Verfassungsschutzbericht Bayerisches Staatsministerium des Innern Verfassungsschutzbericht Bayern 1987 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern Odeonsplatz 3, 8000 München 22 RB Nr. 03A/07/88 Satz: Reiff Druck & Verlag, Vogelweideplatz 9, 8000 München 80 Druck: Druckhaus Kastner Woinzach, Schloßhof 2-6, 8069 Woinzach Hauptaufgabe des Verfassungsschutzes ist es -- neben der Spionageund Sabotageabwehr -- eine Bedrohung der demokratischen Verfassung frühzeitig zu erkennen. Zum Kernbestand der demokratischen Verfassung, der nicht in Frage gestellt werden darf, gehören die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit der politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Nur wer an Bestrebungen gegen die Strukturmerkmale der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beteiligt ist, wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Verfassungsschutz leistet einen unverzichtbaren Beitrag dazu, daß die verfassungsrechtlich vorausgesetzten Bedingungen für die Funktionsfähigkeit des Staates sichergestellt bleiben. Nur ein funktionsfähiger Staat ist in der Lage, innere Sicherheit zu gewährleisten. Innere Sicherheit ist nicht Selbstzweck, sondern Basis für die Ausübung der Grundrechte. Persönliche Freiheit für alle ist nur mit dem Rechtsstaat, nicht gegen ihn verbürgt, ist nur innerhalb der Verfassungsordnung denkbar. Wer sich unter Mißachtung der Verfassungsordnung verfassungsfeindlich betätigt, bedroht daher die Rechte aller, auch derjenigen, die nicht unmittelbar durch extremistische oder gewalttätige Handlungen betroffen sind. Als verfassungsmäßig verbürgte Institution eines freiheitlichen Rechtsstaates ist selbstverständlich auch der Verfassungsschutz öffentlicher Kritik ausgesetzt. Jeder, der -- zu Recht oder zu Unrecht -- am Verfassungsschutz Kritik übt, sollte sich dabei jedoch im Klaren darüber sein, daß er dies nur dank seiner verfassungsmäßigen Rechte kann, deren Gewährleistung nicht zuletzt der engagierten Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden zu verdanken ist. Allen Mitarbeitern, die im Verfassungsschutz tätig sind, gilt unser Dank für ihre schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe. München, im Juli 1988 August R. Lang Staatsminister Dr. Heinz Rosenbauer Dr. Peter Gauweiler Staatssekretär Staatssekretär Inhaltsverzeichnis Allgemeiner Überblick 10 1. Abschnitt Linksextremismus 12 1. Allgemeines 12 2. Orthodoxer Kommunismus 15 2.1 Überblick 15 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 16 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort 16 2.2.2 Steuerung der DKP durch die SED und die KPdSU 20 2.2.3 Anforderungen an das DKP-Mitglied 22 2.2.4 Organisation 24 2.2.5 Bündnispolitik 26 2.2.5.1 Aktionseinheit 28 2.2.5.2 Volksfrontpolitik 32 2.2.6 Publikationen, Verlage und sonstige Propagandaträger 35 2.2.7 Schulung 37 2.2.8 Betriebsarbeit der DKP 39 2.2.9 Beteiligung an Wahlen 40 2.2.10 DKP-Hochschulgruppen 41 2.3 Nebenorganisationen der DKP 41 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 42 2.3.2 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) 45 2.3.3 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) . . . . 46 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen 47 2.4.1 Allgemeines 47 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) 49 2.4.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 51 4 2.4.4 Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) 54 2.4.5 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) 57 2.4.6 Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. (VDJ) . . . 58 2.4.7 Demokratische Fraueninitiative (DFI) 59 2.4.8 "Die Friedensliste" 59 3. Neue Linke 61 3.1 Überblick 61 3.2 Dogmatische Neue Linke 63 3.2.1 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 63 3.2.2 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 66 3.2.3 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 67 3.2.4 Kommunistischer Bund (KB) 70 3.2.5 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 71 3.2.6 Marxistische Gruppe (MG) 72 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 76 3.3.1 Allgemeines 76 3.3.2 "Autonome" Gruppen 77 3.3.3 Anarchistische Arbeiter Union (AAU) 80 3.3.4 Anarchistische Föderation Nordbayern (AFNB) 80 3.4 Linksextreme Schriften 80 4. Linksextremer Einfluß auf die "Anti-AKW-Bewegung" 81 4.1 Allgemeines j 81 4.2 Einzelfälle 83 5. Linksextremer Einfluß auf die "Friedensbewegung" 86 5.1 Allgemeines 86 5.2 Agitationsund Aktionsschwerpunkte 88 2. Abschnitt Rechtsextremismus 92 1. Allgemeines 92 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 95 2.1 Ideologisch-politischer Standort 95 2.2 Organisation 97 2.3 Aktivitäten 99 2.4 Wahlbeteiligung 100 5 2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) 102 2.6 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 103 3. Deutsche Volksunion e.V. (DVU) 104 3.1 Ideologisch-politischer Standort 104 3.2 Organisation 105 3.3 Aktivitäten 106 3.4 Aktionsgemeinschaften der DVU 106 4. Deutsche Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D) 108 5. Neonazistische Organisationen und Vorfälle 110 5.1 Allgemeines 110 5.2 "Bewegung" ehemaliger ANS/NA-Anhänger 110 5.3 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 113 5.4 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 115 5.5 Nationalrevolutionäre 116 5.6 Deutsche Bürgerinitiative (DBI) 118 5.7 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle 119 6. Sonstige rechtsextreme Organisationen 119 6.1 Deutscher Block (DB) 119 6.2 Wiking-Jugend (WJ) 120 6.3 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 122 6.4 " Freundeskreis Ulrich von Hutten 122 6.5 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 123 7. Aktionen rechtsextremer Kreise nach dem Tod von Rudolf Heß 125 8. Organisationsunabhängige Publizistik 127 9. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus 132 3. Abschnitt Extremistische Bestrebungen von Ausländern 135 1. Allgemeines 135 2. Äthiopische Gruppen 137 3. Afghanische Gruppen 137 6 4. Arabische Gruppen 138 5. Griechische Gruppen 140 6. Iranische Gruppen 140 6.1 Orthodoxe Kommunisten 140 6.2 Neue Linke 141 7. Italienische Gruppen 143 8. Jugoslawische Gruppen 143 8.1 Kroatischer Nationalrat (HNV) 143 8.2 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 144 9. Kurdische Gruppen 145 9.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 145 9.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (KOMKAR) 149 10. Pakistanische Gruppen 149 11. Spanische Gruppen 150 12. Türkische Gruppen 150 12.1 Orthodoxe Kommunisten 151 12.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen 152 12.2.1 Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 152 12.2.2 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) 154 12.3 Extreme Nationalisten 157 12.4 Islamische Extremisten 158 4. Abschnitt Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt .. 160 1. Allgemeines 160 2. Rote Armee Fraktion (RAF) 162 2.1 Kommandobereich der RAF 164 2.2 Militante der RAF 164 2.3 Umfeld der RAF 165 2.4 Festnahmen und Strafverfahren 167 3. Revolutionäre Zellen (RZ) 168 4. Politisch motivierte Gewaltaktionen in Bayern 170 7 4.1 Bauunternehmen 170 4.2 Einrichtungen der Energieversorgung 172 4.3 Polizeiund Verwaltungsbehörden 174 4.4 Einrichtungen und Wohnungen von Ausländern 175 4.5 Einrichtungen des Bahnverkehrs 175 4.6 Geldinstitute 176 4.7 Sonstige Angriffsobjekte 176 5. Abschnitt Spionageabwehr 179 1. Allgemeines 179 2. Zielrichtung/Zielobjekte 179 2.1 Politische Spionage 179 2.2 Militärische Spionage 180 2.3 Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage 181 3. Wirtschaftsunternehmen als Zielobjekte nachrichtendienstlicher Technologiebeschaffung 182 3.1 Anbahnung 182 3.2 Kontaktierung 183 3.3 Werbung 183 3.4 Verstrickung 184 3.5 Auftragserteilung 184 4. Angehörige des öffentlichen Dienstes als Zielpersonen nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung 184 5. Offenlegung nachrichtendienstlicher Kontakte 185 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 187 1. Einstellungsüberprüfung 187 2. Extremisten im öffentlichen Dienst 188 8 Anhang 1 Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1974 190 Anhang 2 Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 193 Anhang 3 Verzeichnis von Publikationen deutscher extremistischer und extremisch beeinflußter Organisationen 196 Anhang 4 Stichwortverzeichnis 200 9 Allgemeiner Überblick Dieser Verfassungsschutzbericht enthält Feststellungen zur inneren Sicherheit im Freistaat Bayern für das Jahr 1987. Er gibt einen Überblick über Bestrebungen von Extremisten, die unmitttelbar oder mittelbar gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, sowie Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Der Verfassungsschutzbericht enthält auch Informationen über sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten für fremde Mächte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes eine Ordnung zu verstehen, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den fundamentalen Prinzipien dieser freiheitlichen Grundordnung gehören die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit der politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Die linksextremen Kräfte gefährdeten auch 1987 nicht ernsthaft die freiheitliche demokratische Grundordnung. 1987 gab es in Bayern 110 linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppen mit rund 13.500 Mitgliedschaften. Der leichte Rückgang gegenüber dem Vorjahr ist auf eine rückläufige Tendenz im Bereich der linksextrem beeinflußten Gruppierungen zurückzuführen. Schwerpunkte der Aktivitäten moskauorientierter orthodoxer Kommunisten waren 1987 neben der Fortsetzung der Friedensund Abrüstungskampagne die Agitation gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie und im Zusammenhang damit gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstoffe in Wackersdorf, die Kampagne gegen die Volkszählung und die Agitation gegen den Abbau von Arbeitsplätzen in der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg. Das Ziel sowohl der moskauorientierten orthodoxen Linksextremisten als auch der meisten Gruppen der Neuen Linken ist nach wie vor die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. 10 Die Marxistische Gruppe (MG) konnte ihre Vormachtstellung innerhalb der dogmatischen Neuen Linken in Bayern weiter ausbauen. Die MG muß aufgrund ihrer Aktivitäten sowie ihrer kontinuierlich steigenden Mitgliederzahlen als eine der gefährlichsten Gruppierungen im gesamten linksextremen Spektrum in Bayern angesehen werden. Innerhalb der undogmatischen Neuen Linken beteiligte sich vor allem der anarchistisch orientierte "autonome" Flügel an der Kampagne gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW). Militante Aktionen "autonomer" Gruppen richteten sich daneben hauptsächlich gegen die am Bau von kerntechnischen Anlagen beteiligten Firmen sowie gegen Einrichtungen und Anlagen von Energieversorgungsunternehmen und der Deutschen Bundesbahn. Die Bestrebungen rechtsextremer Vereinigungen und Personen gefährdeten auch 1987 die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht. In Bayern betätigten sich 29 rechtsextreme Organisationen mit rund 4.800 Mitgliedern. Der Mitgliederzuwachs gegenüber dem Vorjahr beruht in erster Linie auf der neugegründeten Deutschen Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D). Die mitgliederstärksten Organisationen innerhalb des organisierten Rechtsextremismus in Bayern waren die Deutsche Volksunion (DVU) einschließlich ihrer Aktionsgemeinschaften und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) einschließlich ihrer Jugendund ihrer Studentenorganisation. Eine dominierende Rolle im Bereich des organisierten Neonazismus spielen nach wie vor die ehemaligen Anhänger der verbotenen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA), die unter dem Deckmantel der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) ihre Aktivitäten fortsetzten. Der Tod des ehemaligen "Stellvertreters des Führers" Rudolf Heß am 17. August führte zu zahlreichen Aktionen des gesamten rechtsextremen Spektrums. Die Anzahl ausländischer Extremisten und ihrer Organisationen unterliegt einer starken Fluktuation. 1987 ging die Zahl der Mitgliedschaften auf ca. 6.700 zurück, die Zahl der Organisationen verringerte sich auf 147. Vor allem die militante orthodox-kommunistische Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) einschließlich ihrer Nebenorganisationen sowie gewaltbereite Vereinigungen der türkischen Neuen Linken stellten nach wie vor eine Gefährdung der inneren Sicherheit dar. Aufmerksamer Beobachtung bedarf auch die Entwicklung im Bereich des islamischen und nationalistischen Ausländerextremismus. Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch Terroristen hielt an. Wenngleich die Rote Armee Fraktion (RAF) 1987 keine Mordanschläge in der Bundesrepublik Deutschland begangen hat, bleibt sie doch die gefährlichste terroristische Vereinigung. Die "Rote Zora", die Frauengruppe der Revolutionären Zellen (RZ), trat 1987 mit einem versuchten Sprengstoffanschlag in Bayern in Erscheinung. Die Ermordung von zwei Polizeibeamten am 2. November 1987 an der Startbahn West des Flughafens Frankfurt/Main unterstreicht die Gefährlichkeit, die von den militanten "Autonomen" ausgeht. Die Spionageaktivitäten der Geheimdienste des Ostblocks hielten auch 1987 an. Das Ausspahungsinteresse der östlichen Nachrichtendienste richtete sich wiederum auf alle wesentlichen Entwicklungen und bedeutsamen Veränderungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär. 11 1. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines 1987 gab es in Bayern 110 linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppen mit rund 13.500 Mitgliedschaften. Die Zahlen haben sich gegenüber dem Vorjahr leicht verringert. Sowohl im Bereich der linksextrem beeinflußten Abrüstungskampagne wie auch der Aktivitäten gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf war eine rückläufige Tendenz feststellbar, weil die Akzeptanz solcher Aktionen bei der Bevölkerung abgenommen hat. Zahl und Stärke von linksextremen und linksextrem beeinflußten Organisationen in Bayern: 1986 1987 Zahl der Organisationen 120 110 Mitgliedschaften Orthodoxe Linke 11.600 11.400 Mitgliedschaften Neue Linke 2.000 2.10O Insgesamt 13.600 13.500 Die Gesamtzahl von 13.500 Mitgliedern für das Jahr 1987 läßt sich wie folgt weiter aufgliedern: Mitgliedschaften in orthodox-kommunistischen Kernund Nebenorganisationen 5.100 rüglich Mehrfachmitgliedschaften (emund Nebenorganisationen 200 4.900 jliedschaften in orthodox-kommunistisch sinflußten Organistionen 6.300 11.200 ]liedschaften in Kernund Nebenanisationen der Neuen Linken 1.900 rüglich Mehrfachmitgliedschaften )rganisationen der Neuen Linken 100 1.800 Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen der Neuen Linken 200 2.000 Gesamtzahl (erkannte Mehrfachmitgliedschaften abgezogen) 13.200 * Wie sich aus vorstehender Tabelle ergibt, sind Mehrfachmitgliedschaften nur jeweils innerhalb des Bereichs der Kernoder Nebenorganisationen der Orthodoxen Linken und der Neuen Linken berücksichtigt. Über Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sowie Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen einerseits und Kernoder Nebenorganisation andererseits liegen keine zuverlässigen Zahlen vor. In der Zahl der Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sind auch Nichtextremisten enthalten; eine zahlenmäßige Aufgliederung ist nicht möglich. Moskauorientierte orthodoxe Kommunisten und Anhänger und Gruppen der Neuen Linken versuchten auch 1987 durch eine Vielzahl von Aktionen, insbesondere durch Beteiligung an Abrüstungsund Friedenskampagnen, an Kampagnen gegen Arbeitslosigkeit, an Agitationen gegen den geplanten Abbau von Arbeitsplätzen in der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg sowie an Kampagnen gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie und den Bau der Wlederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstoffe in Wackersdorf ihrem Ziel, der Einführung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung, näherzukommen. Eine kommunistische Gesellschaftsordnung ist jedoch, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Verbot der KPD festgestellt hat, unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und damit verfassungsfeindlich. Zur Erreichung ihres Ziels bekennen sich die Gruppen der Neuen Linken, letztlich aber auch die der orthodoxen Kommunisten zur Gewalt. Die Gruppen der Orthodoxen Linken stellten einen ideologisch festgefügten Block dar. Bei den Gruppen der Neuen Linken hielten die ideologischen Auseinandersetzungen an. Die bedeutendsten linksextremen bzw. linksextrem beeinflußten Organisationen waren 1987: 1.1 Kommunistische Kernorganisationen Die kommunistischen Kernorganisationen verstehen sich als führende Kraft im Kampf für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Orthodoxe Linke Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Neue Linke Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) Kommunistischer Bund (KB) Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) Marxistische Gruppe (MG) 13 1.2 Kommunistische Nebenorganisationen Die kommunistischen Nebenorganisationen sind organisatorisch selbständige Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Führungsgremien, die sich jedoch der jeweiligen Kernorganisation unterordnen. Sie bekennen sich wie diese zum Kampf für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Maßgebende Führungsfunktionen dieser Vereinigungen sind mit Mitgliedern der Kernorganisation besetzt. Die wesentlichen Nebenorganisationen waren 1987: Nebenorganisationen der DKP Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) Nebenorganisationen der MLPD Arbeiterjugendverband Marxisten-Leninisten (AJV) Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) Noh""anr"rnanicatir"r" H o c A R Kommunistischer Hochschulbund (KHB) 1.3 Kommunistisch beeinflußte Organisationen Ein erheblicher Teil der Organisationen im linksextremen Bereich besteht aus Vereinigungen, die sich überparteilich oder unabhängig darstellen, tatsächlich aber unter einem mehr oder weniger starken Einfluß der kommunistischen Kernoder Nebenorganisationen stehen. Der Einfluß drückt sich insbesondere darin aus, daß sie -- von diesen oder auf deren Initiative hin gegründet wurden, -- wichtige Führungsfunktionen mit Kommunisten besetzen, -- eng mit Kernoder Nebenorganisationen zusammenarbeiten, -- Ziele verfolgen, die sich in Teilbereichen mit typisch kommunistischen Ziel Setzungen decken. Teilweise liegen mehrere dieser Merkmale vor, teilweise alle. Entsprechend stark ist dann der kommunistische Einfluß. So gibt es Gruppen, die keine wesentliche Entscheidung gegen den Willen der Kernoder Nebenorganisationen treffen können; andere haben trotz erheblicher kommunistischer Einflußnahme noch Raum für ein politisches Eigenleben. Die wichtigsten Organisationen, die unter kommunistischem Einfluß standen, waren 1987: Von der DKP beeinflußte Organisationen: Deutsche Friedens-Union (DFU) Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 14 Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. (VDJ) Demokratische Fraueninitiative (DFI) Die Friedensliste Sozialistischer Hochschulbund (SHB) als ständiger Bündnispartner des MSB Spartakus Vom AB beeinflußte Organisationen: Anti-Strauß-Komitee (ASKo) Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ) Vom BWK beeinflußte Organisation: Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) Von der VSP beeinflußte Organisation: Autonome Sozialistische Jugendgruppen (ASJG) Sonstige linksextreme Gruppen Hierbei sind in erster Linie die sogenannten undogmatischen Gruppen zu nennen, die eine feste Bindung an ideologische Dogmen ablehnen. Ihr Spektrum reicht von autonomen Gruppierungen bis hin zu anarchistisch ausgerichteten Zusammenschlüssen. Ihr Endziel ist die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele propagieren sie auch Gewalt gegen Personen und Sachen. 2. Orthodoxer Kommunismus 2.1 Überblick In der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Bayern sind die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und ihre Nebenorganisationen sowie -- mit Einschränkungen -- die von der DKP oder ihren Nebenorganisationen beeinflußten Organisationen Sammelbecken für die orthodoxen Kommunisten. Sie stellen einen festgefügten Block dar, sind vor allem im Funktionärsbereich eng verflochten und finanziell sehr gut ausgestattet. Die orthodoxen Kommunisten bekennen sich zum Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung und damit, auch wenn sie es zur Verschleierung ihrer wahren Ziele nicht offen aussprechen, zur sozialistischen Weltrevolution und zur Diktatur des Proletariats; dabei werden diese Begriffe vielfach mit "revolutionärer Weltprozeß" bzw. "Herrschaft der Arbeiterklasse" umschrieben. Das Grundmodell dieser "sozialistischen Ordnung" sehen die orthodoxen Kommunisten in der Sowjetunion und der DDR verwirklicht. Deshalb betonen sie die feste Verbundenheit mit den kommunistischen Parteien der Sowjet15 union, der DDR und anderer sozialistischer Länder. In ideologischer und politischer Hinsicht folgen sie der Linie der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR. Sie verstehen sich als Teil der kommunistischen Weltbewegung, der die Führungsrolle bei der revolutionären Umgestaltung der kapitalistischen in die sozialistische Gesellschaftsordnung zukomme. Einigendes Band ist der "proletarische Internationalismus", der die "Gesamtheit der Interessen und die Solidarität der Arbeiterklasse und der Werktätigen aller Länder, ihre Geschlossenheit und Aktionseinheit im Kampf um die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft" zum Ausdruck bringen soll. Der Führungsanspruch der KPdSU und der Sowjetideologie, der sich auch in einigen internationalen prosowjetischen Organisationen wie dem Weltfriedensrat (WFR), dem Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) und der Federation Internationale des Resistants (FIR) manifestiert, wird uneingeschränkt anerkannt. Organisationsübersicht Orthodoxe Linke Deutsche Kommunistische Partei (DKP) SDAJ DFU VVN-BdA MSB SHB DFG-VK KFAZ JP VDJ DFI Nebenorganisationen Komitees, Friedensliste Initiativen beeinflußte Organisationen Abkürzungen vgl. Abkürzungsverzeichnis 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Die DKP wurde am 26. September 1968 anstelle der im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Sie ist nach wie vor die mit Abstand stärkste extremistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland und nimmt hier die politische Führung der orthodoxen Kommunisten in Anspruch. Ideologisch vertritt die DKP die Lehren des Marxismus-Leninismus. Nach dieser Ideologie des "wissenschaftlichen Sozialismus" ist der erste Schritt zum Kommunismus eine Revolution mit dem Ziel der Errichtung der politischen Herrschaft des Proletariats. Die Kommunistische Partei hat dabei im Klassenkampf durch Agitation und 16 Änderung des Bewußtseins der Arbeiterklasse auf eine Revolution hinzuarbeiten und diese zu führen. Der Revolution folgt die Diktatur des Proletariats, d.h. die Macht wird diktatorisch durch die "Elite" der Arbeiterklasse, die Kommunistische Partei, ausgeübt; die Gewaltenteilung ist beseitigt. In der Phase der Diktatur des Proletariats gibt es allerdings noch gegensätzliche Klassen, die jedoch in der nächsten Stufe der Entwicklung, dem Sozialismus, aufhören zu existieren. Dann führt allein die Kommunistische Partei den sozialistischen Staat und die sozialistische Gesellschaft. Auf dem Höhepunkt des Sozialismus stirbt nach dieser Ideologie der Staat ab. In dem sich daran anschließenden Stadium des Kommunismus gibt es keine Klassen und keinen Staat mehr. An seine Stelle tritt die Gesellschaft. Politisch folgt die DKP kritiklos der Linie der KPdSU und der SED. Sie betont ihre "tiefe Verbundenheit" zur Sowjetunion, "dem ersten Arbeiterund Bauernstaat", und verurteilt jede davon abweichende Meinung als "Rechtsoder Linksopportunismus", sieht die "Haltung zur Sowjetunion" als "entscheidenden Prüfstein für jeden Kommunisten, für seine Treue zur Sache der revolutionären Arbeiterbewegung" und "erzieht ihre Mitglieder beständig im Geist fester Freundschaft zur Sowjetunion". In seiner Grußansprache auf einer gemeinsamen Festsitzung anläßlich des 70. Jahrestages der Oktoberrevolution in Moskau am 3. November 1987 betonte der DKP-Vorsitzende Mies, die KPdSU habe in allen Etappen der 70jährigen Entwicklung der Sowjetunion Gewaltiges zur Veränderung des eigenen Landes und der Welt geleistet. Wegen dieser unverändert bestehenden Anbindung an die Politik der KPdSU ist zu erwarten, daß die DKP auch die in der Sowjetunion mit dem sogenannten Reformkurs eingeleitete Entwicklung nachvollziehen wird. Ende Januar 1986 hat der Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow sein Demokratisierungsprogramm verkündet, das mit den Leitbegriffen Perestrojka (Umgestaltung/Neugestaltung) und Glasnost (Transparenz/Offenheit) verbunden ist. Der Direktor der sowjetischen Nachrichtenagentur APN erklärte dazu in einem Interview mit der UZ, die Sowjetunion beginne derzeit eine ganz neue Etappe ihrer Entwicklung. Deren Kennzeichen sei mehr Sozialismus im eigentlichen Sinne des Wortes, mehr Demokratie wiederum im eigentlichen Sinne des Wortes; das heiße Volksverwaltung, mehr Offenheit. Er betonte, die Rolle der KPdSU in der sozialistischen Gesellschaft sei die der politischen Führung, nicht die der administrativen Leitung. Ein führender Vertreter der KPdSU erklärte, bei den neuen Maßnahmen zur Vertiefung der Demokratie der sowjetischen sozialistischen Ordnung gehe es natürlich nicht um eine grundlegende Änderung des politischen Systems. Die Aufgabe heiße vielmehr, alle Möglichkeiten des Systems mit maximaler Effektivität zu nutzen. Die DKP hat erhebliche Schwierigkeiten, sich auf diese neue Linie einzustellen. Sie versucht, ihren Mitgliedern klarzumachen, daß das Prinzip des demokratischen Zentralismus, also die uneingeschränkte Entscheidungsbefugnis der Parteispitze, nicht in Frage gestellt wird. Insbesondere heiße Vervollkommnung der sowjetischen Demokratie keineswegs die Übernahme eines westlich pluralistischen Demokratiemodells. Die sozialistische Demokratie sei der bürgerlichen um eine ganze historische Epoche voraus. Es gehe nicht um einen 17 Weg zurück zu einer bürgerlichen Ordnung. Die lenin'schen Organisationsgrundsätze für eine kommunistische Partei seien keineswegs veraltert. Glasnost bedeute nicht, daß ein ideologischer Pluralismus zugelassen werde. Die DKP fürchtet jedoch nicht nur eine Einbuße an Parteidisziplin. Sie hat ihren Mitgliedern die Zustände in der Sowjetunion bisher als paradiesisch geschildert. Das Eingeständnis von Mißständen war bisher ein absolutes Tabu. Die DKP-Spitze sieht sich daher jetzt dem Vorwurf ausgesetzt, bisher nicht wahrheitsgemäß berichtet zu haben. Ein Mitglied des DKP-Parteipräsidiums sah sich sogar zu der Bemerkung veranlaßt, die Sozialismuspropaganda der DKP sei bisher kein Lug und Trug gewesen. Die DKP dürfe die Entwicklung der UdSSR nach den neueren Enthüllungen nicht als einen einzigen Scherbenhaufen ansehen. Ausgangspunkt für eine realistische Betrachtung müßten immer die großen Leistungen der Sowjetunion sein. Erst danach kämen die Aufdekkung von Mängeln und Fehlern. Unverändert betrachtet die DKP auch das in der DDR herrschende Staatsund Gesellschaftssystem vorbehaltlos als Muster für die von ihr angestrebte Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Gründung der DDR markiere einen "Wendepunkt in der Geschichte unseres Volkes". Mit der "sozialistischen Revolution" in der DDR habe die deutsche Arbeiterbewegung ihren "größten Sieg" errungen. In der DDR würden die "besten revolutionären, demokratischen und nationalen Traditionen der deutschen Geschichte" verkörpert. Von einem solchen Staat hätten "Generationen von Kommunisten und Sozialisten" geträumt. Nur in einem solchen Staat könne es "wirkliche Volksherrschaft als Demokratie" geben. Die DKP hält am "unverrückbaren Ziel" Sozialismus "als erster Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation" fest. Diese "grundlegend neue Gesellschaftsordnung" baue auf der "revolutionären Überwindung der kapitalistischen Machtund Besitzverhältnisse" auf und könne nur "im harten Klassenkampf" durchgesetzt werden. Sie setze die Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse im Bündnis mit anderen Werktätigen voraus. Die Lehre von Marx, Engels und Lenin sei der "politische Kompaß der DKP und wissenschaftliches Fundament ihrer Politik". In "schöpferischer Anwendung" dieser Lehre entwickle die DKP Strategie und Taktik ihres Kampfes um die Errichtung des Sozialismus in der Bundesrepublik Deutschland. Als die Partei des "Klassenkampfes" und des "Sozialismus" bekenne sie sich zu den Grundsätzen einer "bolschewistischen Partei neuen Typs", die gekennzeichnet sei durch die Anerkennung der Lenin'schen Normen der Parteimitgliedschaft und des Parteiaufbaues sowie der Diktatur des Proletariats. Die DKP geht aufgrund marxistisch-leninistischer Analyse davon aus, daß die Gegenwart "die Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab" sei. Daher sei es die "Hauptzielsetzung der DKP in der gegenwärtigen Etappe", das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiterklasse und der "anderen demokratischen Kräfte" zu verändern und die "Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt herbeizuführen". Sie erachtet es als möglich und im Interesse der Arbeiterklasse für erstrebenswert, daß dieser Kampf in eine "antimonopolistische Demokratie" einmündet. Darunter versteht die DKP eine Periode "grundlegender Umgestaltungen", in der eine von der "Arbeiter18 klasse und den anderen demokratischen Kräften getragene antimonopolistisch-demokratische Staatsmacht" geschaffen werden soll. Diese Aussagen der DKP belegen trotz der aus taktischen Gründen variierten Begriffsbildung, daß die DKP einen dogmatischen Marxismus-Leninismus vertritt. Die Formulierungen "sozialistische Umwälzung" und "politische Macht der Arbeiterklasse" sind gleichbedeutend mit den marxistisch-leninistischen Kernbegriffen "sozialistische Revolution" und "Diktatur des Proletariats". Dieser Sprachgebrauch dient der DKP ebenso zur Verschleierung ihrer in Wahrheit verfassungsfeindlichen Zielsetzung wie ihre Beteuerung, sie "wirke auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland" und erstrebe die "grundlegende Umgestaltung auf der Basis der demokratischen Prinzipien und Rechte des Grundgesetzes". Ihr Bekenntnis, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, ist nur vor dem Hintergrund des marxistisch-leninistischen Demokratieverständnisses zu verstehen. In Wirklichkeit sieht die DKP im Grundgesetz nur eine disponible Basis für ihren Kampf. Die Grundrechte versteht sie nicht als Garantie eines Freiheitsraumes für jeden Bürger, sondern als Legitimation und Auftrag für die Arbeiterklasse, die bestehende Ordnung zu beseitigen und den Sozialismus und eine sozialistische Verfassung zu erkämpfen. Die Systemüberwindung will die DKP unter den gegenwärtigen Umständen grundsätzlich mit systemkonformen Mitteln erreichen. Ihre Zurückhaltung bei gewalttätigen Aktionen beruht lediglich auf dem Bestreben, sich im Rahmen der von ihr verfolgten Bündnispolitik "koalitionsfähig" zu machen. Der DKPVorsitzende Mies hatte 1981 erklärt: "Das demokratische Widerstandsrecht, das Grundrecht der arbeitenden Menschen, ihre Interessen zur Geltung zu bringen und die entsprechenden Kampfformen zu wählen, entspricht vollauf den demokratischen Prinzipien des Grundgesetzes. ... Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Wo Macht vor Recht geht, da muß man sich gegen die Macht des Unrechts wehren. ... Da fragt man nicht lange: Darf man denn das? Da sollte man in der Tat wahre Demokratie wagen". Für die DKP ist die Gewaltanwendung somit eine Frage politischer Opportunität. Nur auf Gesichtspunkte politischer Opportunität stellt die DKP auch in ihrer Erklärung zu den Morden an den zwei Polizeibeamten an der Startbahn West in Frankfurt ab, wenn sie formuliert, egal, wer die Täter waren, diese Schüsse auf Polizeibeamte nützen nur den rechten Kräften. Die DKP empfinde sie als eine Provokation der "demokratischen Bewegung". Sie würden den Abbau des Demonstrationsrechts in einer Situation begünstigen, wo es den Rechtskräften darum gehe, mit dem Vermummungsverbot weitere demokratische Rechte abzubauen und in der sie offen die Erwartung weiterer Terrorakte aussprächen. Sie würden helfen, den Widerstand gegen den weiteren Flughafenausbau und gegen andere bevölkerungsfeindliche Projekte zu kriminalisieren und weitere polizeistaatliche Maßnahmen der Landesregierung zu begünstigen. Das tragische Schicksal der erschossenen Polizeibeamten und ihrer Angehörigen scheint für die DKP keine Rolle zu spielen. Daß die DKP ihrer alten Klassenkampfideologie treu bleibt, ergibt sich aus einem Artikel in den "Marxistischen Blättern": Die "Friedensfrage" sei zwar eine klassenübergreifende Frage, der Friedenskampf müsse jedoch gegen diejenigen Kräfte geführt werden, die sich um den "Militär-Industrie-Komplex" gruppieren. Da ein dialektisches Wechselverhältnis zwischen Friedenskampf 19 und Klassenkampf bestehe, müsse die DKP "Friedenspartei" und "revolutionäre Klassenkampfpartei" zugleich sein. Der DKP-Vorsitzende rief dazu auf, den "Friedenskampf" und die "Arbeiterkämpfe" vom Klassenstandpunkt des wissenschaftlichen Sozialismus aus voranzutreiben. 2.2.2 Steuerung der DKP durch die SED und die KPdSU Die DKP wird von der SED angeleitet und umfassend unterstützt. Die Verbundenheit beider Parteien sicherten auch 1987 zahlreiche Arbeitsgespräche zwischen SEDund DKP-Funktionären. Sie dienen einer umfassenden Kontrolle der DKP durch die SED. Zuständig ist dafür die sogenannte "Westabteilung" beim Zentralkomitee (ZK) der SED. Den Bezirksorganisationen der DKP sind jeweils Bezirksorganisationen der SED als "Patenbezirke" zugewiesen. In Bayern sind dies für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern der SED-Bezirk Suhl und für die DKP-Bezirksorganisation Südbayern der SED-Bezirk Gera. Zur Festlegung des Kurses der DKP und zur Abstimmung aktueller "Kampfaufgaben" wird jährlich zwischen den Führungen von SED und DKP ein Rahmenplan festgelegt, innerhalb dessen die SEDund DKP-Bezirksorganisationen ihre jährlichen schriftlichen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit treffen. Die hundertprozentige Anbindung an die SED macht auch eine Stellungnahme der DKP zum 26. Jahrestag der Errichtung der Berliner Mauer deutlich. Danach habe die DDR an diesem Tag einen "wirksamen Damm" gegen die von führenden Politikern und Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland gepredigte "Politik des Nervenkrieges, des Schießkrieges, der Zersetzung, der Sabotage, der Eroberung" errichtet. Zur "Politik der Stärke" habe neben der organisierten Abwerbung von Fachkräften aus der DDR auch der "Ausbau West-Berlins zum Spionageund Agentenzentrum" gehört. "Bewaffnete Kampfgruppen der Arbeiterklasse" hätten in enger Zusammenarbeit mit sowjetischen Streitkräften den provokanten Umtrieben durch die Sicherung der Staatsgrenze ein Ende bereitet. Unterstützung gewährte die SED der DKP auch dadurch, daß sie Einrichtungen in der DDR für die Schulung, Förderung und Betreuung westdeutscher Kommunisten zur Verfügung stellte. Für verdiente Kader der DKP organisiert und finanziert die SED Urlaubs-, Krankenhausund Kuraufenthalte in der DDR. Zahlreiche Unterlagen der DKP werden in die DDR verbracht und dort in SEDArchiven aufbewahrt, insbesondere Unterlagen über DKP-Mitglieder. Auch 1987 wurde eine große Zahl einreisender "DDR-Reisekader" festgestellt, die im Rahmen der "Westarbeit" der SED einen Auftrag im Bundesgebiet zu erfüllen haben. Zu den Reisekadern zählen neben Funktionären der SED und der sogenannten DDR-Massenorganisationen auch Wissenschaftler, die neben ihrem beruflichen Auftrag politisch agitieren und Informationen gewinnen sollen. Nach einer zweijährigen Pause organisierte die DKP unter der Bezeichnung "Arbeiterzug 87" ("Freundschaft mit der Sowjetunion -- 70 Jahre Oktoberrevolution -- Für Frieden und Arbeit") vom 19. Juni bis 4. Juli eine Reise in die Sowjetunion, an der sich nach Angaben des Veranstalters rund 300 DKP-Mitglieder und Angehörige "anderer demokratischer Organisationen" aus dem 20 gesamten Bundesgebiet beteiligten. Die Fahrt führte über Warschau nach Moskau; von dort aus besuchten die Teilnehmer dann verschiedene Sowjetrepubliken. Auf ihrer letzten Station vor der Heimreise gaben die Teilnehmer des Arbeiterzuges in Leningrad eine Erklärung ab, in der sie an die Bürger der Bundesrepublik appellierten, den "Kampf für den Frieden und die Realisierung der Moskauer Vorschläge" zu verstärken. In Moskau hielt der DKP-Vorsitzende Mies eine Rede vor ca. 5.000 Zuhörern. Mies würdigte dabei den 70. Jahrestag der Oktoberrevolution als ein Ereignis, das nicht nur für das Sowjetvolk von großer Bedeutung sei, sondern von dem auch starke Impulse für die Kommunisten in aller Welt, für die anderen Strömungen in der Arbeiterbewegung, für die antiimperialistischen und demokratischen Bewegungen in den Ländern der Dritten Welt, für alle fortschrittlichen und Friedenskräfte ausgehen würden. Für "hervorragende Verdienste um die Sicherung und Festigung des Weltfriedens" wurde er mit dem sowjetischen "Internationalen Lenin-Friedenspreis" ausgezeichnet. E O S CRHJflCäßÖ ZMMiGüGÖ CCCP Veranstaltung zum 70. Jahrestag der Oktoberrevolution F r e i t a g , 3 0 . 1 0 . 8 7 I 9 3 0 . Schwabingerbräu ITtoSSäSGLjD(c) PoDCsDOLT^ Ensembles aus Moskau und Leningrad Münchner Maullrommel und Münchner Arbeiterfolographie: "9er große Umbau" Die Oktober-Revolution in Liedern. Bildern .Texten Prof. Dr. phil. Galina Michailowna Andrejewa Letterin des Lehrstuhls für soziale Psychologie an der Lomonossow-Univeisität Moskau spricht zum Thema Der Mensch in der Perestroika Eintri": 7 DM SDM hJrScMUgr, U M " . AiMtshai DKP 21 Wie in jedem Jahr veranstaltete die DKP auch 1987 bundesweit eine "Woche des realen Sozialismus", die im Zeichen des "70. Jahrestages der Oktoberrevolution" und der gegenwärtigen Umgestaltungsprozesse in der Sowjetunion stand. Laut "UZ", dem Zentralorgan der DKP, fanden dabei über 150 Veranstaltungen statt. Nach Angaben der DKP sollen sich über 12.000 Personen über die "Ideen des Roten Oktober" und die heutigen revolutionären Umwandlungen in der Sowjetunion informiert haben. In Bayern wurden ca. 20 Veranstaltungen abgehalten. Den größten Zulauf hatte dabei eine Veranstaltung in München mit 1.100 Teilnehmern. 2.2.3 Anforderungen an das DKP-Mitglied In der Broschüre mit dem Titel "Für die Neuen -- Blick in die DKP", die anläßlich des Parteibildungsjahres 1986/1987 herausgegeben wurde, fordert die DKP die strikte Unterordnung der Mitglieder unter die kollektive Leitung: "Die Kommunistische Partei ist ein Kampfbund von Gleichgesinnten. Jede Genossin und jeder Genosse ist freiwillig diesem Kampfbund beigetreten. Wir wissen, daß wir hier keine Vorteile oder Privilegien zu erwarten haben. Wir handeln aus Überzeugung für die als richtig erkannte Sache, für die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Krieg. Die Stärke einer kommunistischen Partei liegt in ihrer Kollektivität. Kollektiv handeln heißt, gemeinsam und einheitlich handeln. Die zentrale Leitung koordiniert die Kräfte. Sie hat das Gesamtinteresse stets im Auge. Sie stimmt das Wirken der Kommunistinnen und Kommunisten auf allen Ebenen des Klassenkampfes sowohl politisch, ökonomisch als auch ideologisch ab. Durch die zentrale Leitung kommt der gemeinsame Wille der Mitglieder und der Funktionäre zum Ausdruck". Im "Leitfaden für die Gruppenarbeit der DKP" heißt es dazu: "Als Marxisten wissen wir, daß die Stärkung der DKP und ihre Entwicklung zu einer einflußreichen, mitgliederstarken und fest in den Massen verankerten Partei nicht im Selbstlauf erfolgt. Sie muß vielmehr in geduldiger und überzeugender, beharrlicher und systematischer Kleinarbeit erkämpft werden! Das um so mehr, als der Klassengegner alle Anstrengungen unternimmt, unsere Partei durch verschärften Antikommunismus, verfassungsfeindliche Berufsverbote, durch die reaktionäre Fünf-Prozent-Klausel und viele andere Maßnahmen zu isolieren und kleinzuhalten. Stärkung der DKP muß darum für jedes Parteimitglied und jede Parteiorganisation heißen: -- unablässige Verstärkung der Massenarbeit, stetige Festigung und Erweiterung unserer Verbindungen mit der Arbeiterklasse und der Jugend, beharrliches Ringen um die Sympathie, das Vertrauen und die Unterstützung des arbeitenden Volkes, um die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und das Bündnis mit allen demokratischen Kräften, -- systematische und zielstrebige Anstrengungen zur Gewinnung neuer Parteimitglieder, zur stärkeren Verbreitung der "UZ" und zur Werbung neuer "UZ"-Leser, -- ständige Erhöhung des politisch-ideologischen Niveaus und der Aktivität der Parteimitglieder, Befähigung aller Genossen zum überzeugenden Eintreten für die Grundsätze und Ziele und Politik der DKP, Einhaltung der im Statut niedergelegten Grundsätze und Normen des Parteilebens, planmäßi22 gere und kontinuierliche Anwendung attraktiver, öffentlichkeitswirksamer Formen unserer Massenarbeit, Anwendung kulturell-geselliger Formen der Gruppenarbeit." In der DKP ist "jedes Mitglied für die Partei und die Partei für jedes Mitglied verantwortlich. Deshalb gilt in unserer Partei der Grundsatz, daß jedes Parteimitglied in einer der Parteiorganisationen organisiert sein und aktiv an ihrer Tätigkeit teilnehmen muß. Die Aufnahme eines Mitglieds kann darum nur durch die Mitgliederversammlung der zuständigen Parteiorganisation erfolgen. Das Prinzip der Bewußtheit und Organisiertheit der Partei besagt ferner, daß jedes Parteimitglied verpflichtet ist, seine Kenntnisse durch das Studium des wissenschaftlichen Sozialismus zu erweitern und sich mit den Dokumenten und Materialien der Partei vertraut zu machen. Nach Ansicht der DKP ist man Kommunist überall, am Arbeitsplatz, im Wohngebiet, in der Familie. Die richtige Haltung der Kommunisten besteht nach Meinung der Partei darin, offen und konsequent den kommunistischen Standpunkt zu vertreten, initiativreich und geduldig die Politik der Aktionseinheit zu verfechten, in Bündnissen aktiv und partnerschaftlich zu wirken, sich als "die besten, uneigennützigsten Vertreter des Volksinteresses" zu erweisen und "aktiv bei der Gewinnung neuer Mitglieder und bei der Gestaltung der DKPPresse mitzuwirken". Kommunist sein heiße, aus Klassenbewußtsein ein disziplinierter Kämpfer der Partei der Arbeiterklasse zu sein, heiße qualitativ gut, gewissenhaft, diszipliniert am Arbeitsplatz, in der Schule, in den Hochschulen, in der Elternvertretung, in der parlamentarischen Vertretung, "im sogenannten normalen Leben" zu sein. Bereits in der kapitalistischen Gesellschaft erwerbe der Genosse in der Gemeinschaft der Partei eine eigene "proletarische Klassenmoral", die im Gegensatz zur "bürgerlichen Moral" stehe, welche "heuchlerisch", "doppelbödig" und "menschenfeindlich" sei. Das Parteimitglied hat als Berufsrevolutionär die Aufgabe, politische Unzufriedenheit durch Propaganda und Agitation zu wecken und so eine revolutionäre Situation vorzubereiten. Die Erfüllung dieser Anforderungen an die "proletarische Moral" wird u.a. im Rahmen einer von Zeit zu Zeit stattfindenden Umtauschaktion der Mitgliedsbücher überwacht. Vor der letzten Ausgabe neuer Mitgliedsbücher zum 1. Ja23 nuar 1988 wurden nach Aussage der DKP mit jedem "Genossen" intensive und individuelle Gespräche geführt, um das Mitglied voll auf die Linie der Partei einzuschwören. Entsprechend den Leninschen Gedanken zum Parteiaufbau sieht sich die DKP nicht als Massenorganisation, sondern als Elite. Diese führende Elite von Revolutionären denkt für das Proletariat und soll das Proletariat zur "Freiheit" führen. Damit kommt zum Ausdruck, daß die große Mehrzahl des "Proletariats" der Anleitung durch Mitglieder des Führungskaders, der Kommunistischen Partei, bedarf, die aus der "Masse" herausragen und zur Führung befähigt sind. Der kollektive Charakter der DKP-Ideologie kommt darin deutlich zum Ausdruck, daß sie Menschen nicht als Individuen, sondern als "Masse" sieht. Dies ist ein fundamentaler Unterschied zum Menschenbild des Grundgesetzes, das an die Spitze der Verfassung die Freiheitsgrundrechte für den Einzelnen stellt. 2.2.4 Organisation In Bayern gab es Ende 1987 unverändert etwa 3.100 DKP-Mitglieder. Die DKP hatte 1987 in der Bundesrepublik Deutschland rund 38.000 (1986: 42.000) Mitglieder. Auf dem 8. Parteitag im Mai 1986 bezifferte die DKP die Zahl ihrer Mitglieder noch mit 57.802 (7. Parteitag 1984: 50.482). Eine der Hauptursachen für den Mitgliederrückgang dürfte in der mangelnden Bereitschaft der DKP-Führung liegen, Reformen im ideologischen und organisatorischen Bereich durchzuführen. Die DKP gliedert sich im Bundesgebiet in zwölf Bezirksorganisationen. Diese sind in Kreisbzw. Gebietsorganisationen unterteilt, die die Grundorganisationen, nämlich die Orts-, Stadtteil-, Wohngebiets-, Betriebsund Hochschulgruppen zusammenfassen. Bayern ist in die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern aufgeteilt. Vorsitzender der DKP ist nach wie vor Herbert Mies. Stellvertretende Parteivorsitzende ist Ellen Weber. Der Parteivorstand besteht aus 92 Mitgliedern, darunter 8 aus Bayern. Der Parteivorstand wählte 19 Mitglieder in das Präsidium und 14 in das Sekretariat. Nach dem Bericht der Mandatsprüfungskommission gehörten von 879 anwesenden Delegierten des 8. Parteitages im Mai 86 72,7 % zur "Arbeiterklasse", 6,3 % zur "Intelligenz" und 6,0 % zur "weiteren mittelständischen Schicht". Für den Rest der Delegierten (15 %) fehlten entsprechende Angaben. Von der Gesamtzahl der Delegierten sollen nach dem Bericht 642 Personen "Betriebs"bzw. Gewerkschaftsfunktionen ausüben, davon 55 Personen als Mitglieder von Betriebsoder Personalräten und 204 "Genossinnen und Genossen" als gewerkschaftliche Vertrauensleute. Vorsitzender im DKP-Bezirk Nordbayern ist Herbert Stiefvater, im Bezirk Südbayern ist Vorsitzender Walter Listl. Die DKP ist in ihrer inneren Struktur nach dem marxistisch-leninistischen Prinzip des "demokratischen Zentralismus" aufgebaut. Nach diesem Prinzip des hierarchischen Parteiaufbaus werden die Organe und Funktionäre jeder Ebene durch die nächst niedrigere Ebene gewählt, wobei eine Abwahl praktisch ausgeschlossen ist. Die Willensbildung findet dann jedoch von oben nach unten statt, d.h. Beschlüsse der vorgesetzten Ebene sind für nachgeordnete Partei24 gliederungen absolut verbindlich. Damit ist folgerichtig das strikte Verbot jeder Fraktionsbildung verbunden. An diesen Grundsätzen hält die DKP auch trotz "Glasnost" und "Perestrojka" fest. Nach Aussage eines Präsidiumsmitglieds der DKP dürften die Diskussionsprozesse nicht die "Einheit des Willens und Handelns" blockieren. Die "Freiheit der Kritik" müsse sich im "Rahmen der Prinzipien des innerparteilichen Lebens" halten und sich den Zielen der Partei unterordnen. Es sei nicht vertretbar, die Prinzipien des innerparteilichen Lebens als "veraltet" oder "überholt" abzutun. Die DKP werde strikt an den "Leninschen Organisationsgrundsätzen der marxistischen Partei" festhalten. Sie unterscheide sich durch ihren Charakter als revolutionäre Arbeiterpartei, ihre marxistisch-leninistische Weltanschauung, ihre Zugehörigkeit zur kommunistischen Weltbewegung und ihre sozialistische Zielsetzung von allen anderen Parteien und sei durch keine andere Organisation zu ersetzen. In welche Begründungsschwierigkeiten die DKP durch die neue Linie der KPdSU geraten ist, zeigt eine leicht abweichende Akzentsetzung des DKP-Vorsitzenden: Perestrojka und Glasnost dürften um die "Weiterentwicklung des innerparteilichen Lebens" keinen Bogen machen. Im Mittelpunkt müsse "die Vorwärtsentwicklung eines wahrhaft kommunistischen innerparteilichen Lebens" stehen. Ein Präsidiumsmitglied der DKP erklärt demgegenüber, in der DKP werde mehr Demokratie praktiziert als in anderen Parteien. Statt ihre fundamentalen Grundsätze und Werte der Organisation aufzugeben, um modern zu sein, müsse eine kommunistische Partei ihre Struktur besser nutzen. Die Turbulenzen, in die die DKP durch das "neue Denken" aus Moskau geraten ist, zeigt auch ein Artikel in den "Marxistischen Blättern" über grundsätzliche Probleme der Partei. Trotz wachsendem Einfluß der DKP vor allem auf die "Friedensbewegung, Betriebe und Gewerkschaften gehe die Organisationskraft der Partei teilweise zurück". Dies beruhe auf Strukturveränderungen in der Arbeiterklasse und in der Mitgliedschaft der Partei, Resignation über ausbleibende Wahlerfolge, der Ausstrahlung anderer oppositioneller Kräfte und "Bewegungen" mit ihren eigenen Organisationsprinzipien, an den Nerv gehenden Enttäuschungen über Fehlentwicklungen im realen Sozialismus, heute in der Sowjetunion offen als "Stagnationserscheinungen" gekennzeichnet. Der "proletarische Internationalismus" erlaube jedoch kein lockeres, sondern verlange stets ein prinzipielles Verhältnis zu den sozialistischen Ländern. Er sei neben der Orientierung auf die Arbeiterklasse, dem Festhalten am Ziel des Sozialismus und der marxistischen Weltanschauung eines der unverzichtbaren Merkmale, das die DKP von anderen Organisationen unterscheide. In ihrem Anfang Oktober 1987 nach dem Parteiengesetz veröffentlichten Rechenschaftsbericht wies die DKP für 1986 Einnahmen in Höhe von 22,8 Mio DM (1985: 20,1 Mio DM) aus, davon 10,8 Mio DM an Mitgliedsbeiträgen und 9 Mio DM an Spenden. 1986 sind für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern 1.008.229,09 DM (1985: 865.804,40 DM), für die DKP-Bezirksorganisation Südbayern 922.719,37 DM (1985: 863.368,35 DM) an Gesamteinnahmen ausgewiesen (Bundestagsdrucksache 11/977 v. 16.10.1987). Zwar behauptet die DKP, sie finanziere sich ausschließlich aus diesen Einnahmequellen, tatsächlich war sie aber auch 1987 nicht in der Lage, die Ausgaben für den aufwendigen Parteiapparat, die zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen 25 sowie die umfangreiche publizistische Agitation aus dem eigenen Finanzaufkommen zu bezahlen. Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß die DKP 1987 für ihre Parteiarbeit, ihre Nebenorganisationen und die von ihr geförderten Verlage, Publikationen usw. wieder Zuschüsse aus der DDR von mehr als 65 Millionen DM erhalten hat. 2.2.5 Bündnispolitik Die sogenannte "Bündnispolitik" ist zentraler Bestandteil der Gesamtpolitik der DKP und ihrer Nebenorganisationen. Sie beruht auf marxistisch-leninistischer Strategie und Taktik. Die DKP geht aufgrund ihrer "Analyse" der Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung davon aus, daß sich der "staatsmonopolistische Kapitalismus" in der Bundesrepublik Deutschland voll entwickelt habe. Wegen der dadurch eingetretenen Polarisierung zwischen der "kleinen Gruppe von Konzernherren und Multimillionären" und der "überwältigenden Mehrheit des Volkes" sei die Zusammenfassung aller "antimonopolistischen" Kräfte um die Arbeiterklasse objektiv möglich, aber auch "unerläßlich" für die Durchsetzung des "gesellschaftlichen Fortschritts", also für die Erreichung des sozialistischen Zieles. Nicht zuletzt im Hinblick auf ihr seit Jahren gleichbleibend schwaches Wählerpotential ist die DKP bestrebt, Bündnisse mit nicht-kommunistischen Kräften in der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" und in einem "breiten, antimonopolistischen Bündnis" zu schaffen und damit eine Massenwirkung zu erreichen. Außerdem versucht sie, mit der Bündnispolitik demokratische Kräfte an die Partei heranzuführen. Für eine erfolgreiche Politik der "Aktionseinheit und des demokratischen Bündnisses" ist es für die DKP "von erstrangiger Bedeutung", die "tiefe Kluft" zwischen der "objektiven Lage der vom Monopolkapital ausgebeuteten und bedrängten Klassen und Schichten einerseits und ihrer Erkenntnis durch die Betroffenen andererseits" zu überwinden. Der Parteivorstand veröffentlichte im März 1983 die "Grundsätze kommunistischer Bündnispolitik, das Herzstück Leninscher Strategie und Taktik". Darin heißt es, -- die DKP müsse "aktiv und initiativ" in den Bewegungen mitarbeiten, um Einfluß nehmen zu können; -- die DKP trete für "gleichberechtigte" Zusammenarbeit ein, bei der alle Bündnispartner sich auf gemeinsame Forderungen (Minimalkonsens) einigen sollten; -- die DKP wirke in Bündnissen für die "Arbeiterinteressen", denn die Arbeiterklasse sei die entscheidende Kraft; -- die "Herstellung der Aktionseinheit", vorrangig von Kommunisten und Sozialdemokraten, bleibe Kernstück der Politik der DKP; -- die DKP sei unverändert bemüht, punktuelle Bündnisse zu umfassenderen antimonopolistischen Bündnissen zu erweitern; -- die DKP lehne die Zusammenarbeit mit "maoistischen Organisationen" ab; sie werde sich wegen der Beteiligung maoistischer "Restgruppen" jedoch nicht aus "breiten demokratischen Bündnissen" zurückziehen; -- die DKP müsse auch in Bündnissen ihre "Selbständigkeit" bewahren; ihre Mitglieder dürften nicht "im Bündnis aufgehen", denn ein Verzicht auf Selbständigkeit bedeute das "Ende einer kommunistischen Partei"; 26 -- Kommunisten sollten -- durch Schulung befähigt -- in den Bewegungen mit "offenem Visier" mitwirken, denn ein Verbergen der kommunistischen Identität gebe nur antikommunistischen Verleumdungen Nahrung. Mögliche Bündnispartner sieht die DKP in "Sozialdemokraten, Gewerkschaftern, Grünen und Alternativen, Umweltschützern, Frauenbewegungen, Christen, sozialen Liberalen, Sozialisten, Ausländergruppen und Linkskräften". Worauf die DKP mit ihrer Bündnispolitik hinaus will, zeigen Äußerungen des DKP-Vorsitzenden. Die "Zusammenführung" der "fortschrittlichen Kräfte" sei zwar noch immer "unterentwickelt". Für die DKP als unverzichtbarem Faktor in den politischen Umgruppierungen ergäben sich jedoch neue Bündniskonstellationen und neue Chancen. Der Druck des Friedensund Demokratiepotentials sei zwar noch nicht stark genug für eine generelle politische Neuorientierung. Er sei aber steigerungsfähig, um richtungsgebende Teilerfolge zu erzielen. Unter politischer Neuorientierung versteht die DKP eine sozialistische Gesellschaft nach marxistisch-leninistischer Prägung. In einer Auswertung der 8. Parteivorstandstagung der DKP vom 14./15. November wurde festgestellt, daß es "höhere Anforderungen an die Bündnispolitik der DKP" gebe. Es gehe darum, daß die "Zusammenarbeit von Arbeiterund Bürgerprotest, von Bürgerinitiativen, Fraueninitiativen, Arbeitsloseninitiativen und Anti-Rotstift-Komitees entwickelt" und ihre "Stärke, ihre Durchschlagskraft im gemeinsamen, möglichst gut koordinierten Handeln" verstärkt werde. Deshalb gehe es der DKP darum, die "Arbeiterbewegung und die Friedensbewegung zusammenzuführen, den erreichten Zusammenhalt zu bewahren und weiter zu entwickeln". Auch in einer "Zusammenarbeit mit kirchlichen und christlichen Kreisen, mit Sozialund Wohlfahrtsverbänden, mit Naturschutzund Freizeitvereinen", die sich für die "Erhaltung des Friedens, für Abrüstung, für soziale, ökologische und kulturelle Interessen engagieren", sieht die DKP Ansatzpunkte für ihre Bündnispolitik. Von besonderer Bedeutung ist für die DKP die Mitarbeit ihrer Mitglieder in Vereinen. Diese sei zwar "Privatsache", für "eine Kommunistin und einen Kommunisten" jedoch "mehr als das", nämlich "ein wichtiges Feld der Massenarbeit sowie der Aktionsund Bündnispolitik, und nicht zuletzt der Gewinnung von Wählerstimmen und neuen Mitgliedern". Daß die Bündnispolitik für die DKP obersten Stellenwert hat, zeigt ein Artikel in der UZ zur "Kulturpolitik". Der Kulturbegriff der DKP sei eine Waffe zum Angriff und zur Verteidigung. Durch vordergründig kulturpolitische Aktivitäten könnten Bevölkerungsschichten und Bündnispartner für gemeinsame Kämpfe neu gewonnen werden. Es gibt also praktisch bis ins Private hinein keinen Lebensbereich, in dem die DKP nicht versuchen will, anderen ihre Propaganda aufzudrängen. Im Rahmen der Bündnispolitik tritt die DKP häufig nicht unmittelbar als Initiator in Erscheinung, sondern bedient sich der von ihr beeinflußten Organisationen. Ein Beispiel dafür ist die enge Zusammenarbeit der DKP-Nebenorganisationen MSB Spartakus mit dem Sozialistischen Hochschulbund (SHB). Der SHB, der in Bayern etwa 70 Mitglieder hat, betreibt eine Politik der "gewerkschaftlichen Orientierung", wobei er für ein langfristiges strategisches Bündnis mit den orthodoxen Kommunisten eintritt und die Errichtung der "antimonopolistischen Demokratie" als "Öffnung des Weges zum Sozialismus" anstrebt. 27 Das Bemühen um den Aufbau einer Aktionseinheit zwischen Kommunisten und Nichtkommunisten ist kein Phänomen, das auf die Bundesrepublik beschränkt ist. Die Sowjetunion bedient sich dabei weltweit ihrer Einwirkungsorganisationen, die die Aufgabe haben, das allgemeine Bewußtsein in den westlichen Ländern zu beeinflussen, zu mobilisieren und schließlich im Sinne Moskaus zu verändern. Die zentrale Steuerung der kommunistischen Einwirkungsorganisationen liegt in den Händen einer eigens dafür zuständigen Sektion der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der KPdSU. Zu den kommunistischen Einwirkungsorganisationen zählen: -- Der Weltfriedensrat (WFR); Verbindungen bestehen zur VVN-BdA, zum KFAZ, zur DFU, -- die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR); Verbindungen bestehen zur VVN-BdA, -- der Weltbund Demokratischer Jugend (WBDJ); Verbindungen bestehen zur SDAJ, zum MSB Spartakus und zu den JP, -- die Internationale Demokratische Frauenföderation (IDFF); Verbindungen bestehen zur DFI, -- die Internationale Vereinigung Demokratischer Juristen (IVDJ); Verbindungen bestehen zur VDJ, -- die Weltföderation der Wissenschaftler (WFW); Verbindungen bestehen zum BdWi. Im Vorfeld jeder einzelnen kommunistischen Einwirkungsorganisation ist eine Vielzahl von "internationalen" Komitees, Büros und Kommissionen tätig. Dadurch soll die zentrale Steuerung von Kampagnen durch die KPdSU verschleiert werden. Diese Verschleierung gelingt besonders wirksam, wenn bekannte Persönlichkeiten für Aktionen und Veranstaltungen in Anspruch genommen werden können. 