigate Rosse") (BR) 160 Rote-Schüler-Initiative (RSI) 66 Rote Zora 165 Samisdat Publishers Ltd. 134 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 43 196 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 20 Sozialistischer Hochschulbund (SHB) 26,48 Tudeh-Partei 141 Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) 151 Türkische Kommunistische Partei/ (TKP/ML) 151 Marxisten-Leninisten Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) 154 Türkischer Arbeiterverein in München (M.I.DER) 150 Türmer-Verlag 131 UNIDOC-Film GmbH 36 Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e.V. (TIKDB) 156 Verband der Islamischen Vereine und 156 Gemeinden e.V. Köln Verband Griechischer Gemeinden in der Bundes(OEK) 140 republik Deutschland und West-Berlin Verband Griechischer Studentenvereine in der (OEFE) 140 Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin Verein Palästinensischer Arbeiter München (VPA) 140 Verein patriotischer Künstler Kurdistans in der (HUNER144 Bundesrepublik Deutschland e.V. KOM) Verein türkischer Idealisten e.V. (MÜO) 156 Verein zur Förderung des studentischen 66 Pressewesens e.V. Vereinigung Demokratischer Juristinnen und (VDJ) 53 Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) 157 Vereinigung der Patrioten Kurdistans 148 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (WN-BdA) -- Bund der Antifaschisten 56,84 Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei (TBKP) 150 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 71 Verlag Hohe Warte -- Franz von Bebenburg KG 132 Verlagsund Vertriebsgesellschaft mbH (WG) 35 197 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 144 Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) 102 Volksbewegung gegen Überfremdung (VBÜ) 111 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 139 Volksfront für die Befreiung Palästinas -- (PFLP-GC) Generalkommando 138, 159 Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) 70 Volkssozialistische Bewegung Deutschlands / Partei (VSBD/PdA) 116 der Arbeit Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO) 124 Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) 26 Weltfriedensrat (WFR) 26, 56, 84 Weltkreis-Verlags-GmbH 35 Wiking-Jugend (WJ) 123 Zentrum für Marxistische Friedensforschung (ZMF) 39 198