Verfassungsschutzbericht Bayern 1986 Bayerisches Staatsministerium des Innern Verfassungsschutzbericht Bayern 1986 ERLEDIGT C K < < Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin c V. Fakkensteinsiraße 46.10997 Berlin Tel/Fax: 030)^11 6 Blz..l0050000/Kto Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern Odeonsplatz 3, 8000 München 22 RB Nr. 03A/87/16 Satz: Reiff Druck & Verlag, Vogelweideplatz 9, 8000 München 80 Herstellung: Emil Mühl, Richard-Wagner-Straße 21, 8580 Bayreuth Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaates Bayern haben in unmittelbarer Reaktion auf die Erfahrungen mit einer menschenverachtenden Diktatur eine wertgebundene demokratische Staatsordnung geschaffen, die ausdrücklich die Freiheit des Bürgers in ihren Mittelpunkt stellt. Damit diese in der deutschen Geschichte und auf deutschem Boden nie zuvor in ähnlichem Ausmaß verbürgte Freiheit von ihren Gegnern nicht noch einmal mißbraucht und letztlich beseitigt werden kann, wurde die Staatsordnung streitbar und abwehrbereit ausgestaltet. Dieses Verfassungsauftrags müssen wir uns stets bewußt sein. Daß wir die Vorzüge wirklicher Freiheit und Demokratie nun schon 40 Jahre erfahren dürfen, darf sie nicht zur unbeachteten Selbstverständlichkeit werden lassen. Die Verfassungsschutzbehörden haben den gesetzlich festgelegten Auftrag, dazu beizutragen, daß diese freiheitliche demokratische Grundordnung, die unverzichtbare Voraussetzung für die Freiheit jedes Einzelnen ist, auch künftig erhalten bleibt. Mit der Beobachtung, dem Erkennen und Aufdecken verfassungsfeindlicher Bestrebungen leistet der Verfassungsschutz einen ganz entscheidenden Beitrag zur Sicherung und Erhaltung unserer freiheitlichen Demokratie. Nicht die rechsstaatlicher, insbesondere parlamentarischer Kontrolle unterliegenden Verfassungsschutzbehörden gefährden die Freiheit der Bürger, sondern die nach wie vor vorhandenen Gegner unserer staatlichen Grundordnung, die sich nicht selten als die nachdrücklichsten Verfechter verfassungsmäßig verbürgter Grundund Freiheitsrechte ausgeben. Bei seiner Arbeit ist der Verfassungsschutz auf das Vertrauen und die Unterstützung aller Bürger angewiesen. Letztlich kann unsere Staatsund Gesellschaftsform nur lebendig bleiben, wenn die Bürger sich aktiv für sie einsetzen und mit ihren politischen Entscheidungen für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat diese Staatsund Gesellschaftsform auch unterstützen. Mit dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1986 faßt das Bayerische Staatsministerium des Innern Aktivitäten und politische Ziele extremistischer und sicherheitsgefährdender Organisationen zusammen und bewertet sie. Der Bericht kann und soll keinen erschöpfenden Überblick geben, er weist jedoch auf wichtige Entwicklungen und Zusammenhänge hin. Öffentlichkeit und Bürger erhalten dadurch die notwendigen Informationen zur aktiven Auseinandersetzung mit den Gegnern unserer Freiheit. Allen Mitarbeitern, die im Bereich des Verfassungsschutzes tätig sind, gilt unsere besondere Anerkennung und unser Dank für ihre schwierige und verantwortungsvolle Arbeit. München, im Juni 1987 f. Causey l]<^(j6*-) --\ $. % Q^cj^ August R. Lang Dr. Heinz Rosenbauer Dr. Peter Gauweiler Staatsminister Staatssekretär Staatssekretär Inhaltsverzeichnis Allgemeiner Überblick 10 1. Abschnitt Linksextremismus 12 1. Allgemeines 12 2. Orthodoxer Kommunismus 15 2.1 Überblick 15 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 16 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort 16 2.2.2 Steuerung der DKP durch die SED und KPdSU 20 2.2.3 Anforderungen an das DKP-Mitglied 22 2.2.4 Organisation 23 2.2.5 Bündnispolitik 25 2.2.5.1 Aktionseinheit 27 2.2.5.2 Volksfrontpolitik 30 2.2.6 Publikationen, Verlage und sonstige Propagandaträger 34 2.2.7 Schulung 37 2.2.8 Betriebsarbeit der DKP *. 39 2.2.9 Beteiligung an Wahlen 41 2.2.10 DKP-Hochschulgruppen 42 2.2.11 Sonstige Aktivitäten 42 2.3 Nebenorganisationen der DKP 44 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 44 2.3.2 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) . . . 48 2.3.3 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) . . . . 49 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen 50 2.4.1 Allgemeines * 50 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) 52 2.4.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (WN-BdA) 53 4 2.4.4 Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) 56 2.4.5 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) 60 2.4.6 Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. (VDJ) . . . 61 2.4.7 Demokratische Fraueninitiative (DFI) 62 2.4.8 "Die Friedensliste" 63 3. Neue Linke 65 3.1 Überblick , 65 3.2 Dogmatische Neue Linke 68 3.2.1 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 68 3.2.2 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 71 3.2.3 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 73 3.2.4 Kommunistischer Bund (KB) 76 3.2.5 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 78 3.2.6 Marxistische Gruppe (MG) 79 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 82 3.3.1 Allgemeines 82 3.3.2 "Autonome" Gruppen 82 3.3.3 Anarchistische Arbeiter Union (AAU) 86 3.3.4 Anarchistische Föderation Nordbayern (AFNB) 86 3.4 Linksextreme Schriften 86 4. Linksextremer Einfluß auf die "Anti-AKW-Bewegung" 87 4.1 Allgemeines 87 4.2 Militantes Protestpotential 90 4.3 Aktionsschwerpunkte 91 4.4 Politisch motivierte Gewaltaktionen 95 5. Linksextremer Einfluß auf die "Friedensbewegung" 96 5.1 Allgemeines 96 5.2 Agitationsund Aktionsschwerpunkte 99 2. Abschnitt Rechtsextremismus 105 1. Allgemeines 105 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 108 2.1 Ideologisch-politischer Standort 108 2.2 Organisation 111 2.3 Aktivitäten 113 2.4 Wahlbeteiligung 115 5 1 2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) 117 2.6 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 118 2.7 Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) 119 3. Deutsche Volksunion (DVU) 120 3.1 Ideologisch-politischer Standort 120 3.2 Organisation 121 3.3 Aktivitäten 121 3.4 Aktionsgemeinschaften der DVU 122 3.5 Deutsche Liste 124 4. Neonazistische Organisationen und Vorfälle 125 4.1 Allgemeines 125 4.2 Verbotene Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) 126 4.3 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 127 4.4 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 131 4.5 Nationalistische Front (NF) 131 4.6 Nationalrevolutionäre 132 4.7 Deutsche Bürgerinitiative (DBI) 133 4.8 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle 133 5. Sonstige rechtsextreme Organisationen 134 5.1 Deutscher Block (DB) 134 5.2 Wiking-Jugend (WJ) 134 5.3 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 136 5.4 Freundeskreis Ulrich von Hütten 136 5.5 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 137 6. Organisationsunabhängige Publizistik 138 7. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus 142 3. Abschnitt Extremistische Bestrebungen von Ausländern 145 1. Allgemeines 145 2. Äthiopische Gruppen 147 3. Afghanische Gruppen 147 6 4. Arabische Gruppen 148 5. Griechische Gruppen 148 6. Iranische Gruppen 150 6.1 Orthodoxe Kommunisten 150 6.2 Neue Linke 1.51 7. Italienische Gruppen 152 8. Jugoslawische Gruppen 153 8.1 Kroatischer Nationalrat (HNV) 153 8.2 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 153 9. Kurdische Gruppen 154 9.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 154 9.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (KOMKAR) 156 9.3 Vereinigung der Studenten Kurdistans im Ausland (AKSA) ... 157 10. Pakistanische Gruppen 157 11. Spanische Gruppen 158 12. Türkische Gruppen 158 12.1 Orthodoxe Kommunisten 158 12.2 Neue Linke einschließlich Sozialrevolutionäre Gruppen 159 12.2.1 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 160 12.2.2 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) .;.-.'* 161 12.3 Extreme Nationalisten 163 12.4 Islamische Extremisten 164 4. Abschnitt Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 166 1. Allgemeines 166 2. Rote Armee Fraktion (RAF) 167 2.1 Kommandobereich der RAF 168 2.2 Militante der RAF 170 2.3 Umfeld der RAF 171 2.4 Festnahmen und Urteile 173 3. Revolutionäre Zellen (RZ) 174 4. Politisch motivierte Gewaltaktionen in Bayern 176 7 ! 4.1 Sprengstoffanschläge 176 4.2 Brandanschläge '..-,.. 178 4.3 Sonstige Gewaltaktionen 182 5. Abschnitt Spionageabwehr . . , 184 1. Allgemeines 184 2. Struktur und Aufbau des MfS und KGB 185 2.1 Ministerium für Staatssicherheit (MfS der DDR) 185 2.2 Komitee für Staatssicherheit (KGB) der UdSSR 186 3. Zielrichtung/Zielobjekte 186 3.1 Politische Spionage 186 3.2 Militärspionage 188 3.3 Wirtschaftsspionage 189 4. Kontaktanlässe/Werbemethoden 190 4.1 Nachrichtendienstliche Ansprachen von Personen mit Wohnsitz im kommunistischen Machtbereich 190 4.2 Nachrichtendienstliche Ansprachen gegenüber Bewohnern des Kommunistischen Machtbereichs 192 5. Nachrichtendienstliche Ausrüstung 192 5.1 Container 192 5.2 Geheimschrift 195 5.3 Mikrate 195 5.4 Funk 195 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 197 1. Einstellungsüberprüfung 197 2. Extremisten im öffentlichen Dienst 198 8 Anhang 1 Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1974 200 Anhang 2 Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 203 Anhang 3 Verzeichnis von Publikationen extremistischer und extremisch beeinflußter Organisationen 206 Anhang 4 Sachverzeichnis 211 Allgemeiner Überblick Dieser Verfassungsschutzbericht enthält Feststellungen zur inneren Sicherheit des Freistaats Bayern im Jahre 1986. Er gibt einen Überblick über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, sowie Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Der Verfassungsschutzbericht enthält auch Informationen über sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten für fremde Mächte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Ordnung zu verstehen, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den fundamentalen Prinzipien dieser freiheitlichen Grundordnung gehören die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit der politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Die linksextremen Kräfte gefährdeten auch 1986 nicht ernsthaft die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Gesamtzahl der Mitgliedschaften in linksextremen Kernund Nebenorganisationen sowie linksextrem beeinflußten Organisationen lag 1986 in Bayern bei rund 13.600 Personen. Die Zahl der Mitgliedschaften hat sich gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht. Diese Steigerung beruht unter anderem auf der Zunahme linksextremer Aktivitäten gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW). Die Gesamtzahl der Organisationen betrug wie im Vorjahr 120. Das Ziel sowohl der moskauorientierten orthodoxen Kommunisten als auch der meisten Gruppen der Neuen Linken ist nach wie vor die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. 10 Die Entwicklung der Dogmatischen Neuen Linken war auch 1986 von Stagnation gekennzeichnet. Die bereits 1985 begonnenen Fusionsgespräche zwischen der Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) -- KPD -- und der Gruppe Internationaler Marxisten -- Deutsche Sektion der 4. Internationale (GIM) führten 1986 zu einem Zusammenschluß zu einer neuen Organisation mit dem Namen Vereinigte Sozialistische Partei (VSP). Die mitgliederstärkste Organisation innerhalb der Neuen Linken in Bayern ist nach wie vor die Marxistische Gruppe (MG). Innerhalb der Undogmatischen Neuen Linken konnte 1986 der anarchistisch orientierte "autonome" Flügel seine Bedeutung weiter festigen. Vor allem die Kampagne gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) stand im Mittelpunkt von militanten Aktionen autonomer Gruppen. Die Bestrebungen rechtsextremer Vereinigungen und Personen gefährdeten auch 1986 den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat nicht. 1986 betätigten sich in Bayern 28 rechtsextreme Organisationen und Gruppen mit rund 4.100 Mitgliedern. Innerhalb des organisierten Rechtsextremismus in Bayern stellten die Deutsche Volksunion (DVU) mit ihren Aktionsgemeinschaften und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) einschließlich ihrer Jugendund Studentenorganisationen den größten Anteil an Mitgliedern. Eine dominierende Rolle im Bereich des organisierten Neonazismus spielen nach wie vor die ehemaligen Anhänger der verbotenen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA), die unter dem Deckmantel der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) neonazistische Aktivitäten entwikkelten. Die Anzahl ausländischer Extremisten und ihrer Organisationen ist 1986 annähernd gleichgeblieben. Die Zahl der Mitgliedschaften ging von etwa 9.000 auf ca. 8.500 zurück, die Zahl der Organisationen verringerte sich gegenüber 1985 nur um eine Gruppierung auf 168. Vor allem militante Organisationen innerhalb der orthodox-kommunistischen kurdischen Gruppierungen sowie gewaltbereite Vereinigungen der türkischen Neuen Linken stellen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Die Gefahr von Anschlägen palästinensischer Splittergruppen gegen israelische und amerikanische Einrichtungen im Bundesgebiet hat sich verstärkt. Die von Terroristen 1986 verübten Gewaltanschläge zeigten, daß die von ihnen ausgehende Bedrohung zugenommen hat. Die Rote Armee Fraktion (RAF) setzte durch die Mordanschläge auf das Vorstandsmitglied der Firma Siemens AG Professor Dr. Karlheinz Beckurts und dessen Fahrer Eckhard Groppler sowie den Leiter der Politischen Abteilung 2 des Auswärtigen Amtes in Bonn, Ministerialdirektor Dr. Gerold von Braunmühl ihre 1984 begonnene "Offensive" fort. Aufgrund der zunehmenden Einbindung der "militanten" Ebene in die Planung des Kommandobereichs der RAF ist von einer anhaltend verschärften Gefährdungslage auszugehen. Die Spionageaktivitäten der Geheimdienste des Ostblocks hielten an. Das Ausspahungsinteresse der östlichen Nachrichtendienste erstreckte sich auch 1986 auf alle wesentlichen Entwicklungen und bedeutsamen Veränderungen in den Bereichen Politik, Militär sowie Wirtschaft und Wissenschaft. 11 1. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines 1986 gab es in Bayern 120 linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppen mit rund 13.600 Mitgliedschaften. Dabei sind auch kleine, örtlich begrenzte, teilweise ausgesprochen mitgliederschwache Gruppierungen erfaßt. Die Zahl der Mitgliedschaften hat sich gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht. Die Steigerung beruht u.a. auf der Zunahme linksextremer Aktivitäten gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf. Zahl und Stärke von linksextremen und linksextrem beeinflußten Organisationen in Bayern: 1982 1983 1984 1985 1986 Zahl der Organisationen 140 130 120 120 120 Mitgliedschaften Orthodoxe Linke 10.000 10.200 11.000 11.600 11.600 Neue Linke 1.000 1.100 1.400 1.800 2.000 insgesamt 11.000 11.300 12.400 13.400 13.600 Die Gesamtzahl von 13.600 Mitgliedschaften für das Jahr 1986 läßt sich wie folgt weiter aufgliedern: Mitgliedschaften in orthodox-kommunistischen Kernund Nebenorganisationen 5.100 abzüglich Mehrfachmitgliedschaften in Kernund Nebenorganisationen -- 200 4.900 Mitgliedschaften in orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisttonen 6.500 11.400 Mitgliedschaften in Kernund Nebenorganisationen der Neuen Linken 1.750 abzüglich Mehrfachmitgliedschaften in Organisationen der Neuen Linken -- 100 1.650 Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen der Neuen Linken 250 1.900 Gesamtzahl (bekannte Mehrfachmitgliedschaften abgezogen) 13.300 12 Wie sich aus vorstehender Tabelle ergibt, sind Mehrfachmitgliedschaften nur jeweils innerhalb des Bereichs der Kernund Nebenorganisationen der Orthodoxen Linken und der Neuen Linken berücksichtigt. Über Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sowie Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen einerseits und Kernund Nebenorganisationen andererseits liegen keine zuverlässigen Zahlen vor. In der Zahl der Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sind auch Nichtextremisten enthalten; eine zahlenmäßige Aufgliederung ist nicht möglich. Durch eine Vielzahl von Aktionen, insbesondere durch Abrüstungsund Friedenskampagnen sowie Kampagnen gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie und den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstoffe in Wackersdorf versuchten moskauorientierte orthodoxe Kommunisten und die Anhänger und Gruppen der Neuen Linken auch 1986 ihrem Ziel, der Einführung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung, näherzukommen. Zur Erreichung dieses Ziels bekennen sich die Gruppen der Neuen Linken, letztlich aber auch die der orthodoxen Kommunisten zur Gewalt. Eine kommunistische Gesellschaftsordnung ist jedoch, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Verbot der KPD festgestellt hat, unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und damit verfassungsfeindlich. Die Gruppen der Orthodoxen Linken stellten einen ideologisch festgefügten Block dar. Bei den Gruppen der Neuen Linken hielten die ideologischen Auseinandersetzungen an. Die bedeutendsten linksextremen bzw. linksextrem beeinflußten Organisationen waren 1986: 1.1 Kommunistische Kernorganisationen Die kommunistischen Kernorganisationen verstehen sich als führende Kraft im Kampf für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Orthodoxe Linke Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Neue Linke Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland (MLPD) Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) Kommunistischer Bund (KB) Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) Marxistische Gruppe (MG) 13 1.2 Kommunistische Nebenorganisationen Die kommunistischen Nebenorganisationen sind orgahisatorisch selbständige Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Führungsgremien, die sich jedoch der jeweiligen Kernorganisation unterordnen. Sie bekennen sich wie diese zum Kampf für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Maßgebende Führungsfunktionen dieser Vereinigungen sind mit Mitgliedern der Kernorganisation besetzt. Die wesentlichen Nebenorganisationen waren 1986: Nebenorganisationen der DKP Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) Nebenorganisationen der MLPD Arbeiterjugendverband Marxisten/Leninisten (AJV) Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) Nebenorganisation des AB Kommunistischer Hochschulbund (KHB) 1.3 Kommunistisch beeinflußte Organisationen Ein erheblicher Teil der Organisationen im linksextremen Bereich besteht aus Vereinigungen, die sich überparteilich oder unabhängig darstellen, tatsächlich aber unter einem mehr oder weniger starken Einfluß der kommunistischen Kernund/oder Nebenorganisationen stehen. Der Einfluß drückt sich insbesondere darin aus, daß sie -- von diesen oder auf deren Initiative hin gegründet wurden, -- wichtige Führungsfunktionen mit Kommunisten besetzen, -- eng mit Kernund/oder Nebenorganisationen zusammenarbeiten, -- Ziele verfolgen, die sich in Teilbereichen mit typisch kommunistischen Zielsetzungen decken. Teilweise liegen mehrere dieser Merkmale vor, teilweise alle. Entsprechend stark ist dann der kommunistische Einfluß. So gibt es Gruppen, die keine wesentliche Entscheidung gegen den Willen der Kernund/oder Nebenorganisationen treffen können; andere haben trotz erheblicher kommunistischer Einflußnahme noch Raum für ein politisches Eigenleben. Die wichtigsten Organisationen, die unter kommunistischem Einfluß standen, waren 1986: Von der DKP beeinflußte Organisationen: Deutsche Friedens-Union (DFU) Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (WN-BdA) 14 Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) Demokratische Fraueninitiative (DFI) Die Friedensliste Sozialistischer Hochschulbund (SHB) als ständiger Bündnispartner des MSB Spartakus Vom AB beeinflußte Organisationen: Anti-Strauß-Komitee (ASKo) Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend (IVRJ) Nun vom BWK beeinflußte Organisation: Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) Von der VSP beeinflußte Organisation: Autonome Sozialistische Jugendgruppen (ASJG) 1.4 Sonstige linksextreme Gruppen Eine Reihe autonomer Gruppierungen, die anarchistische, spontaneistische oder undogmatische Richtungen vertreten, wollen die verfassungsmäßige Ordnung revolutionär beseitigen, ohne zu sagen, was an ihre Stelle treten soll. 2, Orthodoxer Kommunismus 2.1 Überblick In der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Bayern sind die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und ihre Nebenorganisationen sowie -- mit Einschränkungen -- die von der DKP oder ihren Nebenorganisationen beeinflußten Organisationen Sammelbecken für die orthodoxen Kommunisten. Sie stellen einen festgefügten Block dar^sind vor allem im Funktionärsbereich eng verflochten und finanziell sehr gut ausgestattet. Die orthodoxen Kommunisten bekennen sich zum Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung und damit, auch wenn sie es zur Verschleierung ihrer wahren Ziele nicht offen aussprechen, zur sozialistischen Weltrevolution und zur Diktatur des Proletariats; dabei werden diese Begriffe vielfach mit "revolutionärer Weltprozeß" bzw. "Herrschaft der Arbeiterklasse" umschrieben. Das Grundmodell dieser "sozialistischen Ordnung" sehen die orthodoxen Kommunisten in der Sowjetunion und der DDR verwirklicht. Deshalb betonen sie die feste Verbundenheit mit den kommunistischen Parteien der Sowjetunion, der DDR und anderer sozialistischer Länder. In ideologischer und politischer Hinsicht folgen sie der Linie der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR. Sie verstehen sich als Teil der kommunistischen Weltbewegung, der die 15 Führungsrolle bei der revolutionären Umgestaltung der kapitalistischen in die sozialistische Gesellschaftsordnung zukomme. Innerhalb der kommunistischen Weltbewegung hat nach ihrer Überzeugung das "sozialistische Weltsystem" mit der KPdSU an der Spitze die Vorbildund Führungsrolle. Einigendes Band ist der "proletarische Internationalismus", der die "Gesamtheit der Interessen und die Solidarität der Arbeiterklasse und der Werktätigen aller Länder, ihre Geschlossenheit und Aktionseinheit im Kampf um die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft" zum Ausdruck bringen soll. Der Führungsanspruch der KPdSU und der Sowjetideologie, der sich auch in einigen internationalen prosowjetischen Organisationen wie dem Weltfriedensrat (WFR), dem Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) und der Federation Internationale des Resistants (FIR) manifestiert, wird uneingeschränkt anerkannt. Organisationsübersicht Orthodoxe Linke Deutsche Kommunistische Partei (DKP) SDAJ DFU WN-BdA MSB SHB DFG-VK --+TKFAZ JP VDJ -*+DFI Nebenorganisationen __LKomitees, Friedensliste Initiativen beeinflußte Organisationen Abkürzungen vgl. Abkürzungsverzeichnis 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Die DKP wurde am 26. September 1968 anstelle der im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Sie ist nach wie vor die mit Abstand stärkste extremistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland und nimmt die politische Führung der orthodoxen Kommunisten in Anspruch. Ideologisch vertritt die DKP die Lehren des Marxismus-Leninismus. Nach dieser Ideologie des "wissenschaftlichen Sozialismus" ist der erste Schritt zum Kommunismus eine Revolution mit dem Ziel der Errichtung der politischen Herrschaft des Proletariats. Die Kommunistische Partei hat dabei im Klassenkampf durch Agitation und Änderung des Bewußtseins der Arbeiterklasse auf eine Revolution hinzuarbeiten und diese zu führen. Der Revolution folgt die Diktatur des Proletariats, d.h. die Macht 16 wird diktatorisch durch die "Elite" der Arbeiterklasse, die Kommunistische Partei ausgeübt; die Gewaltenteilung ist beseitigt. In der Phase der Diktatur des Proletariats gibt es allerdings noch gegensätzliche Klassen, die jedoch in der nächsten Stufe der Entwicklung, dem Sozialismus, aufhören zu existieren. Dann führt allein die Kommunistische Partei den sozialistischen Staat und die sozialistische Gesellschaft. Auf dem Höhepunkt des Sozialismus stirbt nach dieser Ideologie der Staat ab. In dem sich daran anschließenden Stadium des Kommunismus gibt es keine Klassen und keinen Staat mehr. An seine Stelle tritt die Gesellschaft. Politisch folgt die DKP kritiklos der Linie der KPdSU und der SED. Sie betont ihre "tiefe Verbundenheit" zur Sowjetunion, "dem ersten Arbeiterund Bauernstaat", und verurteilt jede davon abweichende Meinung als "Rechtsoder Linksopportunismus", sieht die "Haltung zur Sowjetunion" als "entscheidenden Prüfstein für jeden Kommunisten, für seine Treue zur Sache der revolutionären Arbeiterbewegung" und "erzieht ihre Mitglieder beständig im Geist fester Freundschaft zur Sowjetunion". In seiner Grußansprache auf dem 27. Parteitag der KPdSU am 28. Februar in Moskau betonte der DKP-Vorsitzende Mies die "traditionell gute Freundschaft" der beiden kommunistischen Parteien. Auch dem "Kampf der Kommunisten der Bundesrepublik" gebe der Parteitag "neuen Schwung und neue Schubkraft". Mies versicherte den KPdSU-Delegierten, auf die DKP sei Verlaß im "Kampf um Frieden, Demokratie und Sozialismus" und in ihrer "Treue zur Lehre von Marx, Engels und Lenin und zum proletarischen Internationalismus". Folgerichtig betrachtet die DKP auch das in der DDR herrschende Staatsund Gesellschaftssystem vorbehaltlos als Muster für die von ihr angestrebte Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Gründung der DDR markiere einen "Wendepunkt in der Geschichte unseres Volkes". Mit der "sozialistischen Revolution" in der DDR habe die deutsche Arbeiterbewegung ihren "größten Sieg" errungen. In der DDR würden die "besten revolutionären, demokratischen und nationalen Traditionen der deutschen Geschichte" verkörpert. Von einem solchen Staat hätten "Generationen von Kommunisten und Sozialisten" geträumt. Nur in einem solchen Staat könne es "wirkliche Volksherrschaft als Demokratie" geben. Die DKP hält am "unverrückbaren Ziel" Sozialismus "als erster Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation" fest. Diese "gründlegend neue Gesellschaftsordnung" baue auf der "revolutionären Überwindung der kapitalistischen Machtund Besitzverhältnisse" auf und könne nur "im harten Klassenkampf" durchgesetzt werden. Sie setze die Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse im Bündnis mit anderen Werktätigen voraus. Die Lehre von Marx, Engels und Lenin sei der "politische Kompaß der DKP und wissenschaftliches Fundament ihrer Politik". In "schöpferischer Anwendung" dieser Lehre entwickle die DKP Strategie und Taktik ihres Kampfes um die Errichtung des Sozialismus in der Bundesrepublik Deutschland. Als die Partei des "Klassenkampfes" und des "Sozialismus" bekennt sie sich zu den Grundsätzen einer "bolschewistischen Partei neuen Typs", die gekennzeichnet sei durch die Anerkennung der Leninschen Normen der Parteimitgliedschaft und des Parteiaufbaues sowie der Diktatur des Proletariats. 17 Die DKP geht aufgrund marxistisch-leninistischer Analyse davon aus, daß die Gegenwart "die Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab" sei. Der "staatsmonopolistische Kapitalismus" habe sich in der Bundesrepublik Deutschland voll entwickelt und befinde sich jetzt in der Krise. Jene "besonderen Faktoren" hätten aufgehört zu wirken, die die langanhaltende, "viele Gebrechen der kapitalistischen Ordnung überdeckende Nachkriegskonjunktur" ermöglicht und in breiten Bevölkerungskreisen tiefe Illusionen über die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse erweckt hätten. Daher sei die "Hauptzielsetzung der DKP in der gegenwärtigen Etappe", das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiterklasse und der "anderen demokratischen Kräfte" zu verändern und die "Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt herbeizuführen". Sie erachtet es als möglich und im Interesse der Arbeiterklasse für erstrebenswert, daß dieser Kampf in eine "antimonopolistische Demokratie" einmündet. Darunter versteht die DKP eine Periode "grundlegender Umgestaltungen", in der eine von der "Arbeiterklasse und den anderen demokratischen Kräften getragene antimonopolistisch-demokratische Staatsmacht" geschaffen werden soll. Dabei sieht die DKP die antimonopolistische und sozialistische Umwälzung als miteinander verbundene Entwicklungsstadien eines "einheitlichen revolutionären Prozesses des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus". Diese Aussagen der DKP belegen trotz der aus taktischen Gründen variierten Begriffsbildung, daß die DKP einen dogmatischen Marxismus-Leninismus vertritt. Die Formulierungen "sozialistische Umwälzung" und "politische Macht der Arbeiterklasse" sind gleichbedeutend mit den marxistisch-leninistischen Kernbegriffen "sozialistische Revolution" und "Diktatur des Proletariats". Im Programm der DKP findet sich der Terminus "Diktatur des Proletariats" zwar nicht, denn er sei heute für große Teile des arbeitenden Volkes mißverständlich. Die DKP bekennt sich in ihrem Programm jedoch "unmißverständlich" zur politischen Macht der Arbeiterklasse. Dieser Sprachgebrauch dient der DKP ebenso zur Verschleierung ihrer in Wahrheit verfassungsfeindlichen Zielsetzung wie ihre Beteuerung, sie "wirke auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland" und erstrebe die "grundlegende Umgestaltung auf der Basis der demokratischen Prinzipien und Rechte des Grundgesetzes". In Wirklichkeit sieht die DKP im Grundgesetz nur eine disponible Basis für ihren Kampf. Die Grundrechte versteht sie nicht als Garantie eines Freiheitsraumes für jeden Bürger, sondern als Legitimation und Auftrag für die Arbeiterklasse, die bestehende Ordnung zu beseitigen und den Sozialismus und eine sozialistische Verfassung zu erkämpfen. Ihr Bekenntnis, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, ist nur vor dem Hintergrund des marxistisch-leninistischen Demokratieverständnisses zu verstehen. Die Systemüberwindung will die DKP unter den gegenwärtigen Umständen grundsätzlich mit systemkonformen Mitteln erreichen. Gleichwohl betont sie im Mannheimer Programm von 1978, daß es von der Kraft der Arbeiterklasse, der Stabilität ihrer Bündnisse mit anderen "demokratischen Kräften", der Stärke ihrer revolutionären Partei, insbesondere aber von den "Formen des Widerstandes der Reaktion" abhängig sei, wie sich dieser Weg konkret gestalten werde. Diese Äußerungen der DKP lassen erkennen, daß auch weiterhin von einer prinzipiellen Gewaltbereitschaft der Partei auszugehen ist. Der DKP-Vorsitzende Mies hatte bereits 1981 erklärt: "Das demokratische Widerstands18 recht, das Grundrecht der arbeitenden Menschen, ihre Interessen zur Geltung zu bringen und die entsprechenden Kampfformen zu wählen, entspricht vollauf den demokratischen Prinzipien des Grundgesetzes. ... Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Wo Macht vor Recht geht, da muß man sich gegen die Macht des Unrechts wehren. ... Da fragt man nicht lange: Darf man denn das? Da sollte man in der Tat wahre Demokratie wagen". Für die DKP ist die Gewaltanwendung somit eine Frage politischer Opportunität. Ihre Zurückhaltung bei gewalttätigen Aktionen beruht lediglich auf dem Bestreben, sich im Rahmen der von ihr verfolgten Bündnispolitik "koalitionsfähig" zu machen. Bemerkenswert waren und sind in diesem Zusammenhang die Stellungnahmen der DKP zu linksextremistisch motivierten terroristischen Aktionen. Die Partei erklärte, diese seien aus einem "verständlichen Haß" entstanden. Wenn beim Hungerstreik inhaftierter RAFMitglieder "Gefangene" stürben, dann säßen die Mörder in "Justizsesseln" und "Regierungsbänken". Sie unterschieden sich nicht von jenen, die auf "Schleyer und andere geschossen haben". Diese Äußerung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung der DKP zur verfassungsmäßigen Ordnung, deren maßgebliche Repräsentanten sie als potentielle "Mörder" bezeichnet. Jeden Realitätsbezug hat die DKP mit ihren Kommentaren zum Terroranschlag auf Prof. Dr. Karl-Heinz Beckurts und dessen Fahrer Eckart Groppler am 9. Juli in Straßlach verloren. So behaupteten Mitarbeiter des DKP -Parteivorstandes, von dem Attentat könnten vor allem jene "guten Gebrauch" machen, die ah "neuen Sicherheitsgesetzen" basteln und die Regierungskoalition stabilisieren wollten; es werde der "Terroristenhysterie" dienen und für eine "lange Wahlkampfzeit" eingesetzt werden. Zudem handle es sich bei dem "Mordanschlag" um ein perfektes Verbrechen, das zu perfekt gewesen sei, um nicht zu enthüllen, wem es nütze: den "SDI-Einpeitschem" und den "Befürwortern der Sicherheitsgesetze". Es werde genutzt, um die politische Opposition zu "kriminalisieren" und zu "verunglimpfen". Die in diesen Erklärungen zum Ausdruck kommende groteske Unterstellung, der Mord an Prof. Dr. Beckurts und seinem Fahrer habe im Interesse staatlicher Stellen gelegen, zeigt, daß die DKP bei ihren propagandistischen Bemühungen, die verfassungsmäßige Ordnung und ihre Repräsentanten zu verunglimpfen, vor nichts zurückschreckt. In den Reden und Beschlüssen auf dem 8. Parteitag, der vom 2. bis 4. Mai unter dem Motto "Für eine neue Politik -- atomwaffenfreie Welt und Arbeit für alle" in Hamburg stattfand, wurde wiederholt die wachsende Bündnisfähigkeit der DKP hervorgehoben. Demnach sei die DKP "keine isolierte Kraft" mehr; sie sei "eine Partei, die sich in die Akzeptanz, in das Ansehen, in das Vertrauen aller demokratischen Kräfte hineingearbeitet" habe. Sie werde "anerkannt" wegen ihres nicht geringen Anteils an der Entwicklung der "Friedensbewegung"; sie werde "geschätzt" wegen ihres Einsatzes in "Arbeiterkämpfen" ; sie genieße "Hochachtung" als "aktive Erbin" des "Antifaschismus"; ihre Politik sei zum Teil schon von anderen Parteien und Bewegungen aufgegriffen worden. In den verabschiedeten "Thesen des 8. Parteitags" setzte sich die DKP eingehend mit den Bedingungen der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" sowie den darauf aufbauenden "breiten demokratischen Bündnissen" auseinander. Nach Aussage des DKP-Vorsitzenden Mies auf dem 8. Parteitag sei bedeutsam, daß "Arbeiterund Friedensbewegung" enger zusammenrückten. Das "partnerschaft19 liehe Zusammenwirken von Sozialdemokraten, Kommunisten, Grünen, Christen" werde "immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit". Zunehmend setze sich die Erkenntnis durch, daß nicht "sozialpartnerschaftliches Wohlverhalten", sondern "kämpferische Interessenvertretung" notwendig sei; sozialen Frieden könne es in einem kapitalistischen Land nicht geben. Mies sprach sich für einen aktiven Wahlkampf aus, der das eigenständige Wirken mit der Werbung für die Unterstützung der "Friedensliste" verbinde. Aus Anlaß des 30. Jahrestages des Verbots der ehemaligen verfassungswidrigen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) durch das Bundesverfassungericht am 17. August 1956 erklärte das DKP-Präsidium, das "rechtswidrige" Verbotsurteil sei eine "Kampfansage der reaktionären und militaristischen Kräfte" gegen die "Bewegung zur Verhinderung der Remilitarisierung" gewesen und habe der "Durchpeitschung der Wiederaufrüstung" gedient. Es sei zugleich "Auftakt zur Unterdrückung und Verfolgung zahlreicher demokratischer Organisationen" und zur "Aushöhlung des Grundgesetzes" gewesen. Gegenwärtig werde das Urteil als "willkommener Knüppel" gegen die "sozialen Bewegungen" genutzt; es behindere die "kraftvolle Entfaltung der Friedensbewegung" und bilde die Grundlage für die "verfassungswidrigen Berufsverbote". Schließlich solle mit ihm die Verbreitung der "wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse", d.h. des Marxismus-Leninismus als "verfassungsfeindlich" diskriminiert werden. Deshalb müsse das KPD-Verbotsurteil aufgehoben werden. 