2.2.5.1 Aktionseinheit Als "Kernstück" ihrer Bündnispolitik sieht die DKP die Herbeiführung der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse". Damit versucht sie, ein Zusammenwirken von "Arbeitern, Angestellten und Beamten, deutschen und ausländischen Kollegen, sozialdemokratischen und kommunistischen, christlichen und parteilosen Arbeitern" zu erreichen. Bei ihrem Werben um Aktionseinheit kommt es der DKP insbesondere auf ein Zusammenwirken mit den Sozialdemokraten an. Im Programm der DKP heißt es dazu: "Im Ringen um die Aktionseinheit mißt die DKP dem gemeinsamen Handeln von Kommunisten und Sozialdemokraten entscheidende Bedeutung bei. Sie repräsentieren die beiden Hauptströmungen der Arbeiterbewegung in der Bundesrepublik. Die DKP erstrebt ein vertrauensvolles, kameradschaftliches Verhältnis zu den Mitgliedern, Anhängern und Organisationen der Sozial28 demokratie. Sie tritt, geleitet von den Interessen der Arbeiterklasse, für die Zusammenarbeit mit der SPD ein". Zum Jahreswechsel 1986/87 betonte der DKP-Vorsitzende Mies, es sei "unübersehbar", daß die "Atmosphäre" in den Beziehungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten "vielerorts und auf verschiedenen Ebenen entspannter und konstruktiver" geworden sei. Starke Beachtung fand bei der DKP das gemeinsame Papier der Grundwertekommission der SPD und der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED zum Thema "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit". Dieses Dokument werde nach Ansicht der DKP "Auswirkungen auf den Dialog verschiedener politischer Kräfte in der Bundesrepublik, insbesondere auf die Beziehungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten haben". Durch dieses Dokument würden "die Tendenzen des Zusammenwirkens vor allem im Friedenskampf gefördert und Impulse für die Aktionseinheit von Sozialdemokraten und Kommunisten gegeben". Entgegen der Äußerung eines Mitglieds des Präsidiums der SPD, SPD und DKP könnten "innenpolitisch nicht Partner von Aktionsbündnissen" sein, zeige die Realität etwas anderes. "Sozialdemokraten und Kommunisten wirken gemeinsam in den Gewerkschaften, in den Betrieben, in den Arbeiteraktionen, in der Friedensbewegung. Sie treten gemeinsam für gleiche Friedensziele ein, sie kämpfen Schulter an Schulter für die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze in der Stahlund Werftindustrie, im Kohlebergbau". Besondere Bedeutung mißt die DKP der Arbeit in Gewerkschaftsgremien auf allen Ebenen bei, weil sie in den Gewerkschaften die "breiteste und umfassendste Klassenorganisation der Arbeiter, Angestellten und Beamten" sieht. Sie betont, für jeden Kommunisten sei es "selbstverständliche Pflicht", "ein aktiver Gewerkschafter zu sein und für die Verwirklichung der den Interessen der Arbeiterklasse dienenden Gewerkschaftsbeschlüsse zu kämpfen". Sie behält sich damit allerdings vor, selbst zu entscheiden, welche Beschlüsse dies sind. Ihr Ziel ist, in Gewerkschaften Einfluß zu gewinnen und sie zu treuen "Bündnisorganisationen" zu machen, d.h. sie für ihre Zwecke nutzbar zu machen getreu der Anweisung Lenins an die Kommunisten, in die Gewerkschaften einzutreten, in ihnen zu bleiben und in ihnen um jeden Preis kommunistische Arbeit zu leisten. Sie setzt sich dafür ein, dem Antikommunismus in den Gewerkschaften keinen Raum zu geben. Nach Auffassung der DKP sollen die Einheitsgewerkschaften nicht "Stütze für ein brüchiger werdendes kapitalistisches System", sondern "Kraftzentrum zur Durchsetzung der Klasseninteressen der Arbeiter, Angestellten und Beamten" sein. Etwa 75 % der DKP-Mitglieder sind nach Darstellung der Partei gewerkschaftlich organisiert; rund 10% nehmen gewerkschaftliche Funktionen und Aufgaben der betrieblichen Mitbestimmung wahr. Ein Beispiel für die Bemühungen der DKP, Aktionseinheit mit den Gewerkschaften zu demonstrieren, war die Teilnahme am "Aktionstag für Arbeitsplätze" (16. Januar 1987), den die IG Metall bundesweit durchführte. Dabei wurde eine Sonderausgabe der "UZ" (mehrere hunderttausend Exemplare) mit Aufrufen zur Solidarität mit den Stahl-, Werftund Bergarbeitern verbreitet. DKPFunktionäre, darunter auch der Vorsitzende Mies, "dokumentierten mit ihrer Anwesenheit ihre Verbundenheit mit den Zielen der Arbeiterbewegung". 29 Unter der Parole "Arbeit, Frieden, Zukunft -- Solidarität hilft siegen" forderte die DKP ihre Mitglieder, "alle Kolleginnen und Kollegen" sowie die gesamte "demokratische" Bevölkerung auf, sich am 1. Mai um die "Verteidigung ihrer Arbeitsplätze, für die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche, für das Verbot der Aussperrung und für eine atomwaffenfreie Welt" solidarisch zu zeigen. Durch den "gemeinsamen Druck der Friedensund Arbeiterbewegung" müsse der 1. Mai zu einem "Höhepunkt im Kampf für unsere gemeinsamen Interessen" gemacht werden. Auf der Mai-Veranstaltung der DKP-Bezirksorganisation Südbayern in München sprach sich der DKP-Vorsitzende Mies für die Unterstützung des gewerkschaftlichen Kampfes zur Verkürzung der Arbeitszeit sowie für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen aus. Mies forderte dazu auf, aktiv in den Gewerkschaften mitzuarbeiten. Besondere Bedeutung wurde von seiten der DKP dem "Kampf um die 35Stunden-Woche" eingeräumt. Die DKP bekräftigte, daß sie in diesen Auseinandersetzungen mit ganzer Kraft solidarisch an der Seite der kämpfenden Gewerkschaften und Belegschaften stehe. Nach Meinung der DKP hätten sich die "Metallbosse verschätzt", da diese bei den Gewerkschaftsmitgliedern nicht mit "soviel Engagement und Kampfbereitschaft" für die 35-Stunden-Woche gerechnet hätten. Gegen die Herausforderung der Aussperrer und Arbeitsplatzvernichter sei praktische Solidarität zu setzen. Die beste Arbeitszeitverkürzung könne jedoch nicht verhindern, daß der Kapitalismus, solange er existiere, immer neue Arbeitslosigkeit produziere. Diese Aussagen machen deutlich, daß die DKP weiterhin in ihren alten Klassenkampfkategorien denkt. Als weiteren Schwerpunkt ihrer bündnispolitischen Bestrebungen sah die DKP die "Rettung der Stahlstandorte" an. Nach Ansicht des DKP-Vorsitzenden ist die Lösung der Probleme in diesem Bereich vorrangig eine Frage der Machtund Besitzverhältnisse. Der Stahlindustrie warf er einen "Ausverkauf der nationalen Interessen bei Stahl, Kohle und Werften" vor. In Rheinhausen zeige sich, wie wenig Menschenwürde gesichert sei, solange kapitalistischer Profit die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft bestimme. Damit werde auch deutlich gemacht, wie nötig in der Bundesrepublik Deutschland eine starke kommunistische Partei sei, die selbstlos mit den Arbeitern und Angestellten kämpfe. Auch hier ist die Entdeckung nationaler Interessen durch die DKP wieder aus ihrem propagandistischen Bemühen um neue Bündnispartner erklärbar. In Bayern sah die DKP mit ihrer Jugendorganisation SDAJ in Solidaritätsaktionen für den Erhalt der "Maxhütte" in Sulzbach-Rosenberg die Möglichkeit, in der Region Oberpfalz neue Bündnispartner zu gewinnen. Mit verschiedenen öffentlichen DKP-Aktionen und der Beteiligung an Veranstaltungen von Gewerkschaften versuchte die DKP ihr Engagement zu diesem Thema unter Beweis zu stellen. Der Vorsitzende der DKP-Bezirksorganisation Nordbayern behauptete einen direkten Zusammenhang zwischen den Schwierigkeiten der "Maxhütte" und dem Bau der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf: "Die Herrschenden nehmen die Schließung des einzigen bayerischen Stahlwerkes billigend in Kauf. Sie spekulieren nicht zuletzt darauf, daß mit dem weiteren Ansteigen der Arbeitslosigkeit die Akzeptanz der Bevölkerung für die WAA steigt". 30 Die DKP-gesteuerte Monatsschrift "Nachrichten" ging in einem Beitrag auf ein Referat des Vorsitzenden der IG Chemie -- Papier -- Keramik ein, in dem es um die "Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus von links und rechts" ging. Der Beitrag wandte sich entschieden gegen die Äußerungen des Gewerkschaftsvorsitzenden, der den Kommunisten unterstelle, gegenüber den Gewerkschaften kein anderes Ziel zu verfolgen als diese zu unterwandern, sie zu zerschlagen und der Politik der Partei zu unterwerfen. Die Warnung vor dem Mißbrauch durch die DKP solle "diejenigen Sozialdemokraten, Jusos, Gewerkschafter -- besonders junge Gewerkschafter -- ... abschrecken und disziplinieren, die in der Gemeinsamkeit das wirksamste Mittel sehen, einer Politik der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen ..." "Viele DKP-Mitglieder waren und sind auch in der IG Chemie -- Papier -- Keramik aktiv und haben ihren Beitrag zu den gewerkschaftspolitischen Erfolgen dieser drittgrößten DGBGewerkschaft geleistet. Einige von ihnen waren bzw. sind auch Mitglieder des Parteivorstandes der DKP". 31 2.2.5.2 Volksfrontpolitik Neben der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" hat für die DKP nach wie vor die Bündnisform der "Volksfront" Gültigkeit, wenngleich sie selbst anstelle dieses Begriffs, der auf Beschlüsse des 7. Kongresses der KOMINTERN im Sommer 1935 in Moskau zurückgeht, aus taktischen Gründen nunmehr die Formulierung "breites antimonopolistisches Bündnis" verwendet. Bei ihren Bemühungen, ein derartiges Bündnis zu bilden, wendet sich die DKP vor allem an Intellektuelle, sowie an bürgerliche Kreise bis hin zu mittleren Unternehmen. Sie will diese Personenkreise in Bündnisse gegen das "Monopolkapital" einbeziehen, seien sie auch "sachlich und zeitlich noch so begrenzt". Daher arbeite sie "aktiv in demokratischen Bewegungen, Bürgerinitiativen und Bündnissen mit". Im Rahmen der Volksfrontpolitik führt die DKP vor allem mit Hilfe der von ihr beeinflußten Organisationen Kampagnen durch und greift Forderungen auf, die auch von demokratischen Gruppen vertreten werden. Dabei versucht die DKP jedoch, propagandistisch einen Bezug zwischen diesen tagespolitisch bestimmten, aktuellen Forderungen und ihren langfristigen kommunistischen Zielsetzungen herzustellen. In seinem Referat auf der 8. Tagung des Parteivorstandes der DKP am 14./ 15. November über die "Aufgaben der Arbeiterbewegung" skizzierte der DKPVorsitzende die wichtigsten Felder der Volksfrontpolitik. "Arbeiterpolitik ist sowohl Kampf um Frieden als auch Kampf um Arbeit, ist ebenso das Eintreten für mehr Demokratie wie für den Umweltschutz". Mies sprach sich dafür aus, "mit anderen Kräften der Friedensbewegung die Forderungen zu erheben: sofortiger Stationierungsstopp für die Mittelstreckenraketen; keine Nachoder Hochrüstung in anderen militärischen Bereichen; keine Weltraummilitarisierung; für einen atomwaffenfreien Korridor, für das Verbot aller chemischen Waffen". In ihrem "Friedenskampf" setzt die DKP auf eine "Strategie des Minimalkonsens", bei dem Gemeinsamkeiten betont und trennende Faktoren zurückgestellt werden. Mit Hilfe""aieser Strategie kann die DKP bei Aktionen der "Friedensbewegung" ihre Forderungen zwar nur teilweise propagieren, andererseits kann sie aber dadurch den "störenden Einfluß" nichtkommunistischer Positionen eindämmen. Die DKP bezeichnet die Führung der USA als Vollzugsbeamten des "militärisch-industriellen Komplexes", der im Atomwaffenund Weltraummilitarisierungsprogramm die "Profitquellen" der nächsten Jahre sehe. Die "totale Unterordnung" der Bundesrepublik Deutschland unter die Interessen Washingtons bedeute den "Ausverkauf nationaler Souveränitätsund Friedensrechte". Damit will sich die DKP in ihrem Bemühen, überall Bündnispartner zu gewinnen, neuerdings sogar als Wahrer angeblich nationaler Interessen der Bundesrepublik Deutschland präsentieren. Was wirklich von der DKP als Wahrer nationaler Interessen zu halten ist, zeigt die Erklärung der DKP zum Besuch des Präsidenten der USA in Berlin (West), der nach dem Willen der Bundesregierung auch der Stärkung der Bindungen Berlins an das übrige Bundesgebiet diente: dies sei ein provokatorischer Auftritt, der "weder Westberlin noch der Sicherheit Europas" nütze. Mit der Beteiligung an Protestaktionen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) versuchte die DKP ihre politischen Vorstel32 m Unsere Forderung an Washington: Schluß mit den Atomwaffentests! lungen zu popularisieren und ihre "Bündnisfähigkeit" zu dokumentieren. Die DKP-Bezirksorganisationen Nordund Südbayern riefen ihre Mitglieder zur Teilnahme an den "Herbstprotestaktionen" gegen die "WAA Wackersdorf" vom 8. bis 10. Oktober auf. In ihrer Berichterstattung über diese Aktionen stellte das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) fest, daß den "vielfältigen friedlichen Widerstandsaktionen gegen die Atomfabrik in der bayerischen Oberpfalz" großangelegte "Bürgerkriegsübungen der Polizei" gegenüber gestanden hätten. Das "besondere Rechtsverständnis" der DKP zeigt sich darin, daß die DKP-Bezirksorganisationen, Nordund Südbayern die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, in der die Zulassung eines Volksbegehrens über den Bau einer atomaren Wiederaufarbeitungsanlage abgelehnt wurde, als empörenden Angriff auf "bestehendes demokratisches Recht" bezeichnete. Diese Aussage belegt wieder einmal, daß für die DKP Recht nur das ist, was ihrer Ideologie und Propaganda entspricht. Auch in der "Kampagne gegen die Volkszählung '87" sah die DKP die Möglichkeit, ihren "Masseneinfluß" zu vergrößern. In einer Erklärung des Präsidiums der DKP wurde bekräftigt, daß alle Aktivitäten und Initiativen für eine "breite Bewegung gegen die Volkszählung", ihrep Boykott oder andere Formen der Verweigerung unterstützt würden. Der von der DKP unterstellte "Widerstand" aus den Reihen der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, von Juristen und" Datenschützern sowie die "Boykottentscheidung" der Grünen 33 \MKH/J to##~|\ Volkszählung'87 * l d - 1 eine schlechte Sache! Broschüre der DKP wurden begrüßt, die Verankerung der "Bewegung gegen die Volkszählung" in der gesamten Arbeiterbewegung, in Betrieben, Schulen und Hochschulen gefordert. Die Referentin für "Demokratische Bündnispolitik" beim Parteivorstand der DKP bezeichnete den Verlauf dieser "Kampagne" als eine "deutliche Demonstration" gegen die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu einem "autoritären Sicherheitsund Überwachungsstaat". Als Erfolg wurde von der DKP die angebliche Vielzahl der unausgefüllten Volkszählungsbögen, die bei den "Sammelstellen der Boykottbewegung" abgegeben worden seien, gewertet. Der DKP-Bezirksvorstand Südbayern empfahl in einem Flugblatt, die achtstellige Ordnungsnummer von dem Volkszählungsbogen abzuschneiden. Im Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten wurden die Geschäftsräume des DKP-Bezirksvorstandes Südbayern durchsucht und 4.000 Flugblätter sichergestellt. Die DKP sprach von Polizeiüberfall, der durch nichts gerechtfertigt und rechtswidrig gewesen sei. Auch 1987 hängte sich die DKP an die aktuelle Diskussion um die Agrarpolitik an. Die Bonnerund EG-Agrarpolitik sei darauf gerichtet, die "Agrarund Lebensmittelversorgung" zu Lasten der Bauern und Verbraucher einzuschränken. Zur Finanzierung eines "Existenzsicherungsprogramms" für die in Not geratenen landwirtschaftlichen Betriebe empfiehlt die DKP wie so oft eine Kürzung der Verteidigungsausgaben. Es müsse eine "neue Agrarpolitik" erkämpft werden, die den "nationalen Interessen" entspreche, die die DKP auch in diesem Zusammenhang zu wahren vorgibt. Die DKP und mehrere ihrer Vorfeldorganisationen nutzten den 22. Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 17. bis 21. Juni in Frankfurt/M. zur Agitation gegen "Imperialismus", für die "Friedenspolitik der Sowjetunion" und für eine Zusammenarbeit von Marxisten und Christen. Die stellvertretene DKP-Vorsitzende hob in einem Grußschreiben an das Präsidium des Kirchentages hervor, es sei "gut, daß die Zusammenarbeit von Christen und Marxisten auf vielen Gebieten zur Selbstverständlichkeit geworden" sei. Die kommunistische Presse begleitete den Kirchentag mit außergewöhnlich breiter Berichterstattung und Kommentierung. 34 2.2.6 Publikationen, Verlage und sonstige Propagandaträger Die wichtigste Publikation der DKP ist ihr Zentralorgan "Unsere Zeit -- Die Zeitung der arbeitenden Menschen -- Zeitung der DKP" (UZ). Sie erschien im Jahr 1987 an Werktagen in einer Auflage von etwa 22.000 (1986: 24.000). Die Auflagenhöhe der Wochenendausgabe am Freitag blieb mit etwa 46.000 Exemplaren auf dem gleichen Stand wie im Vorjahr. Der Herausgeber der "UZ", der Parteivorstand der DKP, veranstaltete in der Zeit vom 11. bis 13. September im Duisburger Wedau-Stadion das 7. "UZ-Pressefest". Das große Friedensfest UZ-Pressefest/Volksfest der DKP Wieder im Wedau-Park Duisburg II. 12.13. September '87 * * - ? . - 35 Die orthodoxen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland verfügen seit Jahren über einen großen Propagandaapparat mit einem Netz von Verlagen und beachtlicher drucktechnischer Kapazität. Um eine größere Effektivität, insbesondere der Werbung, des Vertriebs und des Verkaufs zu erreichen, fusionierten zum 1. Januar 1987 die "Weltkreis-Verlags GmbH", die "RöderbergVerlag GmbH" und der "Pahl-Rugenstein-Verlag", die nun unter dem Namen "Pahl-Rugenstein" firmieren. Das neue Unternehmen setzt die eingeführten Programme aller drei Verlage fort. So hatte der "Pahl-Rugenstein-Verlag" die Förderung der kommunistischen Bündnispolitik zum Ziel, während die Zielgruppe des "Weltkreisverlages" die Jugend war; der "Röderberg-Verlag" war auf Literatur zur kommunistischen "Antifaschismus"-Agitation spezialisiert. Den ersten Schritt zu einer Konzentration der DKP-gesteuerten Verlage hatte es bereits 1983 gegeben, als der Münchener "Damnitz-Verlag GmbH" durch die Firma "Plambeck & Co. Druck und Verlag GmbH" in Neuss übernommen wurde. Dort werden das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) und die meisten anderen Publikationen der DKP verlegt. Ein weiterer Schritt zur Verlagskonzentration war die Übernahme des "Verlages Marxistische Blätter GmbH" durch Plambeck. Dadurch wurde es möglich, die von diesem Verlag herausgegebenen "Marxistischen Blätter" ab Januar 1987 monatlich zu verlegen. Nach dem Abschluß der Fusion der DKP-gesteuerten Verlage bilden seit Anfang 1987 der "Verlag Plambeck" und der neue "Pahl-Rugenstein-Verlag" das Zentrum des orthodox-kommunistisch beeinflußten Verlagsnetzes. Daneben hält der "Brückenverlag GmbH-Literaturvertrieb-Import-Export", der am I.Januar 1987 den "Volksversand" beim "Röderberg Verlag" übernommen hat, ein umfangreiches Büchersortiment aus der UdSSR, der DDR und anderen sozialistischen Staaten bereit. Der Vertrieb dieser "fortschrittlichen Literatur" geschieht über ca. 30 dieser Firma angeschlossene "collectiv"-Buchhandlungen, zu denen auch die in Bayern ansässigen "Libresso-Buchhandlungen" in München, Nürnberg und Regensburg gehören. Ferner nimmt der DKP Einfluß auf die "Nachrichten-Verlags-GmbH", auf den Verlag "plane" GmbH, der die Musikzeitschrift "Eiserne Lerche" herausgibt und auf die "UNIDOC-Film GmbH", die Filme produziert und verleiht. Auch das "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF) hat 1987 als "Wissenschaftliches Institut" der DKP selbst Veröffentlichungen, Berichte und Analysen aus der Sicht des Marxismus-Leninismus herausgeben. Zum Jahresende 1987 wurde das Erscheinen der Vierteljahreszeitschrift "Kürbiskern -- Literatur, Kritik, Klassenkampf" eingestellt. Alle zwei Monate veröffentlichte der Parteivorstand der DKP die Zeitschrift "Praxis -- Erfahrungen aus dem Leben und der Arbeit der Partei". Schwerpunkte der Buchveröffentlichungen der orthodox-kommunistisch beeinflußten Verlage bildeten die Themen "Glasnost" und "Perestrojka", "SDI" und "Atomwaffenfrei bis ins Jahr 2000". Außerdem brachte die DKP die Informationshefte "Bereicherung der Reichen -- Steuerpolitik der Wenderegierung und die Alternativen der DKP" und "Neues Baugesetzbuch -- die Rechte der Bürger werden weiter eingeschränkt" heraus. Im Bereich der Frauenarbeit der DKP erschienen die Broschüren "Frauenarbeit und Frauenförderung in Betrieb und Verwaltung", sowie die Dokumentation "Weg mit dem Beratungsgesetz zum SS218 StGB!". 36 DKP; Weg mit dem Große Bedeutung mißt die DKP ihren Kleinzeitungen bei. Im Jahr 1987 erschienen ca. 50 verschiedene Kreis-, Orts-, Stadtteilund Wohngebietszeitungen der DKP, wobei viele allerdings nicht regelmäßig herausgegeben wurden. 1987 wurden 27 DKP-Betriebszeitungen bekannt. Etwa ein Drittel dieser Zeitungen erschien 1987 nur sporadisch. Um den jeweiligen DKP-Gruppenorganisationen eine Hilfe zur Abfassung der Kleinzeitungen zu geben, hat der Parteivorstand die Broschüre "Info-Dienst" verteilt. Im Bereich der DKP-Bezirksorganisationen Nordund Südbayern sind 1987 zehn Kleinzeitungen neu erschienen, so z.B. "Der rote Besen", eine Frauenzeitung der DKP Südbayern. Eine propagandistische Steuerungsfunktion kommt auch der im November 1979 gegründeten "Marx-Engels-Stiftung e.V." in Wuppertal zu. Sie will der Öffentlichkeit durch Veranstaltungen und Publikationen "Kenntnisse über die heutige Wirksamkeit der Ideen von Karl Marx und Friedrich Engels" vermitteln. Stiftungsvorsitzender ist der DKP-Vorsitzende Herbert Mies. 2.2.7 Schulung Die DKP betrachtet es als erstrangige ideologische und politische Aufgabe, "den Arbeitern und anderen Werktätigen Einsichten in die eigene Klassenlage und den unversöhnlichen Gegensatz zwischen ihren Klasseninteressen und den Machtund Profitinteressen des Großkapitals zu vermitteln und klassenmäßige Erkenntnisse zu vertiefen". Jedes Mitglied der DKP müsse sich bemühen, die "Theorie von Marx, Engels und Lenin zu studieren". Die "ideologische Arbeit" soll das DKP-Mitglied befähigen, "offensiv und überzeugend" die "Weltanschauung und Politik" der Partei zu verbreiten. Diesen Zielen sowie der Verwirklichung des Selbstverständnisses der kommunistischen Partei als einer "Gemeinschaft von Gleichgesinnten" dient die Intensivschulung der DKP-Mitglieder. Diese umfaßt Schulungsabende und Studienzirkel in den Parteigruppen, Kurse der Marxistischen Abendschulen (MASCH) und der Marxistischen Betriebsarbeiterschulen der DKP sowie Kurse und 37 Lehrgänge an der Karl-Liebknecht-Schule der DKP in Leverkusen. An der eigens für Mitglieder der DKP eingerichteten SED-Parteischule "Franz Mehring" in Berlin (Ost) und dem Institut für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der KPdSU in Moskau wurden auch 1987 DKP-Funktionäre eingehend geschult. Die Lehrgänge dauern bis zu einem Jahr. Die Marxistische Arbeiterbildung -- Vereinigung zur Verbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus (MAB), "Dachvereinigung verschiedener selbständiger marxistischer Bildungsorganisationen von sehr unterschiedlicher Strukturund Organisationsform", betreibt insbesondere mit Unterstützung der DKPKreisorganisationen die "Marxistischen Abendbzw. Arbeiterschulen" (MASCH). Ihre Kurse, die auch Nichtparteimitgliedern offenstehen, werden auf der Grundlage einer von der MAB herausgegebenen Seminarplansammlung durchgeführt und umfassen das Studium der marxistischen politischen Ökonomie und des "Wissenschaftlichen Sozialismus", der Grundlage der gesamten marxistisch-leninistischen Doktrin. Im Oktober 1987 nahm die neugegründete "Marxistische Bildungsgemeinschaft Oskar Maria Graf", die als neuer Programmpunkt in das Bildungsangebot der "Münchner Marxistischen Arbeiterbildung" aufgenommen wurde, ihre Arbeit auf. Zur Geschäftsführung dieser marxistischen Bildungseinrichtung wurde der DKP-Funktionär Johann Schneider berufen, der erster Vorsitzender der MAB war. In der MAB waren 1987 bundesweit knapp 30 örtliche MAB-Gemeinschaften aktiv tätig. Die 1987 neugegründete "Karl-Marx-Gesellschaft" in Trier hat sich ebenfalls der MAB angeschlossen. Als gesellschaftsund sozialwissenschaftliches Institut der DKP ist das 1968 gegründete Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V. (IMSF) in Frankfurt a.Main anzusehen. Das IMSF hat die Aufgabe, die Theorie und Methode des "Wissenschaftlichen Sozialismus auf ökonomische und soziale Prozesse des heutigen Kapitalismus" anzuwenden. Das IMSF führte am 16. und 17. Mai in Frankfurt a. Main eine Diskussionsveranstaltung unter dem Thema "Die Linke und der Fortschritt" durch. Nach Aussage des Instituts "spricht für die Akzeptanz des IMSF durch die bundesdeutsche Linke, daß Vertreter der SPD, der Grünen, der DKP, der Friedensliste, der Gewerkschaften, von MSB und SDAJ, daß Demokraten, Sozialisten und Kommunisten der Einladung gefolgt waren ...". Mittelpunkt dieser "wissenschaftlich-politischen Konferenz" sei das "gemeinsame Bemühen, fern jeder Ausgrenzungsund Abgrenzungsneurose, um Fortschritte der Linken im Ringen um die theoretische Analyse und politische Umsetzbarkeit einer gemeinsamen Strategie des Fortschritts". Dem IMSF wurde im März 1987 eine neue Abteilung mit der Bezeichnung "Zentrum für Marxistische Friedensforschung" (ZMF) angegliedert. Das ZMF will insbesondere die "politische Friedensdiskussion" des Inund Auslandes durch "wissenschaftliche Informationen" anregen. Dem ZMF steht ein "wissenschaftliches Kuratorium" als beratendes Gremium zur Seite, dem "Wissenschaftler" aus der Bundesrepublik Deutschland sowie sonstigen "kapitalistischen und sozialistischen" Ländern angehören. Zur Unterstützung der Bildungsarbeit dient die Publikation "Bildungs-Magazin", eine vom Parteivorstand für das "Bildungsjahr" 1986/87 bzw. 1987/88 herausgebrachte Informationsbroschüre. 38 2.2.8 Betriebsarbeit der DKP Die DKP sieht ihre Betriebsarbeit als den "Motor des Klassenkampfes" an. Aus diesem Grunde ist die DKP auch die führende extremistische Kraft auf dem Gebiet der Betriebsarbeit. Der Betrieb ist für sie als "Ort des alltäglichen Klassenkampfes", des --wie Marx sagte-elementaren "Guerillakrieges zwischen Kapital und Arbeit" das "wichtigste Kampffeld". Hier sieht die DKP "die besten Möglichkeiten, den Arbeitern die Unversöhnlichkeit ihrer Klasseninteressen mit denen der Bourgeoisie bewußt zu machen". Die DKP handelt dabei getreu der Devise Lenins: "Die Agitation unter den Arbeitern besteht darin, an allen spontanen Kampfaktionen der Arbeiterklasse, an allen Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Kapitalisten, wegen Arbeitszeit, Arbeitslohn, Arbeitsbedingungen teilzunehmen". In These 42 des 8. Parteitages der DKP wird als Hauptadressat ihrer Politik die Arbeiterklasse im allgemeinen und die der Großbetriebe im besonderen genannt. Aktuelle Schwerpunkte der DKP-Betriebsarbeit sind die Branchen der Stahlund Werftindustrie sowie des Bergbaues und die großen metallverarbeitenden Werke der Automobilindustrie. Die wesentliche Aufgabe der Betriebsgruppen der DKP besteht darin, DKP-Mitglieder in Betriebsräten und gewerkschaftlichen Vertrauenskörpern zu unterstützen und in Betriebs-und Gewerkschaftsversammlungen "den Standpunkt der Arbeiterklasse überzeugend" zu vertreten. Über die Situation auf dem Gebiet der Betriebsarbeit hat der DKPVorsitzende berichtet: "Wir haben heute weit über 400 Betriebsgruppen, von denen knapp zwei Drittel in der materiellen Produktion und mehr als ein Drittel im Dienstleistungsbereich tätig sind". Die DKP versucht in den Betrieben als Vorstufe der Betriebsgruppen sogenannte Betriebsaktivs zu bilden. Sie sollen durch ihre Arbeit die Voraussetzungen zur Gründung einer Betriebsgruppe schaffen. In sie sollen Mitglieder aus Wohngebietsoder Hochschulgruppen zeitweilig delegiert werden, die den "Genossen des Betriebs alle Hilfe und Unterstützung zu geben haben". Der DKP ist es jedoch nicht gelungen, in allen Großbetrieben mit mehr als 1.000 Beschäftigten eine Betriebsgruppe oder ein Betriebsaktiv zu bilden. Die Zahl der in Bayern bekanntgewordenen Betriebsgruppen erhöhte sich auf 36 (1986: 34). Die Anzahl der Betriebsaktivs blieb mit ca. 35 gegenüber dem Vorjahr unverändert. Zur Koordinierung und Aktivierung der Betriebsarbeit veranstaltet die DKP überörtliche Beratungen, Seminare und Aussprachen mit Betriebsarbeitern und Funktionären. Auch 1987 wurden Lehrgänge an der Karl-Liebknecht-Schule der DKP in Leverkusen u.a. für Betriebsarbeiter, für Betriebsräte und gewerkschaftliche Vertrauensleute und Jugendvertreter abgehalten. Daneben diente auch die "SED-Parteischule Franz-Mehring" in Berlin (Ost), die ausschließlich der Kaderschulung der DKP vorbehalten ist, zur Schulung kommunistischer Betriebsarbeiter. Als weiteres Hilfsmittel für ihre betrieblichen Unterwanderungsbestrebungen dienen der DKP ihre Betriebszeitungen. Die Zahl der in Bayern bekanntgewordenen Betriebszeitungen verringerte sich auf 30 (1986: ca. 35). Die DKP betrachtet die Betriebszeitungen als eine der "schärfsten Waffen der politischen, 39 ideologischen und ökonomischen Aufklärungsarbeit", als eine "besondere Form der Betriebsagitation". Einen weiteren Schwerpunkt der betrieblichen Arbeit der DKP bildeten Agitation und Aktion im Zusammenhang mit den Betriebsratswahlen 1987. So forderte die DKP die "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" durch gewerkschaftliche Einheit zu stärken; dabei hob sie die "unersetzliche Rolle" der "kämpferischen, an den Klasseninteressen orientierten Betriebsräte" hervor. Nach Aussage des DKP-Vorsitzenden Mies habe man bei den Betriebsund Personalratswahlen einen "abnehmenden Antikommunismus" und einen Mandatsgewinn von Kolleginnen und Kollegen, "die von den Klassenauseinandersetzungen der letzten Jahre stärker geprägt sind", feststellen können. Diesem Trend entspreche auch ein "beträchtlicher Zuwachs an Mandaten, die von Kommunistinnen und Kommunisten errungen wurden". Auf die große Bedeutung der betrieblichen Friedensinitiativen wird im Abschnitt "Neue Fragen der Aktionseinheitsund Bündnispolitik" der Thesen des 8. Parteitags der DKP hingewiesen: "Die betrieblichen Friedensinitiativen sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Friedensbewegung und Arbeiterbewegung. In ihnen verwirklicht sich die Aktionseinheit der Arbeiterklasse in den Betrieben". Ihre grundsätzliche Bedeutung liege darin, daß sie die "Erfahrungen organisierten Handelns der Arbeiterklasse, den langen Atem und die Beharrlichkeit, die im Kampf zwischen Kapital und Arbeit Grundlage von Erfolgen sind, mit in den Friedenskampf einbringen". 2.2.9 Beteiligung an Wahlen Auch an der Bundestagswahl vom 25. Januar beteiligte sich die DKP -- ebenso wie an der vorangegangenen Landtagswahl in Bayern am 12. Oktober 1986 -- nicht durch eine eigene Kandidatur. Anläßlich eines "Neujahrsempfangs" des DKP-Parteivorsitzenden am 7. Januar in Bonn erklärte der DKP-Vorsitzende Mies entsprechend der Entscheidung des DKP-Parteivorstandes Ende März 1986 die Taktik der DKP bei der Bundestagswahl 1987. Er empfahl, die Erststimme für die "Friedensliste", die Zweitstimme der SPD oder den "Grünen" zu geben. So könne nie die "Legende" aufkommen, die Kommunisten hätten nicht "alles, aber auch alles" für ein "Ende der Wende" getan. Die DKP versuchte mit dieser Strategie, alle Kräfte "links von der CDU/CSU" zu einem "offensiven Kampf gegen die Rechtskoalition" zu bewegen. Das Ergebnis der Wahl, bei der die 44 Kandidaten des DKP-gesteuerten Personenbündnisses "Die Friedensliste" in Bayern mit insgesamt 26.489 Stimmen einen Anteil von rund 0,4 Prozent erreichten, wertete die DKP als eine Absage an den "reaktionären Stahihelm-Kurs". Das Wahlergebnis, so betonte Mies, habe die Wählerbasis der Kräfte, die für ein Ende der Wende nach rechts eintreten, vergrößert. Gleichzeitig betonte Mies in Telegrammen an SPD und "Grüne" die Notwendigkeit der "Aktionseinheit" und des Bündnisses aller demokratischen und linken Kräfte sowie der Fortsetzung des Kampfes für eine neue Politik. 40 Zeitung der DKP-Hochschulgruppe München Der Aufruf der DKP, mit der Zweitstimme die SPD oder die "Grünen" zu wählen, hatte innerhalb der DKP zu Kontroversen geführt. Der DKP-Parteivorstand hat darauf im April mit einer Entschließung reagiert. Hauptformen des "Eingreifens" der DKP bei Wahlen blieben "Eigenkandidaturen oder Wahlbündnisse". Aufrufe zur Wahl anderer Parteien schieden als "Grundlage einer allgemeinen und längerfristigen Wahlpolitik" aus, da sie "die DKP praktisch in eine Wählerinitiative für andere politische Kräfte verwandeln würden". 2.2.10 DKP-Hochschulgruppen Die DKP-Hochschulgruppen sind Grundeinheiten der DKP, denen alle an einer Hochschule tätigen DKP-Mitglieder (Lehrpersonal, Mitarbeiter der Verwaltung und Studenten) angehören sollen. Ihre Aufgabe ist es, im Bildungsbereich die Voraussetzungen für einen etappenweisen Übergang von der parlamentarischen Demokratie zum Sozialismus kommunistischer Prägung zu schaffen. Die DKP-Hochschulgruppen steuerten auch 1987 wieder die Aktionen des MSB Spartakus. Sie arbeiteten ferner mit anderen linksextremen Studentenorganisationen zusammen, die für "Mitbestimmung und Demokratisierung" der Hochschulen eintreten. DKP-Hochschulgruppen bestehen in Augsburg, Bamberg, Erlangen-Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Ihre Publikationen erscheinen unter Titeln wie z.B. "DKP-Aktuell", "Rundschlag", "audimarx" und "Krokodil". 2.3 Nebenorganisationen der DKP Die DKP wurde auch 1987 in ihren politischen Aktivitäten in weiten Bereichen durch ihre Nebenorganisationen unterstützt. Diese sind zwar organisatorisch selbständige Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Führungsgremien, ordnen sich aber politisch der DKP unter und bekennen sich wie diese zum Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung. Maßgebende Funktionen nehmen DKP-Mitglieder wahr. Solche Nebenorganisationen sind wie bisher die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), der Marxistische Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) und die Jungen Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP). 41 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die SDAJ wurde 1968 in Essen gegründet. Sie hat bundesweit knapp 15.000 Mitglieder. In Bayern blieb die Mitgliederzahl mit 1.150 etwa auf dem Stand von 1986. Ein angestrebter Mitgliederzuwachs aufgrund der Festivalkampagne (vom November 1987 bis zum Festival der Jugend am 475. Juni 1988 in Herne) konnte nicht verzeichnet werden. Bundesvorsitzende der SDAJ ist Birgit Radow, ihr Stellvertreter Hans Georg Eberhard. Dem Bundesvorstand gehören 6 SDAJ-Funktionäre aus Bayern an. Die SDAJ, deren Mitglieder zum Teil gleichzeitig der DKP oder von der DKP beeinflußten Organisationen angehören, ist nach wie vor die mitgliederstärkste Nebenorganisation und zugleich die bedeutendste Kaderreserve der DKP. Mit dieser kämpft sie gemeinsam für eine "sozialistische Ordnung" in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Vorbild der DDR. Nach ihrem "Aktionsprogramm für die Grundrechte der Jugend" will die SDAJ die "sozialistische Bundesrepublik" im "entschiedenen Klassenkampf" erreichen. Sie bekennt sich zu einem Sozialismus nach den Ideen von Marx, Engels und Lenin und will die revolutionären Traditionen der Arbeiterjugendbewegung fortsetzen. Auch heute gebe es nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Möglichkeit, Massen von Jugendlichen zu jungen Revolutionären zu erziehen. Die SDAJ ist eine der aktivsten Mitgliedsorganisationen des prosowjetischen Weltbundes der demokratischen Jugend (WBDJ) und pflegt vor allem mit der SED-Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) und der sowjetischen Jugendorganisation "Komsomol" "freundschaftliche Verbundenheit". Die SDAJ führte Ende September bis zum 10. Oktober eine bundesweite Veranstaltungsreihe zum 70. Jahrestag der Oktoberrevolution durch, an der in Bayern etwa 500 Personen teilnahmen. Die organisatorische Struktur der SDAJ blieb 1987 unverändert. Eigenen Angaben zufolge hat die SDAJ bundesweit 1.088 Gruppen, darunter 216 Betriebsgruppen und 253 Schulgruppen. Es bestehen Landesverbände, die ihrerseits in Kreisverbände und Ortsgruppen unterteilt sind. In Bayern gibt es in Anlehnung an die Organisation der DKP die Landesverbände Franken/Oberpfalz und Südbayern. Sprachrohr der SDAJ ist "elan -- Das Jugendmagazin". Es erscheint monatlich in einer Auflage von unter 19.000 (1986: 26.000) Exemplaren. In Bayern wurden 1987 17 Kleinzeitungen der SDAJ bekannt, davon 4 Betriebszeitungen (1986: 21 Kleinzeitungen, davon 8 Betriebszeitungen). Die zentrale Ausbildungsstätte der SDAJ, die auch von der DKP und den Jungen Pionieren genutzt wird, befindet sich auf Gut Wahrberg in Aurach, Landkreis Ansbach. 1987 fanden dort zahlreiche Lehrgänge für SDAJ-Gruppenleiter und für Betriebsgruppen, Einführungsund Aufbaukurse mit Themen wie "Was will die SDAJ?", "Geschichte der Arbeiterjugendbewegung", "Einführung in die Marxistische Philosophie" und "Frauenpolitik der SDAJ", statt. Die SDAJ ist in Bayern in keinem Jugendring auf Stadt-, Kreisoder Landesebene vertreten, obwohl sie gerade 1987 in Bayern große Anstrengungen unternommen hat, dieses schon lange angestrebte Ziel zu erreichen. Unter dem Motto: "Abrüsten jetzt! Für eine bessere Zukunft! Leben-Kämpfen-Verändern -- Auf uns kommt es an!" fand am 2. und 3. Mai in Frankfurt der 42 Gemeinsam draußen und drinnen * frieden und 55-Stunden-Wodne, gegen WAA, *hp&w' \ Ausländerfeindlichkeit und "!?PS \ Neonazis : ^^M&P *0> 5.-8.Junr BurgWahrbei n : i a > - i . n ; f i H . i 9. Bundeskongreß der SDAJ mit 757 Delegierten statt. Unter den zahlreichen Gästen befand sich auch eine DKP-Abordnung unter Leitung von Herbert Mies; in seiner Grußansprache bezeichnete er die SDAJ als "einzigen revolutionären Jugendverband in der Bundesrepublik" und betonte die "Kampfbereitschaft von DKP und SDAJ". Die SDAJ veranstaltete zu Pfingsten wieder ihre traditionellen Camps. Der Landesverband Südbayern hatte nach Zellsee bei Weilheim eingeladen, wo sich vom 5. bis 8. Juni etwa 600 Personen einfanden, unter ihnen auch DKP-Funktionäre sowie Angehörige der VVN/BdA und des ADS. Etwa 120 Personen aus dem Landesverband Franken/Oberpfalz trafen sich auf Gut Wahrberg. Zentrale Gesprächsthemen waren die Vorbereitung und Mobilisierung für die bundesweiten Schülerstreiks am 11. Juni und die Demonstration der "Friedensbewegung" am 13. Juni in Bonn. Vom 23. bis 30. August veranstaltete die SDAJ auf Gut Wahrberg ihr 11. Victor-Jara-Treffen, an dem sich ca. 130 Künstlerin43 nen und Künstler beteiligten. Im Mittelpunkt des Treffens stand neben künstlerischen Aktivitäten eine Chile-Solidaritätsaktion in der Altstadt von Ansbach. Mit der Parole "Auf zum nächsten Boykott" "knallhart und kollektiv" hatte die SDAJ zum "Widerstand" gegen die im Mai 1987 durchgeführte Volkszählung aufgerufen. In der Februarausgabe ihres Organs "Jugendpolitische Blätter" forderte sie, alle Ansätze des Protestes zu nutzen, um den "Kräften der Demokratie" gegen die "reaktionäre Gesellschaftskonzeption" zum Erfolg zu verhelfen. Als einen "Schritt zur Mobilisierung" empfahl die SDAJ u.a. ihren Mitgliedern, den Eltern "Mut zum Boykott" zu machen sowie "Volkszählungsinitiatb ven" an der Schule und in Gewerkschaftsgruppen zu gründen. Sie riet, in den Erfassungsbogen keine konkreten Angaben zu machen. Die SDAJ unterstützte die "Schülerbewegung '87". Die "ersten bundesweiten Schulstreiks" -- am I.Juni in Bayern, am 11. Juni in den anderen Bundesländern -- werteten die SDAJ und Funktionäre der DKP als "Massenaktion", die Mut mache auch für andere Bereiche. Geplante Verschärfungen der Bedingungen für das Abitur und Schulzeitverkürzungen führten nur zur Elitebildung. Die SDAJ müsse sich an den Schulen gegen die "Rückreformierung der Oberstufe" wehren. Unzufriedenheit über die eigene Situation, "Mißtrauen gegenüber allem, was von oben kommt", bilde die Grundlage für eine "Zustimmung" der Schüler zu "radikalen Forderungen und Aktionsformen". Aus dieser Äußerung der SDAJ geht hervor, daß es ihr gar nicht um eine sachliche Diskussion geht, sondern um eine bloße politische Stimmungsmache aus einem von ihr selbst erzeugten dumpfen Gefühl der Unzufriedenheit. Die SDAJ fordert den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie im Bundesgebiet. Die prinzipielle Befürwortung der friedlichen Nutzung der Kernenergie wurde aufgegeben. Für sozialistische Länder dagegen hält man die Nutzung der Kernspaltung zur Energiegewinnung für einen "historisch begrenzten Zeitraum" für verantwortbar, weil die Energiefrage über die Möglichkeiten des Sozialismus zur Unterstützung von Befreiungsbewegungen mitentscheide. Die SDAJ in Bayern beteiligte sich daher auch an verschiedenen Aktionen gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage, insbesonere an der Großveranstaltung am 10. Oktober in Wackersdorf. Auf ihrem "Auszubildendenkongreß" am 26. September in Dortmund erklärte die SDAJ, der "Kampf um eine bessere Qualität der Ausbildung" werde "immer mehr zum Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen Arbeiterjugend und Unternehmern". Die 250 Teilnehmer des Kongresses sprachen sich deshalb für eine stärkere Vertretung der Lehrlinge und jungen Arbeiter in den Betrieben aus. Hierzu werde eine "Aktionskampagne" der SDAJ für die Schaffung von "Jugendund Ausbildungsvertretungen" angekündigt. Die Großbetriebe seien die Hauptverantwortlichen für die Zukunftslosigkeit vieler Jugendlicher. Ihr Profitstreben sei der Grund für den Abbau von Ausbildungsplätzen. Jeder, der nicht ausbildet, müsse zahlen. Die SDAJ erklärt sich mit allen "Unterdrückten" solidarisch. Sie will in diesem Zusammenhang ihre Kampagne für die Freilassung aller politischen Gefangenen in Chile fortsetzen. Seit ihrem 8. Bundeskongreß (15./16. Dezember 1984 in Bottrop) will sie außerdem 104.000,00 DM für den Freiheitssender "Radio Mandela" gesammelt haben. Mit dieser Summe soll eine bewegliche Sendesta44 tion für den Sender des in Südafrika verbotenen "African-National-Congress" (ANC) beschafft werden. Die SDAJ betont die Bedeutung "demokratischer Soldaten" im Klassenkampf. Sie könnten "im Verlaufe demokratischer und antimonopolistischer Veränderungen" dafür sorgen, daß das "Militär in den Kasernen bleibt". So sei eine sozialistische Umwälzung ohne Bürgerkrieg und Blutvergießen möglich. In ihrem "antimilitaristischen Kampf" unterstützte die SDAJ auch 1987 die von ihr beeinflußten Arbeitskreise Demokratischer Soldaten (ADS). Die ADS in Bayern beteiligten sich an den "Ostermärschen" sowie an Veranstaltungen der SDAJ. In München wurde in einer Kaserne die ADS-Zeitung "Rührt Euch" verteilt. Der ADS-Südbayern gab eine Zeitung für die I.Gebirgsdivision "Muli vorwärts" heraus. In der Landeshauptstadt München erschien die "Neue Lage". 2.3.2 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) Der MSB Spartakus, gegründet 1971, ist der stärkste orthodox-kommunistische Studentenverband in der Bundesrepublik Deutschland. Er bekennt sich zum Marxismus-Leninismus. Zusammen mit der DKP und der SDAJ kämpft er für die "sozialistische Revplution" und propagiert den "realen Sozialismus" der DDR als grundsätzliche Alternative zum "kapitalistischen System". Er sieht sich als "größte und einflußreichste Studentenorganisation an den bundesdeutschen Hochschulen" und als entscheidenden Faktor für die "Kontinuität der Studentenbewegung", die wegen der "Aktionseinheit, vor allem von MSB und SHB, zu einem Motor der außerparlamentarischen Bewegung" geworden sei. Die Zusammenarbeit mit kommunistischen Jugendund Studentenorganisationen wurde auch 1987 beibehalten. Im Rechenschaftsbericht für den 10. Bundeskongreß würdigte der Bundesvorstand des MSB Spartakus die "historische Rolle des Sozialismus" im Kampf für den Fortschritt. Die Sowjetunion habe dabei eine Vorreiterrolle. Der Bundesvorsitzende erklärte, der MSB Spartakus sei mit der DKP, dem engen Kampfgefährten, durch das sozialistische Ziel und die revolutionäre Strategie verbunden. Bundesweit verfügt der MSB Spartakus über 6.000 Mitglieder, von denen sich unverändert etwa 250 auf die an den bayerischen Hochschulen in Augsburg, München, Regensburg, Bamberg, Erlangen-Nürnberg, Landshut, Würzburg und Coburg aktiven Gruppen verteilen. Organ des MSB Spartakus sind die "roten blätter", das in einer monatlichen Auflage von 11.500 Exemplaren erscheinende Student-inn-enmagazin. Als Nebenorganisation der DKP hat der MSB Spartakus die Aufgabe, kommunistische Vorstellungen in die Hochschulen einzubringen und die Studenten hierfür zu mobilisieren. Während die DKP-Hochschulgruppen die Politik der DKP an den Hochschulen offen vertreten, übt der MSB Spartakus aus taktischen Gründen vielfach eine größere Zurückhaltung, um sich anderen Studentengruppen als "Bündnispartner" anbieten zu können. Im Rahmen dieser Aufgabenerfüllung verfolgt der MSB Spartakus auch eine Politik der "gewerkschaftlichen Orientierung". Er versucht hierbei, seine hochschulpolitischen Forderungen mit gewerkschaftlichen Kampfmitteln wie "Urabstimmung" und "Streiks" durchzusetzen. 45 Die MSB-Gruppen an den bayerischen Hochschulen entfalteten auch 1987 verschiedene Aktivitäten. Sie reichten von Aktionen zur Volkszählung, "ApartheidPolitik" in Südafrika, "Glasnost" bis hin zu der Demonstration gegen den Entwurf des Bayerischen Hochschulgesetzes am 26. Juni in München und der von den Vereinigten Deutschen Studentenschaften (VDS) und der Bundesschülervertretung (BSV) initiierten Demonstration "gegen die Bildungspolitik" am 28. November in Bonn. 2.3.3 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) Die JP wurden 1974 auf Initiative der DKP nach dem Vorbild der Staatsjugendorganisationen der sozialistischen Länder gegründet. Sie erfassen Kinder von 6 bis 14 Jahren. Nach ihrer Satzung kämpfen die JP für den Sozialismus und betrachten sich als Teil der weltweiten kommunistischen Pionierbewegung. Sie dienen der DKP und der SDAJ als Basis für die Mitgliedergewinnung. Die DKP unterstützt mit der SDAJ und dem MSB Spartakus die JP in der Erwartung, daß sie die Kinder kommunistisch erziehen. Führungspositionen innerhalb der JP werden durchweg von Jugendlichen und Erwachsenen eingenommen, die als DKPbzw. als SDAJ-Angehörige bekannt sind. Der JP-Bundesvorsitzende Gerd Hertel als auch seine Stellvertreterin gehören gleichzeitig dem geschäftsführenden Bundesvorstand der SDAJ an. Von den 55 Mitgliedern der Bundesleitung kommen 5 aus Bayern. Die JP gliedern sich nach ihrer Satzung in Gruppen-, Kreisund Landesverbände. In Bayern bestehen die Landesverbände Franken/Oberpfaz und Südbayem. Der neue JP-Landesvorstand Südbayern setzt sich aus 5 SDAJ-Angehörigen zusammen. Trotz des von der Bundesleitung von Juni bis Dezember ausgeschriebenen Wettbewerbs zur Mitgliedergewinnung ("Sternenrally 87") betrug die Zahl der JP-Mitglieder bundesweit nach wie vor 4.000. Auch in Bayern ist die Mitgliederzahl mit 500 gegenüber dem Vorjahr gleichgeblieben. Vom Bundesverband der JP werden die Kinderzeitung "Pionier" und "Pionierleiterinformation" veröffentlicht. Am 576. Dezember fand in Dortmund die 6. Bundeskonferenz der JP ("Atomwaffenfrei ins Jahr 2000 -- den Kindern muß die Zukunft gehören") statt. 292 Delegierte führten einen "umfassenden Erfahrungsaustausch" über ihre Arbeit bei der Gewinnung und Einbeziehung von Kindern im Kampf um "ihre Rechte" und diskutierten anstehende Aufgaben. Unter dem Motto: "Abenteuer und Spaß -- mach mit" führten die JP der kommunistischen Presse zufolge bundesweit 44 Pfingstcamps durch -- 14 mehr als im Vorjahr. Daran sollen erstmals auch Gäste aus der DDR, der CSSR, Frankreich, Dänemark und Belgien teilgenommen haben. Am Pfingstcamp der JP Südbayern in der Nähe von Ingolstadt nahmen 80 Kinder teil. Beim Camp der JP Nordbayern bei Erlangen hatten sich 150 Kinder eingefunden, von denen 20 in die Organisation aufgenommen worden sind. Bei der "Kinderferienaktion 87" der DKP und der JP reisten etwa 2.300 Kinder aus der Bundesrepublik Deutschland in das "kinderfreundliche Land DDR". Aus Bayern nahmen ca. 200 Kinder daran teil. Bei den Kindern sollten durch "sehr frühe Anstöße" Vorurteile gegenüber der DDR, der DKP und ihrer Welt46 anschauung abgebaut werden. Außerdem biete die Kinderferienaktion -- so die JP -- enorme Chancen zur Verankerung der DKP, SDAJ und der JP in den Arbeiterwohngebieten und in den Betrieben. 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen 2.4.1 Allgemeines Die DKP ist realistisch genug zu erkennen, daß sie mit einer unverhohlenen *Propagierung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele bei der Bevölkerung keine nennenswerte Resonanz findet. Deshalb wirkt sie, oft mit Unterstützung ihrer . Nebenorganisationen, darauf hin, daß Organisationen, Initiativen oder Komitees gegründet werden, die nicht Teil der Partei oder ihrer Nebenorganisationen sind, aber gleichwohl dazu dienen, kommunistische Zielsetzungen zu fördern. Außerdem bemüht sich die DKP nach den Grundsätzen ihrer Bündnispolitik, bei zahlreichen nichtkommunistischen Organisationen Einfluß zu gewinnen, zu erhalten oder ihn zu verstärken. Der Einfluß der DKP bzw. ihrer Nebenorganisationen auf solche "beeinflußten Organisationen" zeigt sich u.a. darin, daß diese Organisationen eng mit der DKP oder ihren Nebenorganisationen zusammenarbeiten, daß sie von der DKP oder ihren Nebenorganisationen materiell unterstützt werden, daß sie in ihren Führungsgremien wichtige Positionen mit Kommunisten besetzen oder daß unter ihren Mitgliedern zahlreiche Kommunisten sind. Diese beeinflußten Organisationen propagieren vielfach Forderungen, die für sich gesehen nicht ver47 fassungsfeindlich sind, aber in Teilbereichen mit Zielsetzungen der orthodoxen Kommunisten übereinstimmen. Damit leisten sie den Bestrebungen der DKP Vorschub, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, denn dieser zentralen verfassungsfeindlichen Zielsetzung dienen alle Aktivitäten der DKP, auch die vermeintlich unverfänglichen. Bei den beeinflußten Organisationen liegen häufig mehrere, gelegentlich auch alle genannten Merkmale vor. Je stärker der kommunistische Einfluß ist, desto geringer sind die Möglichkeiten für die nichtextremistischen Mitglieder solcher Organisationen, Einfluß zu nehmen auf die interne Willensbildung, die politischen Äußerungen und die Aktivitäten der Organisation, insbesondere die Beteiligung an Volksfrontaktionen. Bei anderen beeinflußten Organisationen besteht dagegen trotz des DKP-Einflusses Raum für politisches Eigenleben; die kommunistische Beeinflussung ist hier für das einfache Mitglied und für Außenstehende nicht immer leicht erkennbar. Hierzu zählen auch einige "Friedensinitiativen", die in unterschiedlichem Ausmaß von der Orthodoxen Linken, aber auch von Gruppierungen der Neuen Linken beeinflußt werden. Bei den meisten "Friedensinitiativen" ist jedoch eine extremistische Beeinflussung nicht feststellbar. Zu den wichtigsten DKP-beeinflußten Organisationen gehören: -- die Deutsche Friedens-Union (DFU) -- die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) -- die Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) -- das Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) -- die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. (VDJ) -- die Demokratische Fraueninitiative (DFI) -- die "Friedensliste". In diesem Zusammenhang sind auch die Initiativen gegen die "Berufsverbote" zu erwähnen. Die Koordination der Aktivitäten von Komitees und Initiativen "gegen die Berufsverbote", die sich gegen die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern und Angehörigen des öffentlichen Dienstes wenden, liegt überwiegend beim DKP-beeinflußten "Arbeitsausschuß" der überregionalen Initiative "Weg mit den Berufsverboten" in Hamburg. In Bayern gingen 1987 von dem orthodox-kommunistisch beeinflußten Nürnberger Bürgerkomitee "Verteidigung der Grundrechte -- Aufhebung der Berufsverbote" und der ebenfalls orthodox-kommunistisch beeinflußten "Münchner Bürgerinitiative gegen Berufsverbote" nur geringe Aktivitäten aus. Zu den DKP-beeinflußten Organisationen gehören auch sogenannte "Freundschaftsgesellschaften", die beim Kampf der DKP gegen "Imperialismus und Neokolonialismus" eine initiierende und koordinierende Rolle spielen. In Bayern traten die "Gesellschaft für die Freundschaft zwischen den Völkern in der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Vietnam e.V." (FG BRD-Vietnam e.V.) und die "Freundschaftsgesellschaft Bundesrepublik Deutschland -- Kuba e.V." (FG BRD-Kuba e.V.) in Erscheinung. 48 Orthodox-kommunistisch beeinflußte Organisationen beteiligten sich 1987 aktiv an den Kampagnen und Aktionen der DKP. Wie in den Jahren zuvor lag der Schwerpunkt der Aktivitäten auch 1987 beim "Friedenskampf". Neben der Kampagne gegen die "Strategische Verteidigungs-Initiative" (SDI) stand die Forderung nach Einstellung der Atomtests im Mittelpunkt. Weitere herausragende Themen waren u.a. der "Boykott" der Volkszählung, die "Berufsverbote" und die "Herbstaktionen" gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wakkersdorf (WAW). 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) Die 1960 auf kommunistisches Betreiben als "Volksfrontpartei" gegründete DFU, die sich seit 1984 als "politische Vereinigung" versteht, weiß sich dem "antifaschistischen und antimonopolistischen Auftrag des Grundgesetzes und der meisten Länderverfassungen verpflichtet". Sie wendet sich insbesondere gegen "Antikommunismus" und "Demokratieabbau" und fordert "Schluß zu machen ... mit der Militarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche". Die DFU, die Mitglied des sowjetisch gelenkten Weltfriedensrates (WFR) ist, vertritt die Auffassung, daß die Erreichung der Ziele der "Friedensbewegung und anderer demokratischer und sozialer Bewegungen nur im Bündnis mit der Arbeiterbewegung, mit ihren Gewerkschaften und Parteien möglich ist". Verfassungskonforme Forderungen, die auch von demokratischen Kräften vertreten werden, wre etwa das Eintreten für "friedliche Koexistenz, Entspannung und Abrüstung, sozialen und demokratischen Fortschritt", werden entsprechend der Strategie orthodox-kommunistisch beeinflußter Organisationen in verschleierter Form mit Zielsetzungen der orthodoxen Kommunisten verbunden. Die politische Betätigung der DFU dient damit in erheblichem Umfang der Förderung kommunistischer Vorstellungen. Auf Bundesebene wird die DFU vom Bundesvorstand geleitet, dessen Vorsitz ein Direktorium innehat. Von den über 60 Mitgliedern des Direktoriums und des Bundesvorstandes gehörten zahlreiche Personen der 1956 verbotenen KPD an; andere sind Mitglieder der DKP oder einer kommunistisch beeinflußten Organisation. Bundesweit verfügt die DFU über neun Landesverbände, davon einen in Bayern. Dem Landesverband Bayern sind fünf Bezirksverbände nachgeordnet, die unterschiedlich aktiv waren. Die Zahl der Mitglieder lag am Jahresende im Bundesgebiet unverändert bei rund 1.000 Personen; in Bayern bei knapp 400 Personen. Bei der im März durchgeführten Mitgliederversammlung des Landesverbandes Bayern wurde Heinz Drab zum neuen Vorsitzenden gewählt. Als Sprachrohr sowohl der DFU als auch der VVN-BdA dient die wöchentlich mit einer Auflage von 26.000 Exemplaren erscheinende "Deutsche Volkszeitung/die tat", die sich seit September 1987 als "Volkszeitung" bezeichnet und den bisherigen Namen aus "traditionellen Gründen" als Untertitel weiterführt. Ihr Chefredakteur gehört der DKP an und war lange Zeit für die "roten blätter", das Zentralorgan des MSB Spartakus, verantwortlich. Daneben gibt die DFU in unregelmäßigen Abständen einen "Pressedienst" heraus, in dem vom Direktorium bzw. von Direktoriumsmitgliedern zu aktuellen Problemen Stellung genommen wird. Die "Kommission Abrüstung und Sicherheit" in der DFU zeich49 Ab.ms1w$Sr, rr"üö^ ;ii)lä Afftiffi IM * Ein Gipfel der Wende * Monterey: NATO-Verteidigungsminister planen neue atomare Aufrüstungsrunde * Atomare Abrüstung aus französischer Sicht * Der Golfkrieg im achten Jahr * Den Fußi n die Tür gestellt * Über die PSSchaffung eines umfassende Systems cler internationalen Sicherheit Zur 42. Ur *JO-Generallversammlung * Vor 15 Jahren: Beginn der "Helsinki-Kc jnsultationen" zur Vorbereitung der KSZE * Wandel durch Annäherung? Zum SPD/SED-Papier 11/1987 Mit umfang reich em DFU net für das monatlich erscheinende "Abrüstungsinfo" verantwortlich. Vom "Arbeitskreis Demokratie" wird das "info demokratie" herausgegeben. Darüber hinaus veröffentlichte die DFU 1987 zwei Broschüren, und zwar einen Diskussionsbeitrag "Zu einigen Rahmenbedingungen für die Arbeit der Friedensbewegung" und das Perspektivpapier "Wie weiter? Vorschläge der Deutschen Friedens-Union zur Diskussion der Friedensbewegung". Im November erschien erstmals eine vom bayerischen Landesverband herausgegebene Publikation "Bayern-Info". Diese Ausgabe enthielt u.a. Artikel über die "Herbstaktionen" gegen die WAW, "Berufsverbote" und die "Münchner Friedenswochen". Neben ihren publizistischen Aktivitäten trat die DFU 1987 in Bayern wiederum mit mehreren eigenen Veranstaltungen an die Öffentlichkeit. Hierbei wurden Themen wie "Null-Lösung", "Gorbatschow's neues Denken" und "Christen im Sozialismus" erörtert. Bei der Veranstaltungsreihe "Frieden im Gespräch" traten u.a. Referenten aus der UdSSR und CSSR auf. Im Rahmen eines "Interna50 tionalen Begegnungsprogrammes" bot die DFU ferner Informationsreisen nach Suhl und Gera in der DDR an; diese Bezirke sind den DKP-Bezirksorganisationen Nordund Südbayern als "Patenbezirke" zugeordnet. Insgesamt war jedoch die Arbeit im Bündnisbereich nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der DFU-Aktivitäten. Besonders ausgeprägt war die Mitwirkung bei der Organisation der von der "Friedensbewegung" veranstalteten "Ostermärsche". So war die "Bundesweite Informationsstelle Ostermarsch '87" in der Vorbereitungsphase in der DFU-Landesgeschäftsstelle Hessen untergebracht. Auch in Bayern beteiligte sich die DFU an den "Ostermärschen." So trat z.B. als Anmelder und stellvertretender Versammlungsleiter der Ostermarschaktionen in Nürnberg der DFU-Geschäftsführer für Nordbayern auf. Die DFU beteiligte sich auch weiterhin an der Arbeit des Personenbündnisses "Die Friedensliste", an deren Gründung im Jahr 1984 sie mitgewirkt hatte. Dem im November 1987 neugewählten Bundesvorstand der "Friedensliste" gehören mehrere Funktionäre der DFU an. Die DFU betätigte sich auch 1987 im Rahmen der Krefelder Initiative, deren Adresse unverändert mit der Anschrift der DFU-Bundesgeschäftsstelle übereinstimmt. Die Planung und Organisation des am 374. Oktober in Nürnberg mit rund 300 Teilnehmern durchgeführten 6. Forums der Krefelder Initiative lag -- wie in den Vorjahren -- in den Händen der DFU. Im Zusammenhang mit der Volkszählung bezeichnete der DFU-Bundesvorstand den dagegen gerichteten Boykott als die "konsequenteste Form" des Kampfes gegen die "Umwandlung der BRD in einen autoritären Überwachungsstaat". Der Boykott sei zugleich eine "Demonstration gegen die herrschende Arroganz der Macht". Der "Arbeitskreis Demokratie" in der DFU verbreitete hierzu eine Broschüre mit dem Titel "Volkszählung '87 -- Was tun, wenn der Zähler kommt?". Diese Broschüre enthielt konkrete "Tips" und "Hilfen", die Volkszählung zu boykottieren. 2.4.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Die VVN-BdA, die sich zur mitgliederstärksten orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisation entwickelte, beschließt und handelt regelmäßig entsprechend den von der DKP vertretenen Positionen. Sie ist Mitglied der prosowjetischen Federation Internationale des Resistants (FIR) und des sowjetisch gelenkten Weltfriedensrats (WFR). Nach der auf dem "Bundeskongreß '87" beschlossenen Satzung läßt sich die VVN-BdA "von den Erfahrungen des Kampfes gegen Faschismus und Krieg" leiten. Sie tritt ein für "antifaschistisch -- demokratische Entwicklungen auf allen Gebieten des politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland" und bekämpft die "Ursachen und Erscheinungsformen des Faschismus, Militarismus, Antisemitismus, Revanchismus und der Ausländerfeindlichkeit". Die VVN-BdA strebt "die Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte an, um zur Verwirklichung des Vermächtnisses des antifaschistischen Widerstandskampfes beizutragen". Sie will mit allen Verbänden und Vereinigungen des Inund Auslandes, die ebenfalls "antifaschistische Ziele" verfolgen, zusammenarbeiten. 