2.2.2 Steuerung der DKP durch die SED und KPdSU Die DKP wird von der SED angeleitet und umfassend unterstützt. Die in den "Thesen zum 8. Parteitag -- Neue Fragen des Kampfes für Frieden und Arbeit -- für eine demokratische Wende" angesprochene Verbundenheit beider Parteien sicherten auch 1986 zahlreiche Arbeitsgespräche zwischen SEDund DKP-Funktionären. Sie dienen einer umfassenden Kontrolle der DKP durch die SED. Zuständig ist dafür die sogenannte "Westabteilung" beim Zentralkomitee (ZK) der SED. Den Bezirksorganisationen der DKP sind jeweils Bezirksorganisationen der SED als "Patenbezirke" zugewiesen. In Bayern sind dies für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern der SED-Bezirk Suhl und für die DKPBezirksorganisation Südbayern der SED-Bezirk Gera. Zur Festlegung des Kurses der DKP und zur Abstimmung aktueller "Kampfaufgaben" wird jährlich zwischen den Führungen von SED und DKP ein Rahmenplan festgelegt, innerhalb dessen die SEDund DKP-Bezirksorganisationen ihre jährlichen schriftlichen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit treffen. Die intensiven Kontakte zeigten sich auch 1986 in zahlreichen Reisen von DKP-Funktionären und -Mitgliedern in die DDR. So reiste eine DKP-Delegation unter Führung des DKP-Vorsitzenden Mies zum 11. Parteitag der SED, der vom 17. bis 21. April in Berlin (Ost) stattfand. Mies betonte in seiner Grußansprache die "Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus" und ging auf die "konstruktive Politik der DDR" ein, die diesen "Friedensstaat" als "wirkungsvollen und unübersehbar stabilen Faktor des Friedens" darstelle. Es sei ein "geschichtliches Glück", daß es diesen "ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden" gebe. In der Bundesrepublik Deutschland müsse erst 20 eine "Politik zugunsten einer friedlichen, demokratischen und sozial gerechten Entwicklung" durchgesetzt werden. Deshalb gehe es um die weitere Stärkung der DKP, die Entwicklung der Aktionseinheit von Kommunisten und Sozialdemokraten, um das Bündnis aller demokratischen Kräfte unseres Landes. Unterstützung gewährte die SED der DKP auch dadurch, daß sie Einrichtungen in der DDR für die Schulung, Förderung und Betreuung westdeutscher Kommunisten zur Verfügung stellt. Für verdiente Kader der DKP organisiert und finanziert die SED Urlaubs-, Krankenhausund Kuraufenthalte in der DDR. Zahlreiche Unterlagen der DKP werden in die DDR verbracht und dort in SEDArchiven aufbewahrt, insbesondere Unterlagen über DKP-Mitglieder. Umgekehrt wurde eine große Zahl einreisender "DDR-Reisekader" festgestellt, die im Rahmen der "Westarbeit" der SED einen Auftrag im Bundesgebiet zu erfüllen haben. Zu den Reisekadern zählen neben Funktionären der SED und der sogenannten DDR-Massenorganisationen, die Kontakte zur DKP und den ihr nahestehenden Organisationen durch Gespräche und Vorträge pflegen, auch Wissenschaftler, die neben ihrem eigentlichen beruflichen Auftrag politisch agitieren und Informationen gewinnen sollen. Die DDR-Reisekader haben über Reiseverlauf und Gespräche ausführliche Berichte anzufertigen, die von der SED und dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR ausgewertet werden. Die strikte Anbindung der DKP an die SED macht auch die Veröffentlichung der DKP ih ihrem Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) zum 25. Jahrestag der Errichtung der Berliner Mauer deutlich, die u.a. Auszüge aus einer Rede des SED-Generalsekretärs Erich Honecker enthielt. Danach habe die Mauer den "imperialistischen Kreisen die Grenze ihrer Machtausübung" gezeigt und die "Existenz eines zweiten deutschen Staates" sichtbar gemacht. Sie habe die Kriegsgefahr verhindert und die "Blütenträume" von einer "Wiederbefreiung der Zone" zerstört. Zugleich sei eine "notwendige Voraussetzung" für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft in der DDR und für die Entspannung in Europa geschaffen worden. Die unkritische Übernahme dieser Argumentation durch die DKP macht deutlich, in welchem Maß die Partei an die Politik der SED gebunden ist. Auch die Steuerung der DKP durch die KPdSU kommt in zahlreichen Kontakten zum Ausdruck. Gemeinsam mit führenden Funktionären der KPdSU weihten der DKP-Vorsitzende, der Vorsitzende der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW) und der SED-Generalsekretär in Moskau am 3. Oktober ein Emst-Thälmann-Denkmal ein. Mies würdigte auf dem Moskauer Ernst-Thälmann-Platz das Wirken des "großen deutschen Kommunisten", bei dem in enger Verbundenheit mit der UdSSR Aktionseinheit und Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg im Mittelpunkt seines Denkens und Handelns gestanden hätten. Die DKP-Veranstaltungsreihe "Woche des realen Sozialismus" fand in diesem Jahr vom 8. bis 13. September mit Vertretern der KPdSU, der SED und erstmals auch der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) statt. Die KPdSU hatte vier Mitarbeiter ihres Zentralkomitees, die SED vier Wissenschaftler der Akademie der Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED und die PVAP zwei Parteifunktionäre und zwei "Publizisten" entsandt. Auf Veranstaltungen in 21 mehreren Städten des Bundesgebietes, darunter in Augsburg, Hof, Ingolstadt, München, Nürnberg und Würzburg informierten die Parteiaktivisten über "neue Beiträge der sozialistischen Länder zur Sicherung des Friedens und zur weiteren Entfaltung der sozialistischen Gesellschaft". An den Veranstaltungen in Bayern beteiligten sich ca. 450 Personen. Vom 8. bis 10. Oktober fand in Moskau eine Konferenz des "Instituts für internationale Arbeiterbewegung" statt, an der eine vierköpfige DKP-Delegation teilnahm, darunter der Münchner DKPFunktionär Professor Horst Holzer. Thematisch behandelte die Konferenz ein breites Spektrum "wissenschaftlicher" und "politisch-strategischer" Fragen der heutigen "Arbeiterbewegung". Das Ausmaß der Abhängigkeit der DKP von der KPdSU wird aus ihrer Erklärung zum Reaktorunfall in Tschernobyl am 26. April deutlich: Der Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl löse Betroffenheit aus. Er sei jedoch nicht "mit Harrisburg und der langen Reihe von Störfällen auch in bundesdeutschen Kernkraftwerken" zu vergleichen, bei denen "nachweislich" technische Sicherheitsstandards aus "Profitgründen" nicht beachtet worden seien. Derartige Gründe seien in der Sowjetunion "ausgeschlossen", denn die "sozialistische Gesellschaftsordnung" tue alles, um die "Sicherheit von Produktion und Arbeit" zu gewährleisten. Die "wichtigste Mahnung" des Unfalls von Tschernobyl bestehe darin, vor allem die militärische Anwendung der Kernenergie für immer zu verhindern; dafür habe die Sowjetunion weitreichende Vorschläge gemacht. 2.2.3 Anforderungen an das DKP-Mitglied In der Broschüre mit dem Titel "Für die Neuen -- Blick in die DKP", die anläßlich des Parteibildungsjahres 1986/1987 herausgegeben wurde, fordert die DKP die strikte Unterordnung der Mitglieder unter die kollektive Leitung: "Die Kommunistische Partei ist ein Kampfbund von Gleichgesinnten. Jede Genossin und jeder Genosse ist freiwillig diesem Kampfbund beigetreten. Wir wissen, daß wir hier keine Vorteile oder Privilegien zu erwarten haben. Wir handeln aus Überzeugung für die als richtig erkannte Sache, für die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Krieg. Die Stärke einer kommunistischen Partei liegt in ihrer Kollektivität. Kollektiv handeln heißt, gemeinsam und einheitlich handeln. Die zentrale Leitung koordiniert die Kräfte. Sie hat das Gesamtinteresse stets im Auge. Sie stimmt das Wirken der Kommunistinnen und Kommunisten auf allen Ebenen des Klassenkampfes sowohl politisch, ökonomisch als auch ideologisch ab. Durch die zentrale Leitung kommt der gemeinsame Wille der Mitglieder und der Funktionäre zum Ausdruck". Laut DKP-Statut hat das Mitglied die Pflicht: -- sich für die Verwirklichung der beschlossenen Politik einzusetzen und sie im gesellschaftlichen Leben aktiv zu vertreten, -- seine Kenntnisse durch das Studium des wissenschaftlichen Sozialismus zu vervollkommnen und sich mit den Beschlüssen der Partei vertraut zu machen, , -- die Publikationen der Partei zu lesen und für ihre Verbreitung tätig zu sein, -- der Partei gegenüber aufrichtig zu sein, die eigene Arbeit kritisch zu beurteilen und durch sein Verhalten das Ansehen der Partei zu fördern. 22 Nach Ansicht der DKP ist man Kommunist überall, am Arbeitsplatz, im Wohngebiet, in der Familie. Die richtige Haltung der Kommunisten besteht nach Ansicht der Partei darin, offen und konsequent den kommunistischen Standpunkt zu vertreten, initiativreich und geduldig die Politik der Aktionseinheit zu verfechten, in Bündnissen "aktiv und partnerschaftlich" zu wirken, sich als "die besten, entschiedensten, uneigennützigsten Vertreter des Volksinteresses" zu erweisen und "aktiv bei der Gewinnung neuer Mitglieder und der Verbreitung und Gestaltung der DKP-Presse mitzuwirken". Kommunist sein heiße, aus Klassenbewußtsein ein disziplinierter Kämpfer der Partei der Arbeiterklasse zu sein, heiße qualitativ gut, gewissenhaft, diszipliniert am Arbeitsplatz, in der Schule, in den Hochschulen, in der Elternvertretung, in der parlamentarischen Vertretung, "im sogenannten normalen Leben" zu sein. Bereits in der kapitalistischen Gesellschaft erwerbe der Genosse in der Gemeinschaft der Partei eine eigene "proletarische Klassenmoral", die im Gegensatz zur "bürgerlichen Moral" stehe, welche "heuchlerisch", "doppelbödig" und "menschenfeindlich" sei. Die Erfüllung dieser Anforderungen an die "proletarische Moral" wird u.a. im Rahmen einer von Zeit zu Zeit stattfindenden Umtauschaktion der Mitgliedsbücher überwacht. Vor der letzten Ausgabe neuer Mitgliedsbücher 1983 wurden mit jedem "Genossen" intensive und individuelle Gespräche geführt, um das Mitglied voll auf die Linie der Partei einzuschwören. Entsprechend den Leninschen Gedanken zum Parteiaufbau sieht sich die DKP nicht als Massenorganisation, sondern als Elite. Diese führende Elite von Revolutionären denkt für das Proletariat und soll das Proletariat zur "Freiheit" führen. Dadurch kommt zum Ausdruck, daß die große Mehrzahl der Anleitung durch Mitglieder des Führungskaders, der Kommunistischen Partei, bedarf, die aus der "Masse" herausragen und zur Führung befähigt sind. Das Parteimitglied hat als Berufsrevolutionär die Aufgabe, politische Unzufriedenheit durch Propaganda und Agitation zu wecken und so eine revolutionäre Situation vorzubereiten. Daß diese Zielsetzung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist, liegt auf der Hand. 2.2.4 Organisation Die DKP hatte 1986 rund 42.000 (1985 40.000) Mitglieder. In Bayern gab es Ende 1986 unverändert 3.100 DKP-Mitglieder. Auf dem 8. Parteitag im Mai 1986 bezifferte die DKP die Zahl ihrer Mitglieder mit 57.802 (7. Parteitag 1984 50.482). Die Mitgliederwerbeaktion im Rahmen des "Ernst-Thälmann-Aufgebots", von der die Partei bis zum 30. März 1986 einen Mitgliederzuwachs in Höhe von 20 Prozent erwartete, wirkte sich nur geringfügig aus. Die DKP gliedert sich im Bundesgebiet in zwölf Bezirksorganisationen. Diese sind in Kreisbzw. Gebietsorganisationen unterteilt, die die Grundorganisationen, nämlich die Orts-, Stadtteil-, Wohngebiets-, Betriebsund Hochschulgruppen zusammenfassen. Bayern ist in die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern aufgeteilt. Auf dem 8. Parteitag der DKP im Mai 1986 wurde Herbert Mies erneut als Parteivorsitzender bestätigt. Stellvertretende Parteivorsitzende wurde Ellen Weber. Die DKP-Delegierten wählten in den Parteivorstand 92 Mitglieder, darunter 8 aus Bayern. Auf seiner konstituierenden Sitzung wählte der Parteivorstand 23 19 Mitglieder in das Präsidium und 14 in das Sekretariat. Nach dem Bericht der Mandatsprüfungskommission gehörten von den 879 anwesenden Delegierten des Parteitags 72,7% zur "Arbeiterklasse", 6,3% zur "Intelligenz" und 6,0% zur "weiteren mittelständischen Schicht". Für den Rest der Delegierten (15 %) fehlten entsprechende Angaben. Von der Gesamtzahl der Delegierten sollen nach dem Bericht 642 Personen "Betriebs"bzw. Gewerkschaftsfunktionen ausüben, davon 55 Personen als Betriebsratsoder Personalratsvorsitzende, 123 Personen als Mitglieder von Betriebsoder Personalräten und 204 "Genossinnen und Genossen" als gewerkschaftliche Vertrauensleute. In Bayern sind Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsitzender im DKP-Bezirk Nordbayern Herbert Stiefvater und Arthur Preischl, im Bezirk Südbayern Walter Listl und Heinrich Horrelt. Entwicklung der Mitgliederzahlen der DKP in Bayern Mitglieder 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 Die DKP ist in ihrer inneren Struktur nach dem marxistisch-leninistischen Prinzip des "demokratischen Zentralismus" aufgebaut. Nach diesem Prinzip des hierarchischen Parteiaufbaus werden die Organe und Funktionäre jeder Ebene durch die nächst niedrigere Ebene gewählt, wobei eine Abwahl praktisch ausgeschlossen ist. Die Willensbildung findet dann jedoch von oben nach unten statt, d.h. Beschlüsse sind für nachgeordnete Parteigliederungen absolut verbindlich. Damit ist folgerichtig das strikte Verbot jeder Fraktionsbildung verbunden. Die Einhaltung dieser Grundsätze des demokratischen Zentralismus ist für die DKP keineswegs bloßes historisches Lippenbekenntnis. Ein DKPParteivorstands-Mitarbeiter schrieb in der UZ, nur eine "im Wollen einheitliche Partei" könne auch im Handeln geschlossen auftreten. Jegliche "Fraktionsbildung" sei nach Lenin unvereinbar mit der Mitgliedschaft in einer kommunistischen Partei. Empfehlungen "kritischer Kommunisten", in der DKP auch "Fraktionen" zuzulassen, habe die Partei zurückgewiesen. In ihrem Anfang September 1986 nach dem Parteiengesetz veröffentlichten Rechenschaftsbericht wies die DKP für 1985 Einnahmen in Höhe von 24 20,1 Mio DM (1984: 19,2 Mio DM) aus, davon 9,3 Mio DM an Mitgliedsbeiträgen und 8 Mio DM an Spenden. In dem Spendenbetrag sind sechs Einzelspenden von 20.000 DM und mehr in einem Gesamtbetrag von 538.300 DM enthalten. 1985 sind für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern 865.804,40 DM (1984:853.274 DM), für die DKP-Bezirksorganisation Südbayern 863.368,35 DM (1984: 822.640 DM) an Gesamteinnahmen ausgewiesen. Zwar behauptet die DKP, sie finanziere sich ausschließlich aus diesen Einnahmequellen. Tatsächlich war sie aber auch 1986 nicht in der Lage, die Ausgaben für den aufwendigen Parteiapparat, die zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen sowie die umfangreiche publizistische Agitation aus dem eigenen Parteiaufkommen zu bezahlen. Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß die DKP 1986 für ihre Parteiarbeit, ihre Nebenorganisationen und die von ihr geförderten Verlage, Publikationen usw. wieder Zuschüsse von mehr als 60 Mio DM aus der DDR erhalten hat. 2.2.5 Bündnispolitik Die sogenannte "Bündnispolitik" ist zentraler Bestandteil der Gesamtpolitik der DKP und ihrer Nebenorganisationen. Sie beruht auf marxistisch-leninistischer Strategie und Taktik. Die DKP geht aufgrund ihrer Analyse der Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung davon aus, daß sich der "staatsmonopolistische Kapitalismus" in der Bundesrepublik Deutschland voll entwickelt habe. Wegen der dadurch eingetretenen Polarisierung zwischen der "kleinen Gruppe von Konzernherren und Multimillionären" und der "überwältigenden Mehrheit des Volkes" sei die Zusammenfassung aller "antimonopolistischen" Kräfte um die Arbeiterklasse objektiv möglich, aber auch "unerläßlich" für die Durchsetzung des "gesellschaftlichen Fortschritts", also für die Erreichung des sozialistischen Zieles. Nicht zuletzt im Hinblick auf ihr schwaches Wählerpotential ist die DKP bestrebt, Bündnisse mit nicht-kommunistischen Kräften in der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" und in einem "breiten, antimonopolistischen Bündnis" zu schaffen und damit eine Massenwirkung zu erreichen. Außerdem versucht sie, mit der Bündnispolitik demokratische Kräfte an die Partei heranzuführen. Für eine erfolgreiche Politik der "Aktionseinheit und des demokratischen Bündnisses" ist es für die DKP "von erstrangiger Bedeutung", die "tiefe Kluft" zwischen der "objektiven Lage der vom Monopolkapital ausgebeuteten und bedrängten Klassen und Schichten einerseits und ihrer Erkenntnis durch die Betroffenen andererseits" zu überwinden. Der Parteivorstand veröffentlichte im März 1983 die "Grundsätze kommunistischer Bündnispolitik, das Herzstück Leninscher Strategie und Taktik". Darin heißt es, -- die DKP müsse "aktiv und initiativ" in den Bewegungen mitarbeiten, um Einfluß nehmen zu können; -- die DKP trete für "gleichberechtigte" Zusammenarbeit ein, bei der alle Bündnispartner sich auf gemeinsame Forderungen (Minimalkonsens) einigen sollten; -- die DKP wirke in Bündnissen für die "Arbeiterinteressen", denn die Arbeiterklasse sei die entscheidende Kraft; -- die "Herstellung der Aktionseinheit", vorrangig von Kommunisten und Sozialdemokraten, bleibe Kernstück der Politik der DKP; 25 -- die DKP sei unverändert bemüht, punktuelle Bündnisse zu umfassenderen antimonopolistischen Bündnissen zu erweitern; -- die DKP lehne die Zusammenarbeit mit "maoistischen Organisationen" ab; sie werde sich wegen der Beteiligung maoistischer "Restgruppen" jedoch nicht aus "breiten demokratischen Bündnissen" zurückziehen; -- die DKP müsse auch in Bündnissen ihre "Selbständigkeit" bewahren; ihre Mitglieder dürften nicht "im Bündnis aufgehen", denn ein Verzicht auf Selbständigkeit bedeute das "Ende einer kommunistischen Partei"; -- Kommunisten sollten -- durch Schulung befähigt -- in den Bewegungen mit "offenem Visier" mitwirken, denn ein Verbergen der kommunistischen Identität gebe nur antikommunistischen Verleumdungen Nahrung. Mögliche Bündnispartner sieht die DKP in "Sozialdemokraten, Gewerkschaftern, Grünen und Alternativen, Umweltschützern, Frauenbewegungen, Christen, sozialen Liberalen, Sozialisten, Ausländergruppen und Linkskräften". Im Abschnitt "Neue Fragen der Aktionseinheitsund Bündnispolitik" der vom 8. Parteitag der DKP beschlossenen "These 23" wird die Bedeutung der kommunistischen Bündnispolitik als "wichtiges Instrument" zur Erfüllung der historischen Mission der Arbeiterklasse, "des Sturzes der kapitalistischen Ordnung und Durchführung der sozialistischen Revolution", hervorgehoben. Darin heißt es u.a.: "In den jüngeren Generationen konnten militanter Antisowjetismus und Antikommunismus, obrigkeitsstaatliches und antidemokratisches Denken zurückgedrängt werden.... Der außerparlamentarische Kampf erhielt eine neue Qualität ... Trotz komplizierter Kampfbedingungen haben die Arbeiterkämpfe seit Beginn der achtziger Jahre zugenommen ... Das Zusammenwirken von Arbeiterbewegung und Friedensbewegung hat beachtliche Fortschritte gemacht ... Die Zürückdrängung der Sozialpartnerschaftsideologie, die Stärkung des Klassenbewußtseins und der Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse sind wichtige Voraussetzungen für den Stopp der reaktionären Wendepolitik für demokratischen und sozialen Fortschritt... Es ist zu positiven Veränderungen in der Haltung der SPD zu Frieden und Abrüstung gekommen ... Von großer Bedeutung ist auch die Entwicklung der grünalternativen Strömung; denn mit den Grünen ist eine radikaldemokratische Partei entstanden ... Die Zusammenführung der Friedensbewegung mit der Arbeiterbewegung ist heute und für die Zukunft zu einer Schlüsselfrage für den erfolgreichen Kampf um Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt geworden". Als Erfolg ihrer Politik betrachtet es die DKP, daß sie den "aktivsten Kern der Kräfte" in der "Friedensbewegung" und in den "sozialen Kämpfen" als neue Mitglieder gewonnen habe. Die "Zuversicht" der DKP in die "anhaltende Stärke der Friedensbewegung" sei bestätigt worden. Bemerkenswert sei aber auch das viel "größere Engagement der Gewerkschaften" gewesen. In einem Schreiben an den 89. Deutschen Katholikentag in Aachen vom 10. bis 14. September bekräftigte der DKP-Vorsitzende Mies die Bereitschaft zum Dialog und solidarischen Meinungsstreit über grundsätzliche weltanschauliche und politische Unterschiede zwischen Christen und Kommunisten. Denn dies sei für beide Seiten "nützlich und lehrreich". Im Rahmen der Bündnispolitik tritt die DKP häufig nicht unmittelbar als Initiator in Erscheinung, sondern bedient sich der von ihr beeinflußten Organisationen. 26 Ein Beispiel dafür ist die enge Zusammenarbeit der DKP-Nebenorganisation MSB Spartakus mit dem Sozialistischen Hochschulbund (SHB). Der SHB, der in Bayern etwa 70 Mitglieder hat, betreibt eine Politik der "gewerkschaftlichen Orientierung", wobei er für ein langfristiges strategisches Bündnis mit den orthodoxen Kommunisten eintritt und die Errichtung der "antimonopolistischen Demokratie" als "Öffnung des Weges zum Sozialismus" anstrebt. Nicht zuletzt geht es der DKP bei der Bündnispolitik auch um eine gezielte Mitgliederwerbung. In einem internen Rundschreiben heißt es dazu: "Bei jeder Unterschriftenliste wird auch ausgewertet, ob weitere Gespräche speziell zur Mitgliedschaft möglich sind, jede Aktion muß so angelegt sein, auch an Adressen von weiteren Interessenten heranzukommen". 2.2.5.1 Aktionseinheit Als "Kernstück" ihrer Bündnispolitik sieht die DKP die Herbeiführung der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse". Damit versucht sie, ein Zusammenwirken von "Arbeitern, Angestellten und Beamten, deutschen und ausländischen Kollegen, sozialdemokratischen und kommunistischen, christlichen und parteilosen Arbeitern" zu erreichen. Im Rechenschaftsbericht 1986 des Parteivorstandes heißt es zur "gewachsenen Bündnisfähigkeit" der DKP u.a., daß die DKP zur Verwirklichung ihrer Forderungen und zur "Ablösung der Rechtskoalition" auf die "Zusammenarbeit der Kräfte links von der CDU/CSU" setze. In der internationalen kommunistischen Zeitschrift "Probleme des Friedens und des Sozialismus" wird die Aktionseinheitspolitik der DKP erläutert. Darin werden die DKP-Mitglieder aufgefordert, "beharrlich" die "neuen Möglichkeiten für die Aktionseinheit der Arbeiterklasse" auszuschöpfen. Dazu seien "politische Flexibilität" und "ideologische Standfestigkeit" erforderlich. Auf dem 8. Parteitag der DKP wurde darauf hingewiesen, daß sich die Aktionseinheit von Kommunisten und Sozialdemokraten verbessert habe. Nach der Aussage eines DKP-Präsidiumsmitglieds wurden "beim Abbau von Trennendem zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten durch das Hervorheben gemeinsamer Interessen keine Zugeständnisse an reformistische Positionen gemacht: "Unser Zugehen auf Sozialdemokraten dient stets der revolutionären Aufgabenstellung". Der DKP-Vorsitzende Mies hatte bereits 1982 an die "SPDFührung" appelliert, angesichts der "Rechtskoalition" und des "Generalangriffs" auf die Rechte der Arbeiter und ihrer Gewerkschaften ihr Verhältnis zur DKP zu überdenken und den "Unvereinbarkeitsbeschluß" aufzuheben; dieser Beschluß sei in den "Betrieben ohnehin nicht beachtet" worden. Nach Auffassung eines Präsidiumsmitglieds der DKP sei trotz der "sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlüsse" der SPD-Führung gegen die DKP die "Mauer" zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten "an vielen Teilen durchbrochen"; die Zusammenarbeit vollziehe sich "innerhalb der Friedensbewegung, der antifaschistischen Bewegung, in Betrieben und Gewerkschaften". Die politischen Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland produzierten auch "mehr und mehr neue Ansatzpunkte für die Aktionseinheit". In einem "Gespräch" mit der Redaktion der "Marxistischen Blätter", dem theoretischen Organ der DKP, bekräftigte ein Mitglied des DKP-Parteivorstandes erneut den Willen der Partei zur "Aktionseinheit" mit der SPD. Die DKP strebe 27 "unbeirrbar" die Zusammenarbeit mit der SPD an. Ihr Verhältnis zur SPD werde seit jeher von einem "untrüglichen Maßstab" bestimmt; die DKP unterstütze alles, was im "Interesse des arbeitenden Volkes" liege. Der Bundesgeschäftsführer der SPD werfe der DKP zu Unrecht vor, sie habe versucht, Mitglieder der SPD gegen den Willen der SPD-Führung für gemeinsame Aktionen zu gewinnen und die SPD-Führung zu isolieren. "Oft genug" habe sich die DKP "ausdrücklich und unmittelbar" an den SPD-Parteivorstand gewandt. Die DKP betrachte sich im übrigen nicht als "Vollstrecker der Verbote des SPDParteivorstandes gegen die Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten". Die Anbiederung an die SPD wird auch aus einem UZ-Artikel deutlich. Danach habe die SPD die wesentlichen Forderungen der "Friedensbewegung" aufgegriffen. Auch die Kommunisten müßten anerkennen, daß die SPD mit den friedenspolitischen Positionen ihres Nürnberger Parteitages für die gegenwärtige Situation in Europa eine den Interessen der Bundesrepublik Deutschland entsprechende, klare Alternative zur "Bonner Regierung" aufgezeigt habe. Die Atmosphäre zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten "sei vielerorts und auf verschiedenen Ebenen entspannter und konstruktiver" geworden. Besondere Bedeutung mißt die DKP der Arbeit in Gewerkschaftsgremien auf allen Ebenen bei, weil sie in den Gewerkschaften die "breiteste und umfassendste Klassenorganisation der Arbeiter, Angestellten und Beamten" sieht. Sie betont, für jeden Kommunisten sei es "selbstverständliche Pflicht", "ein aktiver Gewerkschafter zu sein und für die Verwirklichung der den Interessen der Arbeiterklasse dienenden Gewerkschaftsbeschlüsse zu kämpfen". Sie behält sich damit allerdings vor, selbst zu entscheiden, welche Beschlüsse dies sind. Ihr Ziel ist, in Gewerkschaften Einfluß zu gewinnen und sie zu treuen "Bündnisorganisationen" zu machen. Sie setzt sich dafür ein, dem Antikommunismus in den Gewerkschaften keinen Raum zu geben und die "Grundsätze der Einheitsgewerkschaften strikt zu beachten". Nach Auffassung der DKP sollen die Einheitsgewerkschaften nicht "Stütze für ein brüchiger werdendes kapitalistisches System", sondern "Kraftzentrum zur Durchsetzung der Klasseninteressen der Arbeiter, Angestellten und Beamten" sein. Die DKP befolgt getreu die Anweisung Lenins an die Kommunisten, in die Gewerkschaften einzutreten, in ihnen zu bleiben und in ihnen um jeden Preis kommunistische Arbeit zu leisten. Etwa 75 % der DKP-Mitglieder sind nach Darstellung der Partei gewerkschaftlich organisiert; rund 10% nehmen gewerkschaftliche Funktionen und Aufgaben der betrieblichen Mitbestimmung wahr. Der Intensivierung der Gewerkschaftsarbeit der DKP dienen die in allen DKPBezirken tätigen "Marxistischen Betriebsarbeiterschulen", das "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF) sowie die "NachrichtenVerlags-GmbH" mit Sitz in Frankfurt am Main. Diese verlegt fast ausschließlich Publikationen zu gewerkschaftlichen, betrieblichen sowie sozialund wirtschaftspolitischen Themen, u.a. die monatlich erscheinenden "Nachrichten zur Wirtschaftsund Sozialpolitik/Gewerkschaftsspiegel". Dem Herausgeberkreis gehören acht Personen an, darunter drei Mitglieder des DKP-Parteivorstandes und drei weitere DKP-Funktionäre auf Landesebene. Unter dem Motto "Für Arbeitsplätze und eine Welt ohne Atomwaffen" forderte die DKP zum 1. Mai ihre Mitglieder und alle "Kolleginnen und Kollegen" auf, 28 sich in der "Auseinandersetzung um die existentiellen Grundrechte der Arbeiterund Gewerkschaftsbewegungen" solidarisch zu zeigen. Die DKP sprach in ihrem Zentralorgan von bundesweit mehr als 70 Veranstaltungen zum "Kampftag gegen Kapital und Kabinett". Die Arbeiter müßten am 1. Mai unter der Losung demonstrieren "Statt Weltraumwaffen Arbeitsplätze schaffen! Die Hochrüstung stoppen, damit Geld für soziale Zwecke frei wird". Die DKP-gesteuerte Monatsschrift "NACHRICHTEN" hat in mehreren Artikeln die Erwartungen der orthodoxen Kommunisten an den 13. ordentlichen DGBKongreß (25. bis 31. Mai 1986) formuliert. Der verantwortliche Redakteur, Mitglied des DKP-Bezirksvorstandes Hessen, forderte dort eine "Abrechnung mit der Koalition von Kabinett und Kapital". Die Einzelgewerkschaften müßten verpflichtet werden, ihren "Kampf verstärkt fortzusetzen". Mit einer "konkreten Beschlußfassung" sei "schon heute" für das Jahr 2000 die "30-Stunden-Woche" anzuvisieren. Als "unverständlich" wurde ein Antrag der IG Bergbau und Energie kritisiert, in dem der Kampf um Frieden "mit der Bekämpfung des Kommunismus" verquickt werde. Dagegen habe die größte Einzelgewerkschaft bereits 1983 festgestellt, auch "Kommunisten" hätten "ihren Platz in der IG Metall". Diesen Beschluß solle sich der DGB-Kongreß "zu eigen machen". Ein weiterer "Nachrichten"-Redakteur kritisierte den Antrag der IG Chemie-Papier-Keramik, als "Bündnispartner" der Gewerkschaften kämen keine Organisationen in Betracht, die in "totalitären Gesellschaftssystemen" oder "undemokratischen Staatsformen" ihr Vorbild sähen. In derselben Nummer der "Nachrichten" versicherte ein Mitglied des DKP-Präsidiums, die DKP unterstütze gewerkschaftliche Aktionen "nicht nur verbal". Vielmehr stünden "alle" ihre Mitglieder bei Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen "Seite an Seite mit sozialdemokratischen Kollegen und Kolleginnen aktiv in den vorderen Reihen". In "mehreren regionalen Bereichen" habe es zwischen den Gewerkschaften und der DKP "Absprachen für den gemeinsamen Widerstand gegen den SS 116 AFG" gegeben. Nun sei auch der Bundesvorstand des DGB gefordert, mit der DKP "Koordinierungsgespräche" zu führen. Die DKP mobilisierte bundesweit ihre Anhänger zum "Aktionstag" des DGB gegen die Änderung des SS 116 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) am 6. März mit Parteiaktivtagungen, Sonderveranstaltungen und verstärkter publizistischer Tätigkeit. Ein DKP-Präsidiumsmitglied sprach in einem Kommentar von einer "Volksbewegung gegen Kapital und Kabinett" in über "250 Orten und Städten". Es sei eine Manifestation der Arbeiterklasse gewesen, die bereit und willens sei, zu kämpfen. Der kommunistischen Presse zufolge fanden zahlreiche betriebliche und außerbetriebliche Aktionen statt. Anhänger der DKP verteilten bei DGB-Versammlungen DKP-Flugblätter und -Kleinzeitungen, u.a. mit dem Titel "Hände weg vom Streikrecht -- alle Kraft der gewerkschaftlichen Aktion!". In München wurden Plakate demokratischer Parteien mit einem DKPPlakat "Kabinett und Kapital wollen uns an die Leine nehmen. SS 116 -- Streikrecht verteidigen -- Aussperrung verbieten! DKP" überklebt. Der stellvertretende DKP-Vorsitzende rief dazu auf, mit aller Energie gegen die geplante Änderung des SS 116 AFG zu kämpfen, denn "wo Recht zu Unrecht gemacht werden soll, wird Widerstand zur Pflicht". Nach Ansicht der DKP sei der "An29 schlag auf das Streikrecht" nur ein Teil des "großen Rundumschlags bestimmter Volksvertreter und ihrer Auftraggeber." Das "engere Zusammengehen von politischer und gewerkschaftlicher Arbeiterbewegung und der Friedensbewegung habe jedoch Früchte getragen, der lähmende Antikommunismus habe weiter an Boden verloren". Ein DKP-Präsidiumsmitglied rief in einem UZ-Artikel dazu auf, möglichst früh "offensiv" mit der Argumentation für die 35-Stunden-Woche zu beginnen. "Mit Recht" werde in den Gewerkschaften über die "wirkungsvollsten Formen des Arbeitskampfes" in der anstehenden Tarifrunde diskutiert. Dazu zählten die "Ausdehnung der neuen Beweglichkeit, rollende Streiks ... Betriebsbesetzungen, Streik am Arbeitsplatz u.a.". Es sei viel Aktivität und Argumentation notwendig, um die besten Startbedingungen für die Tarifkämpfe zu erreichen. Dabei seien vor allem auch die Kommunisten gefordert. Der DKP-Vorsitzende hob hervor, daß die "Entfaltung sozialer Kämpfe" als "massenmobilisierendes Gegengewicht zur sozialen Demagogie" der "Rechtskoalition" auch im Hinblick auf den Wahlkampf bedeutsam sei. Die "Arbeitskämpfe" forderten die Kommunisten heraus, "Klassenbewußtsein" zu verbreiten. Ein Mitglied des DKP-Präsidiums begrüßte in einem Brief an den DGB-Vorsitzenden die Wahlprüfsteine des DGB zur Bundestagswahl 1987. In einer ausführlichen Stellungnahme in der UZ vom 29. Oktober sicherte die DKP den Gewerkschaften "volle Unterstützung" zu; sie werde "wie in der Vergangenheit stets solidarisch an ihrer Seite" stehen. Sie unterstütze auch die gewerkschaftliche Forderung nach Mitbestimmung auf allen Ebenen. Allerdings sei die Mitbestimmung "kein Instrument der Partnerschaft zwischen Kapital und Arbeit". Es gehe vielmehr um "die Kontrolle der betrieblichen, wirtschaftlichen und politischen Macht", um "weitere antimonopolistische Reformen" und letztlich um "eine Veränderung der politischen Machtverhältnisse". 2.2.5.2 Volksfrontpolitik Bei ihren Bemühungen, ein "breites antimonopolistisches Bündnis", eine sogenannte Volksfront zu bilden, wendet sich die DKP vor allem an Intellektuelle, an bürgerliche Kreise bis hin zu mittleren Unternehmen. Sie will diese Personenkreise in Bündnisse gegen das "Monopolkapital" einbeziehen, seien sie auch "sachlich und zeitlich noch so begrenzt". Daher arbeite sie "aktiv in demokratischen Bewegungen, Bürgerinitiativen und Bündnissen mit". Im Rahmen der Volksfrontpolitik führt die DKP Kampagnen vor allem mit Hilfe der von ihr beeinflußten Organisationen durch und greift Forderungen auf, die auch von demokratischen Gruppen vertreten werden. Dabei versucht die DKP jedoch, propagandistisch einen Bezug zwischen diesen tagespolitisch bestimmten, aktuellen Forderungen und ihren langfristigen kommunistischen Zielsetzungen herzustellen. In seinem Kommentar zum Jahreswechsel 1985/86 umriß der DKP-Vorsitzende die wichtigsten Felder der Volksfrontpolitik. Die DKP werde dazu beitragen, daß es zu "gemeinsamen und eindrucksvollen Manifestationen" gegen die "Militarisierung des Weltraums" komme. Darüber hinaus müßten die "Arbeiterkämpfe" gegen Arbeitslosigkeit, "Sozialdemontage" und den "Abbau demokratischer Rechte", wie der Einschränkung des Streikrechts 30 Atombomben explodieren wieder in denUSA Wahnsinn ! Teststopp jetzt ! DKP -- -- . verstärkt fortgesetzt werden. Dazu werde die DKP "solidarische Unterstützung" leisten. Als "Schlüsselproblem der internationalen Sicherheit" bezeichnete die DKP die "Militarisierung des Weltraums", die "Raketenstationierung" und die "Hochrüstung". Die Kampagne gegen die NATO-Nachrüstung wurde im Jahr 1985 im Anschluß an Tagungen der Außenund Verteidigungsminister der 31 Warschauer-Pakt-Staaten erweitert um die Kampagne gegen die "Militarisierung des Weltraums". Die DKP versucht auch bei diesem Thema mit "Massenaktionen" ihre politischen Vorstellungen zu "popularisieren" und ihre "Bündnisfähigkeit" zu demonstrieren. Es gilt das bündnispolitische Konzept: "Gemeinsames Betonen -- Trennendes zurückstellen". Mit dieser "Minimalkonsensstrategie" kann die DKP zwar ihrerseits z.B. bei Aktionen der "Friedensbewegung" nur einen Teil ihrer Forderungen propagieren. Andererseits kann sie damit verhindern, daß nichtkommunistische Gruppen der "Friedensbewegung" Positionen artikulieren, die mit den Zielen der DKP nicht übereinstimmen. Wie im Vorjahr ging der Einfluß der orthodoxen Kommunisten bei der Organisation und Durchführung der "Ostermärsche" weit über ihre zahlenmäßige Beteiligung an der "Friedensbewegung" hinaus. Dem Aufruf zur Teilnahme am "Ostermarsch" München, der unter dem Motto stand "Schluß mit dem Rüstungswahnsinn: Keine Beteiligung an der Weltraumrüstung! Keine Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und anderswo!" folgten am 30. März etwa 4.000 Personen. Nach Ansicht eines Mitglieds des Sekretariats des DKP-Parteivorstandes hätten "die Ostermarschinitiativen" zugleich ein "Bündniskonzept" zur verstärkten Einbeziehung von "Organisationen der Arbeiterklasse" entwickelt. Damit seien die wesentlichen Voraussetzungen für eine "alle Friederiskräfte umfassende, bundesweite Kampagne gegen die Militarisierung des Weltraums", den "Rüstungswahnsinn" und die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) vorhanden. Auch aus dieser Erklärung werden die Bemühungen der DKP im Rahmen ihrer Volksfrontpolitik ihre verschiedenen Bündnispartner zu integrieren, deutlich. Es ist auch ein Erfolg der Bündnispolitik der DKP, daß der "große Ratschlag" der "Friedensbewegung" am 16.IM. Juni 1985 in Köln den Kampf gegen die "US-Weltraummilitarisierung" entsprechend den Prioritäten der DKP an die erste Stelle seiner Protestthemen gesetzt hat. Der DKP-Vorsitzende Mies nannte die "Anbindung der Außenund Sicherheitspolitik an das Pentagon das größte Sicherheitsrisiko der Bundesrepublik". Nur die nationalen Sicherheitsinteressen und nicht das Pentagon dürften für die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland mitbestimmend sein. Diese Politik erfordere einen "Prozeß des Abbaus der stationären atomaren Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper und der Absage an C-Waffen". Ein weiterer Schwerpunkt der Bündnispolitik der DKP waren ihre Kampagnen gegen die Arbeitslosigkeit. Nach Aussagen des DKP-Parteivorstandes dekken sich die Vorstellungen der DKP "in wachsendem Maße mit den Auffassungen von Gewerkschaften, Sozialdemokraten und demokratischen Wissenschaftlern". "Gemeinsame Betroffenheit und Interessenlage" hätten zu "Verständigung und zum Zusammenwirken von sozialdemokratischen, kommunistischen, christlichen und parteilosen Gewerkschaftskollegen geführt". In einer im Januar 1986 veröffentlichten Broschüre "Forderungen zum Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit" nennt der DKP-Vorstand "sieben Schritte" im Kampf gegen die "Massenarbeitslosigkeit": "100-Milliarden-Sofort-Programm", "35-Stunden-Woche", "höhere Reallöhne, Renten und Sozialleistungen", "Einschränkungen der Überstunden", "Einführung einer Ausbildungspflicht", "gesetzliches Verbot von Massenentlassungen und Betriebsverlagerungen ins Ausland" und "Erhöhung des Arbeitslosengeldes". Nach Ansicht des DKP32 Vorsitzenden nimmt auch der "Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit und für Beschäftigungsprogramme zunehmend den Charakter einer umfassenden Bewegung" an. Daß es der DKP nur vordergründig um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geht, macht eine Äußerung des Sprechers des DKP-Parteivorstandes im "DKP-Ratgeber für Arbeitslose -- Tips und Argumente", Februar 1986, klar. Er stellte fest, daß zur Durchsetzung des Rechts auf Arbeit "dieses kapitalistische System überwunden" und damit der "Weg für eine sozialistische Gesellschaftsordnung freigemacht werden muß". Soziale Sicherheit könne erst mit dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung durchgesetzt werden. Dies könne nur durch den "gemeinsamen Kampf von Arbeitslosen und Beschäftigten gegen den erbitterten Widerstand der Unternehmer und ihrer Bonner Regierung erreicht" werden. Auch auf dem 8. Parteitag im Mai 1986 in Hamburg hat die DKP den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit als eine Schwerpunktaufgabe hervorgehoben. Insbesondere den Jahrestag des Ende des 2. Weltkriegs nahm die DKP zum Anlaß, ihre "Antifaschismus-Kampagne" zu betreiben. Der Kampf gegen den "Faschismus" ist für die DKP eine taktische Variante ihres Kampfes für den Sozialismus. Die gesellschaftlichen Wurzeln, aus denen der Faschismus hervorgegangen sei, seien nicht beseitigt, da es dem Monopolkapital gelungen sei, "in der heutigen Bundesrepublik" seine Macht wiederherzustellen. Der "antifaschistische Kampf" lehre, daß "Kampf gegen Faschismus und Krieg" zugleich "Kampf gegen Antikommunismus und Antisowjetismus" bedeute. Das Schlagwort "antifaschistischer Kampf" wird von der DKP vorgeschoben, um damit Bündnispartner zu gewinnen, die mit ihrer Ideologie im übrigen nicht übereinstimmen. Nach wie vor wurde auch die Kampagne gegen die "Berufsverbote" betrieben. Auf dem 8. Parteitag der DKP wurde deshalb die Beseitigung der "Berufsverbote" zur "Wiederherstellung demokratischer Rechte" gefordert. Die Bundesregierung und einige Länderregierungen wurden aufgefordert, nicht an der "verfassungswidrigen Berufsverbotepolitik" festzuhalten. Nach Aussage eines DKP-Präsidiumsmitglieds sieht die DKP die Chance, das "Berufsverbot ganz weg zu kriegen". Sie werde deshalb nicht das Bundesverfassungsgericht anrufen, zumal sich dessen "Zweifelhaftigkeit im Sinne des Grundgesetzes" erwiesen habe. Die DKP werde sich vielmehr mit der "Bewegung gegen die Berufsverbote" noch stärker als bisher an die Öffentlichkeit wenden und auf ihre Unterstützung vertrauen. Auch in die Proteste gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW), Landkreis Schwandorf, schaltete sich die DKP ein. Bei einer Demonstration am 7. Januar in München erklärte sich die DKP-Ortsgruppe München solidarisch mit den WAW-Gegnern. Der DKP-Bezirksvorstand Nordbayern bezeichnete die polizeiliche Räumung des Hüttendorfes im Taxölderner Forst am 7. Januar als die "größte Polizeiaktion in Bayern seit 1945". Die "Verhaftungsaktionen, zahlreiche verletzte Demonstranten und wahllos im Wald verstreute Habseligkeiten" zeigten deutlich, gegen wen Gewalt angewandt worden sei. "Der Widerstand" sei nicht durch Polizeiaktionen zu brechen. Er müsse weiter gehen. Dazu sei die "Unterstützung im ganzen Land" notwendig. Die DKP werde überall ihren Beitrag leisten, um den Bau der Wie33 deraufarbeitungsanlage in Wackersdorf zu verhindern. Auf der Bezirksdelegiertenkonferenz für Südbayern wurde betont, mit der als Wiederaufarbeitungsanlage "getarnten Atomfabrik" in Wackersdorf würden derzeit in Bayern die Weichen für den "Griff nach der Atombombe" und die "Herausbildung übermächtiger Rüstungskartelle" gestellt. Im DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) vom 5: Juni riefen die DKP-Bezirksvorstände Nordund Südbayern zu gemeinsamen Aktionen für die für den 7. Juni geplante verbotene Großkundgebung gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) auf. Die DKP betonte hierbei, die WAW sei ein "zentraler Baustein des Bonner Atomprogramms", der die Möglichkeit einschließe, den "Zugang zur Massenfabrikation von Atombomben" zu sichern. 2.2.6 Publikationen, Verlage und sonstige Propagandaträger Die wichtigste Publikation der DKP ist ihr Zentralorgan "Unsere Zeit -- Die Zeitung der arbeitenden Menschen -- Zeitung der DKP" (UZ). Sie erschien an Werktagen in einer Auflage von etwa 24.000 (1985: 25.000). Die Stückzahl der Wochenendausgabe am Freitag sank auf 46.000 Exemplare (1985: 48.000). m unsere zeit Die Zeitung der arbeitenden Menschen -- Zeitung der DKP 18. Jahrgang Hr. 145 Donnerstag, den 31. Juli 1986 Die orthodoxen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland verfügen seit Jahren über einen großen Propagandaapparat mit einem Netz von Verlagen und beachtlicher drucktechnischer Kapazität. Sie sind ständig bemüht, die Wirkung ihrer "parteieigenen Medien" zu verbessern. Auf einer "medienpolitiPreis 50 Pfennig schen Konferenz" der DKP am 14./15. Dezember 1985 in Hamburg hatte der Sekretär für Öffentlichkeitsarbeit und Presse des DKP-Parteivorstandes dazu u.a. erklärt: "Die Arbeiterbewegung, die demokratische Bewegung, die Friedensbewegung brauchen ... Medien, in denen die Wahrheit verbreitet wird, ... Medien als Transportmittel für diejenigen Informationen und Argumente, die wir im tagtäglichen Klassenkampf, im Kampf um die Köpfe benötigen". Gegenwärtig versuchen die orthodoxen Kommunisten durch eine Neuordnung des Verlagsnetzes sowohl die Redaktionsarbeit als auch den Vertrieb der Publikationen rationeller und effektiver zu gestalten. Einen ersten Schritt zu einer Konzentration der DKP-gesteuerten Verlage gab es bereits 1983 mit der Übernahme der Münchener "Damnitz-Verlag GmbH" durch die Firma "Plambeck & Co. Druck und Verlag GmbH" in Neuss. Dort werden das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) verlegt und die meisten anderen Publikationen der DKP und der von ihr beeinflußten Organisationen hergestellt. Bei Plambeck erscheinen jetzt auch die Zeitschriften "Tendenzen -- Zeitschrift für engagierte Kunst" und "kürbiskern -- Literatur, Kritik, Klassenkampf". 34 DKP-Kleinzeitungen DKP-Zeitung fur die Aschaffenburger Bevölkerung Zum 1. Juli 1986 übernahm Plambeck vom "Verlag Marxistische Blätter GmbH" die Verlagsrechte für das theoretische Organ der DKP, die "Marxistischen Blätter". Der Verlag "Marxistische Blätter" wurde aufgelöst. Sein sonstiges Programm -- dazu gehörten vor allem Schriften führender DKP-Funktionäre zur Strategie und Taktik der Partei sowie grundlegende Literatur zum Marxismus/Leninismus -- soll künftig auch von Plambeck betreut werden. Die Redaktion der "Marxistischen Blätter" kündigte nach dem Verlagswechsel an, die Zeitschrift werde ab Januar 1987 monatlich -- bisher zweimonatlich -- erscheinen. Der "Gebrauchswert" der Publikation werde zusätzlich durch attraktivere formale Aufmachung und ein breiteres Autorenspektrum gesteigert. Als neuer Chefredakteur der "Marxistischen Blätter" wurde bereits Ende Mai 1986 Dr. Robert Steigerwald, Mitglied des DKP-Parteivorstandes und dort bisher Leiter der Abteilung Theorie und marxistische Bildung, eingesetzt. Ebenfalls zum I.Juli 1986 übernahm Plambeck die Verlagsrechte der kommunistischen Jugendzeitschriften "elan", "rote blätter", "Jugendpolitische Blätter" und "pionier", die bisher bei der "Weltkreis-Verlags-GmbH" erschienen. Plambeck hatte schon seit Jahren Druck und Vertrieb dieser Zeitschriften organisiert. 35 Anfang Oktober kündigten die "Weltkreis-Verlags-GmbH", die "RöderbergVerlag GmbH" und der "Pahl-Rugenstein-Verlag" ihre Fusion zum I.Januar 1987 an. Nur der Name "Pahl-Rugenstein" werde weitergeführt. Das neue Unternehmen werde die eingeführten Verlagsprogramme aller drei Verlage fortsetzen. Das Programm des "Pahl-Rugenstein-Verlags" war schon bisher darauf ausgerichtet, die kommunistische Bündnispolitik insgesamt zu fördern; er verlegt auch die Zeitschriften "Blätter für deutsche und internationale Politik", "Demokratische Erziehung", "demokratisches gesundheitswesen" und "Demokratie und Recht". Zielgruppe des "Weltkreis-Verlages" war die Jugend; der "Röderberg-Verlag" war auf Literatur zur kommunistischen "Antifaschismus"-Agitation spezialisiert. Nach Abschluß dieser Konzentration bilden der "Verlag Plambeck" und der neue "Pahl-Rugenstein-Verlag" das Zentrum des DKP-gesteuerten Verlagsnetzes. Daneben existieren weiterhin die "Brücken-Verlag GmbH -- Literaturvertrieb-Import-Export", die ein umfangreiches Büchersortiment aus der UdSSR, DDR und anderen sozialistischen Staaten bereithält; der Vertrieb einer solchen "fortschrittlichen Literatur" erfolgt über etwa 30 dieser Firma angeschlossene "collektiv"-Buchhandlungen. Die DKP stützt sich ferner auf die "NachrichtenVerlags GmbH", die gewerkschaftsbezogene Veröffentlichungen anbietet, auf den Verlag "plane" GmbH, der die Musikzeitschrift "Eiserne Lerche" herausgibt sowie Schallplatten und Cassetten produziert und vertreibt, auf die "UNIDOC-Film GmbH", die Filme verleiht, und auf das "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF), das als "Wissenschaftliches Institut" der DKP auch künftig selbst Berichte und Analysen aus der Sicht des MarxismusLeninismus herausgeben soll. Die Forderungen und Vorschläge der DKP zu aktuellen Themen werden auch in zahlreichen Broschüren veröffentlicht. 1986 erschienen u.a. die Broschüren "DKP und Kernkraft", "Die freundlichen Extras der UZ", "Bildungs-Magazin", "Für die Rechte der Arbeiterjugend -- Forderungen der DKP", "DKP-Ratgeber für Arbeitslose -- Tips und Argumente", "Kommunisten und neue Fragen des Kampfes um Demokratie", "DKP und die Bundestagswahlen ~ Programmatische Forderungen -- Alle Kraft für eine neue Politik", "Sozialpolitische Vorschläge der DKP", "Kommunisten und neue Technologien", "Forderungen der DKP zu den Landtagsund Bezirkstagswahlen -- Bayern kann nur in Frieden blühen!", "100-Milliarden-Beschäftigungsprogramm -- Forderungen zum Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit" und "Programm 2000: Die Abrüstungsvorschläge Michail Gorbatschows". Als Ergänzung zu den Bildungsmagazinen gab die DKP für neue Mitglieder und Interessenten zum "Kennenlernen der Partei" vierteilige Informationsbroschüren heraus mit den Überschriften "Was will die DKP eigentlich?", "Blick in die DKP", "Die stärkste internationale Kraft" und "Unser Kompaß: Der Marxismus". Große Bedeutung mißt die DKP auch ihren Kleinzeitungen bei. 1986 erschienen in Bayern über 50 (1985: über 60) Kreis-, Orts-, Stadtteilund Wohngebietszeitungen der DKP, viele allerdings nur gelegentlich. Neben örtlichen Problemen wurden in der Ausgabe auch bundesweite Themen behandelt. 1986 wurden 33 (1985: 42) Betriebszeitungen bekannt. Etwa ein Drittel von ihnen er36 schien nur sporadisch. Als Anleitung für das Abfassen der Kleinzeitungen verteilte der DKP-Parteivorstand die Broschüre "Info-Dienst". Die DKP-Bezirksorganisation Südbayern gibt für "Kulturfreunde, -- schaffende und Politiker" die Monatszeitschrift "Linke Seiten" heraus. Ferner veröffentlichte der DKP-Parteivorstand das "Handbuch für Betriebszeitungen, Wohngebietsund Hochschulzeitungen der DKP" sowie vierteljährlich die Zeitschrift "Praxis -- Erfahrungen aus dem Leben und der Arbeit der Partei". Außerdem existieren in Bayern "Libresso"-Zentren in München und in Nürnberg, die den collektiv-Buchhandlungen im Bundesgebiet angeschlossen sind. Eine propagandistische Steuerungsfunktion kommt auch der im November 1979 gegründeten Marx-Engels-Stiftung e.V. in Wuppertal zu. Sie will der Öffentlichkeit durch Veranstaltungen, Publikationen und eine eigenständige Ausstellung "Kenntnisse über die heutige Wirksamkeit der Ideen von Karl Marx und Friedrich Engels" vermitteln. Stiftungsvorsitzender ist der DKP-Vorsitzende Mies. 2.2.7 Schulung Die DKP betrachtet es als erstrangige ideologische und politische Aufgabe, "den Arbeitern und anderen Werktätigen Einsichten in die eigene Klassenlage und den unversöhnlichen Gegensatz zwischen ihren Klasseninteressen und den Machtund Profitinteressen des Großkapitals zu vermitteln und klassenmäßige Erkenntnisse zu vertiefen". "Unter den heutigen Bedingungen" werden von einem aktiven Kommunisten ein "hohes Maß an politischer Beweglichkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber allem Neuen, zugleich aber auch ständiges Bemühen um einen festen politisch-ideologischen und weltanschaulichen Standpunkt" gefordert. Die DKP versteht sich als "einzige Partei der Bundesrepublik, die über eine einheitliche wissenschaftliche Weltanschauung" verfüge, nämlich "die Theorie von Marx, Engels und Lenin". Das "erfolgreiche Wirken der Partei" sei davon abhängig, "wie die einzelnen Kommunisten und die Partei als Ganzes es verstehen, sich mit dieser Theorie vertraut zu machen, sie schöpferisch auf die konkreten Bedingungen des Klassenkampfes anzuwenden und an möglichst breite Bevölkerungskreise, vor allem an die Arbeiterklasse, heranzutragen". Die "Bedeutung der weltanschaulichen und ideologischen Arbeit" wachse. Die Lehre von Marx, Engels und Lenin vermittle die Fähigkeit, auch in "schwierigsten Situationen den kommunistischen Überzeugungen treu zu bleiben". Jedes Mitglied der DKP müsse sich bemühen, die "Theorie von Marx, Engels und Lenin zu studieren". Die "ideologische Arbeit" soll das DKPMitglied befähigen, "offensiv und überzeugend" die "Weltanschauung und Politik" der Partei zu verbreiten. Ein wichtiger Bestandteil dieser "Arbeit" sei die "Arbeit mit den grundlegenden Dokumenten der Partei", vor allem mit dem Parteiprogramm, sowie mit den Dokumenten von Parteitagen und Parteivorstandstagungen. Diesen Zielen sowie der Verwirklichung des Selbstverständnisses der kommunistischen Partei als einer "Gemeinschaft von Gleichgesinnten" dient die Intensivschulung der DKP-Mitglieder. Diese umfaßt Schulungsabende und Studienzirkel in den Parteigruppen, Kurse der Marxistischen Abendschulen (MASCH) und der Marxistischen Betriebsarbeiterschulen der DKP sowie Kurse und 37 Lehrgänge an der Karl-Liebknecht-Schule der DKP in Leverkusen. Die eigens für Mitglieder der DKP eingerichtete SED-Parteischule "Franz Mehring" in Berlin (Ost) und das Institut für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der KPdSU in Moskau boten auch 1986 Schulungsmöglichkeiten für DKPFunktionäre. Die Marxistische Arbeiterbildung -- Vereinigung zur Verbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus (MAB) arbeitet mit Bildungsgemeinschaften zusammen, die mit Unterstützung insbesondere der DKP-Kreisorganisationen die Marxistischen Abendschulen (MASCH) betreiben. Ihre Kurse, die auch Nichtparteimitgliedern offenstehen, arbeiten auf der Grundlage einer von der MAB herausgegebenen Seminarplansammlung und umfassen das Studium der marxistischen politischen Ökonomie und des "Wissenschaftlichen Sozialismus", der Grundlage der gesamten marxistisch-leninistischen Doktrin. Mitglieder, die in Betrieben und Gewerkschaften wichtige Funktionen ausüben oder erlangen sollen, werden in den Marxistischen Betriebsarbeiterschulen der DKP intensiv geschult. Diese Lehrgänge haben das Ziel, Betriebsarbeitern eine gründliche und systematische Einführung in die wichtigsten Bereiche des Marxismus-Leninismus zu geben. Neben der theoretischen Schulung wurde Betriebsarbeitern auch 1986 vor allem anhand aktueller Themen wie "Weltraumwaffen", "Friedensarbeit im Betrieb", "Soziale Sicherung" oder "Sozialistische Zukunft" in Betriebsarbeiteraussprachen, -beratungen und -Seminaren die Anwendung der kommunistischen Ideologie erklärt. Die Seminare dienten zugleich dazu, in Fortbildungsveranstaltungen zu "Imperialismustheorie", "Stamokap" und "Kapitalistische Krise" theoretische Kenntnisse zu vertiefen und zu aktualisieren. Als gesellschaftsund sozialwissenschaftliches Institut der DKP ist das 1968 gegründete Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V. (IMSF) in Frankfurt a.Main anzusehen. Das IMSF hat die Aufgabe, die Theorie und Methode des "Wissenschaftlichen Sozialismus auf ökonomische und soziale Prozesse des heutigen Kapitalismus" anzuwenden. Das IMSF führte am 7. März in München unter dem Thema "Koalition der Vernunft zur Verhinderung eines Krieges und Friedenspolitik der DDR" eine Vortragsund Diskussionsveranstaltung durch. Als Referent trat der Direktor des "Instituts für internationale Politik und Wirtschaft" (IPW) aus Berlin (Ost) auf. Thema einer internationalen IMSF-Veranstaltung am 31. Mai/1. Juni in Köln war "Verschuldung und Ausbeutung der Dritten Welt und die Rolle der Bundesrepublik". Mitveranstalter waren die "Marx-Engels-Stiftung e.V." der DKP, zwei DKP-beeinflußte Organisationen, das "Antiimperialistische Solidaritätskomitee" (ASK), die "Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba" das DKP-beeinflußte "Antiimperialistische Informationsbulletin" (AIB) sowie fünf Solidaritätsgruppen. Zum Thema "Sozialismus heute Realität -- Theoretische Analyse -- Perspektive" richtete das IMSF am 21./22. Juni in Frankfurt a.Main eine "internationale" Konferenz aus. Als Mitveranstalter trat, erstmalig in der Bundesrepublik Deutschland, auch die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED in Berlin (Ost) auf. Der Leiter des IMSF hob in seinem Referat hervor, das Bild des "wissenschaftlichen Sozialismus" müsse "historisch, materialistisch, realistisch und 38 konkret" vermittelt werden. Er wertete die Konferenz "als großes, kompaktes Informationsangebot über den realen Sozialismus". Auf der zentralen Veranstaltung der DKP zur Eröffnung ihres Parteibildungsjahres 1986/87 am 5. September in Hamburg forderte ein DKP-Präsidiumsmitglied eine "Intensivierung und Differenzierung" der innerparteilichen Schulung. Aufgrund "beträchtlicher Fortschritte" in der Aktionseinheitsund Bündnispolitik und auch wegen der notwendigen schnellen Eingliederung neuer Parteimitglieder ergäben sich für die ideologische Arbeit "wachsende Anforderungen". Bislang habe die DKP selbst "in äußerst komplizierten Situationen unter starkem gegnerischen Druck" ihre "politische Geschlossenheit" bewahrt. Davon hänge auch künftig ihre "Kampfkraft" ab. Auch in der Bündnispolitik könnten Erfolge nur dauerhaft sein, wenn die DKP ihren Charakter als "revolutionäre Partei und als untrennbarer Bestandteil der kommunistischen Weltbewegung" erhalte. Nach einem UZ-Artikel sollen den "jungen Genossinnen und Genossen" in neu eingerichteten Viermonatskursen "elementare Einsichten in die Ziele der Partei" und deren Rolle als "Teil der kommunistischen Weltbewegung" vermittelt werden. Kernstück der Parteibildung "bleiben aber nach wie vor die alle zwei Monate stattfindenden" Bildungsveranstaltungen "der Grundorganisation für alle DKP-Mitglieder mit dem Ziel, regelmäßig und systematisch und gemeinsam zu lesen und zu lernen". Zur Unterstützung der Bildungsarbeit wurden die vom DKP-Vorstand herausgegebenen "Bildungshefte" wesentlich verbessert und in eine "populäre Magazinform" gebracht. 2.2.8 Betriebsarbeit der DKP Die DKP ist auf dem Gebiet der Betriebsarbeit nach wie vor die führende extremistische Kraft. Der Betrieb ist für sie als "Ort des alltäglichen Klassenkampfes", des -- wie Marx sagte -- elementaren "Guerillakrieges zwischen Kapital und Arbeit" das "wichtigste Kampffeld". Hier sieht die DKP "die besten Möglichkeiten, den Arbeitern die Unversöhnlichkeit ihrer Klasseninteressen mit denen der Bourgeoisie bewußt zu machen". Die DKP handelt dabei getreu der Devise Lenins: "Die Agitation unter den Arbeitern besteht darin, an allen spontanen Kampfaktionen der Arbeiterklasse, an allen Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Kapitalisten, wegen Arbeitszeit, Arbeitslohn, Arbeitsbedingungen teilzunehmen". Dementsprechend versucht die DKP intensiv, in den Betrieben in besonderer Weise die Belange der Arbeitnehmerschaft zu "vertreten". Die DKP konzentriert sich dabei vor allem auf Großbetriebe. Sie sieht die Organisierung und Kampfkraft der Arbeiter in den Großbetrieben als wichtigsten "vereinigenden Faktor". Die industriellen Großbetriebe seien "die Zentren der ökonomischen Macht des Industrie-, Bankund Finanzkapitals, zugleich aber auch Konzentrationspunkt der Arbeiterklasse und des Klassenkampfes". Nach Darstellung des DKP-Vorsitzenden Mies haben "mehrere tausend Mitglieder der DKP betriebliche oder gewerkschaftliche Funktionen". Sie und die Betriebsgruppen seien ein aktiver Faktor im Leben und Kampf der Arbeiterklasse unseres Landes. Auch 1986 hat die DKP ihre konzernorientierte Tätigkeit kontinuierlich weitergeführt. Nach wie vor steht im Mittelpunkt die Schaffung von Betriebsgruppen und Betriebsaktivs in den Konzernen und Großbetrieben. 39 Zur Koordinierung und Aktivierung der Betriebsarbeit veranstaltete die DKP überörtliche Beratungen, Seminare und Aussprachen mit Betriebsarbeitern und Funktionären einzelner Wirtschaftszweige, wobei 1986 der Schwerpunkt bei der Elektroindustrie sowie einzelnen Metallbetrieben lag. Erstmals wurden auch Seminare für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes durchgeführt. Für Betriebsarbeiter, die nicht die Möglichkeit haben, andere längerfristige Lehrgänge zu besuchen, wurden 1986 kombinierte "Betriebsarbeiterlehrgänge" an der DKP-Parteischule "Franz-Mehring" in Berlin (Ost) angeboten. Diese Schulungen finden in der Urlaubszeit statt und setzen sich aus 14 Tagen Lehrgang und anschließendem 14tägigem Urlaub in der DDR zusammen. Träger der Betriebsarbeit sind vorrangig die Betriebsgruppen, die nach dem Parteistatut wichtigsten Grundorganisationen der Partei. Die wesentliche Aufgabe dieser Betriebsgruppen besteht darin, DKP-Mitglieder in Betriebsräten und gewerkschaftlichen Vertrauenskörpern zu unterstützen und in Betriebsund Gewerkschaftsversammlungen "den Standpunkt der Arbeiterklasse überzeugend zu vertreten". Die Bedeutung der Betriebsgruppen unterstreicht die Beschlußfassung des 8. Parteitags der DKP im Mai 1986: "Die Betriebsgruppenund Betriebsarbeit der DKP steht in der Tradition und Kontinuität kommunistischer Klassenund Arbeiterpolitik. Die Grundfragen Frieden und Arbeit, der Kampf um demokratische Rechte, um Gewerkschaftsund Arbeiterrechte erfordern das einheitliche, solidarische Handeln der Arbeiterklasse -- das Handeln in Aktionseinheit. Diese Aufgabe wird in einem starken Maße von dem organisierten Wirken der Kommunisten in Betrieben und Verwaltungen bestimmt". Der DKP-Vorsitzende Mies betonte, daß die Zusammenarbeit der DKP Betriebsgruppen und Betriebsaktivs mit den SDAJ-Betriebsgruppen unerläßlich sei. In den Betrieben, in denen die DKP noch keine "praktische kommunistische Arbeit" leisten konnte, sollen Betriebsaktivs geschaffen werden, deren erklärtes "Kampfziel" es ist, in dem betreffenden Betrieb die Voraussetzung für die Bildung einer Betriebsgruppe zu schaffen. In sie sollen Mitglieder aus Wohngebfetsund Hochschulgruppen zeitweilig delegiert werden, die den "Genossen des Betriebs alle Hilfe und Unterstützung zu geben" haben. Trotz dieser Bemühungen hat die DKP ihr Ziel, in allen Großbetrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten eine Betriebsgruppe oder ein Betriebsaktiv zu schaffen, nicht erreicht. Derzeit bestehen im Bundesgebiet über 300 Betriebsgruppen. Die Zahl der in Bayern bekannten Betriebsgruppen beträgt 34 (1985: 35). In erster Linie bestehen Betriebsgruppen in Unternehmen der Metallindustrie. Ferner bemühte sich die DKP verstärkt, im öffentlichen Dienst tätige DKP-Mitglieder lokal zu "Betriebsgruppen öffentlicher Dienst" zusammenzufassen, was in einigen Städten gelungen ist. Die Zahl der "Betriebsaktivs" erhöhte sich auf ca. 35 (1985: 20). Um ihre Arbeit im Betrieb effektiver zu gestalten, gibt die DKP Betriebszeitungen heraus. Die Zahl der in Bayern bekanntgewordenen Betriebszeitungen verringerte sich auf ca. 35. Die DKP betrachtet die Betriebszeitungen als eine der "schärfsten Waffen der politischen, ideologischen und ökonomischen Aufklärungsarbeit", als eine "besondere Form der Betriebsagitation". Der 8. Parteitag der DKP unterstrich die Bedeutung der Betriebszeitungen als wichtigste 40 Form der Öffentlichkeitsarbeit. Deshalb werde angestrebt, daß jede Betriebsgruppe und jedes Betriebsaktiv möglichst ihre eigene Betriebszeitung haben soll. Am 21. Juni hielt die DKP ihre zweite "Zentrale Betriebsrätekonferenz" ab, an der sich nach Berichten in der kommunistischen Presse etwa 600 "Betriebsräte, Personalräte und Jugendvertreter" beteiligten. Ein DKP-Präsidiumsmitglied wies im einleitenden Referat auf die Betriebsund Personalratswahlen 1987 hin und befaßte sich mit den "Aufgaben der Kommunistinnen und Kommunisten in Betrieben und Verwaltungen". Die "Kernfrage" für die Entwicklung der Kampfkraft in den Betrieben und die "Stärkung der Einheitsgewerkschaft" bleibe das "gemeinsame Handeln mit den sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen". Bei den kommenden Betriebsund Personalratswahlen sei es "im Interesse einer kämpferischen Politik" die Zahl der kommunistischen Betriebsund Personalräte "kontinuierlich zu entwickeln". In Arbeitsgruppen diskutierten die Teilnehmer der "Zentralen Betriebsrätekonferenz" über Lohnund Beschäftigungspolitik, die Einführung neuer Technologien, die "Friedensarbeit im Betrieb" und Maßnahmen gegen eine "Spaltung oder Schwächung" der Einheitsgewerkschaft. Auf die große Bedeutung der betrieblichen Friedensinitiativen wird im Abschnitt "Neue Fragen der Aktionseinheitsund Bündnispolitik" der Thesen des 8. Parteitags der DKP hingewiesen: "Die betrieblichen Friedensinitiativen sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Friedensbewegung und Arbeiterbewegung. In ihnen verwirklicht sich die Aktionseinheit der Arbeiterklasse in den Betrieben". In den "betrieblichen Friedensinitiativen" wirken viele betriebliche und gewerkschaftliche Mandatsträger mit. "Die grundsätzliche Bedeutung der betrieblichen Friedensinitiative" liege darin, daß sie die "Erfahrungen organisierten Handelns der Arbeiterklasse, den langen Atem und die Beharrlichkeit, die im Kampf zwischen Kapital und Arbeit Grundlage von Erfolgen sind, mit in den Friedenskampf einbringen". Für die DKP ist von "maßgeblicher Bedeutung", daß die "Friedensbewegung" noch stärker in die Arbeiterklasse einbezogen wird, d.h., eine "noch engere Verbindung von Friedensbewegung und Arbeiterbewegung" erreicht wird. 2.2.9 Beteiligung an Wahlen Die DKP beteiligte sich nicht an der Landtagswahl in Bayern am 12. Oktober, sondern unterstützte die Kandidaten der "Friedensliste", die auf den offenen Listen der "Grünen" kandidierten. In einer Analyse der Wahlergebnisse vom 12. Oktober stellte ein DKP-Funktionär fest, daß die taktische Überlegung der DKP, mit Kandidaten der "Friedensliste" auf "offenen Listen" der Grünen zur Wahl anzutreten, richtig gewesen sei. Bei den gleichzeitig stattfindenden Bezirkstagswahlen in Bayern war die DKP mit Kandidaten auf der "Liste Freies Wackerland" im Regierungsbezirk Oberpfalz vertreten, die von dem Schwandorfer DKP-Funktionär und Stadtrat Helmut Orlowski angeführt wurde. Die "Liste Freies Wackerland" erreichte insgesamt 4.216 Erststimmen und 2.270 Zweitstimmen, wobei Orlowski mit 2.130 Gesamtstimmen am besten abschnitt. Im Bezirkstag ist die Liste jedoch nicht vertreten. 41 Die DKP erwartete vom Ausgang der Landtagswahl in Bayern wichtige Impulse auch im Blick auf die angestrebte Ablösung der "Bonner Rechtskoalition" bei der Bundestagswahl am 25. Januar 1987. Laut eigenen Angaben ging es der DKP insbesondere darum, mit ihrer Kraft einen möglichst effektiven Beitrag zur Veränderung des parlamentarischen Kräfteverhältnisses in Bund und Land zu leisten, für die weitere Einigung der oppositionellen Kräfte zu wirken und dazu beizutragen, ihre Forderungen wirksamer in das Parlament zu tragen. Auf einer "Bundeswahlkonferenz" der DKP am 13. September in Bottrop bezeichnete der Parteivorsitzende Herbert Mies die Beendigung der "unberechenbaren Außenund sozialreaktionären Innenpolitik" der Regierungskoalition als ein "mobilisierendes Ziel" des Wahlkampfes. Insbesondere die Kommunisten seien berufen, so erklärte Mies vor etwa 250 DKP-Funktionären, für eine "neue Politik" zu kämpfen; denn sie hätten "klare und realistische Gegenwartsund Zukunftsvorstellungen". Eine neue Politik könne nur über eine "von der SPD geführte und mit den Grünen in welcher Weise auch immer kooperierende Regierung" erreicht werden. Die DKP sei "Verbündete" der SPD und der Grünen. Mies ging auch ausführlich auf die "vielen Fragen", "Besorgnisse und Zweifel" unter DKP-Mitgliedern über die Taktik der Partei für die Bundestagswahl 1987 ein. Hierzu gehörten der Verzicht auf die Eigenkandidatur verbunden mit der Empfehlung, die Erststimme Kandidaten der "Friedensliste" zu geben und mit der Zweitstimme SPD oder Grüne zu wählen. Die "Hauptforderungen" der "Friedensliste" seien auch Forderungen der DKP und könnten im Bündnis wirkungsvoller vertreten werden. Die "Friedensliste" trage mit dem Verzicht auf Landeslisten dazu bei, eine "Zersplitterung der Opposition" zu vermeiden; das begünstige die in den Bundestag einziehenden Oppositionskräfte. 2.2.10 DKP-Hochschulgruppen Die DKP-Hochschulgruppen sind Grundeinheiten der DKP, denen alle an einer Hochschule tätigen DKP-Mitglieder (Lehrpersonal, Mitarbeiter der Verwaltung und Studenten) angehören sollen. Ihre Aufgabe ist es, im Bildungsbereich die Voraussetzungen für einen etappenweisen Übergang von der parlamentarischen Demokratie zum Sozialismus kommunistischer Prägung zu schaffen. Die DKP-Hochschulgruppen steuerten auch 1986 wieder in den bedeutsamen Bereichen die Aktionen des MSB Spartakus. Sie arbeiteten ferner mit anderen linksextremen Studentenorganisationen zusammen, die für "Mitbestimmung und Demokratisierung" der Hochschule eintreten. DKP-Hochschulgruppen bestehen in Bamberg, Erlangen-Nürnberg, München, Regensburg, Würzburg und seit kurzem auch in Augsburg. Organ der DKPHochschulgruppen ist die Zeitung "Kommunist". Unter diesem Titel erschienen auch ihre Flugschriften. Darüber hinaus wurden in unregelmäßigen Abständen örtliche Publikationen mit ähnlichen Titeln verbreitet. 2.2.11 Sonstige Aktivitäten Bislang nicht genannte Aktivitäten der DKP bezogen sich insbesondere auf die Agitationsschwerpunkte "Überwachungsstaat" und Sicherheitsgesetze, Entwicklungspolitik und Ausländerpolitik. 42 Das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) wandte sich Anfang 1986 wiederholt in mehreren Artikeln gegen die geplanten Änderungen des Datenschutzgesetzes sowie gegen die im Bundestag eingebrachten Sicherheitsgesetze. In einem Artikel hieß es hierzu, die Bundesregierung wolle mit den Sicherheitsgesetzen den Bürger zum "Freiwild für Polizei und Geheimdienste" machen. Die DKP forderte die Bundesregierung auf, die Bevölkerung über die "Gefahren dieser Gesetze" umfassend aufzuklären. Es sei unverkennbar, daß die Gesetze einen "weiteren Schritt in den Überwachungsstaat" bedeuteten. Der ehemalige stellvertretende DKP-Vorsitzende forderte "alle Möglichkeiten des außerparlamentarischen und parlamentarischen Drucks" zu nutzen, um die geplanten Sicherheitsgesetze zu verhindern; diese seien der "Versuch einer groß angelegten obrigkeitsstaatlichen totalen Überwachung der Bevölkerung". Die computerlesbaren Ausweise und die sogenannte "Schleppnetz-Fahndung" würden die gesamte Bevölkerung einer "groß angelegten Totalerfassung" unterwerfen. "Die antidemokratischen Blitzgesetze" zielten ferner darauf ab, die Machtpositionen der herrschenden Monopole, des Großund Rüstungskapitals auszubauen, die Vorrechte der reichen Minderheit zu schützen und notwendige und berechtigte demokratische Gegenwehr einzuschüchtern". Die stellvertretende DKP-Vorsitzende Ellen Weber legte am 24. Juli auf einer Pressekonferenz in Bonn den angekündigten "Gesetzentwurf" für eine "Charta des Friedens" vor. Das Papier sei, so berichtete die UZ, dem Präsidium des Bundestages und den Vorständen der Fraktionen zugeleitet worden. Es ziele darauf ab, die Bundesregierung zu verpflichten, einen "eigenen nationalen und europäischen Beitrag zur Friedenssicherung, Abrüstung und Entspannung" zu leisten, für "Sicherheitspartnerschaft zwischen Ost und West" einzutreten und sich zur "friedlichen Koexistenz" zu bekennen. Die Kernforderungen der "Charta" beziehen sich auf: -- Liquidierung der Atomraketen in Europa, -- Einstellung und Verbot von Kernwaffenversuchen, -- Verbot der Militarisierung des Weltraums, -- Beseitigung der chemischen Waffen und -- Reduzierung von Streitkräften und konventionellen Rüstungen. Der DKP-Vorsitzende Herbert Mies stellte auf einer Pressekonferenz am 24. November in Bonn "Grundsätze und Vorschläge der DKP für eine solidarische Entwicklungspolitik" vor. Er forderte, die "imperialistische Ausbeutung der Entwicklungsländer durch bundesdeutsche Konzerne und Großbanken" aufzugeben und die Beziehungen zur Dritten Welt von "US-amerikanischer Politik des Neo-Globalismus, der Konfrontation und der Hochrüstung" abzukoppeln. In ihren "Grundsätzen" erklärte die DKP, sie werde weiterhin aktiv in der "antiimperialistischen Solidaritätsbewegung" mitarbeiten, in die sie die "Erkenntnisse und die orientierende Kraft der marxistisch -leninistischen Imperialismus-Analyse" einbringe. Unter dem Motto "Hände weg vom Asylrecht" "warnte" die DKP die Bundesregierung vor einer Verschärfung des Asylrechts. Es sei eine "arrogante Anmaßung", von der DDR eine perfekte Grenzsicherung zur Bundesrepublik Deutschland zu fordern. Die DDR könne in keinem Fall den "Hilfspolizisten" für Bonn spielen. Gemeinsam mit anderen demokratischen Kräften verlange die DKP 43 daher: "Keine Verschärfung des Asylrechts! Sofortige Aufhebung aller diskriminierenden und menschenverachtenden Bedingungen der heutigen Asylpraxis! Uneingeschränkte und volle Verwirklichung des politischen Asylrechts wie es im Grundgesetz verankert ist. Schluß mit der politischen Unterstützung von Terrorregimen durch die Bundesregierung!" Die Flexibilität der DKP bei der Heranziehung tagespolitischer Themen für ihre Allgemeinstrategie zeigt die Äußerung eines Mitglieds des DKP-Bezirksvorstandes Südbayern. Danach verkomme Süddeutschland nach und nach zu einem "landwirtschaftlichen Notstandsgebiet". Aus diesem Grunde müsse der Bauernverband endgültig mit der "Wenderegierung" brechen und auf massive Aktionen hinarbeiten. Es sei nun an der Zeit, von Seiten der DKP in allen Bezirken Bauernversammlungen durchzuführen. 2.3 Nebenorganisatiohen der DKP Die DKP wurde auch 1986 in ihren politischen Aktivitäten in weiten Bereichen durch ihre Nebenorganisationen unterstützt. Diese sind zwar organisatorisch selbständige Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Führungsgremien, ordnen sich aber politisch der DKP unter und bekennen sich wie diese zum Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung. Maßgebende Funktionen nehmen DKP-Mitglieder wahr. Solche Nebenorganisationen sind wie bisher die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), der Marxistische Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) und die Jungen Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP). 