51 Die VVN-BdA konnte die Zahl ihrer Mitglieder im Bundesgebiet bis Ende 1987 auf rund 14.000 (1986: 13.500) erhöhen. In Bayern dagegen blieb die Zahl der Mitglieder mit etwa 1.200 gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant. Die mitgliederstärksten der insgesamt bestehenden 19 Kreisverbände sind München und Nürnberg. Auf dem "Bundeskongreß '87", der vom 29. bis 31. Mai in Frankfurt a. Main stattfand, wurde der bisherige Präsident der VVN-BdA Dr. Joseph Rossaint, Träger der ihm vom Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR verliehenen Leninmedaille, Träger der Friedensmedaille des WFR und "Büromitglied" des KFAZ, wiedergewählt. Auch der bisherige Generalsekretär der VVN-BdA Kurt Erlebach, der dem DKP-Parteivorstand angehört, wurde in seinem Amt bestätigt. Die Delegierten beschlossen ferner eine neue Satzung, in der das bisherige Präsidium in "Bundesvorstand" (derzeit 95 Mitglieder) umbenannt wurde, dessen Beschlüsse durch das neue "Präsidium" -- (bisher geschäftsführendes Präsidium) -- "konkretisiert" werden. Das "Sekretariat", das die laufenden Geschäfte des Verbandes führt, wurde erstmals in der Satzung verankert. Dem Präsidenten der VVN-BdA stehen drei Vizepräsidenten zur Seite, von denen zwei der DKP angehören. Auch der neue Bundesvorstand besteht überwiegend aus Kommunisten. Der Landesverband Bayern ist im neuen Bundesvorstand mit zehn Personen vertreten, darunter der DKP-Funktionär und Vorsitzende des Landesverbandes Bayern Oskar Neumann. Die Landessekretärin der VVN-BdA in Bayern Marion Lehmicke gehört als Vorstandsmitglied der DKP-Bezirksorganisation Südbayern an und ist Mitglied des Sprecherkreises der BIFA. Sprachrohr der VVN-BdA ist die Wochenzeitung "Deutsche Volkszeitung/die tat", die ab September 1987 unter dem Namen "Volkszeitung" erscheint. Sie ist gleichzeitig Publikationsorgan der DFU. Der Bundesvorstand der VVN-BdA gibt außerdem die monatlich erscheinende Mitgliederzeitschrift "antifaschistische rundschau" heraus und ergänzend hierzu den "antifaschistischen jugenddienst" sowie seit April 1987 den "antifaschistischen informationsund Pressedienst". Die gelegentlich vom Landesverband Bayern herausgegebenen "Antifaschistischen Nachrichten" sowie regionale Informationsblätter vervollständigen die Reihe der Publikationen. Am "Bundeskongreß '87" der VVN-BdA nahmen mehr als 300 stimmberechtigte Delegierte aus dem gesamten Bundesgebiet und Repräsentanten von Partnerorganisationen aus der UdSSR, der DDR, aus Polen, Ungarn, Bulgarien, Frankreich und den Niederlanden teil. Vertreter der DKP traten als Gäste auf. Die Delegierten des Kongresses beschlossen neben einer neuen, für alle Bundesländer geltenden Satzung, ein neues "Orientierungsund Aktionsprogramm". Sie forderten u.a., den 8. Mai als "Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg" zum gesetzlichen Feiertag zu erklären, sprachen sich für einen "Boykott" der Volkszählung aus und riefen zur Teilnahme an der "Friedensdemonstration" am 13. Juni in Bonn auf. Mit Landesdelegiertenkonferenzen, Festund Gedenkveranstaltungen beging die VVN-BdA Mitte März in mehreren Bundesländern den 40. Jahrestag ihres Bestehens. An der Veranstaltung des Landesverbandes Bayern am 14./ 15. März in Augsburg beteiligten sich etwa 150 Personen. Themenschwer52 Grundkurs Antifaschismus Ort: Hermann-Lingg-Str.l2/Rückgebäude 1 Beginn: jeweils 1 9 . 3 0 Uhr punkte waren das Engagement der VVN-BdA in der "Friedensbewegung", der "antifaschistische Kampf" und der "Kampf gegen den Abbau demokratischer Rechte". Die Delegierten der Landeskonferenz verabschiedeten mehrere Entschließungen zum "Bündnis für den Frieden", zum "Verzicht auf Atomwaffentests", zum "Verbot jeglicher Nazipropaganda", zur Abschaffung der "Berufsverbote" und zur Gewinnung neuer Mitglieder. Im Rahmen des "Friedenskampfes" beteiligte sich die VVN-BdA bundesweit an der Vorbereitung und Durchführung der von der "Friedensbewegung" initiierten "Ostermärsche". In Bayern nahm sie als Mitglied an Treffen sogenannter "Ostermarschvorbereitungskreise" teil, bei denen Einzelheiten der Ostermärsche für Nordund Südbayern festgelegt wurden. Sie trat ferner als Mitveranstalterin des zentralen "Ostermarsches" am 18. April in München auf. Daneben beteiligten sich Anhänger der VVN-BdA an den dezentralen Ostermarschkundgebungen, an der "Friedensdemonstration" am 13. Juni in Bonn und an der Demonstration der "Süddeutschen Friedensbewegung" am 3. Oktober in Landsberg a. Lech. Die VVN-BdA gehört außerdem neben vier weiteren linksextrem beeinflußten Gruppierungen dem "Münchner Friedensbündnis" an, das im Rahmen der "Münchner Friedenswochen 1987" zahlreiche Veranstaltungen durchführte. Im "Antifaschismus-Kampf" wandte sich die VVN-BdA wiederholt gegen Aktionen rechtsextremer Gruppierungen. So protestierten zahlreiche Angehörige orthodox-kommunistischer Gruppierungen gegen das Treffen der DVU am 15. August in Passau. Zur Teilnahme an der Demonstration hatten neben der VVN-BdA u.a. auch DKP, SDAJ, MSB Spartakus, DFG-VK und SHB aufgerufen. Am 14. November wandte sich die VVN-BdA als Angehörige des "Höchstadter Bündnisses" zusammen mit DFU, DFG-VK, DFI und SHB mit einem "Fest der aktiven Demokraten" gegen den dort stattgefundenen NPD-Parteitag. An der Veranstaltung nahmen rund 150 Personen teil. Als Redner trat der Landesvorsitzende der VVN-BdA auf. Anhänger der VVN-BdA und anderer linksextremer und linksextrem beeinflußter Gruppierungen des "Höchstadter Bündnisses" beteiligten sich ferner an der am gleichen Tage in Höchstadt a.d.Aisch veranstalteten gewerkschaftlichen Protestversammlung, die sich ebenfalls gegen den NPD-Parteitag richtete. Ein aus vier Organisationen und Initiativen bestehender Trägerkreis, darunter die VVN-BdA, hatte unter dem Motto "Verdrängen oder Aufarbeiten? Über den Umgang mit der Deutschen Geschichte" zu einem "Projekttag zur politischen Relevanz des Historikerstreits" eingeladen, der am 21. Juli in der Universität Erlangen stattfand. Die Teilnehmer befaßten 53 sich in mehreren Arbeitsgruppen mit Themen wie "Bayern als Zentrum des Neokonservatismus -- Wechselwirkungen zwischen politischer und geistiger Wende" und "Verantwortung der Nachkriegsgeneration für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit". Den "Projekttag" unterstützten neben demokratischen Organisationen auch zahlreiche Gruppierungen des orthodox-kommunistischen Spektrums u.a. DKP, SDAJ, DFL), SHB und "Friedensliste". 2.4.4 Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) Die DFG-VK entstand 1974 durch Fusion der Deutschen Friedensgesellschaft -- Internationale der Kriegsdienstgegner (DFG-ldK) mit dem Verband der Kriegsdienstverweigerer (VK). Die sich als "antimilitaristischer Kampfverband" verstehende Organisation kämpft für Abrüstung, "friedliche Koexistenz" unterschiedlicher Gesellschaftssysteme, Aufhebung der "Berufsverbote" und gegen die "Militarisierung der Bundesrepublik". Sie erachtet die Verweigerung jeglichen Kriegsdienstes als eine "demonstrative, individuelle Handlung gegen Krieg und Kriegsvorbereitung". Den Kriegsdienstverweigerern gewährt sie "Schutz und Hilfe". Die DFG-VK fordert in ihrem Programm die Auflösung aller Militärpakte. Als "vertrauensbildende Abrüstungsvorausleistung" verlangt sie die "quantitative und qualitative Verminderung der Kampfstärke der Bundeswehr"; die Bundeswehr habe unter anderem die Aufgabe, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland die "bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren" und erweise sich gleichzeitig als "gefährlicher Nährboden rechtsradikaler und faschistischer Bestrebungen". Gemäß ihrem Programm tritt die DFG-VK auch "dem von allen Bundesregierungen als ideologisches Fundament der Rüstung und als wirksames Instrument zur Verketzerung demokratischer Opposition geschürten Antikommunismus" entgegen. Die DFG-VK, die auf Bundesebene bisher von einem Bundesvorstand geleitet wurde, beschloß auf ihrem ordentlichen Bundeskongreß vom 1. bis 3. Mai in Mannheim eine auf zwei Jahre befristete "Strukturvereinbarung", die zu einer Neuordnung der Bundesgremien des Verbandes führte. Diese Vereinbarung sieht einen "Bundesausschuß" als höchstes Entscheidungsgremium zwischen den Bundeskongressen vor. Diesem Organ gehören neben Funktionären des Bundesverbandes (Bundessprecher, Bundesgeschäftsführer, Bundeskassier und Sprecher der "Arbeitsbereiche") auch Mitglieder aus den Landesverbänden an. Künftig wird der Bundesverband von einem fünfköpfigen "Bundessprecherkreis" repräsentiert. Die Mehrzahl der Mitglieder des neu gewählten Sprecherkreises gehören oder gehörten der DKP oder anderen orthodox-kommunistisch beeinflußten Gruppierungen an. Der bisherige Bundesgeschäftsführer, der Mitglied der DKP ist, wurde wiedergewählt. Damit blieb der starke orthodox-kommunistische Einfluß auf die Bundesgremien der DFG-VK gewahrt. Der ehemalige Landesvorsitzende der DFG-VK in Bayern und Mitglied der VVNBdA Heinrich Häberlein ist Mitglied des Bundessprecherkreises. Die DFG-VK ist nach wie vor eine der mitgliederstärksten orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen, aber auch die mit dem höchsten Anteil an nichtkommunistischen Mitgliedern. Auch 1987 hielten die seit mehreren Jahren zu verzeichnenden Mitgliederverluste an. Die Zahl der Mitglieder im Bundesge54 biet lag zum Jahresende bei rund 11.000 (1986:12.000). In Bayern bestehen nur noch 16 Ortsgruppen (1986:20); die Mitgliederzahl liegt bei etwa 1.600 (1986: 1.700) Personen, von denen nur ein geringer Teil aktiv mitarbeitet. Die Ortsgruppen München und Nürnberg sind mit etwa 600 bzw. 250 Mitgliedern die größten und aktivsten in Bayern. Neben den Ortsgruppen bestanden in verschiedenen Orten "Arbeitskreise", "Initiativen" und Beratungsmöglichkeiten für Kriegsdienstverweigerer. Daneben gab es auch einige Jugendgruppen der DFG-VK, die unter der Bezeichnung "Jugendclub Courage" (JCC) auftraten. Publikationsorgan der DFG-VK ist die Verbandszeitschrift "Zivilcourage", die vierteljährlich erscheint. Daneben gibt der Bundesverband den "friedenspolitischen Informationsdienst" (fid) heraus. Außerdem erscheint unter dem Namen "Kommunale Friedensarbeit" ein Informationsdienst. Zusätzliches Informationsmaterial, wie "Gruppenrundbriefe" und "Briefe an Euch!" eVgänzten die Reihe der Publikationen. Als regionales Blatt erscheint im Raum Schweinfurt die "Alternative", die neuerdings den Untertitel "Vierteljahresschrift für Politik und Kultur" führt. Auch die Jugendzeitschrift der DFG-VK, der "Panzerknakker", wurde 1987 in Bayern wieder verteilt. 55 An dem ordentlichen Bundeskongreß der DFG-VK, der unter dem Motto "Pazifismus -- Von der Utopie zur Wirklichkeit" stand, nahmen rund 400 Delegierte und Gäste teil. Der DKP-Vorsitzende Herbert Mies sandte dem Kongreß "solidarische Friedensgrüße". In seinem Rechenschaftsbericht erklärte der bisherige Bundesvorsitzende, daß "insbesondere im finanziellen Bereich des Verbandes eine Konsolidierung" eingetreten sei. Der Mitgliederschwund habe sich verlangsamt. Schwerpunkt des Kongresses war jedoch die Debatte über die künftige Struktur der DFG-VK. Hierbei kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der Landesverbände, weil einige Teilnehmer den starken Einfluß des "DKP-Flügels" kritisierten. Dieser interne Streit wurde nach dem Kongreß publizistisch fortgesetzt. So teilte eine örtliche Gruppe der DFG-VK aus Süddeutschland dem Bundesgeschäftsführer mit: "Wir können dem Verfassungsschutz nicht mehr länger guten Gewissens widersprechen, wenn er sagt, der Bundesverband der DFG-VK sei kommunistisch beeinflußt. Ganz of56 fensichtlich können in diesem Verband wesentliche Entscheidungen nicht gegen den Willen der DKP getroffen werden. Wir sind nicht mehr bereit, diese Politik stillschweigend mitzutragen". Als zentrales Ereignis im "Friedenskampf" fand vom 1. bis 19. September in der Bundesrepublik Deutschland der von der DFGVK vorbereitete "Olof-Palme-Friedensmarsch für einen atomwaffenfreien Korridor" statt. Auf die Durchführung dieses internationalen "Friedensmarsches" mit Parallelveranstaltungen in der DDR, CSSR und Österreich hatten sich die DFG-VK, der "Friedensrat der DDR", das "Tschechoslowakische Friedenskomitee" und Vertreter der "Österreichischen Friedensbewegung" geeinigt. Die hierzu im Bundesgebiet verbreiteten Aufrufe wurden u.a. vom prosowjetischen Weltfriedensrat (WFR) und vom "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung", in dem linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppierungen mitarbeiten, unterstützt. Die DFG-VK hatte für den "Olof-Palme-Friedensmarsch", der u.a. Podiumsdiskussionen, Kundgebungen, Stafettenläufe, Aktionen vor militärischen Anlagen und -- als zentrale Veranstaltung -- ein internationales Rockkonzert in Garching, Landkreis München, mit 18.000 Teilnehmer umfaßte, in Nürnberg ein eigenes "Aktionsbüro" eingerichtet. Auf mehreren Veranstaltungen im Bundesgebiet sprachen auch Mitglieder und Funktionäre der DKP, SEW und SED. Mit einer Abschlußkundgebung in Heilbronn und einer Blockade des Pershing-Depots Waldheide am 19. September endete der "Marsch" in der Bundesrepublik Deutschland. An den Aktionen in Heilbronn/Waldheide beteiligten sich rund 3.000 Personen, unter anderem Funktionäre der DKP aus dem gesamten Bundesgebiet. An der Blockade nahmen auch zahlreiche DKP-Mitglieder teil. Die DFG-VK ist nach wie vor Mitglied des bundesweiten "Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung" (KA) und arbeitet auch in der KA-Geschäftsführung mit. Sie gehörte wiederum zum Aufruferund Unterstützerkreis der "Ostermärsche", die vom 18. bis 20. April stattfanden. Ihre Anhänger beteiligten sich sowohl an den Vorbereitungen als auch an den dezentralen Aktionen in mehreren Städten und an den zentralen Abschlußkundgebungen in München und Nürnberg. Anläßlich der "Münchner Friedenswochen 1987" hatte ein "Aufruferkreis", dem auch die DFG-VK angehörte, unter dem Motto "Frieden schaffen ohne Waffen -- Die neuen Chancen nutzen!" zu zahlreichen Veranstaltungen in München eingeladen. 2.4.5 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) Das KFAZ entstand 1974 unter maßgeblicher Beteiligung orthodoxkommunistischer Organisationen. Es ist neben der DFU das wichtigste bündnispolitische Instrument des kommunistischen "Friedenskampfes". Das Komitee verfügt weder über eine Satzung noch über feste Organisationsstrukturen. Zentrales Leitungsgremium ist das "Büro". Ihm gehören führende Funktionäre der DKP, der DFU und der VVN-BdA an. Seit 1982 ist dort die Angehörige des DKP-Präsidiums Martha Buschmann tätig, die für die "Friedensarbeit" der DKP zuständig ist und 1983 zur Vizepräsidentin des sowjetisch gelenkten Weltfriedensrates (WFR) gewählt wurde. Von den 16 Mitgliedern des "Büros" gehören 10 Personen dem WFR direkt oder indirekt über ihre Organisationen DFU und 57 VVN-BdA an. Bundesweit bestehen örtliche Komitees und Initiativen des KFAZ, in Bayern in München, Regensburg und Weilheim. Das KFAZ war auch 1987 einer der Träger der "Friedensund Abrüstungskampagne". Es arbeitete -- wie in den Jahren vorher -- im bundesweiten "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" mit. Zur Information gibt das Komitee "Rundbriefe" mit Positionen und Aussagen der "Friedensbewegung" heraus, die im Rahmen einer Umgestaltung seit der Ausgabe 6/87 den Namen "Friedens-Journal" erhielten. Zusätzlich erstellt das KFAZ seit September 1987 einen "Schnelldienst" mit aktuellen Informationen und "Argumentationshilfen". Von den bayerischen Gruppierungen des KFAZ war die Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA) die aktivste. In ihr arbeiten u.a. DKP, SDAJ, MSB-Spartakus, SHB, DFU, DFG-VK, VVN-BdA und DFI zusammen. Ihrem Sprecherkreis gehören neben der DKP-Funktionärin und Landessekretärin der VVN-BdA Marion Lehmicke weitere Personen an, die Bezüge zur DKP oder DKP-beeinflußten Organisationen aufweisen. Die Anschrift des "BIFAFriedensbüros" ist mit der Adresse der Münchner DFU-Geschäftsstelle identisch. Die BIFA trat 1987 wiederholt als Bündnisorganisation im "Münchner Friedensbündnis" in Erscheinung. Diesem Zusammenschluß gehören 13 Organisationen und Initiativen an, darunter die orthodox-kommunistisch beeinflußten Vereinigungen VVN-BdA, DFG-VK, Münchner Friedensforum sowie die linksextrem beeinflußten Vereinigten Münchner Friedensinitiativen (VMF). 2.4.6 Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. (VDJ) Die 1972 auf Initiative der DKP gegründete VDJ versuchte auch 1987, Einfluß auf die Innenund Rechtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der Ziele der DKP zu nehmen. In dem erweiterten Bundesvorstand der VDJ arbeiten seit Jahren Angehörige der DKP und DKP-beeinflußter Organisationen mit. Die VDJ ist als nationale Sektion der kommunistisch gesteuerten Internationalen Vereinigung Demokratischer Juristen (IVDJ) mit Sitz in Brüssel angeschlossen. Das Programm der VDJ setzt Arbeitsschwerpunkte u.a. in der "Aufarbeitung des Faschismus in Recht und Justiz", im Kampf gegen "Berufsverbote und Neofaschismus", in der Solidarität mit Ausländern und auch im Kampf für Frieden und Abrüstung. Aus aktuellem Anlaß beteiligte sich die VDJ auch an der Kampagne gegen die Volkszählung. Zum Jahresende 1987 zählte die VDJ im Bundesgebiet noch etwas mehr als 1.000 (1986:1.200) Mitglieder, die in 26 teilweise inaktiven Regionalgruppen organisiert sind. Die bisher in Bayern bekanntgewordenen Regionalgruppen traten 1987 nur in geringem Umfang in Erscheinung. Aus Anlaß des 15. Jahrestages ihrer Gründung rief die VDJ ihre Mitglieder und Freunde zur Teilnahme an einer "Jurist(innen)en-Blockade des Pershing-Il-Lagers" in Mutlangen am 3. Oktober auf. Dem Aufruf folgten etwa 100 Personen. Die VDJ erklärte hierzu, zur "Durchsetzung von Grundrechten" bedürfe es auch Aktionen des "Zivilen Ungehorsams". 58 2.4.7 Demokratische Fraueninitiative (DFI) Die DFI wurde 1975/76 mit Unterstützung der DKP gegründet. Sie versucht die Aktivitäten "fortschrittlicher" Frauengruppen zu koordinieren und im Sinne der DKP zu lenken. Die DKP begrüßt es, daß sich mit der DFI "erfolgreich ein Anziehungspunkt und Aktivposten fortschrittlicher Frauenpolitik entwickelt und daß viele Genossinnen hier in einem demokratischen Bündnis ihren Platz einnehmen". So arbeiten im "Zentralen Arbeitskreis", der die DFI-Arbeit auf Bundesebene beschließt, seit Jahren Kommunistinnen und Funktionärinnen DKPbeeinflußter Vereinigungen maßgeblich mit. Bundesweit gliedert sich die DFI in rund 130 Ortsgruppen; davon sind etwa 10 zum Teil inaktive Gruppen in Bayern ansässig. Das Publikationsorgan "Wir Frauen" erscheint zweimonatlich in einer Auflage von 4.500 Exemplaren. Die Publikation wird bei der DKP-"Hausdruckerei" Plambeck & Co. in Neuss hergestellt. Eine der beiden verantwortlichen Redakteurinnen ist Funktionärin der DKP. Im Rahmen ihrer Bündnisarbeit unterstützte die DFI vor allem Veranstaltungen und Aktionen örtlicher Frauengruppen. So trat die DFI neben dem Frauenarbeitskreis der DKP, der Frauengruppe des MSB Spartakus und der Mädchengruppe der SDAJ als Mitveranstalterin eines "Frauenfestes" zum traditionellen "Internationalen Frauentag" am 8. März in München auf, das von dem Aktionsbündnis "Münchner Frauen gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit" durchgeführt wurde und an dem sich etwa 300 Personen beteiligten. In Nürnberg demonstrierten aus dem gleichen Anlaß bereits am 7. März rund 500 Frauen gegen "Diskriminierung und Benachteiligung" der Frauen in der Gesellschaft. Veranstalter war das "Nürnberger Frauenbündnis", in dem über 20 örtliche Frauengruppen mitarbeiten, darunter zahlreiche Funktionäre und Mitglieder der DKP, SDAJ und DFI. Mit einem "Frauenfest" in Oberhausen feierte die DFI am 4. Juli ihr zehnjähriges Bestehen. Nach Angaben in der kommunistischen Presse beteiligten sich rund 800 Frauen an der Jubiläumsveranstaltung. Die Teilnehmerinnen zogen eine positive Bilanz aus ihrer zehnjährigen Tätigkeit und nannten u.a. als Schwerpunkte den Protest gegen die Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr, die Teilnahme an der "Aktion Muttertag" und den "Kampf gegen den SS218". Im Rahmen des "Friedenskampfes" trat die DFI über die von ihr gegründete und geführte Initiative "Frauen in die Bundeswehr? Wir sagen Nein!" auf. Diese Initiative gehört dem bundesweiten "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" an. 2.4.8 "Die Friedensliste" Das Personenbündnis "Die Friedensliste" entstand 1984 auf Betreiben der DKP und der von ihr beeinflußten DFL) sowie der Demokratischen Sozialisten (DS). Bundesweit kann sich dieses Bündnis auf etwa 1.500 Mitglieder stützen. In den gewählten Gremien sind die orthodoxen Kommunisten nach wie vor stark vertreten. Dem am 18. November in Leverkusen neu gewählten Bundes59 vorstand gehören 45 Personen an, darunter zahlreiche Mitglieder der DKP oder DKP-beeinflußter Organisationen. Unter den fünf Bundessprechern befindet sich je ein Mitglied des DKP-Parteivorstandes und des DFL)Bundesvorstandes. Einer der beiden Geschäftsführer des Bundesbüros ist Mitglied der DKP. Die "Friedensliste Bayern", die in München und Nürnberg jeweils ein Büro unterhält, ist im Bundesvorstand mit drei Personen vertreten. Die "Friedensliste" beteiligte sich 1987 erstmals an einer Bundestagswahl. Sie hatte hierzu bundesweit in fast allen Wahlkreisen Direktkandidaten nominiert und auf die Aufstellung von Landeslisten verzichtet. Von den 44 Wahlkreisbewerbern der "Friedensliste" in Bayern gehörten 20 Personen der DKP, ihren Nebenorganisationen oder den von ihr beeinflußten Vereinigungen an. Elf weitere Personen hatten bei früheren Wahlen auf Listen der DKP kandidiert oder waren als Aktivisten für die DKP aufgetreten. Damit waren insgesamt 31 Kandidaten der "Friedensliste" (= 70 %) dem orthodox-kommunistischen Spektrum zuzuordnen; unter den DKP-Angehörigen befanden sich zwei Mitglieder des Parteivorstandes der DKP und je vier Vorstandsmitglieder der Bezirksorganisationen Nordund Südbayern. Nach dem amtlichen Endergebnis erzielte die "Friedensliste" im Bundesgebiet 188.602 gültige Erststimmen und damit einen Stimmenanteil von 0,5 %. In Bayern erhielten die Bewerber der "Friedensliste" 26.489 Erststimmen (0,4%). Gegenüber der Wahl zum Europäischen Parlament am 17. Juni 1984, bei der die "Friedensliste" bundesweit 313.108 Stimmen (1,3 %) und in Bayern 38.510 Stimmen (1,0 %) erreichen konnte, mußte sie bei der Bundestagswahl 1987 somit deutliche Stimmeneinbußen hinnehmen. FRIEDENS Pit iRitotksiisit Jum Aktionsschwerpunkt der "Friedensliste" war 1987 wiederum der "Friedenskampf". So arbeitete sie ständig im "Koordinierungsbüro" der "Friedensbewegung" mit und mobilisierte auf regionaler und örtlicher Ebene für die "Friedensdemonstration" am 13. Juni in Bonn. Als Teil der "Friedensbewegung" unterstützte sie auch die "Herbstaktionen" gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW). Darüber hinaus verbreitete die "Friedensliste" zahlreiche Broschüren, Rundbriefe und Flugblätter zu friedenspolitischen Themen wie "Pershing 1-A", "Null-Lösung" und "INF-Abkommen". Für die in Bayern herausgegebenen Materialien zeichnete zu einem großen Teil der Sprecher der "Friedensliste" Nordbayern verantwortlich, der dem DKP-Bezirksvorstand angehört. 60 Seit Mai steht die Frage nach den Perspektiven der Arbeit der "Friedensliste" im Mittelpunkt einer internen Diskussion. In ihrem Rahmen werden grundsätzliche Überlegungen über den zukünftigen Charakter des Personenbündnisses angestellt. In einem Beitrag hierzu kritisierte ein "Büromitglied" des KFAZ die "Friedensliste", weil die Basis sehr "schmal" und das Personenbündnis beinahe ein "Bündnis mit sich selbst" sei, das aus Kommunisten und "einigen Personen" bestehe, die für ihre Zusammenarbeit mit Kommunisten "bekannt" seien. In ihrer "gegenwärtigen Anlage" solle die "Friedensliste" bei Wahlen nicht mehr kandidieren. 3. Neue Linke 3.1 Überblick Die Neue Linke besteht aus linksextremen und linksextrem beeinflußten Organisationen und Gruppen, die in ihrer Mehrzahl aus der Sozialrevolutionären Studentenbewegung der 60er Jahre hervorgegangen sind. Als Ziel streben die dogmatischen Gruppen der Neuen Linken eine kommunistische Gesellschaft an. Sie lehnen jedoch -- anders als die DKP mit ihren Nebenorganisationen -- den Kommunismus sowjetischer Prägung als "revisionistisch", "bürokratisch" und "sozialimperialistisch" entartet ab. Das Erscheinungsbild der meisten dieser sog. K-Gruppen war auch 1987 geprägt von mangelnden Aktivitäten, Mitgliederschwund, Geldschwierigkeiten, Auflösungserscheinungen und Fusionsverhandlungen untereinander, um den drohenden Zerfall aufzuhalten. Der Zusammenschluß der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) mit der Gruppe Internationale Marxisten (GIM) zur Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) im Jahr 1986 hat 1987 zu keinem neuerlichen Aufschwung einer Organisation der Neuen Linken geführt. Die VSP gehört jetzt dem Kreis um den BWK und anarchosyndikalistischen Gruppierungen an, deren Ziel es ist, die "Einheit der revolutionären Sozialistinnen und Sozialisten weiter voranzutreiben". Sie geben deshalb eine "Gemeinsame Beilage" zu ihren Publikationen heraus. Darüber hinaus haben VSP und BWK 1987 Kommissionen gebildet, die Möglichkeiten einer Vereinigung der beiden Organisationen prüfen. Von den Gruppen der Neuen Linken konnten in Bayern lediglich die Marxistisch-Leninisti sehe Partei Deutschlands (MLPD) und der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) mit seinem Anti-Strauß-Komitee (ASKo) ihre Position halten. Eine ernstzunehmende Ausnahmeerscheinung unter den Gruppen der Neuen Linken ist jedoch die Marxistische Gruppe (MG) mit ihren kontinuierlich steigenden Mitgliederzahlen. Die in Bayern vertretenen dogmatischen Gruppen der Neuen Linken blieben auch 1987 im politischen Tagesgeschehen ohne jede Bedeutung. Sie engagierten sich vorwiegend im Betriebs-, Bildungs-, "Antifaschismus-", "Antiimperialismus-" und Ausländerbereich. Weitere Themen und Anlässe für Aktionen dieser Gruppen waren die "Kampagne gegen die Volkszählung", die sie als "Baustein zur Sicherung des Kapitals" und zur "weiteren Unterdrückung des Klassenkampfes" bezeichneten, die Forderung nach "Rücknahme des AIDSZwangsmaßnahmen-Katalogs der Bayerischen Staatsregierung", die "Einmischung" der USA in den Golfkrieg zwischen Iran und Irak, die "Tarifpolitik der 61 Monopole", die Forderung der 35-Stunden-Woche, der Kampf gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW), die Gentechnologie sowie die Umweltverschmutzung. An der Bundestagswahl hat sich von den Gruppen der dogmatischen Neuen Linken lediglich die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) beteiligt. Anläßlich des 70. Jahrestages der Oktoberrevolution sahen Gruppen der Neuen Linken die wichtigste Aufgabe darin, eine "revolutionäre" Massenpartei zu schaffen, die in der Lage ist, durch systematische Kleinarbeit unter den Werktätigen "alle Illusionen über einen Ausweg innerhalb des kapitalistischen Systems zu überwinden". Dabei sei unabdingbare Voraussetzung für die Schaffung einer neuen Gesellschaft "der Sturz der Ausbeuterschaft durch die revolutionäre Gewalt der werktätigen Massen". Die undogmatischen Gruppen der Neuen Linken, die nach ihren vielfach diffusen Vorstellungen für eine "gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft" kämpfen, verfolgen trotz unterschiedlicher "ideologischer" Ausrichtung alle als Endziel die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. Seit Jahren treten dabei die "Autonomen" stärker in den Vordergrund, die Gewalt gegen Personen und Sachen propagieren und praktizieren. Ihre militanten Aktionen richteten sich dabei, wenngleich mit rückläufiger Tendenz, vor allem gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW), gegen die am Bau von kerntechnischen Anlagen beteiligten Firmen sowie gegen Einrichtungen und Anlagen von Energieversorgungsunternehmen und der Deutschen Bundesbahn. Daneben kam es auch in Bayern zu Solidaritätsaktionen "autonomer" Gruppen für die Bewohner der Hafenstraße in Hamburg. 3.2 Dogmatische Neue Linke 3.2.1 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die aus dem ehemaligen Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD) hervorgegangene, 1982 in Bochum gegründete MLPD bezeichnet sich als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in der BRD und in WestBerlin". Ihr grundlegendes Ziel ist der "revolutionäre Sturz" der "Diktatur der Monopolkapitalisten" und die Errichtung der "Diktatur des Proletariats". In ihrem "Grundsatzprogramm" bekennt sich die MLPD zu den "Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tse-tung", dessen Idee der "Großen Proletarischen Kulturrevolution" sie verteidigt. Sie kritisiert die "revisionistische Entartung" in allen "realsozialistischen Ländern" einschließlich der Volksrepublik China. Nach Auffassung der MLPD dient die gegenwärtige Etappe des Klassenkampfes der Vorbereitung der Revolution. Nur unter Führung einer "revolutionären Partei" könne die Arbeiterklasse erfolgreich zum Sturm gegen den "staatsmonopolistischen Kapitalismus" übergehen. Die MLPD habe die Aufgabe, die Arbeiterklasse "über die Aktionseinheit in kleinen Fragen zur Einheitsfront in allen wesentlichen Fragen" zusammenzuschließen. Der Schwerpunkt der Partei liegt im westund südwestdeutschen Raum. Ihre Mitglieder sind in Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirken organisiert, die einer "Zentralen Leitung" mit Sitz in Essen unterstehen. Die MLPD verfügt 62 Organisationsübersicht Neue Linke Dogmatische Gruppen Undogmatische Gruppen Marxistisch-Leninistische Organisationen Anarchisten MLPD VSP AB KB BWK MG Autonome AAU AFNB 14 VOLKSAJV ASJG r- KHB FRONT ROTFÜCHSE r ASKÖ - MLSV IVRJ MLBI / -- Nebenorganisationen o> * -- beeinflußte Organisationen 1,00 DM 31. Dezember 1987/18. Jahrgang Nr. 52 F 2583 C Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Rote Fahne Zentralorgan der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands -- MLPD Redaktion: 4300 E.sen 1. Relllnghauser Siralle 334, Posif.cn 1031 12. Telefon: (0201) 259 I I Erschein! " M Ü i ü i S bundesweit über mehr als 1.300 Mitglieder. Bayern ist in die MLPD-Bezirke Bayern-Süd und Franken mit insgesamt ca. 90 Mitgliedern aufgeteilt. Das Zentralorgan "Rote Fahne" erscheint wöchentlich in einer unveränderten Auflagenzahl von rund 10.000 Exemplaren. Theoretisches Organ der Partei ist der "Revolutionäre Weg". Darüber hinaus verbreitete die MLPD in Bayern 13 verschiedene Betriebsund Stadtzeitungen, die größtenteils regelmäßig erschienen. Die Zeitungen behandelten in ihren Beiträgen neben den allgemeinen Themen der MLPD vielfach aktuelle betriebliche und kommunale Probleme wie Entlassungen, "Arbeitsplatzvernichtung" oder Umweltverschmutzung durch Betriebe, zu deren Lösung die MLPD ihre Politik als Alternative anbot. Es erschienen auch Artikel in türkischer und griechischer Sprache. Zur Bundestagswahl hatte die MLPD Landeslisten in allen Bundesländern und zwei Direktkandidaten in Gelsenkirchen aufgestellt. Nach dem amtlichen Endergebnis erhielt sie insgesamt 13.422 Zweitstimmen, davon 1.607 in Bayern (= jeweils 0,0 %). Die MLPD zeigte sich mit dem Endergebnis zufrieden. Die MLPD habe erstmals bei einer Bundestagswahl kandidiert und zwei von drei Wahlzielen erreicht: Sie sei "bundesweit bekanntgeworden" und habe die "Organisation stärken können". Während des Bundestagswahlkampfes in Bayern hatte die MLPD am 10. Januar in Nürnberg eine Wahlveranstaltung mit dem Parteivorsitzenden Stefan Engel durchgeführt, an der etwa 150 Personen teilnahmen. Neben zahlreichen Informationsständen in ganz Bayen hatte die MLPD in München für den 17. und 19. Januar Demonstrationen angemeldet. An beiden Demonstrationen beteiligten sich lediglich knapp 20 Personen. Bei einer Spendensammlung zur Bundestagswahl sollen jedoch nahezu 22.000 Spender rund 617.000,-DM gespendet haben. Hierbei soll nach Angaben der "Roten Fahne" insbesondere der MLPD-Bezirk Südbayern sein Ziel "weit übertroffen" haben. Das Zentralkomitee der MLPD beschloß Ende März einen Aufruf zur "KritikSelbstkritik-Kampagne zum III. MLPD-Parteitag", der für Sommer 1988 geplant ist. Der Parteivorsitzende bezeichnete diesen Beschluß als "Höhepunkt eines ideologisch-politischen Klärungsprozesses". Er gewährleiste insbesondere den Übergang von der Bundestagswahl zur neuen taktischen Hauptaufgabe, der "Betriebs-und Gewerkschaftsarbeit". Die MLPD habe sich auf die "Gewin64 nung der Industriearbeiter" schon durch "systematische Kleinarbeit in Betrieb und Gewerkschaft" eingestellt. Neben permanenter Mitgliederwerbung und der "organisatorisch-ideologischen" Stärkung der Partei müßten "alle Möglichkeiten der Massenagitation und Propaganda" genutzt werden. In Umsetzung dieses Beschlusses wurden anläßlich der Tarifabschlüsse in der Metallindustrie im April in ganz Bayern vor Großbetrieben die Flugschriften "Tarifkampf Aktuell" Nr. 1 und 2 verteilt, in denen zur Urabstimmung und Streik aufgerufen sowie u.a. gefordert wurde: "Dem provokativen Angebot der Metallarbeitgeber eine gründliche.Abfuhr! Schluß mit den Verhandlungen! Keinen faulen Kompromiß! Machen wir die Gewerkschaften zu Kampforganisationen!". Das fünfjährige Bestehen der Partei bezeichnete das MLPD-Zentralorgan "Rote Fahne" als "wichtigen historischen Abschnitt im Kampf für ein sozialistisches Deutschland". Vor Gründung der MLPD habe die westdeutsche Arbeiterklasse wegen der "revisionistischen Entartung der KPD und der Gründung der DKP als bürgerlicher Arbeiterpartei" vorübergehend keine "revolutionäre Arbeiterpartei" gehabt. Die MLPD habe großen Fortschritt bei ihren Bemühungen gemacht, die "entscheidende Mehrheit der Arbeiterklasse für den Kampf um den Sozialismus" zu gewinnen. Im Zusammenhang mit dem Streik der Bergarbeiter in Südafrika führte die MLPD im August/September eine bundesweite "Solidaritätskampagne" durch. Bei einer damit verbundenen Spendenaktion sollen nach Angaben im Zentralorgan "Rote Fahne" 28.500,-DM eingegangen sein. In den hierzu veröffentlichten Spendenlisten sind fast alle bayerischen MLPD-Standorte vertreten. Aus Anlaß des 70. Jahrestages der sowjetischen Oktoberrevolution veröffentlichte das MLPD-Zentralorgan "Rote Fahne" am 10. Oktober einen Appell des Zentralkomitees. Darin heißt es, "wichtigste Lehre" der Oktoberrevolution sei die Schaffung einer "revolutionären Massenpartei", die "durch systematische Kleinarbeit" unter den Werktätigen "alle Illusionen über einen Ausweg innerhalb des kapitalistischen Systems" überwinde. Als "Geburtshelfer" einer neuen Gesellschaft sei "der Sturz der Ausbeuterherrschaft durch die revolutionäre Gewalt der werktätigen Massen unausweichlich". Unter dem Motto "70 Jahre Oktoberrevolution" führte die MLPD am 31. Oktober in Düsseldorf eine zentrale Veranstaltung durch, an der rund 2.700 Besucher teilnahmen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Rede des Parteivorsitzenden Stefan Engel, der die "weltgeschichtliche Bedeutung" der Oktoberrevolution besonders hervorhob. Darüber hinaus zeigte Engel die Aufgaben auf, die sich heute den marxistischleninistischen Parteien im Klassenkampf stellen. Nebenorganisationen der MLPD sind der Arbeiterjugendverband (MarxistenLeninisten) (AJV) mit der Kinderorganisation ROTFÜCHSE (gemeinsames Publikationsorgan "Rebell"). Der AJV soll zur "Jugendmassenorganisation" der MLPD ausgebaut werden. Ziel der Kinderorganisation ROTFÜCHSE ist es, "die Arbeiterkinder für den gemeinsamen Weg der Arbeiteroffensive zu gewinnen, den Marxismus-Leninismus zu erlernen und dabei die für den Kampf um den Sozialismus notwendigen Klasseneigenschaften herauszubilden". Weitere Nebenorganisationen sind der Marxistisch-Leninistische Schülerund Studentenverband (MLSV) mit dem Publikationsorgan "Roter Pfeil" und der Marxistisch-Leninistische Bund Intellektueller (MLBI). 65 3.2.2 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) Die VSP entstand Ende 1986 aus dem Zusammenschluß der Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) (KPD) mit der Gruppe Internationale Marxisten-Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM). Die ehemaligen Mitglieder der GIM in der VSP können als Einzelmitglieder in der IV. Internationalen verbleiben. Die neue Vereinigung hat nach eigenen Angaben bundesweit ca. 500 Mitglieder. Die VSP wird von einem 32köpfigen Zentralkomitee (ZK) und einem aus 12 Mitgliedern bestehenden Politischen Büro geleitet. In Bayern besteht -- nach dem geschlossenen Austritt der Nürnberger Gruppe -- nur noch eine Ortsgruppe in München mit etwa 10 Mitgliedern. Weitere Mitglieder gibt es noch verstreut in einzelnen Orten. Als Organ der VSP wird die vierzehntägig erscheinende "Sozialistische Zeitung" (SoZ) in einer Auflagenhöhe von 2.600 Exemplaren herausgegeben. Theoretisches Organ der Partei soll zukünftig das "sozialistische Magazin" mit ca. 3 Ausgaben im Jahr werden. Die VSP bezeichnet sich als "kleine sozialistische, revolutionäre Partei" mit dem Ziel einer "von tatsächlicher Arbeitermacht geprägten sozialistischen Demokratie". Es soll eine "revolutionäre sozialistiche Massenpartei" geschaffen werden, die die Arbeiterbewegung zur erfolgreichen Führung des Klassenkampfes befähigen soll, um eine politische Revolution zum Sturz der kapitalistischen Herrschaft und eine Zerstörung des Staatsapparates "von Grund auf" zu erreichen. Das grundlegende Prinzip der Demokratie, die Gewaltenteilung, sei "aufzuheben". Schwerpunkte in der Agitation der VSP waren 1987 die Antifaschismusarbeit, Volkszählungsboykott, Anti-Atom-, Betriebsund Gewerkschaftsarbeit und Frauenthemen. Nach ihrem Selbstverständnis strebt die VSP die Vereinigung der Kräfte der "revolutionären Linken" an. Sie ist deshalb bestrebt, mit dem BWK und anderen Gruppierungen zu fusionieren. Die VSP bildete daher eine Kommission, die zusammen mit einer von BWK eingesetzten Kommission die dafür notwendigen Grundlagen erarbeiten soll. Die 1. ordentliche Delegiertenkonferenz der VSP wurde vom 27. -- 29. November in Wuppertal abgehalten. Die etwa 160 Delegierten diskutierten den Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees (ZK). Dabei rügten sie dessen "Entscheidungsschwächen" und kritisierten die mangelnde Integration der Mitglieder in die neue Partei. Die Konferenz beschloß deshalb eine "zentralisierende Kampagne", die alle Mitglieder und Arbeitsbereiche der Partei erfassen müsse. Die Frage der "internationalistischen Ausrichtung", insbesondere die Verbindungen zur trotzkistischen "Vierten Internationale" sowie die angestrebte Vereinigung mit dem BWK soll ab sofort auch in den VSP-Ortsgruppen erörtert werden. Von den VSP-beeinflußten Autonomen Sozialistischen Jugendgruppen (ASJG) (gebildet aus der Kommunistischen Jugend Deutschlands (KJD) und der Revolutionär-Sozialistischen Jugend -- Roter Maulwurf -- RSJ) gingen 1987 bundesweit fast keine Aktivitäten mehr aus. Das Publikationsorgan "radi- k a l " wird deshalb auch zur Zeit nicht mehr herausgegeben. 66 3.2.3 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Der AB, 1973 aus dem Zusammenschluß mehrerer örtlich tätiger maoistisch orientierter Zirkel in Bayern entstanden, beruft sich auf den Marxismus-Leninismus und Mao Zedongs Ideen. Er strebt die Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse" und die "Errichtung einer Diktatur des Proletariats" an. Endziel ist die Verwirklichung des Kommunismus in einer "klassenlosen Gesellschaft". Der AB bekennt offen, daß er seine Ziele nur mit Gewalt erreichen könne. Er rechtfertigt die "revolutionäre Gewalt" damit, daß die "herrschende Klasse" nicht freiwillig auf ihre Macht verzichte. Der AB ist vorwiegend in Bayern tätig. Hier bestehen Gruppen in Augsburg, München, Nürnberg, Regensburg und im Raum Altötting-Burghausen-Waldkraiburg. Neben diesen AB-Gruppen gibt es in München, Nürnberg und Regensburg "Freundeskreise", die den AB finanziell unterstützen sollen. Außerhalb Bayerns verfügt der AB unverändert in 14 Städten des Bundesgebietes über Ortsgruppen oder Stützpunkte. Die Gesamtmitgliederzahl blieb mit rund 300 Personen gleich. In Bayern hat der AB etwa 100 Mitglieder. Die Leitung des AB erfolgt durch das Zentralkomitee, das seinen Sitz in München hat. Im Bildungsbereich wird der AB von seiner Nebenorganisation Kommunistischer Hochschulbund (KHB) unterstützt. Der KHB ist zusammen mit der von ihm beeinflußten "Liste stärkt den AStA" (LISA) bzw. "Liste Demokratischer AStA" (LDA) an den bayerischen Hochschulen aktiv. Zentralorgan des AB ist die "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ). Sie erscheint in unregelmäßigen Abständen mit einer Auflage von unverändert 1.200 Exemplaren im AB-eigenen "Verlag Das Freie Buch GmbH, Buchund Zeitungsveriag" in München. 1987 erschienen lediglich eine Normalausgabe und etliche Flugschriften. Zum Thema "AIDS" gab die Redaktion der KAZ eine umfangreiche Informationsbroschüre heraus. Nach wie vor nimmt der AB innerhalb der dogmatischen Neuen Linken in Bayern eine herausgehobene Position ein. Er führte jedoch 1987 nur wenige Veranstaltungen unter seinem Namen durch. Bei seinen Propagandaaktionen konnte er sich auch auf das von ihm beeinflußte Regensburger Soldatenkomitee (RSK) stützen, das -- ebenso wie der ADS --, eine Zeitschrift "Rührt Euch" herausgibt. Agitationsschwerpunkte des AB waren neben der permanenten "Antifaschismus-Kampagne" die Bundestagswahl, der Kampf gegen das Programm der Bayerischen Staatsregierung zur Bekämpfung der Immunschwächekrankheit AIDS und die Volkszählung. Für die Durchführung von Veranstaltungen zu diesen Themen benutzte der AB auch 1987 verstärkt seine beeinflußten Organisationen. Von einzelnen eigenen Veranstaltungen abgesehen, agierte der AB hauptsächlich aus dem Hintergrund. Zur Bundestagswahl gab der AB die Losung "Gegen Regierung und Kapital! Im Betrieb und überall!" heraus und empfahl, die SPD zu wählen. Im Rahmen seiner Agitation gegen den Maßnahmenkatalog der Bayerischen Staatsregierung zur Bekämpfung der Immunschwächekrankheit AIDS führte der AB im März und April Straßenkundgebungen mit dem Titel "Seuchendoktor Strauß -- Kundgebung mit Kunstcharakter" durch. Dabei wurden Flugblätter "Die Bayerische Staatsregierung ist schlimmer als jede Seuche" verteilt, 67 gegen die das Amtsgericht München am 20. März einen Beschlagnahmebeschluß erlassen hatte, da diese Flugblätter bereits in der Überschrift eine in der politischen Auseinandersetzung nicht mehr gerechtfertigte Schmähkritik gegenüber Mitgliedern der Bayerischen Staatsregierung enthielten. Herausgeber dieser Flugblätter war u.a. das Anti-Strauß-Komitee, eine vom AB stark beeinflußte Organisation. Unter der Parole "Heraus in Massen! Gegen Regierung und Kapital!" veranstaltete der AB in Augsburg, München, Nürnberg und Regensburg sowie in mehreren Städten außerhalb Bayerns eigene Mai-Feiern. In München fand aus diesem Anlaß ein Aufzug statt, an dem sich rund 260 Personen beteiligten. Zur Demonstration der "Friedensbewegung" am 13. Juni in Bonn verbreitete der AB Flugblätter mit der Schlagzeile "Laßt Euch nicht verkohlen". Zugleich rief er zur Teilnahme an der Demonstration auf. Das 100 m lange Transparent mit dem Motto "Der Hauptfeind steht im eigenen Land", das AB-Anhänger bereits anläßlich der "Friedensdemonstration" am 10. Oktober 1981 in Bonn mitgeführt hatten, wurde abermals verwendet. Erneut setzte sich der AB für Belange der Ausländer ein. In Publikationen und mit Aktionen wandte er sich gegen die angebliche Ausländerfeindlichkeit. Er agitierte dabei mit den Schlagzeilen "Kein Herz für Ausländer" und "Ausländerfeindlichkeit -- das ist Arbeiterfeindlichkeit!". Unter diesem Motto setzte der AB einen eigenen Arbeiterbildungsabend an. In seiner Propaganda gegen die angebliche Ausländerfeindlichkeit konnte sich der AB auch auf den von ihm beeinflußten "Aktionsausschuß gegen Zwangsarbeit und Abschiebung in Sammellager" stützen. Im Rahmen seiner Betriebsarbeit verbreitete der AB zahlreiche Betriebszeitungen und Flugblätter, in denen er sich mit Themen befaßte wie "Wir zählen die Reichen und ihr Geld!", "38 sind zuviel -- deshalb Streik am 8. April!", "Werkschutz schnüffelt". Im Jahre 1972 gründeten Schüler-, Betriebsund Arbeiterbasisgruppen in Passau, Regensburg und München jeweils ein Anti-Strauß-Komitee (ASKo). Nach dem Zusammenschluß der in Bayern bestehenden Arbeiterbasisund Betriebsgruppen zum Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) übernahmen AB-Aktivisten die Führung der gegen den Bayerischen Ministerpräsidenten gerichteten Komitees. Nach der 1972 ausgearbeiteten "Plattform", die auch heute noch gilt, haben die Komitees die Aufgaben, den "Sturz des rechten Führungskaders und dessen ideologischen Führers" vorzubereiten und "alle faschistischen Organisationen" zu bekämpfen. Heute bestehen noch Anti-Strauß-Komitees in Regensburg und München, die vom AB stark beeinflußt sind. Der Mitgliederstand ist sowohl in München mit etwa 40 als auch in Regensburg mit rund 50 Personen unverändert. Sprachrohr der Komitees ist der "Demokratische Informationsdienst" (DID), der im Eigendruck und Selbstverlag in einer Auflage von rund 3.000 Exemplaren hergestellt wird. Die ASKo's unterstützten 1987 den AB insbesondere bei Aktionen gegen den "Faschismus", den Bundestagswahlkampf, AIDS, Volkszählung sowie in der Agitation gegen den Bayerischen Ministerpräsidenten. In der Nacht vom 10./11. Januar wurden im Stadtgebiet von Tirschenreuth 20 Plakatständer der 68 CSU mit Plakaten überklebt, auf denen der Bundeskanzler, der Bayerische Ministerpräsident und der Bundesminister des Innern als "politische Gewalttäter" bezeichnet und der "Vorbereitung und Führung eines Krieges gegen das Volk" bezichtigt wurden. Als Herausgeber dieser Plakate zeichnete presserechtlich das ASKo und die vom Kommunistischen Hochschulbund (KHB) beeinflußte "Liste stärkt den AStA" (LISA) verantwortlich. Die beleidigenden Plakate waren erstmals im Juni 1986 in Regensburg aufgetaucht. Seither wurden sie in mehreren bayerischen und außerbayerischen Städten verbreitet. Zum Thema "Für unser Widerstandsrecht" veranstalteten das ASKo sowie ein "Trägerkreis aus AKWund WAW-Gegnern" am 24. Januar in München einen Aufzug mit Auftaktund Schlußkundgebung. An der Veranstaltung beteiligten sich rund 1.600 Personen, darunter Teilnehmer aus verschiedenen bayerischen Städten. Die Transparente trugen Aufschriften wie "Gegen den Polizeistaat", "Rücknahme der Anti-Terror-Gesetze" und "Nie wieder Faschismus -- nie wieder Krieg -- stoppt Strauß". Vor, während und nach der Demonstration nahm die Polizei mehrere Personen wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte fest. In einem Ermittlungsverfahren gegen den presserechtlich Verantwortlichen der Broschüre "Recht ist, was Strauß nützt", erließ das Amtsgericht München am 25. Februar einen Beschlagnahmebeschluß. Die vom ASKo herausgegebene Broschüre befaßte sich mit vermeintlichen "Rechtsbrüchen der CSU im Jahre 1986". Sie enthielt beleidigende Äußerungen gegenüber dem Bayerischen Ministerpräsidenten und dem ehemaligen Staatsminister des Innern. Im Zusammenhang mit der Erörterung eines Maßnahmenkataloges der Bayerischen Staatsregierung zur Bekämpfung der Immunschwächekrankheit AIDS wurden Ende März in Bayern und in anderen Teilen des Bundesgebietes die bereits erwähnten Flugblätter verbreitet, in denen für eine Protestveranstaltung gegen "AIDS-Zwangsmaßnahmen" am 4. April in München geworben wurde. Als Herausgeber war auf dem Flugblatt u.a. das ASKo genannt. Bis zu 5.000 Personen beteiligten sich an dem Aufzug am 4. April, der unter dem Motto "Rücknahme der AIDS-Zwangsmaßnahmen" in München durchgeführt wurde. Neben einer "Aktion Wehrt Euch", die zusammen mit dem ASKo als Anmelderin der Versammlung in Erscheinung getreten war, hatten zu der Veranstaltung u.a. DKP, SDAJ, MSB Spartakus und die VVN-BdA aufgerufen. Das ASKo-Flugblatt "Gegen AIDS gibt es Kondome, gegen die Bayerische Staatsregierung nicht!" wurde im Oktober wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole vom Amtsgericht München beschlagnahmt. Mit einer Flugblattaktion forderte das ASKo "sofortiges Asyl für die 14 Chilenen". Bei diesen Chilenen handelt es sich um Angehörige der chilenischen linksextremistischen Organisation "Movimiento de Izquierda Revolucionara" (MIR), die in Chile inhaftiert sind und wegen der ihnen zur Last gelegten Straftaten mit der Todesstrafe rechnen müssen. Angehörige des ASKo warfen dabei am 1. August in München vom 1. Stock des Hauptbahnhofes Flugblätter in die Schalterhalle sowie von der Aussichtsplattform eines Kirchenturms in die Fußgängerzone. Wegen der Schlagzeilen "Strauß macht gemeinsame Sache mit faschistischen Folterknechten!", "Ein Faschist darf nicht länger die Politik in der BRD bestimmen", "Stoppt Strauß", wurden Strafverfahren eingeleitet. 69 Eine weitere dem Einfluß des AB unterliegende Organisation ist die Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ). Ortsgruppen bestehen in Nürnberg und München, die dritte in Bayern bestehende Ortsgruppe nennt sich Demokratischer Jugendzirkel Regensburg. Ihr Publikationsorgan ist die "Kämpfende Jugend", die auch dem AB als Werbeträger dient. Die IVRJ unterstützte 1987 den AB insbesondere in seiner Agitation zu den Themen "Ausländerfeindlichkeit", Arbeitslosigkeit, AIDS und in der Polemik gegen die Polizei. So führte die IVRJ Mitte Februar im Nürnberger Stadtteil Gostenhof mehrere Aufzüge durch, die sich gegen die "Ausländerfeindlichkeit" richteten. An den Aufzügen, die von einer Schalmeienkapelle mit Trommler begleitet wurden, nahmen jeweils zwischen 10 und 20 Personen teil. Die mitgeführten Transparente trugen Aufschriften wie "Nicht der ausländische Kollege nimmt mir die Arbeit, sondern das Kapital" und "Nicht Rasse gegen Rasse, sondern Klasse gegen Klasse". Unter dem Motto "Arbeit gibt es genug", veranstaltete die IVRJ vom 9. bis 14. März in München sechs Aufzüge in Form einer "Picket-line", an denen sich jeweils bis zu 30 Personen beteiligten. Auf den mitgeführten Plakaten wurde die Arbeitslosigkeit angeprangert und gegen das "Kapital" agitiert. 3.2.4 Kommunistischer Bund (KB) Der Ende 1971 entstandene KB ist ein Zusammenschluß kommunistischer Organisationen auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus in seiner Weiterentwicklung durch Mao Zedong. Er strebt die "gewaltsame Zerschlagung des Staatsapparates" und seine "Ersetzung durch rätedemokratische Strukturen" an. Ende des Jahres 1987 gehörten dem KB im Bundesgebiet unverändert etwa 400 Mitglieder an. Die Mehrzahl seiner Aktivisten ist in Hamburg organisiert. In Bayern befindet sich nach Eigenangaben in Nürnberg ein Organisationsschwerpunkt. Die ehemaligen KB-Kontaktstellen München und Würzburg zeigten 1987 keine Aktivitäten; auch wurden sie in den verschiedenen KB-Publikationen nicht genannt. Seinen Einfluß innerhalb der Gruppen der Neuen Linken konnte der KB nicht weiter ausbauen. 1987 wurden ideologische Spannungen im KB bekannt, deren Gründe in den Diskussionen über das "Sozialverständnis" und die Haltung gegenüber dem "bürgerlichen Staat" zu finden sind. In Beiträgen im KB-internen "Organisations-Bulletin" Nr. 48 ist vom "Kampf zweier Linien", von einem "Machtkampf", von notwendiger "Ausgrenzung" die Rede. Jahrelang habe es im KB ein verträgliches Miteinander zweier unterschiedlicher Orientierungen gegeben. Ein "pragmatischer" marxistisch-leninistisch orientierter Flügel habe versucht, die "Krise der Organisation" mit "Abwarten auf bessere Zeiten und formalen Reorganisationsversuchen" zu bewältigen. Der andere Flügel habe sich um "inhaltliche Neugestaltung" bemüht. Dessen Anhänger werfen den "Pragmatikern" nun vor, sie hätten die "Koexistenz" aufgekündigt und einen "Linienkampf um die Reinheit des Marxismus-Leninismus" eröffnet. Die Monatszeitung "Arbeiterkampf" (AK) wird in einer Auflagenhöhe von 4.800 Exemplaren vertrieben und erscheint regelmäßig. Darin agitierte die KBGruppe Nürnberg besonders gegen den Bau der WAW und rief mehrmals zu 70 "Herbstaktionen in Wackersdorf" auf. Auch der "AIDS-Maßnahmenkatalog" der Bayerischen Staatsregierung wurde polemisch interpretiert. 3.2.5 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) Der 1980 von ehemaligen Angehörigen des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) in Hannover gegründete BWK bekennt sich in seinem Programm zur "proletarischen Revolution" und zur "Diktatur des Proletariats" im marxistisch-leninistischen Sinne. Er propagiert offen die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates". Die Zentrale des BWK hat ihren Sitz in Köln. Die Mitgliederzahl des BWK blieb 1987 mit insgesamt etwa 400 im Bundesgebiet konstant. Publikationsorgan ist die Zeitschrift "Politische Berichte". Sie erscheint vierzehntägig im Verlag "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung -- Verlagsgesellschaft Politischer Berichte mbH" (GNN) in Köln. Die Auflage betrug Ende 1987 unverändert 1.300 Stück. Auf seiner 7. Delegiertenkonferenz am 20./21. Februar in Köln verabschiedete der BWK ein neues Statut. Darin bekräftigte er seine Absicht, die "proletarische Parteibildung" weiter voranzutreiben. Er befürwortete dazu den Aufbau "volksfrontartiger Organisationen" und das Zusammenwirken mit "antifaschistischen", "antimilitaristischen" und "antiimperialistischen" Gruppen. Der BWK strebt eine Vereinigung mit der VSP an. Dazu hat er eine Kommission eingesetzt, die zusammen mit einer von der VSP gebildeten Kommission, die dafür notwendigen Grundlagen erarbeiten soll. Die Aktionsschwerpunkte des BWK waren 1987 die Atom-, Lohn/Tarifund Ausländerpolitik der Bundesregierung. In Bayern beschränkte sich die Tätigkeit des BWK auf die Verbreitung der Zeitschrift "Politische Berichte". Die Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT), ehemals von der im Oktober 1986 aufgelösten KPD beeinflußt, wurde 1979 in Dortmund gegründet. In einem damals ergangenen Aufruf war ausgeführt, die Gründung sei erforderlich gewesen, um den wachsenden "Widerstand in unserem Volke" gegen "Aussperrungsterror", "brutale Polizeieinsätze" und "Naziprovokation" bundesweit zu organisieren. In der VOLKSFRONT sind nunmehr vor allem Mitglieder des BWK und der VSP (ehemalige KPD-Angehörige) organisiert, wobei der BWK inzwischen eine dominierende Rolle spielt. Die VOLKSFRONT ist somit jetzt eine BWKund VSP-beeinflußte Organisation, marxistisch-leninistisch orientiert, mit bundesweit etwa 750 Mitgliedern. Sie verfügt in allen Bundesländern über Landesverbände, die sich in Kreisverbände und Ortsgruppen gliedern. Der Landesverband Bayern wurde 1979 in Nürnberg unter Beteiligung der KPD gegründet. Publikationsorgan der VOLKSFRONT ist das Mitteilungsblatt "Volksecho", das im zweimonatlichen Rhythmus erscheint. Daneben gibt die VOLKSFRONT die Publikation "Antifaschistische Nachrichten" heraus. Unter dem Motto "Faschisierung -- was ist das? Aktuelle Aufgaben des antifaschistischen Kampfes" führte die VOLKSFRONT am 16717. Mai in Köln einen Kongreß durch, an dem etwa 200 Personen teilnahmen. Bemerkenswert dazu ist, daß neben Mitgliedern des BWK und der VSP auch Anhänger der undogmatischen Neuen Linken teilnahmen. 71 3.2.6 Marxistische Gruppe (MG) Die MG, die Ende der 60er Jahre aus den "Roten Zellen" hervorgegangen ist, nimmt innerhalb der Gruppen der Neuen Linken eine Sonderstellung ein. Sie ist gekennzeichnet durch hierarchischen Aufbau, straffe Disziplin, intensive Schulung der Mitglieder, strenge Abschirmung des Verbandslebens und entspricht insoweit einer marxistisch-leninistischen Kaderorganisation. Programmatisch lehnt sie jedoch den "Leninismus" in seiner dogmatischen Form ab. Die MG bekämpft die "Demokratie" als "Staatsform der bürgerlichen Ausbeutung" und tritt dafür ein, den Staat auf dem Weg über die sozialistische Revolution abzuschaffen. Voraussetzung dafür sei der "Klassenkampf des Proletariats", zu dessen "Bewußtseinsorientierung" sie beitragen wolle. Das Bekenntnis der MG zur sozialistischen Revolution schließt auch die Anwendung von revolutionärer Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ein. Um die Revolution im Sinne der MG zu lenken, sei es erforderlich, die Schaltstellen des Staates und des Kapitals (Industrie) mit "eigenen Leuten" besetzt zu haben. Der "Marsch durch die Institutionen" in Staat und Wirtschaft ist somit weiterhin erklärtes MG-Ziel (siehe 6. Abschnitt 2. Extremisten im öffentlichen Dienst.) Die MG konnte ihre Vormachtstellung innerhalb der Neuen Linken in Bayern weiter ausbauen. Ihre Mitgliederzahl stieg auf ca. 700 (1986: 600). Bundesweit verfügt sie über 1.800 (1986 1.700) Mitglieder. Darüber hinaus konnte sich die MG in Bayern auf einen Sympathisantenkreis von rund 4.500 Personen stützen, die fest in die MG eingebunden sind, Beiträge entrichten und Schulungen (Sympathisantenplena) besuchen. Sie findet ihre Anhänger überwiegend unter Studenten und Angehörigen akademischer Berufe. Der organisatorische Schwerpunkt der MG liegt in Bayern. Hier bestehen Gruppen in Bamberg, Erlangen/Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Aktivitäten, die auf Stützpunkte schließen lassen, wurden auch aus Bayreuth, Fürth, Ingolstadt und Schweinfurt bekannt. Die bedeutendste Gruppe ist nach wie vor die MG München, die faktisch eine Führungsfunktion ausübt. Kommunikationsund Bildungszentren sind der "Laden" des "Vereins zur Förderung des studentischen Pressewesens e.V.", die "MHBund NEW-Gesellschaften für Druck und Vertrieb wissenschaftlicher Literatur mbH" und der "Resultate-Verlag" in München sowie die "MG-Läden" in Erlangen, Nürnberg und Würzburg. Gliederung und leitende Gremien der MG werden nach wie vor weitgehend geheimgehalten. Organisatorisch praktiziert die MG einen straffen Führungsstil und verlangt die stete Bewährung des einzelnen als Mitglied oder Sympathisant. Die Finanzierung der MG erfolgt durch hohe Mitgliedsbeiträge, Spenden und durch den Verkauf von Publikationen. Zentrale Publikationsorgane der MG sind die "MSZ -- Marxistische Streitund Zeitschrift -- Gegen die Kosten der Freiheit" und die "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ). Zusätzlich erscheinen örtliche "Hochschulzeitungen" mit Einzelauflagen bis zu 14.000 Exemplaren sowie Betriebs-, Branchenund Regionalausgaben der MAZ. Das theoretische Organ der MG führt den Titel "Resultate". Agitationsschwerpunkte der MG waren 1987 die Bundestagswahl, die Volkszählung sowie die neue Politik der Sowjetunion unter Gorbatschow. Daneben 72 Veranstaltungen des Fachschaftssprechers Philosophie Harald Kuhn (MARXISTISCHE GRUPPE) im Wintersemester (bis Weihnachten) An der Universität, mittwochs, jeweils 17.00 Uhr Student und Geschäft Die Börse und ihr Krach Der Kapitalismus stellt die Vertrauensfrage Kann so ein System sich verspekulieren? Audimax. Mittwoch. 4.11.1987.17.00 Uhr Student und Korruption: Barschel ist totdie Demokratie lebt aufda stimmt doch was nicht! Warum die Politik ihren Kredit nicht verliert HS. 201. Mittwoch. 11.11.1987.17.00Uhr student und Fortsehritt: HighTech-CentechnologieWeltraumfahrt 3 Menschheitsaufgaben für eine imperialistische Mission Audimax, Mittwoch. 25.11.1987.17.00 Uhr Student und Golf krieg: NATO-Expedition für die Freiheit der Meere Das Völkerrecht in Aktion Audimax. Mittwoch. 2.12.1987.17.00 Uhr im Schwabinger Bräu an der Münchner Freiheit 70 Jahre Sowjetunion Was hat die Oktoberrevolution an der Welt verändert? Donnerstag. 12.11.1987.19.00 Uhr Die Arbeitslosigkeit Keiner will sieJeder beklagt siewozu gibt es Sie dann? Donnerstag. 10.12.1987.19 Uhr V i.SJ.P .H.Kuhn Leopoldstraße 1 5. 80O0 Munchen 40, Faoh'l-'CreK-" 10 Oruch MHBGmbH. Amalienslr 67. 