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die SDAJ wurde 1968 in Essen gegründet. Sie hat bundesweit etwa 15.000 Mitglieder. In Bayern blieb die Mitgliederzahl mit 1.150 trotz der Festivalstafette zur Werbung von Mitgliedern etwa auf dem Stand von 1985. Die SDAJ, deren Mitglieder zum Teil gleichzeitig der DKP oder von der DKP beeinflußten Organisationen angehören, ist nach wie vor die mitgliederstärkste Nebenorganisation und zugleich die bedeutendste Kaderreserve der DKP. Mit dieser kämpft sie gemeinsam für eine "sozialistische Ordnung" in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Vorbild der DDR. Nach ihrem "Aktionsprogramm für die Grundrechte der Jugend" will die SDAJ die "sozialistische Bundesrepublik" im "entschiedenen Klassenkampf" erreichen. Sie bekennt sich zu einem Sozialismus nach den Ideen von Marx, Engels und Lenin und will die revolutionären Traditionen der Arbeiterjugendbewegung fortsetzen. Auch heute gebe es nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Möglichkeit, Massen von Jugendlichen zu jungen Revolutionären zu erziehen. Die organisatorische Struktur der SDAJ blieb 1986 unverändert. Es bestehen Landesverbände, die ihrerseits in Kreisverbände und Ortsgruppen unterteilt sind. In Bayern gibt es in Anlehnung an die Organisation der DKP die Landesverbände Franken/Oberpfalz und Südbayern. Sprachrohr der SDAJ ist "elan -- Das Jugendmagazin". Es erscheint monatlich in einer Auflage von rund 26.000 (1985:23.000) Exemplaren. In Bayern wurden 1986 21 Kleinzeitungen der SDAJ bekannt, davon 8 Betriebszeitungen (1985: 26 Kleinzeitungen, davon 9 Betriebszeitungen). Bundesvorsitzende der SDAJ ist Birgit Radow, ihr Stell44 Entwicklung der Mitgliederzahlen der SDAJ in Bayern Mitglieder 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1400 1200 1000 800 600 400 200 Vertreter Hans Georg Eberhard. Die SDAJ ist eine der aktivsten Mitgliedsorganisationen des prosowjetischen Weltbundes der demokratischen Jugend (WBDJ) und pflegt vor allem mit der SED -- Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) und der sowjetischen Jugendorganisation "Komsomol" "freundschaftliche Verbundenheit". Unter dem Motto "Festival gegen rechts, für die Rechte der Jugend auf Arbeit, Bildung (und) Demokratie" veranstalteten die SDAJ und der Marxistische Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) am 17./18. Mai in Dortmund ihr fünftes "Festival der Jugend". Der kommunistischen Presse zufolge hatten über 50 Länder, darunter die Sowjetunion und die DDR, Gastdelegationen entsandt. Neben der DKP nahmen auch Vertreter der DFG-VK und der "Friedensliste" teil. Im Rahmen des Festivals fanden u.a. Informationsund Diskussionsrunden zu Themen wie "Sicherheitsgesetze", "Berufsverbote" und "Friedensbewegung wohin?" statt. Ein "Antiimperialistisches Tribunal" verabschiedete eine Abschlußerklärung, in der zum "gemeinsamen Mut" aufgerufen wurde, den "Imperialismus in die Knie (zu) zwingen". Die zentrale Ausbildungsstätte der SDAJ, die auch von der DKP und den Jungen Pionieren genutzt wird, befindet sich auf Gut Wahrberg in Aurach, Landkreis Ansbach. 1986 fanden dort zahlreiche Lehrgänge für Gruppenleiter und Aufbaukurse mit Themen wie "Einführung in die Werke von Marx, Engels und Lenin", "Geschichte der Arbeiterbewegung", "Die Frauenpolitik der SDAJ", "Globale Probleme" und "Wie kann die Menschheit überleben?" statt. Vom 10. bis 17. August veranstaltete die SDAJ dort ihr "10. Viktor-Jara-Treffen", an dem sich nach Berichten der kommunistischen Presse etwa 200 "Laienund Berufskünstler" beteiligten. In mehreren Arbeitsgruppen befaßten sich die Teilnehmer mit Theater, Tanz, Pantomime, Rockmusik und Politik. Im Mittelpunkt des Treffens standen ein "Konzert für Chile", und eine "Nicaragua-Aktion" in der Fußgängerzone in Ansbach. Mit Schlagworten wie "Solidarität, wer kämpft, hat noch nicht gewonnen, aber wer nicht kämpft, hat bereits verloren" schaltete sich die SDAJ in München in 45 STOPPT DIE JUGENDFEINEC GEMEINSAM GEGEN RECHTS den Kampf um Arbeitsund Ausbildungsplätze bei einer zwischenzeitlich in Konkurs gegangenen Firma ein. In einer Aktion vor einer Münchner Bank wollte die SDAJ auf die "Schuldigen" an dem Zusammenbruch des Unternehmens hinweisen. Die "Kaputtsanierer" und "Raubritter" eines Instituts für Management wurden nach Meinung der SDAJ von der Bank nach München geholt, um einen lästigen Konkurrenten zu beseitigen und den Markt für das Großkapital zu bereinigen. 46 Die SDAJ sieht gegenwärtig "große Möglichkeiten", Jugendliche "anzusprechen, zu mobilisieren" und auch für die "Mitarbeit" in der kommunistischen Partei zu "gewinnen". Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des SDAJ-Bundesvorstandes über das "Jugendbewußtsein". Entscheidend für die Mobilisierbarkeit von Jugendlichen seien "Betroffenheit und Wut"; "wo eine ausstrahlende politische Kraft" auftrete und wo "glaubwürdige Aktionsformen" entwickelt würden, nähmen Jugendliche "an Kämpfen teil". Dort zeige sich, daß sie "sehr schnell" den "Schritt von der Wut zum Engagement" vollziehen könnten. Besondere Bedeutung komme daher dem "Aufschwung der außerparlamentarischen Bewegungen" zu, in denen viele Jugendliche "wichtige Kampferfahrungen" gesammelt hätten. Die SDAJ will ihren Einfluß unter den Schülern verstärken. In einer Ausgabe der "Marxistischen Blätter" unterstreichen ihr stellvertretender Bundesvorsitzender und der Chefredakteur ihres Verbandsorgans "Jugendpolitische Blätter" die Bedeutung der "Schülerbewegung" für den Kampf gegen "konservative und reaktionäre Bildungskonzeptionen". Diese Bewegung habe "vielfach Impulse" gegeben und "neue Aktionsformen" wie "Massendemonstrationen" und "Schulbesetzungen" entwickelt. Die SDAJ begrüße daher die seit Oktober 1985 laufende "Aktion Mißstände" der "Bundesschülervertretung", mit der "Grundlagen für kommende Schülerkämpfe" geschaffen werden sollen. Die "SDAJ-Schulgruppen" müßten dabei deutlich machen, daß "Bildungsfragen immer auch Klassenfragen" seien. Es gelte, die "großen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in die Schulen zu tragen" und dort eine "starke Bewegung gegen Weltraummilitarisierung und Hochrüstung" zu entwickeln. Die SDAJ rief im Januar ihre Mitglieder und Anhänger zum "aktiven Widerstand" gegen die geplante Wehrdienstverlängerung auf. Unter den Jugendlichen müsse jetzt "Ablehnung und Widerstand" gegen die "druckempfindliche" Bundesregierung geweckt werden, um "W 18" als "Kernstück der Kriegsvorbereitung" zu verhindern. Das SDAJSprachrohr "elan" veröffentlichte u.a. als "Aktionsvorschläge": Abladen von "Mist vor Kreiswehrersatzämtern oder CDU-Büros" und "Besuch bei Bundestagsabgeordneten", deren Adressen bei "elan" oder denSDAJ-Landesvorständen zu erfragen seien. Anläßlich der Wehrkundetagung Anfang März in München vertrat die SDAJ-Bundesvbrsitzende Birgit Radow in einem UZ-Artikel die Meinung, die geplante Verlängerung der Wehrdienstzeit stoße auf breite Ablehnung und den Protest der Jugendverbände. Viele hätten ihren Widerstand erklärt, weil die Verlängerung des Wehrdienstes eine direkte Aufrüstungsmaßnahme und Bestandteil der.geistig moralischen Wende sei. Drei Monate länger dienen, solle den Generälen helfen, die jungen Soldaten auf "Kriegskurs zu trimmen". Der Bundesvorstand der SDAJ hatte mit mehreren Broschüren auf die "SDIWeltraumrüstung" hingewiesen. Um das größte Aufrüstungsprojekt in der Geschichte der Menschheit zu rechtfertigen und durchzusetzen, würden die Aufrüster und Sternekrieger mit viel Phantasie Argumente für SDI erfinden. Der Frieden werde dadurch nicht sicherer. Im Gegenteil, ein Rüstungswettlauf von noch nicht gewesenem Umfang werde die Folge sein. Immer wenn die USA und die NATO einen Aufrüstungsschritt planten, werde ein militärischer Vorsprung der Sowjetunion erfunden. 47 Im Zusammenhang mit der Kampagne "Stoppt die Jugendfeinde -- Gemeinsam gegen rechts" rief die SDAJ zur Unterstützung der DGB-Jugendaktion "Gegen Jugendarbeitslosigkeit" auf. Man wisse, wo die Verantwortlichen für diese Zustände zu finden seien, in Bayern und München, in den Unternehmeretagen und in den "geflickten" Parteizentralen. Die jugendlichen Arbeitslosen sollten dies bedenken, so die SDAJ, wenn sie im Januar 1987 zur Bundestagswahl gingen. Die SDAJ beteiligte sich auch an verschiedenen Aktionen gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf. Die WAW sei ein "zentraler Baustein des Bonner Atomprogramms", der die Möglichkeit einschließe, den "Zugang zur Massenfabrikation von Atombomben" zu sichern. Aus "Solidarität mit den Aktionen der Bevölkerung" gegen die WAW rief der SDAJ-Landesverband Südbayern seine Mitglieder und Sympathisanten zu einer Fahrt nach Wackersdorf auf. Am 26. Januar fuhren etwa 30 Personen nach Wackersdorf und besichtigten dort das Baugelände der WAW. Das neue Volkszählungsgesetz bezeichnete die SDAJ als "Teil eines umfangreichen Paketes reaktionärer, antidemokratischer Gesetzesvorhaben", als Teil der "Ermächtigungsgesetze für den totalen Überwachungsstaat". Die SDAJ betont die Bedeutung "demokratischer Soldaten" im Klassenkampf. Sie könnten "im Verlaufe demokratischer und antimonopolistischer Veränderungen" dafür sorgen, daß das Militär "in den Kasernen bleibt"; so sei eine sozialistische Umwälzung ohne Bürgerkrieg und Blutvergießen möglich. In ihrem "antimilitaristischen Kampf" unterstützte die SDAJ auch 1986 die von ihr beeinflußten Arbeitskreise Demokratischer Soldaten (ADS). Die ADS in Bayern protestierten gegen die disziplinare Bestrafung von Wehrpflichtigen, die als SDAJAngehörige bekannt seien und in Uniform an der Ostermarschkundgebung in Wackersdorf teilgenommen hätten. Der ADS Bayern rief die Öffentlichkeit auf, Protestund Solidaritätsbriefe an die betroffenen Soldaten zu schicken. 2.3.2 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) Der MSB Spartakus, der stärkste orthodox-kommunistische Studentenverband in der Bundesrepublik Deutschland, wurde im Oktober 1971 gegründet. Er bekennt sich zum Marxismus-Leninismus, kämpft zusammen mit der DKP und der SDAJ für die "sozialistische Revolution" und propagiert den "realen Sozialismus" der DDR als grundsätzliche Alternative zum "kapitalistischen System". Bundesweit verfügt der MSB Spartakus über ca. 6.000 Mitglieder. An den bayerischen Hochschulen in Augsburg, Bamberg, Coburg, Erlangen-Nürnberg, Landshut, München, Regensburg und Würzburg bestehen Gruppen mit insgesamt ca. 250 Mitgliedern. Organ des MSB Spartakus sind die "roten blatter", die in einer monatlichen Auflage von 15.000 Exemplaren erscheinen. In seinem Zentralorgan "rote blätter" behauptete der MSB Spartakus, daß er "heute die größte und einflußreichste Studentenorganisation an den bundesdeutschen Hochschulen" sei. Er sieht sich als den entscheidenden Faktor für die "Kontinuität der Studentenbewegung", die wegen der "Aktionseinheit, vor allem von MSB und SHB, zu einem Motor der außerparlamentarischen Bewegung" geworden sei. 48 Als Nebenorganisation der DKP obliegt dem MSB Spartakus die Aufgabe, kommunistische Vorstellungen in den Hochschulen einzubringen und die Studenten hierfür zu mobilisieren. Während die DKP-Hochschulgruppen die Politik der DKP an den Hochschulen offen vertreten, übt der MSB Spartakus aus taktischen Gründen vielfach eine größere Zurückhaltung, um sich anderen Studentengruppen als "Bündnispartner" anbieten zu können. So konnte er zum Beispiel bei den nach dem Bayerischen Hochschulgesetz nicht vorgesehenen inoffiziellen Studentenparlamentswahlen durch seine nach außen hin dokumentierte "Öffnung" bzw. "Unterordnung" in der "Bündnisliste Wehrt Euch" sein letztjährliches Wahlergebnis deutlich verbessern. Im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung verfolgt der MSB Spartakus eine Politik der "gewerkschaftlichen Orientierung". Er versucht hierbei, seine hochschulpolitischen Forderungen mit gewerkschaftlichen Kampfmitteln wie "Urabstimmung" und "Streiks" durchzusetzen. Der MSB Spartakus forderte seine Mitglieder zum "Herangehen an die SPD" auf. Da ohne die SPD "keine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt" möglich sei, suche der MSB Spartakus die "gemeinsame Aktion mit Sozialdemokraten auf allen Ebenen". Die MSB-Gruppen an den bayerischen Hochschulen entfalteten wiederum rege Aktivitäten. Schwerpunktthema bildete 1986 der "Kampf" gegen die Umsetzung des neugefaßten "Hochschulrahmengesetzes". Weitere Themen waren die "Apartheid-Politik" in Südafrika, Nicaragua, das geplante SDI-Projekt, die Friedensbewegung und die Großdemonstration am 11. Oktober im Hunsrück. 2.3.3 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) Die JP wurden 1974 auf Initiative der DKP nach dem Vorbild der Staatsjugendorganisationen der sozialistischen Länder gegründet. Sie erfassen Kinder von 6 bis 14 Jahren. Nach ihrer Satzung kämpfen die JP für den Sozialismus und betrachten sich als Teil der weltweiten kommunistischen Pionierbewegung. Sie dienen der DKP und der SDAJ als Basis für die Mitgliedergewinnung. Die DKP unterstützt mit der SDAJ und dem MSB Spartakus die JP in der Erwartung, daß sie die Kinder kommunistisch erziehen. Die JP gliedern sich nach ihrer Satzung in Gruppen-, Kreisund Landesverbände. In Bayern bestehen Landesverbände Franken/Oberpfalz und Südbayern. Die Zahl der Mitglieder der JP betrug 1986 bundesweit rund 4.000. Unter dem Motto "Freunde finden -- Mitglied werden" hatte die Bundesleitung der JP die Monate September und Oktober zu Werbeund Aktionsmonaten erklärt. Insbesondere wollte man nach der vorausgegangenen Kinderferienaktion neue Pioniergruppen gründen. Die Werbeund Aktionsmonate brachten keinen Erfolg. Die Mitgliederzahl der JP in Bayern ist mit rund 500 gegenüber dem Vorjahr gleichgeblieben. Führungspositionen werden durchweg von Jugendlichen und Erwachsenen eingenommen, die der SDAJ bzw. der DKP angehören. Der Bundesvorstand der JP veröffentlicht die Kinderzeitung "Pionier" und die "Pionierleiterinformation". Die Bundesleitung der JP nahm den 100. Geburtstag von Ernst Thälmann zum Anlaß, ein Diskussionspapier mit dem Titel: "Ernst Thälmann und die Rolle der Pionierorganisation" aufzulegen. Die JP wollen "mit verstärkter Aktivität" Kin49 der "in die Friedensbewegung einbeziehen". In einem UZ-Interview erklärte der JP-Bundesvorsitzende Gerd Härtel, mit "Projektwochen" an Schulen und Schülerwettbewerben gebe es bereits eine Reihe von "Ansatzpunkten", den Kindern im Kampf gegen die "Sternenkriegspläne" der "Herrschenden" "fortschrittliche Inhalte" zu vermitteln. Diese "Einbeziehung" zeige den Kindern, wie sie "sich selbst wehren können"; sie sei "sehr wichtig" für die Vorbereitung der Herbstaktionen der "Friedensbewegung". Vom 17. bis 19. Mai führten die JP mit Unterstützung von DKPund SDAJ-Mitgliedern bundesweit etwa 30 Friedenscamps durch. An den Lagern mit "vielfältigen Aktivitäten zum Frieden, zur Völkerfreundschaft und Solidarität" beteiligten sich nach Berichten der kommunistischen Presse etwa 4.000 Kinder. Die DKP und die JP organisierten auch 1986 Kinderferienreisen in das "kinderfreundliche Land DDR". Die DKP sieht neben der kommunistischen Indoktrination der Kinder den Hauptzweck dieser Ferienaktion darin, "Eltern zu gewinnen" und ihnen ein "positives Verhältnis zur DDR zu vermitteln". Aus diesem Grund gab die Partei wiederum im Frühjahr Eltern die Gelegenheit zu "Probeferien" in DDR-Ferienlagern. 2.4 DKP-beeinfiußte Organisationen 2.4.1 Allgemeines Die DKP ist realistisch genug zu erkennen, daß sie mit einer unverhohlenen Propagierung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele bei der Bevölkerung keine nennenswerte Resonanz findet. Deshalb wirkt sie, oft mit Unterstützung ihrer Nebenorganisationen, darauf hin, daß Organisationen, Initiativen oder Komitees gegründet werden, die nicht Teil der Partei oder ihrer Nebenorganisationen sind, aber gleichwohl dazu dienen, kommunistische Zielsetzungen zu fördern. Außerdem bemüht sich die DKP nach den Grundsätzen ihrer Bündnispolitik, bei zahlreichen nicht-kommunistischen Organisationen Einfluß zu gewinnen, zu erhalten oder ihn zu verstärken. Der Einfluß der DKP bzw. ihrer Nebenorganisationen auf solche "beeinflußte Organisationen" zeigt sich u.a. darin, daß diese Organisationen eng mit der DKP oder ihren Nebenorganisationen zusammenarbeiten, daß sie in ihren Führungsgremien wichtige Positionen mit Kommunisten besetzen, daß sie von der DKP oder ihren Nebenorganisationen materiell unterstützt werden oder daß unter ihren Mitgliedern zahlreiche Kommunisten sind. Diese beeinflußten Organisationen propagieren vielfach Forderungen, die für sich gesehen nicht verfassungsfeindlich sind, aber in Teilbereichen mit Zielsetzungen der orthodoxen Kommunisten übereinstimmen. Damit leisten sie den Bestrebungen der DKP Vorschub, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, denn dieser zentralen verfassungsfeindlichen Zielsetzung dienen alle Aktivitäten der DKP, auch die vermeintlich unverfänglichen. Bei den beeinflußten Organisationen liegen häufig mehrere, gelegentlich auch alle genannten Merkmale vor. Je stärker der kommunistische Einfluß ist, desto geringer sind die Möglichkeiten für die nicht-extremistischen Mitglieder solcher Organisationen Einfluß zu nehmen auf die interne Willensbildung, die politischen Äußerungen und die Aktivitäten der Organisation, insbesondere die 50 Beteiligung an Volksfrontaktionen. Bei anderen beeinflußten Organisationen besteht dagegen trotz des DKP-Einflusses Raum für politisches Eigenleben; die kommunistische Beeinflussung ist hier für das einfache Mitglied und für Außenstehende nicht immer leicht erkennbar. Hierzu zählen auch einige "Friedensinitiativen", die in unterschiedlichem Ausmaß von der Orthodoxen Linken, aber auch von Gruppierungen der Neuen Linken beeinflußt werden. Bei den meisten "Friedensinitiativen" ist jedoch eine extremistische Beeinflussung nicht feststellbar. Zu den wichtigsten DKP-beeinflußten Organisationen gehören: -- die Deutsche Friedens-Union (DFU) -- die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (WN-BdA) -- die Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) -- das Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) -- die Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) -- die Demokratische Fraueninitiative (DFI) -- die "Friedensliste". In diesem Zusammenhang sind auch die Initiativen gegen die "Berufsverbote" zu erwähnen. Die Koordination der Aktivitäten der Komitees und Initiativen "gegen die Berufsverbote", die sich gegen die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern und Angehörigen des öffentlichen Dienstes wenden, liegt überwiegend beim DKP-beeinflußten "Arbeitsausschuß" der überregionalen Initiative "Weg mit den Berufsverboten" in Hamburg. In Bayern gingen 1986 von dem orthodox-kommunistisch beeinflußten Nürnberger Bürgerkomitee "Verteidigung der Grundrechte -- Aufhebung der Berufsverbote" und der ebenfalls orthodox-kommunistisch beeinflußten "Münchner Bürgerinitiative gegen Berufsverbote" nur geringe Aktivitäten aus. Zu den DKP-beeinflußten Organisationen gehören auch sogenannte "Freundschaftsgesellschaften", die beim Kampf der DKP gegen "Imperialismus und Neokolonialismus" eine initiierende und koordinierende Rolle spielen. In Bayern traten die "Gesellschaft für die Freundschaft zwischen den Völkern in der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Vietnam e.V." (FG BRD-Vietnam e.V.) und die "Freundschaftsgesellschaft Bundesrepublik Deutschland -- Kuba e.V." (FG BRD-Kuba e.V.) aktiv in Erscheinung. Die FG BRD-Kuba e.V. arbeitete im neugebildeten Münchner "Arbeitskreis Friedensforum Zentralamerika" mit. Die Mitgliedergruppen der FG BRD-Vietnam e.V. in München und Regensburg feierten am 27. September in München ihr "lOjähriges Gründungsfest. Gegen die Jubiläumsfeier demonstrierten vor dem Veranstaltungslokal rund 70 oppositionelle Vietnamesen. Die orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen beteiligten sich auch 1986 aktiv an den Kampagnen und Aktionen der DKP. Der Schwerpunkt der Aktivitäten lag wie in den Vorjahren auch 1986 im "Friedenskampf". Dabei stand die Kampagne gegen die "Strategische Verteidigungsinitiative" (SDI) der USA im Mittelpunkt. Weitere herausragende Themen waren u.a. die "Ausländerfeindlichkeit", die "Apartheid-Politik" in Südafrika und der Reaktorunfall von 51 Tschernobyl. Bei den Bezirksund Landtagswahlen in Bayern am 12. Oktober unterstützten fast alle beeinflußten Organisationen die Bewerber der "Friedensliste". 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) Die 1960 auf kommunistisches Betreiben als "Volksfrontpartei" gegründete DFU, die Mitglied des sowjetisch gelenkten Weltfriedensrates (WFR) ist, weiß sich dem "antifaschistischen und antimonopolistischen Auftrag des Grundgesetzes und der meisten Länderverfassungen verpflichtet". Sie wendet sich insbesondere gegen "Antikommunismus" und fordert, "Schluß zu machen mit dem Abbau demokratischer und sozialer Rechte sowie mit der Militarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche". Sie vertritt die Auffassung, daß die Erreichung der Ziele der "Friedensbewegung und anderer demokratischer und sozialer Bewegungen nur im Bündnis mit der Arbeiterbewegung, mit ihren Gewerkschaften und Parteien möglich ist". Verfassungskonforme Forderungen, die auch von demokratischen Kräften vertreten werden, wie etwa das Eintreten für "friedliche Koexistenz, Entspannung und Abrüstung, sozialen und demokratischen Fortschritt", werden entsprechend der Strategie orthodox-kommunistisch beeinflußter Organisationen in verschleierter Form mit Zielsetzungen der orthodoxen Kommunisten verbunden. Die politische Betätigung der DFU dient in erheblichem Umfang der Förderung kommunistischer Vorstellungen. Seit der Änderung des Organisationsstatuts am 31. Mai 1984 in Essen versteht sich die DFU nicht mehr als Partei, sondern als "politische Vereinigung". Auf Bundesebene wird die DFU vom Bundesvorstand geleitet, dessen Vorsitz ein Direktorium innehat. Von den über 60 Mitgliedern des Direktoriums und des Bundesvorstandes gehörten zahlreiche Personen der 1956 verbotenen KPD an; andere sind Mitglieder der DKP oder einer kommunistisch beeinflußten Organisation. Bundesweit verfügt die DFU über neun Landesverbände, davon einen in Bayern. Dem Landesverband Bayern sind fünf Bezirksverbände nachgeordnet, die unterschiedlich aktiv waren. Die Zahl der Mitglieder lag am Jahresende im Bundesgebiet unverändert bei rund 1.000 Personen; in Bayern bei weniger als 400 Personen. Vorsitzender des Landesverbandes Bayern war bisher Gerhard Bitterwolf, der bei der Landesmitgliederversammlung Anfang März 1987 nicht mehr kandidierte. Als Sprachrohr sowohl der DFU als auch der WN-BdA dient die wöchentlich erscheinende "Deutsche Volkszeitung/die tat". Ihr Chefredakteur gehört der DKP an und war lange Zeit für die "roten blätter", das Zentralorgan des MSB Spartakus, verantwortlich. Daneben gibt die DFU in unregelmäßigen Abständen einen "Pressedienst" heraus, in dem vom Direktorium bzw. von Direktoriumsmitgliedern zu aktuellen Problemen Stellung genommen wird. Die "Kommission Abrüstung und Sicherheit" in der DFU zeichnet für das monatlich erscheinende "Abrüstungsinfo" verantwortlich. Darüber hinaus veröffentlichte die DFU 1986 zwei Broschüren, und zwar einen Diskussionsbeitrag "Für eine neue Sicherheitspolitik" und die Abhandlung "Mit christlichem Verständnis vom Menschen und für die Interessen aller Deutschen". Die Abhandlung setzte sich mit dem außenpolitischen Teil des Entwurfs der CDU für das Wahlprogramm von CDU/CSU für die Bundestagswahl 1987 auseinander. 52 Herausgeber;' Abrüstungsinfo Deutsche Friede ns-Uotoo -- DFÜ -- Kommission Abrüstung und Sicherheit Argumente, Dokumente, Informationen Neben ihren publizistischen Aktivitäten trat die DFL) 1986 in Bayern in stärkerem Maße als in den Vorjahren mit eigenen Veranstaltungen an die Öffentlichkeit. So fanden in München und Nürnberg Diskussionsveranstaltungen mit Gästen aus der Sowjetunion statt. Auf mehreren verbandsinternen Versammlungen befaßten sich die Teilnehmer u.a. mit dem Reaktorunfall von Tschernobyl, dem sowjetischen Teststop-Moratorium und den Ergebnissen des amerikanisch-sowjetischen Gipfeltreffens von Reykjavik. Die Arbeit im Bündnisbereich war jedoch nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der DFU-Aktivitäten. Besonders ausgeprägt war die bundesweite Mitwirkung bei der Organisation der von der "Friedensbewegung" veranstalteten "Ostermärsche". Die Kontaktadressen für die Ostermarschvorbereitung waren in vielen Bundesländern identisch mit den Anschriften der jeweiligen DFU-Landesgeschäftsstelle. Auch in Bayern beteiligte sich die DFL) an den Vorbereitungen der "Ostermärsche". So konnten für den Bereich Nordbayern die Materialien für den "Ostermarsch" bei dem ehemaligen DFU-Landesvorsitzenden angefordert werden. Die DFL) beteiligte sich auch weiterhin maßgeblich an der Arbeit des Personenbündnisses Die Friedensliste, an deren Gründung im Jahr 1984 sie mitgewirkt hatte. Dem im März 1986 neugewählten Bundesvorstand der "Friedensliste" gehören unverändert ein Direktoriumsund vier Bundesvorstandsmitglieder der DFU an. Unter den fünf gleichberechtigten Bundessprechern der "Friedensliste" befindet sich auch ein Bundesvorstandsmitglied der DFU. Im Zusammenhang mit den Bezirksund Landtagswahlen am 12. Oktober in Bayern sowie der Bundestagswahl 1987 forderte die DFU ihre Mitglieder und Freunde auf, die Bewerber der "Friedensliste" zu unterstützen. Die DFU betätigte sich 1986 auch im Rahmen der Krefelder Initiative, deren Adresse unverändert mit der Anschrift der DFU-Bundesgeschäftsstelle übereinstimmt. Die Planung und Organisation des am 27. September in Bremen durchgeführten 5. Forums der "Krefelder Initiative" lag -- wie in den Vorjahren -- in den Händen der DFU. An dem Forum nahmen rund 600 Personen teil, darunter Funktionäre der DKP und anderer linksextremer Organisationen sowie Vertreter "berufsbezogener Friedensinitiativen". Die DFU wirkte ferner an der Vorbereitung und Abwicklung des "Internationalen NaturwissenschaftlerFriedenskongresses" mit, der vom 14. bis 16. November in Hamburg stattfand. 2.4.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (WN-BdA) Die WN-BdA ist eine orthodox-kommunistisch beeinflußte Organisation, die regelmäßig entsprechend den Positionen der DKP beschließt und handelt. Sie ist der prosowjetischen Federation Internationale des Resistants (FIR) und 53 dem sowjetisch gelenkten Weltfriedensrat (WFR) angeschlossen. Die W N - BdA gehört zu den größten DKP-beeinflußten Gruppierungen und tritt nach eigener Aussage ein für "Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung", für die Verteidigung und Wiederherstellung "demokratischer" Rechte, für die Verteidigung sozialer Rechte, für internationale Solidarität, für eine "antifaschistische" Erziehung der Jugend zu "Frieden, Demokratie und Völkerfreundschaft" sowie für die Anerkennung des Widerstandes gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und die Entschädigung aller Opfer des Faschismus. Ferner wendet sie sich gegen jede "faschistische Aktivität und Propaganda" und den "Mißbrauch wirtschaftlicher Macht zu politischen Zwecken". Für den erfolgreichen Kampf für "Frieden", gegen "Faschismus" und "Militarismus" könnten und müßten sich "Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen und Anhänger anderer Religionen, Liberale, Grüne und Parteilose zusammenfinden". Die WN-BdA hatte Ende 1986 im Bundesgebiet unverändert etwa 13.500 Mitglieder. Auch in Bayern blieb die Zahl der Mitglieder mit rund 1.200 gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant. Die mitgliederstärksten der insgesamt bestehenden 19 Kreisverbände sind München und Nürnberg. Der überwiegende Teil der Mitglieder verhielt sich jedoch passiv. Präsident der WN-BdA ist Dr. Joseph C. Rossaint, Träger der vom Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR verliehenen Leninmedaille, Träger der Friedensmedaille des WFR und Büromitglied des DKP-beeinflußten KFAZ. Generalsekretär ist das DKP-Parteivorstandsmitglied Kurt Erlebach. Vorsitzender des Landesverbandes Bayern der WN-BdA ist der DKP-Funktionär Oskar Neumann; Landessekretärin das Vorstandsmitglied der DKP-Bezirksorganisation Südbayern und Mitglied des Sprecherkreises der BIFA Marion Lehmicke. Auch nach dem Bundeskongreß im Mai 1983 blieb der dominierende Einfluß der DKP im Führungsgremium der WN-BdA gewahrt; in der Mehrzahl sind die 86 Mitglieder des Präsidiums Kommunisten. Sprachrohr der WN-BdA ist die Wochenzeitung "Deutsche Volkszeitung/die tat". Sie ist gleichzeitig Publikationsorgan der DFU. Das Präsidium der W N - BdA gibt außerdem die monatlich erscheinende Mitgliederzeitschrift "antifaschistische rundschau" heraus und ergänzend hierzu den "antifaschistischen jugenddienst" und die unregelmäßig erscheinende Schriftenreihe "AID" (Argumentation, Information, Dokumentation). Die gelegentlich vom Landesverband Bayern herausgegebenen "Antifaschistischen Nachrichten" sowie regionale Informationsblätter vervollständigen die Reihe der Publikationen. Aktionsschwerpunkt der WN-BdA war 1986 wiederum die "antifaschistische Friedensarbeit". In einem hierzu vom Präsidium erstellten "Arbeitsund Diskussionspapier" hob die WN-BdA den "Zusammenhang von Kampf um Frieden mit dem Kampf gegen Neofaschismus" besonders hervor. Die "historische Erfahrung" habe bewiesen, "daß auch der noch nicht zur Macht gelangte Faschismus, die faschistische Bewegung und die faschistische Ideologie" letztlich der "Kriegsvorbereitung" diene. Deshalb könne heute der "Kampf gegen Neofaschismus" nicht losgelöst gesehen werden von dem Kampf gegen die ständig wachsende Gefahr, daß die Menschheit im "Gefolge der US-Globalstrategie des .Erstschlags' in einem atomaren Inferno" untergehe. Demnach sei es nicht richtig, "eine einzelne Detailstrategie als die alleinige Lö54 sungsmöglichkeit vorzustellen"; vielmehr komme es darauf an, "ein zusammenhängendes System und umfassendes Konzept der antifaschistischen Strategie gegen Neofaschismus zu entwickeln". Grundlinie müsse dabei sein, daß jede Aktivität und jedes Vorhaben dazu dient, das "antifaschistische Bewußtsein" und eine "Veränderung des politischen Klimas und Kräfteverhältnisses" zu schaffen. Die WN-BdA beteiligte sich im Rahmen des "Friedenskampfes" bundesweit an der Vorbereitung und Durchführung der von der "Friedensbewegung" initiierten "Ostermärsche". In Bayern nahm sie als Mitglied an Treffen und Konferenzen sogenannter "Ostermarschvorbereitungskreise" teil, auf denen Einzelheiten der "Ostermärsche" für Nordund Südbayern festgelegt wurden. Sie trat ferner als Mitveranstalterin des zentralen "Ostermarsches" am 30. März in München auf. Anhänger der WN-BdA beteiligten sich vielfach an den dezentralen Ostermarschkundgebungen, die in mehreren bayerischen Städten stattfanden, sowie an der zentralen Abschlußkundgebung am 31. März am Baugelände der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW). Als Mitglied des bundesweiten "Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung" rief die WN-BdA zur Teilnahme an der Großdemonstration am 11. Oktober in Hasselbach, Rhein-Hunsrück-Kreis, auf. Sie gehörte ferner mit drei weiteren linksextrem beeinflußten Organisationen einem "Aufruferkreis" an, der im Rahmen der "Friedenswochen 1986" in München zahlreiche Veranstaltungen durchführte. Als Mitglied der linksextrem beeinflußten "Würzburger Friedensinitiative" (WüFried) wirkte die WN-BdA auch maßgeblich an den Protestaktionen am 15. März in Würzburg mit, die anläßlich der 39. Ministerkonferenz der "Nuklearen Planungsgruppe der NATO" stattfanden. Darüber hinaus war auch der "Hiroshima-Tag" (6. August) Anlaß für weitere "Friedensaktionen", die von der WN-BdA unterstützt wurden. Im "Antifaschismus-Kampf" wandte sich die WN-BdA wiederholt gegen Aktionen rechtsextremer Gruppierungen. So demonstrierten Anhänger der W N - BdA am 18. Januar in Landshut gegen die "Reichsgründungsfeier" der NPD. Zahlreiche Anhänger der WN-BdA beteiligten sich ferner an den Protestaktionen gegen den NPD-Parteitag am 24725. Mai in Feucht, Landkreis Nürnberger Land, sowie gegen das Treffen der DVU vom 7. bis 9. August in Passau. Auf den Protestkundgebungen in Passau, die ein "Arbeitskreis Antifaschismus" organisierte und der u.a. neben der WN-BdA auch von DKP, SDAJ, DFG-VK, Gruppierungen der Neuen Linken und verschiedenen linksextrem beeinflußten "Friedensinitiativen" unterstützt wurde, traten namhafte Funktionäre der W N - BdA als Redner auf. Ein weiterer Aufzug, der sich gegen eine Gedenkfeier der Sudetendeutschen Landsmannschaft richtete, fand am 26. April in Moosburg a.d.lsar, Landkreis Freising, statt. Am 7. Juni trafen sich rund 50 Mitglieder der WN-BdA in Kaufbeuren-Neugablonz zu einer "Antifaschistischen Arbeitskonferenz". In der Eröffnungsrede hierzu befaßte sich die Landessekretärin mit den "neonazistischen und faschistischen Traditionspflegern". Bayern sei das Bundesland, in dem die "Rechtswender und Faschisten" ebenso konzentriert aufträten wie die Konzerne, die an einer weiteren Aufrüstung Interesse hätten. Mit Aufrufen in Tageszeitungen und auf Flugblättern agitierte die WN-BdA 1986 gegen die geplante Verabschiedung der "Sicherheitsgesetze". "Ehemali55 ge Widerstandskämpfer" in der WN-BdA richteten einen "Appell" an die Bundesregierung und an den Bundestag, von der Änderung des SS 116 AFG abzusehen. Mit Mahnwachen und Kundgebungen protestierte die WN-BdA im November 1986 verstärkt gegen die "zunehmende Ausländerfeindlichkeit". Auch zum Thema "Asylrecht" führte die WN-BdA mehrere Informationsabende durch. Im Zusammenhang mit den Vorgängen um die geplante Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) erklärte der Landesvorsitzende der W N - BdA in Übereinstimmung mit der DKP, die WAW stelle keine Lösung zur Entsorgung von atomarem Müll dar. Das "Gerede" der Bayerischen Staatsregierung könne nicht davon ablenken, daß hier der "Griff nach der Atombombe" praktiziert werde. 