8000 München 4IJ befaßte sich die MG auf zahlreichen "teachin's" und öffentlichen Versammlungen noch mit Themen wie "Innere Sicherheit 1987 -- Die Demokratie heiligt die Mittel oder das Recht ist die politische Waffe der Regierung", "Null-Lösung. Reagan verträgt sich mit dem Reich des Bösen. Umgekehrt auch. Dem Frieden soll man trauen?", "Arbeitslosigkeit -- Eine Kritik am Kapitalismus? Bei uns doch nicht!", "Die Börse und ihr Krach: Der Kapitalismus stellt die Vertrauensfrage. Kann so ein System sich verspekulieren?", "Barschel ist tot -- die Demokratie lebt auf -- da stimmt doch was nicht!" und "70 Jahre Sowjetunion -- Was hat die Oktoberrevolution an der Welt verändert?". Hauptbetätigungsfelderwaren wiederum die Hochschulen, wo sie 1987 ihren Einflußbereich weiter ausbauen konnten, und die Betriebsarbeit. Mit der "Marxistischen Arbeiterzeitung" (MAZ), die 1987 in zahlreichen Städten vor Großbetrieben verteilt wurde, versuchte die MG erneut, in den Arbeitnehmerbereich einzudringen. Zu diesem Zweck hat die MG einen eigenen Kader für Betriebsarbeit gebildet, der über Einzelpersonen oder kleine Agitationsgruppen ihre Politik in die Betriebe tragen soll. Die Schulung der Arbeiter ist praxisbezogen und weniger "wissenschaftlich". In der MAZ behandelt die MG neben tagespolitischen auch spezielle Themen wie "Lohnt sich Leistung?", "Sonntagsarbeit", "Steuerreform -- immer wieder derselbe Zirkus", "Der Fall Rheinhausen -- Allgemeine Sympathie für demonstrierende Stahlarbeiter -- da muß doch was faul sein!" und "Die Tarifrunde 88 fällt (fast) aus". Die Bundestagswahl war Thema zahlreicher öffentlicher Diskussionsveranstaltungen. Unter dem Titel: "Keine Wahl! -- Das sichere Ergebnis: Ein Volk -- eine Führung!", führte die MG öffentliche Veranstaltungen in Bamberg, Erlangen, Nürnberg, Regensburg und Schweinfurt durch. Hierbei vertrat die MG ihren bekannten Standpunkt, daß Wahlen überhaupt nichts änderten. Einen Tag nach der Bundestagswahl wurden in München mehrere MG-Angehörige von der Polizei angetroffen, die Wahlplakate verschiedener Parteien mit folgenden Aufklebern versahen: "Hallo Stimmvieh -- ihr habt gewählt, wir haben die Macht, so war's gedacht. Vergelt's Gott. Gezeichnet eure Regierung nebst Opposition". Zum Thema Volkszählung kritisierte die MG in einem Flugblatt sowohl den Staat als auch Gegner der Volkszählung. Nach MG-Meinung müsse man sich entscheiden, ob man jetzt gegen den eh und je schon praktizierten Umgang demokratischer Machthaber mit politischen Abweichlern sein will oder gegen die Volkszählung. Für die MG sei die Volkszählung lediglich eine Inventur, bei der die Obrigkeit ihre Untertanen nachzählt. Die neue Reformpolitik der Sowjetunion unter Generalsekretär Gorbatschow war für die MG Thema zahlreicher öffentlicher Diskussionsveranstaltungen. Am 12. März verfolgten in München etwa 1.200 Zuhörer die MG-Ausführungen zum Thema: "Unglaubliches aus Moskau: die Russen wollen sich ändern. Warum eigentlich?" Hierzu vertrat die MG die Meinung, daß die "russische Wende" mehr eine Erziehungskampagne sei und nicht mit einer Demokratisierung verwechselt werden könne. Durch die selbstbewußte Reform würde es zwar ein gesellschaftliches Umdenken geben, andererseits würde der Westen aber darin bestärkt, daß die Feindbildstrategie rechtens sei. 74 Öffentliche Diskussionsveranstaltung der MARXISTISCHEN GRUPPE (MG) 70 Jahre Sowjetunion Was hat die Oktoberrevolution an der Welt verändert? Ort: Schwabinger Bräu, U-Bahn Münchner Freiheit Zeit: Donnerstag, 12.11.1987,19.00 Uhr 75 Im Zusammenhang mit den Abrüstungsverhandlungen der beiden Großmächte fanden im Juni öffentliche Diskussionsveranstaltungen in Bamberg, München, Nürnberg und Regensburg statt. Nach MG-Meinung fehlt dem Westen jeglicher Abrüstungswille. Unter dem Motto: "Null-Lösung, Reagan verträgt sich mit dem Reich des Bösen. Umgekehrt auch. Dem Frieden soll man trauen?" fand am 15. Oktober in München erneut eine MG-Veranstaltung zu diesem Thema statt. Hierin vertrat die MG vor ca. 1.100 Besuchern ihre langjährige Theorie vom "Vorkriegsstadium". Die MG vertritt dabei den Standpunkt, daß der 3. Weltkrieg, trotz der Abrüstungsbemühungen der beiden Großmächte unausweichlich sei und die Bevölkerung nur in einer Art Vorkriegszustand lebe. Den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland wird dabei unterstellt, daß sie fest entschlossen seien, diesen Krieg zu führen. Damit versucht die MG bewußt, die Bevölkerung zu verunsichern und Kriegsängste zu schüren. Auch zum Jahresende war die Lage in der Sowjetunion beherrschendes MGThema. "70 Jahre Sowjetunion -- was hat die Oktoberrevolution an der Welt verändert?" lautete die Frage auf Veranstaltungen in München (1.000 Besucher), Nürnberg (400) und Regensburg (100). Der "Gipfel von Washington -- Entwarnung oder vorläufiger Höhepunkt der Rüstungskonkurrenz?" war Thema für Veranstaltungen der MG in München, Erlangen und Regensburg. Die MG-Meinung bleibt trotz aller Abrüstungsverhandlungen unverändert: "Der Weg zum nächsten Weltkrieg ist mit lauter solchen Vereinbarungen gepflastert. Und da soll man sich für Nancy Reagans Friedensplan und für Gorbatschows Image interessieren oder gar an eine neue Entspannung glauben!" Bei den Wahlen für die Kollegialorgane der Hochschulen kandidierte die Marxistische Gruppe unter ihrem eigenen Namen, wobei sie bei den Wahlen nur ein Ziel verfolgt: "Das Privileg gewählter Studentenvertreter, in Uni-Räumen zu sagen, was sie zu sagen haben. Dieses Vorrecht nutzen wir mit unseren Diskussionsveranstaltungen hemmungslos aus, einen gewählten Fachbereichsrat zu haben, erspart uns einen Extra-Zank mit dem Ordnungsrecht". An den Hochschulen in Erlangen/Nürnberg und in München ist die MG im Konvent vertreten. 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 3.3.1 Allgemeines Zum Bereich der Neuen Linken gehören auch die sogenannten undogmatischen Gruppen. Sie sind schwer überschaubar und bestehen häufig aus kleinen, örtlichen Zirkeln oder lockeren kurzlebigen Zusammenschlüssen. Sie lehnen starre Organisationsformen und feste Bindungen an ideologischen Dogmen ab, befürworten im politischen Kampf Spontaneität, Autonomie und "Selbstorganisation der Unterdrückten". Sie fordern vor allem die Arbeit an der "Basis" und "Selbstbestimmung" in Bezugsgruppen oder persönlichen "Arbeitsfeldern" zur "eigenen Befreiung". Das politische Spektrum dieser undogmatischen Linksextremisten reicht von Anhängern eines "undogmatischen wissenschaftlichen Sozialismus" über Sozialrevolutionäre bis hin zu Anarchisten. Sie alle verfolgen als Endziel die Beseitigung der bestehenden Staats76 und Gesellschaftsordnung. Als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele fordern sie vielfach "gewaltfreien" oder gewalttätigen Widerstand. Dabei wird das Widerstandsrecht als "Gegengewalt" aus der "strukturellen Gewalt" des Staates abgeleitet und legitimiert. Innerhalb der undogmatischen Neuen Unken konnte 1987 der anarchistisch orientierte "autonome" Flügel seine Bedeutung weiter festigen. Andere Gruppen dagegen verloren weiter an Einfluß. Neben den undogmatischen Linksextremisten gibt es auch Gruppen, die auf den gleichen Aktionsfeldern, häufig mit ähnlichen Namen und Organisationsformen tätig werden, ohne jedoch extremistische Ziele zu verfolgen. Zu diesem Bereich zählt der größte Teil der sogenannten Alternativen. 3.3.2 "Autonome" Gruppen Etwa ab 1975 bildeten sich vor allen Dingen an den Hochschulen in der Bundesrepublik immer mehr undogmatische Gruppen. Diese lehnten eine marxistisch-leninistische Konzeption ab und traten für Autonomie, Selbstorganisation der "Unterdrückten" und für Spontanität eigener Gefühlsäußerungen, für Aktionen ein, die "mehr aus dem Bauch heraus" als "aus dem Kopf" kommen sollten. Diese Entwicklung wurde begünstigt durch das Entstehen der "neuen sozialen Bewegungen" (wie z.B. Alternativbewegung, Frauenbewegung, Ökologiebewegung), die versuchten, "am Rande, in Nischen und auf Inseln, das Modell einer sanften, solidarischen, ökologisch ausgeglichenen und demokratischen Zivilisation aufzubauen". Zu diesen fühlten sich die undogmatischen Gruppen der Neuen Linken an den Universitäten hingezogen. Ende der 70er Jahre traten dann in der norddeutschen Anti-Atomkraft-Bewegung, meist uniform in schwarzes Leder gekleidet, die ersten "Autonomen" als Träger radikaler -- militanter Widerstandsformen auf. 1980 begann der "Häuserkampf", die "Hausbesetzerbewegung" breitete sich in der Folgezeit in der ganzen Bundesrepublik aus. Neben dem Häuserkampf bestimmten zu Beginn der 80er Jahre Startbahn West und Anti-AKW-Bewegung die Auseinandersetzungen der "Autonomen" mit dem Staat. Von 1982 bis 1985 befand sich die "autonome" Bewegung nach eigenen Angaben in einem Tief. Der "Tschernobyl-Effekt" ließ sie jedoch in neuer "Stärke" erstehen. Das Fehlen von ausgeprägten Hierarchien und der damit einhergehenden Befehlsstrukturen ist ein Wesensmerkmal "Autonomer". Alle Entscheidungen von politischer Tragweite werden von allen Mitgliedern einer Gruppe getroffen. Es gibt zwar Abstimmungen, diese dienen jedoch lediglich zur internen Entscheidungsfindung. Die dabei durchgeführten Diskussionen verlaufen langwierig, an ihrem Ende stehen nur selten verbindliche Beschlüsse. Ein Merkmal ihrer antistaatlichen Grundhaltung ist die Ablehnung des Parlamentarismus und der ihn tragenden Parteien. Ziel der "Autonomen" ist die Errichtung einer "herrschaftslosen gewaltfreien Gesellschaft", wozu es notwendig sei, "diesen Staat zu zerschlagen". Um dieses Ziel zu erreichen, propagieren die "Autonomen" nicht nur Gewalt, sondern wenden sie auch an. Der Satz "Es ist leider eine Illusion, daß dieser Staat gewaltfrei beseitigt werden kann", hat auch nach den Morden an zwei Polizeibeamten an der Startbahn West des 77 Flughafens Frankfurt am Main in großen Teilen der autonomen Gruppen seine Gültigkeit behalten. Die Taktik der "Autonomen" besteht darin, daß sie sich zunächst "Freiräume" und "Widerstandsnester" erkämpfen und den "Kampf gegen das System unberechenbar und flexibel führen" wollen, um damit "die Angreifbarkeit" des Staates aufzuzeigen. Dies soll vornehmlich erreicht werden durch die Wahl von Themen, die es ermöglichen, den als alltäglichen "Einpunkt-Widerstand" bezeichneten Kampf als Teil eines breiten gesellschaftlichen "Widerstandes" auszugeben. Die politischen Themen reichen von Umweltschutz oder Frauenemanzipation über Anti-AKW-Kampagnen, Anti-Militarismus-Kampagnen oder Antifaschismus-Kampagnen bis hin zu Sympathiebekundungen für Terrorgruppen und terroristische Aktivitäten. Die unterschiedliche Wahl der Themen ist auf die fehlende Homogenität der "Autonomen" zurückzuführen. Als ein Beispiel dafür mag ein Interview stehen, das in Nürnberg anläßlich "6 Jahre autonomer Kampf in Nürnberg" von einem Szeneblatt geführt wurde. Auf die Frage: "Welche Ziele verfolgt ihr mit eurer Politik?" antworten drei Personen aus einer Gruppe: -- "Eine herrschaftsfreie Gesellschaft". -- "Wir wollen soziale Revolution, Rätekommunismus, eine kommunistische Gesellschaft. Wir haben jedoch andere Vorstellungen vom Kommunismus, als die momentan in den real existierenden sozialistischen Ländern verwirklichten". -- "Endgültig verwirklicht sind unsere Ziele und Vorstellungen aber wohl erst nach der Abschaffung des imperialistisch-kapitalistischen Weltsystems. Unser Kampf richtet sich nicht nur gegen den Kapitalismus hier. Die Solidarität mit dem Befreiungskampf der Dritten Welt ist integraler Bestandteil unseres Kampfes hier gegen den Kapitalismus." Wo es notwendig erschien, breitere Aktionsbündnisse mit gemäßigten Gruppen einzugehen, geschah dies z.B. bei Großdemonstrationen. "Autonome" lassen sich aber in der Regel auf keine Diskussionen darüber ein, ob dabei auch gewalttätige Aktionen durchgeführt werden sollen. In Bayern bestehen "autonome" Zusammenschlüsse in Augsburg, Coburg, Erlangen, München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg, die unter Bezeichnungen wie "Anti-NATO-Gruppe", "Infoladen-Gruppe", "Basisgruppe", "AntiWAA-Gruppe", "Prolos" und "Jobbergruppe", teilweise aber auch ohne Namen auftreten. Dabei handelt es sich vielfach um spontane und lose, nach außen jedoch abgeschottete Zusammenschlüsse ohne einheitliches Konzept. Seit Ostern 1986 haben sich auch im Oberpfälzer Raum "autonome" Gruppen zusammengeschlossen. Anleitung und Unterstützung erhalten sie von den "autonomen" Gruppen aus München, Nürnberg und Erlangen. Das Potential der "Autonomen" beträgt unter Einbeziehung weiterer loser Zusammenschlüsse gegenwärtig in Bayern etwa 300 Personen. Schwerpunkte sind die Großräume München und Nürnberg/Erlangen sowie der Oberpfälzer Raum. Angehörige "autonomer" Gruppen haben sich auch 1987, wenn auch mit rückläufiger Anzahl und Militanz, an Aktionen gegen die WAW beteiligt. Aufgrund der Erkenntnis, daß die Zeit der "großen Feldschlachten" wegen der Über78 macht des "Staatsapparates" vorbei sei und keine "Massenmilitanz" großer Bevölkerungsteile entwickelt werden könne, ging diese Szene dazu über, "direkte Aktionen" in den Vordergrund zu stellen. Gemeint sind damit Angriffe gegen verantwortliche Firmen, Institutionen und Planungsbüros sowie Einzelpersonen. Aufgrund der Fahndungserfolge der Polizei sowie einer erhöhten Sensibilisierung der Öffentlichkeit gingen diese Anschläge 1987 zurück. Die "schmerzhafte" Einsicht, daß militanter Aktionismus, der 1986 einen Höhepunkt erlebte, an die "Grenzen staatlicher Gewalt" gestoßen ist und die Erkenntnis, daß dumpfe "systemfeindliche Position", "Wut und Haß" allein nicht ausreichen, um eine überzeugende revolutionäre Perspektive zu begründen, führte im "autonomen" Spektrum zur Verunsicherung. Verstärkt wurde diese durch die Ermordung von zwei Polizeibeamten am 2. November an der Startbahn West in Frankfurt am Main. Der Tod der Polizeibeamten wird in weiten Kreisen der "Autonomen" zwar nicht bedauert, jedoch die "Vermittelbarkeit" der Tat angezweifelt. Außerdem rechnen sie mit einer wesentlichen "Verschärfung" des Demonstrationsrechtes, vor allem im Zusammenhang mit dem Vermummungsverbot. Militante "Autonome" versuchten dieser Entwicklung mit einer Reihe von Diskussionsveranstaltungen sowie Thesenpapieren entgegenzuwirken. Neben einer Klärung verschiedener Ansätze und Ziele sollen dabei die Möglichkeiten "Wie wir zusammen kämpfen können, denn Spaltungen schwächen uns alle" erörtert werden. An erwähnenswerten Aktivitäten "autonomer" Gruppen im Jahre 1987 sind zu nennen: An einer unangemeldeten Protestdemonstration gegen den geplanten Bau des Rangierbahnhofes München-Allach am 23. Mai nahmen etwa 220 Personen teil, darunter 20 Anhänger der "autonomen" Szene. Die Demonstranten zogen auf das Rodungsgelände und begannen dort provisorische Hütten zu bauen. An der Hütte der "Autonomen" wurde ein Transparent mit der Aufschrift: "Besucht den Forst -- leistet Widerstand" und "Platzbesetzung" mit Anarchozeichen, geballter Faust sowie ein roter und schwarzer Stern angebracht. An den Ausschreitungen am 11. und 12. Juni in Berlin, die sich gegen den Besuch des Präsidenten der USA, Ronald Reagan, richteten, beteiligten sich auch "autonome" Gruppen und Sympathisanten aus Bayern. Unter den etwa 300 Festgenommenen bzw. in Verwahrung genommenen Personen waren 22 aus Bayern, davon sechs aus München. Um ihre Solidarität mit den Bewohnern der Hafenstraße in Hamburg zum Ausdruck zu bringen, beteiligten sich Anhänger "autonomer" Gruppierungen in München und Nürnberg an der Besetzung von Räumlichkeiten der SPD und in Würzburg an der Besetzung einer leerstehenden Kinderklinik. Dabei wurden Transparente gezeigt mit den Aufschriften "Keine Räumung der Hafenstraße no pasaran" und "schafft 2, 3, viele Hafenstraßen". Auch ein RAF-Stern war zu sehen. In einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung der "Autonomen" und des Kommunistischen Bundes (KB) Nürnberg zum Thema "10 Jahre Deutscher Herbst" am 25. November im KOMM in Nürnberg wurde u.a. vorgebracht, daß 79 bis jetzt noch nicht feststehe, ob Baader, Meinhof und Ensslin 1977 in der JVA Stammheim tatsächlich Selbstmord begangen hätten. Ein Redner äußerte den Verdacht, daß die "Erschießung" von Polizeibeamten an der Startbahn West in Frankfurt am Main ähnlich wie die "Morde" in Stammheim vom Staat "eingefädelt" worden sein könnte. Die in Berlin (West) herausgegebene Publikation "die tageszeitung" (taz), die bundesweit täglich erscheint und von Anhängern der "Alternativbewegung" getragen wird, wurde von Gruppen der undogmatischen Neuen Linken stark angegriffen. Ihr wurde vorgeworfen, daß sie wegen ihres kommerziellen Denkens die "Linke Sache" verraten haben. Auslöser hierfür war die ablehnende Berichterstattung der taz über Pläne der "Autonomen", bei den Herbstaktionen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf anstatt der durchgeführten Großdemonstration in Wackersdorf eine Demonstration in Amberg durchzuführen. 3.3.3 Anarchistische Arbeiter Union (AAU) Die AAU entstand 1985 aus dem Zusammenschluß der "Anarchistischen Föderation Südbayern" (AFS) und der "Freien Arbeiter Union" (FAU). Die rund 20 Mitglieder der AAU orientieren sich weitgehend an der autonomen Szene in München und nehmen auch an den Aktionen dieser Kreise teil. 3.3.4 Anarchistische Föderation Nordbayern (AFNB) Die 1986 in Bamberg gegründete AFNB, der sich Gleichgesinnte aus Aschaffenburg, Bamberg, Regensburg und Würzburg anschlössen, führte 1987 einige Veranstaltungen durch, die in der Öffentlichkeit jedoch kaum Beachtung fanden. Die von der Bamberger Gruppe herausgegebene Schrift "Der Leichenfledderer" erschien 1987 nicht mehr. Der AFNB dürften rund 25 Personen angehören. 3.4 Linksextreme Schriften Eine besondere Bedeutung für den Informationsaustausch innerhalb der undogmatischen Neuen Linken haben Publikationen, die auch über terroristische Aktionen informieren und Erklärungen terroristischer Gruppen und ihres Umfeldes abdrucken, ferner einige "Alternativzeitungen", die immer wieder Raum für Veröffentlichungen extremistischer Positionen bieten. Im regionalen Bereich gehören hierzu die Zeitschrift "freiraum" sowie der in unregelmäßigen Abständen erscheinende "Informationsdienst München". Die Zeitschrift "freiraum" veröffentlichte 1987 wiederholt Artikel, in denen zur Begehung von Straftaten aufgefordert wird oder Straftaten gebilligt werden. Aus den Beiträgen ist ersichtlich, daß es den Verfassern in erster Linie darum geht, die Zielvorstellungen und Anschlagstätigkeit militanter Gruppen einem möglichst großen Interessentenkreis zu vermitteln. So enthielt die Ausgabe "Bayerischer Frühling 87" des "freiraum" eine Selbstbezichtigung der "Revolutionären Zellen" (RZ) zu dem Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfe80 stelle für Asylbewerber am 2. Februar in Berlin. Ferner war ein Tatbekenntnis "Anarchistischer Zellen" abgedruckt, in dem aufgefordert wird, den Widerstand gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf in "entschiedener Härte" fortzuführen. In der Ausgabe "freiraum -- Sommer 1987" Nr. 18 wurde unter der Überschrift "im Blickfeld: autonome Zellen" ein Interview mit drei Angehörigen wiedergegeben, die sich u.a. zu dem Anschlag am 24. April 1986 auf die Pumpstation der NATO-Pipeline in Vollersode in Niedersachsen und zu dem "Angriff" vom 15. Februar 1987 auf einen Versorgungszug der US-Armee bei Achim im Raum Bremen bekannten. Außerdem war eine Selbstbezichtigung der RZ zum Anschlag auf die Umspannstation der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke bei Kelsterbach am 16./17. Juni abgedruckt. Im "freiraum" Nr. 19, mit dem Untertitel "Herbst 87" wurde u.a. zur Teilnahme an der Demonstration am 17. Oktober in Stuttgart anläßlich des 10. Jahrestages der Selbstmorde inhaftierter terroristischer Gewalttäter in Stuttgart-Stammheim aufgerufen. Im Text wurde behauptet, daß diese Personen in der JVA ermordet worden seien. In dieser Ausgabe waren auch Selbstbezichtigungen verschiedener "autonomer" Gruppen enthalten. Die erwähnten "freiraum"-Ausgaben wurden beschlagnahmt und es wurde jeweils ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ende Juli/Anfang August erschien die Nr. 133 der Druckschrift "radikal". Verbreitet wurde die Schrift u.a. mit willkürlich gewählten Absenderangaben von im Bundesgebiet wohnenden Personen. Als Kontaktadresse war, wie schon bei der vorhergehenden Nummer, die Anschrift der niederländischen Publikation "BLUF" in Amsterdam angegeben. Die Beiträge befaßten sich u.a. mit den Ausschreitungen in Berlin anläßlich des Besuchs des amerikanischen Präsidenten sowie mit Aktionen gegen Kernkraftwerke. Die Schrift bringt eine Anleitung zur Herstellung eines Brandsatzes, ferner eine Skizze "revolutionärer Heimwerker" zur Beschädigung von Strommasten. Zu den zahlreich veröffentlichten Selbstbezichtigungen gehören alleine 8 Erklärungen der "Revolutionären Zellen". 4. Linksextremer Einfluß auf die "Anti-AKW-Bewegung" 4.1 Allgemeines Die friedliche Nutzung der Kernenergie und die damit verbundenen Probleme der Entsorgung und Endlagerung waren schon in früheren Jahren wiederholt Anlaß für bundesweite Protestaktionen von Kernkraftgegnern. Die Entscheidung der Betreiberfirma, eine Wiederaufarbeitungsanlage für abgebrannte Brennelemente in Wackersdorf (WAW) zu errichten, führte zu einer Verlagerung der gegen Kernkraftwerke gerichteten Aktivitäten vom norddeutschen Raum (Grohnde, Brokdorf und Gorleben) nach Bayern. An den Protestaktionen der "Anti-AKW-Bewegung" beteiligten sich 1987 aus dem orthodoxkommunistischen Spektrum -- mit unterschiedlicher Intensität -- die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), der Marxistische Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus), die Deutsche Friedens-Union (DFU), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), die Deut81 sehe Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK), der Sozialistische Hochschulbund (SHB), die Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA) und das Nürnberger Friedensforum. Die DKP und vielfach auch die von ihr beeinflußten Gruppierungen begründen ihre ablehnende Haltung im wesentlichen damit, daß die WAW den .Griff zur Atombombe" ermögliche. Das Vorgehen der "Atommafia" erfordere das "gemeinsame Handeln aller Gegner der Atomwaffenfabrik", das nach Auffassung der DKP in der "Bündnisbreite und Aktionskraft" der "Herbstaktionen" seinen Niederschlag gefunden habe. Die DKP kritisierte ferner die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der am 14. August die Zulassung eines Volksbegehrens über den Bau der WAW abgelehnt hatte. Die DKP-Bezirksorganisationen Nordund Südbayern bezeichneten das Urteil als "empörenden Angriff" auf bestehendes demokratisches Recht. Der Spruch liege auf der "CSU-Linie", notfalls nachträglich die "Rechtslage" den "illegalen Absichten der Atomlobby" anzupassen. Dies alles sei ein Grund mehr, die außerparlamentarischen Aktionen fortzusetzen. An der "Anti-AKW-Bewegung" beteiligten sich neben den orthodoxen Kommunisten auch Gruppierungen der dogmatischen und undogmatischen Neuen Linken. Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) sieht in der WAW ein Großprojekt, das gegen den entschiedenen Widerstand der Bevölkerung durchgezogen werden solle. Die Errichtung der WAW ist für die MLPD Teil der atomaren Aufrüstungspläne des "imperialistischen Systems" der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb fordert sie zum aktiven Widerstand statt symbolischer Aktionen auf. Auch die linksextrem beeinflußte Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) wendet sich gegen die Errichtung der WAW mit der Argumentation, die WAW sei energiepolitisch und waffentechnologisch ein entschiedener Schlußbaustein für die schon laufenden Kriegsvorbereitungen. Das vom Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) beeinflußte Anti-Strauß-Komitee (ASKo) sieht in der "Plutoniumfabrik" in Wackersdorf den "vorläufigen Höhepunkt der Wiederbewaffnung" der Bundesrepublik Deutschland. Hauptträger der aggressiven Militanz gegen die Errichtung der WAW in Wort und Tat waren nach wie vor Gruppierungen der undogmatischen Neuen Linken, die aus einer anarchistischen Zielsetzung heraus "die bestehenden Herrschaftsstrukturen zerschlagen" wollen. Das größte Potential in diesem Bereich stellen nach wie vor die Angehörigen sogenannter "autonomer" Gruppen dar, die in zahlreichen, oft nur kurzlebigen, aktionsbezogenen Zusammenschlüssen agieren und in ihren Aktionen, die in Bayern in erster Linie gegen die WAW und deren Zulieferfirmen gerichtet sind, Gewalt gegen Personen und Sachen offen propagieren und praktizieren. Die Hoffnung der "Autonomen", "durch Massenmilitanz das Atomprogramm zu überrennen", ging jedoch nicht in Erfüllung. In einem von Gruppen der "Autonomen" veröffentlichten Artikel mit der Überschrift "Situation der Autonomen in der Anti-AKW-Bewegung" heißt es hierzu: "Unter uns Autonomen hat sich ein Begriff von Militanz entwickelt, der sich eher der Logik der Gewaltfrage unterordnet als unseren Utopien von sozialer GEGEN-Macht". Die von den Bürgerinitiativen veranstaltete Demonstration am 10. Oktober von Wackersdorf zum Bauzaun lehnten die Autono82 men mit der Begründung "Weg vom Zaun -- rein in die Zentren" ab. Deshalb wiederholten sich die schweren Ausschreitungen von 1986 in diesem Jahr nicht. Dennoch blieb der "Anti-WAA-Kampf" auch am WAW-Zaun Bestandteil des Kampfes der "Autonomen" gegen das "kapitalistische System". 4.2 Einzelfälle Im Rahmen der Vorbereitung der "Ostermärsche" propagierte die Landeskonferenz der bayerischen "Anti-AKW-Initiativen" (LAKO), in der auch Linksextremisten mitarbeiten, einen "Waldspaziergang in Wackersdorf". Diesem Aufruf folgten etwa 5.000 Personen. Von einigen Zwischenfällen abgesehen wiederholten sich die schweren Ausschreitungen der Osterfeiertage 1986 nicht. In der Nacht zum 20. April wurden fünf Fahrzeuge der Polizei beschädigt, als etwa 40 zum Teil vermummte militante WAW-Gegner mit Steinen gegen eingesetzte Kräfte vorgingen. In derselben Nacht wurden auch Straßen mit Baumstämmen und Krähenfüßen blockiert. Anläßlich des Jahrestages des Reaktorunfalls in Tschernobyl (26. April 1986) beteiligten sich am 25726. April bundesweit mehr als 25.000 AKW-Gegner an einer Vielzahl von Kundgebungen und sonstigen Protestaktionen, die zum Teil von "Bündnissen" unter Einschluß linksextremer Gruppierungen initiiert worden waren. Die Schwerpunkte lagen am 25. April in Berlin (West), Hamburg und Nürnberg. Am 26. April fanden Demonstrationen am Bauzaun der WAW und auf dem Wackersdorfer Marktplatz statt. Hierbei beteiligten sich über 4.000 AKW-Gegner, von denen rund 2.000 das WAW-Gelände "umzingelten". Gegen Abend wurden aus einer Menge von mehreren hundert Demonstranten heraus vereinzelt Steine geworfen und Sägeversuche am Bauzaun unternommen. An Demonstrationszügen und Kundgebungen vor Niederlassungen einer maßgebend am Bau beteiligten Firmengruppe in Berlin, Erlangen, Offenbach und Mühlheim/Ruhr beteiligten sich am 2. Mai im Rahmen eines "bundesweiten Aktionstages" der "Anti-AKW-Bewegung" insgesamt 2.000 Personen, darunter Anhänger autonomer anarchistischer Gruppen und anderer Kräfte der Neuen Linken. In den hierzu verbreiteten Aufrufen wurde behauptet, die Firmengruppe stehe für die "Entwicklung und Weiterführung des bundesdeutschen Atomprogramms", für "Hunger, Verelendung und Ausbeutung der Dritten Welt" und ermögliche die "bundesdeutsche Atombombenproduktion". Es kam zu Farbschmierereien (z.B. "Kampf der Atommafia"), vereinzelt zu Angriffen auf die eingesetzten Polizeibeamten und zu Sachbeschädigungen an Polizeifahrzeugen. Bei der Veranstaltung in Erlangen, die störungsfrei verlief, gehörte zu den Rednern der Kundgebung auch ein Sprecher aus den Reihen der "Autonomen". In einem in München, Regensburg und Wackersdorf verbreiteten anonymen Flugblatt wurden "alle Nachtschwärmer, Widerständler, Bürger, Chaoten, Arbeiter und die anderen Unbeugsamen" unter dem Motto "Wir munkeln im Dunkeln gegen die Dunkelmänner der Kernenergie-Mafia" zu einem "Nachtspaziergang gegen die WAA" am 24. Juli am Bauzaun der WAW aufgerufen. Das regionale "autonome" Spektrum der Oberpfalz hatte intern für die Aktion mo83 bilisiert, an der sich bis zu 500 Personen beteiligten. Aus der Menschenmenge heraus wurden vereinzelt Steine in Richtung der eingesetzten Polizeikräfte geworfen; die WAW-Gegner beschädigten außerdem die Zaunbeleuchtung und versuchten, ein Tor aufzuhebein. An einem weiteren unter dem Motto "Feuerwerk am Bauzaun -- schlaflose Nächte für die Bullen" angekündigten "Nachtspaziergang" am WAW-Gelände beteiligten sich am 19. September etwa 400 Kernkraftgegner, darunter knapp 100 -- größtenteils militante -- Autonome aus verschiedenen Städten. Vereinzelt wurden pyrotechnische Gegenstände abgebrannt und Steine über den Bauzaun geworfen. Bei einer Absuche des Geländes fanden die Polizeibeamten Sturmhauben, Eisensägen und zahlreiche pyrotechnische Gegenstände. Unter dem Motto "Herbstaktionen gegen den atomaren Wahnsinn -- gemeinsam gegen die WAA" fanden vom 8. bis 10. Oktober in der Oberpfalz mehr als 20 Veranstaltungen in Form von Informationsständen, Aufzügen, Straßentheatern, simulierten Katastrophenschutzübungen, Fahrradstafetten, Mahnwachen, Trauermärschen und Kundgebungen statt, die sich gegen die WAW richteten und insbesondere der Mobilisierung von Atomkraftgegnern für die Großkundgebung am 10. Oktober dienten. Als Koordinator der "Herbstaktionen" trat ein aus 20 Organisationen und Initiativen bestehender Trägerkreis auf, dem u.a. "Autonome" und orthodox-kommunistisch beeinflußte "Friedensinitiativen" angehörten. Zur Großveranstaltung am 10. Oktober versammelten sich rund 25.000 Personen auf dem Volksfestplatz in Wackersdorf. Unter den Teilnehmern befanden sich Mitglieder und Anhänger von DKP, SDAJ, VSP, ASKo und BIFA sowie "Autonome" und militante Kernkraftgegner aus dem gesamten Bundesgebiet und aus Österreich. Bereits während der Veranstaltung wurden Flugblätter verteilt, die Verhaltensmaßregeln für die Teilnahme an dem anschließend geplanten "Marsch zum Bauzaun" enthielten, obwohl dieser verboten war. Für die Flugblätter zeichnete der DKP-Kreisvorsitzende von Regensburg verantwortlich. Nach der Kundgebung, die störungsfrei verlief, setzten sich entgegen dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigten Verbot des Landratsamts Schwandorf zwei größere Blöcke in Richtung auf das WAW-Gelände in Bewegung. In einem der Aufzüge wurden mehrere Transparente mitgeführt, darunter eines mit der Aufschrift "Wir sind die wilden Horden, wir wollen plündern und morden". Auf einem anderen sichergestellten Transparent mit Anarchostern stand in RAF-Diktion die Parole: "Niemals vor der Dimension der eigenen Ziele zurückschrecken: Im Kampf um Befreiung revolutionäre Gegenmacht entwickeln! Die WAA verhindern". In den frühen Nachmittagsstunden waren am Baugelände etwa 5.000 bis 6.000 Personen angelangt, die ständig in beiden Richtungen das Areal umrundeten. In dieser Menschenmenge tauchten immer wieder militante AKW-Gegner in kleinen Gruppen oder Einzelpersonen auf, die Wurfgeschosse gegen Polizeibeamte schleuderten oder Sägeversuche am Zaun unternahmen. Da die Polizei keine größeren Ansammlungen duldete, konnten sich auch die Militanten nicht zu größeren Gruppen formieren. Es blieb daher bei spontanen Kleinaktionen der Gewalttäter, deren Zahl zwischen 100 und 200 lag. Bei den Einsätzen am Baugelände wurden insgesamt 33 Polizeibeamte verletzt. Die Polizei nahm vom 4. bis 10. Oktober 320 Personen vorläufig fest. Für 17 von ihnen liegen extremistische Erkenntnisse vor. 84 Der Aktionsrahmen und ein Aufrufvorschlag für die "Herbstaktionen" waren von der "Anti-AKW-Bewegung" in Zusammenarbeit mit Oberpfälzer Bürgerinitiativen erarbeitet und beschlossen worden. Die Bundeskonferenz (Buko) der "Anti-AKW-Bewegung" vom 16. bis 18. Januar 1987 im Kommunikationszentrum (KOMM) in Nürnberg hatte bei der Vorbereitung der "Herbstaktionen" eine initiierende und koordinierende Funktion. An dieser Konferenz, die ursprünglich im Herbst 1986 in Regensburg stattfinden sollte, damals jedoch verboten wurde, beteiligten sich Personen aus dem gesamten linksextremen Spektrum von gewaltfreien Initiativen bis hin zu militanten autonomen Gruppierungen. Der offiziellen Buko ging am Freitag abend (16. Januar) eine Debatte über die Neufassung der "Anti-Terror-Gesetze" voraus. Am Samstagvormittag (17. Januar) fand eine weitere Veranstaltung zum Thema "Die neuen Anti-Terror-Gesetze und ihre Anwendung auf die Anti-AKW-Bewegung" in Nürnberg statt. Bei einem abschließenden Demonstrationszug zum KOMM bildeten unter den bis zu 1.500 Teilnehmern etwa 100 mit Sturmkappen vermummte Personen einen festen Block. Die Buko selbst begann dann am Samstag mittag mit der Bildung von mehreren Arbeitsgruppen, die sich mit der Beratung von Themen wie "Kriminalisierung", "Strukturen in der Anti-AKW-Bewegung" und "Verhältnis des außerparlamentarischen Anti-AKW-Kampfes zur Bundestagswahl" befaßten. Über dem Eingang zum KOMM war ein Plakat mit der Aufschrift "Gemeinsam im Kampf für die Zusammenlegung der Gefangenen der RAF" angebracht. Darüber befand sich eine schwarze Fahne mit einem fünfzackigen roten Stern, dem Zeichen der "Anarcho-Syndikalisten". Im Eingangsraum des KOMM war ein Transparent gespannt, das die Aufschrift trug: "Den Sprung von der spontanen Bewegung zur revolutionären Kraft einleiten. Die militante Debatte organisieren und durchsetzen." Im Zusammenhang mit der Buko wurden im KOMM zahlreiche Flugblätter und Broschüren verbreitet, darunter auch terroristisches Schriftgut wie z.B. die Untergrundzeitschrift "Zusammen kämpfen -- Zeitung für die antiimperialistische Front in Westeuropa" Nr. 8 vom Oktober 1986, die Selbstbezichtungsschreiben zu dem Mord der RAF an Dr. von Braunmühl sowie zu Anschlägen der Militanten der RAF enthält. In einem Beitrag der ebenfalls im KOMM festgestellten Zeitschrift "graswurzelrevolution" heißt es: "Ich habe mich als gewaltfreier Anarchist am Aufbau einer der zur Zeit entstehenden .Sägefisch'-Gruppen beteiligt. Wir haben einen Hochspannungsmasten umgesägt. Ich verstehe diese Aktion als gewaltfrei." Das zunächst vom Verwaltungsgericht Ansbach und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Korrektur eines behördlichen Verbots unter Auflagen zugelassene Treffen der Buko im KOMM wurde in der Nacht zum Sonntag (18. Januar) vom Verwaltungsgericht Ansbach wieder untersagt, weil die Veranstalter eine Reihe von Auflagen nicht erfüllt hatten. So lehnten die Veranstalter die namentliche Benennung der Leiter der Arbeitsgruppen ab. Einige dieser Gruppen befaßten sich unter der Bezeichnung "Schraube" bzw. "Säge" mit dem "Lösen" bzw. "Umsägen" von Strommasten, einer Form des "Widerstandes", dem die militante Anti-Atombewegung besondere Bedeutung beimißt. Nach Bekanntgabe des endgültigen Verbots durch den VGH am Sonntagmorgen wurde die Buko durch den Veranstalter beendet. 85 5. Linksextremer Einfluß auf die "Friedensbewegung" 5.1 Allgemeines Seit Jahren versuchen Linksextremisten, mit Kampagnen "für Frieden und Abrüstung" eine Massenbasis für ihre weitergehenden verfassungsfeindlichen Ziele zu gewinnen. Zu diesem Zweck rufen kommunistische und kommunistisch beeinflußte Organisationen Initiativen, Komitees und sonstige Vereinigungen ins Leben und beteiligen sich aktiv an bereits bestehenden nichtextremistischen Gruppierungen und Initiativen, die die Sehnsucht der Menschen nach Frieden in den verschiedensten Lebensbereichen zum Ausdruck bringen wollen. Die "Friedensbewegung" ist keine homogene "Bewegung". Sie besteht vielmehr aus einer Vielzahl von Gruppierungen, die sich in ihrer ideologischen Einstellung, in ihrer Organisation, in Taktik und Zielsetzung und vor allem in ihrer Haltung zur Frage der Gewaltanwendung nicht nur unterscheiden, sondern teilweise sogar konträr gegenüberstehen. Nach diesen Merkmalen können die Gruppierungen der "Friedensbewegung" unter Berücksichtigung des linksextremen Einflusses in zwei große Lager zusammengefaßt werden, und zwar in den "traditionellen" und den "autonomen/unabhängigen" Flügel. Der traditionelle Flügel, dessen Organisatoren vielfach orthodox-kommunistische Positionen vertreten, war mit etwa 100.000 ständigen Anhängern im Bundesgebiet wie in den Vorjahren der zahlenmäßig stärkste Block. Er besteht in erheblichem Umfang aus der DKP, ihren Nebenund beeinflußten Organisationen und dem größten Teil der linksextrem beeinflußten "Friedensinitiativen". Hauptträger der linksextremen Aktivitäten innerhalb der "Friedensbewegung" insgesamt waren nach wie vor die DKP, ihre Nebenorganisationen SDAJ, MSB Spartakus und JP sowie die von ihr beeinflußten Organisationen, insbesondere KFAZ, DFU, DFG-VK und VVN-BdA. Die Aktionen der orthodoxen Kommunisten in der "Friedensbewegung" waren Teil einer von der KPdSU weltweit betriebenen Kampagne, bei der der sowjetisch gelenkte Weltfriedensrat (WFR) eine zentrale Rolle einnimmt. Dem WFR gehören Personen und Organisationen aus mehr als 130 Ländern an. Aus der Bundesrepublik Deutschland sind dies die DFU und die VVN-BdA als kollektive Mitglieder sowie verschiedene Einzelpersonen wie z.B. das DKP-Präsidiumsmitglied und Mitglied des KFAZBüros Martha Buschmann, die 1983 in den Kreis der Vizepräsidenten des WFR gewählt wurde, und der ehemalige Bundesvorsitzende der DFG-VK und Mitglied des KFAZ-Büros Klaus Mannhardt. In seinem Aktionsprogramm für 1987 rief der WFR "alle am Frieden interessierten Gruppen, Organisationen und Bewegungen zu einem offenen Dialog auf" und betonte, daß mit "anhaltenden, verstärkten und breiten Aktionen auf die nukleare Abrüstung und die vollständige Beseitigung aller Atomwaffen" hinzuarbeiten sei. Im Mittelpunkt seiner Agitation standen deshalb die Forderungen nach Einstellung der Nuklearversuche und Nichtbeteiligung am Programm der Strategischen Verteidigungs-Initiative (SDI).. Aufgrund straffer Organisation und Parteidisziplin, ausreichender finanzieller Mittel und einer jahrelangen Erfahrung im Organisieren, auch von Großveranstaltungen, ist die DKP mit ihrem Umfeld jederzeit in der Lage gemäß den von 86 der KPdSU vorgegebenen Leitlinien Großaktionen zu planen und durchzuführen sowie Teilnehmer an Aktionen zu mobilisieren. Auch 1987 sah das DKPSpektrum in der Mobilisierung zu Massenaktionen wie Aufmärschen, Kundgebungen und Demonstrationen die wirksamste Waffe im "Friedenskampf" und setzte dabei auf eine qualitative Verbreiterung der "Friedensbewegung" durch verstärkte Einbeziehung demokratischer und kirchlicher Gruppen. Gewaltsame Ausschreitungen wurden vermieden. Der Protest des orthodox-kommunistisch orientierten traditionellen Flügels der "Friedensbewegung" richtete sich 1987 im wesentlichen gegen die "Militarisierung des Weltraums", gegen die "Stationierung von Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland" und gegen die "Atomtests der USA". Ab Mitte des Jahres warb der traditionelle Flügel der "Friedensbewegung" für die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion zur Beseitigung atomarer Mittelstreckenraketen (INF-Abkommen). Deutlich abgesetzt von diesem Spektrum besteht ein autonom/unabhängiger Flügel, dem neben anarchistischen "Gewaltfreien Aktionsgruppen", "AntiKriegs"-Gruppen der undogmatischen Neuen Linken und radikal-pazifistischen Initiativen auch Gruppen der Umweltschutzbewegung, Dritte-Welt-Komitees, Grüne und christlich orientierte sowie sonstige nichtextremistische "Friedensinitiativen" zuzurechnen sind. Dieses Spektrum ist zu einem großen Teil in der "Bundeskonferenz Unabhängiger Friedensgruppen" (BUF) organisiert. Im Trägerkreis dieses Zusammenschlusses arbeiten auch Anhänger der Neuen Linken maßgeblich mit. Der autonom/unabhängige Flügel umfaßt im Bundesgebiet höchstens 10.000 ständige Anhänger. Auch das Mobilisierungspotential ist in etwa auf diese Zahl beschränkt. Es bleibt damit erheblich hinter dem des traditionellen Flügels zurück. Innerhalb dieses Spektrums waren ideologische Gemeinsamkeiten kaum erkennbar. Ebenso fehlte -- abgesehen von einer gewissen Integrationsfunktion der BUF -- eine einheitliche organisatorische Führung. Dieser Flügel war weder gewillt noch in der Lage, Massenaktionen selbst durchzuführen. Er setzte vielmehr auf Aktionen des "Zivilen Ungehorsams", d.h. "die bewußte Mißachtung staatlicher Maßnahmen, Gesetze und Verordnungen". "Diese nach eigener Aussage "gewaltfreie Kampfform" äußert sich z.B. in "NichtZusammenarbeit mit den Herrschenden (Verweigerung, Streik) und direkten Aktionen (Besetzung, Blockaden, Sabotagen)". Da mehrere Gruppierungen des autonom/unabhängigen Flügels wie z.B. die anarchistische Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) und die "Koordinierungsstelle Ziviler Ungehorsam" (KOZU), die bis Ende 1987 als BUF-Büro fungierte, im "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" (KA) vertreten waren, konnten sie so ihre Positionen in breiterem Umfang propagieren. Hierbei setzte sich das autonom/unabhängige Spektrum zum Thema "Frieden" nicht nur mit dem Abbau der Atomraketen, dem SDI-Programm und dem NATO-Bündnis auseinander, sondern thematisierte vielmehr den gesamten Komplex "Rüstung und Militarismus". Weitere Schwerpunkte in der Agitation waren die Kernenergie und der Boykott der Volkszählung. Trotz unterschiedlicher Aktionskonzepte unterstützten beide Flügel der "Friedensbewegung" die Blockade der Cruise-Missiles-Basis in Hasselbach/Hunsrück am 28729. Mai, die Großdemonstration am 13. Juni in Bonn sowie die 87 "Herbstaktionen", die u.a. den "Olof-Palme-Friedensmarsch", den "Blockadeherbst" der "Kampagne Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung" vom 2. bis 10. Oktober sowie die dezentralen Aktionstage an Raketenstationierungsorten umfaßten. Die im Vorjahre begonnene Zusammenarbeit zwischen der "Friedensbewegung" und der ebenfalls extremistischen Einflüssen unterworfenen "Anti-AKW-Bewegung" in Bayern, die sich gegen den Bau der WAW richtet, wurde 1987 fortgesetzt. Höhepunkt dieser Zusammenarbeit war eine Protestkundgebung am 10. Oktober in Wackersdorf mit 25.000 Teilnehmern. In dem hierfür gebildeten "Trägerkreis" waren auch linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppierungen vertreten. Die Linksextremisten bilden innerhalb der "Friedensbewegung" zahlenmäßig nach wie vor eine Minderheit. Der kommunistische Einfluß auf die "Friedensbewegung" geht aber andererseits weit über seinen zahlenmäßigen Anteil hinaus, weil er wesentlich von der Intensität der Propaganda und dem Engagement innerhalb der unterschiedlichen Gruppen abhängt. Trotz unveränderter Aktivitäten im "Friedenskampf", die Ende des Jahres deutlich zurück gingen, gelang es den kommunistischen Gruppierungen auch 1987 nicht, ihrem Einfluß auf die "Friedensbewegung" weiter auszubauen. Offenbar zeigte auch hier der positive Verlauf der Abrüstungsgespräche zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion erste Auswirkungen. 5.2 Agitationsund Aktionsschwerpunkte Im Zusammenhang mit der Bundestagswahl rief das orthodox-kommunistisch beeinflußte Nürnberger Friedensforum zur Teilnahme an einer Kundgebung am 19. Januar in Nürnberg auf. Nach dem Text des Aufrufes sollten bei der Bundestagswahl nur Parteien und Kandidaten gewählt werden, die sich entschieden für die Entspannung und Abrüstung einsetzten. Unter den rund 900 Teilnehmern befanden sich zahlreiche Angehörige der DKP, der SDAJ, der VVNBdA und verschiedener linksextrem beeinflußter Nürnberger "Stadtteilfriedensinitiativen". Als Redner trat u.a. ein Angehöriger der Krefelder Initiative auf. Am 10. März fand in München ein "Internationales Friedensforum" mit rund 1.200 Personen statt. Eingeladen hierzu hatte das "Münchner Friedensbündnis", dem 13 Organisationen angehören, darunter die orthodox-kommunistisch beeinflußten Gruppierungen DFG-VK, VVN-BdA, BIFA und Münchner Friedensforum sowie die linksextrem beeinflußten Vereinigten Münchner Friedensinitiativen (VMF). Das Forum wurde mit einem Referat der Landessekretärin der VVN-BdA zum Thema "Neues Denken in der Sowjetunion" eröffnet; anschließend berichteten fünf Teilnehmer über das "Internationale Forum für Frieden", das vom 14. bis 16. Februar in Moskau unter dem Leitgedanken "Für eine kernwaffenfreie Welt -- Für das Überleben der Menschheit" stattgefunden hatte. Im Rahmen der "Ostermärsche" demonstrierten vom 18. bis 20. April bundesweit in mehr als 300 Städten und Gemeinden rund 100.000 (1986: 120.000) Personen mit Mahnwachen, "Friedensmärschen" und Kundgebungen gegen die "Militarisierung des Weltraumes", gegen Atomtests und für Abrüstung in Ost 88 Nürnberger Friedensforum und West. Wie in den Vorjahren waren die DKP und die von ihr beeinflußten Organisationen -- vor allem die DFL) -- an der Vorbereitung und Durchführung der Aktionen sowie an der Formulierung der "Ostermarsch"-Aufrufe maßgeblich beteiligt. An den "Ostermärschen" in Bayern nahmen insgesamt 20.000 (1986: 40.000) Personen teil. Träger der Veranstaltungen waren meist örtliche "Friedensinitiativen", die vielfach Bezüge zur DKP oder ihrem Umfeld aufwiesen oder von linksextremen Gruppen aktiv unterstützt wurden. Bei mehreren Veranstaltungen traten als Anmelder, Leiter oder Redner DKP-Aktivisten oder Vertreter DKP-beeinflußter Organisationen auf. Die beiden größten "Ostermarsch"-Veranstaltungen fanden in München und Nürnberg statt. Der Aufruf zur Teilnahme am Ostermarsch am 18. April in München enthielt die Forderungen "Für eine neue Politik -- Abrüstung jetzt!", "Keine Militarisierung des Weltraumes", "Weg mit den Mittelstreckenraketen in West und Ost" und "Keine WAA in Wackersdorf und anderswo!". Zum Aufruferund Unterstützerkreis gehörten u.a. DKP, SDAJ, MSB Spartakus, DFU, DFG-VK, WN-BdA, BIFA und der SHB sowie mehrere orthodox-kommunistisch beeinflußte Münchner "Friedensinitiativen". Vor rund 7.000 Teilnehmern trat als Rednerin u.a. die DKPFunktionärin und Landessekretärin der WN-BdA auf. In Nürnberg fand am 20. April die zentrale "Ostermarsch"-Abschlußveranstaltung für Nordbayern statt, an der sich etwa 6.000 Personen, darunter Anhänger der DKP, SDAJ, DFU, DFG-VK und MLPD beteiligten. Als Veranstalter trat das orthodox-kommunistisch beeinflußte Nürnberger Friedensforum auf. 89 Am 16./17. Mai fand in Köln eine Aktionskonferenz der "Friedensbewegung" statt, an der sich rund 350 Personen beteiligten. Eingeladen hierzu hatte der bundesweite "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" (KA), in dem neben Demokraten mehrere linksextreme und linksextrem beeinflußte Organisationen verantwortlich mitarbeiten. Wje schon bei früheren Konferenzen dieser Art stellten auch diesmal die DKP, ihre Nebenorganisationen und die von ihr beeinflußten Vereinigungen einen großen Teil der Zuhörer sowie der Redner im Plenum und in den Arbeitsgruppen. Die Konferenzteilnehmer billigten eine Erklärung des KA, in der zu einer Demonstration am 13. Juni in Bonn aufgerufen wurde, sowie einen "Aktionsplan" für die "Herbstaktionen". Die Teilnehmer der Aktionskonferenz beauftragten den KA, "Möglichkeiten für gemeinsame Aktionen der Friedensund der Anti-AKW-Bewegung zu diskutieren" und solche Aktionen "gegebenenfalls zu planen". In einem Beschluß wandten sie sich gegen die Volkszählung und gegen eine "Kriminalisierung" von Volkszählungsgegnern. Der "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" (KA) veranstaltete am 13. Juni in Bonn mit der Forderung "Den ersten Schritt tun -- Atomraketen verschrotten" eine bundesweite "Friedensdemonstration", an der sich rund 50.000 Personen beteiligten, darunter zahlreiche Linksextremisten, insbesondere Mitglieder der DKP und ihrer Nebenorganisationen. Aus Bayern nahmen mehr als 2.000 Personen teil, die mit Bussen nach Bonn fuhren. Als Vorverkaufsstellen für die Busfahrkarten fungierten u.a. Büros der DKP, der DFU und der VVN-BdA. Auf einer Pressekonferenz am 15. Juni zog der KA eine positive Bilanz der "Friedensdemonstration". Er kündigte weitere Aktionen wie den "Olof-Palme-Friedensmarsch für einen atomwaffenfreien Korridor" sowie "Aktionstage mit Blockaden" im Oktober und "Informationswochen" im November an. Für die DKP erklärte ein Präsidiumsmitglied im DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) vom 15. Juni, die "Friedensdemonstration" habe den "Einklang der Forderungen und Ziele der Friedensbewegung mit der Friedenspolitik der sozialistischen Staaten deutlich gemacht". Unter dem Motto "Zukunft Europas: Blockdenken überwinden -- Feindbilder abrüsten -- Atomwaffenfrei ins Jahr 2000" veranstaltete die von der DFU gesteuerte Krefelder Initiative am 3./4. Oktober in Nürnberg ihr "6. Forum". Unter den rund 300 Teilnehmern befanden sich auch Gäste aus der UdSSR, der CSSR und Polen. Die organisatorische Abwicklung lag -- wie schon bei den früheren Foren der Krefelder Initiative -- in den Händen von DFU-Funktionären. Unterstützt wurde die Veranstaltung, die erstmals in Bayern stattfand, vom orthodox-kommunistisch beeinflußten Nürnberger Friedensforum. In Vorträgen, Diskussionsrunden und Arbeitsgruppen befaßten sich die Teilnehmer des Forums mit "Perspektiven einer europäischen Friedensordnung". Sie forderten hierbei eine Kürzung der strategischen Waffen, einen vollständigen Stopp von Atomwaffentests, das Verbot und die Vernichtung chemischer Waffen, atomwaffenfreie Zonen sowie konventionelle Abrüstung. Als Sprecher der Arbeitsgruppen traten mehr als 50 Personen auf. Etwa zwei Drittel dieser Personen waren als Mitglieder der DKP oder DKP-beeinflußten Gruppierungen bekannt. Dazu gehörten u.a. ein Mitglied des DKP-Parteivorstandes, der Landesvorsitzende der DFG-VK und der ehemalige Landesvorsitzende der DFU. 90 Die "Kampagne Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung" hatte für die Zeit vom 2. bis 10. Oktober zu einer "Abrüstungswoche" in Kettershausen bei Neu-Ulm aufgerufen, an deren vielfältigen Aktionen sich insgesamt rund 350 Personen beteiligten. Die Monatsschrift "graswurzelrevolution" der anarchistischen FöGA veröffentlichte in ihrer Ausgabe Nr. 119 Einzelheiten zum Ablauf der "Aktionstage". Zugleich veröffentlichte die Schrift ein Gespräch mit Initiatoren dieser "Kampagne". Diese erklärten, ihr "Konsens" in der Kampagne bestehe "weniger in einer bestimmten politischen Aussage" als vielmehr in einer "Lebensund Aktionsform". Die Kampagne erstrebe den "Zustand einer herrschaftsfreien Gesellschaft" und das "Ziel, den Staat immer mehr überflüssig zu machen". Sie persönlich praktizierten "antistaatliche Verhaltensweisen soweit wie nur möglich". Sie hätten sich entschlossen "zuerst die Abrüstung durchzusetzen und dann die Anarchie". Am 3. Oktober fand in Landsberg a. Lech eine Demonstration mit Auftaktund Schlußkundgebung der "Südbayerischen Friedensbewegung" mit rund 400 Teilnehmern zum Thema "Null heißt wirklich Null! Weg mit den Atomraketen Pershing 1-A in Landsberg" statt. Im Raum München mobilisierte neben der DKP vor allem das "Friedensbüro" in der Heßstraße, in dem sowohl die DFU als auch die BIFA ihre Büroräume unterhalten. Unter den Teilnehmern befanden sich Anhänger der DKP, der SDAJ, der VVN-BdA und der BIFA. Im Rahmen der bundesweit propagierten "Friedenswochen '87" fanden im November in mehreren bayerischen Städten friedenspolitische Aktionen statt. Unter dem Motto "Frieden schaffen ohne Waffen -- Die neuen Chancen nutzen!" rief ein aus 13 Gruppierungen bestehender Aufruferkreis in München zur Teilnahme an den vom 7. bis 18. November geplanten Veranstaltungen auf. Dem Aufruferkreis gehörten auch die orthodox-kommunistisch beeinflußten Gruppierungen DFG-VK, VVN-BdA, BIFA und Münchner Friedensforum sowie die linksextrem beeinflußten Vereinigten Münchner Friedensinitiativen (VMF) an. In Seminaren, Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen wurden u.a. Themen wie "Rüstungsexport", "Abrüstungspolitik", "Asylanten" und "Frauen in die Bundeswehr" behandelt. Der "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" (KA) veranstaltete am 28729. November in Bonn eine bundesweite "Aktionsund Strategiekonferenz". Die etwa 350 Teilnehmer, darunter zahlreiche Anhänger der DKP und der von ihr beeinflußten Organisationen, erörterten in Arbeitsgruppen und im Plenum Themen wie "Rüstungsökonomie", "Europäische Abrüstungspolitik" und "Militarisierung der Gesellschaft". Im Mittelpunkt der Plenardiskussion stand die Unterzeichnung des amerikanisch-sowjetischen Abkommens über die Beseitigung atomarer Mittelstreckenraketen. Das KFAZ wertete diesen Vertrag als Erfolg der "Friedensbewegung" und als Chance für weitere Abrüstungsschritte. Dagegen forderten Vertreter "unabhängiger Friedensgruppen", die "Friedensbewegung" solle sich nicht in die Tasche lügen, denn der Vertrag gehe auf das Konto der sowjetischen Außenpolitik. 91 2. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines Der Rechtsextremismus verfügt im Gegensatz zum Linksextremismus orthodoxer Prägung nicht über ein geschlossenes theoretisches System, das über Länderund Kulturgrenzen hinweg Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Die Bestrebungen rechtsextremer Organisationen sind in der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß sie die Grundlagen der Demokratie ablehnen und -- aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt -- eine totalitäre Regierungsform unter Einschluß des Führerprinzips anstreben. Bestimmende Merkmale des Rechtsextremismus sind vor allem -- die pauschale Überbewertung der Interessen einer rassistisch verstandenen "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die auf eine Aushöhlung der Grundrechte abzielt (völkischer Kollektivismus), -- ein den Gedanken der Völkerverständigung mißachtender Nationalismus, -- die offene oder verdeckte Wiederbelebung des Antisemitismus und anderer rassistischer Thesen, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, -- immer wiederkehrende Versuche, das NS-Regime unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des Dritten Reiches zu rechtfertigen und dabei seine Verbrechen zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige Bekämpfung und Diffamierung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten in der Absicht, den überragenden Wert der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in den Augen der Bevölkerung zu erschüttern. Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen rechtsextremen Organisationen zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Mittel des Kampfes gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. Im Jahre 1987 betätigten sich in Bayern 29 (1986: 28) rechtsextreme Organisationen und Gruppen mit rund 4.880 Mitgliedern bzw. Anhängern (1986: 4.130). 92 Innerhalb des organisierten Rechtsextremismus stellten die Deutsche Volksunion (DVU) mit ihren Aktionsgemeinschaften und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) einschließlich ihrer Jugendund ihrer Studentenorganisation mit zusammen über 3.700 Mitgliedern in Bayern den größten Anteil. Mit der Gründung der Deutschen Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D), die sich im März 1987 als Partei konstituiert hat, sollte eine Plattform für die gesamte "politische Rechte" geschaffen und dadurch der organisatorischen Zersplitterung des Rechtsextremismus begegnet werden. Aufmerksamer Beobachtung bedarf die zwischen der DVU-Liste D und der NPD vereinbarte Zusammenarbeit, zumal auch Wahlerfolge beider Parteien dem Rechtsextremismus im Jahre 1987 insgesamt neuen Auftrieb gaben. Bei den neonazistischen Organisationen war wiederum eine Zunahme der Aktivitäten und Mitgliederzahlen festzustellen. Die vorwiegend von ehemaligen Anhängern der verbotenen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) getragene "Bewegung" blieb in zwei rivalisierende Lager gespalten. Aktivisten dieser "Gesinnungsgemeinschaft" einstiger ANS/NA-Anhänger waren weiterhin bestrebt, insbesondere in der von ihnen unterwanderten Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) Vorstellungen der ANS/NA durchzusetzen. Übersicht über Zahl und Mitgliederstärke rechtsextremer Organisationen in Bayern (200 erkannte Mehrfachmitgliedschaften sind durch Abzug bereits berücksichtigt) 1985 1986 1987 Anzahl der Organisationen 30 28 29 Mitgliederstärke NPD mit JN und NHB 1.400 1.470 . 1.470 DVU einschl. Aktionsgemeinschaften 2.000 2.100 2.300 DVU-Liste D -- -- 500 Neonazistische Organisationen und Einzelaktivisten 170 240 260 Sonstige Organisationen 320 320 350 Insgesamt 3.890 4.130 4.880 Aktuelles Thema rechtsextremer Agitation war der Tod des "Stellvertreters des Führers" Rudolf Heß. So erklärte der Präsident des Deutschen Kulturwerks Europäischen Geistes (DKEG) in einem Nachruf, ein "mit titanischer Kraft ertragener Leidensweg" sei beendet. Es bleibe unerfindlich, wie ein Deutscher der Auffassung sein könne, die auf der Grundlage willkürlicher "Siegerjustiz" erfolgte Verurteilung von Heß zu lebenslanger Haft entspreche unserem Rechtsempfinden. Das gegenüber Heß begangene "Unrecht der Verantwortlichen" sei durch den Tod des letzten Gefangenen von Spandau zu einer "unauslöschlichen Schmach" geworden, die eine ähnliche "historische Dimension" erreicht habe wie "der Leidensweg und die Haltung" des Verstorbenen. 93 Einen weiteren Schwerpunkt bildete das von Rechtsextremisten aller Schattierungen aufgegriffene Ausländerund Asylantenproblem. Ihr maßgebliches Motiv ist dabei ihre rassistische und nationalistische Einstellung, die sich mit vorgeblich gesicherten Erfahrungen und weltanschaulichen "Erkenntnissen" gegen alles Andersgeartete und Fremde richtet. Sie versuchen, unter Ausnutzung wirtschaftlicher Existenzängste mit Warnungen vor einer "Ausländerüberflutung" fremdenfeindliche Vorurteile propagandistisch zu fördern, um dadurch breite Unterstützung für ihre weitergehenden politischen Ziele zu erreichen. Mit nationalistischen Neutralismusparolen, die oft antiamerikanische Züge trugen, versuchten Rechtsextremisten außerdem, den Gedanken eines der "Friedenssicherung" dienenden wiedervereinigten "Großdeutschlands" zu propagieren. Weitere Agitationsthemen waren wie im Vorjahr die Kriegsschuldfrage, die Judenverfolgung im Dritten Reich und der "Nationalmasochismus" führender demokratischer Politiker. Die Zahl der neonazistischen und rassistischen einschließlich der antisemitischen Vorfälle, bei denen ein rechtsextremes Motiv erkennbar bzw. zu vermuten war, ist gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Verringert haben sich dagegen die Kontakte bayerischer Neonazis zu Gleichgesinnten im Ausland und der Anteil des aus dem Ausland stammenden und in Bayern verbreiteten rechtsextremen Propagandamaterials. Militante Neonazis, die Gewalt nicht nur befürworten, sondern auch anwenden, stellen nach wie vor eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit dar. Von erheblicher Bedeutung war wiederum die Tätigkeit der in Bayern ansässigen organisationsunabhängigen Verlage und Vertriebsdienste, die Druckerzeugnisse mit rechtsextremem Inhalt in hoher Auflage herstellten und verbreiteten. Das Angebot erfaßte nicht nur organisierte Rechtsextremisten, sondern zielte auch -- wie aus seiner Quantität erkennbar -- auf sonstige Personen ab, die für rechtsextreme Vorstellungen ansprechbar sein könnten. In Bayern traten 1987 im wesentlichen folgende Organisationen und Gruppen in Erscheinung: 1.