2.4.4 Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) Die DFG-VK entstand 1974 durch Fusion der Deutschen Friedensgesellschaft -- Internationale der Kriegsdienstgegner (DFG-ldK) mit dem Verband der 56 Kriegsdienstverweigerer (VK). Die sich als "antimilitaristischer Kampfverband" verstehende Organisation kämpft für Abrüstung, "friedliche Koexistenz" unterschiedlicher Gesellschaftssysteme, Aufhebung der "Berufsverbote" und gegen die "Militarisierung der Bundesrepublik". Sie erachtet die Verweigerung jeglichen Kriegsdienstes als eine "demonstrative, individuelle Handlung gegen Krieg und Kriegsvorbereitung". Den Kriegsdienstverweigerern gewährt sie "Schutz und Hilfe". Die DFG-VK fordert in ihrem Programm die Auflösung aller Militärpakte. Als "vertrauensbildende Abrüstungsvorausleistung" verlangt sie die "quantitative und qualitative Verminderung der Kampfstärke der Bundeswehr"; die Bundeswehr habe unter anderem die Aufgabe, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland die "bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren" und erweise sich gleichzeitig als "gefährlicher Nährboden rechtsradikaler und faschistischer Bestrebungen". Gemäß ihrem Programm tritt die DFG-VK auch "dem von allen Bundesregierungen als ideologisches Fundament der Rüstung und als wirksames Instrument zur Verketzerung demokratischer Opposition geschürten Antikommunismus" entgegen. Die DFG-VK wird auf Bundesebene vom Bundesvorstand geleitet, in dem orthodoxe Kommunisten bzw. Mitglieder anderer orthodox-kommunistisch beeinflußter Organisationen als führende Funktionsträger mitarbeiten. Seit der Satzungsänderung vom 1. März 1985 hat die DFG-VK nur noch einen Bundesvorsitzenden, nämlich Gerd Greune, der auf dem außerordentlichen Bundeskongreß der DFG-VK am 15./16. März 1986 wiedergewählt wurde. Bei diesem Kongreß wurde auch der bayerische Landesvorsitzende der DFG-VK und Mitglied der WN-BdA Heinrich Häberlein in seiner Funktion als einer der drei Stellvertreter des Bundesvorsitzenden bestätigt. Die 1985 neu geschaffene Stelle des Bundesgeschäftsführers hat nach wie vor ein DKP-Mitglied inne. Auch für das Referat Abrüstung ist ein DKPMitglied zuständig. Ein weiteres Bundesvorstandsmitglied, das auf der orthodox-kommunistisch beeinflußten "Friedensliste" für den Landtag in Nordrhein-Westfalen kandidierte, gehört der WN-BdA an. Im neuen Bundesvorstand sind ferner zwei Mitglieder des Landesverbandes Bayern der DFG-VK vertreten. Die DFG-VK ist nach wie vor eine der mitgliederstärksten orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen, aber auch die mit dem höchsten Anteil an nicht-kommunistischen Mitgliedern. Seit etwa vier Jahren hat sie andauernde Mitgliederverluste zu verzeichnen. Die Zahl der Mitglieder im Bundesgebiet lag zum Jahresende bei rund 12.000 (1985:13.000). Die Mitgliederzahl des in 20 Ortsgruppen gegliederten bayerischen Landesverbandes betrug etwa 1.700 (1985: 1.900) Personen, von denen nur ein geringer Teil aktiv mitarbeitet. Neben den Ortsgruppen bestanden in verschiedenen Orten "Arbeitskreise", "Initiativen" und Beratungsmöglichkeiten für Kriegsdienstverweigerer. Daneben gab es mehrere Jugendgruppen der DFG-VK, die unter der Bezeichnung "Jugendclub Courage" (JCC) auftraten. Die Gruppen München und Nürnberg sind mit etwa 600 bzw. 250 Mitgliedern die größten und aktivsten Ortsgruppen in Bayern. Publikationsorgan der DFG-VK ist die Verbandszeitschrift "Zivilcourage", die 1986 viermal erschien. Daneben gibt der Bundesvorstand den "friedenspolitischen informationsdienst" (fid) heraus, der sich 1986 mit Themen wie "Chemi57 sehe Waffen", "Rüstungs-und Sozialausgaben" und "Krieg aus dem Weltraum" befaßte. Der DFG-VK Arbeitskreis "Kommunale Friedensarbeit" verbreitete ferner den gleichnamigen Informationsdienst. Zusätzliches Informationsmaterial, wie "Gruppenrundbriefe" und "Briefe an Euch!" ergänzten die Reihe der Publikationen. Als regionales Blatt erschien "Die Alternative -- Antimilitaristische Stadtzeitung der DFG-VK und des Jugendclubs Courage Schweinfurt". Sie enthielt Beiträge über das "Grundrecht Asyl", die "Apartheid-Politik" und "Tschernobyl und die Linke in der BRD". Die erst im Vorjahr neu herausgegebene Jugendzeitschrift "Panzerknacker" wurde 1986 in Bayern nicht mehr verbreitet. Die Kampagne zur Wehrdienstverweigerung und der "Friedenskampf" waren auch 1986 Themenschwerpunkte der DFG-VK. Sie engagierte sich auch im Kampf gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) und veröffentlichte in ihren "Gruppenrundbriefen" Aufrufe und Darstellungen über sogenannte "Gewaltfreie Aktionen" in unmittelbarer Nähe des WAW-Geländes. Unter der Überschrift "Die Tschechen kommen!" kündigte die DFG-VK an, daß sich "die Freunde vom Tschechoslowakischen Friedenskomitee ... verstärkt um dieses Thema kümmern" werden und "Solidaritätsaktionen" nicht ausschließen wollen. Auf dem Landeskongreß der DFG-VK am 15./16. Februar in Erlangen, der unter dem Motto stand "Ohne kleine Leute keine großen Kriege -- Kriegsdienste verweigern", befaßten sich die Delegierten vor allem mit den Themen "Strategische Verteidigungsinitiative" (SDI), "Rüstung und Sozialabbau", "kommunale Friedensarbeit", "politische Friedenssicherung" und "Kriegsdienstverweigerung". Im Rahmen dieses Kongresses verlieh die DFG-VK den von ihr gestifteten "Bayerischen Friedenspreis" an Hans Patzelt, Sprecher des orthodoxkommunistisch beeinflußten "Nürnberger Friedensforums" und Mitglied der von der DFL) gesteuerten "Krefelder Initiative". Am 15./16. März fand in Wiesbaden-Erbenheim ein außerordentlicher Bundeskongreß der DFG-VK statt, der Zukunftsperspektiven für den erheblich verschuldeten und unter Mitgliederschwund leidenden Bundesverband entwikkeln sollte. Die anwesenden 212 Delegierten aus 87 Ortsgruppen vertagten jedoch ihre innerverbandlichen Probleme, weil während des Kongresses nicht festgestellt werden konnte, in welcher Höhe die DFG-VK tatsächlich verschul58 det ist. Als künftige Arbeitsschwerpunkte beschlossen die Delegierten eine Kampagne "Aktiv gegen Oliv", die den "wahren Charakter des angeblichen Verteidigungsauftrages" aufklären soll, sowie eine "Kampagne zur kommunalen Friedensarbeit". In einem UZ-Interview erläuterte der Bundesgeschäftsführer der DFG-VK die Ziele der Aktion "Aktiv gegen Oliv". Danach wolle die DFGVK gegen die "Offensive" der Bundeswehr, Jugendliche für das "Kriegskonzept des Jahres 2000" zu gewinnen, eine "Gegenaktion" starten. Hierbei gehe' es im wesentlichen darum, die "Verweigerung des Kriegsdienstes als Alternative zur Bundeswehr zu betonen". Zur Abwendung ihrer "drückenden Finanzsorgen" gründete die DFG-VK einen Immobilienfonds, an dem sich 100 "Friedensfreundinnen und -freunde" beteiligen sollen. Als Grundlage dient der Hausbesitz in Velbert. Zur Unterstützung der DFG-VK veröffentlichte die DKP in der UZ entsprechende Aufrufe zur Beteiligung an dem Fonds. Mit dem hierbei eingenommenen Geld könne die DFG-VK "Investitionen tätigen, die direkt ihrer politischen Arbeit nutzen: Verstärkte Interessenwahrnehmung für Kriegsdienstverweigerer und Ausweitung ihrer Friedensaktionen". Die DFG-VK gehörte 1986 wiederum zum Aufruferund Unterstützerkreis der "Ostermärsche", die vom 28. bis 31. März stattfanden. Ihre Anhänger beteiligten sich sowohl an den Vorbereitungen als auch an den dezentralen Aktionen in mehreren bayerischen Städten und an der zentralen Abschlußkundgebung am 31. März in Wackersdorf. Die DFG-VK war auch maßgeblich an der Durchführung des "Südbayerischen Friedensratschlags" am 13. Juli in München beteiligt. Die Teilnehmer des Treffens befaßten sich schwerpunktmäßig mit den Herbstaktionen der "Friedensbewegung", der Zusammenarbeit zwischen "Ökologieund Friedensbewegung" sowie der Beteiligung an den Wahlkämpfen. Als Mitglied des bundesweiten "Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung" wirkte die DFG-VK ferner bei der Beschlußfassung über Großaktionen der "Friedensbewegung", deren Planung und Durchführung mit. Zur Vorbereitung der am 11. Oktober als Schwerpunktaktion angesetzten "bundesweiten Friedensdemonstration" in Hasselbach/Hunsrück führten Mitglieder der DFG-VK eine "Exkursion" zum "Stationierungsgebiet der Cruise Missiles" im Hunsrück durch. Mitglieder der DFG-VK aus Bayern nahmen auch an der Großdemonstration in Hasselbach teil. Anläßlich der "Friedenswoche 1986" hatte ein "Aufruferkreis", dem auch die DFG-VK angehörte, unter dem Motto "Frieden schaffen ohne Waffen -- Schafft die Atomwaffen ab! Legt die Atomkraftwerke still!" zu zahlreichen Veranstaltungen in München eingeladen. Unter dem Motto "Frieden braucht Bewegung" organisierte die DFG-VK vom 19. bis 22. Juni in Finsterau, Landkreis Freyung-Grafenau, ein "Dreiländer-Friedenstreffen" für Jugendliche aus Bayern, der CSSR und Österreich. Die rund 30 Teilnehmer des Treffens diskutierten über "atomwaffenfreie Zonen", "Frieden und Abrüstung" sowie über die Planung weiterer gemeinsamer Aktionen im nächsten Jahr. Die Teilnehmer des Treffens besuchten gleichzeitig ein internationales Jugendcamp in der CSSR. Zum Hiroshima-Tag am 6. August veranstaltete die DFG-VK in München einen Vortragsabend mit rund 200 Teilnehmern zu dem Thema "41 Jahre radioaktive Verseuchung -- von Hiroshima ... bis Tschernobyl". Die Veranstaltung wurde 59 u.a. von der DKP, der SDAJ und acht weiteren orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen unterstützt. Im Rahmen von "Antifaschismus"-Kampagnen beteiligte sich die DFGVK am 24. Mai in Feucht an einer Protestdemonstration gegen den Landesparteitag der NPD. Sie nahm ferner als Mitglied des "Arbeitskreises Antifaschismus" an den Protestaktionen gegen das Treffen der DVU vom 7. bis 9. August in Passau teil. 2.4.5 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) Das KFAZ entstand 1974 unter maßgeblicher Beteiligung orthodoxkommunistischer Organisationen. Es verfügt weder rechtlich noch tatsächlich über eine feste Organisation. Das "Büro" des KFAZ, das Leitungsgremium dieser Gruppierung, ist eine der Schaltzentralen der "Friedensbewegung". Ihm gehören führende Funktionäre der DKP, der DFL) und der WN-BdA an. Seit 1982 ist in ihm die Angehörige des DKP-Präsidiums Martha Buschmann tätig, die für die "Friedensarbeit" der DKP zuständig ist und 1983 zur Vizepräsidentin des sowjetisch gelenkten Weltfriedensrates (WFR) gewählt wurde. Insgesamt gehören 10 der 16 Mitglieder des "Büros" dem WFR direkt oder indirekt über ihre Organisationen DFL) und WN-BdA an. Bundesweit bestehen örtliche Komitees und Initiativen des KFAZ, in Bayern in München, Regensburg und Weilheim. Das KFAZ war auch 1986 einer der Träger der "Friedensund Abrüstungskampagne". Es arbeitete -- wie in den Jahren vorher -- im "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" in Bonn mit. Zur Information gibt das Komitee "Rundbriefe" mit Positionen und Aussagen zur "Friedensbewegung" heraus. Unter dem Motto "Frieden 2000 -- Wege aus der Gefahr" veranstaltete das KFAZ am 21./22. Juni in Köln eine Konferenz, an der etwa 250 Personen teilnahmen, darunter auch Gäste aus der DDR, der UdSSR, der CSSR, aus Polen und dem westlichen Ausland. Zur Vorbereitung hatte das Komitee ein sogenanntes "Memorandum" mit gleichem Titel vorgelegt. Als "vordringliche Aufgaben" wurden darin die "Verhinderung der Militarisierung des Weltraums", der "Verzicht auf militärische Überlegenheit" und die "Überwindung des antikommunistischen Feindbildes" genannt. Von den bayerischen Gruppierungen des KFAZ war die Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA) die aktivste. In ihr arbeiten u.a. DKP, SDAJ, MSB Spartakus, SHB, DFU, DFG-VK, WN-BdA und DFI zusammen. Ihrem Sprecherkreis gehört u.a. die DKP-Funktionärin und Landessekretärin der WN-BdA Marion Lehmicke an. Die Anschrift des "BIFA-Friedensbüros" ist mit der Adresse der Münchner DFU-Geschäftsstelle identisch. Am 18. April feierte die BIFA in München mit rund 300 Teilnehmern ihr 10jähriges Bestehen. Hierbei gab ein BIFA-Specherratsmitglied einen Überblick über die Entwicklung der BIFA von einer kleinen "Friedensgruppe" zur maßgeblichen Münchner "Friedensinitiative". Die weiteren Aktivitäten erstreckten sich auf die "Ostermärsche" und die "Friedenswochen". So gehörte die BIFA zusammen mit anderen orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen dem "Aufruferkreis" für die "Ostermärsche" am 30. März in München und für 60 Komitee für Frieden Abrüstung und Zusammenarbeit Gottesweg 52 - 5000 Köln 51 * Telefon (02 21)36 16 76 Postscheckamt Köln Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit 613 12-508 RUNDBRIEF 4/86 die "Friedenswochen" vom 8. bis 23. November an. Aus Anlaß der militärischen Operation der USA gegen Ziele in Libyen führte die BIFA am 16. April eine Demonstration durch, an der sich rund 3.000 Personen, darunter zahlreiche Angehörige der DKP, ihrer Nebenorganisationen und der von ihr beeinflußten Vereinigungen beteiligten. Das KFAZ Weilheim veranstaltete am 28. September mit Friedensinitiativen des Landkreises ein "Friedensvolksfest", an dem etwa 400 Personen teilnahmen. An der Podiumsdiskussion, die unter dem Motto "Schwerpunkte und Perspektiven der Friedensbewegung" stand, beteiligte sich auch ein Bundesvorstandsmitglied der DKP-beeinflußten "Friedensliste". 2.4.6 Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. (VDJ) Die 1972 auf Initiative der DKP gegründete VDJ versuchte auch 1986, Einfluß auf die Rechtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der Ziele der DKP zu nehmen. Die VDJ arbeitet als nationale Sektion der kommunistisch gesteuerten Internationalen Vereinigung Demokratischer Juristen (IVDJ) mit Sitz in Brüssel. Das Programm der VDJ setzt Arbeitsschwerpunkte u.a. in der "Aufarbeitung des Faschismus in Recht und Justiz", im Kampf gegen "Berufsverbote und Neofaschismus", in der Solidarität mit Ausländern und auch im Kampf für Frieden und Abrüstung. Zum Jahresende zählte die VDJ im Bundesgebiet rund 1.200 Mitglieder, die in 26 teils inaktiven Regionalgruppen organisiert sind. Die bisher in Bayern bekanntgewordenen Regionalgruppen traten 1986 kaum in Erscheinung. Am 30. November führte die VDJ in Marburg ihre Bundesdelegiertenkonferenz durch, auf der auch der Bundesvorstand neu gewählt wurde. Unter den Mitgliedern des erweiterten Bundesvorstandes befiriden sich mehrere Angehörige der DKP und der WN-BdA. Die Delegierten stimmten ferner einem Antrag auf Änderung des Vereinsnamens in "Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V." zu. Am Tage vorher veranstaltete die VDJ zum Gedenken an ein 1985 verstorbenes Bundesvorstandsmitglied eine "Wissenschaftliche Konferenz" mit rund 500 Teilnehmern, die sich mit dem "Recht der Arbeiterbewegung" befaßte. In 61 Bayern wandte sich die VDJ gegen den Bau der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW). Sie forderte die Staatsregierung auf, zur "Beachtung von rechtsstaatlichen Prinzipien" zurückzukehren. 2.4.7 Demokratische Fraueninitiative (DFI) Die DFI wurde 1975/76 mit Unterstützung der DKP gegründet. Sie versucht, die Aktivitäten "fortschrittlicher" Frauengruppen zu koordinieren und im Sinne der DKP zu lenken. Die DKP hält es für gut, daß sich mit der DFI "erfolgreich ein Anziehungspunkt und Aktivposten fortschrittlicher Frauenpolitik entwickelt und daß viele Genossinnen hier in einem demokratischen Bündnis ihren Platz einnehmen". So arbeiten im "Zentralen Arbeitskreis", der die DFI-Arbeit auf Bundesebene beschließt, seit Jahren Kommunistinnen und Funktionärinnen DKP-beeinflußter Vereinigungen maßgeblich mit. Bundesweit gliedert sich die DFI in rund 130 Ortsgruppen; davon sind 10 zum Teil inaktive Gruppen in Bayern ansässig. Das Publikationsorgan "Wir Frauen" erscheint zweimonatlich in einer Auflage von 3.500 Exemplaren. Die Publikation wird bei der DKP-"Hausdruckerei" Plambeck & Co. in Neuss hergestellt. Eine der beiden verantwortlichen Redakteurinnen ist Funktionärin der DKP. Zum "Internationalen Frauentag" am 8. März führten DKP und DFI vielfach im Bündnis mit demokratischen Gruppen bundesweit etwa 150 Aktionen durch. Unter dem Motto "Nicht Blumen, Rechte fordern wir! -- Wir machen Putz" rief der Trägerinnenkreis "Aktion Muttertag", dem Frauen der DKP, der SDAJ, des MSB Spartakus, des SHB, der DFG-VK und der DFI angehören, zum bundesweiten Frauenprotest am 10. Mai in Bonn auf. Rund 1.500 Teilnehmerinnen demonstrierten für "Selbstbestimmungsrecht" und "Gleichstellung der Frauen" sowie gegen "Rüstungswahnsinn im Weltraum und auf der Erde". Auf der Abschlußkundgebung sprachen u.a. das Mitglied des "Zentralen Arbeitskreises" der DFI und des KFAZ-"Büros" sowie des prosowjetischen WFR Mechthild Jansen und ein Mitglied des Sekretariats des DKP-Parteivorstandes. In Bayern unterstützten ferner örtliche DFI-Gruppen neben der DKP, der SDAJ, dem MSB Spartakus und der WN-BdA den Aufruf eines "Frauenbündnisses Bayern" zur "Frauenvollversammlung" am 19. Juli auf dem Marienplatz in München, an der sich rund 300 Frauen beteiligten. Am 7./8. Juni fand in Köln eine Bundeskonferenz der DFI statt, an der sich rund 180 Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligten. Die Tagung stand unter dem Motto "Für ein eigenständiges Leben der Frau! Für Abrüstung, eine menschenwürdige Umwelt und Erwerbsarbeit! Nicht Almosen, Abhängigkeit und Individualisierung -- unsere Rechte, Unabhängigkeit und Solidarität, das wollen wir!". Als Gäste der Konferenz nahmen Vertreterinnen der DKP, des MSB Spartakus und der SDAJ teil. In einem Grußschreiben bezeichnete der DKP-Parteivörstand die DFI als "einflußreichen, integrierenden Faktor innerhalb der Frauenbewegung" und in der Zusammenarbeit von Frauenund Arbeiterbewegung. In einer ersten Skizze "Zur Zukunft der DFI" legte die Bundesgeschäftsstelle die Zielvorstellungen der DFI dar, die sich im wesentlichen mit den im Motto genannten Forderungen decken. Zur Durchsetzung dieser Ziele sei die Zusammenarbeit von Frauenbewegung und anderen "fortschrittli62 chen" Bewegungen und Organisationen wie mit der Friedens-, Umweltund Jugendbewegung sowie mit den Parteien notwendig. Im Rahmen des "Friedenskampfes" trat die DFI über die von ihr gegründete und geführte Initiative "Frauen in die Bundeswehr? Wir sagen Nein!" auf. Diese Initiative gehört dem bundesweiten "Koordinierungsausschuß" der Friedensbewegung an. 2.4.8 "Die Friedensliste" Das Personenbündnis "Die Friedensliste", das 1984 auf Betreiben der DKP und der von ihr beeinflußten DFU sowie der Demokratischen Sozialisten (DS) entstand, entwickelte 1986 wiederum bundesweit und regional größere Aktivitäten. Am 9. März wählte die "Friedensliste" in Bonn einen neuen Bundesvorstand. Von den 46 Mitgliedern des Bundesvorstandes gehören die Hälfte der DKP oder DKP-beeinflußten Organisationen an. Unter den fünf Bundessprechern, die der Bundesvorstand aus seiner Mitte bestellte, befindet sich je ein Mitglied des DKP-Parteivorstandes und des DFUBundesvorstandes. Auf ihrer 4. Bundesmitgliederversammlung am 9. März beschloß die "Friedensliste", bei der Bundestagswahl 1987 zu kandidieren. Die Mitglieder folgten dabei einem Vorschlag des Bundesvorstandes, der die Nominierung von Direktkandidaten in allen 248 Walkreisen vorsah. Die DKP hatte dem Beschlußvorschlag des Bundesvorstandes der "Friedensliste" bereits vor der Versammlung ihre Unterstützung zugesagt und zum Ausdruck gebracht, daß "die von der Friedensliste gemeinsam vertretene Politik ... auch zu einem Teil Positionen der DKP" einschließe. Ende März erklärte dann der DKP-Parteivorstand, die Partei werde auf eine eigenständige Kandidatur verzichten. Auf dem 1. Wahlkongreß der "Friedensliste" am 28. Juni in Köln beschlossen die Teilnehmer, auf die Aufstellung von Landeslisten zu verzichten und stattdessen zu empfehlen, die Zweitstimme für ein parlamentarisches "Ende der Wende" abzugeben. Ein Mitglied des DKP-Parteivorstandes begrüßte in seinem Redebeitrag diese Entscheidung und forderte dazu auf, die Zweitstimme "den Parteien zuzuführen, die eine politische Ablösung der Rechtskoalition erreichen können, nämlich SPD oder Grüne". Mit diesem "Stimmensplitting" wollte die "Friedensliste" die "Kräfte links von der CDU/CSU/FDP" stärken und neue Mehrheitsverhältnisse im Bundestag schaffen. Im Mittelpunkt des 63 Abrüstendas Programm für die Zukunft Positionen zur Bundestagswahl 1987 Friedenes gibt keine andere Wahl. DIE FIMDlNSUSTf IB? 2. Wahlkongresses der "Friedensliste" am 21. September in Simmern/Hunsrück stand die Diskussion der programmatischen Aussagen. Das auf diesem Kongreß beschlossene, jedoch erst im November 1986 veröffentlichte Programm nennt "Frieden und Abrüstung" als das zentrale Thema; daneben wurden in das Wahlprogramm aber auch Positionen der "Frauen-, Gewerkschaftsund Ökologiebewegung" aufgenommen. Im Vorfeld der Bundestagswahl errichtete die "Friedensliste" zahlreiche Informationsstände und führte bundesweit größere Wahlkampfund Kulturveranstaltungen durch. Auf Einladung des "Sowjetischen Friedenskomitees" reiste Anfang Dezember eine Delegation der "Friedensliste" zu politischen Gesprächen nach Moskau. Aus Anlaß des 7. Jahrestages des NATO-Doppelbeschlusses hielt die "Friedensliste" am 12. und 13. Dezember in mehreren Städten Bayerns Mahnwachen ab. Darüber hinaus verbreitete die "Friedensliste" 1986 im Rahmen ihres Wahlkampfes "Rundbriefe", "Friedenszeitungen", die später in "Friedensblätter" umbenannt wurden, sowie zahlreiche Broschüren und Flugblätter zu aktuellen Themen. In Bayern hatte die "Friedensliste" in 44 von 45 Wahlkreisen Direktkandidaten für die Bundestagswahl nominiert. Lediglich im Wahlkreis 238 Augsburg-Stadt wurde kein Kandidat der "Friedensliste" aufgestellt. Von den 44 Wahlkreisbewerbern der "Friedensliste" gehörten 20 Personen der DKP, ihren Nebenorganisationen oder den von ihr beeinflußten Vereinigungen an. Elf weitere Personen kandidierten bei früheren Wahlen auf Listen der DKP oder traten als Aktivisten für die DKP auf. Insgesamt waren 31 Kandidaten der "Friedensliste" 64 (= 70 %) dem orthodox-kommunistischen Spektrum zuzuordnen. Unter den DKP-Angehörigen befanden sich zwei Mitglieder des Parteivorstandes der DKP und je vier Vorstandsmitglieder der Bezirksorganisation Nordund Südbayern. Nach dem amtlichen. Endergebnis erzielte die "Friedensliste" im Bundesgebiet 188.602 gültige Erststimmen und damit einen Stimmenanteil von 0,5 %. In Bayern erhielten die Bewerber der "Friedensliste" 26.489 Erststimmen (0,4%). Gegenüber der Wahl zum Europäischen Parlament am 17. Juni 1984, bei der die "Friedensliste" bundesweit 313.108 Stimmen (1,3%) und in Bayern 38.510 Stimmen (1,0%) erreichen konnte, mußte sie bei der Bundestagswahl 1987 somit deutliche Stimmeneinbußen hinnehmen. Im Zusammenhang mit den Landtagsund Bezirkswahlen am 12. Oktober in Bayern begann die "Friedensliste" sehr frühzeitig mit ihren Vorbereitungen. So fanden bereits Ende 1985 Gespräche zwischen Vertretern der Partei "Die Grünen" und der "Friedensliste Bayern" statt. Diese Verhandlungen führten zu dem Ergebnis, daß auf sogenannten "offenen Listen" der Grünen Anhänger der "Friedensliste Bayern" als Direktoder Listenkandidaten nominiert wurden. Da die "Friedensliste Bayern" ihre Forderungen durch das Programm der Grünen vertreten sah, verzichtete sie auf eine eigene Kandidatur. Auch die DKP trat nicht mit eigenen Listen an, sondern unterstützte den Aufruf der "Friedensliste Bayern", die Listen der Grünen und mit ihnen die Vertreter der "Friedensliste Bayern" zu wählen. Am 17. Juni führte die "Friedensliste Bayern", die zu diesem Zeitpunkt bereits in allen Regierungsbezirken Kontaktadressen aufweisen konnte, in Ingolstadt eine Landesarbeitstagung durch. Auf dem Programm standen u.a. die Landtagswahl und die Wahl eines gesamtbayerischen Sprecherkreises. Die Teilnehmer verabschiedeten ferner Thesen zur Friedens-, Umweltund Gesellschaftspolitik und wählten erstmals einen aus 13 Personen bestehenden gesamtbayerischen Sprecherkreis. Die meisten Angehörigen dieses Gremiums sind als Funktionäre oder Mitglieder der DKP, der DFU, der WN-BdA oder DFG-VK bekannt. Unter dem Motto "Zeichen setzen, Frieden wählen -- Diesmal Grün" warben die örtlichen Unterstützerkreise und die regionalen Gliederungen der "Friedensliste Bayern" in ihren Wahlkampfpublikationen und Flugblättern, differenziert nach Stimmbzw. Wahlkreisen, für ihre Anhänger oder für die jeweiligen Kandidaten der Grünen. Die politischen Aussagen der "Friedensliste Bayern" befaßten sich vor allem mit den Themen "Frieden und Abrüstung", "Ausstieg aus dem Atomprogramm", "Kampf gegen Berufsverbote" und "Kampf für mehr demokratische Rechte der Bürger". Nach dem amtlichen Endergebnis konnten zwei der fünf Bewerber der "Friedensliste Bayern", die auf "offenen Listen" der Grünen kandidiert haben, ein Landtagsmandat erringen. 3. Neue Linke 3.1 Überblick Die Neue Linke besteht aus linksextremen und linksextrem beeinflußten Organisationen und Gruppen, die in ihrer Mehrzahl aus der Sozialrevolutionären Studentenbewegung der 60er Jahre hervorgegangen sind. Als Ziel streben die 65 dogmatischen Gruppen der Neuen Linken eine kommunistische Gesellschaft an. Sie lehnen jedoch -- anders als die DKP mit ihren Nebenorganisationen -- den Kommunismus sowjetischer Prägung als "revisionistisch", "bürokratisch" und "sozialimperialistisch" entartet ab. Die marxistisch-leninistischen Parteien und Bünde, die sich ursprünglich in weit stärkerem Maße nach der maoistischen Ideologie ausgerichtet oder sich an den Kurs der Partei der Arbeit Albaniens (PAA) angelehnt hatten, legen neuerdings ihrer Organisationsstruktur sowie ihrem Erklärungsund' Handlungskonzept im wesentlichen die Lehre von Marx in ihrer leninistischen Ausprägung zugrunde. Die Marxistische Gruppe (MG) dagegen entspricht ihrem Aufbau nach einer marxistisch-leninistischen Kaderorganisation, obwohl sie ideologisch wesentliche Positionen des Leninismus ablehnt. Bei den undogmatischen Gruppen, die nach ihren vielfach diffusen Vorstellungen für eine "gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft" kämpfen, reicht das Spektrum von revolutionär-marxistischen bis zu anarchistischen Einstellungen. Einige Gruppen der Neuen Linken bekennen sich nicht nur zur Anwendung revolutionärer Gewalt, sondern üben sie auch tatsächlich aus. Die seit längerer Zeit anhaltende Krise innerhalb großer Teile der Neuen Linken setzte sich auch 1986 fort. Die fortdauernde Abkehr der Politik der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) vom starren Dogmatismus und das Verblassen der einstigen revolutionären Leitbilder in der Dritten Welt, Kuba und Vietnam haben mit zu ideologischen Unsicherheiten und Differenzen innerhalb der Gruppen und Parteien der dogmatischen Neuen Linken beigetragen. Darüber hinaus führte bei vielen Gruppen nachlassendes Interesse an aktiver Mitarbeit in den vielfach straff geführten Kaderorganisationen zu einer Stagnation der Mitgliederzahl. Auch die theoretische Diskussion über die "Krise des Marxismus" hatte bei zahlreichen Gruppierungen der dogmatischen Neuen Linken dazu geführt, daß sie vielfach mit sich selbst und dem Verhältnis zu konkurrierenden Nachbargruppen beschäftigt waren. Mit dem Abklingen der Diskussion haben die meisten Gruppen nun das Bemühen um praktische Politik wieder mehr in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten gestellt. Sie sahen ihr zentrales Anliegen in der Zusammenführung der zersplitterten kommunistischen Kräfte. Kennzeichnend für diese Bemühungen um eine verstärkte Einheitsfront waren die bereits 1985 begonnenen Fusionsgespräche zwischen der Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) (KPD) und der Gruppe Internationale Marxisten -- Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM), die am 475. Oktober in Dortmund zu einem Zusammenschluß in einer neuen Organisation mit dem Namen Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) führten. Die VSP, die sich als "kleine sozialistische, revolutionäre Partei" bezeichnet, habe die Aufgabe, die "Arbeitervorhut für die sozialistische Umwälzung der Gesellschaft zu gewinnen". Sie soll damit einen Beitrag zur Schaffung einer "revolutionären, sozialistischen Massenpartei" leisten. Als Nachfolgerin von KPD und GIM gehört jetzt die VSP dem Kreis um den Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) und anarcho-syndikalistischer Gruppierungen an, deren Ziel es ist, die "Einheit der revolutionären Sozialistinnen und Sozialisten weiter voranzutreiben". Sie geben deshalb eine "Gemeinsame Beilage" zu ihren Publikationen heraus. 66 Organisationsübersicht Neue Linke Dogmatische Gruppen Undogmatische Gruppen Marxistisch-Leninistische Organisationen Anarchisten MLPD VSP AB KB BWK MG Autonome AAU AFNB LJ VOLKSAJV ASJG KHB FRONT - BOTFÜCHSE !-* ASKO MLSV IVRJ L MLBI Nebenorganisationen CT) --I beeinflußte Organisationen Nach der Vereinigung von KPD und GIM schlossen sich auch die ehemalige Jugendgruppe der KPD, die Kommunistische Jugend Deutschlands (KJD) und die von der GIM beeinflußte Revolutionär-Sozialistische Jugend -- Roter Maulwurf (RSJ) zu einer neuen Organisation mit dem Namen Autonome Sozialistische Jugendgruppen (ASJG) zusammen. Ob die Zusammenschlüsse von KPD und GIM sowie "ihrer" Jugendverbände zu einem neuerlichen Aufschwung einer Organisation der Neuen Linken führt, ist fraglich. Unabhängig davon soll jedoch in Zukunft die organisationsubergreifende politische Diskussion und praktische Zusammenarbeit unter den Gruppen der Neuen Linken fortgesetzt werden. Die in Bayern vertretenen dogmatischen Gruppen der Neuen Linken blieben auch 1986 im politischen Tagesgeschehen ohne Bedeutung. Sie engagierten sich vorwiegend im Betriebs-, Bildungs-, "Antifaschismus-", "Antiimperialismus-" und Ausländerbereich. Weitere Themen und Anlässe für Aktionen dieser Gruppen waren die geplante "Strategische Verteidigungsinitiative" (SDI), die Entwicklung in Mittelamerika, die Auseinandersetzung der USA mit Libyen und die Umweltverschmutzung. Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl beteiligten sie sich auch agitatorisch an der Kampagne gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW), die sie mit Forderungen wie "Kampf dem Atomtod" und "Stillegung aller Atomkraftwerke" unterstrichen. An den Landtagsund Bezirkstagswahlen in Bayern am 12. Oktober nahmen Gruppierungen der Neuen Linken nicht teil. Einige Gruppen forderten jedoch ihre Anhänger auf, "ungültig" zu stimmen. An der Bundestagswahl 1987 hat sich von den dogmatischen Gruppen lediglich die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) beteiligt. Sie erreichte bundesweit 13.821 (0,0%) Stimmen; in Bayern lediglich 1.607 (0,0%) Zweitstimmen. Die undogmatische Neue Linke, die im wesentlichen aus anarchistischen Gruppierungen besteht, blieb weiterhin in ihrer Struktur unübersichtlich und in ihrem Auftreten unverändert militant. Sie fordert "alternative Lebensformen", "Autonomie" und "Freiräume" in Staat und Gesellschaft. Seit Jahren treten die "Autonomen" stärker in den Vordergrund. Ihre von brutaler Militanz gekennzeichneten Aktionen richteten sich vornehmlich gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW), gegen die am Bau von kerntechnischen Anlagen beteiligten Firmen sowie gegen Einrichtungen und Anlagen von Energieversorgungsunternehmen und der Deutschen Bundesbahn. Sie propagieren und praktizieren Gewalt gegen Personen und Sachen. 3.2 Dogmatische Neue Linke 3.2.1 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die aus dem ehemaligen Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD) hervorgegangene, 1982 in Bochum gegründete MLPD bezeichnet sich als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in der BRD und in WestBerlin". Ihr grundlegendes Ziel ist der "revolutionäre Sturz" der "Diktatur der Monopolkapitalisten" und die Errichtung der "Diktatur des Proletariats". In ihrem "Grundsatzprogramm" bekennt sich die MLPD zu den "Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und MaoTsetung", dessen Idee der "Großen Proletari68 sehen Kulturrevolution" sie verteidigt. Sie kritisiert die "revisionistische Entartung" in allen "realsozialistischen" Ländern einschließlich der Volksrepublik China. Nach Auffassung der MLPD dient die gegenwärtige Etappe des Klassenkampfes der Vorbereitung der Revolution. Nur unter Führung einer "revolutionären Partei" könne die Arbeiterklasse erfolgreich zum Sturm gegen den "staatsmonopolistischen Kapitalismus" übergehen. Die MLPD habe die Aufgabe, die Arbeiterklasse "über die Aktionseinheit in kleinen Fragen zur Einheitsfront in allen wesentlichen Fragen" zusammenzuschließen. Der Schwerpunkt der Partei liegt im westund südwestdeutschen Raum. Ihre Mitglieder sind in Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirken organisiert, die einer "Zentralen Leitung" mit Sitz in Essen unterstehen. Die MLPD verfügt wie im Vorjahr bundesweit über ca. 1.300 Mitglieder. Nach einer Umorganisation Mitte des Jahres ist Bayern jetzt in die MLPD-Bezirke Bayern-Süd und Franken aufgeteilt; dort liegen auch die Schwerpunkte, Der Mitgliederstand ist gegenüber dem Vorjahr gleichgeblieben. 1,00 DM 8. November 1986/ 17. Jahrgang Nr. 45 F 2583 C Proletarier aller Länder, vereinigt euch'. Spendet Rote föhne Zentralorgan der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands -- MLPD Redaktion: 4300 Kssm I. RelHnnhaiiscr Slralle 334, Pnslfadi LU31 12, Telefon: WIM) für die Rotefbhne Auf das Konto des ZK der MLPD Koiilonummc-r: 193 696-431 Poslgiroimt Essen Bankleitiahl: 36010043 Das Zentralorgan "Rote Fahne" erscheint wöchentlich in einer unveränderten Auflagenzahl von rund 10.000 Exemplaren. Theoretisches Organ der Partei ist der "Revolutionäre Weg". Darüber hinaus verbreitete die MLPD in Bayern 12 verschiedene Betriebsund Stadtzeitungen, die größtenteils regelmäßig erscheinen. Die Zeitungen behandelten in ihren Beiträgen neben den allgemeinen Themen der MLPD vielfach aktuelle betriebliche und kommunale Probleme wie Entlassungen, "Arbeitsplatzvernichtung" oder Umweltverschmutzung durch Chemiebetriebe, zu deren Lösung die MLPD ihre Politik als Alternative anbot. Es erschienen auch Artikel in türkischer und griechischer Sprache. Am 15. März veranstaltete die MLPD in Hamburg ein "Internationales Tribunal gegen Sozialimperialismus und modernen Revisionismus" mit etwa 1.000 Teilnehmern. Dabei warfen Redner der Sowjetunion vor, um die "Weltherrschaft" zu kämpfen und "dafür die internationale Friedensbewegung einzuspannen". Sie kritisierten ferner die "imperialistische Unterjochung" und "brutale Ausplünderung" fremder Völker wie Afghanistan und Äthiopien durch die Sowjetunion. Die "Revisionisten", vor allem die DKP, wirkten "zersetzend" auf das "Klassenbewußtsein der Arbeiter" und überließen "den Kampf um die Einheit Deutschlands" den "Reaktionären". In einer "Schlußresolution" riefen die Teilnehmer zum Kampf gegen den "Sozialimperialismus und modernen Revisionismus" und zur Verteidigung des "Marxismus-Leninismus" auf. 69 Unter dem Motto "Heraus zum 1. Mai -- Für ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht" rief die MLPD in Bayern zur Teilnahme an den gewerkschaftlichen Mai-Kundgebungen auf. Daneben führte die MLPD in einigen Orten eigene Mai-Veranstaltungen durch. In München sprach der MLPD-Vorsitzende Stefan Engel vor rund 50 Zuhörern. Zentrales Anliegen der MLPD war die Zulassung zur Bundestagswahl 1987. Hierzu betrieb sie eine intensive Unterschriftenkampagne und veröffentlichte unter dem Titel "Die Sozialistische Alternative" Anfang September ihr 20 Punkte umfassendes "Wahlprogramm" zur Bundestagswahl 1987. Darin wandte sie sich u.a. gegen die "Militarisierung von Staat und Gesellschaft" und rief zum "Kampf gegen den Atomtod" und zur "Verteidigung des Weltfriedens" auf. Diese "Alternative" zu dem "Volksbetrug der Monopolparteien" müsse in den nächsten Monaten "unter den Werktätigen breit verankert werden". -- Die hochgesteckten Erwartungen der MLPD wurden bei den Bundestagswahlen am 25. Januar 1987 bei weitem nicht erfüllt. Bundesweit erhielt die Partei 13.422 Stimmen. In Bayern, wo sie nur mit Landeslisten angetreten war, kam sie auf 1.607 Stimmen; "bester" Wahlkreis war Nürnberg-Nord mit 76 Stimmen. Zu den Landtagsund Bezirkstagswahlen am 12. Oktober, an denen die MLPD nicht teilnahm, riefen die Bezirksleitungen Franken und Bayern-Süd auf: "Erteilt den Monopolparteien eine Absage! Stimmt bei der Landtagswahl ungültig!". In einer Presseerklärung zum Attentat der RAF am 9. Juli in Straßlach bei München verurteilte die MLPD "die Ermordung des Siemens-Managers Beckurts und seines Fahrers Groppler". Der Anschlag schade "nicht nur dem berechtigten Kampf der Werktätigen gegen das Bonner Atomprogramm, sondern noch mehr dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft". Er werde auch "genutzt", die Arbeiterbewegung und ihr revolutionäres Ziel, den Sozialismus, zu kriminalisieren und den Marxismus-Leninismus als geistigen Vater des individuellen Terrorismus zu diffamieren". So solle "den werktätigen Massen das Recht abgesprochen werden, sich zum gegebenen Zeitpunkt und nach freiem Entschluß mit revolutionärer Gewalt von Ausbeutung und Unterdrückung zu befreien". Die Auseinandersetzungen um die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) und insbesondere den Reaktorunfall in Tschernobyl nutzte die MLPD zu weiterer Agitation. Mit dem Schlagwort "Kampf dem Atomtod" forderte sie die Arbeiter zum "politischen Streik" auf, um der Forderung zur "sofortigen Stillegung aller Atomanlagen" die "notwendige Durchschlagskraft" zu geben. Der Marxistisch-Leninistische Schülerund Studentenbund -- MLSV -- (s.u.) kritisierte die UdSSR wegen der "Verschleierung" des Reaktorunfalls. Weiterer Agitationsschwerpunkt der MLPD waren der Konflikt zwischen den USA und Libyen, die Sicherheitsgesetze, die "35-Stunden-Woche" und die Diskussion um das Asylrecht. Nebenorganisationen der MLPD sind der Arbeiterjugendverband (MarxistenLeninisten) -- AJV -- mit der neugegründeten Kinderorganisation ROTFÜCHSE (gemeinsames Publikationsorgan "Rebell"). Der AJV soll zur "Jugendmassenorganisation" der MLPD ausgebaut werden. Ziel der Kinderorganisation 70 ROTFÜCHSE ist es, "die Arbeiterkinder für den gemeinsamen Weg der Arbeiteroffensive zu gewinnen, den Marxismus-Leninismus zu erlernen und dabei die für den Kampf um den Sozialismus notwendigen Klasseneigenschaften herauszubilden". Weitere Nebenorganisationen sind der Marxistisch-Leninistische Schülerund Studentenverband (MLSV) mit dem Publikationsorgan "Roter Pfeil" und der Marxistisch-Leninistische Bund Intellektueller (MLBI). Im Verlauf des 4. Zentralen Delegiertentags des MLBI wurden ihm von der Partei zwei umfassende Aufgaben übertragen: Beginn einer systematischen Arbeit unter den Kleinund Mittelbauern sowie Schulungsund Bildungsarbeit -- vor allem in der neuen Parteischule, dem "Arbeiterbildungszentrum Horst" in Gelsenkirchen. 3.2.2 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) Die VSP entstand aus dem Zusammenschluß der Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) (KPD) mit der Gruppe Internationale Marxisten-Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM). Die KPD hatte sich u.a. wegen der Fusionsverhandlungen mit der GIM bereits im März 1985 in zwei Fraktionen gespalten. Die kleinere Fraktion teilte sich auf ihrem "6. Parteitag" im Dezember 1985 nochmals in zwei in Bayern inaktive Splittergruppen, die sich beide weiterhin als "KPD" bezeichnen. Die größere Fraktion um den Parteivorsitzenden Horst Dieter Koch verabschiedete auf ihrem 6. Parteitag am 172. Februar den "Fahrplan" für die angestrebte Vereinigung. Auf einem Sonderparteitag am 14./15. Juni und einer anschließenden Urabstimmung unter 364 Stimmberechtigten sprachen sich 303 Mitglieder für eine Vereinigung aus. Die GIM hat nach mehreren Konferenzen auf einer außerordentlichen Delegiertenkonferenz am 28729. Juni die "Auflösung zugunsten der Vereinigung mit der KPD" beschlossen. Knapp 16 % der Mitglieder, die seit dem Frühjahr 1986 für den kollektiven Eintritt der GIM in die Partei Die Grünen kämpften, machten diesen Schritt nicht mit. Sie traten aus der GIM aus und bei den Grünen ein, wo sie u.a. eine "unabhängige Organisierung revolutionärer Sozialistinnen und Sozialisten" anstreben und die "sozialistische Politik in den Grünen" verankern wollen. Seit ihrer Auflösung ist die GIM als Organisation nicht mehr Mitglied der Deutschen Sektion der IV. Internationale. Die ehemaligen GIM-Mitglieder in der VSP können jedoch als Einzelmitglieder in der IV. Internationalen verbleiben. Am 475. Oktober fand in Dortmund nach mehreren gemeinsamen beratenden Sitzungen der Zentralkomitees (ZK) von GIM und KPD der Vereinigungskongreß statt. Etwa 160 Delegierte aus beiden Organisationen beschlossen die Vereinigung unter dem neuen Namen "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP). Die neue Vereinigung hat bundesweit ca. 600 Mitglieder. Sie wird von einem 32köpfigen Zentralkomitee und einem aus 12 Mitgliedern bestehenden Politischen Büro geleitet. Das ZK richtete bisher 9 provisorische Abteilungen ein. Bis April 1987 soll die Bildung von Landesverbänden abgeschlossen sein. Als 71 WS TUN SOZIALISTISCHE ZEITUNG die letzte (Nr. 439) is tun-Mainzer Landstr. 147, D-6000 Frankfurt/M. 1 19. Jahrgang, 9.10.1986, DM 1,50 19 Jahre was tun Abschied und Neuanfang was tun in eigener Sache. Heute erstmals auf Seite eins -- und das Am ersten Oktoberwochenende haben sich die GIM -- seit 1969 unwiderruflich auch zum letzten Mal. Nach neunzehn Jahrgängen und Herausgeberin der was tun -- und die KPD zu einerneuen Organisation vierhundertneununddreißig Ausgaben verabschiedet sich die Zeitung zusammengeschlossen. Ihr Name: VEREINIGTE SOZIALISTISCHE *was tun von ihren Leserinnen und Lesern. Ein Abschied jedoch nicht aus PARTEI (VSP). Sie wird ab Mitte Oktober eine neue Zeitung, die politischer oder Geldnot, nicht in Resignation und auf NimmerwiederSozialistische Zeitung, herausgeben. In ihr wird alle Kraft, Lust und sehen. Der gute alte Maulwurf, Vorbild aller Redakteurinnen und Leidenschaft der alten was tun weiter wirken. Abschied und Auftakt Redakteure der was tun, wird weiterwühlen, hat immer noch was zu zugleich also. In diesem Sinne--je nach Geschmack -- Auf Wiedersehen, tun... Rot Front, Tschüß, bis bald... Eure wt-Redaktion Preis 1,50 DM 1 H 3752 D Roter Morgen 17. Oktober 1986 I ' J ki I Nummer 24 WS SOZIALISTISCHE TUN ZEITUNG Die Lehre von Wackersdorf von JAKOB MONETA Weder Jubel noch klammheimliche Freude über den beachtlichen Vereinigte Sozialistische Erfolg der Grünen in der bayerischen Landtagswahl kann uns den Blick davor versperren, daß sie der konservativ-rechten Strömung Auftrieb gab. Partei gegründet 72 Organ der VSP wird die vierzehntägig erscheinende "Sozialistische Zeitung" (SoZ) herausgegeben. Die Parteiorgane von KPD und GIM, "Roter Morgen" bzw. "was tun", wurden eingestellt. Die VSP bezeichnet sich als "kleine sozialistische, revolutionäre Partei" mit dem Ziel einer "von tatsächlicher Arbeitermacht geprägten sozialistischen Demokratie". Es soll eine "revolutionäre sozialistische Massenpartei" geschaffen werden, die die Arbeiterbewegung zur erfolgreichen Führung des Klassenkampfes befähigen solle, um eine politische Revolution zum Sturz der kapitalistischen Herrschaft und eine Zerstörung des Staatsapparates "von Grund auf" zu erreichen. Das grundlegende Prinzip der Demokratie, die Gewaltenteilung, sei "aufzuheben". Analog zu KPD und GIM fusionierten der Jugendverband der KPD, die Kommunistische Jugend Deutschlands (KJD) und die GIM-beeinflußte Revolutionär-Sozialistische Jugend --Roter Maulwurf (RSJ). Am 20./21. September fand die Vereinigungskonferenz statt. Dabei wurden Programm, Satzung und Selbstverständnistext der neuen Organisation, die den Namen Autonome Sozialistische Jugendgruppen (ASJG) trägt, verabschiedet. Die ASJG sehen sich als unabhängige Organisation. Als Publikationsorgan erscheint das "Rote Groschenheft" mit dem neuen Namen "radikarl" weiter. Das KJD-Organ "Roter Rebell" wurde eingestellt. 3.2.3 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Der AB, 1973 aus dem Zusammenschluß mehrerer örtlich tätiger maoistisch orientierter Zirkel in Bayern entstanden, beruft sich auf den Marxismus-Leninismus und Mao Zedongs Ideen. Er strebt die Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse" und die "Errichtung einer Diktatur des Proletariats" an. Endziel ist die Verwirklichung des Kommunismus in einer "klassenlosen Gesellschaft". Der AB bekennt offen, daß er seine Ziele nur mit Gewalt erreichen könne. Er rechtfertigt die "revolutionäre Gewalt" damit, daß die "herrschende Klasse" nicht freiwillig auf ihre Macht verzichte. Der AB ist vorwiegend in Bayern tätig. Hier bestehen Gruppen in Augsburg, München, Nürnberg, Regensburg und im Raum Altötting-Burghausen-Waldkraiburg. Neben diesen AB-Gruppen gibt es in München, Nürnberg und Regensburg "Freundeskreise", die den AB finanziell unterstützen sollen. Außerhalb Bayerns verfügt der AB unverändert in 14 Städten des Bundesgebietes über Ortsgruppen oder Stützpunkte. Die Gesamtmitgliederzahl blieb mit rund 300 Personen gleich. Im Bildungsbereich wird der AB von seiner Nebenorganisation Kommunistischer Hochschulbund (KHB) unterstützt. Der KHB ist zusammen mit der von ihm beeinflußten "Liste stärkt den Asta" (LISA) bzw. "Liste Demokratischer Asta" (LDA) an den bayerischen Hochschulen aktiv. Zentralorgan des AB ist die "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ). Sie erscheint in unregelmäßigen Abständen mit einer Auflage von unverändert 1.200 Exemplaren im AB-eigenen "Verlag Das Freie Buch GmbH, Buchund Zeitungsverlag" in München. 1986 erschienen lediglich eine Normalausgabe, eine Sondernummer und etliche Flugschriften. 73 Nach wie vor nimmt der AB innerhalb der dogmatischen Neuen Linken in Bayern eine hervorgehobene Position ein. 1986 war jedoch ein Rückgang von Veranstaltungen, die unter seinem Namen durchgeführt wurden, zu verzeichnen. Betätigungsfeld des AB war 1986 wiederum die "Antifaschismuskampagne". Hierbei setzte der AB seine Bemühungen um Aktionsbündnisse fort. Aus Anlaß des 6. Jahrestages des Anschlags auf dem Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 führten Anhänger des AB und seines Umfeldes Ende September einen Aufzug mit anschließender Mahnwache vor dem Mahnmal in München durch. Anläßlich des 100. Geburtstages von Ernst Thälmann veranstaltete der AB vom 14. bis 16. April in Hamburg einen "Theaterumzug", der in acht szenisch dargestellten Stationen den Kampf des ehemaligen KPD-Vorsitzenden für den Kommunismus aufzeigen sollte. An dem Umzug, der bei der Bevölkerung kaum Beachtung fand, wirkten rund 200 Darsteller mit, darunter zahlreiche AB-Anhänger aus Bayern. Der AB und sein Umfeld nutzten den Reaktorunfall von Tschernobyl für eine verstärkte Agitation gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW). Sie verbreiteten hierzu zahlreiche Flugblätter, die Überschriften trugen wie "Tschernobyls Folgen: Strahlendes Kapital", "Wozu braucht Strauß die WAA?" und "Hillermeier will Tote sehen". Erneut setzte sich der AB für die Belange der Ausländer ein. In Publikationen und mit Aktionen wandte er sich gegen den angeblichen Abbau des Asylrechts. Er agitierte dabei mit Schlagworten wie "Ausländerfeindlichkeit -- das ist Arbeiterfeindlichkeit" und "Stoppt die rassistische Hetze der CSU gegen die Asylsuchenden!". In seiner Propaganda gegen die angebliche Ausländerfeindlichkeit konnte sich der AB auch auf den von ihm beeinflußten Aktionsausschuß gegen Zwangsarbeit und Abschiebung in Sammellager stützen. Im Rahmen seiner Betriebsarbeit verbreitete der AB zahlreiche Betriebszeitungen und Flugblätter, in denen er sich mit Themen befaßte wie "Das Kapital kennt keine Gnade", "Ist das Kapital verrückt geworden oder Wallmanns blaue Flecken und ihre Folgen", "Die Deutsche Bank und der SS 116 Arbeitsförderungsgesetz". Zum 1. Mai führte der AB in mehreren bayerischen Städten eigene Mai-Veranstaltungen durch. An einem Aufzug in München beteiligten sich rund 400 Personen. Daneben waren Anhänger des AB, die teilweise in einheitlichen blauen Hemden der verbotenen FDJ (ohne Abzeichen) auftraten, auch bei den gewerkschaftlichen 1. Mai-Kundgebungen anwesend. Im Jahre 1972 gründeten Schüler-, Betriebsund Arbeiterbasisgruppen in Passau, Regensburg und München jeweils ein Anti-Strauß-Komitee (ASKo). Nach dem Zusammenschluß der in Bayern bestehenden Arbeiterbasisund Betriebsgruppen 1973 zum Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) übernahmen AB-Aktivisten die Führung der gegen den Bayerischen 'Ministerpräsidenten gerichteten Komitees. Nach der 1972 ausgearbeiteten "Plattform", die auch heute noch gilt, haben die Komitees die Aufgaben, den "Sturz des rechten Führungskaders und dessen ideologischen Führers" vorzubereiten und "alle faschistischen Organisationen" zu bekämpfen. Heute bestehen noch Anti-Strauß-Komitees in Regensburg und München, die vom AB stark beein74 flußt sind. Der Mitgliederstand ist sowohl in München als auch in Regensburg unverändert. Sprachrohr der Komitees ist der "Demokratische Informationsdienst" (DID), der im Eigendruck und Selbstverlag hergestellt wird; die Auflage beträgt rund 4.000 Exemplare. Die ASKo's unterstützten 1986 den AB insbesondere bei Aktionen gegen den Faschismus, die Bundeswehr, die "Ausländerfeindlichkeit", gegen den Bau von Kernkraftwerken sowie in der Agitation gegen den Bayerischen Ministerpräsidenten. So klebten in der Nacht zum 14. Juni unbekannte Personen im Stadtgebiet von Regensburg Plakate, auf denen der Bundeskanzler, der Bundesinnenminister und der Bayerische Ministerpräsident als "politische Gewalttäter" bezeichnet und der "Vorbereitung und Führung eines Krieges gegen das Volk" bezichtigt wurden. Als Herausgeber der Plakate zeichnete das ASKo und die vom Kommunistischen Hochschulbund (KHB) beeinflußte "Liste stärkt den AStA" (LISA) presserechtlich verantwortlich. Die Polizei leitete Ermittlungen wegen Verleumdung von Personen des politischen Lebens ein. Im Vorfeld der Landtagswahl am 12. Oktober führte das ASKo Mitte August in München Klebeaktionen durch. Die Aufkleber enthielten die Aufschrift: "Stoppt Strauß". Darunter stand in roter Farbe: "Keine Stimme für die CSU" und "Keine Stimme für faschistische Organisationen". Auch zum Thema WAW führte das ASKo Veranstaltungen durch und verbreitete hierzu zahlreiche Flugschriften, u.a. mit der Behauptung "Hillermeier will Tote sehen". Dabei wurde die Aussage des seinerzeitigen bayerischen Innenministers, daß bei den schweren Ausschreitungen in Wackersdorf in einem Einzelfall aus Notwehr ein Schußwaffengebrauch seitens der Polizei gerechtfertigt gewesen wäre, als "Freibrief zum Töten" bezeichnet. Berichtenswert ist die ASKo-Veranstaltung mit Auftaktund Schlußkundgebung am 1. Februar in München, an der sich bis zu 1.000 Personen beteiligten. Die Protestaktion stand unter dem Motto "Für den Erhalt des Demonstrationsund Versammlungsrechts -- Gegen Polizeiwillkür" und richtete sich vorwiegend gegen Maßnahmen des damaligen Münchner Kreisverwaltungsreferenten, der wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Oktober 1985 zwei Versammlungen verboten hatte. Der 1971/72 vom Bund der Pfadfinder (BdP) abgespaltene Bund Deutscher Pfadfinder im Bund Demokratischer Jugend (BDP/BDJ) -- Landesverband Bayern betrachtet nach einer von ihm erarbeiteten Grundsatzerklärung das "kapitalistische System" als Haupthindernis für die vielfältigen Interessen der arbeitenden und lernenden Jugend und hält deshalb eine "grundlegende Umwälzung dieser gesellschaftlichen Verhältnisse" für notwendig. Darüber hinaus tritt er für den Wiederaufbau der 1951 wegen verfassungsfeindlicher Betätigung verbotenen Freien Deutschen Jugend (FDJ) ein. Dem BDP/BDJ-LV Bayern wurde 1984 gerichtlich untersagt, weiterhin die Bezeichnung BDP zu verwenden. Die Anhänger des BDP-BDJ-LV Bayern traten deshalb im Jahr 1985 wiederholt unter der Aktionsbezeichnung "Kämpfende Jugend" auf. Seit Ende 1985 führen die in München und Nürnberg bestehenden ehemaligen Ortsgruppen des BDP/BDJ-LV Bayern die neue Bezeichnung "Initiative für die 75 Vereinigung der revolutionären Jugend" (IVRJ). Die dritte in Bayern bestehende Ortsgruppe nennt sich weiterhin Demokratischer Jugendzirkel Regensburg. Sowohl die Initiativen als auch der Jugendzirkel werden vom AB beeinflußt. Ihr Publikationsorgan ist die Zeitschrift "Kämpfende Jugend", die auch dem AB als Werbeträger dient. Die IVRJ unterstützte 1986 den AB insbesondere in der "Antifaschismusund Antimilitarismusarbeit". Unter dem Motto "Beschluß der Bundesregierung vom 26.06.1951 -- Herrnburger Bericht" meldete eine Funktionärin der IVRJ für den 13. Juli in München eine Versammlung an, die sich gegen das Verbot der "Freien Deutschen Jugend in Westdeutschland" (FDJ) richtete, das vor 35 Jahren ausgesprochen worden war. Der AB und die von ihm beeinflußten Gruppierungen haben wiederholt die Aufhebung dieses Verbots gefordert, so 1983 in Essen mit der Aufführung des Bert-Brecht-Stückes "Herrnburger Bericht", der ausschließlich der verbotenen FDJ gewidmet ist. An der angemeldeten Protestaktion beteiligten sich rund 100 Personen. 84 Teilnehmer, die das FDJAbzeichen sichtbar auf blauen, uniformartigen Hemden oder anderer Kleidung trugen, wurden von der Polizei wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorläufig festgenommen. Im Vorfeld der Versammlung wurde innerhalb und außerhalb Bayerns auf Flugblättern und Plakaten mit FDJ-Emblem und dem Leitthema "Wir sind noch da!", auf die Veranstaltung hingewiesen. Im Oktober meldete die IVRJ unter dem Thema "Jugendarbeitslosigkeit" in München Aufzüge mit Schlußkundgebungen an. Trotz mehrfacher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, u.a. wegen Tragen von blauen Hemden der verbotenen FDJ (ohne Abzeichen), kam die Versammlungsleiterin der polizeilichen Aufforderung, die Aufzüge einzustellen, nicht nach. Am 16./20. und 21. Oktober löste die Polizei die Veranstaltungen deshalb auf. Einige Teilnehmer leisteten dabei Widerstand. Entsprechende Strafverfahren wurden eingeleitet. 3.2.4 Kommunistischer Bund (KB) Der Ende 1971 entstandene KB ist ein Zusammenschluß kommunistischer Organisationen auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus in seiner Weiterentwicklung durch Mao Zedong. Er strebt die "gewaltsame Zerschlagung des Staatsapparates" und seine "Ersetzung durch rätedemokratische Strukturen" an. Sein Einfluß innerhalb der Gruppen der Neuen Linken und die Einsatzbereitschaft seiner Mitglieder ließen weiter nach. Ende des Jahres 1986 gehörten dem KB im Bundesgebiet unverändert etwa 400 Mitglieder an. Die Mehrzahl seiner Aktivisten ist in Hamburg organisiert. In Bayern verfügt der KB über Kontaktstellen in München, Nürnberg und Würzburg mit einer kleinen Anhängerzahl. Die Monatszeitung "Arbeiterkampf", deren Auflagenhöhe auf 4.800 Exemplare (1985: 4.500) leicht anstieg, erscheint noch regelmäßig. Im übrigen beschränkten sich die Aktivitäten des KB in Bayern im wesentlichen auf die Mitarbeit in verschiedenen Aktionsbündnissen. Bevorzugtes Aktionsfeld des KB in Bayern war 1986 die Kampagne gegen die WAW. Er sagte in seinem Zentralorgan den Atomanlagen den Kampf an und forderte in Flugblättern die sofortige Abschaltung aller Atomkraftwerke. Am 76 V "bald eine terroristische Vereinigung? nth a l t und Fun BcXt h i n t e r dem Kronze üne T e r r o r i s t e n ] Donnerstag, 18.12., 2 0 U h r KOMM .Veranstalter: Kommunistischer 16. August beteiligte er sich am "Trägerkreistreffen" in Hanau für die dort am 8. November durchgeführte Großdemonstration "Gegen Atomanlagen". Für den 4. Oktober rief er zur Teilnahme an der Anti-AKW-Großdemonstration in München auf. Zum Thema "Stammheim und die Folgen" hatten der KB und die studentische "Grün-Bunte-Liste" für den 12. Juni mit Flugblättern zu einer Informationsveranstaltung in die Ludwig-Maximilians-Universität München eingeladen. Als Sprecherin traten eine Familienangehörige der in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim verstorbenen Terroristin Gudrun Ensslin und ein Münchner Strafverteidiger auf. Die Veranstaltung besuchten etwa 400 Personen. Mit dem Flugblatt "Ich und Du: bald eine terroristische Vereinigung?" lud der KB für den 18. Dezember 1986 zu einer Informationsveranstaltung über die neuen Anti-Terror-Gesetze in das Nürnberger "KOMM" ein. Etwa 80 Teilnehmer besuchten die Veranstaltung. 3.2.5 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) Der 1980 von ehemaligen Angehörigen des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) in Hannover gegründete BWK bekennt sich in seinem Programm zur "proletarischen Revolution" und zur "Diktatur des Proletariats" im marxistisch-leninistischen Sinne. Er propagiert offen die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates". Die Zentrale des BWK hat ihren Sitz in Köln. Publikationsorgan ist die Zeitschrift "Politische Berichte". Sie erscheint vierzehntägig im Verlag "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung -- Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH" (GNN) in Köln. Die Auflage betrug Ende 1986 unverändert 1.300 Stück. Die Mitgliederzahl des BWK auf Bundesebene blieb 1986 bei etwa 400 Personen konstant. In Bayern dagegen ging die Mitgliederzahl zum Jahresende erheblich zurück. Die Aktionsschwerpunkte des BWK waren 1986 die Atom-, Lohn/Tarifund Ausländerpolitik der Bundesregierung. In Bayern beschränkte sich die Tätigkeit des BWK auf die Verbreitung der Zeitschrift "Politische Berichte". Die Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT), ehemals von der im Oktober 1986 aufgelösten KPD beeinflußt, wurde 1979 in Dortmund gegründet. In einem damals ergangenen Aufruf war ausgeführt, die Gründung sei erforderlich gewesen, um den wachsenden "Widerstand in unserem Volke" gegen "Aussperrungsterror", "brutale Polizeieinsätze" und "Naziprovokation" bundesweit zu organisieren. Auf einem Sonderkongreß am 12. Mai 1984 in Köln betonten die Delegierten, die VOLKSFRONT sei keine Partei im herkömmlichen Sinne, sondern eine "überparteiliche Massenorganisation", die sich um ein einheitliches Vorgehen der "antifaschistischen Kräfte" bemühe. Dieser "Einheitsfrontcharakter" der VOLKSFRONT müsse gewahrt bleiben. In der VOLKSFRONT sind nunmehr vor allem Mitglieder des BWK und der VSP (ehemalige KPD-Angehörige) organisiert, wobei der BWK inzwischen eine dominierende Rolle spielt. Die VOLKSFRONT ist jetzt eine BWKund VSP-beeinflußte Organisation, marxistisch-leninistisch orientiert, mit bundesweit etwa 600 Mitgliedern. Sie verfügt in allen Bundesländern über Landesverbände, die 78 sich in Kreisverbände und Ortsgruppen gliedern. Der Landesverband Bayern wurde 1979 in Nürnberg unter Beteiligung der KPD gegründet. Publikationsorgan der VOLKSFRONT ist das Mitteilungsblatt "Volksecho", das im zweimonatlichen Rhythmus erscheint. Daneben gibt die VOLKSFRONT die Publikation "Antifaschistische Nachrichten" heraus. Die Aktivitäten der VOLKSFRONT in Bayern umfaßten schwerpunktmäßig "antifaschistische" Themen; dabei wurde das Verbot aller "faschistischen Organisationen" gefordert. 3.2.6 Marxistische Gruppe (MG) Die MG, die Ende der 60er Jahre aus den "Roten Zellen" hervorgegangen ist, nimmt innerhalb der Gruppen der Neuen Linken eine Sonderstellung ein. Sie ist gekennzeichnet durch hierarchischen Aufbau, straffe Disziplin, intensive Schulung der Mitglieder und strenge Abschirmung des Verbandslebens und entspricht insoweit einer marxistisch-leninistischen Kaderorganisation. Programmatisch lehnt sie jedoch den "Leninismus" in seiner dogmatischen Form ab. Die MG bekämpft die "Demokratie" als "Staatsform der bürgerlichen Ausbeutung" und tritt dafür ein, den Staat auf dem Weg über die sozialistische Revolution abzuschaffen. Voraussetzung dazu sei der "Klassenkampf des Proletariats", zu dessen "Bewußtseinsorientierung" sie beitragen wolle. Das Bekenntnis der MG zur sozialistischen Revolution schließt auch die Anwendung von revolutionärer Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ein. Die MG konnte bundesweit ihren Mitgliederstand (ca. 1700) halten. Sie findet ihre Anhänger überwiegend unter Studenten und Angehörigen akademischer Berufe. Der organisatorische Schwerpunkt der MG, die sich in den letzten Jahren zur mitgliederstärksten Organisation innerhalb der Neuen Linken entwikkelte, liegt in Bayern. Hier bestehen Gruppen in Augsburg, Bamberg, Erlangen-Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Aktivitäten, die auf Stützpunkte schließen lassen, wurden auch aus Bayreuth, Fürth, Ingolstadt und Schweinfurt bekannt. Die Zahl ihrer Mitglieder betrug zum Jahresende 1986 wie im Vorjahr etwa 600 Personen. Darüber hinaus konnte sich die MG in Bayern auf einen Sympathisantenkreis von rund 4.500 Personen stützen, die fest in die MG eingebunden sind, Beiträge entrichten und Schulungen (Sympathisantenplena) besuchen. Die bedeutendste Gruppe ist nach wie vor die MG München, die faktisch eine Führungsfun(ktion ausübt. Kommunikationsund Bildungszentren sind der "Laden" des "Vereins zur Förderung des studentischen Pressewesens e.V.", die "MHBund NEW-Gesellschaften für Druck und Vertrieb wissenschaftlicher Literatur mbH" und der "Resultate-Verlag" in München sowie die "MG-Läden" in Erlangen, Nürnberg und Würzburg. Gliederung und leitende Gremien der MG werden nach wie vor weitgehend geheimgehalten. Die MG praktiziert einen straffen Führungsstil und verlangt die stete Bewährung des einzelnen als Mitglied und Sympathisant. Die Finanzierung der MG erfolgt durch sehr hohe Mitgliedsbeiträge und durch den Verkauf von Publikationen. Zentrale Publikationsorgane der MG sind die "MSZ-Marxistische Zeitung gegen die Kosten der Freiheit" und die "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ). Zusätzlich erscheinen örtliche "Hochschulzeitungen" mit Ein79 zelauflagen bis zu 14.000 Exemplaren sowie Betriebs-, Branchenund Regionalausgaben der MAZ. Das theoretische Organ der MG führt den Titel "Resultate". Agitationsschwerpunkte der MG waren 1986 der Konflikt zwischen den USA und Libyen, die Reaktorkatastrophe'von Tschernobyl sowie das Gipfeltreffen der USA und der Sowjetunion in Reykjavik. Daneben befaßte sich die MG auf zahlreichen "teach-in's" und öffentlichen Versammlungen noch mit Themen wie "WAA-Wackersdorf: Großmachtprojekt und seine demokratische Abwicklung", "Deutsche Tugenden -- Unarten zum Abgewöhnen", "SDI -- Der Westen setzt auf Krieg", "Weltwirtschaftsgipfel in Tokio -- die demokratischen Führer legen ihre nächsten Bombenziele fest", "Die Politik erledigt das Asylantenproblem -- Demokratischer Rassismus!" und "Skandal um die Neue Heimat". Hauptbetätigungsfelder waren wiederum die Hochschulen, wo sie 1986 ihren Einflußbereich aufrechterhalten konnte, und die Betriebsarbeit. Bei den Wahlen für die Kollegialorgane der Hochschulen kandidierte die Marxistische Gruppe unter ihrem eigenen Namen, wobei sie bei diesen Wahlen nur ein Ziel verfolgt: "Das Privileg gewählter Studentenvertreter, in Uni-Räumen zu sagen, was sie zu sagen haben. Dieses Vorrecht nutzen wir mit unseren Diskussionsveranstaltungen hemmungslos aus, einen gewählten Menschen in einem Fachbereichsrat zu haben, erspart uns einen Extra-Zank mit dem Ordnungsrecht". An zwei bayerischen Universitäten stellt die MG je einen Vertreter im Kovent. 80 Mit der "Marxistischen Arbeiterzeitung" (MAZ), die 1986 in zahlreichen Städten vor Großbetrieben verteilt wurde, versuchte die MG in den Arbeitnehmerbereich einzudringen. Zu diesem Zweck hat die MG einen eigenen Kader für Betriebsarbeit gebildet, der über Einzelpersonen oder kleine Agitationsgruppen ihre Politik in die Betriebe tragen soll. Die Schulung der Arbeiter ist praxisbezogen und weniger "wissenschaftlich". In der MAZ behandelte die MG spezielle Themen wie "Lohnrunde 1986: Diesmal steht SS 116 vor dem Komma", "Stichwort Betriebsrat", "Lohnabrechnung -- Jeden Monat dieselbe Bescherung", "DGB-Kongreß in Hamburg -- Eine Sternstunde der deutschen Arbeiterbewegung", "Überstundenabbau schafft Arbeitsplätze -- Eine verblümte Lüge für Lohnsenkung" und "Neues aus der Wissenschaft: Arbeiter sind reich". Der Konflikt zwischen den USA und Libyen war Thema zahlreicher MG-Diskussionsveranstaltungen. Zu einer Veranstaltung in München kamen am 17. April ca. 1.200 Personen. Unter dem Motto: "Weltfrieden 86 -- Die Nato schafft's: Viele Kriege, wenig Kritik" wurde den USA vorgeworfen, den Frieden beendet zu haben. "Die USA sind zum Krieg bereit, der 3. Weltkrieg hängt nur noch von der Nachgiebigkeit der Russen ab", lautete das MG-Fazit dieser Veranstaltung. Das Reaktorunglück von Tschernobyl nutzte die MG, um die Atompolitik der Bundesregierung wochenlang in Veranstaltungen und Publikationen zu kritisieren. Auch die MG forderte die sofortige Abschaltung aller Kernkraftwerke in der Bundesrepublik. "Die Katastrophe von Tschernobyl wurde zum Gottesgeschenk für die demokratische Vorkriegs-Stimmungsmache". Für den "ewigen prowestlichen Systemvergleich" mache sich ein brennendes sowjetisches Kernkraftwerk eben ganz hervorragend, so die MG. Die Vorgänge um die "Neue Heimat" waren für die MG ein willkommener Anlaß einen ihrer potentiellen Gegner, die Gewerkschaften, verbal anzugreifen. Eine öffentliche Diskussionsveranstaltung zu diesem Thema fand am 2. Oktober in Nürnberg vor ca. 450 Zuhörern statt. Die MG bezeichnete hierin "DGB-Bonzen" als "Kapitalisten", die einsehen mußten, daß auch das Spekulieren mit Gewerkschaftsbeiträgen nicht vor "unternehmerischem Risiko" schütze. Um im Geschäft zu bleiben, habe sich der DGB von seiner "Neuen Heimat" trennen müssen -- und die Arbeiter fühlten sich wie immer verschaukelt! Im November führte die MG in München, Nürnberg und Regensburg öffentliche Diskussionsveranstaltungen durch mit dem Thema: "Vergleichen ist modern: Wir unterscheiden Kohl und Hitler, Goebbels und Geißler, Reagan und Gorbatschow, Münchener Abkommen 1938 und Reykjavik-Gipfel 1986". Allein in München besuchten ca. 1.200 Personen die Veranstaltung. Den ReykjavikGipfel analysierte die MG dabei wie folgt: "Die ganze Abrüstungseuphorie der NATO-Führer ist eine einzige Heuchelei. Die NATO denkt seit Jahren nur noch an das Eine: Was tun, wenn der große atomare Schlagabtausch fällig ist? Die Antwort: Wir brauchen SDI, das Mittel für eine strategische Schlacht, bei der eine neue Sorte Flugabwehr gegen ballistische Raketen zum Einsatz kommt. Dann braucht man den großen atomaren Schlagabtausch nicht mehr über alles zu fürchten; man kann ihn nach den taktischen Regeln von Angriff und Verteidigung als weltumspannendes Gefecht führen". 81 3.3 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 3.3.1 Allgemeines Zum Bereich der Neuen Linken gehören auch die sogenannten undogmatischen Gruppen. Sie sind schwer überschaubar und bestehen häufig aus kleinen, örtlichen Zirkeln oder lockeren kurzlebigen Zusammenschlüssen. Sie lehnen starre Organisationsformen und feste Bindungen an ideologische Dogmen ab, befürworten im politischen Kampf Spontaneität, Autonomie und "Selbstorganisation der Unterdrückten". Sie fordern vor allem die Arbeit an der "Basis" und "Selbstbestimmung" in Bezugsgruppen oder persönlichen "Arbeitsfeldern" zur "eigenen Befreiung". Das politische Spektrum dieser undogmatischen Linksextremisten reicht von Anhängern eines "undogmatischen wissenschaftlichen Sozialismus" über Sozialrevolutionäre bis hin zu Anarchisten. Sie alle verfolgen als Endziel die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. Ais-Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele fordern sie vielfach "gewaltfreien" oder gewalttätigen Widerstand. Dabei wird das Widerstandsrecht als "Gegengewalt" aus "der "strukturellen Gewalt" des Staates abgeleitet und legitimiert. Innerhalb der undogmatischen Neuen Linken konnte 1986 der anarchistisch orientierte "autonome" Flügel seine Bedeutung weiter festigen. Andere Gruppen dagegen verloren an Einfluß. Neben den undogmatischen Linksextremisten gibt es auch Gruppen, die auf den gleichen Aktionsfeldern, häufig mit ähnlichen Namen und Organisationsformen tätig werden, ohne jedoch extremistische Ziele zu verfolgen. Zu diesem Bereich zählt der größte Teil der sogenannte Alternativen. 3.3.2 "Autonome" Gruppen Mit Aktionen traten 1986 im Bundesgebiet und in Bayern Gruppen auf, die sich selbst als "Autonome" bezeichnen. Dabei handelt es sich vielfach um spontane und lose, nach außen jedoch abgeschottete Zusammenschlüsse ohne einheitliches Konzept. Ihr Ziel ist, den Staat mit seinen Institutionen zu beseitigen und eine "Autonomie" in einer "herrschaftsfreien Gesellschaft" zu errichten. Hierzu wollen sie zunächst "Freiräume" und "Widerstandsnester" erkämpfen und den "Kampf gegen das System" unberechenbar und flexibel führen. Ihre vielfach militanten Aktionen richten sich nicht nur gegen "Spekulanten, Startbahn und Kernkraft", sondern auch gegen den "alltäglichen Faschismus", gegen Mittelstreckenraketen, "Ausländerhetze, Knast und Repressionen" sowie gegen den "Überwachungsstaat". In Bayern bestehen "autonome" Zusammenschlüsse in unterschiedlicher personeller Stärke in Augsburg, Erlangen, München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg, die unter Bezeichnungen wie "Anti-NATOGruppe", "Basisgruppe", "Anti-WAA-Gruppe", "Prolos" und "Jobbergruppe", teilweise aber auch ohne Namen auftraten. Neue Gruppen, die sich als "Oberpfälzer Autonome" bezeichnen, wurden im Rahmen des "Ostercamps" bekannt. Sie erhalten Anleitung und Unterstützung von den militanten Gruppen aus Erlangen, München und Nürnberg. Die nach Wackersdorf angereisten außerbayerischen "Autono82 Protest ist, wenn ich sage, d a s und d a s paßt mir nicht. Widerstand ist, VUSAA wenn ich dafür NIC-' sorge, d a ß das.was mir nicht paßt, nicht länger geschieht ! \MSeiZMM m Wir unterstützen den Vorschlag, das Baugelände für die Ü Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf zu besetzen. Wir hatten es für richtig, den Widerstand dort zu leisten, wo die Herrschenden ihr mörderisches Projekt verwirklichen wollen, ' g enauso wie es richtig ist, sie in ihren Rattenlöchern, ihren Fa*I*I riken, ihren Luxusvillen etc. zu bekämpfen. Es ware albern, "JP I ließe man sich seinen Widerstand und seine Formen ausgarech'PS* net vom Staat vorschreiben. Wir haben genug vom Charakter Igj dieses Staates verstanden, um zu wissen, daß die Möglichkeiten & des juristischen Einspruches allenfalls die demokratischen Spiel ^ regeln bei der Durchsetzung dieses Projektes wahren ange- * sichts der längst getroffenen politischen Entscheidung, diese zu bauen. In diesem Sinne ist eine Bauplatzbesetzung fur uns Teil Ii aktiver Widerstandsformen. Wir rufen daher dazu auf, sich an der Besetzung am 1 . | Samstag nach Rodungsbeginn zu beteiligen! Treffpunkt: 14.00 Bannhof Altenschwand. für dte autonomen Gruppen: auf der Wiese vor der Bi-Kapelle a m Anfang des Baugeländes, oder wenn das nicht geht, vor der ersten Polizeikette. Pünktlich seinl Schlafsack, Proviant und Ausrüstung mitbringen! Autonomes WAA-Plenum Bayern 83 men", vor allem aus dem Raum Berlin, Frankfurt a.M., Freiburg und Göttingen waren mit ihrer Militanz vielfach Vorbilder für die bayerischen Gruppen. Als Publikationsorgan verbreiteten die "Autonomen" in Bayern den "Informationsdienst München" sowie zahlreiche andere Schriften, die sich in militanter Form gegen die geplante Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) richteten. Nach Jahren der "Resignation" in der "autonomen Szene" gab es erstmals 1985/86 wieder Ansätze für eine Festigung; einzelne Gruppen sprachen sogar von einer "Reorganisation" auf örtlicher und überörtlicher Ebene. Anlaß hierfür war vor allem die "Anti-AKW-Kampagne". Im Rahmen dieser Kampagne bezeichneten die "Autonomen" die WAW als "militärisches Kriegsobjekt", das für die "NATO-Kriegspolitik" stehe und deshalb einen "entschlossenen und kraftvollen" Widerstand erfordere. Der Reaktorunfall von Tschernobyl am 26. April führte in der "Anti-AKW-Bewegung" zu einer Verstärkung ihres Kampfs gegen die WAW. Für die "Autonomen" brach mit dem Ereignis eine neue Epoche an, die nicht nur ihre Kampfmoral verstärkte, sondern der Gesamtbewegung und auch den "Autonomen" für ihre Aktionen neue Verbündete zuführte wie z.B. früher friedliche AKWGegner, Chaoten, Punks und Rocker. Angehörige "autonomer" Gruppen haben sich 1986 an fast allen wesentlichen Aktionen gegen die WAW beteiligt. So nahmen militante Gruppen in einer Stärke von mehreren Hundert Angehörigen an den Ausschreitungen vor der zentralen "Ostermarsch"-Abschlußkundgebung am 31. März in Wackersdorf teil. Etwa 800 "Autonome" beteiligten sich an einer Demonstration, die am 17. Mai in Erlangen "gegen Siemens/KWU und WAA" durchgeführt wurde und das anschließende "Widerstandscamp" in Wackersdorf eröffnen sollte. An der Durchführung dieses "Widerstandscamps" und an den gewalttätigen Ausschreitungen während der Pfingstfeiertage waren sie nach Schätzungen in Stärke von weit über 1.000 Personen beteiligt. Auch die Aktionen an den "Blockadeund Aktionstagen" gegen die WAW, die im Anschluß an die Landtagswahl in Bayern vom 15. bis 19. Oktober stattfanden, wurden überwiegend von Anhängern "autonomer" Gruppierungen getragen. Anhänger der "Autonomen" hatten auch maßgeblichen Anteil an den am 2. Weihnachtsfeiertag und an Silvester entstandenen Ausschreitungen, bei denen Polizeibeamte mit Steinen beworfen und Stahlkugeln beschossen wurden. Nach den gewalttätigen Ausschreitungen, die ihren Höhepunkt während der Pfingstfeiertage und im Zusammenhang mit der verbotenen Großdemonstration am 7. Juni erreichten, erklärten die militanten "Autonomen", daß nunmehr "die Zeit der offenen Feldschlachten" vorbei sei. Als Autonome "müssen wir für die Gegenseite unkalkulierbarer werden und für uns Kriterien entwickeln, wie, wo und wann praktische Angriffe sinnvoll sind". In einer Rückschau auf das Jahr 1986 behaupteten "Oberpfälzer Autonome", es sei ihnen gelungen, ihre "Inhalte und Aktionsformen" den "Oberpfälzern" zu "vermitteln"; sie seien "nicht nur akzeptiert, sondern sogar begrüßt" und "aktiv unterstützt" worden. Das "Zusammenkommen von revolutionärer autonomer Bewegung" mit den "Oberpfälzern" zu einer "sozialen Massenbewegung" ha84 be "ungeahnte Radikalität" entwickelt, an der sich die .HERRschenden' die Zähne ausgebissen" hätten. Zwar sei es in den letzten Monaten am Bauzaun der WAW "ruhig" geblieben, u.a. wegen der Landtagswahl in Bayern und der massiven "Präsenz der Staatstruppen". Nun aber scheine "das Tief der letzten Wochen allmählich durchschritten". Jetzt gehe es darum, wieder "Ansätze für eine offensive Vorgehensweise" zu entwickeln. Zu den weiteren erwähnenswerten Aktivitäten 1986 gehören: Am 4: Januar demonstrierten rund 130 Personen ohne Anmeldung vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) Amberg gegen die Inhaftierung von zwei Anti-AKWGegnern, die im Zusammenhang mit der Räumung des "Hüttendorfes" auf dem WAW-Gelände am 16. Dezember 1985 festgenommen wurden. Die Demonstrationsteilnehmer versuchten, gewaltsam in die JVA einzudringen. Wegen Verdachts der versuchten Gefangenenbefreiung, Nötigung, Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz nahm die Polizei 130 Personen zur Personalienfeststellung fest. Unter den Festgenommenen befanden sich 27 Linksextremisten, davon 25 Anhänger der undogmatischen Neuen Linken. Aus Anlaß des 1. Jahrestages der Besetzung des WAW-Geländes veranstaltete am 15. August eine Bürgerinitiative gegen die WAW in Schwandorf einen Fackelzug, an dem sich rund 500 Personen beteiligten, darunter etwa 40 "Autonome" mit einer Fahne. Die Aufschrift auf der Fahne lautete: "Widerstand, Feuer und Flamme für das Land". Aus der Gruppe der "Autonomen" heraus wurde ein Polizeibeamter mit einer brennenden Fackel angegriffen. Die unter dem Motto "Gegen Atomanlagen und Polizeistaat" am 4. Oktober in München veranstaltete Kundgebung mit rund 3.500 Teilnehmern, darunter etwa 300 "Autonomen", verlief im wesentlichen ohne Störungen. Im Anschluß an die Veranstaltung löste die Polizei jedoch einen verbotenen Demonstrationszug auf, der sich in der Innenstadt formiert hatte. Etwa 200 Kundgebungsteilnehmer aus dem "autonomen" Bereich und seinem Umfeld zogen dann zum Marienplatz. Dort kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Wegen Widerstands, Beleidigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung nahm die Polizei 29 Personen vorläufig fest. Unter den Festgenommenen befanden sich mehrere Anhänger der undogmatischen Neuen Linken. Die wochenlang mit Plakaten und Flugblättern auch von "Autonomen" propagierte und vom Landratsamt Schwandorf verbotene WAW-Demonstration am 12. Oktober fand wenig Resonanz. Es wurden etwa 100 Personen festgestellt, die "autonomen" Gruppierungen zuzurechnen sind. Als Reaktion auf die Räumung mehrerer Wohnungen in der Hamburger Hafenstraße wurden am 28. und 29. Oktober in Hamburg und in zehn weiteren Städten des Bundesgebietes schwere Gewalttaten verübt, die sich vor allem gegen Banken, Geschäfte und Parteibüros richteten. Die Polizei nahm mehr als 40 der "autonomen" Szene zuzurechnende Personen fest. Bei den Protestaktionen in Nürnberg wurde ein unbesetzter Streifenwagen der Polizei umgekippt und mehrere Fensterscheiben einer Bank eingeworfen. In dem umgestürzten Auto lagen Flugblätter der "autonomen" Gruppe "Prolos '85". Die Polizei nahm 85 sechs Personen fest. Von den Festgenommenen sind fünf Personen als Anhänger der "Autonomen" bekannt. 