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und der Nebenorganisation Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 1.2 Deutsche Volksunion e.V. (DVU) mit den Aktionsgemeinschaften Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) Aktion Deutsche Einheit (AKON) Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) Ehrenbund Rudel -- Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur 1.3 Deutsche Volksunion -- Liste D (DVU-Liste D) 94 1.4 Neonazistische Gruppen "Bewegung" ehemaliger ANS/NA-Anhänger Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) Nationalrevolutionäre Deutsche Bürgerinitiative (DBI) 1.5 Sonstige rechtsextreme Organisationen Deutscher Block (DB) Wiking-Jugend (WJ) Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) Freundeskreis Ulrich von Hutten Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 2.1 Ideologisch-politischer Standort Obwohl die NPD auch in ihrem neuen, im November 1987 verabschiedeten Parteiprogramm "Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft" betont, sie trete für die freiheitliche demokratische Grundordnung ein, lehnt sie wesentliche Prinzipien dieser Grundordnung weiterhin ab. Die Unterschiede zwischen der Staatsund Gesellschaftsordnung des Grundgesetzes und den Vorstellungen der NPD beruhen vor allem auf unvereinbar gegensätzlichen Auffassungen zur Stellung des Einzelnen in der Gemeinschaft und zur Stellung des Staates ihm gegenüber. In der freiheitlichen Demokratie wird dem Menschen um seiner Würde willen die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit durch den Staat gewährleistet. Im Gegensatz hierzu gibt die NPD dem Staat vor dem Einzelnen den Vorrang. Dem Primat des Individuums vor dem Staat, wie er sich aus Art. 1 des Grundgesetzes ergibt, stellt sie die "Gemeinschaft des Volkes" entgegen, die "in nationaler Solidarität vorhandene Gruppeninteressen überwindet". Daher versteht die NPD den Staat als "Wahrer des Ganzen" und erwartet vom Bürger, daß er "Verantwortung für Staat und Kultur trägt und dem Gemeinsinn verpflichtet ist". Diese pauschale Überbewertung der "Volksgemeinschaft" im Sinne eines völkischen Kollektivismus knüpft an ein Leitbild an, das wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war. Die Absicht, Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft durch die uneingeschränkte Unterordnung des Einzelnen unter nicht näher definierte Gemeinschaftsinteressen aufzuheben, ist mit den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten nicht vereinbar und verkennt, daß die Menschenrechte des Einzelnen originär sind und sich nicht von einer "Volksgemeinschaft" ableiten lassen. Ferner klingen in den Veröffentlichungen der Partei nach wie vor rassistische und nationalistische Zielsetzungen und Denkweisen an. Ihre für Rechtsextremisten charakteristische Ablehnung alles Andersartigen, hinter der sich die Überzeugung von der Höherwertigkeit der eigenen Rasse und Nation verbirgt, 95 versucht die NPD unter Berufung auf die "Vielfalt des Lebens und seiner Erscheinungen" zu rechtfertigen, wobei sie insbesondere die natürliche "Ungleichheit der Menschen" betont. Entsprechend dieser auf ihrem "wissenschaftlich gesicherten" Menschenbild beruhenden Grundeinstellung behandelte die Partei das Ausländerund Asylantenproblem vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der "Überfremdung" und behauptete, die als "Integration" getarnte "Zwangsgermanisierung" der hier lebenden Ausländer trage zur Gefährdung unserer "nationalen Identität" bei. Vorbild für das ganze deutsche Volk könne "kein halborientalischer Mischlingsstaat sein, in dem jeder auf der Welt sich nach Kräften bedienen kann". Ferner warnte die Partei vor einem "Massenzustrom von Ausländern", der den inneren Frieden gefährde, und trat dafür ein, die "weitere Überschwemmung unseres Landes mit Scheinund Wirtschaftsasylanten" unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten zu stoppen. Der Agitation gegen Asylanten und Ausländer dienten daneben auch nationalistisch geprägte Argumente. So wandte sich die NPD mit der Parole "Deutschland muß das Land der Deutschen bleiben!" gegen eine "Umwandlung Deutschlands zum Vielvölkerstaat" bzw. zur "multinationalen Gesellschaft". Außerdem forderte sie ein "Arbeitsplatzsicherungsgesetz", das den deutschen Arbeitnehmern gegenüber Ausländern "bevorzugte Rechte bei Einstellungen" und "besonderen Schutz bei anstehenden Entlassungen" einräumen müsse. Wie in den Vorjahren verzichtete die Partei fast völlig auf Versuche, das NSRegime zu rechtfertigen, und beschränkte sich im wesentlichen auf Kritik an der "bis zum totalen Überdruß" gesteigerten "Vergangenheitsbewältigung", die "im Interesse der Umerzieher von gestern und heute" liege. Deren Ziel sei es, "uns Deutsche für alle Zeiten als Volk zweiter Klasse abstempeln und als jederzeit manipulierbare Masse für ihre eigenen Interessen mißbrauchen" zu können. Auch solle die ständige Beschäftigung mit der "künstlich auf 12 Jahre verkürzten" Vergangenheit "unser Volk daran hindern, die Gegenwartsund Zukunftsprobleme zu erkennen und zu lösen, und davon abhalten, den eigenen nationalen Weg in die Zukunft zu gehen". In diesem Zusammenhang warf die NPD führenden CDU-Politikern vor, sie hätten "die Kollektivschuldthese längst zur Glaubenslehre erhoben" und schickten sich an, den Deutschen "für (möglichst) alle Zeiten das Büßerhemd überzustülpen". Zum Tod von Rudolf Heß erklärte die Partei in einem Nachruf unter der Überschrift "Rudolf Heß ist frei", der verstorbene "Stellvertreter des Führers" werde "seinen Platz nicht nur in der Geschichte, sondern in den Herzen unseres Volkes finden". Seine lebenslange Inhaftierung sei "als Symbol der Niederlage des Deutschen Reichs und der gemeinsamen alliierten Oberherrschaft über Deutschland aufrechterhalten" worden. Als "Opfer der Siegerjustiz" habe der Verstorbene "stellvertretend für die Deutschen dieses Martyrium bis zu seinem Tod tragen" müssen. Der Parteivorstand forderte außerdem in einer Pressemitteilung die posthume Verleihung des Friedensnobelpreises an Rudolf Heß. Zu den Hauptangriffszielen der Partei gehören nach wie vor die demokratischen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland und ihre Repräsentanten. Damit einhergehend lehnt die NPD zugleich die bestehende staatliche Ordnung ab. So warf sie den Parteien des "Bonner Kartells" vor, sie hätten den Staat längst "zu ihrem Selbstbedienungsladen gemacht" und sich "wie Droh96 nenkasten etabliert", die "Recht als die .Macht' des Herrschenden vorleben". Ferner bezweifelte sie, daß "das Lizenzparteiensystem der Weisheit letzter Schluß" sei, und erklärte, gerade "seine endgültige Sprengung" würde der deutschen Innenpolitik Fortschritte bringen. Politische Gegner bezeichnete sie als "Blindgänger", "Politschwätzer" und "Bonzen" mit dem "politischen Niveau eines Vorgartenzwerges", die "oft genug nur mit der Erhaltung ihrer Macht und ihrer persönlichen Vorteile beschäftigt" seien. Es sei daher an der Zeit, mit dem "Abrumpeln" der "nationalpolitischen Versager" zu beginnen, die als "separatistische Verfassungsfeinde" das Grundgesetz seines "entscheidenden nationalen Auftrages" entledigen wollten. Diese diffamierende Polemik läßt darauf schließen, daß die NPD die Prinzipien des Mehrparteiensystems und der Chancengleichheit der Parteien trotz ihres formalen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt und durch bewußte Entstellung der Verfassungswirklichkeit suggerieren will, diese Grundordnung habe sich -- am Maßstab praktischer Bewährung gemessen -- als untauglich erwiesen. Anläßlich des Besuchs des Staatsratsvorsitzenden der DDR in der Bundesrepublik Deutschland bekräftigte der Parteivorsitzende Martin Mußgnug den 1982 beschlossenen neutralistischen Kurs der NPD in einem "Offenen Brief an Erich Honecker". Darin forderte er ein "geeintes Deutschland", das "weder der NATO noch dem Warschauer Pakt angehört, sondern als neutraler, blockfreier mitteleuropäischer Stabilitätsfaktor dem Frieden dient". Voraussetzung dafür sei die "allmähliche Auflösung der sich in Deutschland gegenüberstehenden Militärblöcke" sowie der Abzug der "Besatzungsmächte" und der Atomwaffen aus allen Teilen Deutschlands, insbesondere aber die Aufhebung des Schießbefehls an der innerdeutschen Grenze. Im Rahmen der Weiterentwicklung der innerdeutschen Zusammenarbeit sei auch die Bildung eines "Gesamtdeutschen Rats" als gemeinsamer Ausschuß des Deutschen Bundestags und der Volkskammer der DDR anzustreben, aus dem sich eine "deutsche Föderation" entwickeln könne. Die sich seit Sommer 1986 abzeichnende Annäherung zwischen der Parterispitze und dem Münchener Verleger Dr. Gerhard Frey, der zugleich Vorsitzender der DVU und der DVU-Liste D ist, führte im Frühjahr 1987 zu einem Wahlbündnis zwischen NPD und DVU-Liste D, wobei sich beide Parteien in einer "Gemeinsamen Erklärung" zumindest bis zur Landtagswahl in Baden-Württemberg am 20. März 1988 gegenseitige Wahlkampfunterstützung zusicherten. Die "Erklärung", in der die Wahrung der "politischen Eigenständigkeit" beider Parteien betont wird, nennt als Motiv der Zusammenarbeit den Willen, das "unfruchtbare Gegeneinander der Vergangenheit" zu überwinden und "der gesamtdeutschen Sache wesentlich stärkere Durchschlagskraft" zu verleihen. Es bleibt abzuwarten, ob die bisher erfolgreiche Kooperation trotz konträrer verteidigungspolitischer Positionen auf Dauer reibungslos verläuft, zumal die Annäherung an Dr. Frey in Teilbereichen der NPD auf wachsende Kritik stößt. 2.2 Organisation Die am 28. November 1964 in Hannover von Funktionären der ehemaligen Deutschen Reichspartei (DRP) gegründete NPD zählte 1987 bundesweit rund 97 1 Ü Ü I VWMi"n"lnB"l">-W PM / W W . 1- R/TBrtLTpn/UWUD" Wie Verrat 2. Weltkrieg entschied mentarische Kraft" weiterbesteht. Aus Anlaß der bevorstehenden Bürgerschaftswahl in Bremen wurde dort im Mai 1987 ein Landesverband der DVUListe D geschaffen. Auf einer Pressekonferenz am 6. März in München erklärte Dr. Frey, die Gründung der DVU-Liste D sei notwendig geworden, da die angekündigte "Wende" in der deutschen Politik ausgeblieben sei und die Bundesregierung in den Bereichen der Deutschlandund Ostpolitik, der inneren Sicherheit und der Ausländerbegrenzung völlig versagt habe. Als "unerträglich" bezeichnete es Dr. Frey, daß maßgebliche CDU-Politiker "in Übersteigerung der Kollektiwerantwortungsanklagen von Heinemann und Brandt" dem ganzen deutschen Volk "ein Kainsmal aufdrücken" wollten und "sogar noch kommende Generationen der Deutschen" für kollektiwerantwortlich erklärten. Zugleich kündigte er an, daß sich die neugegründete Partei am 13. September 1987 im Bündnis mit der NPD an der Bürgerschaftswahl in Bremen beteiligen werde. Nach einem mit hohem propagandistischem Aufwand geführten und von der NPD unterstützten Wahlkampf entfielen bei der Wahl der Bremer Bürgerschaft am 13. September auf die DVU-Liste D rund 13.300 Stimmen (3,4%), davon 9.600 (3 %) in Bremen und 3.700 (5,4 %) in Bremerhaven. Aufgrund einer Besonderheit des Bremer Wahlrechts, wonach in Bremen und Bremerhaven eine getrennte Fünf-Prozent-Klausel gilt, errang die Partei damit ein Mandat in der Bürgerschaft. Bei der Wahl der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung am selben Tag erreichte die DVU-Liste D zwei Sitze. Der Parteivorsitzende Dr. Gerhard Frey bezeichnete das Wahlergebnis als "phantastischen Erfolg", der "eine unheilige antideutsche Allianz tief geschockt" habe. Gleichzeitig rief er zu Spenden, zum Abonnement seiner Zeitungen und zum Beitritt zur DVU-Liste D auf, damit sich "das Fanal von Bremen" bundesweit durchsetzen könne. Der NPD-Parteivorstand erklärte, das Wahlergebnis werde sich "als Ermutigung und Bestärkung für alle Patrioten auswirken und zur nachhaltigen Veränderung der Parteienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland beitragen". Es trage darüber hinaus insofern zur politischen Klärung bei, als "den Mitgliedern und Wählern der erfolglosen Re109 publikaner nunmehr der Weg gewiesen" sei, sich den "vereinigten Nationalen" anzuschließen. Auch der bayerische Landesvorstand begrüßte den Einzug der "Liste D" in das Bremer Landesparlament und sah darin "ein erstes Indiz dafür, daß erfolgreiche Wahlteilnahmen nationaler Demokraten wieder möglich sind". Im Zusammenhang damit äußerte der Landesvorstand, die "etablierten Bonner Parteien" hätten einen "rechtsextremistischen Popanz" aufgebaut, um "von den eigenen politischen Schlammschlachten und ihren vulgären Intrigen abzulenken". 5. Neonazistische Organisationen und Vorfälle 5.1 Allgemeines Der Neonazismus (neuer Nationalsozialismus) umfaßt alle Aktivitäten und Bestrebungen, die ein offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und auf die Errichtung eines dem NS-Staat vergleichbaren oder ähnlichen Systems gerichtet sind. Die Zahl der Neonazis im Bundesgebiet ist gegenüber dem Vorjahr von rund 1.460 auf 1.520 gestiegen, darunter 260 (1986: 240) in Bayern. Etwa 1.380 (1986: 1.210) von ihnen sind den neonazistischen Organisationen als Mitglieder zuzurechnen, davon rund 200 (1986: 160) in Bayern. Die Zahl der "Einzelgänger", die durch neonazistische Aktivitäten in Erscheinung traten, ohne sich an eine bestimmte Gruppe zu binden, ist im Bundesgebiet gegenüber dem Vorjahr um rund 110 auf 140 zurückgegangen, davon entfallen etwa 60 auf Bayern. Die 20 (1986: 23) erkannten neonazistischen Zusammenschlüsse im Bundesgebiet sind zum Teil lose Gesinnungsund Kampfkader, deren Anhänger sich teilweise auch in anderen Gruppen engagieren. Klare organisatorische Strukturen sind meist nicht erkennbar; regelmäßig dominiert jedoch ein "Führer", von dem auch der Bestand der Gruppe abhängt. Neonazistische Gruppen legen Wert darauf, in der Öffentlichkeit Aufsehen zu erregen und dadurch eine Bedeutung vorzuspiegeln, die ihnen angesichts ihrer geringen Stärke und der Ablehnung durch die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich nicht zukommt. Ihre Agitation ist vor allem durch Bestrebungen zur Wiedereinführung des NS-Systems, unverhohlenen Antisemitismus und sonstigen Rassismus, Verharmlosung und Leugnung der NS-Verbrechen sowie durch Verherrlichung von Institutionen und Personen der Hitler-Diktatur gekennzeichnet. Teilweise ist auch eine Orientierung an der nationalrevolutionären Frühform des Nationalsozialismus zu beobachten. Eine geistige Durchdringung der eigenen Ziele und Methoden findet kaum statt. Die Auseinandersetzung mit den bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen beschränkt sich auf die meist kritiklose Übernahme von Parolen der ehemaligen NSDAP. Gewalt wird emotional bejaht und angewendet, wo es sich ergibt und zweckmäßig erscheint. 5.2 "Bewegung" ehemaliger ANS/NA-Anhänger Nach dem Ende 1983 vom Bundesminister des Innern verfügten Verbot der neonazistischen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) setzte sich deren bisheriger Organisationsleiter Michael Kühnen an 110 die Spitze einer als "Gesinnungsgemeinschaft" gedachten "Bewegung", die sich der "nationalsozialistischen Idee" verpflichtet fühlt. Dieser Neonazikreis, der schon in seiner Bezeichnung unmittelbar an die NS-Terminologie anknüpft und ein Instrument zur Steuerung neonazistischer Aktivitäten darstellt, sucht die Ziele der verbotenen ANS/NA weiterzuverfolgen. Er setzt sich aus ehemaligen ANS/NA-Mitgliedern, aber auch aus Neuzugängen zusammen; ein Teil von ihnen ist Mitglied der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP). Organisatorische Basis ist das von Kühnen im Mai 1984 initiierte "Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers" (KAH). Die von Gesinnungsgenossen Kühnens herausgegebene Schrift "Die Neue Front" veröffentlichte auch 1987 "Briefe aus der Haft" des ehemaligen ANS/NA-Organisationsleiters, der bis 1. März 1988 eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten wegen neonazistischer Propagandadelikte verbüßte. Seit 1986 ist die nach dem Vorbild des KAH streng hierarchisch gegliederte "Bewegung" in zwei rivalisierende Lager gespalten. Anlaß dieses Zerwürfnisses war der von führenden Neonazis an die Adresse Kühnens und seines Stellvertreters Thomas Brehl gerichtete Vorwurf der Homosexualität. Beide erklärten daraufhin zum 1. September 1986 ihren Austritt aus der "Bewegung". Ihre Nachfolge traten die Neonazis Jürgen Mosler und Volker Heidel an, deren Anhänger ebenfalls eine Schrift mit der Bezeichnung "Die Neue Front" publizierten. Die Entscheidung Kühnens, die "Bewegung" zu verlassen, stieß bei seinen Gesinnungsgenossen zum Teil auf Unverständnis. Einige erkannten die neue Führung nicht an und riefen dazu auf, sich erneut um Kühnen zu scharen. Dies wohl bewog ihn, seinen Austritt im Dezember 1986 zu widerrufen und die Konfrontation mit den "Putschisten" um Mosler zu suchen mit dem Ziel, selbst wieder die Führung in der "Bewegung" zu übernehmen. Die Fronten zwischen Kühnens Anhängern und Gegnern haben sich seither zunehmend verhärtet. So forderte Kühnen die "Nationalsozialisten der neuen Generation" in der Februar-Ausgabe der Schrift "Die Neue Front" dazu auf, sich "erbarmungslos" von allen zu trennen, die "keinen guten Willen zeigen und damit unsere Gemeinschaft aus einer Kampfgemeinschaft in einen zerstrittenen Haufen verwandeln würden". In seinen "Briefen aus der Haft" bekannte sich Kühnen ausdrücklich zur "revolutionären" Weltanschauung des Nationalsozialismus, zum "Führer Adolf Hitler" und zum "politischen Soldatentum" im Geiste und in der Tradition der SA. Er propagierte den politischen Kampf gegen das NS-Verbot und bezeichnete die "Bewegung" als "politische Vorhut auf dem Marsch in das IV. Reich". Nur die NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) sei ihr noch vergleichbar; beide bildeten "die zwei Arme der nationalsozialistischen Bewegung", und zwar die NSDAP-AO "den illegalen im propagandistischen Untergrund", die eigenen Anhänger "den legalen in aller Öffentlichkeit". Allerdings habe die Spaltung der "Bewegung" in zwei verfeindete Gruppen "Wirkung" gezeigt. Viele Kameraden hätten sich von Hetze und Intrigen beeindrucken lassen. Jetzt sei es an der Zeit, zu handeln und "kämpferisches Vorbild" zu sein. Notfalls müsse gegen die "Kameradenhetzer" auch gewaltsam vorgegangen werden; die "Schonzeit" sei vorüber. Gleichwohl gab sich Kühnen überzeugt, daß es in absehbarer Zeit gelingen werde, die NSDAP neu zu gründen. Er kündigte an, daß er nach seiner Entlassung aus der Haft seine politische Arbeit 111 fortsetzen und innerhalb eines Jahres "die Truppe wieder hochbringen und in eine politische Durchbruchsschlacht führen" werde. Die von Kühnens Anhängern herausgegebene Publikation "Die Neue Front" veröffentlichte im Juni 1987 eine "Gemeinsame Erklärung" von Michael Kühnen, Christian Worch und Thomas Brehl, in der die Leitung der "Bewegung" (Gruppe Kühnen) neu geordnet wurde. Danach übernahm der ehemalige ANS/ NA-Funktionär Worch, der schon bisher Wortführer der Kühnen-Anhänger war, die "Gesamtführung". Kühnen nennt sich "Generalsekretär" des "Komitees zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers" (KAH). Sein ehemaliger "Stellvertreter" Brehl ist zuständig für neugegründete "Vorfeldorganisationen" und zugleich "geschäftsführender Stellvertreter des Generalsekretärs" des KAH. Zu diesen von Kühnens Anhängern seit Januar 1987 angeblich gebildeten "Vorfeldorganisationen" gehören u.a. die "Antizionistische Aktion" (AA), die "die Machenschaften des Zionismus anklagen" will, das "Antikommunistische Aktionsbündnis" (Antiko), das die Öffentlichkeit über die Bestrebungen von "Kommunisten und ihren Handlangern" informieren soll, sowie die "Volksbewegung gegen Überfremdung" (VBÜ), deren Sprecher schon bisher Thomas Brehl war. Dabei handelt es sich um reine Propagandagebilde ohne jegliche organisatorische Struktur. Unter der Bezeichnung "Arbeitsgemeinschaft Fränkisches Volk" formierte sich in Nordbayern eine aus Anhängern Kühnens bestehende Gruppierung, die im März 1987 die Schrift "Fränkisches Volk" als "Kampfblatt der nationalen und sozialistischen Bewegung im Gau Franken" herausgab. Darin appellierte der "Gauführer" Franken an die Bereitschaft der "Parteigenossen und Parteigenossinnen", die Feinde des "vom Idealismus getragenen Kampfes" zu "bezwingen, so wie sie schon einmal bezwungen worden sind!". Außerdem rief er die Aktivisten dazu auf, "einig und treu zu unseren alten Fahnen, zur Bewegung und zu unserem Chef Michael Kühnen" zu stehen, denn nur so lasse sich "die Zukunft meistern". Fünf Anhänger Kühnens verbreiteten am 18. Juli in Bayreuth Aufkleber mit der Forderung "Laßt Kühnen frei"; außerdem verteilten sie Flugblätter der VBÜ, in denen es hieß, nach zwei Weltkriegen erlebe unser Volk heute als "dritten großen Krieg" den "Überfremdungskrieg". Durch "Überflutung mit Millionen fremdrassiger Menschen" solle das deutsche Volk "in seiner Substanz zerstört werden". Am Ende stehe als Schreckensbild der "neue Mensch", der "dunkelhäutig und schlitzäugig" sein werde. Die Polizei nahm drei Flugblattverteiler zur Feststellung der Personalien vorübergehend fest. Die von Kühnens Gegnern (Gruppe Mosler) publizierte Schrift "Die Neue Front" rief alle "politischen Leiter" und Aktivisten der "Bewegung" zur Mithilfe bei der "Feindaufklärung" auf. Dem "Referat für Sicherheit" falle die Aufgabe zu, die "Kameraden" vor Angriffen "all unserer Gegner, von links bis rechts" zu schützen und "Gegenmaßnahmen" einzuleiten, die dann "bis zur letzten Konsequenz durchund ausgeführt werden" müßten. In einer weiteren Ausgabe kündigten die Verfasser nach dem "Mord" an Rudolf Heß "ewige Rache" an. Die "nationalsozialistische Bewegung" verneige sich "vor seinem Opfer". Die "junge militante Bewegung" werde die "Zerstörung eines besseren Deutschlands, dessen letzter Stellvertreter Rudolf Heß war", den "schleichenden Völ112 kermord durch Ausländerüberflutung" und die "Knechtung der deutschen Arbeiterschaft durch das Großkapital" rächen. 5.3 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Die im März 1979 gegründete FAP, deren Satzung und Programm keine eindeutig rechtsextreme Zielsetzung erkennen lassen, war bis Ende 1983 eine politisch unbedeutende, auf den Raum Stuttgart beschränkte regionale Organisation. Nach dem Verbot der ANS/NA im Dezember 1983 hatte deren damaliger Organisationsleiter Michael Kühnen zu verstehen gegeben, daß die ANS/ NA ihre eigenen neonazistischen Bestrebungen unter dem Deckmantel der FAP fortzusetzen gedenke. Seither schlössen sich ehemalige ANS/NA-Anhänger, die einen neuen organisatorischen Rahmen für ihre politischen Aktivitäten suchten, der FAP an in der Absicht, sie entsprechend den Vorstellungen der ANS/NA umzufunktionieren. Von diesen Neonazis, die zugleich der von Kühnen initiierten "Bewegung" angehören, wird die FAP inzwischen maßgeblich gesteuert. Die Spaltung der "Bewegung" in Anhänger und Gegner Kühnens führte zu internen Differenzen und teilweise Resignationserscheinungen auch bei FAP-Mitgliedern. Bundesvorsitzender der FAP ist Martin Pape aus Stuttgart; die übrigen vier Mitglieder des Bundesvorstands sind ausnahmslos ehemalige Aktivisten der verbotenen ANS/NA. Die Organisation zählt bundesweit über 500 (1986: über 400) Mitglieder, von denen rund 80 (1986: 70) in Bayern aktiv sind. Landesverbände der FAP bestehen in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Zu den in Bayern entstandenen Kreisverbänden Ansbacher Land, Aschaffenburg, Bad Neustadt a.d. Saale, Berchtesgadener Land, Garmisch-Partenkirchen, Günzburg, Kaufbeuren, München, Obermain und Würzburg kamen 1987 die Kreisverbände Coburg und Kitzingen hinzu. Da die Mitglieder aus dem Bereich der "Bewegung" dem Bundesvorsitzenden allenfalls eine repräsentative Funktion zubilligen, agieren die einzelnen Untergliederungen weitgehend selbständig und fühlen sich an Papes Entscheidungen nicht gebunden. Die Aktivitäten der FAP-Anhängerschaft in Bayern konzentrierten sich im wesentlichen auf interne Zusammenkünfte und propagandistische Aktionen. So wurden in der Nacht zum 22. März in Randersacker, Landkreis Würzburg, Aufkleber der FAP mit den Aufschriften "Ausländer raus", "Erbarmen die Türken kommen -- 1.12.86" und "Für Rasse und Nation" verbreitet. Aufsehen erregte eine Schmieraktion im Nürnberger Fußballstadion, bei der in der Nacht zum 25. April Rasen, Wandflächen und ein ZDF-Übertragungswagen mit Parolen wie "Laßt Heß frei -- FAP" besprüht wurden. Auf der Haupttribüne hinterließen die Täter zahlreiche Flugblätter mit der Überschrift "Wir klagen an". Darin verwies die FAP auf die "Isolationshaft" von Rudolf Heß, der am 26. April 93 Jahre alt werde, und erklärte, sie führe aus diesem Anlaß eine Aktionswoche für den "Botschafter des Friedens" mit dem Ziel seiner Freilassung durch. Kennzeichnend für das Erscheinungsbild der FAP war 1987 außerdem das vielfach militant geprägte Auftreten ihrer Anhänger in der Öffentlichkeit. So erschienen zu einem bundesweiten Treffen am 1. Mai in Huglfing, Landkreis Weil113 heim-Schongau, rund 80 zum Teil uniformähnlich gekleidete Personen, darunter auch Sympathisanten aus Österreich und der Schweiz. Während der Veranstaltung riefen die Teilnehmer mehrmals "Sieg Heil" und sangen Lieder aus der NS-Zeit. Beim Eintreffen der Polizei verließen sie fluchtartig das Lokal und fuhren mit ihren Fahrzeugen im Konvoi nach Weilheim. Dort marschierten sie in geschlossener Formation durch die Innenstadt und skandierten Parolen wie "Ausländer raus" und "Sieg Heil"; einige zeigten auch den "Deutschen Gruß". Auf der Rückfahrt nach München wurde die Gruppe an einer in Starnberg errichteten Kontrollstelle angehalten. Die Polizei nahm 46 Personen vorübergehend fest und stellte einen Schlagstock, zwei Messer und Propagandamaterial sicher. Ferner leitete sie ein Ermittlungsverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoßes gegen das Versammlungsund Waffengesetz ein. Der FAP-Kreisverband Garmisch-Partenkirchen lud für den 27728. Juni zum "I.Werdenfeiser Ausbildungslager" ein, das den Teilnehmern "Disziplin und militärische Haltung" vermitteln sollte. Am 27. Juni fanden sich elf FAP-Aktivisten im Bereich von Grainau am vorgesehenen Lagerplatz ein, wo sie drei Zelte aufschlugen. Da sie uniformähnliche Kleidung trugen, schritt die Polizei wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein und stellte Tarnanzüge, Stahlhelme und Koppel sowie NS-Embleme und NS-Liederbücher sicher. In Nürnberg und Aschaffenburg wurde Mitte bzw. Ende August die Druckschrift "Deutscher Beobachter -- Die Zeitung für ein freies Deutschland" verbreitet, für die ein FAP-Aktivist aus München, der zugleich eine führende Position in der "Bewegung" einnimmt, presserechtlich verantwortlich zeichnet. Darin warb die FAP in einer "Anzeige" um Mitglieder und erklärte, sie stehe "dem Deutschen Beobachter politisch recht nahe". Als eine "Partei von ganz rechts" vertrete die FAP "einen nationalen, aber auch sozialistischen Kurs". Am 10./11. Oktober fand in Burk, Landkreis Ansbach, ein Kadertreffen von Aktivisten der FAP und der hinter ihr stehenden "Bewegung" statt. Daran beteiligten sich rund 20 Personen. Zu der Veranstaltung war als Referent ein Rechtsanwalt aus Regensburg erschienen. Unter der Tarnbezeichnung "Freunde der nationalen Publizistik" veranstaltete die FAP am 5. Dezember in Dinkelsbühl, Landkreis Ansbach, eine "Julfeier". Vor rund 50 Teilnehmern sprachen der DDF-Vorsitzende Otto Ernst Remer und der ehemalige Vorsitzende der im Januar 1982 verbotenen neonazistischen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/ PdA) Friedhelm Busse. Unter derselben Bezeichnung führte die FAP am 12. Dezember in Gmund-Moosrain, Landkreis Miesbach, eine weitere Feier mit rund 35 Teilnehmern durch, bei der wiederum Friedhelm Busse als Redner auftrat. Bei Wohnungsdurchsuchungen im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren wegen neonazistischer Propagandadelikte konnte die Polizei im Mai, Juli und Dezember bei FAP-Anhängern in den Landkreisen Ansbach und Bamberg zahlreiche Beweismittel und umfangreiches Propagandamaterial sicherstellen. 114 Das Amtsgericht Nürnberg verurteilte am 17. Juli einen Aktivisten der FAP aus dem Landkreis Ansbach wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten ohne Bewährung. Der Angeklagte hatte am 23. November 1985 in Nürnberg eine nicht angemeldete Protestaktion gegen die "Internationale Konferenz" anläßlich des 40. Jahrestages des Beginns des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses inszeniert. Die Gegendemonstranten -- überwiegend FAP-Anhänger -- hatten die Konferenzteilnehmer als "Schweine" und "Parasiten" beschimpft und Parolen wie "Rotfront verrecke" gerufen. In einer abgetrennten Verhandlung verhängte das Gericht gegen einen Neonazi aus Niedersachsen am 10. August eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Der wegen neonazistischer Aktivitäten bereits mehrfach vorbestrafte Angeklagte war Initiator der nicht angemeldeten Protestaktion gewesen; er legte gegen das Urteil Berufung ein. Am 3. August verhängte das Landgericht Nürnberg-Fürth gegen einen FAPAktivisten drei Wochen Jugendarrest wegen Volksverhetzung und Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. Der Angeklagte hatte Anfang Oktober 1986 im Raum Ansbach die Ausgabe Nr. 6 der "FAPNachrichten" verteilt, die unter der Überschrift "Deutschland ist kein Urwald -- Ausländer raus" vor einem bevorstehenden "Chaos durch Überfremdung mit Ausländern" und vor einer "Orientalisierung Deutschlands" warnte. Außerdem waren in der Druckschrift SS-Runen abgebildet. Drei Anhänger der FAP wurden am 3. Dezember vom Amtsgericht Laufen wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bzw. Verstoßes gegen das Versammlungsund Waffengesetz dazu verurteilt, Geldbeträge von 400 und 2.000 DM zugunsten gemeinnütziger Einrichtungen zu zahlen bzw. 80 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Bei vorangegangenen Ermittlungen hatte die Polizei am 4. Februar 1986 bei Mitgliedern und Sympathisanten der FAP im Raum Bad Reichenhall umfangreiches neonazistisches Propagandamaterial, Schußwaffen und Munition sichergestellt. 5.4 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) Die 1979 von Neonazis gegründete HNG mit Sitz in Frankfurt a.M. zählt wie im Vorjahr rund 240 Mitglieder. Sie betreut inhaftierte Gesinnungsgenossen finanziell und ideell, um deren "Kampfmoral" zu erhalten. Daneben sollte es von Anfang an Aufgabe der HNG sein, den von Exekutivmaßnahmen betroffenen Gesinnungsgenossen ein ihrer neonazistischen Anschauung entsprechendes politisches Kontaktund Aktionsfeld zu bieten. Zulauf erhielt sie vor allem aus Kreisen verbotener neonazistischer Organisationen, deren ehemalige Anhänger die Ausrichtung der HNG zunehmend beeinflussen. So ist seit Februar 1984 die frühere ANS/NA-Aktivistin Christa Goerth aus Bielefeld Vorsitzende der HNG. Nach der Inhaftierung des ehemaligen ANS/NA-Funktionärs Christian Worch im März 1985 wurde das Amt des Schriftleiters der HNG-Publikation "Nachrichten der HNG" dem führenden FAP-Aktivisten Volker Heidel aus Hannover übertragen, der einst der 1982 verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) angehört hatte. 115 NACHRICHTEN DER Nr. 91 Dezember 1987 Herausgeber: Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG). - Schriftleiter und verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Volker Heidel, Postfach 510372, 3000 Hannover 51. - Erste Vorsitzende der HNG: Christa Goerth, Postfach 140412, 4800 Bielefeld 14 Postgirokonto Frankfurt/M Nr. 14290S - 607 Wegen ihrer gruppenübergreifenden Betätigung hat sich die HNG zu einem Sammelbecken neonazistischer Bestrebungen und zugleich zu einer Schaltstelle für Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen entwickelt. Insbesondere war eine rege Zusammenarbeit mit der von französischen Neonazis gegründeten Schwesterorganisation "Comite Objectif entraide et solidarite avec les victimes de la Repression Antinationaliste" (COBRA) festzustellen. Die HNG veröffentlichte in ihrem monatlich erscheinenden Mitteilungsblatt regelmäßig Listen, Anschriften und Briefe von "nationalen politischen Gefangenen", darunter auch von rechtsterroristischen Gewalttätern. In Bayern trat sie im Juli und August in Bayreuth durch Verbreitung von Plakaten mit Aufschriften wie "Freiheit für Michael Kühnen" und "Freiheit für alle verfolgten Nationalisten" in Erscheinung. 5.5 Nationalrevolutionäre Unter der Bezeichnung "Nationalrevolutionäre" tritt seit Mai 1986 in München eine Gruppierung in Erscheinung, die sich zwei Monate zuvor wegen interner 116 Differenzen von der neonazistischen Nationalistischen Front (NF) mit Sitz in Bielefeld getrennt hatte. Die vom früheren 2. stellvertretenden NF-Vorsitzenden Josef Heggmair geleitete Gruppe zählt wie im Vorjahr etwa 20 Mitglieder. In ihrem Grundsatzprogramm, das in Aufbau und Inhalt mit dem der NF nahezu übereinstimmt, fordern die Nationalrevolutionäre die "antiimperialistische Nationale Befreiung von fremder Macht und ihren deutschen Handlangern", die "Schaffung eines gesicherten und geeinten Lebensraumes der deutschen Menschen in Europa" und den "Kampf für ein biologisch gesundes Volk", wobei die "Sozialpolitik einer lebensrichtigen Humanität" nicht der "Unterstützung sozialer, kultureller oder ausländischer Randgruppen", sondern "ausschließlich der Förderung und Sicherung der deutschen Familie und des eigenen Volksnachwuchses zu dienen" habe. Ferner wenden sie sich gegen eine "weitere fremdvölkische Einwanderung" und propagieren eine "lebensrichtige Neue Ordnung" in einer dem "Gemeinsinn und dem Volksinteresse" dienenden "Volksgemeinschaft der Zukunft". Die Agitation der Gruppierung weist äußerlich auch Berührungspunkte zum Linksextremismus auf; eine Bereitschaft zur Kooperation mit Linksextremisten ist jedoch wegen der in Wirklichkeit unüberbrückbaren ideologischen Gegensätze nicht vorhanden. So traten die Nationalrevolutionäre in einem am 10. Januar in München festgestellten Flugblatt mit der Überschrift "Grundsätze unseres Wollens" für eine nationalistische, sozialistische , ökologische, kulturelle und demokratische Revolution ein. Sie forderten einen "emanzipatorischen, gegen jede Form von Imperialismus gerichteten Nationalismus neuen Typs" und erklärten, die "nationale Frage" könne "nicht losgelöst von der Klassenfrage gestellt werden". Daraus ergebe sich "die Notwendigkeit, befreiungsnationalistischen und antikapitalistischen Kampf zu verbinden". Die Verfasser befürworteten außerdem "einen eigenen, den nationalen Besonderheiten entsprechenden Weg zum Sozialismus", die "genossenschaftliche Verfügungsgewalt der Arbeitenden über die Produktionsmittel" und den "Klassenkampf aller Werktätigen gegen das Kapital und seine Helfer". Zwei Aktivisten der Nationalrevolutionäre wurden am 2. März bei der Einreise nach Frankreich von den französischen Behörden zurückgewiesen. Im Gepäck der beiden befand sich eine größere Anzahl von Aufklebern, auf denen die Gruppierung zum "Volkskampf" und Widerstand gegen "Fremdherrschaft und Kapital" aufrief und eine "Volksherrschaft statt Diktatur des Kapitals" zur Erreichung eines "unabhängigen, vereinten und sozialistischen Deutschlands" forderte. Die gleichen Aufkleber wurden in der Nacht zum 2. April in Planegg bei München verbreitet. In einer Mitte April in München verteilten Flugschrift "Für die Sache des Volkes" propagierte die Gruppierung die "Nationale Befreiung" durch Entmachtung der "Konzerne und Militaristen in unserem Land". Ferner trat sie mit der Parole "Alle Macht dem Volke!" für eine "neue, von direkter Mitwirkung geprägte Form der Demokratie mit Einwohnerversammlungen, Volksbefragungen, Volksabstimmungen und Volksentscheid" ein. Unter der Überschrift "Den Geist von Jalta überwinden" forderten die Nationalrevolutionäre in einem am 23. September in München verteilten Flugblatt als Voraussetzung für einen "vereinten und souveränen deutschen Nationalstaat" 117 den "Abzug aller fremden Truppen samt ihren Waffensystemen aus ganz Deutschland" und den "Aufbau eines freien und volksbezogenen Sozialismus in einer gesamtdeutschen Volksrepublik". In ihrem Ende 1987 bekanntgewordenen, für "Kampfgenossen und Interessenten" bestimmten Rundbrief "NR-Info-Dienst" erklärten die Nationalrevolutionäre, nur durch den "Sturz der herrschenden NATO-, EGbeziehungsweise Ostblock-Fanatiker in BRD und DDR" könne "ein volksbezogener Sozialismus aufgebaut werden und eine wirkliche Volksherrschaft an die Stelle der sich demokratisch nennenden Systeme treten". Ziel sei nicht eine Wiedervereinigung, die den "American way of life" nach Osten exportiere, sondern die "Neuvereinigung Deutschlands auf revolutionärer Grundlage". In einer weiteren Ausgabe dieses Rundbriefes glorifizierten sie Rudolf Heß als "Symbolfigur der Entrechtung Deutschlands" und erklärten, Heß werde "als d e r Märtyrer des zwanzigsten Jahrhunderts in die Geschichte eingehen". 5.6 Deuische Bürgerinitiative (D8I) Der 1982 als Rädelsführer der rechtsterroristischen Deutschen Aktionsgruppen (DA) zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilte ehemalige DBI-Leiter Manfred Roeder verfaßte in der Haft weiterhin Beiträge für die auch in Bayern verbreiteten Publikationen der DBI. Im 65. Rundbrief der "Europäischen Freiheitsbewegung" behauptete er, das "gottverfluchte Albion" sei der wahre Schuldige am "Martyrium von Rudolf Heß". Außerdem forderte er die Loslösung Deutschlands vom "verderblichen Einfluß" der fest in "jüdisch-zionistischer Hand" befindlichen USA. Den 68. Rundbrief an seine Anhänger vom August 1987 widmete Roeder einem Nachruf auf Rudolf Heß, der jetzt "den Weg nach Walhall" beschritten und Deutschland "von aller Schuld" reingewaschen habe. Noch im Tod habe der "letzte Repräsentant des 3. Reiches" über die "Sieger und Meinungsmacher" triumphiert. Der "Vertreter der reinen Lehre des Nationalsozialismus" habe nämlich als "letzter und größter Repräsentant einer idealistischen Weltanschauung" den Alliierten nicht den Gefallen getan, "diese Idee" für falsch und verbrecherisch zu erklären; erst damit aber wäre Deutschland von diesen wirklich besiegt und "ihr Krieg und ihre Verbrechen gerechtfertigt" gewesen. Inzwischen gehöre die "Verteufelung" des Nationalsozialismus zum "Glaubensbekenntnis der Sieger und ihrer Lakaien". "Alle Verantwortlichen des 3. Reiches" hätten indes "gekaufte oder eingeschüchterte Historiker", die "von .einmaligen deutschen Verbrechen' faseln", Lügen gestraft und "Würde und Anstand bis zum letzten Atemzug" bewahrt. In diesem Zusammenhang komme dem Leben und Sterben von Rudolf Heß "eine weithistorische, kulturgeschichtliche, ja religiöse Dimension zu". Er habe nicht geduldet, daß "die Epoche des 3. Reiches zu einem Verbrecheralbum erklärt wird", sondern klargestellt, daß es "für einen normalen Deutschen nichts zu bereuen" gebe. Sein "Festhalten an dem Guten, an das er und alle unsere Väter geglaubt haben", eröffne uns den "Wiedereinstieg in die eigene Geschichte" und eine "Rückbesinnung auf unser wahres Wesen, das niemals verbrecherisch war". 118 5.7 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle Die Gesamtzahl der bekanntgewordenen neonazistischen, antisemitischen und sonstigen rassistischen Vorfälle erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr von 233 auf 274. In weiteren 120 (1986: 223) Fällen war ein rechtsextremes Motiv nicht vorhanden bzw. nicht erkennbar (z. B. beim Verwenden von NS-Symbolen als Mittel der politischen Diffamierung). Allein in München und Nürnberg ereigneten sich mit 80 (1986: 72) bzw. 12 (1986: 7) rund 34 % (1986: 34 %) aller 274 Vorfälle (ohne allgemeine Verdachtsfälle). Meist handelte es sich um Schmierund Klebeaktionen, bei denen Hakenkreuze und SS-Runen gesprüht oder Parolen wie "Heil Hitler", "Juden raus", "Türken raus" und "Ausländer raus" angebracht wurden. Anlässe für Ermittlungsverfahren waren auch das Tragen von NS-Symbolen an Kleidungsstücken, die Beschädigung jüdischer Gedenkstätten sowie anonyme Beleidigungen und Bedrohungen aus rassistischen bzw. antisemitischen Motiven. So warfen unbekannte Täter auf einer Gedenkstätte für Opfer des NS-Regimes bei Kaufering, Landkreis Landsberg a.Lech, zwei Grabsteine um; außerdem schmierten sie SS-Runen, ein Hakenkreuz und Parolen wie "NSDAP" und "Juden vergasen". Die Friedhofschändung wurde am 27. April entdeckt, nachdem sich eine "Deutsche Nationalsozialistische Front" gegenüber einem Mitarbeiter einer Presseagentur in Augsburg telefonisch der Tat bezichtigt, die Freilassung von Rudolf Heß gefordert und weitere Aktionen angekündigt hatte. Aufsehen erregte auch ein Treffen von über 100 Skinheads am 15. August in Lindau (Bodensee). Die Teilnehmer zogen in mehreren Gruppen durch die Innenstadt und riefen Parolen wie "Ausländer raus" und "Sieg Heil". Ein farbiger Angehöriger eines US-Fernsehteams wurde tätlich angegriffen; zwei Geistliche, die ihn schützen wollten, wurden gleichfalls mißhandelt. Die Polizei nahm 75 Störer vorübergehend fest, darunter 20 Ausländer. Eine Aufklärung gelang in 126 Fällen (1986: 163). Unter den ermittelten 174 Tätern (1986: 221) befanden sich 39 (1986: 34) Minderjährige. In 10 Fällen wurden die Täter verurteilt. Die Verfahren gegen die übrigen Beschuldigten dauerten Ende 1987 noch an. Eine Gesamtsteuerung der Aktionen durch eine oder mehrere extremistische Gruppen war nicht erkennbar. Die polizeilichen Ermittlungen wegen des neonazistisch geprägten Auftretens von Skinheads und Fußballfans, die z.B. Hakenkreuze oder SS-Runen an der Kleidung trugen, erbrachten in Einzelfällen auch Hinweise auf eine diesem äußeren Erscheinungsbild entsprechende politische Motivation der Täter, so auch bei Teilnehmern des Skinheadtreffens in Lindau. Ein gruppenbezogenes Zusammenwirken von Fußballfans bzw. Skinheads einerseits und Neonazis andererseits war hingegen in Bayern auch 1987 nicht feststellbar. 6. Sonstige rechtsextreme Organisationen 6.1 Deutscher Block (DB) Der 1947 in München gegründete DB bekennt sich zur "Führung des Staates durch eine Elite". Er hält "Demokratie mit dem Führertum für vereinbar", lehnt 119 "rassischen Mischmasch" ab und tritt für die "Wiedereinführung eines Pflichtarbeitsdienstes" ein. Die Gruppierung mit Sitz in Memmingen zählt im Bundesgebiet rund 90 (1986: 30) Mitglieder, davon etwa die Hälfte in Bayern, wo sie in den Kreisverbänden "Ritter von Epp", München, und "Fritz Plötz", Wolfratshausen, organisiert sind. "Reichsvorsitzender" ist Richard Etzel aus Memmingen. Am 17. Juni hielt der DB am "Schlageter-Felsen" bei Kleinwendem, Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge, seine alljährliche Feier zum Gedenken an Albert Leo Schlageter ab, der im Mai 1923 von der damaligen französischen Besatzungsmacht wegen zahlreicher Attentate zum Tod verurteilt und hingerichtet worden war. An der Veranstaltung nahmen rund 70 Personen teil. Auf den Schleifen eines während der Feier niedergelegten Kranzes würdigten der DB und sein nur noch nominell bestehender "Jugendbund Adler" den hingerichteten Freikorpsangehörigen als "Kämpfer" und "Vorbild". Außerdem führte der DB 1987 in München einige Vortragsveranstaltungen und Filmabende durch. Auf Flugblättern wandte er sich gegen die "Verfälschung unserer Geschichte durch linke oder umerzogene Lehrer" und die "Diffamierung" des deutschen Soldaten "durch die Medien und volksfeindlichen Kräfte, die den Krieg ewig fortsetzen möchten". 6.2 Wiking-Jugend (WJ) Die 1952 gegründete WJ ist eine straff nach dem Führerprinzip geleitete "volkstreue nordländische" Jugendorganisation, die sich als "heranzubildende Elite" versteht und ihre "kämpferische" Weltanschauung betont. Sie bekennt sich zu einer "Lebensgemeinschaft auf völkischer Grundlage" und betrachtet das Gesetz der "Auslese alles Starken und Gesunden" in sozialdarwinistischer Weise als "entscheidende Kraft im Leben". Die in Gaue gegliederte WJ mit Sitz in Stolberg/Nordrhein-Westfalen zählt im Bundesgebiet wie im Vorjahr rund 380 Mitglieder, davon etwa 60 in Bayern. Bundesführer ist Wolfgang Nahrath aus Stolberg. In Bayern bestehen die Gaue "Bayern" in Freising und "Franken" in Stockstadt, Landkreis Aschaffenburg. Die frühere Untergliederung der Gaue in Horste wurde 1987 offenbar aufgegeben. Die WJ unterhält Kontakte zu Jugendgruppen gleichen Namens und gleicher Zielsetzung in Belgien, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Spanien und in den Niederlanden. Publikationsorgan des Bundes ist die vierteljährlich erscheinende Schrift "Wikinger". Die Tätigkeit der WJ war 1987 von internen Auseinandersetzungen geprägt. Besonders der vom WJ-Bundesführer vertretene Kurs einer engen Zusammenarbeit mit Neonazis traf auf heftige Kritik eines Teils der Funktionäre und der Basis. Höhepunkt des Streits war im September die Abspaltung einer außerbayerischen Oppositionsgruppe, die anschließend den "Sturmvogel-Deutscher Jugendbund" und den dazu gehörenden Arbeitskreis "Junge Familie" gründete. Rund 25 Personen nahmen am 15. November im Friedhof von Wunsiedel an einer von der WJ veranstalteten "Heldenehrung" teil. Sie legten an der Stelle, wo Rudolf Heß ursprünglich bestattet werden sollte, einen Kranz nieder, auf 120 dessen Schleifen die Buchstaben "s" der Aufschriften "Treue und Ehre -- Wiking-Jugend" und "Rudolf Hess -- Unser Vorbild" als Siegrunen wiedergegeben waren. Als der Veranstaltungsleiter eine mit "Heil"-Rufen eingeleitete Ansprache begann, löste die Polizei die Versammlung auf, stellte die Personalien der Teilnehmer fest und leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein. Vom 27. Dezember 1987 bis 1. Januar 1988 führten rund 70 WJ-Angehörige in Gemünden a. Main ein Bundeswinterlager durch. Am 31. Dezember veranstaltete die WJ in Fladungen, Landkreis Rhön-Grabfeld, eine Silvesterfeier, zu der sich rund 200 Mitglieder und Gäste einfanden. Gegen Mitternacht verließen sie das Veranstaltungslokal und begannen eine Versammlung unter freiem Himmel, indem sie sich zu einem Fackelzug aufstellten, kurze Reden hielten und Lieder, u. a. das Deutschlandlied, sangen. Die Polizei löste die nicht angemeldete Kundgebung auf, stellte anschließend die Personalien von 112 Teilnehmern fest und leitete Ermittlungsverfahren wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Die im Januar 1985 von Aktivisten der WJ und FAP als gemeinsame Aktionsplattform gegründete Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO) trat am 8. Mai in Aschaffenburg durch Verbreitung von Aufklebern mit der Forderung "Laßt Heß frei -- sperrt Reagan ein" in Erscheinung. 121 6.3 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) Die 1960 in Frankfurt a. M. von ehemaligen SSund NSDAP-Angehörigen gegründete GFP stellt vor allem ein Podium für Publizisten dar, die rechtsextremes Gedankengut vertreten. Sie will in einer angeblich "durch Siegerrechte und Besiegtenpflichten beschränkten Öffentlichkeit" eine "Freistatt für den deutschen Gedanken und das deutsche Wort" schaffen und erhalten. So wendet sie sich gegen die "Entstellungen in der deutschen Geschichtsbetrachtung" und die "unwahren Darstellungen der Ursachen und Hintergründe beider Weltkriege" sowie "gegen jede Unterdrückung der Meinungsvielfalt". In Wirklichkeit scheint sich ihr "geistiger Kampf" in erster Linie gegen die Indizierung rechtsextremer Veröffentlichungen durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zu richten. Die Vereinigung, die ihren Sitz in München hat, zählt im Bundesgebiet rund 400 (1986: 375) Mitglieder. Vorsitzender ist seit Mai 1985 Dr. Gert Sudholt. Als Publikationsorgan erscheint vierteljährlich die Schrift "Das Freie Forum". Unter dem Motto "Revisionismus in der Zeitgeschichte" hielt die GFP vom 23. bis 25. Oktober in Kassel ihren Jahreskongreß ab, an dem über 200 Personen teilnahmen. Die Redner würdigten Adolf Hitler als "Kämpfer für eine deutsche Volksgemeinschaft" und erklärten, Rudolf Heß habe sich "um unser deutsches Volk verdient gemacht". Das "Siegertribunal von Nürnberg" sei "Rachejustiz" gewesen, mit der "der verlogene Kreuzzug der Alliierten sein Ziel erreichen" sollte, nämlich "den Nationalsozialismus als ebenso verbrecherisch wie typisch deutsch zu bezeichnen". Ferner kritisierten sie, daß die offizielle Zeitgeschichtsforschung bisher im wesentlichen das den Deutschen von den Siegern "aufgezwungene" Geschichtsbild der "Umerziehung" vertreten habe. In einer Entschließung warnten die Teilnehmer davor, aus "Sorge um die Erhaltung des deutschen Volkes" vorgetragene Gedanken zu verketzern und damit Hinweise auf die gefährlichen Folgen einer "Überfremdung" zu unterdrücken. 6.4 Freundeskreis Ulrich von Hutten Der im Februar 1982 von Rechtsextremisten gegründete Freundeskreis Ulrich von Hutten mit Sitz in Starnberg vertritt rechtsextreme, insbesondere rassistische Thesen. So wandte sich die Vereinigung gegen die "zum Glaubenssatz erhärtete Lehre von der Gleichheit aller Menschen", die verkenne, daß "Menschen und Völker aus ihren rassischen Ursprüngen" gerade "geistig sehr verschieden geartet" seien, und betonte, daß das Volk eine gewachsene "Blutsund Lebensgemeinschaft" sei, die "als ein lebensgesetzlich pulsierender Organismus nicht zerstört werden" dürfe. So wie der Wald jede Störung von außen mit Krankheit beantworte, könne auch ein Volk erkranken und sterben, wenn es von außen durch die "Aufnahme fremder Blutsanteile" gestört werde. Wer nur den Wald retten und sein eigenes Volk der Zerstörung und Auflösung preisgeben wollte, vergehe sich "am Lebensgesetz, das er auch für sein Volk heilig halten sollte". Ferner verbreitete die Gruppierung die Behauptung, die "Zerstörung Deutschlands" sei "Programmpunkt Nummer eins in England seit 1934" gewesen. Darüber hinaus hätten "die Feinde Deutschlands endlich die Möglichkeit schaffen" wollen, "ihre Vorstellung von Versailles zu 122 5. Jahrgang August--September 1987 Folge 4 realisieren: Die Teilung Deutschlands, die Zerstörung seiner Kultur und Wirtschaftsmacht und die Brechung der biologischen Kraft des deutschen Volkes". Hitler habe "mit allen Mitteln einen Krieg mit Polen vermeiden" wollen. Der "wahre Anstifter" des Zweiten Weltkriegs sei US-Präsident Roosevelt gewesen. . Der Freundeskreis zählt wie im Vorjahr bundesweit etwa 300 Mitglieder. Vorsitzende ist die Präsidentin der Deutschen Kulturgemeinschaft (DKG) in Österreich Lisbeth Grolitsch, die zugleich die von Mitgliedern des Freundeskreises Ende März 1987 gegründete "Notgemeinschaft für Volkstum und Kultur" mit Sitz in Miesbach leitet. Die Aktivitäten des Freundeskreises bestanden 1987 vorwiegend in der Herausgabe und Verbreitung des Publikationsorgans "Huttenbriefe -- für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht". Die Schrift bezeichnete Rudolf Heß in einem Nachruf als "leuchtendes Vorbild" für die deutsche Jugend. Sie erklärte, Deutschlands Feinde hätten den Verstorbenen zum Märtyrer werden lassen und damit "ungewollt den Preis gezahlt, den die Geschichte für jedes Heldentum bereit hält, indem sie es unsterblich macht". Ihr "Rachedurst" habe sich "an seiner Unbeugsamkeit messen wollen"; jedoch sei ihre "Niedertracht" an seiner "Seelengröße" abgeglitten. 6.5 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) Die DDF wurde am 1. April 1983 auf Initiative ihres derzeitigen Vorsitzenden, des früheren Generalmajors der Wehrmacht Otto Ernst Remer, nach dessen Trennung vom Freundeskreis Ulrich von Hutten gegründet. Der Sitz der etwa 130 (1986: 70) Mitglieder zählenden Gruppierung wurde 1987 von Kaufbeuren nach Bad Booklet, Landkreis Bad Kissingen, verlegt. Verbindungen bestehen u.a. zur FAP. Die DDF verfolgt vor allem rassistische und nationalistisch-neutralistische Bestrebungen. So wendet sie sich gegen die "in Unkenntnis oder bewußter Ignorierung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ungleichheit der Menschen" betriebene Ausländerpolitik und fordert "brauchbare Gesetze zum Schutze vor Überfremdung", um dadurch einem "Völkermord am deutschen Volk" begegnen zu können. Insbesondere warnt sie vor "schizophrenen Plä123 Der Bisnis nen", die "bereits übervölkerte Bundesrepublik in ein Einwanderungsland zu verwandeln", da "das deutsche Volk in dem auf solche Weise geschaffenen biologischen Schmelztiegel seine ethnische Eigenart über kurz oder lang unweigerlich verlieren" würde. Ferner propagiert sie den Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO, eine Politik "bewaffneter Neutralität" nach dem Vorbild Schwedens und eine "Allianz mit Moskau", da sich die "Existenz des deutschen Volkes" nur in einer "deutsch-russischen Schicksalsgemeinschaft" sichern lasse. In ihrem Organ "Der Bismarck-Deutsche" behauptete die DDF, Deutschland sei im Jahre 1939 "lediglich auf einen Defensiv-Krieg eingestellt" gewesen. Hitler habe damals "trotz des unfertigen Zustands der deutschen Wehrmacht das Risiko eines blitzartigen Präventivkrieges gegen Polen in Kauf genommen", um "durch das Ausräumen dieses Gefahrenherdes Nummer eins entweder die 124 Möglichkeit der Fortsetzung seiner Friedenspolitik zu erreichen oder sich einen Zeitgewinn zu verschaffen, um unter besseren Voraussetzungen einem möglicherweise später erzwungenen Krieg entgegensehen zu können". Zu Unrecht sei Hitler daher schon 1933/34 beschuldigt worden, für einen Angriffskrieg aufzurüsten. Diese "vom Ausland kommenden Lügen" seien "zum Teil sozialdemokratischen Emigrantenkreisen" zuzurechnen gewesen und hätten lediglich dazu gedient, die "von Deutschland geforderte Abrüstung zu sabotieren". Allerdings sei "die Masse unseres Volkes nach wie vor so töricht, dies nicht zu durchschauen", und glaube lieber ihren "Umerziehern", insbesondere der von ihr gewählten Regierung und den sie tragenden Parteien, die "aus durchsichtigen Gründen durch bewußt falsche Darstellung der geschichtlichen Ereignisse das Volk für dumm verkaufen". Die Schrift glorifizierte Rudolf Heß in einem Nachruf als "Friedensflieger", der den Bombenkrieg, den "England verschuldet und begonnen" habe, beenden wollte, aber "an der Kriegslüsternheit und dem Haß Churchills gescheitert" sei. Das Amtsgericht Kaufbeuren verhängte im August 1987 gegen Remer einen Strafbefehl über 600 DM, da er im Buchdienst der DDF das von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indizierte Buch "Aus deutscher Sicht" angeboten hatte. Ferner muß sich Remer im Zusammenhang mit seinem Verhalten bei einem Kameradschaftstreffen ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS im Mai 1985 in Nesselwang erneut vor Gericht wegen Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verantworten; er war deswegen in einem wegen eines Verfahrensfehlers aufgehobenen Urteil zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten mit Bewährung und einer Geldbuße von 1.000 DM verurteilt worden. Am 12. Dezember fand in Bad Kissingen eine Mitgliederversammlung der DDF mit rund 30 Teilnehmern statt, die ohne Außenwirkung verlief. Die Gründung eines Landesverbandes in Baden-Württemberg war im Oktober 1987 gescheitert. 7. Aktionen rechtsextremer Kreise nach dem Tod von Rudolf Heß Den Tod des ehemaligen "Stellvertreters des Führers" Rudolf Heß am 17. August nahmen viele Rechtsextremisten bundesweit zum Anlaß für Demonstrationen und sonstige -- mitunter gewalttätige -- Aktionen. So erklärte ein anonymer Anrufer am 18. August gegenüber einer Presseagentur, drei in der vergangenen Nacht verzeichnete Brandanschläge auf amerikanische Kraftfahrzeuge in Frankfurt a.M. seien "aus Rache für die Ermordung unseres Führers Rudolf Heß" verübt worden. Einer Diskothek in Regensburg ging am 21. August eine telefonische Bombendrohung einer bisher unbekannten "Aktionsgruppe Rudolf Heß" zu. In München führten Neonazis, überwiegend FAP-Anhänger, am Abend des 18. August an der Feldherrnhalle eine nicht angemeldete "Mahnwache" durch. Die Demonstranten trugen Fackeln und legten einen Kranz nieder, dessen Schleife die Aufschrift "In ewigem Gedenken -- Rudolf Heß -- Deutsche Jugend" trug. Die Polizei stellte die Personalien der Beteiligten fest, die nach Aussage einer Zeugin bis zum Eintreffen der Beamten auch Lieder aus der 125 NS-Zeit gesungen hatten, und leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein. Gegen den Leiter der nicht angemeldeten Aktion wurde außerdem Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz erstattet. In Weltenhausen und an einer Autobahnüberführung bei Limbach, Landkreis Günzburg, fand die Polizei am 19. August Transparente einer "Kameradschaft Günzburg", die mit Parolen wie "Rudolf Heß -- gestorben für Deutschland", "Deutschland erwache" und "Nieder mit den Demokröten" versehen waren. In Rain und Bäumenheim, Landkreis Donau-Ries, wurden Aufkleber und Flugblätter der FAP mit der Überschrift "Wir klagen an -- laßt Heß frei" verbreitet. Die Jungen Nationaldemokraten (JN) führten am 22. August in Bonn "Mahnwachen" mit Fahnen und Transparenten vor der amerikanischen und der britischen Botschaft durch. Daran beteiligten sich auch JN-Mitglieder aus Bayern. Am selben Tag nahm die Polizei bei einer nicht angemeldeten Demonstration in Bamberg sechs Anhänger der "Bewegung" fest, die ein Transparent mit der Aufschrift "Rache für Heß -- Kühnen-Front" mit sich führten. Am 24. August wurde in Feuchtwangen, Landkreis Ansbach, eine Hetzschrift der FAP "Steckbrief -- Fahndung -- Gesucht werden die Justizmörder aus der Sowjetunion, England, Frankreich und den USA wegen Mordes. Tatort: Berlin-Spandau, Opfer: Rudolf Heß" verteilt. Mittelpunkt der rechtsextremen Aktionen in Bayern war Wunsiedel, wo Rudolf Heß bestattet werden sollte. Seit 22. August reisten zahlreiche Rechtsextremisten an, die an der Beerdigung teilnehmen wollten. Als bekannt wurde, daß der Verstorbene bereits an einem unbekannten Ort beigesetzt worden sei, versuchten besonders hartnäckige Neonazis, in der Umgebung von Wunsiedel die Grabstätte zu finden. Nach einem Auftritt solcher Neonazis am 22. August in Nagel, Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge, verbot das Landratsamt Wunsiedel am selben Tag alle Aufzüge unter freiem Himmel bis einschließlich 27. August. Die Polizei unterband anschließende Versuche von Rechtsextremisten, dennoch zu demonstrieren, und nahm aus einer Gruppe von FAP-Anhängern und Skinheads, die in den Friedhof von Wunsiedel eingedrungen waren, 25 Personen vorläufig fest. Am 26. August um 14.00 Uhr, dem ursprünglich vorgesehenen Termin für die Beisetzung von Heß, versammelten sich vor dem Friedhof in Wunsiedel 500 bis 600 Personen, darunter zahlreiche deutsche und ausländische Rechtsextremisten. Sie forderten die Öffnung des versperrten Friedhofs und riefen in Sprechchören "Niemand wird den Volkszorn brechen, der den Tod von Heß will rächen" und "Deutsche Polizisten schützen Zionisten". Die Polizei räumte den Friedhofsbereich und nahm insgesamt 84 Rechtsextremisten fest, unter ihnen acht Österreicher und sechs Italiener. Darüber hinaus war seit 18. August in Bayern und im übrigen Bundesgebiet eine Häufung von Schmieraktionen -- vielfach unter Verwendung von Hakenkreuzen und anderen NS-Symbolen -- zu verzeichnen, deren Motiv durch Hinweise auf den Verstorbenen in Parolen wie "Rache für Rudolf Heß" und "Rudolf Heß -- Märtyrer für Deutschland" deutlich wurde. In Wunsiedel und Umgebung wurden bis 25. September aus diesem Anlaß insgesamt 121 Straftaten 126 (z.B. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung u.a.) und 65 Ordnungswidrigkeiten registriert. So nahm die Polizei am 23. August in Wunsiedel mehrere Neonazis und Skinheads fest, die im Verdacht stehen, in einem Bus Hakenkreuze, die Parole "Jude verrecke" sowie den Namen "Heß" unter Verwendung von SS-Runen geschmiert zu haben. 8. Organisationsunabhängige Publizistik Die zehn (1986: 11) Verlage, Vertriebsund Buchdienste in Bayern, die Publikationen mit rechtsextremem Inhalt herausgeben bzw. verbreiten, entwickelten 1987 wiederum eine beachtliche Tätigkeit. Die Auflage der periodisch herausgegebenen einschlägigen Druckschriften betrug monatlich 390.000 (1986: 375.000) Exemplare, wobei erhöhte Auflagen zu besonderen Anlässen nicht eingerechnet sind. Darüber hinaus wurden Bücher mit rechtsextremem Inhalt angeboten. Wirkungsvollstes Propagandainstrument des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland ist weiterhin die Druckschriftenund Zeitungsverlags GmbH in München unter der Leitung von Dr. Gerhard Frey. Im Verlag erscheinen neben dem "Deutschen Anzeiger" (vgl. Nr. 3.2) die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) mit einer Wochenauflage von etwa 65.000 (1986: 65.000) Exemplaren und die "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ) mit einer wöchentlichen Auflage von rund 28.000 (1986: 24.000) Exemplaren. Bei Werbeaktionen Heß - sein Leben, sein Leiden Sensationelle Bild-Dokumente / s.3-5 Deutsche _^___ R 2295 C National+Zeitune ZZJÜiSr' 0 ..."./H-D. freiheitlich" unabhängig *überparteilich gPSSS--'"aKSS ^ ^ XflWt. -,70 "O PS I Ar" 1 Anatol / AuMt. 1,-t A / fW" WMr / DM. ",-*T / WWlI. t.,-FmH ! Ort"*. TS Pr. *' Ho*. 2JI M / Hrt. TOD Ut / K l MO | / Pat Wfac./1p--, HO P M f l t M 1M W"/ MMr. 1.