3.3.3 Anarchistische Arbeiter Union (AAU) Die AAU entstand 1985 aus dem Zusammenschluß der "Anarchistischen Föderation Südbayern" (AFS) und der "Freien Arbeiter Union (FAU). Die rund 20 Mitglieder der AAU orientierten sich weitgehend an der autonomen Szene in München und nahmen auch an Aktionen dieser Kreise teil. Die AAU übernahm von der ehemaligen AFS die Herausgabe und Verbreitung der Zeitschrift "freiraum". 3.3.4 Anarchistische Föderation Nordbayern (AFNB) Mitte Februar 1986 fand in Bamberg ein "Treffen aller anarchistisch und autonom denkender Menschen aus dem nordbayerischen Raum" statt, an dem rund 25 Personen aus den Städten Regensburg, Würzburg, Aschaffenburg und Bamberg teilnahmen. Im Rahmen dieser Versammlung wurde die "Anarchistische Föderation Nordbayern" gegründet. Als Sprachrohr erscheint die, von der Bamberger Gruppe herausgegebene Schrift "Der Leichenfledderer". Die bisher durchgeführten Veranstaltungen dieses Zusammenschlusses fanden in der Öffentlichkeit kaum Beachtung. Ausschreitungen wurden nicht bekannt. Der überwiegende Teil der Anhänger engagiert sich im "WAWKampf". 3.4 Linksextreme Schriften Eine besondere Bedeutung für den Informationsaustausch innerhalb der undogmatischen Bewegung haben Publikationen, die auch über terroristische Aktionen informieren und Erklärungen terroristischer Gruppen und ihres Umfeldes abdrucken, ferner einige "Alternativzeitungen", die immer wieder Raum für Veröffentlichungen extremistischer Positionen bieten. Im regionalen Bereich gehören hierzu das Publikationsorgan der AAU "freiraum" sowie der in unregelmäßigen Abständen erscheinende "Informationsdienst München". Die Zeitschrift "freiraum" veröffentlichte 1986 wiederholt Artikel, in denen zur Begehung von Straftaten aufgefordert wurde. So enthielt die Ausgabe Nr. 12 neben Selbstbezichtigungsschreiben zu Brandund Sprengstoffanschlägen auf Bauund Industriefirmen in Baden-Württemberg auch eine Prozeßerklärung eines RAF-Angehörigen, mehrere Artikel zum Widerstand gegen die Wiederaufarbeitungsanlage (WAW) in Wackersdorf sowie eine "Schwarze Liste" von Firmen, die am Bau der WAW beteiligt sind. Die Ausgabe Nr. 16 enthielt u.a. einen Beitrag mit der Überschrift "Macht kaputt, was euch kaputt macht -- Anarchie statt Chaos" sowie die Aufforderung zu Gewaltaktionen gegen Kernkraftwerke, Militäreinrichtungen und die WAW. Ferner waren Selbstbezichtigungsschreiben der Revolutionären Zellen (RZ) und ihrer Frauengruppe "Rote Zora" zu den Anschlägen auf das Humangenetische Institut in Münster (5. August 1986) und auf den Leiter der Berliner Ausländerbehörde (28. Oktober 1986) abgedruckt. Wegen des Verdachts der Verunglimpfung von Verfassungsorganen, der Aufforderung zur Begehung und Verherrlichung von Straftaten sowie des Werbens für eine terroristische Vereinigung wurden die Aus86 gaben der Zeitschrift "freiraum" Nr. 12, 13, 15 und 16 beschlagnahmt und jeweils ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Überregionale Bedeutung hat die in Berlin (West) herausgegebene Publikation "die Tageszeitung" (taz), die bundesweit täglich erscheint und von Gruppierungen der undogmatischen Neuen Linken und der "Alternativbewegung" getragen wird. Sie berichtete mehrfach über Vorgänge innerhalb des undogmatischen Lagers und veröffentlichte Erklärungen und Aufrufe extremistischer Gruppierungen. Nach mehr als sieben Monaten Pause erschien Anfang Februar wieder eine neue Ausgabe der militanten autonomen Zeitschrift "radikal" (Nr. 131). Das Redaktionsteam begründete das lange Nichterscheinen mit internen Auseinandersetzungen und technischen Schwierigkeiten, die sich aus der "illegalen Struktur" ergeben. Unter der Überschrift: "Es muß nicht immer Sprengstoff sein...", enthielt das Blatt eine Fülle von Beispielen von leicht durchführbaren Sabotageakten. Die zweiteilige Ausgabe Nr. 132 der Zeitschrift "radikal", die im Sommer verbreitet wurde, enthielt Anleitungen zum Herstellen von elektrischen Sprengzündern und zum Vorgehen mit "Krähenfüßen" gegen Polizeifahrzeuge. Im Rahmen des "Anti-AKW-Kampfes" forderte die Zeitschrift "direkte Aktionen", d.h. "Angriffe gegen verantwortliche Firmen, Institutionen und Planungsbüros", die in einer "Schwarzen Liste" aufgeführt waren. Daneben enthielt die Ausgabe Teile von Selbstbezichtigungen zu Sabotageaktionen und sonstigen Anschlägen sowie als Anlage das "Kommunique" des RAF-Kommandos "Mara Cagol" zu dem Mordanschlag auf Prof. Dr. Beckurts und dessen Fahrer. Gegen die unbekannten Hersteller und Verbreiter der Druckschrift "radikal" leitete der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren ein. 4. Linksextremer Einfluß auf die "Anti-AKW-Bewegung" 4.1 Allgemeines Die friedliche Nutzung der Kernenergie und die damit verbundenen Probleme der Entsorgung und Endlagerung waren schon in früheren Jahren wiederholt Anlaß für bundesweite Protestaktionen der Kernkraftgegner. Die Entscheidung der Betreiberfirma, eine Wiederaufarbeitungsanlage für abgebrannte Kernelemente in Wackersdorf (WAW) zu errichten, führte Anfang 1985 zu einer Verlagerung der gegen Kernkraftwerke gerichteten Aktivitäten vom norddeutschen Raum (Grohnde, Brokdorf und Gorleben) nach Bayern. Zu den Trägern der Protestbewegung, die sich hier gebildet hat, gehören der Bund für Umweltund Naturschutz e.V. (Bund), die Landeskonferenz der bayerischen Anti-AKWBürgerinitiativen (LAKO) sowie etwa 30 bayerische Anti-WAW-Bürgerinitiativen, darunter insbesondere die Bürgerinitiativen Schwandorf und "BIWAK" Regensburg. Die Protestbewegung wird außerdem unterstützt von der Bundestagsfraktion der Grünen, mehreren Landesund Ortsverbänden der Grünen sowie auch zahlreichen außerbayerischen Bürgerinitiativen. Nach vorliegenden Aufrufen wurden Demonstrationen gegen die Errichtung der WAW auch von Teilen der SPD unterstützt. Aus dem orthodox-kommunistischen und dem orthodox-kommunistisch beeinflußten Spektrum beteiligten sich an den Protestaktionen -- wenn auch mit 87 Februar 1986 WAA, Atommafia und der Griff nach der Bombe Wackersdorf ist überall Mit aller Macht wälzt die bayerische Staatsregierung den Widerstand der Bevölkerung gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) nieder. In einem bürgerkriegsähnlichen Einsatz räumten tausende Polizisten des BGS das Hüttendorf im Taxölderner Forst bei Wackersdorf. Rodungsmaschinen fällen hunderttausende Bäume. "Wir kämpfen für die Heimat" Heimat, das ist der Taxölderner Forst, sind Luft und Wasser ohne Radioaktivität, sind gesunde Kinder, sind Arbeitsplätze für die Bevölkerung. Heimat, das ist ein Leben ohne Angst vor einem atomaren Störfall. Deshalb zogen zehntausende Oberpfälzer auf das geplante WAA-Gelände. Sie unterstützten die Bewohner des Hüttendorfs. Wirte, Hausfrauen, Bäcker, Metzger spendeten Verpflegung, Bauern fuhren einige Fuder Stroh ins Hüttendorf. ' unterschiedlicher Intensität -- die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), der Marxistische Studentenbund Spartakus (MSB), die Deutsche Friedens-Union (DFU), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (WN-BdA) und die Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFGVK), ferner der Sozialistische Hochschulbund (SHB) und die "Friedensliste". Die DKP begründete ihre ablehnende Haltung im wesentlichen damit, daß die WAW den "Griff zur Atombombe" ermögliche. Nach Auffassung der DKP erfordere das Vorgehen der "Atom-Mafia" das "gemeinsame Handeln aller Gegner der Atomwaffenfabrik". Im Rahmen ihrer "Bündnispolitik" forderte die DKP wiederholt alle WAW-Gegner zur Zusammenarbeit auf, um dieses "Wahnsinnsprojekt" zu verhindern. Dies sei insbesondere dann möglich, wenn der "Widerstand" verbreitert, alle "Aktionsformen" genutzt und der "Schulterschluß" mit den demokratischen "Massenbewegungen" wie der "Friedensbewegung", der "Arbeiterbewegung" und der "Umweltbewegung" hergestellt werden könne. Um den Protest zu verstärken, hatte die DKP ihre Mitglieder und Sympathisanten aufgerufen, sich "massenhaft" an den Protestversammlungen zu beteiligen. 88 Das ständige Bemühen der DKP, auch von demokratischen Gruppen und Organisationen in der "Anti-AKW-Bewegung" als gleichberechtigter Teilnehmer akzeptiert zu werden, war durchaus nicht erfolglos. So konnte die DKP z.B. beim "Anti-Wahnsinns-Festival" am 26727. Juli in Burglengenfeld nach eigener Aussage und nach dem Inhalt eines Einladungsflugblatts als Mitveranstalter auftreten, obwohl sie nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl erklärt hatte, daß dieser Unfall zwar Betroffenheit auslöse, jedoch nicht "mit Harrisburg und der langen Reihe von Störfällen auch in bundesdeutschen Kernkraftwerken" zu vergleichen sei, bei denen "nachweislich technische Sicherheitsstandards aus Profitgründen" nicht beachtet würden; derartige Gründe seien in der Sowjetunion ausgeschlossen, denn die "sozialistische Gesellschaftsordnung" tue alles, um die "Sicherheit von Produktion und Arbeit" zu gewährleisten. Diese widersprüchliche, ausschließlich von ideologischer Voreingenommenheit geprägte Stellungnahme hätte die DKP als Bundesgenossen für demokratische Kernkraftgegner ein für allemal diskreditieren müssen. An der "Anti-AKW-Bewegung" beteiligten sich neben den orthodoxen Kommunisten auch Gruppierungen der dogmatischen und undogmatischen Neuen Linken. Die Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands (MLPD) sieht in der WAW ein Großprojekt, das wie andere, z.B. das Kohlekraftwerk Buschhaus und die Startbahn West des Flughafens Frankfurt a.M., gegen den entschiedenen Widerstand der Bevölkerung durchgezogen werden solle. Die Errichtung der WAW ist für die MLPD Teil der atomaren Aufrüstungspläne des "imperialistischen Systems" der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb fordert sie zum aktiven Widerstand statt symbolischer Aktionen auf. Auch die linksextrem beeinflußte Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) wendet sich gegen die Errichtung der WAW mit der Argumentation, daß die WAW energiepolitisch und waffentechnologisch ein entscheidender Schlußbaustein für die schon laufenden Kriegsvorbereitungen sei. Das vom Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) beeinflußte Anti-Strauß-Komitee (ASKo) sieht in der "Plutoniumfabrik" in Wackersdorf den vorläufigen Höhepukt der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland. Hauptträger der aggressiven Militanz gegen die Errichtung der WAW in Wort und Tat sind jedoch Gruppierungen der undogmatischen Neuen Linken, die aus einer anarchistischen Zielsetzung heraus "die bestehenden Herrschaftsstrukturen zerschlagen" wollen. Das größte Potential in diesem Bereich stellen nach wie vor die Angehörigen sogenannter "autonomer" Gruppen dar, die in zahlreichen, oft nur kurzlebigen aktionsbezogenen Zusammenschlüssen agieren und in ihren Aktionen, die in Bayern in erster Linie gegen die WAW gerichtet sind, Gewalt gegen Personen und Sachen offen propagieren und praktizieren. In ihren Publikationen befaßten sie sich wiederholt mit dem "Anti-WAAKampf". In dem von Gruppen der "Autonomen" herausgegebenen "Informationsdienst München" heißt es hierzu in einem Kommentar: "Unsere Beteiligung am Anti-WAA Widerstand geschah nicht, um irgendwelche Bäume zu retten, sondern vielmehr aus dem Bewußtsein heraus, mit dem konkreten Ansatzpunkt WAA, auch (den) Atomstaat und das kapitalistische System überhaupt anzugreifen. Außerdem ging es uns um die Entwicklung der Oberpfalz zu einer Region, deren Widerstand über den Kampf gegen dieses Großprojekt hinaus geht. Einen Widerstand, der das System in seiner Gesamtheit be89 kämpft, weil in den Erfahrungen im Anti-WAA-Kampf, die ganze Dimension dieses Staates erlebt und begriffen werde". Der Kommentar endet mit der Parole "Den Stein in der Hand, die Faust geballt -- gegen die Schweine hilft nur Gewalt". Auch in der Ende Januar 1986 mit einem fingierten Impressum verbreiteten Druckschrift "freiraum" Nr. 12 wurde zum "Widerstand gegen die WAA Wackersdorf" aufgerufen. Hierzu wurde ausgeführt: "Die Notwendigkeit daß dieser Staat zerschlagen werden muß, wird immer offensichtlicher, eben nicht nur wegen den Wahnsinnsprojekten wie die WAA, sondern wegen dem ganzen Schweinesystem, was zugegebenermaßen ziemlich reibungslos funktioniert." Neben der massiven Beteiligung von Linksextremisten des gesamten Spektrums an den Protestaktionen gegen die WAW wurden aber auch Versuche des terroristischen Umfeldes bekannt, einen Zusammenhang zwischen dem "Kampf gegen die WAA" einerseits und der "NATO-Kriegspolitik" sowie dem "revolutionären Widerstand" andererseits herzustellen. In der Broschüre "Die Front entsteht als kämpfende Bewegung -- Krieg dem Krieg", die während des "antiimperialistischen und antikapitalistischen Kongresses" in Frankfurt a.M. vom 31. Januar bis 4. Februar als Diskussionsgrundlage verteilt wurde, wird die WAW als "strategisches Kriegsprojekt" angesehen und in den "militärisch-industriellen Komplex" (MIK) eingebunden. Dadurch wurde auch der Kampf gegen die WAW in das Aktionsfeld der Roten Armee Fraktion (RAF) mit einbezogen. Anzeichen für eine versuchte Realisierung dieses vom terroristischen Umfeld beabsichtigten "Aktionsbündnisses" sind bereits bekanntgeworden. So war während der Bauplatzbesetzung um die Jahreswende 1985/86 in einem "Hüttendorf" auf einem großen Transparent ein Porträt von Ulrike Meinhof, der Mitbegründerin der RAF, angebracht. Während der Großkundgebung gegen die WAW am 7. Juni wurde an einer Autobahnbrücke in der Nähe von Wackersdorf ein Plakat mit der Aufschrift "Zusammen kämpfen für ein selbstbestimmtes Leben, WAA nie" sichergestellt, auf dem ein fünfzackiger Stern sowie ebenfalls ein Porträt von Ulrike Meinhof angebracht waren. Ein am 3. Juni in München festgestelltes Plakat ohne Impressum, das zur Beteiligung an derselben Großdemonstration aufrief, enthielt Forderungen wie "Kampf dem Atomprogramm" und "Solidarität mit allen politischen Gefangenen" und war mit "Georg Jackson" unterzeichnet. Unter dieser Kommandobezeichnung hatten sich die RAF und die französische Terrorgruppe Action Directe (AD) zu derri Sprengstoffanschlag vom 8. August 1985 auf die US-Air-Base in Frankfurt a.M. bekannt, der zwei Todesopfer gefordert hat. 4.2 Militantes Protestpotential Die militante Gewalt wird in erster Linie von den Angehörigen "autonomer" Gruppen getragen. Dieses "autonome Spektrum" erfaßt derzeit in seinem harten militanten Kern im Bundesgebiet etwa 3.000 Personen; dazu kommen noch weiter etwa 6.000 Personen in dem diesen Kern umgebenden Unterstützerkreis. In Bayern liegt das Potential der militanten Autonomen gegenwärtig bei etwa 300 Personen. Schwerpunkte sind dabei die Großräume München und Nürnberg/Erlangen, neuerdings auch Regensburg. 90 Durch den Reaktorunfall von Tschernobyl hat die "Anti-AKW-Bewegung" eine weitere Verstärkung erfahren. Die allgemeine Sorge um die durch den Unfall verursachte radioaktive Belastung der Bundesrepublik hat nicht nur die Kampfmoral der "Autonomen" neu entfacht und gesteigert, sondern ihnen auch neue Verbündete zugeführt, überwiegend ehemals friedliche AKW-Gegner, aber auch unpolitische Chaoten. Nach dem Reaktorunfall haben sich in der Oberpfalz aber auch Gruppierungen gebildet, in deren Aktionsfeld nicht nur unmittelbare Angriffe gegen das Baugelände fallen, sondern auch Anschläge gegen Einrichtungen der am Bau beteiligten Firmen, gegen Leitungsmasten der Elektrizitätsversorgungsunternehmen und gegen Einrichtungen der Deutschen Bundesbahn. Unterstützung haben diese Gruppen auch von außerbayerischen Autonomen erfahren, vor allem aus Frankfurt a.M., Berlin, Göttingen und Freiburg; diese Gruppen waren durch ihre Militanz Vorbild für die bayerischen Gesinnungsgenossen. 4.3 Aktionsschwerpunkte Als wesentliche Schwerpunkte der "Anti-AKW-Bewegung" sind für 1986 folgende Aktivitäten erwähnenswert: Höhepunkt der "Ostermärsche" 1986 in Bayern war die zentrale "Ostermarsch"-Abschlußkundgebung am 31. März in unmittelbarer Nähe des Baugeländes der WAW. Als Veranstalter der Kundgebung, an der rund 30.000 Personen teilnahmen, traten Nordbayerische Friedensinitiativen und Initiativen gegen die WAW auf. Zur Teilnahme hatten neben dem "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" das "Zentrale Ostermarschbüro in Frankfurt", der Bund Naturschutz, Gliederungen von SPD und Grünen, zahlreiche Friedensund WAW-Initiativen sowie linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppierungen aufgerufen. Neben der fest organisierten Großveranstaltung fanden auch "direkte Aktionen" am Baugelände statt. Zu Einzelaktionen dieser Art rief das "autonom unabhängige" Spektrum durch Flugblätter und in einschlägigen Publikationen auf. Im Zusammenhang mit der überwiegend friedlich verlaufenen Großdemonstration kam es in den Tagen und Stunden zuvor am Baugelände der WAW immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen durch unterschiedlich starke, teilweise bis zu 500 Personen umfassende militante Gruppierungen, die ihre Angriffe gegen den Bauzaun um das Gelände der WAW sowie gegen die Polizei und deren Fahrzeuge richteten. Durch Steinwürfe, Verschießen von Stahlkugeln und Eisenmuttern, Zerstören von Zaunteilen, Zerschneiden und Verstecken von Autoreifen und Benzinschläuchen an einer Tankstelle, Errichten von Straßenund Bahnsperren, Ansägen von Strommasten u.a. entstanden Sachschäden in beträchtlicher Höhe. Insgesamt wurden 24 Polizeibeamte verletzt. Bei der Durchsuchung von Zeltlagern und Übernachtungsplätzen in der Nähe des Baugeländes stellte die Polizei Werkzeuge wie Bolzenschneider, Sägen, Drahtscheren und Feilen sowie Molotowcocktails, Chemikalien, Krähenfüße, Feuerwerkskörper und andere waffenähnliche Gegenstände sicher. Insgesamt wurden 367 Personen vorläufig festgenommen,, davon 116 aus Bayern und darunter wiederum 17 Personen aus der Oberpfalz. Einige der Festgenommenen aus Bayern sind als Anhänger der undogmatischen Neuen Linken bekannt. 91 Demonstranten schützen Demonstranten Gemeinsam gegen die WAA Alle Aktivitäten gegen die geplante WAA in Wackersdorf sollen - getreu der bayrischen Linie, jeden Widerstand bereits im Keim zu ersticken - mit aller Härte (Verhaftungen, Verletzungen, Kriminalisierung Einzelner WAA-Gegner) unterbunden werden. Wir alle müssen darauf reagieren und notwendige Konsequenzen aus unseren Erfahrungen ziehen 1 Der Widerstand muß effektiver werden Wir müssen in Zukunft noch enger Zusammenarbeiten. Dazu gehört t - s"sc"yis$im5s mrtmtßii . Bei Wald s p a z i e r gängea uae aaee**" Atetivi$"fc*it geueiBsaa von den Sawasipunkte" {Rotes K**sz, frmmtvkmm&tmtiy " weggehen und zuaaanaeableibeal " - DES JEWEILIGE!" AKTI01JS01T SICHT ' v i K U S U P , WEHS M*$SVf miizti AUFZIEHT Eng 2üsamaenS^tli"8"tt., tat "" Üb#K$riff" d*r 't">li<*i vma gezieltes i"r"us,gifeif en Eiwseln".* "tt yerfetiaa"*"! * - WER SICHT SKI3ST AKTIV "BASRA BlUt sollte äwrch seine Aaweseakelt *ra Akttentoee Aktivist"" *"fca"z"a! .;** '*.*'*. ^ Die Polizei ist beauftragt, das konstruierte Bild der "gewalttätigen, auswärtigen Chaoten" und der "braven Oberpfälzer" aufrechtzuerhalten. Machen wir den Verantwortlichen einen Strich durch die Rechnung ! Handeln wir gemeinsamI Demonstranten schützen Demonstranten 92 Das "Widerstandscamp gegen die WAA" vom 17. bis 20. Mai wurde mit einer Demonstration am 17. Mai in Erlangen eröffnet. Der Aufzug richtete sich "Gegen Siemens/KWU und WAA". Es beteiligten sich etwa 4.000 Personen, darunter etwa 800 "Autonome". Während des Aufzuges kam es zu Sachbeschädigungen; größere Ausschreitungen konnte die Polizei verhindern. Nach der Schlußkundgebung reiste der Großteil der militanten Demonstrationsteilnehmer zu einem Zeltlager von Kernkraftgegnern nach Wackersdorf. Im Rahmen dieses "Widerstandscamps" kam es während der Pfingstfeiertage zu den bisher schwersten Ausschreitungen im Bereich des WAW-Geländes. Bereits am Abend des 17. Mai stoppten vermummte Täter einen Eilzug an einer nahegelegenen Bahnstrecke, drangen in einen Waggon ein, zogen die Notbremse und zertrümmerten Scheiben. In der Nacht zum 18. Mai wurden ein Güterzug zum Anhalten gezwungen, der Lokführer bedroht und zahlreiche Bahneinrichtungen beschädigt. Gleichzeitig griffen rund 500 militante Störer die am Zaun der WAW eingesetzten Polizeikräfte mit Steinund Stahlschleudern sowie Molotowcocktails an. Am 18. Mai eskalierten die Ausschreitungen, als rund 1.000 militante Störer die Sicherheitskräfte am WAW-Gelände mit Stahlkugeln und Feuerwerkskörpern beschossen, Steine und Molotowcocktails warfen, ein Einsatzfahrzeug der Polizei in Brand setzten und an mehreren Stellen den Bauzaun durchsägten. In der Nacht zum 19. Mai setzten einige hundert Gewalttäter, die Steine warfen und Stahlkugeln verschossen, ihre Angriffe fort. Ihr Versuch, mit einem entwendeten Bagger den Sicherheitszaun einzureißen, wurde von der Polizei unterbunden; daraufhin warfen sie einen Molotowcocktail auf das Baufahrzeug. Am Nachmittag des 19. Mai kam es erneut zu schweren Gewalttaten am WAWGelände, wo etwa 1.000 brutale Gewalttäter aus einer Menge von rund 10.000 Personen heraus die eingesetzten Polizeikräfte mit Stahlkugeln beschossen sowie mit Steinen und Molotowcocktails bewarfen. Vermummte Störer griffen im Außenbereich des WAW-Geländes eine Polizeistreife an und setzten zwei Dienstfahrzeuge in Brand. Erst durch Einsatz von Reizstoffwurfkörpern aus Hubschraubern konnten die Gewalttäter zurückgedrängt und rund 30 massiv attackierte Beamte in Sicherheit gebracht werden. Zur Unterbindung weiterer Ausschreitungen räumte die Polizei am 20. Mai das "Widerstandscamp", dessen Teilnehmern ein Großteil der am WAW-Gelände verübten Gewalttaten zuzurechnen war. Die Beamten fanden dabei Molotowcocktails, Leuchtpatronen und Wurfgeschosse und nahmen rund 190 im Zeltlager angetroffene Personen zur Identifizierung vorübergehend fest. Am späten Abend versammelten sich in Schwandorf rund 250 Personen vor dem Gebäude der Polizeiinspektion. Sie protestierten mit Sprechchören gegen die Polizeieinsätze in Wackersdorf und warfen mit Flaschen und Steinen mehrere Fensterscheiben und Türverglasungen des Dienstgebäudes ein. Zur Teilnahme am "Widerstandscamp" hatten neben zahlreichen Bürgerinitiativen auch das Süddeutsche Autonomenplenum, der Info-Laden München und das Info-Büro "Freies Wackerland" aufgerufen. Aufrufe enthielt auch die "taz". Radio Dreyeckland sendete ebenfalls Beiträge. Insgesamt wurden während der Pfingstfeiertage 187 Polizeibeämte verletzt und 201 Personen festgenommen. 93 An den Protestaktionen am 7. Juni in Brokdorf gegen die Inbetriebnahme des dortigen Kernkraftwerkes Brokdorf (etwa 40.000 Teilnehmer) und gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage (fast 15.000 Personen) beteiligten sich auch Linksextremisten aller Richtungen, insbesondere aber militante Gruppierungen der undogmatischen Neuen Linken, Mitglieder von K-Gruppen und orthodoxe Kommunisten. Militante "Autonome" hatten ihre Anhänger mit Parolen wie "Kampf dem Staat", "Kampf der Atommafia", "Radikal ge,gen Staat und Kapital", "Den Stein in der Hand, die Faust geballt -- Gegen die Schweine hilft nur Gewalt" zum "Widerstand" aufgerufen. In ihren Erklärungen machten sie deutlich, daß es ihnen nicht darum gehe, "irgendwelche Bäume" zu retten, sondern "konkrete Ansatzpunkte" zum Kampf "gegen das kapitalistische System in seiner Gesamtheit" zu finden. In Brokdorf griffen während einer Kundgebung in der Nähe des Reaktorgeländes etwa 1.500 Militante die Polizei an; 60 Beamte wurden verletzt, mehr als 100 Straftäter wurden festgenommen. Schon bei der Anfahrt war es zu zahlreichen gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Auch in Wackersdorf, wo sich trotz eines gerichtlich bestätigten Demonstrationsverbotes nahezu 15.000 AKW-Gegner eingefunden hatten, kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. Militante Störer griffen Polizeibeamte und Wasserwerfer mit Molotowcocktails, Steinen, Flaschen und mit aus Steinschleudern geschossenen Stahlkugeln an. Vermummte Störer gingen mit Baumstämmen und Eisenstäben gegen den Bauzaun vor. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein. 35 Polizeibeamte wurden verletzt. 54 Störer wurden festgenommen. An den "Blockadeund Aktionstagen" gegen die WAW vom 15. bis 19. Oktober, zu denen örtliche Bürgerinitiativen und "Autonome" aufgerufen hatten, beteiligten sich rund 1.000 Personen, vorwiegend Anhänger "autonomer" Gruppierungen. Die Aktionen begannen in der Nacht zum 16. Oktober mit der Zerstörung von Stromleitungen und mit Sachbeschädigungen an Strecken der Bundesbahn in der Nähe des Baugeländes. Auf den Straßen im Raum Schwandorf/Burglengenfeld kam es zu 55 Blockadeversuchen durch brennende Autoreifen und auf die Fahrbahn gezogene Baumstämme. Mindestens 12 Strommasten wurden beschädigt. "Bummelblockaden" (absichtlich langsam fahrende Pkw und Radfahrer) führten wiederholt zu Verkehrsbehinderungen. Die Polizei nahm 505 Personen vorläufig fest. Davon hatten 123 Personen ihren Wohnsitz in Bayern. Von diesem Personenkreis sind 31 Personen als Mitglieder und Anhänger linksextremer und linksextrem beeinflußter Gruppierungen bekannt. Militante Kernkraftgegner, insbesonder Anhänger der autonomen Szene, werteten die "Aktionen" während der Blockadetage als "erfolgreichen Probelauf" von "neuen Formen des Widerstandes". Die Blockadetage seien ein erster Schritt gewesen, nicht nur am Bauzaun zu demonstrieren, sondern die "Infrastruktur der WAA" in der Region insgesamt anzugreifen. An der bundesweiten Großdemonstration der "Anti-AKW-Bewegung" am 8. November in Hanau nahmen aus dem autonomen militanten Spektrum etwa 2.500 Personen teil, darunter etwa 150 aus dem autonomen Bereich in Bayern. Eine Sprecherin der "Autonomen" erklärte bei der Kundgebung vor rund 12.000 Teilnehmern, "Strommasten der Atom-Mafia zu kippen", sei ein legitimes Mittel des Widerstandes. "Von herrschenden Gesetzen lassen wir uns 94 nicht die Widerstandsformen vorschreiben; das staatliche Gewaltmonopol akzeptieren wir niemals". Die ursprüngich für den 28. bis 30. November in Regensburg vorgesehene Bundeskonferenz (Buko) der "Anti-AKW-Bewegung" hatte die Stadt Regensburg verboten, weil in einem hierzu verbreiteten Vorbereitungspapier ("Reader") zu strafbaren Handlungen aufgerufen wurde. Das Verwaltungsgericht Regensburg und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigten das Versammlungsverbot. Gruppen der "Anti-AKW-Bewegung", darunter auch "Autonome", hatten bundesweit mit Flugblättern für den 14. Dezember zu einem "Waldspaziergang" um das Gelände der in Erlangen ansässigen Kraftwerks-Union (KWU) aufgerufen. Die "Grüne Liste Erlangen" meldete für den gleichen Zeitpunkt in unmittelbarer Nähe der KWU eine Kundgebung an. Wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere wegen zu erwartender gewalttätiger Ausschreitungen, verbot die Stadt Erlangen die geplante Versammlung und den "Spaziergang". Das Verwaltungsgericht Ansbach und der Bayer. Verwaltungsgerichtshof bestätigten das Verbot. Unter der Überschrift "Es muß verschärft weitergehen!" riefen "Oberpfälzer Autonome" in einem Flugblatt dazu auf, sich an Weihnachten und Silvester in Wackersdorf einzufinden und den mit dem Motto "Kein falscher Weihnachtsfrieden!" angekündigten Aktionen der Protestbewegung gegen die WAW einen "radikalen Inhalt" zu geben. Nach einer Kundgebung in Wackersdorf am 26. Dezember versuchten mehrere hundert Personen, unter Verstoß gegen ein behördlich" verfügtes Versammlungsverbot geschlossen zum Bauzaun der WAW abzuwandern. Die Polizei löste den Zug auf. Am Spätnachmittag drangen über 2.000 Personen durch den Wald zum Bauzaun vor. Aus dem Schutz dieser Menschenmenge heraus wurden eingesetzte Polizeikräfte von rund 50 vermummten Personen mit Steinen beworfen und mit Stahlkugeln beschossen. Die Polizei rcahm rund 40 militante Störer vorübergehend fest. Auch in der Silvesternacht griffen gewaltbereite Kernkraftgegner die Polizei am WAW-Gelände mit Steinen und Feuerwerkskörpem an. Sie beschossen ein Dienstfahrzeug mit Schleudern, beschädigten ein Tor des Bauzauns und errichteten mehrere Baumsperren. 19 Straftäter wurden vorläufig festgenommen. 4.4 Politisch motivierte Gewaltaktionen Im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) standen 1986 zahlreiche politisch motivierte Gewaltaktionen, die im Abschnitt 4 unter Nr. 4 dargestellt sind. Allein in Bayern wurden 50 Brandanschläge, über 40 Anschläge auf Hochspannungsmasten sowie 48 Anschläge auf Einrichtungen der Deutschen Bundesbahn verübt. Die Gesamtbilanz der militanten Aktionen, die vielfach mit äußerster Brutalität geführt wurden, ist erschreckend: -- Seit dem Beginn der Rodungsarbeiten am 11. Dezember 1985 wurden 376 Polizeibeamte verletzt; 6 Beamte mußten stationär behandelt werden, 2 Beamte trugen Dauerschäden davon. Ein Beamter hat bei einem Hubschrau95 bereinsatz, der durch einen Angriff militanter Kernkraftgegner ausgelöst worden war, den Tod gefunden. -- Der finanzielle Gesamtaufwand, der dem Freistaat Bayern durch die erforderlichen Polizeieinsätze und zusätzliche Beschaffungskosten für die Polizei entstanden ist, beträgt bisher etwa 46 Millionen DM. -- Der Betreibergesellschaft sind durch Reparaturen und zusätzliche Sicherung des Baugeländes im Vorfeld (Rodung eines breiteren Sicherheitsstreifens) sowie durch behinderungsbedingte Arbeitserschwemisse Zusatzkosten in Höhe von rund 25 Millionen DM entstanden. -- Verschiedenen Baufirmen, die an der Errichtung der WAW beteiligt sind, entstand durch Brandund Sprengstoffanschläge sowie durch Sachbeschädigungen größeren Ausmaßes ein Schaden von mehr als 7 Millionen DM. Im Bereich der bayerischen Elektrizitätsversorgung beziffert sich der bisher bekannte Gesamtschaden 1986 auf etwa 2 Millionen DM. 5. Linksextremer Einfluß auf die "Friedensbewegung" 5.1 Allgemeines Seit Jahren versuchen Linksextremisten, mit Kampagnen "für Frieden und Abrüstung" eine Massenbasis für ihre weitergehenden verfassungsfeindlichen Ziele zu gewinnen. Zu diesem Zweck rufen kommunistische und kommunistisch beeinflußte Organisationen Initiativen, Komitees und sonstige Vereinigungen ins Leben und beteiligen sich aktiv an bereits bestehenden nicht-extremistischen Gruppierungen und Initiativen, die die Sehnsucht der Menschen nach Frieden in den verschiedensten Lebensbereichen zum Ausdruck bringen wollen. Nach wie vor bilden die Linksextremisten innerhalb der "Friedensbewegung" zahlenmäßig eine Minderheit. Der kommunistische Einfluß auf die "Bewegung" geht andererseits aber weit über seinen zahlenmäßigen Anteil hinaus, weil er wesentlich von der Intensität der Propaganda und dem Engagement innerhalb der unterschiedlichen Gruppen abhängt. Trotz verstärkter Aktivitäten im "Friedenskampf" gelang es den kommunistischen Gruppierungen jedoch auch 1986 nicht, ihren Einfluß auf die "Friedensbewegung" weiter auszubauen. Die "Friedensbewegung" ist keine homogene "Bewegung". Sie besteht vielmehr aus einer Vielzahl von Gruppierungen, die sich in ihrer ideologischen Einstellung, in ihrer Organisation, in Taktik und Zielsetzung und vor allem in ihrer Haltung zur Frage der Gewaltanwendung nicht nur unterscheiden, sondern teilweise sogar konträr gegenüberstehen. Nach diesen Merkmalen können die Gruppierungen der "Friedensbewegung" unter Berücksichtigung des linksextremen Einflusses in zwei große Lager zusammengefaßt werden, und zwar in den "traditionellen" und den "autonomen/unabhängigen" Flügel, die sich 1986 wegen unterschiedlicher Aktionskonzepte nur partiell unterstützten. Trotz ihrer unterschiedlichen Positionen beschlossen die Vertreter beider Gruppierungen auf der "Aktionskonferenz" am 1./2. Februar 1986 in Bonn eine "Friedenskampagne '86", die neben der bundesweiten Großdemonstration am 11. Oktober am Stationierungsort der Cruise Missiles in Hasselbach, RheinHunsrück-Kreis, auch Aktionen des "Zivilen Ungehorsams" umfaßte. 96 Gemeinsame Aktionen des gesamten Friedensspektrums waren bei einzelnen Auftaktkundgebungen zum "Ostermarsch", bei der Großdemonstration in Hasselbach und bei den Blockadeaktionen am 20./21. November feststellbar. Eine verstärkte Zusammenarbeit zeichnete sich 1986 zwischen Gruppen der "Friedensbewegung" und der "Anti-AKW-Bewegung" ab. So fand die Abschlußkundgebung zu den "Ostermärschen" in Bayern als gemeinsame Protestaktion von "Friedensbewegung" und Anti-WAA-Bewegung" am 31. März in der Nähe der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW) statt. Dem hierfür gebildeten "Koordinierungsausschuß" gehörten Angehörige der beiden "Bewegungen" an. Die Resonanz dieser Veranstaltung veranlaßte den "Koordinierungsausschuß" zu einer Fortsetzung der Zusammenarbeit, die in einer gemeinsamen Stafette von Wackersdorf nach Hasselbach vom 29. September bis 11. Oktober ihren Ausdruck fand. Diese Aktion sollte auch dazu beitragen, die Themen der "Friedensbewegung" mit den Themen der "Umweltbewegung" zu verknüpfen und der Bevölkerung näher zu bringen. Der traditionelle Flügel, dessen Organisatoren vielfach orthodox-kommunistische Positionen vertreten, war mit etwa 100.000 ständigen Anhängern im Bundesgebiet wie in den Vorjahren der zahlenmäßig stärkste Block. Er besteht im wesentlichen aus der DKP, ihren Nebenund beeinflußten Organisationen und dem größten Teil der linksextrem beeinflußten "Friedensinitiativen". Hauptträger der linksextremen Aktivitäten innerhalb der "Friedensbewegung" insgesamt waren nach wie vor die DKP, ihre Nebenorganisationen SDAJ, MSB Spartakus und JP sowie die von ihr beeinflußten Organisationen, insbesondere KFAZ, DFU, DFG-VK und WN-BdA. Die Aktionen der orthodoxen Kommunisten waren Teil einer von der KPdSU weltweit betriebenen Kampagne, bei der der sowjetisch gelenkte Weltfriedensrat (WFR) eine zentrale Rolle einnimmt. Dem WFR gehören Personen und Organisationen aus mehr als 130 Ländern an. Aus der Bundesrepublik Deutschland sind dies die DFU und die WN-BdA als kollektive Mitglieder sowie verschiedene Einzelpersonen wie z.B. das DKPPräsidiumsmitglied und Mitglied des KFAZ-Büros Martha Buschmann, die 1983 in den Kreis der Vizepräsidenten des WFR gewählt wurde, und der ehemalige Bundesvorsitzende der DFG-VK und Mitglied des KFAZ-Büros Klaus Mannhardt. Auf der Tagung des WFR Anfang April in Sofia, an der rund 500 Delegierte aus 21 Ländern teilnahmen, standen die Fragen der weiteren peeinflussung und Mobilisierung der Weltfriedensbewegung sowie die Ergänzung des Aktionsprogrammes des WFR im Mittelpunkt der Beratungen. Danach sieht der WFR die Beseitigung aller nuklearen und anderen Massenvernichtungsmittel als eine lebenswichtige und dringende Aufgabe der Menschheit, die in den kommenden Jahren die Tätigkeit aller Friedenskräfte bestimmen werde. Die USA sollten die dem SDI-Programm dienenden Kernwaffentests einstellen und sich einem Moratorium für Kernexplosionen anschließen. Auch der auf Initiative des WFR vom 15. bis 19. Oktober in Kopenhagen durchgeführte "Weltkongreß zum Internationalen Jahr des Friedens" mit rund 2.400 Teilnehmern aus 130 Ländern erklärte in einem "Appell" die "Einstellung aller Kernwaffenversuche" und die "Verhinderung einer Militarisierung des Weltraums" zu den "gegenwärtig wichtigsten gemeinsamen Zielen der Friedensbewegung". 