- B / Tlr*. TB U / U"A 1J01 Woran starb Heß wirklich? werden die Auflagen beträchtlich erhöht. Dr. Frey ist auch Geschäftsführer der Freiheitlichen Buchund Zeitschriftenverlags GmbH (FZ-Verlag) in München, deren Buchdienst Werke gegen "endlose Vergangenheitsbewältigung, Kollektivschuldvorwürfe, antideutsche Lügen, Heuchelei und Umerziehung" anbot. Wie im Vorjahr war die DNZ bestrebt, die NS-Zeit zu verharmlosen. So behauptete sie, Roosevelt und Churchill hätten den 2. Weltkrieg vorbereitet "mit dem Ziel der -- nach dem I.Weltkrieg nicht ganz erreichten -- Vernichtung 127 Deutschlands, insbesondere seiner Wirtschaftskraft". Ferner würdigte sie Rudolf Heß als "einzigen Politiker des 2. Weltkrieges", der "unter Einsatz seines Lebens versucht hatte, Frieden zu erreichen". Jeder seiner Tage hinter Gefängnismauern sei eine Anklage gegen die "Atombombenmörder von Hiroshima und Nagasaki, die Zwingherren des Archipels Gulag, die Pariser und Londoner kolonialistischen Bedrücker des Erdballs" gewesen. Seine jahrzehntelange Inhaftierung bedeute "eine Schande für die Sieger, aber auch für offizielle deutsche Stellen", die sich auf "devote Bitten um Gnade" beschränkt hätten. Zugleich verharmloste die DNZ die Funktion und die Verantwortlichkeit von Heß während der NS-Diktatur; Heß habe nur "den relativ einflußlosen Posten eines Reichsministers ohne Geschäftsbereich" bekleidet. Unter der Überschrift "Bittere Früchte der Umerziehung" hieß es in der DNZ, maßgebliche Politiker der jetzigen Bundesregierung betrieben heute wieder verschärft die "Beschwörung deutscher Alleinschuld und Kollektiwerantwortung" wegen des "schon längst toten" Nationalsozialismus. Diese Politiker seien dadurch gekennzeichnet, daß sie "die Wiedervereinigung offenbar ad acta legen und stattdessen das deutsche Volk mit dem Kainsmal ,nie versiegender Scham' gebrandmarkt sehen möchten". Der "Patriot" bekomme "den Eindruck, einseitige, nur zu Lasten Deutschlands gehende Vergangenheitsbewältigung und Beschwörung deutscher Schuld und Verzichtspolitik sei eines der Hauptanliegen der derzeitigen Regierungskoalition". Insbesondere griff die DNZ den Bundespräsidenten an, der dem deutschen Volk eine "Kollektivhaftung" für das Unrecht der NS-Zeit zuweise und "mit seinem Nationalmasochismus und Daueranklagen gegen das deutsche Volk zu jeder unpassenden Gelegenheit" selbst die "Umerziehungsorgien von Brandt und Heinemann" übertreffe. Die DWZ äußerte zum Staatsbesuch des israelischen Präsidenten, die ständige "Bewältigung" der Vergangenheit, verbunden mit "heftiger Kollektivanklage gegen das deutsche Volk", sei "langfristig keine tragfähige Grundlage". Das Rudolf Heß' Leiden und Sterben / Seite 2 Deut|tl)ttDot|)en3tituns M ^ ' u D i / * u T r ki 29. Jahrgang Nr. 35 21 A u u s t i 9 8 7 - 8 m *"* Preis 2,DM; Österreich 15,ÖS MIW*M*1"I".I* HmM>mm-m"'*<~" R2343C FOR NATIONALE POLITIK * KULTUR UNO WIRTSCHAFT deutsche Volk kollektiv "in Haftung" zu nehmen für "einige Untaten von Fanatikern", wie dies der Bundespräsident versuche, sei "ungerecht". Außerdem warb die DWZ für das im FZ-Verlag erschienene Buch "Verheimlichte Dokumente", das die Augen öffne und das "antideutsche Propagandagebäude" ins Wanken geraten lasse. Die antideutsche Propaganda behaupte, schon das kaiserliche Deutschland habe die Weltherrschaft angestrebt. Vertuscht werde "das brutale Weltherrschaftsstreben jener Mächte, die man den Deutschen als 128 hehre Fechter gegen unser .imperialistisches' Vaterland darstellt". Unter der Schlagzeile "Noch mehr Türken nach Deutschland?" behauptete die DWZ, der Bundesregierung fehle die Fähigkeit, eine "Überfremdung unserer Heimat" zu verhindern und den "deutschen Charakter Deutschlands" zu bewahren. Die "Lebensinteressen des eigenen Volkes" seien durch eine bevorstehende "Flut von Millionen Türken" bedroht. In der 1953 gegründeten Nation Europa Verlags GmbH in Coburg erscheint die Monatsschrift "Nation Europa" (NE) in einer Auflage von etwa 10.000 Exemplaren. Der Verlag wird von dem 1954 gegründeten Verein "Nation Europa-Freunde" finanziell unterstützt. Gesellschafter des Verlags und Herausgeber der NE sowie Vorsitzender des Unterstützungsvereins ist der NPDFunktionär Peter Dehoust. Die Schrift vertrat in einem Beitrag "40 Jahre Dritter Weltkrieg" die Auffassung, die seit 1945 betriebene "psychologische Kampfführung" gegen Deutschland sowie die "gewollte Zerstörung der Volkssubstanz" und die "Umerziehung" liefen darauf hinaus, Deutschland und das deutsche Volk aus dem weltpolitischen Konzept auszuschließen. Das "Verbrecherische" im deutschen Wesen werde selbst in das Bewußtsein der nachwachsenden Generation eingepflanzt, um dort "die Pflicht zu immerwährender Buße 129 und Sühne fest zu verankern". So sei die jüngste deutsche Geschichte "Schritt um Schritt auf das Stichwort .Auschwitz' reduziert" worden. Mit dieser "Totschlagvokabel" werde jeder zum Schweigen gebracht, der "im Westen Deutschlands an den Tabus der Legendenbildung zu rütteln" wage. In der Schrift hieß es ferner, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre Existenzberechtigung dadurch nachweisen müsse, daß sie "ihre Grenzen für alle Menschen und für alle Gauner dieser Welt offenhält". Die Pläne ihrer "Systemregierungen", das deutsche Volk "in einer multikulturellen Schattengesellschaft unmerklich verschwinden" zu lassen, bedeuteten den "Untergang des Volkes durch Unterwanderung". Auch im Abschnitt "Nachrichten von der Überfremdungsfront" wurden durch Zusammenfassung zahlreicher negativer Presseberichte über Ausländer und Asylanten Vorurteile gegen diesen Personenkreis propagandistisch gefördert. Einleitend hieß es dazu, die "Lobbyisten einer verstärkten Ausländereinwanderung" formierten sich neu, wobei Politiker und Presse das nach wie vor drängende "Problem der Einwanderung Farbiger" bewußt verniedlichten. Der "Kampf" müsse daher verstärkt und die Immigration "in ihr Gegenteil verkehrt" werden. Wir seien es unseren Kindern und Enkeln schuldig, daß die Farbigen "aus Deutschland wieder verschwinden". Der Druffel-Verlag in Berg am Starnberger See, der vom Vorsitzenden der Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) Dr. Gert Sudholt geleitet wird, gibt Literatur heraus mit dem Ziel, sowohl "zeitgeschichtliche Quellen für eine spätere Geschichtsforschung zu sichern" als auch "gegen Umerziehung und Gehirnwäsche mit geistig-literarischen Waffen zu kämpfen". In der Verlagswerbung hieß es, das Deutsche Reich sei "ab 1940 unentrinnbar der großen Auseinandersetzung mit dem Osten" entgegengegangen. Mit neuen Dokumenten zur "Kriegsursachenfrage" würden "Fälschungen" widerlegt und die "etablierte Geschichtsschreibung" in ihre Schranken gewiesen. "Fälschungen" seien auch in einem Schlüsseldokument entdeckt worden, das u.a. die planmäßige Vernichtung der Juden zwischen 1941 und 1945 beweisen solle. Nach dem Willen der Sieger, die sich "die Beute Deutschland teilten", habe "die Zukunft für ganz Deutschland zu Ende sein" sollen. "Sensationelles Material" dokumentiere, daß es bei den "alliierten Siegertribunalen" nicht um Recht, sondern um "Rache" gegangen sei. Der 1977 von Dr. Gert Sudholt übernommene Türmer-Verlag in Berg am Starnberger See will einen "Beitrag zum Geistesleben des .nicht umerzogenen' Teiles unseres Volkes" leisten. Er gibt seit 1982 die "Deutschen Monatshefte" in einer Auflage von über 5.000 Exemplaren heraus, die sich als "wesentliches Organ deutscher Selbstbesinnung" verstehen. Die Schrift behauptete, es sei in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich verboten, über "Auschwitz" so offen zu diskutieren, wie das notwendig wäre. Die "Sechs-Millionen-Schätzung", denn um etwas anderes könne es sich ja "naturgemäß nicht handeln", müsse "aufrechterhalten werden, koste es, was es wolle, koste es auch die historische Wahrheit, denn die wäre ja gleichbedeutend mit Gerechtigkeit auch für die Deutschen!"; Ein Beitrag "Die Unruhe wächst" vertrat die Auffassung, die "Umerziehung" habe bewirkt, daß "mit Hilfe deutscher Hilfswilliger der Plan der Auflösung der deutschen Identität nahezu gelungen" sei. Dennoch zeichne sich in Teilen der 130 deutschen Bevölkerung eine immer stärker werdende Forderung nach Beendigung des "verderblichen Flagellantentums" und der "permanenten Unterwerfungsstrategie" ab. So hätten die Heimatvertriebenen schon im Vorjahr zu erkennen gegeben, daß sie nicht bereit seien, den "Eiertanz der Bonner Verzichtsthesen" widerspruchslos hinzunehmen. Unter der Überschrift "Elie Wiesel: Ein wichtiger Falschzeuge" wurde behauptet, es werde "immer schwieriger, den Glauben aufrechtzuerhalten, demzufolge die Juden vernichtet wurden oder Gegenstand einer Vernichtungspolitik mit Hilfe der Gaskammern waren". Im "wissenschaftlichen Bereich" habe es "mit dem Gaskammer-Mythos ein Ende". Der Verlag Hohe Warte -- Franz von Bebenburg KG in Pähl, Landkreis Weilheim, gibt die Schrift "Mensch und Maß" heraus, die monatlich zweimal in einer Auflage von etwa 1.500 Exemplaren erscheint. Die Schrift behauptete in einem Beitrag mit der Überschrift "Mißstände eines Umerzogenen oder Umerziehung durch die Hintertür?", das "Weltjudentum und die von ihm weitgehend beherrschte oder gelenkte Presse" hätten schon seit 1933 ständig Kriegsfurcht zu erzeugen versucht oder sogar selbst zum Krieg gegen das Reich gehetzt. Die "größenwahnsinnigen Polen" hätten beständig eine "Gebietsvergrößerung gegen Westen, also auf Kosten des Reiches" geplant. Der Pakt mit der Sowjetunion sei "die Reaktion Hitlers auf einen Einkreisungsversuch der bereits zum Kriege gegen das Reich entschlossenen Westmächte" gewesen. Zwar habe es zur "beliebtesten Propagandabehauptung des Hauptkriegstreibers" Franklin D. Roosevelt gehört, daß Hitler die ganze Welt erobern wollte; in Wirklichkeit sei aber "niemand so an der Erhaltung des Friedens interessiert" gewesen wie Hitler. Beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß habe es sich "um nichts weiter als um einen Schauprozeß" gehandelt. Mit "seltenem Mut und überlegener Souveränität" habe Göring vor diesem "Rachetribunal" den Nationalsozialismus verteidigt und nicht die geringste Reue gezeigt. Die "Träger dieser Gerichtsfarce" seien als "Henker in der Richterrobe" anzusehen, die sich lediglich als "Vollstrecker eines politischen Auftrags zur Rache an der besiegten deutschen Nation" betätigt hätten. Außerdem verwies die Schrift auf das "Elend der Rassemischungen" und betonte, daß die "völkische Eigenart" der "Retter und Erhalter aller Völker" sei. Nur den "weisen Naturgesetzen" sei es zu danken, daß wir noch von "arteigenen Völkern" reden könnten. In ihrer "BücherUmschau" vertrat die Schrift die Auffassung, der Autor des Werkes "Der ewige Antisemit" durchforste "die ganze nichtjüdische Menschheit nach Äußerungen ihres Antisemitismus", ohne wahrhaben zu wollen, daß "die Juden selbst am Antisemitismus schuld sein könnten". Der Ederer-Verlag in München bot auch 1987 Publikationen an, in denen die NS-Verbrechen verharmlost werden. In den Prospekten hieß es, daß die "Holocaust-Giftspritzen ein Teil einer großangelegten Reparationszahlungsstrategie" seien, und "das schmutzige Geschäft mit den jüdischen Leiden" zwischen "Zionisten und servilen Bonner Politikern auf Kosten des in der Bundesrepublik Deutschland lebenden deutschen Volksteiles abgewickelt" werde. Im Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung erließ das Amtsgericht München am 4. Dezember einen allgemeinen Beschlagnahmebeschluß für die vom Verlag angebotene Broschüre "Das Tagebuch (der Anne Frank)", 131 die sich im wesentlichen mit der angeblich von "Zionisten" aufrechterhaltenen "Auschwitz-Lüge" befaßt. Am 14. Dezember durchsuchte die Polizei die Wohnung der Verlagsinhaberin in München und stellte 67 Exemplare der Druckschrift sicher. Im Denk mit!-Verlag in Nürnberg erscheint wieder die im Vorjahr nicht mehr festgestellte Broschüre "Denk mit!". Ihr Herausgeber hatte bis November 1986 eine Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß verbüßt. Die Schrift enthielt auf der Titelseite ein Kopfbild des ehemaligen "Stellvertreters des Führers" Rudolf Heß, umrahmt von den Worten "Stirb und werde Sieger im Tod". Der Herausgeber erklärte, das Spandauer Kriegsverbrechergefängnis sei ein Gefängnis gewesen, das "Kriegsverbrecher errichtet haben, um Zeugen für ihre Verbrechen .unschädlich' zu machen, z.B. Friedensboten unter völliger Kontaktsperre einzukerkern". An anderer Stelle behauptete er, das "System" halte für den Versuch einer "wahrheitsgemäßen" Berichterstattung "Kerker und Irrenanstalt" bereit. Der bevorstehende "Umbruch" werde jedoch "die Besatzerknechte hinwegwehen". Die in Rodach b. Coburg erscheinende Zeitschrift Der Scheinwerfer veröffentlichte einen Beitrag mit der Überschrift "Die Schuld von Rudolf Heß". Der Verfasser versuchte zu suggerieren, bei den von Heß mitunterzeichneten Nürnberger Rassegesetzen sei es eigentlich um die "Trennung von Tisch und Bett" zwischen Juden und Deutschen gegangen. Während diese Gesetze von den Deutschen der damaligen Zeit "offenbar als naturgegebene Gesetzmäßigkeit anerkannt" worden seien, hätten sie bei den Juden einen Schock ausgelöst, "an dessen Erschütterung sie uns seither unaufhörlich teilhaben lassen", z.B. in der Geschichtsbetrachtung. So erwarteten die Juden, daß wir "ihre Gedanken zu unseren machen, ihre Anklagen ungefragt mit einer Trauerarbeit bedenken und nicht vom Wege ihrer Geschichtsvorstellungen abweichen". Möglicherweise seien hier die Wurzeln für die "verbissen eingehaltene 46jährige Isolationshaft von Heß" zu suchen, die einem "Gedankenträger unerwünschter Naturgesetze" gegolten habe. 9. Einfluß des ausländischen Rechtsextrernisrnus Der Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus auf Bayern zeigte sich insbesondere in der Einfuhr und Verbreitung vorwiegend neonazistischer und antisemitischer Druckschriften. 1987 wurden in Bayern 27 (1986: 40) verschiedene, meist deutschoder englischsprachige Druckschriften, Flugblätter, Rundbriefe und Klebezettel festgestellt, die überwiegend aus Österreich, Kanada, Frankreich und aus den USA stammten. Die neonazistische NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) des Gary Rex Lauck aus Lincoln/Nebraska (USA) fordert die "Ausschaltung des jüdischen Einflusses", die Überwindung des "Materialismus" durch den Nationalsozialismus und die "Neugründung der NSDAP als legale Partei". Endziel sei die "Schaffung eines nationalsozialistischen Staates in einem freien, souveränen und neuvereinigten Großdeutschen Reich und die Errichtung einer 132 NS KAMPFRUF KAMPFSCHRIFT DER NATIONALSOZIALISTISCHEN DEUTSCHEN ARSEfTERPARTEI AUSLANDS - UND AUFBAUORGANISATION Neuen Ordnung auf einer rassischen Grundlage in der gesamten arischen Welt". In ihrem Publikationsorgan "NS Kampfruf" bekannte sich die NSDAPAO "eindeutig zum Nationalsozialismus, zu dem Führer Adolf Hitler und zu dem NS-Freiheitskampf um Deutschland". Als "ideologische Grundlage" gelte Hitlers Buch "Mein Kampf". Der Untergrundkampf sei vorwiegend mit propagandistischen Mitteln zu führen, wobei das Hakenkreuz als "Wunderwaffe" eingesetzt werden solle. Mit Hakenkreuzen versehenes Propagandamaterial löse nämlich einerseits in der Öffentlichkeit Entsetzen und Empörung aus; andererseits vermittle es dem Volk den Eindruck, daß es sich "um etwas Ernstes" handle. Lauck gab ferner die beiden Teile des von Michael Kühnen während seiner Strafhaft von 1978 bis 1982 verfaßten Buches "Die Zweite Revolution" heraus. Darin propagiert Kühnen eine "arische Völkergemeinschaft" in einem von der NSDAP und der SA als der "bewaffneten Eliteeinheit" geführten "europäischen Reich" unter der Dominanz eines nationalsozialistischen Deutschlands. In Bayern wurden mehrmals Hakenkreuzaufkleber der NSDAP-AO mit Aufschriften wie "NS-Verbot aufheben", "Jetzt NSDAP", "Wir sind wieder da" und "Ausländer raus" verbreitet. 133 Der Inhaber des in Toronto/Kanada ansässigen Verlags Samisdat Publishers Ltd. Ernst C.F.Zündel agitiert in dem von ihm hergestellten Propagandamaterial insbesondere gegen die "Vergasungslüge" und die "Kriegsschuldlüge". In seinen auch in Bayern verbreiteten Rundbriefen verwies er auf die Wiederaufnahme des "Zündel Holocaust Verfahrens", in dem sich "Zündeis Revisionismus" und die "Lügen und Geschichtsfälschungen des Zionismus" gegenüberstünden. Er forderte seine Anhänger auf, in Leserbriefen an kanadische Zeitungen und Nachrichtenagenturen eine "faire Berichterstattung" über den Prozeß zu verlangen und ihn durch Spenden zu unterstützen. In dem Prozeß in Toronto geht es um die Veröffentlichung der Schrift "Starben wirklich sechs Millionen", in der Zündel die Judenvernichtung im Dritten Reich leugnet. Er war deswegen 1985 zu 15 Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt worden und hatte die Auflage bekommen, drei Jahre nichts zum Thema "Holocaust" zu veröffentlichen. Dieses Urteil wurde auf die Berufung des Angeklagten hin aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung an das erstinstanzliche Gericht verwiesen. Der österreichische Rechtsextremist Walter Ochensberger erklärte in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift "Sieg", daß er "nicht mehr an die alliierte Propagandalüge von Gaskammereinrichtungen zur Menschenvernichtung" glaube. Er erstatte daher gegen sich selbst Strafanzeige und hoffe, in dem damit ausgelösten Verfahren den "Wahrheitsbeweis" dafür antreten zu können, daß es "keine Gaskammern zur Menschenvernichtung in Deutschland gab". Die Schrift behauptete ferner, Rudolf Heß sei auf Weisung des britischen Innenministeriums durch zwei Angehörige eines britischen Sondereinsatzregiments ermordet worden. Über die Aktion seien der amerikanische, der französische und der israelische Dienst informiert gewesen.Die Europäische Bewegung (EB), ein Funktionärsgremium von Neonazis aus westeuropäischen Ländern, geriet in den Sog der seit Mitte 1986 in Neonazikreisen zum Teil heftig geführten Auseinandersetzungen über die Homosexuellenfrage (vgl. Nr. 5.2). Nachdem ihr Initiator Michel Caignet, der sich zur Homosexualität bekannt hatte, bereits 1986 aus der EB verdrängt worden war, wandte sich die EB auch von Michael Kühnen ab und erkannte Jürgen Mosler als deutschen Repräsentanten in der EB an. Der von Mosler geleitete Flügel der "Bewegung" ehemaliger ANS/NA-Anhänger organisierte Ende März 1987 in Oberbayern ein "Führerthing" der EB, an dem führende NS-Aktivisten teilnahmen. Die Teilnehmer wählten einen dänischen Neonazi zum Generalsekretär der EB. 134 3. Abschnitt Extremistische Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines Am 31. Dezember 1987 hielten sich in Bayern 716.100 Ausländer auf, darunter rund 197.600 Türken 121.700 Jugoslawen 80.400 Österreicher 74.400 Italiener 48.600 Griechen und 10.900 Spanier. Die Anzahl der Ausländer hat sich somit gegenüber dem Jahre 1986 um etwa 25.000 Personen erhöht. Wie in den vergangenen Jahren verhielt sich der weitaus größte Teil der Ausländer im Gastland gesetzestreu. Die Bemühungen ausländischer Extremisten, unter ihren Landsleuten weitere Anhänger für ihre extremistischen Ziele zu gewinnen und dadurch die eigene Basis zu stärken, blieben weitgehend erfolglos. Nur eine geringe Minderheit (0,9 %) der in Bayern lebenden Ausländer ist in extremistischen oder extremistisch beeinflußten Vereinigungen organisiert. Den letzteren Gruppen, die sich nach außen oft als "Betreuungsorganisationen" darstellen, gehören auch Mitglieder an, die nicht aus politischer Motivation beigetreten sind, sondern dort lediglich gesellige Kontakte oder Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsproblemen suchen. Dies schließt indes nicht aus, daß sie später unter dem Einfluß von dort auftretenden Agitatoren deren extremistische Auffassungen übernehmen und vertreten. Die Aktivitäten der extremistischen und extremistisch beeinflußten Ausländergruppen waren weiterhin von den Konflikten und Krisen in den Heimatländern der Mitglieder, aber auch von der Situation der Ausländer im Bundesgebiet bestimmt. So agitierten ausländische Extremisten gegen die behauptete Ausländerfeindlichkeit der deutschen Bevölkerung sowie gegen die Ausländerpolitik der Bundesregierung und forderten die Einführung des Wahlrechts für Ausländer. Propagandistische Angriffe galten ferner der ausländischen Staaten ge135 währten deutschen Wirtschaftshilfe und der Lieferung von Rüstungsgütern an Regierungen der Heimatländer. Mit Versuchen, politische Bestrebungen in den Heimatländern durch gewaltorientierte Aktionen vom Gastland her zu initiieren oder zu fördern, beeinträchtigten ausländische Extremisten auch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Die angespannte Lage am Arbeitsmarkt und die Besorgnis, eine extremistische Betätigung könne auch ausländerrechtliche Nachteile zur Folge haben, dürften sich indes wie schon in den Vorjahren dämpfend auf das Engagement ausländischer Extremisten ausgewirkt und zum Rückgang der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten beigetragen haben. Linksextreme Ausländergruppen fanden nach wie vor die Unterstützung ideologisch gleichgesinnter deutscher Organisationen. Umgekehrt beteiligten sie sich auch an Aktionen deutscher Linksextremisten. Die Zahl der in Bayern erfaßten extremistischen oder extremistisch beeinflußten Ausländerorganisationen verringerte sich auf 147 (1986: 168); von dieser Entwicklung waren insbesondere kurdische und türkische Gruppen betroffen. In der folgenden Übersicht sind die in Bayern bestehenden extremistischen und extremistisch beeinflußten Vereinigungen nach ihren ideologischen Standpunkten und politischen Zielsetzungen aufgeschlüsselt. Örtlich selbständige Gruppen sind dabei gesondert gezählt. OrthodoxNeue Linke Extrem IslamischGesamt kommunieinschl. nationaextremistische Sozialrelistische stische Gruppen volutionäre Gruppen Gruppen Gruppen Äthiopier 3 2 -- -- 5 Afghanen -- 1 -- -- 1 Araber 3 6 -- _ 9 Griechen 32 1 1 * _ 34 Iraner 2 4 1 1 8 Italiener 5 -- 3 -- 8 Jugoslawen 1 1 11 -- 13 Kurden 7 -- -- -- 7 Pakistaner -- 4 -- _ 4 Spanier 1 -- -- -- 1 Türken 8 21 5 19 53 Sonstige 1 -- 1 2 4 Gesamt 63 40 22 22 147 Auch die Mitgliederzahl der extremistischen und extremistisch beeinflußten Ausländergruppen in Bayern ist zurückgegangen, und zwar von etwa 8.500 im Jahre 1986 auf rund 6.800. 136 Bei den kurdischen Gruppierungen zeigte insbesondere die orthodox-kommunistische Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eine weiter zunehmende Bereitschaft zur Gewaltanwendung. Vereinigungen der türkischen Neuen Linken streben nach wie vor den gewaltsamen Sturz der türkischen Regierung an. Diese militanten Organisationen stellen weiterhin eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Die von palästinensischen Gruppen ausgehenden Sicherheitsrisiken haben sich im Hinblick auf die Konflikte im Nahen Osten nicht verringert, zumal die Einigungsbestrebungen innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) einen Erfolg verzeichneten. Abgesplitterte Terrorgruppen, die von Gegnern der USA und Israels unterstützt werden, bedeuten eine erhöhte Gefahr insbesondere für amerikanische und israelische Einrichtungen im Bundesgebiet. 2. Äthiopische Gruppen Die Eritreische Befreiungsfront (ELF) und die Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF) wollen mit ihrem bewaffneten Kampf gegen die sozialistische äthiopische Regierung die Befreiung und Unabhängigkeit der äthiopischen Provinz Eritrea erreichen. Trotz übereinstimmender Zielsetzung konnten sich beide Gruppierungen auch 1987 nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen. Die EPLF lehnt eine Annäherung an Moskau ab, während die ELF bereit wäre, sich im eritreischen Befreiungskampf auch von der UdSSR unterstützen zu lassen. In Bayern traten Anhänger beider Gruppen vorwiegend im Raum Nürnberg-Erlangen mit internen Veranstaltungen in Erscheinung. ELF-Anhänger aus Bayern beteiligten sich ferner an einer "Eritreischen Nacht" der ELF am 11./ 12. April in Kassel sowie am Jahrestreffen der ELF vom 7. bis 9. August in Dreieich bei Frankfurt a.M., zu dem sich etwa 2.000 Besucher einfanden. 3. Afghanische Gruppen Die der Neuen Linken zuzurechnende AWARAGAN -- Demokratische Organisation der Afghanen im Ausland möchte den "nationalen Befreiungskampf" des afghanischen Volkes gegen die militärische Intervention der UdSSR in Afghanistan materiell und ideell unterstützen. Sie betrachtet diesen "Widerstand gegen die sowjetischen Aggressoren und ihre Lakaien" als "Teil des internationalen Befreiungskampfes der Völker gegen Imperialismus, Sozialimperialismus und Reaktion". Örtliche Untergliederungen der AWARAGAN bestehen in Essen, Hamburg, Hannover, Karlsruhe und München. Am 21. März feierte die Sektion München der AWARAGAN ihr Neujahrsfest. Daran beteiligten sich rund 120 Personen, darunter auch Deutsche, Palästinenser, Türken und eine Abordnung der Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (s. Nr. 6.2). In einem am 1. Mai in München verteilten Flugblatt griff die AWARAGAN das "Marionettenregime in Kabul" an, wobei sie an die "internationale Solidarität" appellierte und sich zum bewaffneten "Kampf des afghanischen Volkes für die nationale Befreiung" bekannte. 137 4. Arabische Gruppen Die 1964 gegründete Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) ist die Dachorganisation der palästinensischen Befreiungsbewegung. Vorsitzender des Exekutivkomitees der PLO und zugleich Leiter der zahlenmäßig stärksten PLO-Organisation Al Fatah ist Yassir Arafat, der auf dem 18. Kongreß des Palästinensischen Nationalrats (PNC) in Algier (20. bis 26. April) in seiner Funktion bestätigt wurde. Hauptziel dieser Tagung des "Exilparlaments" der PLO war es, Meinungsverschiedenheiten über die politische und militärische Strategie zur Lösung des Palästinenserproblems abzubauen und die zerstrittenen Guerillagruppen der PLO wieder zu einigen. An der Zusammenkunft beteiligten sich auch Palästinensergruppen, die den vorangegangenen Kongreß in Amman im Jahre 1984 boykottiert hatten, so z.B. die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP). Zwar gelang es während des Kongresses, die Differenzen mit den von Syrien abhängigen Gegnern Arafats beizulegen; Arafat hatte jedoch zuvor den Verfechtern eines harten Kurses Zugeständnisse gemacht, indem er seitens der PLO das im Februar 1985 geschlossene Abkommen mit Jordanien annullierte und eine Reduzierung der Kontakte zu Ägypten ankündigte. Bemerkenswert war ferner, daß der Leiter der Palästinensischen Befreiungsfront (PFL) Abul Abbas seinen Sitz im Exekutivkomitee der PLO behielt; ein italienisches Gericht hatte ihn als Urheber der Entführung des Kreuzfahrtschiffes "Achille Lauro", bei der im Oktober 1985 ein gelähmter amerikanischer Passagier ermordet wurde, in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der auf Initiative der PLO gegründete Palästinensische Arbeiterverband in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (PAV) ist maßgeblich von der Al Fatah beeinflußt. Er hat die Aufgabe, die Al Fatah in ihrem Kampf für einen Palästinenserstaat materiell und ideell zu unterstützen und für die Ziele der Palästinenser im Gastland zu werben. Örtliche Untergliederungen sind der Verein Palästinensischer Arbeiter München (VPA) und der Palästinensische Arbeiterverband (PAV) in Nürnberg, die loyal zu Arafat stehen. Der VPA organisierte am 24. Januar in München eine Veranstaltung zum Thema "22 Jahre PLO", an der rund 280 Personen teilnahmen. Im Mittelpunkt des Abends stand ein Referat des PLO-Vertreters Dr. Abdallah Frangi aus Bonn, der auf die Geschichte der PLO und die aktuelle politische Situation im Nahen Osten einging. Das linksextrem beeinflußte, im Frühjahr 1985 von Gegnern Arafats in Nürnberg gegründete Palästina-Libanon-Komitee (PLK) trat am 10. Januar mit einer Veranstaltung aus Anlaß der Gründung der PLO in Erscheinung. Vor rund 120 Teilnehmern verwiesen die Redner auf die vielfältigen Bemühungen der PLO um ein befreites und geeintes Palästina; dabei erinnerten sie auch an Rückschläge, wie die blutigen Auseinandersetzungen in Jordanien im "Schwarzen September" von 1970, die bewaffneten Angriffe auf die Flüchtlingslager von Sabra und Schatila im September 1982 und die Aktionen der schiitischen Amal-Miliz im Libanon. Außerdem fand am 29. November in Nürnberg eine gemeinsame Feier des PLK und des PAV Nürnberg zum "Tag der internationalen Solidarität mit dem palästinensischen Volk" statt, bei der die zwischen den rund 150 Teilnehmern bestehenden ideologischen Gegensätze offenbar zurückgestellt wurden. 138 2 9 . NOVEMBER Tag der internationalen Solidarität mit dem palästinensischen Volk Aus ) lfm i diesem Anlaß Mut \ laden euch der Mim \ Palästinensische Ar eiter Wim- I b Verband fM^f: J E.V. Nürnberg unc P^llp / l das r^^^y Palästina-Libanon m0^ Komitee /*5v zu einem /SOLIDARITÄTSFEST ein. hm Sonntag, 2 9 . November ab 15 Uhr in der DESI Brückenstraße 2 3 , Nbg. j Für das i Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes Hoch lebe die PLO! 139 5. Griechische Gruppen Die auch im Bundesgebiet aktive Kommunistische Partei Griechenlands (KKE-Ausland) mit Sitz in Athen erkennt als orthodox-kommunistischer Teil der seit Februar 1968 gespaltenen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) die führende Rolle der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) an. Organe der KKE-Ausland und ihrer Jugendorganisation Kommunistische Jugend Griechenlands (KNE) sind die Schriften "Risospastis" (Der Radikale), "Kommounistiki Epitheorisi" (Kommunistische Revue) und "Prowlimata tis Irinis ke tou Sosialismou" (Probleme des Friedens und des Sozialismus) bzw. "Odigitis" (Der Führer), die auch im Bundesgebiet verbreitet werden. Seit Jahren bestehen enge Verbindungen der KKE-Ausland zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). So beteiligten sich Mitglieder der KKEAusland im Juni 1987 wiederum mit Informationsständen am alljährlichen ZeltFest der DKP in Nürnberg. Die KKE-Ausland und ihre Jugendorganisation, die zu ihren Veranstaltungen in München und Nürnberg bis zu 250 Teilnehmer mobilisieren konnten, waren auch 1987 bestrebt, ihre Funktionäre und Mitglieder in die Vorstandschaften der griechischen Ausländervereine wählen zu lassen, um ihren Einfluß zu erweitern. Politische Schwerpunkte ihrer Forderungen waren wie im Vorjahr der Austritt Griechenlands aus der Europäischen Gemeinschaft und der NATO sowie die Auflösung der US-Militärbasen in Griechenland. Überregional bemühten sich sowohl die KKE-Ausland als auch die KNE um Stärkung ihrer Positionen im Verband Griechischer Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (OEK) und im Verband Griechischer Studentenvereine in der Bundesrepublik Deutschland und .West-Berlin (OEFE). Diesen orthodox-kommunistisch beeinflußten Dachverbänden gehört der überwiegende Teil der in Bayern bestehenden Griechischen Gemeinden und Studentenvereine an. Die 1968 von der KKE abgespaltene Kommunistische Partei Griechenlands (KKE-Inland), deren Anhänger das Modell des "Eurokommunismus" übernahmen, hat sich 1987 entsprechend einem Beschluß ihres 4. Parteitags vom Mai 1986 aufgelöst. 6. Iranische Gruppen 6.1 Orthodoxe Kommunisten Die orthodox-kommunistische Tudeh-Partei, die am 4. Mai 1983 im Iran verboten und aufgelöst wurde, ist im Bundesgebiet überwiegend konspirativ tätig. Sie bekennt sich zum bewaffneten Kampf und fordert den Sturz der iranischen Regierung durch Anwendung revolutionärer Gewalt. Neben Verbindungen zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) unterhält sie auch Kontakte zu kommunistischen Organisationen im Nahen Osten. Als Parteiorgane erscheinen die Wochenzeitschrift "Nameh Mardom" (Botschaft des Volkes) und das deutschsprachige Informationsblatt "Tudeh-Bulletin". Die von Anhängern der Tudeh-Partei in Bayern verteilten Schriften befaßten sich wie im Vorjahr vor allem mit Hinrichtungen im Iran, dem irakisch-iranischen Krieg, innerparteilichen Vorgängen sowie dem Asylantenproblem in der Bundesrepublik Deutschland. 140 In einem Flugblatt verwies die Partei außerdem auf Hungerstreikaktionen in iranischen Gefängnissen und rief zur "Solidarität mit den politischen Gefangenen Irans" auf. Scharfe Angriffe galten ferner der militärischen Präsenz der USA in der Golf region und der "Komplizenschaft" der Bundesregierung, die durch Entsendung von Schiffen der Bundesmarine in andere Regionen die Beteiligung anderer NATO-Kriegsschiffe am "Golfabenteuer" ermögliche. In der von der Tudeh-Partei beeinflußten Organisation Iranischer Studenten, Sympathisanten der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) -- O.I.S. -- haben sich im Bundesgebiet die Anhänger der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) gesammelt. Diese Gruppierung hatte sich 1980 wegen ideologischer Differenzen von der im Jahre 1971 gegründeten marxistisch-leninistischen Guerilla-Organisation der Volksfedayin, die maßgeblich am Umsturz im Iran beteiligt war, abgespalten. Die O.I.S. trat in Bayern vorwiegend im Raum München mit Informationsständen, Verbreitung ihres "IranInformationsblatts" und anderer Schriften sowie mit Propagandaaktionen in Form symbolischer Hungerstreiks in Erscheinung. An die Agitationsthemen der Tudeh-Partei anknüpfend forderte sie insbesondere die Beendigung des irakisch-iranischen Krieges und die Freilassung politischer Gefangener im Iran. 6.2 Neue Linke Die Anhänger der im Iran als Guerillakämpfer tätigen Volksmojahedin haben sich im Bundesgebiet in der Iranischen Moslemischen Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland (IMSV) zusammengeschlossen. Die Volksmojahedin, eine Organisation islamischer Fundamentalisten mit marxistischer Prägung, waren maßgeblich an der Revolution im Iran beteiligt, gerieten aber nach dem Umsturz zunehmend in Opposition zu dem neuen Regime. Ihr bewaffneter Widerstand gegen die derzeitige iranische Regierung begann am 20. Juni 1981. Damals hatten während einer Großdemonstration der Volksmojahedin in Teheran regierungstreue Sicherheitskräfte auf die Menge gefeuert und dabei nach Angaben der Volksmojahedin 80 Demonstranten getötet. Anhänger der IMSV verbreiteten im April in mehreren Städten Bayerns die Schrift "Mojahed" (Kämpfer) und das IMSV-Organ "Freiheit für Iran". Daneben boten sie an Informationsständen Literatur zum Thema "Unterdrückung des Volkes im Iran durch das Khomeini-Regime" an. Ferner sammelten sie im Namen der "Flüchtlingshilfe Iran e.V." Spenden zur Unterstützung des Kampfes der Volksmojahedin im Iran. Polizeiliche Kontrollen ergaben, daß es sich bei den Sammlern meist um Asylanten handelte, die gegen aufenthaltsbeschränkende behördliche Verfügungen verstießen. Anfang Juli verwies das IMSV-Organ auf die Gründung einer "Nationalen Befreiungsarmee". Aus diesem Anlaß rief der Generalsekretär der Volksmojahedin Massoud Radjavi in einer im Bundesgebiet verteilten Grußbotschaft erneut zum Kampf gegen die iranische Regierung auf. Aufgabe der neu gegründeten Organisation sei die Beseitigung des bestehenden Systems im Iran. Der Gründungstag 20. Juni solle von nun an den "Anfang der neuen Revolution des Volkes von Iran" symbolisieren. 141 Mit einem Aufzug in Bonn protestierte die IMSV am 9. Dezember gegen die Ausweisung von Anhängern der Volksmojahedin aus Frankreich. Die rund 650 Demonstranten, darunter auch Teilnehmer aus Bayern, wandten sich auf mitgeführten Transparenten gegen die "beschämende und schändliche Verhaftung von iranischen Flüchtlingen", die "ein Schandfleck für Frankreich" sei, und forderten die "Aufhebung der Repressalien gegen die iranischen Flüchtlinge und die Rückkehr der ausgewiesenen Iraner". Die 1984 gegründete Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (OIDA), die ein Sammelbecken linksoppositioneller Iraner darstellt, wird vorwiegend von Anhängern der iranischen Neuen Linken beeinflußt. Sie will durch Unterstützung revolutionärer Kräfte im Iran zum Sturz des "reaktionären Regimes" beitragen. Ferner bekämpft sie den Einfluß des "Imperialismus" und ruft dazu auf, dessen Praktiken nicht nur im Iran, sondern in der ganzen Welt zu entlarven. Die Ortsgruppe München der OIDA, die Kontakte zur AWARAGAN -- Demokratische Organisation der Afghanen im Ausland und zum Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) unterhält, forderte in ihren Publikationen die Beendigung des Golfkrieges sowie die Einstellung der Waffenlieferungen an den Irak und den Iran. Zur Neujahrsfeier am 21. März in München erschienen rund 300 Besucher. In einer bundesweiten Flugblattaktion machte die OIDA die Islamische Republik Iran für den Tod eines iranischen Oppositionellen verantwortlich, der am 19. Mai auf dem Weg von München nach Wien verschwunden war und am 12. Juli in Wien ermordet aufgefunden wurde. Dazu erklärte die OIDA, die "Politik der physischen und psychischen Vernichtung der Opposition" gehöre zur "alltäglichen Praxis der islamischen Republik". Auch die Ermordung des ehemaligen Piloten des iranischen Parlamentspräsidenten am 16. Januar in Hamburg zeige deutlich die "wachsende Aktivität der Terrorbanden der islamischen Republik im Ausland". Mit aller Schärfe protestiere daher die OIDA gegen die Haltung westeuropäischer Regierungen, die als "Botschaftsangehörige" und "Regierungsdelegationen" getarnte "Terroristen der islamischen Republik" in ihren Ländern duldeten. Ende Oktober gab die OIDA eine "Dokumentation über die bedrohte Lage der iranischen Flüchtlinge in der BRD im Jahre 1987" heraus, die schwere Vorwürfe und Diffamierungen gegen "westdeutsche Behörden" enthält. Die Schrift verweist auf die steigende Anzahl abgelehnter Asylbewerber aus dem Iran, die sich aus den guten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Bonn und Teheran erkläre. Für "die Milliarden-Gewinne im Iran" und die "zusätzlich am Iran-Irak-Krieg verdienten astronomischen Summen" müsse die Bundesrepublik Deutschland nämlich auf die Wünsche der "Mullah-Republik" eingehen, zu deren Hauptanliegen die Bekämpfung der Opposition mit allen Mitteln zähle. Auf diese Weise würden zum einen rücksichtslos Menschenleben und Schicksale für Geschäfte mit Milliardengewinn geopfert, zum anderen das "Mörder-Regime" unterstützt und ermutigt. Die Organisation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran (Ashraf-Deghani-Anhänger) -- O.I.P.F.G. --, die den gewaltsamen Sturz der iranischen Regierung erstrebt, warf dem iranischen Staat in einer Resolution 142 vor, er setze die "Ausplünderung und Ausbeutung des Volkes" fort und stütze seine Macht auf "verbrecherische und mörderische Methoden". In diesem Zusammenhang kritisierte sie auch die Situation der politischen Häftlinge, insbesondere die "Tag und Nacht andauernden Folterungen". In Bayern führte die O.I.P.F.G. im Februar in Nürnberg eine Plakataktion durch, mit der sie an den 17. Jahrestag einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Volksfedayin und iranischen Sicherheitskräften in Siahkal (8. Februar 1970), an die Entstehung der Guerillaorganisation der Volksfedayin und an den 8. Jahrestag der Revolution im Iran erinnerte. 7. Italienische Gruppen Die orthodoxe Kommunistische Partei Italiens (PCI), deren Parteiorgan die in Italien gedruckte Zeitschrift "L'Unita" ist, betätigt sich auch in der Bundesrepublik Deutschland. Sie gliedert sich hier in die Gebietsföderationen Köln (Nord), Frankfurt a.M. (Mitte) und Stuttgart (Süd). In Bayern bestehen Bezirkskomitees in München und Nürnberg sowie eine Ortsgruppe in Augsburg. Die Mitgliederzahlen und Aktivitäten waren weiterhin rückläufig. Das alljährliche "Festa dell'Unita" der PCI im September in München hatte überwiegend kulturellen Charakter. Der im Jahre 1970 in Frankfurt a.M. gegründete Italienische Verband der Gastarbeiter und ihrer Familien (FILEF) ist eine von der orthodox-kommunistischen PCI beeinflußte Betreuungsorganisation, deren Mitglieder häufig auch Anhänger der PCI sind. Als Publikationsorgane der FILEF erscheinen die Zeitschriften "Emigrazione" und "Emigrazione Oggi" (Emigration heute). Der Verband ist im Bundesgebiet der Organisationsstruktur der PCI entsprechend in drei Zonen (Nord, Mitte, Süd) gegliedert. In Bayern bestehen Ortsgruppen in Landshut und München, die auch 1987 nicht öffentlich in Erscheinung traten. Die extrem nationalistische Movimento Sociale Italiano -- Destra Nazionale -- MSI-DN -- (Soziale Italienische Bewegung -- Nationale Rechte), die 1980 mit dem Aufbau eines Parteiapparates im Bundesgebiet begonnen hatte, entwickelte wie in den Vorjahren in Bayern keine nennenswerten Aktivitäten. 8. Jugoslawische Gruppen 8.1 Kroatischer Nationalrat (HNV) Der im Februar 1974 in Toronto/Kanada gegründete nationalistisch ausgerichtete HNV versteht sich als Dachorganisation der kroatischen Widerstandsbewegungen auf internationaler Ebene. Sein Ziel ist die Wiederherstellung des "unabhängigen Staates Kroatien" in seinen ethnischen Grenzen, wobei er für das kroatische Volk das Recht beansprucht, auf eigenem Boden durch Revolution und bewaffneten Kampf seine nationale Freiheit und staatliche Unabhängigkeit zu verwirklichen. Oberstes Organ des HNV ist das im Turnus von zwei Jahren gewählte Parlament (SABOR). Als Basisinstitutionen des HNV bestehen im Bundesgebiet rund 20 Ortsausschüsse, deren Arbeit von einem Koordinationsausschuß mit Sitz in Stuttgart gesteuert wird. Publikationsorgan des HNV ist die unregelmäßig erscheinende Zeitschrift "Vjesnik" (Bote). 143 Bei der Wahl zum 7. SABOR im Dezember 1987 wurden sieben im Bundesgebiet lebende Exilkroaten, darunter zwei Funktionäre aus Bayern, in das aus 30 Mitgliedern bestehende oberste HNV-Organ gewählt. Das Kroatische Nationalkomitee in Europa (HNO), eine Mitgliedsorganisation des HNV, führte am 11. April in München eine Veranstaltung zum Jahrestag der Gründung des "Unabhängigen Staates Kroatien" (10. April 1941) durch. Die Feier, an der etwa 150 Personen teilnahmen, stand ganz im Zeichen eines historischen Rückblicks. Die Redner gedachten der Staatsgründung von 1941 und schilderten die politische Verfolgung der Kroaten durch die kommunistische Regierung der Nachkriegszeit. Der Sprecher einer Teilnehmergruppe von Kosovo-Albanern wies auf die Freundschaft zwischen Albanern und Kroaten hin und betonte, daß beide Völker das gleiche politische Ziel, nämlich die Bildung eines jeweils national unabhängigen und ethnisch geschlossenen Staates, verfolgten. Der kroatische Verein "Zrinski e.V.", ein Ortsausschuß des HNV, veranstaltete am 11. September gegenüber dem Jugoslawischen Generalkonsulat in München eine Mahnwache zum Thema "Freiheit für kroatische politische Gefangene in Jugoslawien". Die Demonstranten verteilten Flugblätter, in denen der HNV davor warnte, den Urlaub in Jugoslawien in staatlichen Hotels zu verbringen und auf diese Weise zur Aufrechterhaltung eines "gewaltvollen politischen und wirtschaftlich bankrotten Systems" beizutragen. Anläßlich des jugoslawischen Nationalfeiertages (Gründung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien am 29. November 1945) fand am 28. November in München eine gemeinsame Protestdemonstration von nationalistischen Kroaten und Kosovo-Albanern statt. An dem Aufzug, den ein Vertreter der "Nationaldemokratischen Liga der Albanischen Treue" (N.D.SH.) angemeldet hatte, beteiligten sich rund 170 Personen, überwiegend Mitglieder der N.D.SH., des HNV und des HNO. Die Demonstranten führten kroatische und albanische Fahnen mit und erhoben auf Transparenten Forderungen wie "Freiheit für alle politischen Gefangenen in Jugoslawien". Bei der Schlußkundgebung vor dem Jugoslawischen Generalkonsulat vermittelten mehrere Sprecher einen geschichtlichen Überblick über die Entstehung des jugoslawischen Staates. Ferner befaßten sie sich mit der dortigen Wirtschaftslage und protestierten gegen die Verhängung des Ausnahmezustandes in der autonomen Provinz Kosovo. 8.2 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) Die HDP, die im Juni 1981 von Exponenten des "Kroatischen Frühlings" als Gegenpol zum HNV gegründet wurde, konnte inzwischen gegenüber dem HNV ihren Einfluß auf die kroatische Emigration erweitern. Sie versteht sich als Sammelbecken linksorientierter kroatischer Emigranten, will den "Vielvölkerstaat" Jugoslawien mit allen Mitteln zerschlagen und propagiert Gewalt innerhalb und außerhalb Jugoslawiens als "legitimes Mittel" zur Durchsetzung ihrer Ziele. In ihrem Organ "Hrvatski Tjednik" (Kroatisches Blatt) vom 12. Mai forderte sie alle in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kroaten mit gültiger Aufenthaltsberechtigung auf, bei der Volkszählung die Frage nach der Staats144 bürgerschaft nicht mit "jugoslawisch", sondern mit "kroatisch" zu beantworten. Kein Kroate, der auf sich und sein "Volk, in dem die Unabhängigkeit der Freiheit" leuchte, etwas halte, dürfe sich "als Jugoslawe erklären". Andernfalls entehre er das Blut unzähliger Generationen, die im Kampf für die kroatische Unabhängigkeit gefallen seien. 9. Kurdische Gruppen Die im Bundesgebiet aktiven Organisationen kurdischer Linksextremisten erstreben die Errichtung eines autonomen Kurdenstaates, der die von Kurden bewohnten Gebiete im Irak, im Iran, in Syrien und in der Türkei umfassen soll. In Bayern betätigen sich durchwegs orthodox-kommunistische kurdische Gruppen, die in Teilbereichen eine weiter zunehmende Bereitschaft zur Gewaltanwendung erkennen ließen. 9.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Die orthodox-kommunistische PKK mit Sitz in Köln bekennt sich zum Marxismus-Leninismus und fühlt sich allen sozialistischen Ländern, insbesondere der Sowjetunion, nach den "Prinzipien des proletarischen Internationalismus" verbunden. Sie befürwortet den bewaffneten Kampf in der Türkei und versteht die von ihr propagierte "Revolution Kurdistans" als "Teil der mit der Oktoberrevolution begonnenen und mit den nationalen Befreiungsbewegungen ständig verstärkten Revolution des Weltproletariats". In den vergangenen Jahren hat sie sich zu einer besonders militanten Organisation entwickelt. Während ihre von Erpressung über Körperverletzung bis hin zum Mord reichenden "Bestrafungsaktionen" bislang vor allem abtrünnigen Anhängern und Kritikern in den eigenen Reihen galten, richten sich nunmehr ihre Gewaltakte zunehmend auch gegen Mitglieder und Einrichtungen konkurrierender Kurdenorganisationen, die den von der PKK seit Anfang 1987 betonten Anspruch, zur alleinigen politischen Vertretung des kurdischen Volkes berufen zu sein, nicht anerkennen. Frontorganisation der PKK ist die Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK), die aus den 1984 gegründeten "Befreiungseinheiten Kurdistans" (HRK) hervorging. Dieser in den Kurdengebieten operierenden Kampfeinheit werden zahlreiche Sabotageakte und Überfälle auf kurdische Dörfer zugeschrieben. Die PKK bekannte sich offen zu solchen Aktionen der ARGK und räumte ein, daß dabei nicht nur von der türkischen Regierung eingesetzte bewaffnete "Dorfbeschützer", sondern auch deren Familienangehörige getötet worden seien. Eine weitere Nebenorganisation der PKK ist die 1985 gegründete Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK), die durch sogenannte "KurdistanKomitees" die Propagandaarbeit der PKK betreibt. Als Organe der PKK erscheinen die Schriften "Kurdistan Report", "Serxwebun" (Unabhängigkeit) und "Berxwedan" (Widerstand). Rund 90 Anhänger der PKK protestierten am 7. März vor dem türkischen Generalkonsulat in Nürnberg gegen Angriffe der türkischen Luftwaffe auf Stützpunkte kurdischer Rebellen im Irak. Sie zeigten Plakate mit Aufschriften wie "Nieder mit der faschistischen Junta" und "Es lebe die PKK". Am Nachmittag 145 desselben Tages kam es in München anläßlich einer Veranstaltung der mit der PKK konkurrierenden KOMKAR (vgl. Nr. 9.2) zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung unter orthodox-kommunistischen Kurden, bei der ein PKK-Aktivist eine tödliche Schußverletzung erlitt. Etwa 50 Anhänger der PKK, die von dem Toten anläßlich seiner Überführung in die Türkei Abschied nehmen wollten, versammelten sich am 14. März auf dem Flughafen München-Riem vor dem Abflugschalter der "Turkish Airlines". Als sie erfuhren, ihr Gesinnungsgenosse sei bereits am Abend zuvor überführt worden, riefen sie "Hoch die internationale Solidarität", "Nieder mit der faschistischen Junta" und "Für jeden Toten von uns zwei Tote von den anderen". Die Polizei drängte die PKK-Anhänger aus der Halle und löste die nicht angemeldete Versammlung auf. In einem Flugblatt der ERNK hieß es zum Tod des PKK-Aktivisten, die "Mörder" des "tapferen Frontkämpfers" hätten sich dem kurdischen Volk gegenüber schuldig gemacht. Von jetzt an werde der "Dienst in derartigen lakaienhaften Verräterbanden als bewußte Straftat an der Sache der Befreiung Kurdistans gelten". Die "Unterstützung des Verrats" sei heute das größte Vergehen und die Strafe für diese Tat jedem bekannt. Es verstehe sich von selbst, daß "jede Kraft, die den Namen Kurdistans mißbrauchend dem Feinde dient", zerstört werden müsse. Anläßlich des kurdischen Neujahrsfestes (Newroz) führte die PKK am 20. März in Nürnberg eine Kundgebung mit anschließendem Fackelzug durch, an dem rund 40 Personen teilnahmen. Ein Redner verdächtigte die KOMKAR, die PKK im Auftrag des "faschistischen Systems" der Türkei zu bekämpfen, und versicherte, der in München ums Leben gekommene PKK-Aktivist werde gerächt werden. Die Vereinigung der Patrioten Kurdistans, ein Mitgliedsverein der PKK in Nürnberg, organisierte am 25. April im Zusammenhang mit einer Solidaritätsveranstaltung zum kurdischen Neujahrsfest einen Aufzug in Nürnberg. Die rund 200 Teilnehmer wiesen mit Transparenten und Sprechchören auf die politischen Forderungen der kurdischen Bevölkerung in der Türkei hin. Der Kurdische Volksverein e.V. in Ingolstadt, ein weiterer Mitgliedsverein der PKK, trat Anfang August mit einem Informationsstand in Erscheinung. Wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK durchsuchte die Polizei am 4. August bundesweit zahlreiche der PKK zuzurechnende Vereinsräume sowie Wohnungen von Vorstandsmitgliedern, darunter auch sieben Objekte in Nürnberg. Dabei wurden umfangreiche schriftliche Unterlagen, Adressenmaterial und Parteiprogramme der PKK beschlagnahmt. Die Aktion diente der Sicherstellung von Beweisen für die Existenz einer Vereinigung, deren Ziel die Ermordung von politischen Gegnern und abtrünnigen Mitgliedern in der Bundesrepublik Deutschland ist. Bereits am 27. Juli hatte die Polizei bei PKK-Anhängern in Köln zahlreiche Utensilien zur Fälschung von Personaldokumenten sowie Bargeld in verschiedenen Währungen im Gesamtwert von etwa 700.000 DM beschlagnahmt. Gegen diese Exekutivmaßnahmen führten Anhänger der PKK seit Anfang August im Inund Ausland zahlreiche Protestaktionen durch, so z.B. am 5. August eine Sitzblokkade im niedersächsischen Landtag in Hannover. Ferner besetzten sie u.a. Rundfunkanstalten in Bielefeld und Köln, Zeitungsredaktionen in Hamburg und 146 SEVtN KURDISTAN YEN YEKITiYA NETEWI, SERHILDAN Ü BERXWEDANE KURDISTAN ULUSAL BIRLiK, ISYAN VE DiRENiS GECELERf KURDISCHES NEUJAHRSFEST PSI Plakat der PKK Stuttgart, Büros der "Deutschen Lufthansa" in Paris und Kopenhagen sowie deutsche diplomatische Vertretungen in Amsterdam, Bern, Lüttich und Zürich. Wiederholt wurden in Geschäftsräumen deutscher Massenmedien Protestresolutionen übergeben. Diese Aktivitäten setzten sich auch in den folgenden Monaten fort. So besetzten am 21. Oktober etwa zehn Anhänger der ERNK für eine dreiviertel Stunde das Foyer des Pressehauses in Nürnberg und forderten insbesondere die Rückgabe der am 27. Juli beschlagnahmten 700.000 DM. Weitere der PKK zuzurechnende Besetzungsaktionen waren nahezu gleichzeitig in Berlin (West), Bochum, Bonn, Braunschweig, Hamburg, Köln, Münster und Saarbrücken sowie in Amsterdam, Athen, Genf, Lüttich und Paris zu verzeichnen. In einem Flugblatt warf die ERNK der "imperialistischen" Bundesregierung "mittelalterliche Räuberei" vor und bezeichnete die polizeilichen Maßnahmen als "Anfang einer Serie von Schikanen" zur Einschüchterung der "patriotischen Kurden". Dadurch werde "die Geduld der beinahe 400.000 Kurden in der Bundesrepublik Deutschland zum Überschäumen gebracht"; überall häuften sich "Wut und Haß" an. Die Bundesregierung, die sich "mit ihrer Haltung Zehntausende von Kurden zum Feind gemacht" habe, sei nunmehr "für alle negativen Entwicklungen, die von jetzt an entstehen können, einzig selbst verantwortlich". Die Situation entspannte sich erst, als der in Köln sichergestellte Geldbetrag am 11. November entsprechend einer Entscheidung der zuständigen Staatsanwaltschaft einer Beauftragten des Pariser "Kurdistan-Komitees" ausgehändigt wurde. Der 1984 gegründete Dachverband Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland (FEYKA-Kurdistan) mit Sitz in Köln, in dem die örtlichen Mitgliedsvereine der PKK zusammengeschlossen sind, vertritt als Basisorganisation der PKK deren Interessen im Bundesgebiet. Die FEYKA-Kurdistan führte am 20. Juni in Nürnberg eine Kundgebung durch, an der etwa 3.000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teilnahmen. Die Veranstaltung richtete sich gegen die "türkische Militärregierung", gegen "Folter und Zwangsdeportationen", gegen "NATO-Übungen in Kurdistan" und gegen "geplante Maßnahmen" der deutschen Behörden gegen Mitglieder der PKK. Die Demonstranten führten Transparente und PKK-Fahnen mit. In einem vor Beginn des Aufzugs verteilten Flugblatt warf die Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) der deutschen Polizei vor, sie mißachte die Gesetze, verübe Erpressungen und unterdrücke Anhänger der PKK sowie andere "kurdische Patrioten", und zwar gemeinsam mit dem Türkischen Konsulat und "kollaborierenden kurdischen Organisationen und Personen". Die Polizei nahm drei Flugblattverteiler vorläufig fest. Aus Anlaß des 7. Jahrestages der Machtübernahme durch das Militär in der Türkei (12. September 1980) organisierte die FEYKA-Kurdistan am 12. September einen Aufzug in Köln. Daran beteiligten sich rund 2.400 Personen, darunter auch zahlreiche Demonstranten aus Bayern. Die Redner wandten sich vor allem gegen die "faschistische Junta" in der Türkei sowie gegen Folterungen in türkischen Gefängnissen. 148 9.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (KOMKAR) Der orthodox-kommunistischen KOMKAR mit Sitz in Köln gehören in Bayern Mitgliedsvereine in München und Nürnberg an. Als Organ des Dachverbands erscheint alle zwei Monate das deutschsprachige "Informationsbulletin Kurdistan". Verbindungen bestehen zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und deren Nebenorganisation Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ). So übermittelte der Bundesvorstand der KOMKAR dem 9. Bundeskongreß der SDAJ am 273. Mai in Frankfurt a.M. "Solidaritätsund Kampfesgrüße" und erklärte, die KOMKAR unterstütze die Arbeit der SDAJ. Anhänger der KOMKAR demonstrierten am 21. Februar in mehreren Städten des Bundesgebietes gegen die von der türkischen Regierung geplante Umsiedlung von kurdischen Dörfern in den Westen der Türkei. Die KOMKAR hatte in Aufrufen zu den Kundgebungen behauptet, daß die "Unterdrückungsund Terrorpolitik" der "menschenfeindlichen" türkischen Regierung ein "unerträgliches Maß" erreicht habe und die kurdische Bevölkerung mit "Gewalt aus ihrer Heimat vertrieben" werde. In Bayern beteiligte sich an der Protestaktion der Kurdische Arbeiter-Solidaritätsverein e.V., ein Mitgliedsverband der KOMKAR in München. Am 7. März führte die KOMKAR in München eine Feier anläßlich des kurdischen Neujahrsfestes durch, an der rund 2.500 Personen teilnahmen. Vor Veranstaltungsbeginn stürmten etwa 30 Anhänger der PKK den Saal und schlugen mit Knüppeln wahllos auf Ordner und wartende Besucher ein. Im Verlauf der Auseinandersetzung wurde ein Türke durch Messerstiche verletzt. Ein Angreifer erlitt einen Brustdurchschuß und verstarb wenig später. Der Getötete galt als Führer einer PKK-Gruppe in Ingolstadt. Rund 1.000 Anhänger der KOMKAR, darunter auch zahlreiche Demonstranten aus Bayern, beteiligten sich am 9. Mai an einem Protestmarsch in Hannover. Anlaß des Aufzugs war die Ermordung eines führenden KOMKAR-Funktionärs am 3. Mai in Hannover. Die Kundgebungsteilnehmer machten auf mitgeführten Transparenten die PKK für den Mord verantwortlich. Während der Abschlußkundgebung wurde ein Flugblatt der KOMKAR mit dem Titel "Die PKK mordet weiter und die Sicherheitskräfte schweigen immer noch" verlesen. Die Kurdistan Arbeitervereinigung in Nürnberg e.V., ein weiterer Mitgliedsverband der KOMKAR, führte anläßlich des 7. Jahrestages der Machtübernahme durch das Militär in der Türkei am 12. September vor dem Türkischen Generalkonsulat in Nürnberg eine Demonstration durch. Die rund 60 Teilnehmer erhoben auf mitgeführten Transparenten Forderungen wie "Freiheit für die Gefangenen in der Türkei und in Türkisch-Kurdistan". 10. Pakistanische Gruppen Die Ende 1967 gegründete Sozialrevolutionäre Pakistanische Volkspartei (PPP) erstrebt die Abschaffung der Militärdiktatur und die Bildung einer islamisch-sozialistischen Volksmacht in Pakistan. Unterschiedliche Auffassungen, ob die politischen Ziele der PPP mit gewaltsamen oder gewaltfreien Mitteln 149 verwirklicht werden sollen, haben zur Entstehung mehrerer rivalisierender Gruppen geführt. Seit 14. August 1984 ist die im Bundesgebiet bestehende nationale Unterorganisation der PPP unter der Bezeichnung Pakistan Peoples Party der Bundesrepublik Deutschland, Zentralverband e.V. (PPP, BRD) im Vereinsregister des Amtsgerichts Köln eingetragen. In Bayern sind in Augsburg, Gemünden a.Main, München und Nürnberg örtliche Untergliederungen vereinsrechtlich angemeldet. Als Organ der PPP erscheint seit 1986 die Monatsschrift "Nusrat". Die öffentlichen Aktivitäten der PPP in Bayern beschränkten sich auf Mahnwachen in Bad Neustadt a.d.Saale und München, die an die Hinrichtung des Parteigründers Ali Bhutto in Pakistan (4. April 1979) erinnern sollten. 11. Spanische Gruppen Die Kommunistische Partei Spaniens (PCE), die in Spanien von 1939 bis 1977 verboten war, wird in der Bundesrepublik Deutschland durch ein "Comite Federal" (Bundeskomitee) geleitet. Sie ist im Bundesgebiet in die Zonen Nord, Rhein-Ruhr, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern gegliedert, denen etwa 35 örtliche Zweiggruppen angehören. In Bayern besteht eine Ortsgruppe in Nürnberg; in München befinden sich nur noch einige Einzelmitglieder. Publikationen der PCE sind die Zeitschrift "Mundo Obrero" (Welt der Arbeit) und das parteitheoretische Organ "Nuestra Bandera" (Unsere Fahne). Verbindungen bestehen zur Kommunistischen Partei Italiens (PCI) und zur Deutschen Kommmunistischen Partei (DKP). Infolge rückläufiger Mitgliederzahlen hat die PCE auch 1987 bundesweit an Bedeutung verloren. Ihre Agitation richtete sich bei internen Versammlungen überwiegend gegen die Ausländerpolitik der Bundesregierung. 12. Türkische Gruppen Die propagandistischen Angriffe türkischer Linksextremisten aller ideologischen Richtungen zielten nach wie vor auf die Lage in der Heimat und das dortige "faschistische Regime". So organisierte ein Aktionsbündnis türkischer Linksextremisten am 11. September in München einen Fackelzug anläßlich des 7. Jahrestags der Machtübernahme durch das türkische Militär. Die Teilnehmer zeigten Transparente mit Aufschriften wie "Tod der Junta -- Einziger Weg ist die Revolution" und riefen in Sprechchören "Tod dem Faschismus in der Türkei" und "Hoch die internationale Solidarität". Tags darauf beteiligten sich aus demselben Anlaß rund 2.500 Personen, darunter etwa 100 Demonstranten aus Bayern, an einer gegen den "Faschismus" der türkischen Regierung gerichteten Protestkundgebung in Köln, zu der mehrere türkische linksextreme Organisationen aufgerufen hatten. Zu den Aktionsschwerpunkten gehörten auch Soiidaritätskampagnen für politische Gefangene in türkischen Haftanstalten. Ein weiteres Agitationsthema war die Situation der Ausländer im Bundesgebiet; in diesem Zusammenhang war wiederholt die Forderung nach Einführung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer zu verzeichnen. 150 Dem linksextremen Spektrum stehen auf der entgegengesetzten Seite türkische Gruppen gegenüber, deren Ideologie teils durch einen extremen Nationalismus, teils durch einen religiös begründeten politischen Fanatismus bestimmt ist. Diese Vereinigungen waren meist bestrebt, sich der Öffentlichkeit als "gemäßigte" Organisationen darzustellen. 12.1 Orthodoxe Kommunisten Die Kommunistische Partei der Türkei (TKP), die in der Türkei seit dem Jahre 1923 verboten ist, steuert ihre konspirative Arbeit im Bundesgebiet von ihrem Exilsitz in Berlin (Ost) aus. Sie propagiert eine "demokratische Volksrevolution" in der Türkei durch die "Reorganisation einer massiven Volksbewegung". Im Herbst 1987 gaben die TKP und die gleichfalls im Exil tätige Arbeiterpartei der Türkei (TIP) ihre Absicht zu erkennen, sich zur Vereinigten Kommunistischen Partei der Türkei (TBKP) zusammenzuschließen. Am 16. November wurden die Generalsekretäre der TKP und TIP bei ihrer Ankunft in Ankara festgenommen. Sie waren nach öffentlicher Vorankündigung von Düsseldorf auf dem Luftweg in die Türkei gereist, um dort die Fusion der TKP und TIP vorzubereiten. Wegen der Festnahme der beiden Parteiführer fanden auf Initiative der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) am 18. November in Nürnberg und am 20. November in München Protestkundgebungen mit insgesamt rund 130 Teilnehmern statt. Die orthodox-kommunistisch beeinflußte Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FIDEF) wurde auf Initiative der TKP im Februar 1977 in Düsseldorf gegründet. Diesem Dachverband gehören im Bundesgebiet etwa 60 (1986: 70) Mitgliedsorganisationen mit rund 3.600 (1986: 6.000) Mitgliedern an. Die FIDEF unterhält Verbindungen zur DKP und deren Nebenorganisationen sowie zum Sozialistischen Hochschulbund (SHB). Entsprechend der Entwicklung bei den Kernorganisationen (TKP und TIP) haben sich die von der TKP stark beeinflußte FIDEF und die TIP-Hilfsorganisation "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa -- Einigkeit für Demokratie" (DIBAF) auf einen Zusammenschluß in der ersten Jahreshälfte 1988 verständigt. Der Türkische Arbeiterverein in München (M.I.DER), ein Mitgliedsverband der FIDEF, organisierte am 24. Januar in München im Rahmen der alljährlich von der FIDEF veranstalteten "Woche der Freundschaft -- Gegen die Ausländerfeindlichkeit" eine Podiumsdiskussion. Dabei forderten die Teilnehmer entsprechend dem von der FIDEF propagierten Motto "Gemeinsam leben -- gemeinsam arbeiten -- gemeinsam entscheiden" das kommunale Wahlrecht für Ausländer. Aus Anlaß seines zehnjährigen Bestehens führte der M.I.DER am 3. Oktober in München eine Festveranstaltung durch, an der sich über 300 Personen beteiligten. In seiner Ansprache befaßte sich der Vorsitzende der FIDEF Hasan Özcan mit Problemen der türkischen Arbeiter in der Bundesrepublik Deutschland und der bevorstehenden Parlamentswahl in der Türkei. 151 12.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen Die in Bayern aktiven Vereinigungen der türkischen Neuen Linken orientieren sich vorwiegend am Gedankengut der Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und der Türkischen Volksbefreiungspartei/ -front (THKP/-C). Trotz ideologischer Differenzen besteht in den Zielen dahingehend Übereinstimmung, daß beide einen Umsturz in der Türkei mit revolutionären Mitteln anstreben. 12.2.1 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Die gewaltorientierte TKP/ML wurde im Jahre 1972 illegal in der Türkei gegründet. Im Jahre 1974 fand die Gründungsversammlung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland statt. Ziel der TKP/ML ist die Beseitigung des politischen Systems in der Türkei zugunsten einer kommunistischen Gesellschaftsordnung im Sinne des Marxismus-Leninismus. Ihr militärischer Zweig ist die Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO). Von der konspirativ arbeitenden TKP/ML hat sich infolge ideologischer Differenzen schon vor Jahren die Gruppe "Bolsevik Partizan" abgespalten. Die TKP/ML unterhält in Bayern einige Stützpunkte, so z.B. in Augsburg, München und Nürnberg/Fürth. Ideologisches Sprachrohr der Partei ist das Blatt "Isci Köylü Kurtulusu" (Arbeiter-Bauern-Befreiung). Die TKP/ML trat in Bayern vorwiegend mit Schmieraktionen sowie durch Verbreitung von Schriften in Erscheinung. Darin bezeichnete sie den bewaffneten Kampf als "einzige Alternative gegen Reformismus, Revisionismus und gegen den faschistischen türkischen Staat" und propagierte die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staates durch eine "Volksrevolution". Eine örtliche Gruppierung von TKP/ML-Anhängern, die im Herbst 1986 unter der Bezeichnung "Internationales Kulturzentrum" in Augsburg ihr Vereinslokal eröffnete, veranstaltete am 25. Januar in Augsburg eine Kundgebung zum Thema "Wahlrecht für die ausländischen Mitbürger". Am 21722. März organisierte die Gruppe in ihren Vereinsräumen einen Hungerstreik, an dem sich rund 20 Personen beteiligten. Anlaß des Hungerstreiks, auf den in Flugblättern hingewiesen wurde, war die Forderung, die Gebühren für die Befreiung vom Wehrdienst in der Türkei (etwa 15.000 DM) abzuschaffen oder wenigstens um die Hälfte zu reduzieren. Die Spaltergruppe "Bolsevik Partizan" der TKP/ML organisierte am 1. Mai in Nürnberg eine zentrale bundesweite Kundgebung, an der sich rund 250 Personen beteiligten. Die Demonstranten zeigten Transparente mit Parolen wie "Es lebe der 1. Mai", "Nieder mit den Imperialisten und den russischen Sozialimperialisten", "Tod dem Faschismus in der Türkei" und "Der Bolschewismus wird siegen". Ein Teilnehmer, der ein Plakat mit der Aufschrift "Der westdeutsche Staat züchtet Nazis" auf dem Rücken trug, wurde von der Polizei vorläufig festgenommen. Unter der Überschrift "Der Schlüssel zum Frieden liegt in den Händen des internationalen Proletariats und der unterdrückten Völker" veröffentlichte die Gruppe "Bolsevik Partizan" ein Flugblatt zum Thema Abrüstung. Darin polemisierte sie gegen alle "Imperialisten, Sozialimperialisten und Reak152 18 tionäre", deren Macht durch die "gewaltsame Revolution" zerschlagen werden müsse. Wer wirklich wolle, daß Kriege der Vergangenheit angehörten, müsse "selber zur Waffe greifen". Der richtige Weg zur Erhaltung des Friedens sei der "Weg des Krieges gegen den Imperialismus". Die 1976 gegründete Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) ist ein von der TKP/ML erheblich beeinflußter Dachverband. Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Zeitpunkt für einen gewaltsamen Umsturz in der Türkei führten -- entsprechend der Entwicklung bei der TKP/ ML -- im Jahre 1981 zur Spaltung der ATIF in die Gruppen "Partizan" und "Bolsevik Partizan". Örtliche Untergliederungen beider Gruppen bestehen auch in Bayern. In einem am 25. Januar in Augsburg und Deggendorf verteilten Flugblatt verlangte die ATIF, die politische "Diskriminierung" der Ausländer zu beenden. Man müsse endlich aufhören, die vier Millionen Ausländer als "Menschen zweiter und dritter Klasse" zu behandeln. Ihnen werde das Wahlrecht verweigert, obwohl sie ihre Arbeitskraft an die "westdeutschen Imperialisten" verkauften. Die Schriften endeten mit Forderungen wie "Nieder mit dem reaktionären Ausländergesetz!", "Aktives und passives Wahlrecht für Ausländer!" und "Hoch die internationale Solidarität!". Ende 1986 schlössen sich die ATIF und ihre Schwesterorganisationen in Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Schweden und der Schweiz zur Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) zusammen. Das bisherige ATIF-Organ "Mücadele" (Kampf) erscheint nunmehr als "Zentralorgan" der ATIK. 12.2.2 Türkische VolksbefreiungsparteiAfront (THKP/-C) Die Ziele der in der Türkei verbotenen THKP/-C werden im Bundesgebiet von mehreren Gruppen vertreten, die vielfach auch konspirativ arbeiten. Zahlenmäßig stärkste der vom Gedankengut der THKP/-C geprägten Vereinigungen im Bundesgebiet ist die Sozialrevolutionäre Devrimci Yol (Revolutionärer Weg), die seit Anfang 1986 in die Gruppen Devrimci Isci (Revolutionäre Arbeiter) und Göcmen (Emigrant) gespalten ist. Als Publikationsorgane erscheinen die Schriften "Türkei Information" und "Devrimci Isci" bzw. "Göcmen". Die Gruppe Devrimci Isci organisierte parallel zu einer bundesweiten Kampagne gegen die Todesstrafe und für eine "Generalamnestie für die politischen Gefangenen in der Türkei" einen Sternmarsch nach Bonn, der sich in einen Nordund Südzug aufgliederte. Ziel dieser Aktion war es, die Öffentlichkeit "auf die in der Türkei nach wie vor bestehenden Menschenrechtsverletzungen des Folterregimes aufmerksam zu machen". Der "Südzug" startete am 21. Oktober mit einer Kundgebung in München, an der sich rund 30 Personen beteiligten. Die Demonstranten zeigten ein Transparent mit der Aufschrift "Stoppt die Türkei-Hilfe" und riefen in Sprechchören "Generalamnestie in der Türkei" und "Tod dem Faschismus in der Türkei". Nach Beendigung des Sternmarschs am 5. November setzte die Veranstalterin ihre Solidaritätskampagne mit einem Spendenaufruf zugunsten der in der Türkei inhaftierten politischen Gefangenen fort. In Flugblättern erklärte Devrimci Isci, das gesammelte Geld sei u.a. 154 Butun u l k e l e r i n iscileri ve ezilen halklar birlesin! Ä ISOi-KÖYlÜ KURTÜIUSÜ TÜRKIYE KOMÜNiST PARTiSi/MARKSiST-LENiNiST MERKEZi YAYIN ORGANI SANA" YUK1MIAFAN rtXXLFEYZKXSLU Islam ve Göcmenler BOL5EVIK PART) JN^ASI jpilM ISS BEFlRBARE 1986 JTBO SAZBÜNA PARTJYA BOL^EVJK 3 BOLSEVIK PARTIZAN Publikationen der türkischen Neuen Linken zum Kauf von Medikamenten für die Häftlinge, für Anwaltsund Prozeßkosten sowie zur Unterstützung der politisch Verfolgten in der Türkei bestimmt. Dort herrschten offener Faschismus, grausamste Unterdrückung sowie Terror und Folter in KZ-ähnlichen Kerkern; die menschliche Würde werde unter NATO-Stiefeln zertreten. Eine Änderung der Situation sei nur durch den Sturz des "faschistischen Evren/Özal-Regimes" zu erreichen. Mutmaßliche Anhänger der Sozialrevolutionären Gruppierung Devrimci Sol (Revolutionäre Linke), die aus einer Aufsplitterung von Devrimci Yol hervorgegangen und am 9. Februar 1983 vom Bundesminister des Innern verboten worden war, täuschten in der Nacht zum 5. April einen Anschlag auf das Büro der "Turkish Airlines" in München vor. Sie deponierten vor dem Gebäude eine Bombenattrappe und ein Transparent mit der Aufschrift "Die Gefallenen der Revolution werden in unserem Kampf leben -- Devrimci Sol". Die Befreiungsorganisation der Türkei und Nordkurdistan (TKKKÖ), eine weitere Spaltergruppe der THKP/-C, führte am 6. Juni in München eine Informationsveranstaltung zur Erinnerung an den Arbeiteraufstand in Istanbul 155 STERNMARSCH FÜR DIE ABSCHAFFUNG DER TODESSTRAFE UND FÜR GENERALAMNESTIE IN DER TÜRKEI Pre ssekonperenz um IG'Ukr mc/erFSG ABMARSCH um 1? Uhr Vor der ET S & FriedricWikt.iS MAo Aufruf zum Sternmarsch nach Bonn Türkische Linksextremisten 156 (15./16. Juni 1970) durch. Vor rund 350 Teilnehmern äußerte ein Redner, türkische Arbeiter und Studenten würden erneut Aufstände und Streiks organisieren und den Kampf gegen die "Militärdiktatur" fortsetzen. 12.3 Extreme Nationalisten Die 1978 gegründete Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa (ADÜTDF) mit Sitz in Frankfurt a.M. vertritt das Gedankengut der in der Türkei verbotenen und aufgelösten extrem nationalistischen Partei der Nationalen Bewegung (MHP), ist aber bestrebt, sich der Öffentlichkeit als gemäßigte Organisation zu präsentieren. Dem Dachverband sind auch einige Ausländervereine in Bayern angeschlossen. Das seit Januar 1987 erscheinende Organ "Yeni Ufuk" (Neuer Horizont) wurde inzwischen wieder eingestellt. Am 6. Juni hielt die ADÜTDF in Hamm/Westfalen ihren 10. Jahreskongreß mit Vorstandsneuwahlen ab. An der Veranstaltung nahmen etwa 4.000 Mitglieder aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland teil. Gastredner war der frühere MHP-Vorsitzende Alparslan Türkes, der mit anhaltenden Rufen als "Führer Türkes" begrüßt wurde. Er führte in seiner Rede aus, die "idealistische" Bewegung werde ihre Arbeit dort wieder aufnehmen, wo sie unterbrochen worden sei. Der Nationalismus werde sich durchsetzen und in der Türkei die Macht übernehmen, denn die nationalistische "Sache" sei "eine gerechte". Zum Nachfolger des bisherigen ADÜTDF-Vorsitzenden Feridun Tuncay wurde der frühere MHP-Funktionär Hasan Yildizhan gewählt. Der Verein türkischer Idealisten e.V. (MÜO), eine Mitgliedsorganisation der ADÜTDF in München, unterstützte am 21. März mit rund 70 Teilnehmern eine Protestaktion eines Türken gegen die Assimilisationspolitik gegenüber der türkischen Minderheit in Bulgarien. Am 18. April führte der MÜO in München eine Folkloreveranstaltung durch, bei der vor rund 600 Besuchern eine Grußbotschaft der MHP verlesen wurde. Der damalige ADÜTDF-Vorsitzende Tuncay verurteilte in seiner Rede den Kommunismus, den europäischen Kapitalismus, die Einstellung der USA zur nationalen Bewegung in der Türkei und die politische Situation im Heimatland. Gegen die Durchführung der Veranstaltung protestierten politische Gegner am 16. April mit einer Mahnwache und am 18. April mit einem Aufzug, an dem rund 140 Personen teilnahmen. Am 17. Oktober konstituierte sich in Nieder-Olm, Kreis Mainz-Bingen, ein Zusammenschluß ehemaliger Mitgliedsvereine der ADÜTDF. Damit wurde die 157 sich seit längerem abzeichnende Spaltung der ADÜTDF vollzogen. In der Eröffnungsrede erklärte der frühere Leiter der ADÜTDF Dr. Ali Batman, der ehemalige MHP-Vorsitzende Alparslan Türkes, der bisher die ADÜTDF steuerte, vertrete nicht mehr das Gedankengut der türkischen "Idealisten". Deshalb gebe es keinen anderen Ausweg als die Gründung eines neuen Dachverbandes, der den alten "idealistischen" Kurs fortführen werde. Zum Vorsitzenden dieses Verbandes wurde der frühere langjährige ADÜTDF-Vorsitzende Musa Serdar Celebi bestellt. 12.4 Islamische Extremisten Der Ende 1984 gegründete Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln, der die Türkei nach dem Vorbild des Iran durch eine Revolution islamisieren will, veröffentlichte in seinem Organ "Teblig" (Die Verkündung) vom 15. Mai den Text einer Rede des Verbandsvorsitzenden Cemalettin Kaplan vom Herbst vergangenen Jahres. Auf das laizistische türkische Staatsgefüge und die amtierende türkische Regierung zielend hatte Kaplan damals erklärt, es sei "endlich an der Zeit, die Ketten zu sprengen". Fünfzig Millionen Muslime würden sich eines Tages "um den heiligen Koran versammeln und Rechenschaft fordern". Sie würden "das Recht wie einen Vorschlaghammer auf den Kopf des Unglaubens schlagen" und "dessen Gehirn zertrümmern". An einer Versammlung des Verbandes am 10. Oktober in Köln beteiligten sich rund 3.000 Personen, darunter auch zahlreiche Besucher aus Bayern. Die Redner propagierten den Sturz des türkischen Staates und erklärten, die "göttliche Mission" werde "alle Systeme des Unglaubens in der Welt stürzen". Auch die "christliche Gesellschaft" in Deutschland sei aufgerufen, sich "aus dem Sumpf der schmutzigen und ungläubigen Führung zu befreien". Wichtigste Aufgabe sei die "Abschaffung des kemalistischen Regimes durch Revolution". Befürworter der laizistischen Staatsordnung seien "Ungläubige", die nach Bildung eines islamischen Staates "getötet;' werden müßten. Eine örtliche Zweigstelle des Verbandes führte am 27. Dezember in Nürnberg eine Veranstaltung durch, zu der sich rund 400 Besucher einfanden. Der Verbandsvorsitzende Kaplan kritisierte in seiner Rede die seiner Meinung nach falsche Berichterstattung deutscher Medien über den Verband, aber auch die deutschen Behörden, deren feindselige Haltung gegenüber den Aktivitäten des Verbandes im Grunde nur auf Furcht vor der Macht des Islam beruhe. Des weiteren forderte er, die islamische Gesetzeslehre in allen islamischen Ländern, zu denen auch die Türkei zähle, strikt durchzusetzen. Politisches Vorbild für alle islamischen Staaten sei insofern die Islamische Republik Iran; deshalb folge er dem Kurs des iranischen Revolutionsführers Khomeini. Die Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT), ein Sammelbekken von Anhängern der in der Türkei verbotenen und aufgelösten Nationalen Heilspartei (MSP), trat 1987 in Bayern nicht öffentlich in Erscheinung. Der Föderation Islamischer Vereine und Gemeinden im Land Bayern e.V. gehören islamisch-extremistische Vereinigungen an, die das Gedankengut der MSP vertreten und teilweise zum Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln tendieren. Die anhaltende Fluktuation in diesem Bereich er158 schwert im einzelnen eine exakte Zuordnung. Am 5. Juli veranstaltete die Föderation in München eine Demonstration zum Thema "Hinrichtungsaktionen durch anarchistische Gruppierungen im Südosten der Türkei", an der sich rund 800 Personen beteiligten. Die Redner kritisierten die Haltung des Europäischen Parlaments, das eine Resolution gegen die territoriale Integrität und nationale Souveränität der Türkei verabschiedet habe. Darin werde die Türkei aufgefordert, vor dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft u.a. das KurdenProblem zu lösen. Diese Resolution habe separatistische Bestrebungen ideell unterstützt und sei daher mitverantwortlich für ein von kurdischen Rebellen am 20. Juni 1987 verübtes Massaker in einem Dorf im Südosten der Türkei. 159 4. Abschnitt Terror* und sonstige politisch motivierte Gewalt 1. Allgemeines Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch politisch motivierte Gewalttäter hielt im Jahre 1987 an. Dies verdeutlichen insbesondere die Morde an zwei Polizeibeamten an der Startbahn West des Frankfurter Flughafens, mit denen die seit Jahren zunehmende Militanz des "autonomen" Spektrums ihren bisherigen Höhepunkt erreichte. Darüber hinaus war die Gefährdungslage von einer gegenüber dem Vorjahr zwar bundesweit rückläufigen, aber immer noch besorgniserregend hohen Zahl teilweise schwerster Brandund Sprengstoffanschläge gekennzeichnet, die zum einen den Revolutionären Zellen (RZ) und deren Frauengruppe "Rote Zora", zum weitaus überwiegenden Teil aber dem sonstigen linksterroristischen Spektrum zuzurechnen waren. Bevorzugte Ziele der Brandund Sprengstoffanschläge mit linksterroristischem Bezug waren vor allem Firmen mit Beteiligung an umstrittenen Bauvorhaben (hauptsächlich in den Bereichen Kernenergie sowie Bahnund Straßenbau), Geldinstitute, Kaufhäuser und Konzerne (insbesondere solche mit geschäftlichen Beziehungen zur Republik Südafrika), die aus der Sicht der Täter die "kapitalistische Ausbeuterund Konsumgesellschaft" repräsentieren, Behörden und kommunale Einrichtungen (vor allem im Zusammenhang mit der Volkszählung) sowie Sicherheitsbehörden als Symbole des "Repressionsapparates". Weitere Angriffsobjekte waren Unternehmen der Energieversorgung, aber auch Einrichtungen des öffentlichen Nahund Fernverkehrs, der Bundeswehr sowie verbündeter Streitkräfte. *) Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum Dritter durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 des Strafgesetzbuchs genannt sind (vor allem: Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Explosion durch Sprengstoff) oder durch andere Gewalttaten, die der Vorbereitung solcher Straftaten dienen. 160 Die Rote Armee Fraktion (RAF) blieb auch 1987 die gefährlichste terroristische Vereinigung. Zwar haben ihre Bemühungen um Zusammenarbeit mit Terrororganisationen in benachbarten europäischen Ländern einen Rückschlag erlitten. Auch ist im Jahre 1987 weder ihr Kommandobereich noch ihre "militante" zweite Ebene oder ihr regionales Umfeld mit Anschlägen in Erscheinung getreten. Diese äußerliche "Ruhephase" bedeutet indes keine wesentliche Entspannung der Sicherheitslage in diesem Bereich, da das terroristische Potential der RAF trotz aller bisherigen Fahndungserfolge der Sicherheitsbehörden ungebrochen ist und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die RAF von ihrer Zielsetzung abgerückt wäre. Zugenommen haben die terroristischen Aktivitäten der Revolutionären Zellen (RZ) und ihrer Frauengruppe "Rote Zora", die mit einem versuchten Sprengstoffanschlag ihre Gewaltaktionen erstmals auch auf Bayern ausgedehnt hat. Mit den Schüssen auf einen Berliner Richter verübten die RZ erneut einen gezielten Anschlag auf Menschen. Die Mehrzahl der im Bundesgebiet verübten Anschläge bis hin zur Ermordung von zwei Polizeibeamten war regionalen Gruppen des gewaltbereiten linksextremen Spektrums zuzurechnen, die seit Anfang der 80er Jahre eine neue Form des Terrorismus praktizieren. Dieser manifestiert sich meist in Sabotageaktionen wie gefährlichen Eingriffen in den Bahnverkehr, Umsägen von Strommasten oder Inbrandsetzen von Baufahrzeugen. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatten militante "autonome" Kreise, die aus ihrer grundsätzlich staatsfeindlichen Einstellung heraus u.a. Projekte wie den Betrieb oder den Bau kerntechnischer Anlagen, insbesondere der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW), verhindern wollen und sich dabei auch terroristischer Mittel bedienen. Sie verfügen zumeist über keine feste Organisationsstruktur und kein eigenes geschlossenes ideologisches Konzept. Bei ihren Gewalttaten und ihren Selbstbezichtigungen -- soweit sie solche überhaupt hinterlassen -- orientieren sie sich am Beispiel der Revolutionären Zellen oder an aus der "Legalität" heraus operierenden militanten RAF-Anhängern, ohne jedoch deren kriminelle Zielstrebigkeit oder Risikobereitschaft zu erreichen. Für die Existenz einer rechtsterroristischen Vereinigung im Bundesgebiet gab es auch 1987 keine Hinweise. Das Fehlen organisatorischer Strukturen darf indes nicht über die Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit des rechtsterroristischen Potentials hinwegtäuschen. Den Nährboden für dieses Potential bilden hauptsächlich neonazistische Gruppierungen. Insbesondere die in Lincoln/Nebraska (USA) ansässige NSDAP-AO übt mit Gewaltund Terroraufrufen in ihrer Hetzschrift "NS Kampfruf" Einfluß auf die Gewaltbereitschaft militanter Neonazis aus. Dem rechtsterroristischen Bereich können ferner die Urheber sonstiger Gewaltakte mit rechtsterroristischem Einschlag (z.B. Brandanschläge oder Banküberfälle) zugerechnet werden, bei denen eine rechtsextreme Motivation bzw. der nachhaltig geführte Kampf für rechtsextreme Ziele zwar nicht eindeutig erkennbar, aber aufgrund der objektiven Begleitumstände mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermuten ist. Daß dieser Bereich weiterhin aufmerksamer Beobachtung bedarf, zeigen u.a. drei Brandanschläge am 18. August in Frankfurt a.M., die einer anonymen Selbstbezichtigung zufolge "aus Rache für die Ermordung unseres Führers Rudolf Heß" verübt wurden. 161 Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. verhängte gegen den Neonazi Odfried Hepp am 27. Oktober eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, schweren Raubes und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Das Urteil ist rechtskräftig. Hepp war 1980/1981 Mitglied der "Wehrsportgruppe Ausland" des Karl-Heinz Hoffmann und wurde im Libanon von Palästinensern paramilitärisch ausgebildet. 1982 baute er zusammen mit Walther Kexel eine terroristische Gruppe im Raum Offenbach auf, die fünf Banküberfälle mit einer Gesamtbeute von rund 630.000 DM und drei Mordversuche an US-Soldaten verübte. Kexel und vier weitere Gruppenmitglieder wurden im Februar 1983 festgenommen und im März 1985 zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und vierzehn Jahren verurteilt. Kexel beging kurz nach der Verurteilung Selbstmord. Hepp, der sich damals der Verhaftung durch Flucht entziehen konnte, wurde im April 1985 in Paris festgenommen und nach Verbüßung einer Haftstrafe Ende Januar 1987 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Die anhaltende Gefährdung der inneren Sicherheit durch ausländische Terroristen beweist insbesondere die Festnahme des Libanesen Mohammed Ali Hamadei am 13. Januar auf dem Frankfurter Flughafen; dabei wurden drei Flaschen mit hochexplosivem Flüssigsprengstoff sichergestellt. Auch die anschließende Entführung von zwei Deutschen in Beirut durch schiitische Extremisten, mit der die Auslieferung des Festgenommenen an die USA wegen des Verdachts der Ermordung eines amerikanischen Passagiers bei einer Flugzeugentführung im Juni 1985 verhindert werden sollte, macht die Auswirkungen des nahöstlichen Konflikts auf die Bundesrepublik Deutschland deutlich. An der Entführung der beiden Deutschen war der 1988 zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilte Bruder Hamadeis beteiligt; als ihn die Polizei am 26. Januar in Frankfurt a.M. festgenommen hatte, fand sie im Saarland ein von ihm angelegtes Sprengstofflager. Erhöhte Wachsamkeit ist darüber hinaus auch gegenüber der militanten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) geboten, deren meist konspiratives Verhalten terroristische Ansätze aufweist. 2. Rote Armee Fraktion (RAF) Die RAF entstand Ende der 60er Jahre um Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler und Ulrike Meinhof. Sie verfolgte zunächst das Ziel, als Avantgarde des revolutionären Kampfes durch terroristische Aktionen der "Stadtguerilla" im "antiimperialistischen Kampf" und im "strategischen und taktischen Zusammenwirken mit den Befreiungskämpfen der unterdrückten Nationen" eine Solidarisierung der Massen und eine revolutionäre Situation herbeizuführen. Inzwischen versteht sich die RAF nicht mehr nur als verlängerter Arm der Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, sondern als eigenständige Guerilla im "imperalistischen Zentrum Westeuropa". Als "Gegner" in ihrem "antiimperialistischen Kampf" sieht die RAF die "imperialistische Staatenkette" unter der Führung der USA als Sammelbegriff für alle "reaktionären Kräfte". Ihr Kampf richtet sich deshalb vor allem gegen die sichtbare Erscheinungsform dieses Blocks, das westliche Verteidigungsbündnis NATO und, bezogen auf West162 europa, gegen die Westeuropäische Union (WEU), der die RAF ihr Konzept einer "antiimperialistischen Front in Westeuropa" entgegensetzt. Als maßgebende Stützen der bestehenden Machtstrukturen betrachtet die RAF neben den Sicherheitsorganen die Bereiche Politik, Militär, Kapital und Industrie; sie umschreibt deren vielfältige Verflechtungen mit dem Begriff "militärisch-industrieller Komplex" (MIK). Diese Bereiche tragen nach Auffassung der RAF ein von einer machtgierigen Clique beherrschtes System, das unter Führung der USA eine weltweite Ausbeutungspolitik mit dem Ziel der fortschreitenden militärischen, technologischen und damit wirtschaftlichen Überlegenheit gegenüber der Dritten Welt betreibt. Mögliche Anschlagsziele sind dementsprechend alle Funktionsträger und Institutionen, die zur Formierung der "imperialistischen Säule Westeuropa" beitragen können. Dazu gehören insbesondere Einrichtungen der Bundeswehr und der verbündeten Streitkräfte, Polizeiund Justizbehörden, Konzerne im Bereich der Computerund Elektroniktechnologie sowie der Verteidigungswirtschaft. Durch die Konzentration derartiger Unternehmen ist Bayern einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt. Die in verschiedenen Erklärungen der RAF deutlich gewordene verstärkte Betonung der "proletarischen Komponente" (Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt) kann dazu führen, daß darüber hinaus weitere Anschlagsziele in Betracht gezogen werden, wobei es immer schwieriger wird, die Bandbreite solcher Ziele der RAF einzugrenzen. Als ideologisches Sprachrohr der RAF ist die seit Ende 1984 erscheinende Untergrundzeitschrift "Zusammen kämpfen -- Zeitung für die antiimperialistische Front in Westeuropa" anzusehen. Sie enthält vor allem Selbstbezichtigungen der "kämpfenden Ebenen" der RAF und ist als Instrument der Kommunikation, Instruktion und Indoktrination anzusehen. Kommentarlos wiedergegebene Erklärungen ausländischer Terrorgruppen verweisen außerdem auf Bestrebungen der RAF, Bündnispartner für den von ihr propagierten Aufbau einer einheitlichen "westeuropäischen Guerilla" innerhalb einer "antiimperialistischen Front" zu finden. Im Vordergrund dieser Bemühungen um eine Internationalisierung des Terrors steht seit etwa Anfang 1985 das Bündnis der RAF mit dem sogenannten "internationalistischen Flügel" der französischen Terrorgruppe "Action Directe" (AD). Die beiderseitigen "Offensiven" in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich waren in der Zielsetzung und in den zeitlichen Abläufen einiger Anschläge aufeinander abgestimmt und sollten offensichtlich die Existenz einer "westeuropäischen Front" unter Beweis stellen. Auch eine gegenseitige logistische Unterstützung, u.a. mit Waffen, Sprengmitteln und Ausweispapieren, konnte festgestellt werden. Durch die Festnahme der vier führenden ADMitglieder am 21. Februar in der Nähe von Orleans ist allerdings der bislang wichtigste Bündnispartner der RAF auf dem Weg zu einer "antiimperialistischen Front in Westeuropa" zunächst ausgefallen. Vor diesem Hintergrund ist den Annäherungsversuchen der RAF an die italienischen "Roten Brigaden" trotz fortbestehender ideologischer und konzeptioneller Gegensätze größere Bedeutung zuzumessen. So war in einer Sonderausgabe der Schrift "Zusammen Kämpfen" vom Dezember 1987 eine Selbst163 bezichtigung zu einem bewaffneten Überfall am 14. Februar 1987 auf einen Geldtransporter abgedruckt, in der die "Roten Brigaden" mit der Parole "Krieg dem Imperialismus! Krieg der NATO!" dazu aufriefen, die "kämpfende antiimperialistische Front" weiterzuentwickeln. 2.1 Kommandobereich der RAF Der Kommandobereich der RAF, der wie im Vorjahr auf etwa 20 Mitglieder geschätzt wird, hat trotz der Fahndungserfolge der Sicherheitsbehörden wieder die personelle Stärke der 70er Jahre erreicht. Obwohl dieser im Untergrund lebende Teil der RAF 1987 keine Mordanschläge verübte, geht von ihm nach wie vor die schwerste terroristische Bedrohung für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Die Kommandoebene ist nämlich nicht nur im Hinblick auf ihre unverminderte personelle Stärke, sondern auch logistisch weiterhin in der Lage, schwerste Gewaltaktionen durchzuführen. Zudem haben schon in der Vergangenheit Anschlagsphasen mit Zeiten relativer Ruhe abgewechselt, die zur Neurekrutierung von Kommandomitgliedern und für die Vorbereitung von Attentaten genutzt wurden. Da außerdem keine Anzeichen vorliegen, daß die RAF ihre Zielsetzung aufgegeben hat, ist zu befürchten, daß der Kommandobereich der RAF auch künftig mit "militärischen", d.h. vorsätzlich gegen Menschenleben gerichteten Anschlägen die richtungweisenden Akzente für die Aktionen der übrigen RAF-Ebenen setzt. Der Kreis der gefährdeten Personen hat sich seit Ende 1984 erheblich erweitert, da die RAF mit ihrer damals eingeleiteten "Offensive" Kriterien fallen ließ, an denen sie sich zuvor noch orientiert hatte. Früher hatte sie ihre Opfer unter den "Symbolfiguren des imperialistischen Systems" ausgewählt. Die im Rahmen der neuen "Offensive" verübten Morde zielten nunmehr auf in der Öffentlichkeit weniger bekannte Personen, die aus der Sicht der RAF als "Funktions- . träger" zu den "zentralen Figuren in der Formierung westeuropäischer Politik im imperialistischen Gesamtsystem" gehörten. Gewalt und Brutalität der einzelnen Attentate ließen dabei die ideologische Begründung in den Hintergrund treten. Damit hat sich die RAF zunehmend von ihrer ursprünglich vertretenen Vorstellung entfernt, in Anlehnung an vermeintliche Bevölkerungsinteressen durch Terrorakte auf die öffentliche Meinung im Sinne einer Neuformierung der Gesellschaft Einfluß zu nehmen. An ihre Stelle trat die destruktive Aktion mit dem alleinigen Ziel, Staat und Gesellschaft in entscheidenden Institutionen zu treffen, an der Reaktion des Staates dessen Ohnmacht aufzuzeigen und den "revolutionären Bürgerkriegszustand" herbeizuführen. 2.2 Militante der RAF Die "Militanten der RAF" sind nach dem Kommandobereich als zweite "kämpfende Ebene" in die RAF eingebunden und damit als integrierter Bestandteil der RAF anzusehen. Sie beteiligten sich im Vorjahr an der "Offensive" der RAF mit neun schweren Sprengstoffanschlägen, die in ihrer Zielrichtung und von den Tatmitteln her enge Verbindungen zum Kommandobereich erkennen ließen. Damit haben sie sich als nicht weniger aktiv und fast genauso gefährlich wie die Kommandoebene selbst erwiesen. Zwar richteten sich ihre "militanten" 164 Anschläge -- anders als die Morde des Kommandobereichs -- primär gegen Sachen; jedoch wurde dabei zunehmend eine Tötung oder Verletzung von Personen in Kauf genommen. Auf die enge Zusammenarbeit mit der Kommandoebene der RAF verwies neben den benutzten Tatmitteln und der Auswahl der Anschlagsobjekte auch die häufig mit Erklärungen der RAF inhaltlich und formal übereinstimmende Diktion der Selbstbezichtigungen, in denen sich die "Militanten der RAF" als "Kämpfende Einheit" bezeichneten, meist unter Hinzufügung des Namens eines verstorbenen Mitglieds einer ausländischen Terrorgruppe. Der Umstand, daß die "Militanten der RAF" bislang ihre Aktionen grundsätzlich mit der Kommandoebene abstimmten und letztere seit der Ermordung des Leiters der Politischen Abteilung 2 des Auswärtigen Amtes Dr. Gerold von Braunmühl am 10. Oktober 1986 in Bonn die Ende 1984 eingeleitete "Offensive" nicht mehr weiterführte, dürfte ausschlaggebend dafür gewesen sein, daß auch die zweite "kämpfende Ebene" der RAF im Jahr 1987 keine Anschlagsaktivitäten mehr zeigte. 2.3 Umfeld der RAF Die das Gewaltkonzept der RAF bejahenden Gruppen werden aufgrund ihrer jeweils unterschiedlichen Nähe zum Kommandobereich als engeres bzw. weiteres Umfeld bezeichnet und bilden weiterhin ein für die RAF verläßliches Unterstützerpotential. Sie sehen ihre Aufgabe darin, Ideologie und Ziele der RAF öffentlich zu vertreten und für sie zu werben. Die Angehörigen dieser Gruppen halten Verbindung zu inhaftierten terroristischen Gewalttätern und Unterstützern der RAF und setzen sich für deren Forderungen, insbesondere nach "Zusammenlegung", ein. Außerdem gehört es zu ihren Aufgaben, den Informationsfluß zwischen den verschiedenen Ebenen der RAF aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus leisten sie logistische Unterstützungsarbeit (z.B. durch Beschaffen von Personalpapieren, Anmieten konspirativer Wohnungen) und werden so in die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Aktionen eingebunden. Letztlich stellt dieser Personenkreis auch das Rekrutierungspotential für die im Untergrund lebenden "illegalen" RAF-Mitglieder dar. In Bayern sind Gruppierungen des RAF-Umfeldes mit Schwerpunkten in Augsburg, München und Nürnberg bekannt. Ihnen gehören etwa 20 Personen an, davon einige aus dem engeren RAF-Umfeld. Die Gruppierungen unterhielten untereinander, aber auch zu ähnlichen Gruppen im Bundesgebiet, enge Kontakte. Zu den zentralen Agitationsthemen des RAF-Umfeldes gehörte neben der "Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand" insbesondere die Lage der Palästinenser. Das Anfang 1986 durch den Frankfurter Kongreß wiedergeweckte Interesse an der Situation im Nahen Osten kam durch eine Reihe von Veranstaltungen zum Ausdruck. Mit diesen Aktivitäten versuchte das Umfeld der RAF offenbar, sich für die politische Arbeit zusätzliche Einflußbereiche zu erschließen. So wurde am 10. März durch Verbreitung eines Flugblatts bekannt, daß Angehörige des RAF-Umfelds am 13. März eine Informationsund Diskussionsveranstaltung zum Thema "Lage der palästinensischen Revolution 165 -- Situation im Lagerkrieg" in München planten. Nach Überprüfung des Flugblatts leitete der Generalbundesanwalt gegen die unbekannten Veranstalter ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ein und erwirkte beim Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof einen Kontrollstellenbeschluß. Daraufhin verfügte die Kreisverwaltungsbehörde am 13. März ein Versammlungsverbot, das den 39 Teilnehmern vor Beginn der Veranstaltung bekanntgegeben wurde. Im Veranstaltungsraum stellte die Polizei Tränsparente und ein Video-Projektionsgerät mit Kassette sicher. Während der Durchführung der Kontrollmaßnahmen wurden drei Personen zur Identitätsfeststellung, eine wegen Widerstandes und Körperverletzung, eine wegen versuchter Gefangenenbefreiung und zwei wegen Verdachts eines Verstoßes gegen SS 129a StGB vorläufig festgenommen. Bei den beiden letzteren Personen, die dem RAF-Umfeld zuzurechnen sind, fanden Hausdurchsuchungen statt, die zur Auffindung weiterer Beweismittel führten. Am Abend des 7. April trafen sich vor der Justizvollzugsanstalt Nürnberg etwa 25 bis 30 Personen, darunter einige Vermummte, zu einer nicht angemeldeten Versammlung. Zuvor besprühten sie die Mauer des Gebäudes mit der Parole "Zerschlagt die NATO, zerschlagt den Staat, zerschlagt Justiz und Knastapparat". Während des Aufzugs wurden die ihn begleitenden Polizeibeamten aus der Menge heraus mit Knallkörpern beworfen und mit Tränengas besprüht. Die Polizei nahm 22 Personen, darunter mehrere Angehörige des terroristischen Umfelds, vorübergehend fest und leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Landfriedensbruchs ein. Darüber hinaus versuchte das RAF-Umfeld seit der Festnahme der vier führenden AD-Mitglieder im Februar 1987 verstärkt, Kontakte zu ausländischen Terrorgruppen, vor allem in Italien und Spanien, herzustellen. So organisierten Angehörige des RAF-Umfeldes in mehreren Städten des Bundesgebietes eine Veranstaltungsreihe, mit der die baskische Untergrundorganisation ETA unterstützt werden sollte. In Bayern fand am 14. Mai in Nürnberg ein "Benefiz-Konzert" statt, dessen Erlös angeblich "für den Widerstand gegen die WAA (Prozeßhilfe)" bestimmt war. Bedeutsamstes Ereignis für den Unterstützerbereich der RAF war eine vom RAF-Umfeld und dem "autonomen" Spektrum vorbereitete Demonstration am 17. Oktober in Stuttgart. Mit dieser Kundgebung zum 10. Jahrestag der Selbstmorde von Baader, Ensslin und Raspe in der Justizvollzugsanstalt StuttgartStammheim sollte ein erneuter Versuch unternommen werden, die Differenzen zwischen RAF-Anhängern und "Autonomen" zu überbrücken; ein vorangegangener Versuch, beim Frankfurter Kongreß die Ziele der RAF der undogmatischen Neuen Linken näher zu bringen, war sowohl am Selbstverständnis der "Autonomen" als auch am elitären Anspruch der RAF gescheitert. Auch diesmal gelang es nicht, eine gemeinsame Linie zu erarbeiten. Die Teilnehmerzahl blieb weit hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. Insgesamt erschienen rund 500 überwiegend vermummte Personen, darunter auch etwa 60 Teilnehmer aus Bayern. Als die Demonstranten der Aufforderung, die Vermummung abzulegen, nicht nachkamen, löste die Polizei die Versammlung auf. Die vorgesehene Kundgebung vor der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim fand nicht mehr statt. Schon vor Beginn des Aufzugs hatte die Polizei offen166 sichtliche Planungen für einen gewaltsamen Verlauf der Demonstration durchkreuzt, indem sie 27 Personen, die gefährliche Gegenstände wie Wurfanker, Schlagstöcke und gefüllte Benzinkanister mitführten, in Gewahrsam nahm. 2.4 Festnahmen und Strafverfahren Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. verurteilte am 23. Januar die RAF-Angehörige Gisela Dutzi zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie Verstoßes gegen das Waffenund Kriegswaffenkontrollgesetz. Das Gericht blieb damit um sechs Monate unter der am 18. Juli 1985 verhängten Freiheitsstrafe. Am 5. März verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. Ingrid Barabaß wegen Mitgliedschaft in der RAF und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu vier Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe sowie Mareile Schmegner wegen Unterstützung der RAF zu drei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe. Beide waren am 3. Juli 1985 in Frankfurt a.M. in Zusammenhang mit der Entdekkung einer konspirativen Wohnung in Offenbach festgenommen worden. Nach Überzeugung des Gerichts hatten die Angeklagten diese Wohnung für die am 2. August 1986 verhaftete RAF-Angehörige Eva Haule-Frimpong besorgt. Aufgrund eines bestehenden Haftbefehls wurde am 11. März in Duisburg Thomas Richter festgenommen. Er ist verdächtig, an dem von "Militanten der RAF" am 11. August 1986 verübten Sprengstoffanschlag auf das Einsatzund Ausbildungszentrum des Bundesgrenzschutzes in Swisttal-Heimerzheim beteiligt gewesen zu sein. Am 16. März verhängte das Oberlandesgericht Düsseldorf gegen das RAF-Mitglied Rolf Clemens Wagner wegen mehrfachen Mordes, erpresserischen Menschenraubes und Geiselnahme sowie versuchter Nötigung von Verfassungsorganen erneut eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der Angeklagte war nach Feststellung des Gerichts an der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer und seiner vier Begleiter im September 1977 beteiligt gewesen. Der Bundesgerichtshof hatte das vorangegangene Urteil vom 13. März 1985 wegen Verfahrensfehlern aufgehoben. Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart begann am 1. September die Hauptverhandlung gegen die am 2. August 1986 festgenommenen mutmaßlichen terroristischen Gewalttäter Eva Sibylle Haule-Frimpong, Luitgard Hornstein und Christian Kluth wegen Mitgliedschaft in der RAF. Frau Haule-Frimpong wird außerdem vorgeworfen, an dem versuchten Sprengstoffanschlag der RAF auf die NATO-Schule in Oberammergau am 18. Dezember 1984 beteiligt gewesen zu sein. Der Bundesgerichtshof verwarf Anfang September 1987 die Revision der RAFAngehörigen Peter Jürgen Book, Stefan Frey und Helmut Pohl gegen die von den Oberlandesgerichten Stuttgart und Düsseldorf am 7. Mai 1984 bzw. 23. Dezember 1986 verkündeten Urteile. Damit sind Book und Pohl rechtskräftig zu lebenslangen Freiheitsstrafen sowie Frey zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. 167 Am 18. Dezember nahm die Polizei in Düsseldorf Andrea Sievering und Erik Prauss fest. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes erließ gegen sie Haftbefehl wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Beide stehen ferner im Verdacht, an dem Sprengstoffanschlag auf die Firma Dornier am 25. Juli 1986 in Immenstaad/Bodensee beteiligt gewesen zu sein; zu diesem Anschlag hatten "Militante der RAF" in der Nähe des Tatorts ein Selbstbezichtigungsschreiben hinterlassen. 3. Revolutionäre Zellen (RZ) Die RZ einschließlich ihrer autonomen Frauengruppe "Rote Zora" sind nach der RAF die gefährlichste terroristische Vereinigung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie unterscheiden sich vom Kommandobereich der RAF in Taktik und Strategie nach wie vor dadurch, daß ihre Mitglieder aus einem bürgerlichen Leben heraus operieren. Dieser Umstand und der Zusammenschluß in kleine, unabhängige Zellen erschweren das Erkennen und Bekämpfen. Seit ihrem erstmaligen Auftreten im Jahre 1973 verstehen sich die RZ als eine "Sozialrevolutionäre Bewegung". Langfristig verfolgen sie das Konzept des permanenten Guerillakampfes. Sie sind bestrebt, eine möglichst breite personelle und materielle Basis für eine "soziale Revolution" in der Bundesrepublik Deutschland zu schaffen. Ihre auf Nachvollziehbarkeit und Nachahmung angelegten "Widerstandshandlungen" sind von der Absicht getragen, das in "legalen" Protestbewegungen vorhandene Potential für die eigenen Ziele zu gewinnen; deshalb achten sie darauf, daß ihre Aktionen der "Masse" vermittelbar erscheinen. Die terroristischen Anschläge orientieren sich zumeist an aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konfliktthemen. In der Vergangenheit waren dies insbesondere der Protest gegen Militärdiktaturen in Lateinamerika, der SS218 StGB, Fahrpreiserhöhungen und "Mietwucher", Großprojekte wie Kernkraftwerke oder der Bau der Startbahn West in Frankfurt a.M., die NATO-Nachrüstung und die Entwicklung der Computertechnik. Neuerdings rückte die Ausländerund Asylproblematik sowie die "Ausbeutung" der Dritten Welt in den Mittelpunkt. Die autonome RZ-Frauengruppe "Rote Zora" bemüht sich in letzter Zeit, auf das in der Frauenbewegung vorhandene Protestpotential insbesondere durch Anschläge auf Einrichtungen im Bereich der Biound Gentechnologie Einfluß zu nehmen. Durch diese auf die Entfachung von "Massenmilitanz" angelegte Anknüpfungsstrategie der RZ sollen breite Volksschichten zum Kampf gegen behauptete Mißstände motiviert und ihre Mitwirkung oder zumindest Sympathie für "Widerstandshandlungen" gewonnen werden. Daneben versuchen die RZ, ihren Aktionen durch Betonung "internationalistischer" Aspekte zusätzlich eine "antiimperialistische" Ausrichtung zu verleihen. Die Palette ihrer Straftaten reicht mittlerweile von der Fälschung von Fahrausweisen öffentlicher Verkehrsmittel oder amtlicher Schreiben über Brandund Sprengstoffanschläge bis hin zu gezielten Schußwaffenattentaten auf Menschen; dabei haben sie allerdings die Tötungsabsicht stets verneint. Insofern bleiben ihre Anschläge -- obwohl sie den "bewaffneten Kampf auf allen Ebenen" propagieren -- bewußt hinter den RAF-Mordanschlägen zurück, da diese nach ihrer Auffassung den 168 "Massen" als ihrem potentiellen "revolutionären Subjekt" nicht vermittelbar und damit kontraproduktiv sind. 1987 verübten bzw. versuchten die RZ und die "Rote Zora" im Bundesgebiet 22 (1986: 16) Brandund Sprengstoffanschläge, davon einen in Bayern. Dabei griffen sie erneut die Ausländerund Asylproblematik als ein aus ihrer Sicht wichtiges Thema auf, so z.B. mit einem Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber in Berlin am 6. Februar und einem Brandanschlag auf die Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Dortmund am 5. September. In den Begründungen zu den Anschlägen erklärten die RZ, ihre Angriffe hätten sich gegen die "rassistische" bzw. "imperialistische" Behandlung von Asylanten gerichtet. Besonderes Aufsehen erregte ein am I.September in Berlin verübtes Attentat, bei dem der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht in Berlin Dr. Günter Korbmacher durch zwei Schüsse in den Unterschenkel verletzt wurde. Mit diesem Attentat haben die RZ nach den Schüssen auf einen Berliner Rechtsanwalt im Mai 1978, den früheren hessischen Wirtschaftsminister im Mai 1981 und den Leiter der Berliner Ausländerbehörde im Oktober 1986 zum vierten Mal einen auf Menschen gezielten Anschlag verübt. In einer als authentisch anzusehenden Erklärung begründeten die RZ das Attentat mit der Funktion des Opfers als Vorsitzender des "Asylsenats", der die Aufgabe habe, die "trikontinentale Flüchtlingsbewegung" zu brechen. Dieser "Sondersenat" sei mit seiner "politisch handverlesenen Richterbesetzung" als "justizieller Begleitschutz" für den "ab 1982 forcierten, legislativen und administrativen Gegenangriff auf die Zwangsmobilisierten und Armgemachten" gebildet worden. Darüber hinaus erläuterten die Täter ihre Entscheidung für die Art des Anschlags, die "eine bewußte und präzise praktische wie politische Limitierung" enthalte: Zum einen sollten die Schüsse dem. Opfer "intensiven körperlichen Schmerz" zufügen und der "kodifizierten Brutalität", die das Leben so vieler Menschen zerstöre, wieder einen "konkreten Namen" verleihen; zum anderen sollten sie den Verletzten als "Hauptverantwortlichen im juristischen Kampf gegen die Opfer imperialistischer Großraumpolitik" politisch brandmarken und den "suggestiven Nimbus der Macht zerstören", durch den er sich geschützt glaube. Abschließend distanzierten sich die Täter von der Praxis der RAF. Sie bezeichneten die "politische Tötung eines Menschen" als das "äußerste und extremste Mittel im Klassenkampf", das sich durch seinen "inflationären Gebrauch" selbst entwerte. Solange nicht "offener Klassenkrieg" herrsche, in dem die "Liquidierung des Gegners zu einer Machtund Überlebensfrage" werde, könne ein politischer Mord nur einen "exemplarischen Charakter" haben, da er "die realen Machtverhältnisse nicht wirklich erschüttern" könne. Daher sei ein solcher Mord an einem "bislang anonymen Funktionsträger" politisch sinnlos. Die RZ-Frauengruppe "Rote Zora" trat am 15. August mit einer Serie koordinierter Brandanschläge auf acht Filialen eines Bekleidungskonzerns in Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in Erscheinung; dabei entstand ein Gesamtschaden von mehreren Millionen DM. In einem Selbstbezichtigungsschreiben erklärte die "Rote Zora", sie habe mit den Anschlägen die "Lebensbedingungen und Kämpfe" der bei dem angegrif169 fenen Konzern im Fernen Osten beschäftigten Frauen in ihren eigenen "Widerstand hier" einbezogen. Die Frauen in den nach Sri Lanka und Südkorea ausgelagerten Produktionsstätten des Unternehmens kämpften insbesondere gegen die "Ausbeutung ihrer Arbeitskraft" und den "alltäglichen Sexismus". Die Hoffnung auf "Befreiung hier" könne sich nur "auf die weltweite Befreiung als Frauen gründen, darauf daß wir Teil eines gemeinsamen Kampfes werden". Das Schreiben endete mit den Parolen "Für eine starke internationale Frauenbefreiungsbewegung!" und "Kampf dem imperialistisch-patriarchalen System!". Dieselben Forderungen hatte die "Rote Zora" bereits in der Taterklärung zu ihrem versuchten Sprengstoffanschlag am 21. Juni auf die Hauptverwaltung des Konzerns in Haibach, Landkreis Aschaffenburg, propagiert (s. Nr. 4.7). Im Zusammenhang mit koordinierten Exekutivmaßnahmen gegen mutmaßliche Mitglieder der RZ wurden am 19. Dezember Ursula Penselin in Hamburg und am 20. Dezember Ingrid Strobl in Köln festgenommen. Gegen beide erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Frau Strobl ist außerdem dringend verdächtig, am 28. Oktober 1986 an dem Sprengstoffanschlag auf das Gebäude der Hauptverwaltung der Lufthansa in Köln beteiligt gewesen zu sein. Daß das Beispiel der RZ auch in Bayern Nachahmer findet, zeigen die am 28. Juli, I.September und 18. September verübten Anschläge sogenannter "Resonanzzellen" der RZ, die sich in ihrem Vorgehen an den RZ orientierten und in ihren Selbstbezichtigungsschreiben auch die Bezeichnung "Revolutionäre Zellen" gebrauchten; allerdings fehlten in diesen Schreiben sonstige RZtypische Merkmale. 4. Politisch motivierte Gewaltaktionen in Bayern In Bayern ist 1987 die Zahl der Gewaltakte, bei denen das angegriffene Ziel, die Tatausführung oder eine Selbstbezichtigung auf politische Motive hindeuteten, deutlich zurückgegangen. Insgesamt wurden acht Sprengstoffanschläge (1986: 4) und 38 Brandanschläge (1986: 74) verübt oder versucht. Die Schwerpunkte lagen im Raum München, Erlangen-Schwabach und Schwandorf. Vorrangige Angriffsziele waren Baufirmen und Einrichtungen der Energiewirtschaft. Bei 16 Brandanschlägen (1986:51) war ein Bezug zur Errichtung der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) erkennbar. Zum erheblichen Rückgang der gefährlichen Eingriffe in den Bahnverkehr (1987:12; 1986: 48) und der Anschläge auf Strommasten (1987: 4; 1986: 42) dürften das Fehlen mobilisierender Bezugsereignisse und das Entstehen neuer Schwerpunktthemen im linksextremen Spektrum (z.B. die Volkszählung 1987), vor allem aber die durch Fahndungserfolge der bayerischen Sicherheitsbehörden bewirkte Verunsicherung potentieller Täter beigetragen haben. Zu nennen sind insbesondere Gewaltaktionen gegen folgende Angriffsziele: 4.1 Bauunternehmen Bei einem Brandanschlag auf einen in München abgestellten Bagger entstand in der Nacht zum 26. Januar ein Schaden von rund 50.000 DM. In der Nähe des 170 Tatorts wurde auf einem Container die Schmierschrift "WAA nie" festgestellt. Die geschädigte Firma, die am Bau der WAW beteiligt ist, war schon im Jahre 1986 mehrmals das Ziel von Brandanschlägen militanter Kernkraftgegner. Ein in Dornach, Landkreis München, abgestellter Lkw-Kranwagen einer am Bau der WAW beteiligten Firma war in der Nacht zum 28. Februar Ziel eines Brandanschlags. Ein Wachmann konnte das Feuer rechtzeitig löschen, so daß nur geringer Schaden entstand. Unbekannte Täter zerschnitten in der Nacht zum 11. März drei Förderbänder einer Förderungsanlage in einem Steinbruch bei Nittenau, Landkreis Schwandorf. Ein weiteres Förderband wurde zwölf Tage später durchtrennt. Dadurch entstand insgesamt ein Schaden von rund 5.000 DM. Die geschädigte Firma ist Zulieferer für den Bau der WAW. Wegen Versagens der Zündvorrichtung mißlang am 14. April der Versuch, in Nürnberg einen Kran einer am Bau der WAW beteiligten Firma mit brennbarer Flüssigkeit in Brand zu setzen. Unbekannte Täter entwendeten in der Nacht zum 8. Juni auf dem Gelände der WAW aus einem aufgebrochenen Bauwagen Werkzeuge und Pläne, die sie in ein nahegelegenes Rückhaltebecken warfen. Ferner beschädigten sie Baustellenabsicherungen, Verkehrszeichen und Absperrungen rund um das Baugelände. Der Sachschaden beträgt rund 15.000 DM. Bei einem Brandanschlag auf einen Bauwagen, der auf einem Übungsgelände der US-Armee bei Bad Kissingen abgestellt war, entstand in der Nacht zum 9. Juni ein Schaden von rund 20.000 DM. Die geschädigte Firma errichtet auf dem Gelände eine Panzerstraße. Ein Brandanschlag auf einen in Unterföhring, Landkreis München, abgestellten Raupenkran verursachte in der Nacht zum 20. Juli einen Schaden von rund 1 Million DM. Am Tatort fand die Polizei zwei Schreiben mit den Parolen "Zum ersten, zum zweiten: WAA nie" und "Pfoten raus aus Wackersdorf". Die geschädigte Firma ist am Bau der WAW beteiligt. Auf dasselbe Baufahrzeug war bereits am 25. November 1986 ein Brandanschlag verübt worden. Unbekannte Täter setzten am 23. Juli in Garching, Landkreis München, einen Radlader einer am Bau der WAW beteiligten Firma in Brand. Dabei entstand ein Schaden von rund 50.000 DM. Zwei Tage später wurde auf einen Container desselben Bauunternehmens in München ein Brandanschlag verübt, der einen Schaden in gleicher Höhe verursachte. Baufahrzeuge dieses Unternehmens waren zuvor schon Ziele der Brandanschläge am 26. Januar und 14. April gewesen. Am 27. September wurden auf dem Gelände eines Betonwerks in Wackersdorf aus einer Ansammlung von etwa 100 WAW-Gegnern heraus sämtliche Fenster im Erdgeschoß des Betriebsgebäudes eingeworfen. Anschließend setzten unbekannte Täter, die von der Menge mit aufgespannten Regenschirmen verdeckt wurden, die Schaltzentrale des Gebäudes in Brand. Anrückende Löschfahrzeuge wurden von WAW-Gegnern behindert und konnten erst mit Hilfe der Polizei zum Brandort gelangen. Der Sachschaden beträgt rund 1 Million DM. 171 Brandanschlag am 27.9.87 auf das Betriebsgebäude eines Betonwerkes in Wackersdorf Auf die Möglichkeit, "durch aufgespannte Regenschirme Sichtschutz gegen wachsame Polizeiblicke zu bilden", hatte die anarchistische Zeitschrift "graswurzelrevolution" (Nr. 119, September 1987) hingewiesen. 4.2 Einrichtungen der Energieversorgung Am 18. Januar wurde in Schwandorf ein Gasverteilerregelschrank in Brand gesetzt. Aus der Anlage traten Stichflammen bis zu einer Höhe von 15 m aus. Der Sachschaden wird auf 30.000 bis 40.000 DM geschätzt. Aufgrund eines anonymen Anrufs, der kurz nach dem Anschlag bei der örtlichen Polizeidienststelle einging, kommen militante Gegner der WAW als Täter in Betracht. Unbekannte Täter sägten am 28. Januar im Gemeindegebiet von Breitenbrunn, Landkreis Neumarkt i.d.OPf., zwei Fichten um. Ein Baum fiel auf eine 20.000Volt-Leitung; dadurch kam es zu einem Stromausfall. Der Sachschaden beträgt rund 10.000 DM. In der Nacht zum 26. April drangen unbekannte Täter im Landkreis Forchheim in das Umspannwerk Thuisburg der Energieversorgung Oberfranken (EVO) ein und ließen die Kühlflüssigkeit von zwei Umspannern in ein Auffangbecken ab. Der Versuch, das Kühlmittel mit Hilfe einer Batterie und eines Weckers in Brand zu setzen, scheiterte vermutlich wegen eines technischen Defekts. Unbekannte Täter versuchten in der Nacht zum 7. Juni, auf dem Baugelände der WAW mit zwei Molotowcocktails ein Transformatorenhäuschen und einen Container mit Notstromaggregat in Brand zu setzen. 172 Brandanschlag auf ein Umspannwerk der Ostbayerischen Energieversorgung (OBAG) in Wackersdorf am 18.9.87 Bei einem Brandanschlag auf ein Umspannwerk in der Nähe des WAW-Geländes bei Wackersdorf entstand am 18. September ein Sachschaden von rund 1 Million DM. Am Gebäude wurden ein aufgesprühter fünfzackiger Stern sowie die Parole "WAA nie" festgestellt. Am 21. September gingen drei Zeitungsredaktionen in Frankfurt a.M., Schwandorf und Weiden i.d.OPf. textidentische Selbstbezichtigungsschreiben zu. Darin erklärte eine Gruppierung mit der Bezeichnung "Revolutionäre Zellen", der Anschlag sei als "Teil der Sabotagekampagne zur Unterstützung der Aktionswoche gegen die WAA vom 8. -- 10. Oktober 1987" zu verstehen. Als "Herzstück des bundesdeutschen Atomprogramms" ermögliche das "Projekt WAA" die Herstellung von Atombomben. Das Schreiben endete mit der Parole "Kampf dem imperialistischen Atomprogramm auf allen Ebenen!". Der Tat verdächtig ist eine militante Gruppe im Raum Frankfurt a.M., gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung anhängig ist. Ihr Rädelsführer war Andreas Eichler, der dem "autonomen" Spektrum in Frankfurt a.M. angehörte; er wurde am 3. November wegen Verdachts der Beteiligung an der Ermordung von zwei Polizeibeamten an der Startbahn West des Frankfurter Flughafens festgenommen. Nach Erkenntnissen des Generalbundesanwalts wollte diese Gruppe durch die Begehung von Straftaten die Nutzung der Startbahn West verhindern oder erheblich beeinträchtigen. Weiteres Ziel der Vereinigung, die in Selbstbezichtigungsschreiben unter Bezeichnungen wie "Revolutionäre Zellen" und "Revolutionäre Handwerker" auftrat, waren Sabotagehandlungen (z.B. Beschädigung von Strommasten, Brandanschläge) gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie. 173 Unbekannte Täter deponierten zwischen dem 14. und 17. Dezember an einem Hochspannungsmast bei Mittelberg, Landkreis Oberallgäu, zwei Rohrbomben; außerdem durchsägten sie Verstrebungen und entfernten zahlreiche Schrauben. Die Sprengsätze wurden rechtzeitig entdeckt und entschärft; danach konnte ein Montagetrupp den sich bereits neigenden Mast stabilisieren. Der Sachschaden wird auf über 15.000 DM geschätzt. 4.3 Polizeiund Verwaltungsbehörden In der Nacht zum 14. April wurden gegen die Regierung von Schwaben in Augsburg drei Brandsätze geworfen. Während am Gebäude nur geringer Schaden entstand, brannte ein vor dem Eingang geparkter Pkw aus. Einige Stunden später ging bei der Deutschen Presse-Agentur ein Anruf ein, in dem sich eine Gruppierung "Kämpfende Zellen der Revolutionären Zellen" der Tat bezichtigte und die Freilassung von Günter Sonnenberg forderte. Hinweise aus der Bevölkerung führten am 27. April zur Festnahme des Täters und einer Komplizin. Beide erklärten bei ihrer Vernehmung, den Anschlag aus ihrer grundsätzlich negativen Einstellung gegenüber dem Staat und seinen Organen begangen zu haben; politisch waren sie zuvor noch nicht in Erscheinung getreten. Gegen den Haupttäter verhängte das Bayer. Oberste Landesgericht am 6. November eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren wegen versuchter Brandstiftung, Sachbeschädigung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Die Mittäterin wurde zu einem Jahr Jugendstrafe mit Bewährung verurteilt. Ein Brandanschlag auf das Verwaltungsgebäude der Stadtverwaltung Altdorf, Landkreis Nürnberger Land, verursachte am 9. Mai einen Schaden von rund 3.000 DM. Der Täter, der sich im Dezember 1987 freiwillig der Polizei stellte, nannte bei seiner Vernehmung als Motiv des Anschlags "Frust auf die Volkszählung". In der Nacht zum 8. Juni wurden am Neubau eines Ämtergebäudes in Schwandorf, das auch eine Polizeiinspektion aufnehmen soll, 24 Isolierglasfenster im Wert von über 10.000 DM mit Stahlkugeln zerschossen. Unbekannte Täter entzündeten am 12. Juli in einem Lagerraum des Landesarbeitsamtes Südbayern in München einen mit Benzin gefüllten Kanister. Durch den Brand entstand ein Sachschaden in Höhe von rund 15.000 DM. Aufgrund der Art des angegriffenen Objektes ist ein politischer Tathintergrund möglich. In der Nacht zum 23. August verursachte die Explosion eines Sprengsatzes an einem vor der Polizeiinspektion 3 in Regensburg abgestellten Dienstwagen einen Sachschaden von etwa 5.000 DM. Auf dem Gelände der Bayerischen Bereitschaftspolizei in Dachau detonierte in der Nacht zum 1. September eine unter einem Kraftfahrzeug abgelegte Rohrbombe. Dadurch entstand ein Schaden von rund 4.000 DM. In einem bei zwei Münchner Zeitungsredaktionen eingegangenen Selbstbezichtigungsschreiben begründete eine "Brigade Schwarze Rose -- Revolutionäre Zellen" den Anschlag damit, daß sich auf dem Gelände der ehemaligen "SS-Kaserne beim KZ Dachau" einer "der größten Polizeistützpunkte in Westdeutschland" befinde, 174 der "eine wichtige Rolle im Aufstandbekämpfungskonzept" spiele. Die Verfasser warfen der "Polizeisoldadeska" vor, sie schütze "Kapital und Militärstrategen, die Aufrüstung, imperialistischen Krieg etc. weiter planen, vorbereiten und durchführen". Sie brachten ihre "Aktion gegen die Polizeikaserne" ausdrücklich in Zusammenhang mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 01.09.1939, wobei sie behaupteten, die "Herren aus den Vorstandsetagen" würden "schon wieder an einer Wiederholung" basteln, und zwar "mit Hilfe alter und neuer Nazis". Aufgrund von Inhalt und Diktion des Schreibens sowie wegen des Fehlens RZ-typischer Merkmale dürfte es sich bei den Tätern um eine RZ-Nachahmergruppe gehandelt haben. 4.4 Einrichtungen und Wohnungen von Ausländern Am 13. März warfen unbekannte Täter einen Brandsatz durch eine eingeschlagene Fensterscheibe in einen Versammlungsraum des "Vereins zur Förderung ethnischer Minderheiten e.V." in München, der auch Anlaufstelle für Mitglieder der orthodox-kommunistischen Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (KOMKAR) ist. Der Sachschaden beträgt etwa 10D00 DM. Bei einem Brandanschlag auf das Büro der "Kurdistan Arbeitervereinigung in Nürnberg e.V." entstand am 14. März ein Sachschaden von rund 30.000 DM. Der Verein ist Mitgliedsverband der KOMKAR. Ein Zusammenhang mit der tätlichen Auseinandersetzung unter kurdischen Linksextremisten am 7. März in München (vgl. 3. Abschnitt, Nr. 9.2) ist in beiden Fällen zu vermuten. Unbekannte Täter verübten am 30. März einen Brandanschlag auf den Veranstaltungsraum des "Vereins türkischer Idealisten e.V." (MÜO) in München, indem sie zwei Fensterscheiben einschlugen und im Innenraum Benzin entzündeten. Es entstand ein Sachschaden von etwa 50.000 DM. Als Urheber des Anschlags kommen politische Gegner des extrem nationalistischen Ausländervereins in Betracht. In der Nacht zum 6. Juni wurde im Flur der Asylantenunterkunft in Kaufbeuren ein Nebelwurfkörper gezündet. Ein indischer Asylant mußte wegen Vergiftungserscheinungen ambulant behandelt werden; bei weiteren 16 seiner Landsleute verursachte das ausgetretene Reizgas kurzzeitige Beschwerden der Atemwege. Wegen der Art des Angriffsobjekts ist ein rechtsextremes Tatmotiv nicht auszuschließen. 4.5 Einrichtungen des Bahnverkehrs In der Nacht zum 17. Februar riß eine Lokomotive auf der Bahnstrecke Stuttgart-München bei Mindelaltheim, Landkreis Günzburg, die Oberleitung auf einer Strecke von 500 m herunter. Zwischen den Gleisen wurde ein an einer Nylonschnur befestigter Metallgegenstand gefunden, der offensichtlich von einer Bahnüberführung aus auf die Fahrleitung geworfen worden war. Der Sachschaden beträgt etwa 100.000 DM. Noch am selben Tag konnte die Polizei die beiden Täter festnehmen. Als Motiv ihres Anschlags nannten sie den "Protest gegen die WAW, den Staat und die Polizei". Das Landgericht Mem175 mingen verurteilte sie am 21. Juli wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bzw. zu einer Jugendstrafe von einem Jahr mit Bewährung. Am 15. März wurden in der Nähe des Bahnhofs Starnberg Eisenteile auf die Schienen gelegt. Eine durchfahrende S-Bahn entgleiste und wurde schwer beschädigt. Die Polizei konnte die beiden Täter in Zusammenhang mit der Aufklärung eines Brandanschlags auf eine Computerfirma in Tutzing (vgl. Nr. 4.7) ermitteln. Am 8. April fuhr ein Güterzug vor dem Bahnhof Oberviechtach, Landkreis Schwandorf, in ein aus zwei Holzpaletten, Schottersteinen und einem Balken errichtetes Hindernis. Dabei entstand geringer Sachschaden. Unbekannte Täter fällten am 8. Mai an der Bahnlinie Nürnberg-Regensburg einen 22 m hohen Baum, der auf die Oberleitung fiel und einen Kurzschluß verursachte. Der Lokführer eines Nahverkehrszuges konnte den Zug durch eine Schnellbremsung unmittelbar vor dem Hindernis anhalten. Der Sachschaden beträgt rund 5.000 DM. 4.6 Geldinstitute In der Nacht zum 2. Mai wurde in Weiden i.d. OPf. eine Fensterscheibe eines Geldinstitutes zertrümmert. Der Gesamtschaden beträgt rund 8.000 DM. An einem Geldautomaten stellte die Polizei die Schmierschriften "Geld ist dein Gefängnis" und "1987: Kampf und Widerstand geht weiter" fest. Unbekannte Täter warfen zwischen dem 22. und 24. Mai in den Schalterraum eines Geldinstitutes in Forchheim einen Brandsatz, der jedoch nicht zündete. Ein Zusammenhang mit dem "Bankenaktionstag" am 21. Mai, zu dem auch linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppierungen aufgerufen hatten, ist nicht auszuschließen. In der Nacht zum 20. Oktober entzündeten unbekannte Täter in Hof vor einem Geldinstitut eine brennbare Flüssigkeit und brachten im Briefkasten einen Sprengsatz zur Detonation. Ein weiterer Sprengkörper wurde auf einer Zufahrt gefunden. Der Sachschaden beträgt rund 10.000 DM. 4.7 Sonstige Angriffsobjekte In der Nacht zum 25. Januar machten unbekannte Täter in Neustadt a.d. Donau, Landkreis Kelheim, mit Metallstiften die Türschlösser eines Wahllokals unbrauchbar. An den Eingang klebten sie Plakate mit der Aufschrift "WAA nein". Ein Brandanschlag auf eine Computerfirma in Tutzing, Landkreis Starnberg, verursachte am 13. April einen Schaden von mehreren Millionen DM. Noch am selben Tag konnten die beiden Täter, die bisher politisch nicht in Erscheinung getreten waren, festgenommen werden. Sie gestanden, daß sie eine brennbare Flüssigkeit in die Kellerräume der Firma gegossen und mit einer Lunte angezündet hatten. Als Motiv nannten sie ihren "Haß" gegen das demokratische Staatssystem. Ein Täter gab ferner zu, am 7. März 1987 im Chemieraum des Gymnasiums Tutzing Gardinen und Kleidungsstücke in Brand gesetzt zu ha176 Brandanschlag auf die Elektronikfirma TST am 13.4.87 in Tutzing ben; ein politisches Motiv für diese Brandstiftung, bei der ein Sachschaden von rund 10.000 DM entstand, war zuvor nicht erkennbar gewesen. Bei den Ermittlungen konnten außerdem noch die am 7. September bzw. 14. Oktober 1986 im Landkreis Starnberg verübten Anschläge auf Hochspannungsmasten bei Pöcking und Tutzing sowie zwei gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr am 5. Oktober 1986 an der S-Bahn-Strecke München-Tutzing und am 15. März 1987 in der Nähe des Bahnhofs Starnberg geklärt und drei daran unterschiedlich beteiligte Mittäter festgenommen werden. Das Landgericht München II verhängte gegen die beiden Haupttäter am 31. März 1988 eine Freiheitsstrafe von neun Jahren bzw. eine Jugendstrafe von sechseinhalb Jahren. Eine wegen Beihilfe zu einem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr und zur Störung öffentlicher Betriebe angeklagte Mittäterin erhielt eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Zuvor hatte das Gericht in einem abgetrennten Verfahren zwei an dem Anschlag auf einen Strommasten am 14. Oktober 1986 Beteiligte zu Freiheitsstrafen von 21 bzw. 15 Monaten mit Bewährung verurteilt. In der Nacht zum 19. Mai wurden auf einer Baustelle in Gröbenzell, Landkreis Fürstenfeldbruck, einige Stapel Bauholz in Brand gesetzt. Gleichzeitig ging bei der örtlichen Feuerwehr ein Anruf mit dem Wortlaut "Gröbenzell brennt als Protest gegen die Volkszählung" ein. Aufgrund eines am 23. Juni in Stuttgart aufgefundenen Selbstbezichtigungsschreibens zu einem bis dahin nicht bemerkten Sprengstoffanschlag wurde am selben Tag in Haibach, Landkreis Aschaffenburg, die Hauptverwaltung eines Bekleidungskonzerns durchsucht. Dabei fand die Polizei einen Sprengsatz mit detoniertem Zeitzünder; der hochbrisante Sprengstoff war nicht explodiert. In der als authentisch anzusehenden Tatbezichtigung erklärte die "Rote Zora", sie habe die Bombe aus "Solidarität" mit den bei der Firma in Südkorea beschäftigten "kämpfenden Frauen" gelegt. Das Unternehmen habe Anfang April 1987 in seiner Textilfabrik in Südkorea gegen streikende Frauen 177 Militärpolizei eingesetzt und 13 Wortführerinnen fristlos entlassen. Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen seien "Bestandteil des patriarchalen Herrschaftssystems, ohne das der Imperialismus in den 3 Kontinenten und hier nicht begriffen werden kann". Die "Rote Zora" betrachte ihren Kampf als "praktischen Anti-Imperialismus", indem sie versuche, "den reibungslosen Ablauf der Kapitalstrategien hier zu behindern, in Solidarität mit allen Kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung". Das Schreiben endete mit den Parolen "Für eine starke internationale Frauenbefreiungsbewegung!" und "Kampf dem imperialistisch-patriarchalen System!". |ln der Nacht zum 28. Juli detonierte vor einem Firmengebäude in München ein Sprengsatz. Der durch die Explosion entstandene Sachschaden wird auf 20.000 DM geschätzt. In einem bei einer Münchner Zeitungsredaktion und einer Nachrichtenagentur in Bonn eingegangenen Selbstbezichtigungsschreiben wandte sich eine Gruppierung mit der Bezeichnung "Revolutionäre Zellen" gegen die. "reaktionäre Firmenpolitik", die "die Spaltung unter den Arbeitern" durch "Qualifizierung, Degradierung und Flexibilisierung" vorantreibe und "die lang erkämpften Siege der Arbeiterbewegung" untergrabe. Das Schreiben endete mit den Parolen "Kampf dem kapitalistischen Schweinesystem!" und "Solidarität mit allen kämpfenden Genossen!". Da Inhalt und Diktion der Selbstbezichtigung gegen die Urheberschaft der linksterroristischen Revolutionären Zellen (RZ) sprechen und auch wesentliche Merkmale typischer RZ-Bekennungen wie z.B. der RZ-Stern fehlten, dürfte es sich bei den Tätern um eine RZ-Nachahmergruppe gehandelt haben. Am 13. August wurden auf einem Lagerplatz in Eslarn, Landkreis Neustadt a.d.Waldnaab, drei Holzstapel in Brand gesetzt. Dadurch entstand ein Schaden von über 50.000 DM. Ein auf dem Firmengelände sichergestellter Brandsatz, der nicht gezündet hatte, entsprach in Zusammensetzung und Aufbau einer in der militanten autonomen Schrift "radikal" (Nr. 132) abgedruckten Anleitung. Die geschädigte Firma war mit Rodungsarbeiten auf dem Gelände der WAW beauftragt. Unbekannte Täter legten in der Nacht zum 1. November in Schwandorf in zwei Telefonzellen Feuer. Eine Zelle wurde durch den Brand völlig zerstört. Wegen der Nähe der Anschlagsziele zur WAW ist ein politisches Tatmotiv nicht auszuschließen. In der Nacht zum 12. November detonierte am Wohnhaus des Bürgermeisters in Pottenstein, Landkreis Bayreuth, ein Sprengkörper. Dadurch entstand ein Sachschaden von über 100.000 DM. In unmittelbarer Nähe des Tatorts wurde die Schmierschrift "Hände weg von den Wassern" festgestellt. Als Urheber des Anschlags kommen demnach Gegner des in Pottenstein geplanten Anschlusses an eine Fernwasserversorgung in Betracht, zumal dieses Vorhaben am vorangegangenen Abend Gegenstand einer Bürgerversammlung gewesen war. Bei einem Brandanschlag auf eine im Landkreis Schwandorf in der Nähe des WAW-Geländes errichtete Wetterhütte des Deutschen Wetterdienstes wurde Anfang Dezember 1987 die gesamte Station einschließlich der darin untergebrachten Meßgeräte zerstört. Der Schaden beträgt etwa 3.000 DM. 178 5. Abschnitt Spionageabwehr 1. Allgemeines Die Bundesrepublik Deutschland war auch im Jahre 1987 in allen Bereichen des öffentlichen Lebens intensiven Ausspähungsversuchen der Nachrichtendienste kommunistischer Staaten ausgesetzt. Die Anzahl der festgestellten Aufträge sowie der bekanntgewordenen Personen, die 1987 von Nachrichtendiensten des Ostblocks zu einer Spionagetätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert worden waren, nahm weiter zu. Hauptträger geheimdienstlicher Aktivitäten gegen Bayern waren wiederum die Nachrichtendienste der DDR, gefolgt von den Diensten der CSSR, der UdSSR, Rumäniens, Polens, Bulgariens, Ungarns und Jugoslawiens. Von den Nachrichtendiensten der DDR war insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) aktiv. Aufgrund der geographischen Lage sowie seiner politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bedeutung war Bayern 1987 in vielen Bereichen von Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft das Ziel gegnerischer Spionageaktivitäten. Der Schwerpunkt der bekanntgewordenen nachrichtendienstlichen Angriffe lag dabei wie im Vorjahr bei der politischen Spionage. Nach wie vor spielt auch die militärische Spionage eine bedeutende Rolle; allerdings ging ihr Anteil gegenüber 1986 etwas zurück. Die Ausspähungsbemühungen für den Bereich Wirtschaft und Wissenschaft nahmen dagegen zu. 1987 wurden in Bayern fünf Personen wegen Spionageverdachts festgenommen. Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte vier Personen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu Freiheitsstrafen zwischen einem und drei Jahren. 2. Zielrichtung / Zielobjekte 2.1 Politische Spionage Zielobjekte der politischen Spionage waren im besonderen die US-Rundfunksender Radio Free Europe und Radio Liberty in München, die Notaufnahmeund Flüchtlingslager sowie die Sicherheitsbehörden wie Polizei und Nachrichtendienste in Bayern. Das Ausforschen des Umfeldes von Mitarbeitern sowie der Versuch des Einschleusens von Agenten standen hier im Vordergrund. So setzte sich der Chefredakteur des russischen Programms von Radio Free Europe, T., 1986 in die UdSSR ab. Während einer Moskauer Pressekonferenz erklärte er später, daß er mit Hilfe einer sowjetischen Botschaft im euro179 päischen Ausland in die UdSSR heimgekehrt sei. Es stellte sich heraus, daß T. wichtige Dokumente nach Rußland mitgenommen hatte. Seine Lebensgefährtin war ebenfalls für den sowjetischen Geheimdienst KGB tätig und wurde inzwischen rechtskräftig wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. In hohem Maße richteten sich die Aktivitäten auch gegen die Ostemigration. Die nachrichtendienstlichen Aufträge bezogen sich auf das Abklären von Emigranten und Aussiedlern, insbesondere aus Polen und der CSSR. Weitere Aufträge dienten der Beschaffung von Exilpublikationen und Informationen aller Art aus Emigrantenkreisen. Das große Interesse der gegnerischen Nachrichtendienste an der Ostemigration zeigt folgender Fall des Maurermeisters B.: B. kam 1979 im Auftrag des polnischen Nachrichtendienstes als Tourist getarnt nach München und kehrte nicht mehr nach Polen zurück. 1984 wurde er als Asylant anerkannt. Danach schloß er sich in München dem Verband Polnischer Flüchtlinge in Deutschland, dem Kongreß Freies Polen in Europa und der Solidarischen Arbeitsgruppe München als Mitglied an. B. übernahm in diesen Verbänden Funktionen, die ihm gute Kontakte zu den in München lebenden Polen ermöglichten. B. lieferte in der Folgezeit soviel Unterlagen aus der Münchner Emigrantenszene wie möglich. Über bestimmte Vorkommnisse berichtete er mündlich. Bei seinen Treffs mit Angehörigen des polnischen Nachrichtendienstes im Bundesgebiet, in Österreich und Ungarn wurde B. intensiv über alle Vorgänge im Münchner Emigrantenbereich und über die polnische Abteilung beim Sender Radio Free Europe befragt. Bei seinem letzten Grenzübertritt konnte B. mit Schriftmaterial polnischer Emigrantenorganisationen und eigenen Berichten festgenommen werden. Eigenen Angaben zufolge wollte er durch seine Tätigkeit für den polnischen Nachrichtendienst erreichen, daß die dortigen Behörden die Ausreise seiner noch in Polen lebenden Frau in die Bundesrepublik Deutschland genehmigen. Im Juli 1987 wurde B. wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt; das Urteil ist rechtskräftig. 2.2 Militärische Spionage Das Hauptinteresse militärischer Spionage besteht im Auskundschaften der Soldaten und zivilen Mitarbeiter sowie der Objekte der Bundeswehr und der NATO und der Betriebe der Verteidigungswirtschaft im weitesten Sinne. Obwohl hier ein Rückgang der bekanntgewordenen Aufträge zu verzeichnen war, ist wieder erkennbar, daß die Feststellung von Namen und Anschriften von Offizieren, von Berufsund Zeitsoldaten sowie die Erkundung der militärischen Standorte verschiedener Einheiten den Nachrichtendiensten des Ostblocks ein besonderes Anliegen ist. Folgender Fall verdeutlicht die Zielrichtung und Vorgehensweise der gegnerischen Dienste: Zehn Jahre lang lieferte ein 57jähriger Diplomingenieur dem militärischen Nachrichtendienst der DDR Berichte über militärische Projekte und den Rüstungsbestand des westlichen Bündnisses. Erste Kontakte zu diesem Nach180 richtendienst hatte der freiberufliche Ingenieur durch eine Stellenanzeige in einer überregionalen Tageszeitung bekommen, über die er nach längerer Arbeitslosigkeit neue Auftraggeber suchte. Ein "Industrieinstitut" aus Potsdam meldete sich auf das Inserat und bat zu einem Gespräch nach Berlin (Ost). Die Gesprächspartner zeigten sich zunächst nur an Prospektmaterial von Fachmessen für Elektronik und Flugtechnik interessiert. Sie hätten nicht genügend Personal, um eigene Leute in die Bundesrepublik Deutschland zu schicken. Erst nach einigen "Probeaufträgen" stellten sich die Auftraggeber als Mitarbeiter eines Geheimdienstes vor und gaben dem Ingenieur den konkreten Auftrag zur Beschaffung von Informationsmaterialien des privaten Instituts DMS (Defense Marketing Services). Die Berichte des in den USA ansässigen Instituts sind den Ostblockländern auf offiziellem Wege nicht zugänglich. Sie sind vorwiegend für die Rüstungsindustrie der westlichen oder neutralen Länder bestimmt. Die Übersichten können deshalb erhebliche Hilfe für gezielte Spionage leisten. Die Materialanforderung fiel auf; im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gestand der Ingenieur seine nachrichtendienstliche Verstrickung. 2.3 Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage Zugenommen haben 1987 wieder die Ausspähungsbemühungen gegen Wirtschaft und Wissenschaft in Bayern. Die Nachrichtendienste des Ostblocks sind hier nach wie vor besonders an Unternehmen der Elektround Elektronikbranche interessiert. Weitere Ziele sind Betriebe der Verteidigungswirtschaft, kerntechnische Anlagen, Firmen des Flugzeugbaues, die chemische Industrie, Firmen im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung sowie wissenschaftliche Institute. Dabei geht es den Nachrichtendiensten bevorzugt um die Beschaffung firmeninterner Informationen und Unterlagen, Auftragskopien, Prospektmaterial und insbesondere von Embargogütern. Außerdem versuchen sie durch Einschleusen geschulter Agenten direkten Zugang zu wichtigen Unternehmensbereichen zu erhalten oder Personen in den Betrieben ausfindig zu machen, die ihnen für eine Ansprache zur nachrichtendienstlichen Tätigkeit geeignet erscheinen. Folgender Fall zeigt den Versuch des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, Wissenschaftler der Bundesrepublik Deutschland als Perspektivagenten anzuwerben: In Potsdam lernte ein Wissenschaftler aus der Bundesrepublik Deutschland einen 55jährigen, für das MfS tätigen wissenschaftlichen Assistenten aus der DDR kennen. Der deutsche Wissenschaftler wurde kurze Zeit darauf einem weiteren Mitarbeiter des MfS zugeführt, der ihn schriftlich zur geheimdienstlichen Mitarbeit für das MfS verpflichtete. Er nahm mehrere Treffen mit seinen Auftraggebern in Berlin (Ost) wahr. Anschließend trat eine "Kontaktpause" von mehreren Jahren ein. Vermutlich wollte das MfS den Wissenschaftler als sog. "Perspektivagenten" aufbauen mit dem Ziel, eine Anstellung bei einer Hochschule der Bundeswehr oder im wissenschaftlichen Dienst einer politischen Partei zu erreichen. Im Mai 1987 erschien der wissenschaftliche Assistent aus der DDR nach entsprechender fernmündlicher Ankündigung bei dem deutschen Wissenschaftler, um ihn an die nachrichtendienstliche Verpflichtung zu 181 erinnern. Da sich der Wissenschaftler inzwischen offenbart hatte, konnte der Mitarbeiter des MfS festgenommen und in Untersuchungshaft genommen werden. Ein weiterer DDR-Bürger, der 30jährige Arzt K., hatte im Auftrag des MfS versucht, einen am Klinikum einer Technischen Hochschule tätigen Wissenschaftler für eine geheimdienstliche Mitarbeit anzuwerben sowie durch diesen Wissenschaftler Unterlagen und Geräte der medizinischen und pharmakologischen Computertechnologie zu beschaffen. Diesem Ziel dienten zwei Treffen mit dem Wissenschaftler, zu denen K. 1986 und 1987 in die Bundesrepublik Deutschland gereist war. Bei der ersten Kontaktaufnahme des K. mit dem ihm bis dahin unbekannten Wissenschaftler hatte er vorgegeben, mit einem Verwandten des Wissenschaftlers in der DDR bekannt zu sein. Er solle ihm von diesem einen Brief und andere Gegenstände übergeben. Beim letzten Zusammentreffen im Mai 1987 wurde K. festgenommen. 3. Wirtschaftsunternehmen als Zielobjekte nachrichtendienstlicher Technologiebeschaffung Die illegale Beschaffung westlicher Hochtechnologie, deren Ausfuhr nach dem Außenwirtschaftsgesetz und aufgrund der COCOM ("Coordinating Commitee for East-West-Trade Policy")-Vereinbarungen westlicher Staaten untersagt ist, hat im Berichtszeitraum weiter an Bedeutung zugenommen. Unter dem Deckmantel diplomatischer, konsularischer oder geschäftlicher Tätigkeit suchen Nachrichtendienst-(ND-)Offiziere, die an den Botschaften, Konsulaten und Handelsvertretungen der Warschauer-Pakt-Staaten in verdeckter Funktion Dienst tun, Kontakte zu Firmenangehörigen, um sie für eine nachrichtendienstliche Mitarbeit zu gewinnen. Nachrichtendienstliche Aktivitäten gehen auch von zahlreichen Niederlassungen östlicher Staatshandelsunternehmen sowie von Gemischten Firmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland aus. Gemischte Firmen sind Handelsgesellschaften, an denen neben deutschen Partnern osteuropäische Staatshandelsfirmen mehrheitlich beteiligt sind oder die durch die Besetzung der Firmenleitung unter maßgeblichem Einfluß eines Ostblocklandes stehen. Den deutschen Geschäftspartnern dieser Firmen ist gerade am Beginn der Verbindung häufig nicht bewußt, daß sie mit dem Repräsentanten eines aus dem Ostblock gesteuerten Unternehmens verhandeln. Häufig hat dies eine fehlende Sensibilisierung und mangelnde Wachsamkeit gegenüber nachrichtendienstlichen Varianten bestimmter Geschäftsziele zur Folge. 3.1 Anbahnung Insbesondere anläßlich des Besuchs von Messen, Ausstellungen und Kongressen nehmen ND-Offiziere des Ostblocks Kontakt zu Mitarbeitern interessanter Firmen auf und versuchen bei weiteren Kontakten, diese Firmenangehörigen nachrichtendienstlich zu verstricken. Sowjetische Nachrichtendienste bedienen sich neben der klassischen, durch konspirative Arbeitsweise geprägten Beschaffung geschützter westlicher Technologie zunehmend auch einer halboffenen Arbeitsmethode. Verdeckt arbeitende ND-Offiziere, insbesondere 182 aus der UdSSR, legen deutschen Großunternehmen umfangreiche Bestellisten vor, die neben offen lieferbaren Artikeln auch Positionen enthalten, die von den jeweiligen Firmen in der Regel nicht vertrieben werden und zum Teil Embargobestimmungen unterliegen. Sie versuchen, eine Verknüpfung von legalen und illegalen Geschäften dadurch zu erreichen, daß sie die Bestellung der legal zu liefernden Ware von der Lieferung auch der Embargoware abhängig machen. Große Unternehmen wären meist problemlos in der Lage, die gewünschte Embargoware zu beschaffen, da es sich zumeist um Einzelstücke handelt. Die Lieferung von Embargogütern wird jedoch von seriösen Unternehmen regelmäßig abgelehnt. Einige Unternehmen haben dagegen in der Vergangenheit als Ersatz Firmen benannt, über die die Embargoware dann beschafft werden konnte. Es handelt sich hierbei meist um kleine oder neue Firmen, die oft aus finanziellen Gründen auf jeden Vertragsabschluß angewiesen und daher auch bereit sind, illegale Geschäfte zu tätigen. Da in der Regel keine schriftliche Korrespondenz existiert und auch keine Rechnungen ausgestellt werden, wird die Geschäftsverbindung nach außen hin nicht bekannt und kann im Einzelfall nur schwer nachgewiesen werden. 3.2 Kontaktierung Die Auswahl der Zielpersonen geschieht auch bei Vortragsund Diskussionsveranstaltungen sowie bei Seminaren. Dabei haben die ND-Offiziere die Möglichkeit, Kontakte zu interessanten Personen zu knüpfen und in einem zwanglosen und scheinbar allgemein gehaltenen Gespräch wichtige Informationen über die private und berufliche Situation des Firmenangehörigen in Erfahrung zu bringen. Dies bildet die Grundlage für eine nachrichtendienstliche Werbung. Bei Eignung der Zielperson erkundigt sich der ND-Offizier -- zumeist unter vier Augen -- nach Namen und Telefonnummer oder vereinbart sofort ein weiteres Treffen. Diese Verabredung stellt den Beginn eines Kontaktes dar, der oft in einer nachrichtendienstlichen Verstrickung endet. 3.3 Werbung Ein Schwerpunkt besteht in der Werbung von Personen, die sich noch in der beruflichen Ausbildung oder am Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit befinden (sog. "Perspektivagenten"). Von ihnen wird erwartet, daß sie in einflußreiche Stellen des öffentlichen Dienstes oder politischer Parteien aufsteigen bzw. wichtige Positionen in der Wirtschaft oder Industrie erreichen. In der Anwerbung dieser Perspektivagenten wird die Chance gesehen, daß diese Personen in einigen Jahren in ihrem Beruf Funktionen wahrnehmen, in denen sie dann wichtige Informationen liefern können. Eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland liegt bei der Werbung von Perspektivagenten darin, daß diese keinen für ihre Umgebung erkennbaren Kontakt zum kommunistischen Machtbereich haben. Sie haben dadurch gute Chancen, lange Zeit unauffällig und unentdeckt zu bleiben. Darüber hinaus schafft die behutsame Werbung eines Agenten auf psychologischer Basis eine bessere 183 Grundlage für eine langjährige nachrichtendienstliche Zusammenarbeit, als eine Werbung, anläßlich eines kurzen Aufenthalts der Zielperson im kommunistischen Machtbereich. Da auch in der Zeit zwischen Werbung und eigentlichem Einsatz finanzielle Zuwendungen gezahlt werden, tritt zudem eine gewisse Gewöhnung an den vermeintlich leichten Nebenverdienst ein. 3.4 Verstrickung Die nachrichtendienstliche Anbahnung und Verstrickung einer Zielperson ist von dem Bemühen des ND-Offiziers geprägt, eine Vertrauensbasis zu schaffen und eine enge persönliche Bindung herbeizuführen. Diese sogenannte "Kultivierungsphase" kann sich z.T. über Jahre erstrecken. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß für die Zielperson die nachrichtendienstlichen Absichten des "Bekannten" kaum erkennbar werden. In dieser Zeit lernt der ND-Offizier die Zielperson mit ihren Neigungen, Problemen und Schwächen kennen und versteht es geschickt, die Charaktereigenschaften für eine kontinuierliche Werbung zu nutzen. So findet z.B. die -- angebliche -- Freundschaft des ND-Offiziers ihren Ausdruck in kleinen Geschenken, für die zunächst keine Gegenleistung gefordert wird. Für die Zielperson kaum merklich trifft der ND-Offizier in dieser Phase der Verbindung erste Sicherheitsmaßnahmen, um die Verbindung gegenüber Außenstehenden geheimzuhalten. Dazu gehört z.B. die Bitte, ihn nicht in seiner Dienststelle anzurufen oder aufzusuchen. Da somit lediglich die Möglichkeit einer einseitigen Verbindungsaufnahme besteht, vereinbart man die Termine für das nächste Treffen bereits beim vorhergehenden Zusammenkommen. Man einigt sich auch auf einen Ausweichtermin für den Fall, daß die Zielperson zu diesem Zeitpunkt verhindert sein sollte. 3.5 Auftragserteilung Während der "Kultivierungsphase" erteilt der ND-Offizier bereits kleinere Aufträge, die von der Zielperson eher aus Gefälligkeit erledigt werden. So soll sie z. B. offen erhältliche Prospekte oder Zeitschriften aus dem Tätigkeitsbereich des Unternehmens besorgen und dem ND-Offizier übergeben. Solche Gefälligkeiten werden dann mit Geld oder auch wertvolleren Geschenken entlohnt. Erst nach und nach werden Aufträge zur Beschaffung von Informationen aus einem Fachbereich erteilt. Aufträge zur Beschaffung geschützter Informationen werden erst gefordert, wenn die Zielperson an regelmäßige und zusätzliche Einkünfte gewöhnt und die Verbindung so gefestigt ist, daß der ND-Offizier nicht mehr befürchten muß, seine Zielperson werde sich weigern oder den Sicherheitsbehörden offenbaren. 4. Angehörige des öffentlichen Dienstes als Zielpersonen nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung Die Spionageabwehr enttarnt seit Jahren Schreibkräfte, die von Angehörigen östlicher Nachrichtendienste unter Vortäuschung einer Liebesbeziehung zur Mitarbeit gewonnen werden. Diese Fälle gleichen sich in wesentlichen Punkten 184 und zeigen, mit welcher Skrupellosigkeit gegnerische Nachrichtendienste menschliche Beziehungen mißbrauchen. Insbesondere die Nachrichtendienste der DDR und der UdSSR nutzen das Kontaktbedürfnis alleinstehender Frauen schamlos für ihre eigenen Zwecke aus. Bis auf wenige Ausnahmen laufen alle diese Spionageoperationen nach demselben Muster ab. Die kommunistischen Nachrichtendienste schleusen geheime Mitarbeiter unter falscher Identität in die Bundesrepublik Deutschland und das westliche Ausland ein. Sie haben den Auftrag, alleinstehende Frauen mit interessanten Zugangsmöglichkeiten zu erkunden und nachrichtendienstlich zu verstricken. Der Ablauf der nachrichtendienstlichen Anwerbung wird jeweils auf die persönlichen Verhältnisse zugeschnitten. Die ersten Kontakte werden in unverfänglicher Weise aufgenommen. Man lernt sich "zufällig" in einem Cafe kennen, kommt sich bei der Arbeit näher, man ist z.B. als Wohnungsnachbar bei einer kleinen Autoreparatur behilflich oder man lernt sich zufällig im Urlaub kennen. Wie weit das Spiel mit den Gefühlen des Opfers getrieben wird, hängt vom Einzelfall ab. Es kann sich auf eine Freundschaft beschränken, aber auch zur Verlobung oder Eheschließung im Auftrag des MfS oder des sowjetischen Geheimdienstes KGB führen. Auf jeden Fall wird eine persönliche Beziehung als Basis für die weitere Spionagetätigkeit geschaffen. Wenn das Opfer noch nicht in einer nachrichtendienstlich interessanten Stellung ist, veranlaßt der "Freund" oder "Ehemann" es nunmehr dazu, Fortbildungskurse zu besuchen, um so die Voraussetzung zur Anstellung als Sekretärin in der Politik oder Wirtschaft zu schaffen. Die geheimen Mitarbeiter geben sich auch häufig als Angehörige westlicher befreundeter Nachrichtendienste aus, um so der Informationslieferung den Anschein des Verrats zu nehmen. Läßt sich diese Legende nicht mehr aufrecht erhalten, wird der Abbruch der Beziehungen angedroht. Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland wurden mindestens 58 deutsche Sekretärinnen zur Zusammenarbeit mit gegnerischen Nachrichtendiensten angeworben. Alle Fälle der Ausnutzung besonderer persönlicher Bindungen und Empfindungen hatten für die Betroffenen tragische Folgen. Sie verloren nach Enttarnung ihre berufliche Existenz, ihren Freundeskreis und wurden zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Oft verloren sie auch jeden persönlichen Halt, denn die bisherige Bezugsperson hatte sich als skrupellos herausgestellt. Eine der enttarnten Sekretärinnen, die feststellen mußte, daß die geschlossene Ehe nichtig war, da der Agent bereits verheiratet war, beging in der Untersuchungshaft Selbstmord. 5. Offenlegung nachrichtendienstlicher Kontakte Spionage, Infiltration und Desinformation sind nach kommunistischer Auffassung Mittel und Wege, das ideologische Ziel der Überwindung des "Imperialismus" zu erreichen. Trotz erklärter Abrüstungsbereitschaft ist eine "Abrüstung" der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Ostblocks nicht festzustellen. 185 Weiterhin werden Mensch und Technik in vollem Umfang für Spionagezwecke benützt. Der Auftrag zur Ausforschung gilt grundsätzlich für alle Institutionen im Ostblock, die Kontakte in den Westen knüpfen können. Einer Werbung zur Agententätigkeit sind vielfach Personen in Ostblockstaaten ausgesetzt, die Anträge auf Ausreise in den Westen stellen. Werbungsversuchen unterliegen auch verstärkt Personen, die einen Partner mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland heiraten wollen. Deutsche mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland werden insbesondere bei Verwandtenbesuchen, Urlaubsund Geschäftsreisen oder sonstigen Aufenthalten in kommunistisch regierten Ländern, aber auch im Bundesgebiet oder im westlichen Ausland geworben. Zielpersonen sind häufig Geschäftsleute und Firmenvertreter, die durch lukrative Angebote zur illegalen Technologiebeschaffung gewonnen werden sollen. Gelegenheit für Ansprachen bietet auch das Personal westlicher Firmenvertretungen im Ostblock. Schon ein Anbahnungsversuch und erst recht eine evtl. unter dem Zwang der besonderen Verhältnisse abgegebene Zusage zu einer Mitarbeit sollte den Verfassungsschutzbehörden bekanntgegeben werden. Jedes Unterlassen oder auch nur Hinauszögern einer Offenlegung der Kontakte führt unweigerlich zu noch tieferer nachrichtendienstlicher Verstrickung. Personen, die bereits von einem Nachrichtendienst angesprochen bzw. angeworben worden sind oder mit einem entsprechenden Auftrag in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln durften, wird deshalb dringend empfohlen, ihre Verstrickung offenzulegen. Auch in Zweifelsfällen ist anzuraten, sich mit dem Geheimschutzbeauftragten der betreffenden Behörde, dem Sicherheitsbevollmächtigten des Betriebes oder direkt mit dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz in München 45, Knorrstraße 139, Telefon 31201-0, in Verbindung zu setzen. Dort werden Hinweise und Sachverhalte vertraulich behandelt. Verfassungsschutzbehörden unterliegen nicht der gesetzlichen Pflicht zur Anzeige einer Straftat. Somit kann bei rechtzeitiger freiwilliger und umfassender Offenbarung weitreichende Unterstützung bei der Bewältigung privater oder beruflicher Konfliktsituationen gewährt werden. 186 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst Das öffentliche Dienstrecht fordert nach dem Grundgesetz, den Beamtengesetzen und den tarifvertraglichen Regelungen von den Angehörigen des öffentlichen Dienstes Treue zur Verfassung. Das Verfahren zur Prüfung dieser Einstellungsvoraussetzung sowie zur Feststellung von Verletzungen der Treuepflicht regelt die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 (vgl. Anhang 2). 1. Einstellungsüberprüfung Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wirkt bei der Überprüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst in Erfüllung eines gesetzlichen Auftrages mit. Die Kampagne der Extremisten, die dieses Verfahren unter dem politischen Schlagund Reizwort vom Berufsverbot für Radikale diffamieren, hält seit Jahren an. Selbst ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das die Entlassung eines Postbeamten aus dem Beamtenverhältnis wegen dessen DKP-Aktivitäten bestätigte, bezeichnete die DKP als "Alarmzeichen für alle Demokraten", das Anlaß sein müsse, den Widerstand gegen den Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten zu stärken. Die Zahlen für 1987 ergeben folgendes Bild: Zu 20.758 Anfragen über Bewerber für den öffentlichen Dienst in Bayern teilte das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bayerischen Staatsministerium des Innern in 57 Fällen (51 aus dem linksextremen und 6 aus dem rechtsextremen Bereich) Erkenntnisse mit. In 29 Fällen (26 aus dem linksextremen, 3 aus dem rechtsextremen Bereich) gab das Staatsministerium des Innern Erkenntnisse an die Einstellungsbehörden weiter. Zu Ablehnungen kam es im Jahre 1987 nicht, da die meisten Bewerber die aufgrund ihres Verhaltens in der Vergangenheit entstandenen Zweifel an der Verfassungstreue durch eindeutiges Abrücken vom Extremismus ausräumen konnten. In einem Fall wurde der Bewerber für den juristischen Vorbereitungsdienst nicht in das Beamtenverhältnis auf Widerruf übernommen, kann den Vorbereitungsdienst jedoch in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis ableisten. Über einen weiteren Fall wurde noch nicht entschieden. Die Zahlen zeigen, daß das ebenso häufig wie grundlos kritisierte bayerische Verfahren der "Regelanfrage" für junge, am öffentlichen Dienst interessierte 187 Menschen kein Anlaß sein kann, während der Ausbildung ein unkritisch angepaßtes Verhalten an den Tag zu legen. Zur "Einschüchterung" ist der Beschluß der Bayer. Staatsregierung vom 27. März 1973 weder bestimmt noch geeignet. 2. Extremisten im öffentlichen Dienst Als Extremisten im öffentlichen Dienst sind hier Bedienstete erfaßt, die in den letzten fünf Jahren als Mitglieder oder aktive Angehörige extremistischer Parteien und Organisationen oder sonst mit erheblichen extremistischen Aktivitäten in Erscheinung getreten sind. Da nicht in allen Fällen gerichtsverwertbare Erkenntnisse vorliegen, die die Ablehnung einer Bewerbung bzw. eine Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen, gelingt es auch Extremisten, in den öffentlichen Dienst zu gelangen bzw. dort zu verbleiben. Ende 1987 waren dies (in Klammern die Vergleichszahlen für 1986): Linksextremisten Gesamtzahl davon in DKP DKP-NebenGruppen und beeinder flußten OrNeuen ganisationen Linken Landesdienst 203 (189) 25 (22) 21 (26) 157(141) Kommunaldienst 128 (129) 86 (82) 12(16) 30 (31) sonst, öffentl. Einrichtungen 16 (19) 5 (8) M-) 10 (11) Zusammen 347 (337) 116(112) 34 (42) 197 (183) Bei den im öffentlichen Dienst beschäftigten Extremisten, die den Gruppen der Neuen Linken zuzurechnen sind, handelt es sich im wesentlichen um Angehörige der Marxistischen Gruppe (MG). Vgl. 1. Abschnitt Nr. 3.2.6. Von den linksextremen Landesbediensteten waren beschäftigt: 118 (108) als Lehrpersonal an Grund-, Haupt-, Sonder-, Realschulen und Gymnasien 41 (36) als wissenschaftliches und sonstiges Personal an Hochschulen 12 (13) im Justizdienst 32 (32) in sonstigen Verwaltungszweigen Von den linksextremen Kommunalbediensteten waren beschäftigt: 21 (24) als Bedienstete an städtischen Krankenanstalten 40 (34) in sozialpädagogischen Berufen wie Sozialarbeiter, Jugendheimleiter 18 (16) als Lehrer an städtischen Schulen 49 (55) in sonstigen Verwaltungszweigen 188 Außerdem sind weitere 48 Linksextremisten mit Wohnsitz in Bayern bei Bundesbehörden beschäftigt. Rechtsextremisten Gesamtzahl davon in NPD DVU Landesdienst 13(11) 4 (2) 7 (9) Kommunaldienst 10(13) 5 (7) - (2) sonstige öffentl. Einrichtungen - (2) - (1) - (-) Zusammen: 23(26) 9(10) 7 (11) Von den rechtsextremen Landesbediensteten waren beschäftigt: 2 (4) als Lehrer an Grund-, Haupt-, Realschulen, Gymnasien und Fachhochschulen 5 (5) im Justizund Polizeidienst 6 (2) in sonstigen Verwaltungszweigen 189 Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1974 (BayRS 12-1-1) Art. 1 Zuständigkeit (1) In Bayern wird ein Landesamt für Verfassungsschutz errichtet. Es ist eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnete Behörde und ist ausschließlich für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Art. 2 zuständig. Nach Bedarf können Außenstellen des Landesamtes für Verfassungsschutz eingerichtet werden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (3) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Art. 2 Aufgaben (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben; 190 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht; 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können; 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen; 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte; 4. bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder über alle Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, von denen es Kenntnis erhält und die für den Bund oder das betreffende Land von Wichtigkeit sind. Art. 3 Befugnisse Polizeiliche Befugnisse oder ein Weisungsrecht gegenüber Polizeidienststellen stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Art. 2 Abs. 1 und 2 ist das Landesamt für Verfassungsschutz befugt, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Art. 4 Amtshilfe und Auskunftserteilung (1) Die Behörden und Einrichtungen des Staates, die Gemeinden, die Gemeindeverbände, die sonstigen der Aufsicht des Staates unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die Gerichte und das Landesamt für Verfassungsschutz leisten einander Rechtsund Amtshilfe. 191 (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den in Absatz 1 genannten Stellen Auskünfte und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. (3) Darüber hinaus haben die in Absatz 1 genannten Stellen dem Landesamt für Verfassungsschutz alle Tatsachen und Unterlagen über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinn des Art. 2 Abs. 1 unaufgefordert zu übermitteln. Art. 5 Durchführungsbestimmungen Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen erläßt das Staatsministerium des Innern. Art. 6 Inkrafttreten Das Gesetz ist dringlich. Es tritt am 1. November 1950 in Kraft.*) *) Diese Vorschrift betrifft das Inkrafttreten des Gesetzes in der ursprünglichen Fassung vom 22. November 1950 (BayBS I S. 434). Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der späteren Änderungen ergibt sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. 192 Anhang 2 Bayerischer Staatsanzeiger Nr. 16 vom 19. April 1973 Staatskanzlei Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 Nr. A I 3 -- 180-6-84 Die Bayerische Staatsregierung hat in ihrer Sitzung vom 27. März 1973 in Übereinstimmung mit dem Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 ihren Beschluß vom 25. April 1961 über verfassungsfeindliche Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 25. April 1961, StAnz Nr. 19) durch die folgende Bekanntmachung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst neu gefaßt: I. Die Regierungschefs des Bundes und der Länder haben am 28. Januar 1972 folgenden Beschluß gefaßt "1. Nach den Beamtengesetzen in Bund und Ländern -- darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt; -- sind Beamte verpflichtet, sich aktiv innerhalb und außerhalb des Dienstes für die Erhaltung dieser Grundordnung einzusetzen. Es handelt sich hierbei um zwingende Vorschriften. 193 2. Jeder Einzelfall muß für sich geprüft und entschieden werden. Von folgenden Grundsätzen ist dabei auszugehen: 2.1 Bewerber 2.1.1 Ein Bewerber, der verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelt, wird nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt. 2.1.2 Gehört ein Bewerber einer Organisation an, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. Diese Zweifel rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung des Einstellungsantrages. 2.2 Beamte Erfüllt ein Beamter durch Handlungen oder wegen seiner Mitgliedschaft in einer Organisation verfassungsfeindlicher Zielsetzung die Anforderungen des SS 35 Beamtenrechtsrahmengesetz nicht, aufgrund derer er verpflichtet ist, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, so hat der Dienstherr aufgrund des jeweils ermittelten Sachverhalts die gebotenen Konsequenzen zu ziehen und insbesondere zu prüfen, ob die Entfernung des Beamten aus dem Dienst anzustreben ist. 3. Für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst gelten entsprechend den jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen dieselben Grundsätze." II. Die Bayerische Staatsregierung hat die Verbindlichkeit dieser Grundsätze für alle öffentlich-rechtlichen Dienstherren und Arbeitgeber in Bayern mit Beschluß vom 18. April 1972 bestätigt. Zu ihrer Durchführung wird folgendes bestimmt: 1. Vor der Einstellung eines Bewerbers in den öffentlichen Dienst haben die Einstellungsbehörden zunächst beim Staatsministerium des Innern anzufragen, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Einstellung begründen. Das Staatsministerium des Innern ist verpflichtet, Anfragen dieser Art unverzüglich zu beantworten. Die Auskünfte sind auf Tatsachen zu beschränken, die gerichtsverwertbar sind. Die Anfrage nach Satz 1 entfällt, wenn bereits aufgrund anderer Vorschriften eine Überprüfung vor der Einstellung vorgesehen ist. 2. Beabsichtigt die Einstellungsbehörde nach Eingang der Auskunft des Staatsministeriums des Innern, den Bewerber einzustellen, so ist der Bewerber vor der Entscheidung über die Einstellung zunächst gemäß Anlage 1* schriftlich zu belehren und zur Unterzeichnung der Erklärung gemäß Anlage 2* aufzufordern. nicht abgedruckt 194 3. Bestehen aufgrund der vom Staatsministerium des Innern mitgeteilten oder anderweit bekannt gewordener Tatsachen oder wegen der Weigerung, die vorbezeichnete Erklärung zu unterschreiben, Zweifel daran, daß der Bewerber jederzeit für die freineiiiiche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt, so ist ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Können die Zweifel nicht ausgeräumt werden, so darf er nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt werden. 4. Wird die Einstellung in den öffentlichen Dienst deshalb abgelehnt, weil der Bewerber nicht die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt, so ist die Entscheidung dem Bewerber schriftlich unter Darlegung der Gründe mitzuteilen; betrifft sie die Übernahme in ein Beamtenoder Richterverhältnis, so muß sie außerdem eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. 5. Nummern 1 bis 4 gelten auch für Bewerbungen um die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Dabei sind Ausbildungszweck und Ausbildungsweise zu berücksichtigen. 6. Besteht der Verdacht, daß ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstößt, so prüft seine Dienststelle, ob die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen sind, um ihn zur Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten oder ihn aus dem Dienst zu entfernen. Art. 70 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes ist zu beachten. 7. In den Fällen der Nummern 4 und 6 sind die zuständige oberste Dienstbehörde und die Staatsministerien des Innern und der Finanzen vor der Entscheidung zu unterrichten und über den Fortgang der Sache auf dem laufenden zu halten. III. Den Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, nach den vorstehenden Bestimmungen zu verfahren. IV. Diese Bekanntmachung tritt am I.April 1973 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 25. April 1961 (StAnz Nr. 19) außer Kraft. München, den 27. März 1973 Der Bayerische Ministerpräsident Dr. h. c. Goppel 195 Anhang 3 Verzeichnis von Publikationen deutscher extremistischer und extremistisch beeinflußter Organisationen Titel zuzuordnen Abrüstungsinfo DFU Alternative DFG-VK Antifaschistische Nachrichten VVN-BdA antifaschistische rundschau VVN-BdA antifaschistischer informationsund Pressedienst VVN-BdA Arbeiterkampf (AK) KB Bayern-Stimme NPD Bayern Info DFU Bildungs-Magazin DKP-Bildungszeitschrift Blätter für deutsche und internationale DKP-nahe Politik Publikation Das Freie Forum GFP Demokratie und Recht DKP-nahe Zeitschrift Demokratische Erziehung DKP-nahe Bildungszeitschrift Demokratischer Informationsdienst (DID) ASKo Demokratisches Gesundheitswesen DKP-nahe Zeitschrift Denk mit! Denk-mitl-Verlag Der Bismarck-Deutsche DDF Der rote Besen Frauenzeitschrift der DKP-Südbayern 196 Titel zuzuordnen Der Scheinwerfer E. Hefendehl Deutsche Monatshefts Türmer-Verlag Deutsche National-Zeitung (DNZ) DSZ-Verlag Deutsche Stimme NPD Deutsche Volkszeitung/die tat DFU/WN-BdA Deutsche Wochen-Zeitung (DWZ) DSZ-Verlag Deutscher Anzeiger (DA) DSZ-Verlag Deutscher Beobachter FAP Die Neue Front "Bewegung" Eiserne Lerche DKP elan, das Jugendmagazin SDAJ Erlanger Hochschulzeitung MG FAP-Nachrichten FAP Fränkisches Volk "Bewegung" freiraum undogmatische Neue Linke Friedens-Journal KFAZ friedenspolitischer informationsdienst DFG-VK (fid) Huttenbriefe Freundeskreis Ulrich von Hutten info demokratie DFU Info-Dienst DKP Informationsdienst München Autonome München JN-Bayern-Info JN JN - Info JN Junge Deutsche Stimme JN Junge Stimme JN Kämpfende Jugend Kämpfende Jugend Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) AB Kürbiskern DKP-nahe Zeitschrift Linke Seite -- für Kulturfreunde, Bildungszeitung der Schaffende & Politiker DKP-Südbayern 197 Titel zuzuordnen Marxistische Arbeiterzeitung (MAZ) MG Marxistische Schulzeitung MG Marxistische Blätter DKP Marxistische Streitund Zeitschrift MG - Gegen die Kosten der Freiheit (MSZ) Mensch und Maß Verlag Hohe Warte Münchner Hochschulzeitung MG NACHRICHTEN zur Wirtschaftsund DKP-nahe Zeitschrift Sozialpolitik/Gewerkschaftsspiegel Nachrichten der HNG HNG Nation Europa (NE) NE-Verlag Neue Lage ADS Neuer politischer Dienst NPD NHB-Report NHB NPD-Forum NPD NPD-Frankenspiegel NPD NR-Info-Dienst Nationalrevolutionäre Nürnberger Hochschulzeitung MG Oberland JN Panzerknacker DFG-VK Pionier JP Pionierleiterinformation JP Politische Berichte BWK praxis DKP Pressedienst DFU radikal Autonome Berlin (West) radikarl ASJG Rebell AJV Regensburger Hochschulzeitung MG Resultate MG Revolutionärer Weg MLPD rote blätter MSB Spartakus 198 Titel zuzuordnen Rote Fahne MLPD Rührt Euch ADS Rührt Euch RSK Rundbrief KFAZ Rundbriefe der Europäischen DBI Freiheitsbewegung Schnelldienst KFAZ Sozialistische Zeitung (SoZ) VSP SoZ-Magazin VSP Südost-Info JN tendenzen -- Zeitschrift für DKP-nahe engagierte Kunst Zeitschrift Unsere Zeit (UZ) DKP-Zentralorgan Volksecho VOLKSFRONT Volkszeitung DFU/WN-BdA Wikinger WJ Wille und Weg JN Wir Frauen DFI Würzburger Hochschulzeitung MG Zivilcourage DFG-VK Zusammen Kämpfen -- Zeitung für die Sprachrohr antiimperialistische Front in Westeuropa der RAF Anhang 4 Stichwortverzeichnis Action Directe (AD) 163 Aktion Deutsche Einheit (AKON) 107 Aktion Deutsches Radio und Fernsehen (ARF) 107 Aktion Oder-Neiße (AKON) 107 Aktionsausschuß gegen Zwangsarbeit und 68 Abschiebung in Sammellager Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ (ANS/NA) Nationale Aktivisten 93 110 Al Fatah 138 Aktionsgruppe Rudolf Heß * 125 Anarchistische Arbeiter Union (AAU) 80 Anarchistische Föderation Nordbayern (AFNB) 80 Anarchistische Föderation Südbayern (AFS) 80 Antikommunistisches Aktionsbündnis (Antiko) 112 Anti-NATO-Gruppe 78 Anti-Strauß-Komitee (ASKo) 68 Antizionistische Aktion (AA) 112 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 67 Arbeiterjugendverband (Marxisten-/Leninisten) (AJV) 65 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 145 Arbeitsgemeinschaft Fränkisches Volk 112 Arbeitskreis Demokratischer Soldaten (ADS) 45 Arbeitskreis "Junge Familie" 120 Autonome 77 Autonome Sozialistische Jugendgruppen (ASJG) 66 AWARAGAN -- Demokratische Organisation der 137 Afghanen im Ausland 200 Befreiungseinheiten Kurdistans (HRK) 145 Befreiungsorganisation der Türkei und Nordkurdistan (TKKKÖ) 155 "Bewegung" ehemaliger ANS/NA-Anhänger nu Bolsevik Partizan 152 Brückenverlag GmbH (DKP) 36 Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) 99 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 71 Bundeskonferenz unabhängiger Friedensgruppen (BUF) 87 Comite Objectiv entraide et solidarity avec les victimes (COBRA) 116 de la Repression Antinationaliste Demokratische Fraueninitiative (DFI) 59 Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) 138 Demokratischer Jugendzirkel Regensburg 70 Denk mitl-Verlag 132 Deutsche Aktionsgruppen (DA) 118 Deutsche Bürgerinitiative (DBI) 118 Deutsche Friedensgesellschaft -- (DFG-ldK) 54 Internationale der Kriegsdienstgegner Deutsche Friedensgesellschaft -- (DFG-VK) 54 Vereinigte Kriegsdienstgegner Deutsche Friedens-Union (DFU) 49 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 16 DKP-Hochschulgruppe (DKP-HG) 41 Deutsche Kulturgemeinschaft (DKG) 123 Deutsche Liste 108 Deutsche Reichspartei (DRP) 97 Deutsche Volksliste 108 Deutsche Volksunion e.V. (DVU) 104 Deutsche Volksunion -- Liste D (DVU108 Liste D) Deutscher Block (DB) 119 Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur 108 Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG) 93 201 Devrimici Isci (Revolutionäre Arbeiter) 154 Devrimici Sol (Revolutionäre Linke) 155 Devrimici Yol (Revolutionärer Weg) 154 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 123 Die Friedensliste 59 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag) 127 Druffel-Verlag 130 Ederer-Verlag 131 Ehrenbund Rudel -- Gemeinschaft zum 107 Schutz der Frontsoldaten Eritreische Befreiungsfront (ELF) 137 Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF) 137 Europäische Bewegung (EB) 134 Föderation Internationale des Resistants (FIR) 28,51 Föderation der Arbeiter aus der Türkei (ATIF) 154 in Deutschland e.V. Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (DIBAF) 151 -- Einigkeit für Demokratie Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan (KOMKAR) 149 in der Bundesrepublik Deutschland e.V. Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der (FIDEF) 151 Bundesrepublik Deutschland e.V. Föderation der patriotischen Arbeiterund Kultur(FEYKA148 vereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland Kurdistan) Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa (ADÜTDF) 157 Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen Föderation Islamischer Vereine und Gemeinden im (FöGA) 87 Land Bayern e.V. 158 Freie Deutsche Jugend (FDJ) 42 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 113 Freiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH (FZ-Verlag) 127 Freunde der nationalen Publizistik 114 202 Freundeskreis Ulrich von Hutten 122 Freundschaftsgesellschaft Bundesrepublik (FG B R D 48 Deutschland -- Kuba e.V. Kuba e.V.) Friedsnsliäte Bayern 59 Front National 99 Gesellschaft für die Freundschaft zwischen den (FG BRD48 Völkern in der Bundesrepublik Deutschland und Vietn.e.V.) der sozialistischen Republik Vietnam e.V. Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 122 Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und (GNN) 71 Nachrichtenverbreitung mbH Göcmen 154 Gruppe Internationale Marxisten -- Deutsche Sektion (GIM) 61 der IV. Internationale Hilfsorganisation für nationale politische (HNG) 115 Gefangene und deren Angehörige Initiative "Frauen in die Bundeswehr? Wir sagen nein!" 59 Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) 107 Initiative "Weg mit den Berufsverboten" 48 Initiative zur Vereinigung der Revolutionären (IVRJ) 70 Jugend Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) 38 Internationales Kulturzentrum 152 Internationale Vereinigung Demokratischer (IVDJ) 28 Juristen Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung (IMSV) 141 Bundesrepublik Deutschland Italienischer Verband der Gastarbeiter (FILEF) 143 und ihrer Familien Jobbergruppe 78 Jugendbund Adler 120 Jugendclub Courage (JCC) 55 Junge Nationaldemokraten (JN) 102 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) 46 Kämpfende Einheit 165 Kämpfende Jugend (KJ) 70 Kameradschaft Günzburg 126 "Kampagne Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung" 91 203 Karl-Marx-Gesellschaft-Trier (KMG) 38 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) 57 Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten (KAH) 111 zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers Kommunistische Jugend Griechenlands (KNE) 140 Kommunistische Partei der Türkei (TKP) 151 Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) 20 Kommunistische Partei Griechenlands (KKE140 Ausland Kommunistische Partei Griechenlands (KKE140 Inland) Kommunistische Internationale (KOMINTERN) 32 Kommunistische Partei Italiens (PCI) 143 Kommunistische Partei Spaniens (PCE) 150 Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) 63 Kommunistischer Bund (KB) 70 Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) 71 Kommunistischer Hochschulbund (KHB) 67 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) 154 Koordinationsstelle Ziviler Ungehorsam (KOZU) 87 Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung (KA) 87 Krefelder Initiative 51,90 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 144 Kroatischer Nationalrat (HNV) 143 Kroatisches Nationalkomitee in Europa (HNO) 144 Kurdischer Arbeiter-Solidaritätsverein e.V. 149 Kurdischer Volksverein e.V. 146 Kurdistan Arbeitervereinigung in Nürnberg e.V. 149 Kurdistan-Komitee 145 Liste Demokratischer AStA (LDA) 67 Liste Stärkt den AStA (LISA) 67 Marxistische Arbeiterbildung (MAB) 38 Marxistische Arbeiterschulen (MASCH) 38 Marxistische Gruppe (MG) 72 Marxistische Bildungsgemeinschaft Oskar Maria Graf 38 Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) 65 204 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 62 Marxistisch-Leninistische Parteien und Bünde (K-Gruppen) 61 /Hl OWJ 65 Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband Marxistischer Studentinnenund (MSB45 Studentenbund Spartakus Spartakus) Movimento Sociale Italiano -- Destra Nazionale (MSI-DN) 143 Münchner Bürgerinitiative für Frieden und (BIFA) 58 Abrüstung Münchner Bürgerinitiative gegen Berufsverbote 48 Münchner Frauen gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit 59 Münchner Friedensbündnis 58 Münchner Friedensforum 91 Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue (N.D.SH.) 144 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 95 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 103 Nationaldemokratischer Unternehmerverband 99 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 145 Nationale Heilspartei (MSP) 158 Nationalistische Front (NF) 117 Nationalrevolutionäre 116 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 110 Nation Europa Verlag GmbH 129 Notgemeinschaft für Volkstum und Kultur 123 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 132 Nürnberger "Bürgerkomitee Verteidigung der 48 Grundrechte -- Aufhebung der Berufsverbote" Nürnberger Frauenbündnis 59 Nürnberger Friedensforum 89 "Olof-Palme-Friedensmarsch für einen atomwaffenfreien 57 Korridor" Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (OIDA) 142 Organisation der Iranischen Studenten in der Bundes(O.I.P.F.G.) 142 republik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran (Ashraf-Deghani-Anhänger) Organisation Iranischer Studenten, Sympathisanten (O.I.S.) 141 der Organisation der Volksfedayin des Iran (Mehrheit) 205 Ostermärsche 88 Pahl-Rugenstein Verlag 36 Pakistan Peoples Party der Bundesrepublik (PPP, BRD) 150 Deutschland, Zentralverband e.V. Pakistanische Volkspartei (PPP) 149 Palästina-Libanon-Komitee (PLK) 138 Palästinensische Befreiungsfront (PFL) 138 Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 138 Palästinensischer Arbeiterverband (PAV) 138 Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 157 Partizan 154 Plambeck u. Co. Druck und Verlag GmbH 36 Prolos 78 Regensburger Soldatenkomitee (RSK) 67 Revolutionär-Sozialistische Jugend -- (RSJ) 66 Roter Maulwurf Revolutionäre Zellen (RZ) 168 Röderberg-Verlag GmbH 36 Rote Armee Fraktion (RAF) 162 Rote Brigaden 163 Rote Zora 168 Samisdat Publishers Ltd. 134 Schutzbund für Leben und Umwelt 108 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 42 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 20 Sozialistischer Hochschulbund (SHB) 27 Sturmvogel -- Deutscher Jugendbund 120 Tudeh-Partei 140 Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) 152 Türkische Kommunistische Partei/ (TKP-ML) 152 Marxisten-Leninisten Türkische VolksbefreiungsparteiMront (THKP/-C) 154 Türkischer Arbeiterverein in München (M.I.DER) 151 Türmer-Verlag 130 UNIDOC-Film GmbH 36 206 Verband der Islamischen Vereine und 158 Gemeinden e.V. Köln Verband der Kriegsdienstverweigerer (VK) 54 Verband Griechischer Gemeinden in der Bundes(OEK) 140 republik Deutschland und West-Berlin Verband Griechischer Studentenvereine in der (OEFE) 140 Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin Verein Palästinensischer Arbeiter (VPA) 138 Verein Türkischer Idealisten e.V. (MÜO) 157 Vereinigung Demokratischer Juristinnen und (VDJ) 58 Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) 158 Vereinigung der Patrioten Kurdistans 146 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) 51 -- Bund der Antifaschisten Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei (TBKP) 151 Vereinigte Münchner Friedensinitiativen (VMF) 58 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 66 Verlag Hohe Warte -- Franz von Bebenburg KG 131 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 145 Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) 106 Volksbewegung gegen Überfremdung (VBÜ) 112 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 138 Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) 71 Volkssozialistische Bewegung Deutschlands / Partei (VSBD/PdA) 114 der Arbeit Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO) 121 Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) 28,42,86 Weltfriedensrat (WFR) 28 Weltkreis-Verlags-GmbH 36 Wiking-Jugend (WJ) 120 Zentrum für Marxistische Friedensforschung (ZMF) 38 Zrinski e.V. 144 207