97 Aufgrund straffer Organisation und Parteidisziplin, ausreichender finanzieller Mittel und einer jahrelangen Erfahrung im Organisieren auch von Großveranstaltungen ist die DKP mit ihrem Umfeld jederzeit in der Lage, gemäß de'n von der KPdSU vorgegebenen Leitlinien Großaktionen zu planen und durchzuführen sowie Teilnehmer an Aktionen zu mobilisieren. Auch 1986 sah das DKPSpektrum in der Mobilisierung zu Massenaktionen wie Aufmärschen, Kundgebungen und Demonstrationen die wirksamste Waffe im "Friedenskampf" und setzte dabei auf eine qualitative Verbreiterung der "Friedensbewegung" durch verstärkte Einbeziehung demokratischer und kirchlicher Gruppen. Gewaltsame Ausschreitungen wurden tunlichst vermieden. In Einzelfällen distanzierte sich der traditionelle Flügel sogar von Gewaltaktionen, die von militanten Gruppen ausgingen (z.B. im Zusammenhang mit dem Ostermarsch in Wackersdorf). Der Protest des orthodox-kommunistisch orientierten traditionellen Flügels der "Friedensbewegung" richtete sich 1986 im wesentlichen gegen die "Militarisierung des Weltraums", gegen die "Stationierung von Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland" und gegen die "Atomtests der USA". Deutlich abgesetzt von diesem Spektrum agitierte der autonome/unabhängige Flügel, der sich aus anarchistischen "Gewaltfreien Aktionsgruppen", "AntiNATO"und "Anti-Kriegs"-Gruppen der undogmatischen Neuen Linken, radikal-pazifistischen Initiativen, Gruppen der Umweltschutzbewegung, DritteWelt-Komitees, den Grünen, christlich orientierten und nicht-extremistischen "Friedensinitiativen" zusammensetzt. Dieser Flügel ist zum Teil im "Bundeskongreß unabhängiger Friedensgruppen" (BUF) organisiert und umfaßt im Bundesgebiet etwa 10.000 ständige Anhänger. Das Mobilisierungspotential bleibt merklich hinter dem des traditionellen Flügels zurück und übersteigt derzeit die Zahl der ständigen Anhänger nicht wesentlich. Ideologische Gemeinsamkeiten innerhalb des autonomen/unabhängigen Flügels waren kaum erkennbar. Ebenso fehlte eine einheitliche organisatorische Führung. Die "Autonom/Unabhängigen" waren weder gewillt noch in der Lage, Massenaktionen selbst durchzuführen. Sie setzten auf Aktionen des "Zivilen Ungehorsams", d.h. "die bewußte Mißachtung staatlicher Maßnahmen, Gesetze und Verordnungen". Diese nach ihrer Aussage "gewaltfreie Kampfform" äußert sich z.B. in "NichtZusammenarbeit mit den Herrschenden (Verweigerung, Streik) und direkten Aktionen (Besetzung, Blockaden, Sabotagen)". Die "Autonom/Unabhängigen" bauten das in den Vorjahren entwickelte "Anti-NATO"-Konzept weiter aus. Sie forderten erneut den Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO. Die am 15. April 1984 in Frankfurt a.M. gegründete bundesweite Initiative "Kein Frieden mit der NATO -- Raus aus der NATO", in der vor allem Mitglieder und Anhänger der Neuen Linken mitarbeiten, ist neben den in der BUF organisierten Friedensgruppen maßgeblich an den "Anti-NATO"-Aktivitäten beteiligt. Ein auf Initiative der BUF gebildeter "Koordinationskreis Kongreß", dem u.a. die orthodox-kommunistisch beeinflußte "Friedensliste" und Gruppierungen der Neuen Linken angehörten, veranstaltete am 12./13. April in Köln einen Kongreß zu dem Thema "Frieden mit der NATO?". Im Plenum und in Arbeitsgruppen erörterten die Teilnehmer Fragen, die sich für die "Friedensbewegung mit der Existenz und der Politik der NATO als einem offensiven Militärbündnis und seiner aggressiven Zielsetzung gen Osten verbinden". 98 5.2 Agitationsund Aktionsschwerpunkte Erster Aktionshöhepunkt in der "Friedenskampagne '86" waren die "Ostermärsche" vom 28. bis 31. März, an denen sich bundesweit rund 120.000 (1985: 130.000) Personen beteiligten. Im Mittelpunkt der Aktivitäten standen die Forderungen nach Beendigung des Wettrüstens und Verzicht auf eine Beteiligung am SDI-Projekt der USA. Einen besonderen Schwerpunkt bildete in Bayern der Protest gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAW). Bei den Vorbereitungen der "Ostermärsche" konnten die DKP und ihr Umfeld, wie in den Vorjahren, wichtige Positionen in den Organisationsgremien besetzen und durch frühzeitige Mobilisierung ihrer Anhänger zum Teil entscheidenden Einfluß auf den Inhalt zentraler "Ostermarschaufrufe" nehmen. Bundesweite "Informationsstelle zum Ostermarsch '86" war in der Vorbereitungsphase die DFU-Landesgeschäftsstelle in Hessen. An den "Ostermärschen" in Bayern nahmen insgesamt 40.000 Personen teil. Dem Aufruf zur Teilnahme am "Ostermarsch" in München "Schluß mit dem Rüstungswahnsinn! Keine Beteiligung an der Weltraumrüstung! Keine Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf oder anderswo!" folgten am 30. März etwa 4.000 Personen. Zum Aufruferund Unterstützerkreis gehörten U:a. die DKP und ihre Nebenorganisationen SDAJ, MSB Spartakus und JP, die DKP-beeinflußten Organisationen WN-BdA, DFG-VK, BIFA, DFI und Münchner Friedensforum sowie die linksextrem beeinflußten Vereinigten Münchner Friedensinitiativen (VMF) und zahlreiche Münchner Stadtteilfriedensinitiativen. Am 31. März fanden in mehreren bayerischen Städten Auftaktkundgebungen für die Großdemonstration in Wackersdorf statt. In Nürnberg versammelten sich hierzu etwa 1.500 Personen, die sich bis zur Abfahrt der Sonderzüge nach Wackersdorf auf rund 3.000 verstärkten. Unter den Teilnehmern in Nürnberg befanden sich Mitglieder und Anhänger des orthodox-kommunistischen Spektrums wie der DKP, SDAJ, JP, DFU und DFG-VK, ferner Anhänger von Gruppierungen der Neuen Linken wie MLPD, AB, KPD und GIM sowie extremistischer Ausländergruppen. Für die Vorbereitung des Nürnberger "Ostermarsches" war das orthodox-kommunistisch beeinflußte "Nürnberger Friedensforum" verantwortlich. Weitere lokale und regionale "Ostermarschaktivitäten" fanden in Ansbach, Aschaffenburg, Augsburg, Bayreuth, Erding, Erlangen, Fürth, Hof, Ingolstadt, Landshut, Lohr am Main, Miesbach, Mindelheim, Penzberg, Regensburg, Rothensand/Lkr. Bamberg, Schweinfurt, Traunstein, Ulm/Neu-Ulm, Untersdorf/ Lkr. Nürnberger Land und Würzburg statt. Träger der Veranstaltungen waren örtliche oder regionale "Friedensinitiativen", die vielfach Bezüge zur DKP oder ihrem Umfeld aufwiesen oder von linksextremen Gruppierungen unterstützt wurden. Bei mehreren Veranstaltungen traten als Anmelder, Versammlungsleiter oder Redner DKP-Funktionäre oder Funktionäre DKP-beeinflußter Organisationen auf. An der zentralen Abschlußkundgebung in unmittelbarer Nähe des Baugeländes der geplanten WAW, die unter dem Motto "Auf der Erde abrüsten -- Nein zur WAA -- Keine Waffen in den Weltraum" stand, beteiligten sich am 31. März rund 30.000 Personen. Der hierfür gebildete "Koordinierungsausschuß zur Vorbereitung der Ostermarsch-Abschlußkundgebung in Wackersdorf" stand unter maßgeblichem orthodox-kommunistischem Einfluß. Die Demonstration selbst, 99 an der sich auch Gruppen aus anderen Bundesländern und aus Osterreich beteiligten, verlief überwiegend friedlich. Vor und nach der Demonstratio^ wurden jedoch von Angehörigen der undogmatischen Neuen Linken und militanten Einzelpersonen Gewaltaktionen gegen Personen und Sachen begangen. Bereits Wochen vorher war im "autonom/unabhängigen Spektrum" zu "direkten Aktionen" am Baugelände und zur Demontage des Bauzaunes" aufgerufen worden. Insgesamt wurden 367 Personen vorläufig festgenommen, davon waren 116 Personen aus Bayern und davon wiederum 17 Personen aus der Oberpfalz. Nach der militärischen Operation der USA gegen Ziele in Libyen kam es ab 15. April in mehr als 100 Städten des Bundesgebietes zu Aufzügen und Protestkundgebungen, an denen mehr als 100.000 Personen teilnahmen. Den größten Zulauf mit rund 10.000 Teilnehmern fand die Demonstration am 19. April vor der amerikanischen Botschaft in Bonn. Aufgerufen hierzu hatte der "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung", in dem auch Linksextremisten verantwortlich mitarbeiten. Die Teilnehmer, darunter orthodoxe Kommunisten, Anhänger der Neuen Linken und extremistischer Ausländerorganisationen, forderten die Beendigung der "militärischen Aggression der USA" gegen Libyen. Die Polizei beschlagnahmte Transparente, in denen die USA der "Kriegstreiberei", des "Kindermordes" und des "Staatsterrorismus" bezichtigt wurden. Auch in Bayern kam es zu mehreren Protestaktionen, an denen sich rund 8.000 Personen beteiligten. Als Veranstalter traten vielfach die DKP, DKP-beeinflußte Organisationen und "Friedensinitiativen" auf. Im Verlauf der meist friedlichen Demonstrationen wurden jedoch vereinzelt Polizeibeamte tätlich angegriffen und Knallkörper oder Farbbeutel geworfen. Auf Einladung mehrerer DKP-beeinflußter Vereinigungen fand am 13. Juli in München ein "Südbayerischer Friedensratschlag" statt, an dem sich rund 40 Personen beteiligten. Themenschwerpunkte waren die Herbstaktionen der "Friedensbewegung", insbesondere die Großdemonstration am 11. Oktober in Hasselbach/Hunsrück. Als Mobilisierungsmaßnahmen für diese Demonstration waren u.a. die Aktionen zum "Hiroshima-Tag" (6. August), zum "Antikriegstag" (I.September) und bei der "Friedenskulturwoche" Ende September in München vorgesehen. Plakatklebeaktionen und Aufrufe sollten die Mobilisierungsmaßnahmen ergänzen. Der Jahrestag des Atombombenabwurfs auf die japanische Stadt Hiroshima, der sogenannte "Hiroshima-Tag", war wiederum Anlaß zu vielfältigen Aktionen der "Friedensbewegung", in deren Mittelpunkt die Forderung nach sofortigem Atomteststopp stand. In München führte die DFG-VK am 6. August eine Vortragsveranstaltung mit rund 200 Teilnehmern zum Thema "41 Jahre radioaktive Verseuchung -- Von Hiroshima ... bis Tschernobyl" durch, die u.a. von DKP, SDAJ, DFU, WN-BdA und der "Friedensliste" unterstützt wurde. Linksextreme und linksextrem beeinflußte Organisationen wie DKP, WN-BdA und "Friedensinitiativen" nutzten aber auch den traditionellen "Antikriegstag" der Gewerkschaften am I.September zur Darstellung ihrer "friedenspolitischen" Positionen. Unter dem Motto "Gemeinsame Sicherheit statt Konfrontation -- Die neuen Chancen nutzen" führte die von der DFU gesteuerte "Krefelder Initiative" am 100 27. September in Bremen ihr 5. Forum durch. Nach Angaben in der kommunistischen Presse beteiligten sich an der Veranstaltung rund 600 Personen aus dem "gesamten Spektrum der Friedensbewegung". Neben Funktionären der DKP und anderer linksextremer Organisationen nahmen auch Vertreter "berufsbezogener Friedensinitiativen" teil. Die Teilnehmer des 5. Forums, das wiederum von der DFL) geplant und organisiert wurde, appellierten in einem Aufruf an Bundesregierung und Bundestag, zu einem Verbot aller Atomwaffentests beizutragen und die US-Regierung aufzufordern, sich dem einseitigen Moratorium der UdSSR anzuschließen. Im Rahmen dieser Veranstaltung kam insbesondere die stark gewachsene Bedeutung der "berufsbezogenen Friedensinitiativen" für den "Friedenskampf" in der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck. Hasselbach macht Mut Vom 27. bis 30. September fand in München unter dem Motto "Kultur für den Frieden" eine Veranstaltungsreihe mehrerer Münchner "Friedensinitiativen" mit Diskussionsrunden, Filmvorführungen, Theater und Musik statt, die mit einem "Friedensbasar" eröffnet wurde. Zahlreiche Organisationen, darunter DKP, DFU, WN-BdA, KFAZ, DFI und die "Friedensliste" hatten Informationsstände errichtet. Bei verschiedenen Veranstaltungen traten auch Anhänger linksextrem beeinflußter Gruppierungen auf. i Der "Gemeinsame Koordinierungsausschuß von Friedensbewegung und Bürgerinitiativen gegen WAA" führte vom 27. September bis 11. Oktober in Zusammenarbeit mit vielen örtlichen Initiativen eine Stafette "Widerstand auf Touren" von Wackersdorf nach Hasselbach zur bundesweiten Großdemonstration der "Friedensbewegung" durch, um die Themen Atomenergie und Atomwaffen zu verbinden und die Zusammenarbeit von "Friedensbewegung" und "Umweltbewegung" weiter auszubauen. In vielen "Stafettenstädten" wurden Informationsveranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen abgehalten, die vielfach von orthodox-kommunistisch beeinflußten Gruppierungen organisiert wurden. Unter der Losung "Frieden braucht Bewegung! Für eine neue Politik! Abrüsten jetzt!" versammelten sich am 11. Oktober knapp 100.000 Personen, darunter 3.500 aus Bayern, zur bundesweiten Großdemonstration der "Friedensbewe101 gung" im Hunsrück, um gegen die Stationierung von Atomraketen zu protestieren. Die Aktionen umfaßten Demonstrationszüge von Kastellaun und Hasselbach zur Cruise-Missiles-Basis, die "Umzingelung" des Stationierungsgeländes und eine Kundgebung auf dem Beller Marktplatz. Mit dieser Kundgebung bereitete der "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" erstmals seit dem "Friedensherbst 1984" wieder eine bundesweite Großdemonstration vor, die von allen Strömungen der Protestbewegung getragen wurde; über 1.000 Organisationen und Gruppen hatten zur Teilnahme aufgerufen. An der Diskussion über Inhalte und Aktionsformen der Großdemonstration waren Linksextremisten maßgeblich beteiligt. Die Durchführung der Demonstration wurde auf der "Aktionskonferenz '86 der Friedensbewegung" am 1./2. Februar in Bonn von den rund 600 Teilnehmern, darunter mehr als die Hälfte Angehörige der DKP, ihrer Nebenorganisationen und der von ihr beeinflußten Vereinigungen beschlossen. Eine mobilisierende Wirkung versprach sich der "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" von einer Unterschriftensammlung zur "Friedenserklärung", die die "5 Kölner Punkte" -- die gemeinsamen Forderungen der "Friedensbewegung" seit der Strategiekonferenz vom Juni 1985 -- enthielt und am 24. Mai, dem "1. Bundesweiten Friedensund Aktionstag", gestartet wurde. Als "Höhepunkt der Mobilisierung" war ein "2. Bundesweiter Aktionstag" am 20. September geplant, der jedoch wie der erste Aktionstag nicht die von den Veranstaltern erwartete Resonanz fand. Vom 14.,bis 16. November fand in Hamburg als Höhepunkt und Abschluß der diesjährigen "Friedenswoche an den Hochschulen" ein Internationaler Naturwissenschaftler-Friedenskongreß statt. An der Vorbereitung und Abwicklung des Kongresses waren Mitglieder der DKP, des MSB Spartakus, der DFU und des BdWi maßgeblich beteiligt. Nach Berichten in der kommunistischen Presse nahmen an dem Kongreß rund 3.700 Personen aus 23 Staaten teil. Unter den Besuchern der Eröffnungsveranstaltung befanden sich u.a. der Direktor der sowjetischen Nachrichtenagentur "Nowosti", der frühere sowjetische Botschafter in Bonn und führende Funktionäre der DKP. In 26 Arbeitsgruppen berieten die Teilnehmer über Gefahren der Rüstungsentwicklung, ökonomische Auswirkungen des Wettrüstens, wissenschaftliche und militärische Aspekte des amerikanischen SDI-Projekts und Möglichkeiten der Verifikation von Abrüstungsvereinbarungen. Von den Leitern dieser Arbeitsgruppen kamen 22 aus der Bundesrepublik Deutschland. Davon sind neun Personen als Mitglieder DKP-beeinflußter Organisationen bekannt. Im Rahmen der bundesweit propagierten "Friedenswochen '86" fanden im November in mehreren Städten friedenspolitische Aktionen statt. Unter dem Motto "Frieden schaffen ohne Waffen" rief in München ein aus 13 Gruppierungen bestehender Aufruferkreis zur Teilnahme an den vom 8. bis 23. November angebotenen Veranstaltungen auf. Dem Aufruferkreis gehörten auch die DKPbeeinflußten Organisationen DFG-VK, WN-BdA, BIFA und Münchner Friedensforum sowie die linksextrem beeinflußten Vereinigten Münchner Friedensinitiativen (VMF) an. Weitere Veranstaltungen linksextrem beeinflußter Friedensinitiativen fanden in Aschaffenburg und Erlangen statt. Auf Einladung des "Sowjetischen Friedenskomitees" reiste eine Delegation des Bonner "Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung" vom 7. bis 102 Friedenskampagne '86 Großdemonstration am 11. Okt. in Hasselbach/Hunsrück FÜR EINE NEUE POLITIK ABRÜSTEN JETZT ! 103 11. Dezember zu Gesprächen mit sowjetischen Politikern und Wissenschaftlern nach Moskau. Zu den Delegationsmitgliedern gehörten u.a. zwei "Büromitglieder" des KFAZ, ein Mitglied des Bundesvorstandes der DFG-VK und ein Vertreter der BUF. Aus Anlaß des 7. Jahrestages des NATO-Nachrüstungsbeschlusses (12.12.1979) fanden in Bayern verschiedene Aktionen statt. So veranstaltete die DKP-beeinflußte "Friedensliste", die gleichzeitig den 13. Dezember zu einem ihrer "Informationstage" erklärt hatte, am 12. und 13. Dezember in Ansbach, Aschaffenburg, Bamberg, Landshut, München und Nürnberg Mahnwachen und errichtete Informationsstände. Am 12. Dezember blockierten Anhänger des autonomen/unabhängigen Flügels der "Friedensbewegung" die WileyKaserne in Neu-Ulm und den US-Stützpunkt "Fort Steuben" bei Ritzisried, Landkreis Neu-Ulm. Die Polizei nahm mehrere Personen fest. Die BIFA führte am 12. Dezember mit Münchner "Friedensinitiativen" eine Demonstration vom Siegestor zum Friedensengel mit rund 250 Teilnehmern durch. Als Kundgebungsmittel wurden Fackeln, Plakate und Transparente mit Aufschriften wie "Atomraketen raus, Schluß mit den Atomtests", "Stoppt Reagans Kriegskurs" und "Atomtest stop" mitgeführt. 104 2. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines Der Rechtsextremismus verfügt im Gegensatz zum Linksextremismus orthodoxer Prägung nicht über ein geschlossenes theoretisches System, das über Länderund Kulturgrenzen hinweg Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. In der Bundesrepublik Deutschland sind die Bestrebungen rechtsextremer Organisationen im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß sie die Grundlagen der Demokratie ablehnen und -- aus taktischen Gründen meist nicht offen erklärt -- eine totalitäre Regierungsform unter Einschluß des Führerprinzips anstreben. Bestimmende Merkmale des Rechtsextremismus sind vor allem -- die pauschale Überbewertung der Interessen einer rassistisch verstandenen "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des einzelnen, die auf eine Aushöhlung der Grundrechte abzielt (völkischer Kollektivismus), -- ein den Gedanken der Völkerverständigung mißachtender Nationalismus, -- die offene oder verdeckte Wiederbelebung des Antisemitismus und anderer rassistischer Thesen, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprinzip nicht vereinbar sind, -- immer wiederkehrende Versuche, das NS-Regime unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen des Dritten Reiches zu rechtfertigen und dabei seine Verbrechen zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen. Hinzu kommt die allen Extremisten gemeinsame planmäßige Bekämpfung und Diffamierung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten in der Absicht, den überragenden Wert der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in den Augen der Bevölkerung zu erschüttern. Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen rechtsextremen Organisationen zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Mittel des Kampfes gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. Wie im Vorjahr verfolgten die rechtsextremen Organisationen und Gruppen keine einheitliche Strategie. Organisatorische Zersplitterung, der Mangel einer geschlossenen Ideologie sowie das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel ließen den Rechtsextremismus in Bayern keinen größeren Einfluß gewinnen. 105 Ebenso blieb der Versuch, bei Wahlen auf die politische Willensbildung de/ Bevölkerung nachhaltig einzuwirken, auch 1986 erfolglos. Im Jahre 1986 betätigten sich in Bayern 28 (1985: 30) rechtsextreme Organisationen und Gruppen mit rund 4.100 Mitgliedern bzw. Anhängern (1985: 3.900). Innerhalb des organisierten Rechtsextremismus stellten die Deutsche Volksunion (DVU) mit ihren Aktionsgemeinschaften und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) einschließlich ihrer Jugendund Studentenorganisation mit zusammen knapp 3.600 Mitgliedern in Bayern den größten Anteil. Ein Ende November initiierter Wahlverband, der eine Plattform für die gesamte "politische Rechte" darstellen will und sich inzwischen 1987 als Partei konstituiert hat, soll in Zusammenarbeit mit der NPD die Chancen des rechtsextremen Lagers bei künftigen Wahlen erhöhen. Im Bereich des organisierten Neonazismus waren zwar eine Zunahme der Aktivitäten und der Mitgliederzahlen, aber auch Spaltungstendenzen festzustellen. Ehemalige Anhänger der verbotenen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) setzten ihre Bestrebungen fort, insbesondere in der von ihnen unterwanderten Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) Vorstellungen der ANS/NA durchzusetzen! Wehrsportgruppen mit rechtsextremen Zielen traten 1986 in Bayern nicht mehr öffentlich in Erscheinung. Übersicht über Zahl und Mitgliederstärke rechtsextremer Organisationen in Bayern (Mehrfachmitgliedschaften sind durch Abzug bereits berücksichtigt) 1984 1985 1986 Anzahl der Organisationen 30 30 28 Mitgliederstärke NPD mit JN und NHB 1.350 1.400 1.470 DVU einschl. Aktionsgemeinschaften 2.000 2.000 2.100 Neonazistische Organisationen und Einzelaktivisten 150 170 240 Sonstige Organisationen 320 320 320 Insgesamt 3.820 3.890 4.130 Einen Schwerpunkt rechtsextremer Agitation bildete vor allem das Ausländerund Asylantenproblem, das inzwischen Rechtsextremisten aller Schattierungen aufgegriffen haben. Ihr maßgebliches Motiv ist dabei ihre rassistische und nationalistische Einstellung, die sich mit vorgeblich gesicherten Erfahrungen und weltanschaulichen "Erkenntnissen" gegen alles Andersgeartete und Fremde richtet. Sie versuchen, unter Ausnutzung wirtschaftlicher Existenzängste mit Warnungen vor einer "Ausländerüberflutung" fremdenfeindliche Vorurteile propagandistisch zu fördern, um dadurch breite Unterstützung für ihre weitergehenden politischen Ziele zu erreichen. Mit nationalistischen Neutralismusparolen, die oft antiamerikanische Züge trugen, versuchten Rechtsextremisten außerdem, den Gedanken eines der "Friedenssicherung" dienenden wiedervereinigten "Großdeutschlands" zu propagieren. Weitere Agitationsthemen waren wie im Vorjahr die Kriegsschuldfrage, die Judenverfolgung im Drit106 ten Reich und -- vor dem Hintergrund der Rede des Bundespräsidenten zum 8. Mai 1985 -- der "Nationalmasochismus" führender demokratischer Politiker. Die Zahl der neonazistischen und antisemitischen Vorfälle, die vielfach keinen Bezug zu einer bestimmten rechtsextremen Organisation erkennen lassen, ist gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Verringert haben sich dagegen die Kontakte bayerischer Neonazis zu Gleichgesinnten im Ausland und der Anteil des aus dem Ausland stammenden und in Bayern verbreiteten rechtsextremen Propagandamaterials. Militante Neonazis, die Gewalt nicht nur befürworten, sondern auch anwenden, stellen nach wie vor eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit dar. Von erheblicher Bedeutung war wiederum die Tätigkeit der in Bayern ansässigen organisationsunabhängigen Verlage und Vertriebsdienste, die Druckerzeugnisse rechtsextremen Inhalts in hoher Auflage herstellten und verbreiteten. Das Angebot erfaßte nicht nur organisierte Rechtsextremisten, sondern zielte auch -- wie aus seiner Quantität erkennbar -- auf sonstige Personen ab, die für rechtsextreme Vorstellungen ansprechbar sein könnten. Mit der Übernahme der bisher in Rosenheim erscheinenden Deutschen Wochen-Zeitung (DWZ) konnte der Münchener Verleger und DVU-Vorsitzende Dr. Gerhard Frey seinen publizistischen Einfluß innerhalb des rechtsextremen Spektrums erweitern. In Bayern traten 1986 im wesentlichen folgende Organisationen und Gruppen in Erscheinung: 1.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN), der Nebenorganisation Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) und der von der NPD gesteuerten Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) 1.2 Deutsche Volksunion (DVU) mit den Aktionsgemeinschaften Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) Aktion Deutsche Einheit (AKON) Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) Ehrenbund Rudel -- Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur und dem Wahlverband "Deutsche Liste" 1.3 Neonazistische Gruppen Verbotene Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) Nationalistische Front (NF) Nationalrevolutionäre (NR) Deutsche Bürgerinitiative (DBI) 107 1.4 Sonstige rechtsextreme Organisationen Deutscher Block (DB) Wiking-Jugend (WJ) Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) Freundeskreis Ulrich von Hütten Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 2.1 Ideologisch-politischer Standort Obwohl die NPD in ihrem "Düsseldorfer Programm" von 1973 betont, sie trete für die freiheitliche demokratische Grundordnung ein, lehnt sie wesentliche Prinzipien dieser Grundordnung ab. Die Unterschiede zwischen der Staatsund Gesellschaftsordnung des Grundgesetzes und den Vorstellungen der NPD beruhen vor allem auf unvereinbar gegensätzlichen Auffassungen zur Stellung des einzelnen in der Gemeinschaft und zur Stellung des Staates ihm gegenüber. In der freiheitlichen Demokratie wird dem Menschen um seiner Würde willen die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit durch den Staat gewährleistet. Im Gegensatz hierzu gibt die NPD in überindividualistischer Sicht dem Staat vor dem einzelnen den Vorrang. Dem Primat des Individuums vor dem Staat, wie er sich aus Art. 1 des Grundgesetzes ergibt, stellt sie die "Gemeinschaft des eigenen Volkes" als "Grundlage des Rechts und der Ordnung" entgegen, die Vorrang vor der Freiheit des einzelnen habe. So versteht die NPD die von ihr propagierte "Nationaldemokratie" als eine Gesellschaftsordnung, in der das Wohl des eigenen Volkes für jedermann oberstes Gebot ist. Daher fordert sie die "Hinführung des deutschen Menschen zum Bewußtsein seiner sittlichen und völkischen Verantwortung für das Ganze", und tritt für eine Politik ein, die "das Volk in den Mittelpunkt stellt und nur diesem verpflichtet ist", wobei die "Führungselite" ausschließlich "dem Staat, dem Volk und der Nation" zu dienen habe. Diese pauschale Überbewertung der "Volksgemeinschaft" im Sinne eines völkischen Kollektivismus knüpft an ein Leitbild an, das wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war. Die Absicht, Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft durch die uneingeschränkte Unterordnung des einzelnen unter nicht näher definierte Gemeinschaftsinteressen aufzuheben, ist mit den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten nicht vereinbar und verkennt, daß die Menschenrechte des einzelnen originär sind und sich nicht von einer "Volksgemeinschaft" ableiten lassen. Ferner klingen in den Veröffentlichungen der Partei nach wie vor rassistische und nationalistische Zielsetzungen und Denkweisen an. Ihre für Rechtsextremisten charakteristische Ablehnung alles Andersartigen, hinter der sich die Überzeugung von der Höherwertigkeit der eigenen Rasse und Nation verbirgt, versucht die NPD unter Berufung auf die "Vielfalt des Lebens und seiner Erscheinungen" zu rechtfertigen, wobei sie insbesondere die natürliche "Unterschiedlichkeit der Menschen" betont. Entsprechend dieser auf ihrem "lebensrichtigen Bild der Völker und Menschen" beruhenden Grundeinstellung behandelt die Partei das Ausländerund Asylantenproblem vorwiegend unter 108 SCHON Deutschland den Deutschen Hrag. HPO - PV. - Rfcieetr 4 ' 7SO0 SMtgart 1 yorantworttcti: UOQ Hoamftim PS.1.5. 109 dem Gesichtspunkt der "Überfremdung" mit der Gefahr des Untergangs des deutschen Volkes durch "Vermischung" bzw. Entwicklung zum "Vielvölkerstaat". So wandte sie sich mit der Forderung, Deutschland müsse das "Land der Deutschen" bleiben, gegen die "Masseneinwanderung" von Ausländern, die eine "schleichende Umwandlung des deutschen Volkes in eine multirassische und multikulturelle Gesellschaft" zur Folge haben werde. Insbesondere kritisierte sie das Assoziierungsabkommen mit der Türkei, das ab 1. Dezember 1986 eine "Millionen-Türken-Invasion" erwarten lasse. Darüber hinaus prognostizierte die NPD eine "deutsche Bevölkerungskatastrophe", weil der "deutsche Lebensbaum" durch den bundesweit ansteigenden Ausländeranteil zunehmend geschädigt werde. In diesem Zusammenhang erklärte sie, der "Volkstod der Deutschen" sei "nichts anderes als der von seinen Feinden schon immer gewollte und seinen unfähigen oder gar bewußt handelnden Regierenden widerstandslos zugelassene Volksmord". Der Agitation gegen Asylanten und Ausländer dienten daneben auch nationalistisch geprägte Argumente wie Hinweise auf die "Ausplünderung" bzw. "Ausbeutung unserer Steuerzahler durch Scheinund Wirtschaftsasylanten". Unter der Schlagzeile "Weniger Ausländer -- weniger Arbeitslosigkeit!" versuchte die NPD ferner, die "dem eigenen Volk gegenüber verantwortungslose Einwanderungspolitik" für die Lage am Arbeitsmarkt verantwortlich zu machen, wobei sie betonte, daß es nicht Aufgabe der Deutschen sei, in "falsch verstandener Humanität" die Arbeitsplatzund Sozialprobleme "der ganzen EG oder gar der Welt zu lösen"; vielmehr seien "deutsche Arbeitsplätze den deutschen Arbeitslosen" zur Verfügung zu stellen. Wie in den Vorjahren verzichtete die Partei fast völlig auf Versuche, das NSRegime zu rechtfertigen, und beschränkte sich im wesentlichen auf Kritik an der "Vergangenheitsbewältigung", die ausschließlich "zu Lasten unseres Volkes" gehe, während die "Verbrechen der Sieger" nahezu ausnahmslos verschwiegen würden. Daneben wandte sie sich gegen die "Umerziehungs-Tiraden" des Bundespräsidenten, der mit dem Bundeskanzler in "bewußter Einäugigkeit" darin zu wetteifern scheine, "deutsche Straftaten des Zweiten Weltkriegs hervorzuholen". Im Gegensatz zu dieser Haltung betrachte die NPD die "Besinnung auf den millionenfachen Opfergang unseres Volkes" als Voraussetzung einer "Politik für Deutschlands Zukunft". Zu den Hauptangriffszielen der Partei gehören nach wie vor die demokratischen Institutionen und ihre Repräsentanten. Damit einhergehend lehnt die NPD zugleich die bestehende staatliche Ordnung ab. So machte sie das "Bonner Parteiensystem" dafür verantwortlich, daß das Grundgesetz "zu einem Feigenblatt für Korruption, Bestechung, Schiebung, Gesetzesbrecherei, persönlicher Bereicherung und Betrug degradiert" worden sei. Den von ihr auch als "Parteienkartell" und "Übel-Parteien" diffamierten "Verzichtlern in Bonn" warf sie "nationalpolitischen Verrat" vor, da den "schwarz-roten Verfassungsverächtern" offenbar nicht bewußt sei, daß jedes Festhalten am "status quo der Nachkriegsordnung der Sieger" zugleich ein Bekenntnis zur "Souveränitätslosigkeit des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit" bedeute. Weiter behauptete die NPD, die "abgewirtschafteten Bonner Parteien" betrachteten den zur "Beute der Herrschenden" gewordenen Staat vorwiegend als "Selbstbedienungsladen zur Befriedigung des eigenen Egoismus". Das deutsche Volk wer110 de von seinen Politikern "zum Esel gemacht, dem jeder Halunke seine Säcke aufladen darf". Diese diffamierende Polemik läßt darauf schließen, daß die NPD die Prinzipien des Mehrparteiensystems und der Chancengleichheit der Parteien trotz ihres formalen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt und durch bewußte Entstellung der Verfassungswirklichkeit suggerieren will, diese Grundordnung habe sich -- am Maßstab praktischer Bewährung gemessen -- als untauglich erwiesen. Der 1982 beschlossene neutralistische Kurs der NPD sieht einen Zusammenschluß der beiden deutschen Staaten zu einer "Konföderation Deutschland" als Vorstufe zur Wiedervereinigung vor und enthält die Forderung nach dem Austritt der Bundesrepublik Deutschland und der DDR aus der NATO bzw. dem Warschauer Pakt. Dazu vertritt die NPD die Auffassung, die Verpflichtung zu diesem "Deutschen Sonderweg" ergebe sich zwingend aus der geographischen und politischen Lage Deutschlands, das friedlich nur dann wiedervereinigt werde, wenn dies der Interessenlage der Sowjetunion entspreche. Endziel seien weder Neutralität für die Bundesrepublik Deutschland noch ein neutraler Status für zwei deutsche Staaten, sondern Blockfreiheit und Neutralität für "Gesamtdeutschland". Der vom vorjährigen Bundesparteitag gebilligte Entwurf eines neuen Parteiprogramms mit dem Titel "Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft", der das bisherige "Düsseldorfer Programm" von 1973 ablösen soll, aber in Teilen der Mitgliedschaft heftig umstritten ist, wurde 1986 noch nicht verabschiedet. Seit Sommer 1986 zeichnete sich zwischen der Parteispitze und dem Münchner Verleger Dr. Gerhard Frey, der zugleich Vorsitzender der Deutschen Volksunion (DVU) ist, eine Annäherung ab, die insbesondere durch Wahlempfehlungen zugunsten der NPD in Dr. Frey's Wochenzeitungen zum Ausdruck kam. 2.2 Organisation Die am 28. November 1964 in Hannover von Funktionären der ehemaligen Deutschen Reichspartei (DRP) gegründete NPD zählte 1986 wie im Vorjahr bundesweit rund 6.100 Mitglieder. JN und NHB sind dabei nicht eingerechnet. Der Beitritt zur NPD ist mit der Verpflichtung verbunden, monatliche Beiträge zu entrichten, Satzung und Programm der NPD als verbindlich zu akzeptieren und sich zu den Zielen der Partei zu bekennen. Gegenüber dem Vorjahr haben sich keine wesentlichen organisatorischen Änderungen ergeben. Parteivorsitzender ist Martin Mußgnug, der diese Funktion seit 1971 innehat. Seine Stellvertreter sind der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern Walter Bachmann, der Generalsekretär der Partei Walter Seetzen und der Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg Jürgen Schützinger. Der Landesverband Bayern mit Sitz in München zählt etwa 1.300 Mitglieder (ohne JN und NHB). Er gliedert sich in sieben Bezirksund rund 60 Kreisverbände, von denen aber mehr als die Hälfte nicht aktiv ist. Als Organ der NPD erscheint im parteieigenen Verlag in Stuttgart die Zeitung "Deutsche Stimme" mit einer durchschnittlichen monatlichen Auflage von rund 111 Entwicklung der Mitgliederzahlen der NPD in Bayern 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 6000 5500 5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 120.000 Exemplaren (1985: 100.000). Die Bezugsgebühr ist im Mitgliedsbeitrag eingeschlossen. Zur Ergänzung des Verbandsorgans und als Argumentationshilfe für die Mitglieder gibt der Parteivorstand die Flugschrift "Neuer politischer Dienst" (früher: "NPD-aktuell") heraus. Die bisher vom Landesverband Bayern herausgegebene Schrift "Die deutschen Nationaldemokraten informieren" und das Mitteilungsblatt "Bayern-Stimme" wurden 1986 nicht mehr festgestellt. Der "NPD-Frankenspiegel" des Bezirksverbandes Mittelfranken hat nur regionale Bedeutung. Eine im Herbst 1985 in Oberitalien eröffnete Schulungsstätte, die von einem Parteivorstandsmitglied aus Moosburg a.d. Isar, Landkreis Freising, geleitet wird, soll der Heranbildung von Führungskräften dienen. Im März 1986 gründete die NPD in München den "Nationaldemokratischen Unternehmerverband -- Mittelstandsvereinigung der NPD". Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, mittelständisches Engagement bundesweit zu fördern. In ihrem im Januar 1987 veröffentlichten Rechenschaftsbericht nach dem Parteiengesetz wies die NPD für 1985 Gesamteinnahmen von rund 2,1 Millionen DM (1984: 3,7 Mio DM) aus, von denen' 26,4% (1984:14,7%) auf Mitgliedsbeiträge und 45,9 % (1984: 26,9 %) auf Spenden entfielen. Beim Landesverband Bayern sind für 1985 Gesamteinnahmen von 339.737 DM (1984: 367.866 DM) ausgewiesen, davon 18 % (1984: 17,5 %) Mitgliedsbeiträge und 72,1 % (1984: 67,3 %) Spenden. Die Lage der NPD insgesamt ist weiterhin durch anhaltende personelle und organisatorische Schwächen gekennzeichnet. Hingegen hat sich ihre finanzielle Situation seit der Europawahl 1984 durch die damalige Wahlkampfkostenerstattung zumindest auf Bundesebene stabilisiert. Nach Jahren stetigen Nieder112 rv&- I 'XSSSSSSr Begründet w Die Entlarvung der Gescliictitsffälsilier! | Deutschlands Einheit kommt bestimmt Lesen und weitergeben DEUTSCHEM STIMME 11..JahrgangNr. VEprti I M " Einzelpreis2,-DM NationaldemokratischeZeitung Auflage 146000 AusgabeE8027E WenigerAusländer-weniger Arbeitslosigkeit! gangs sieht sich die Partei wieder "deutlich im Aufwind", zumal sie in den "entscheidenden Lebensfragen unseres Volkes" eine klare Alternative zu den Parteien des "Bonner Kartells" zu bieten habe und die "einzige wahrhafte nationale Opposition" darstelle. 2.3 Aktivitäten Unter dem Motto "Deutschland muß deutsch bleiben!" hielt die NPD am 8./9. November in Willingen/Hessen ihren 20. Ordentlichen Bundesparteitag ab. Daran beteiligten sich etwa 900 Personen, darunter rund 260 Delegierte. Der Parteivorsitzende Martin Mußgnug legte in seiner Rede die Schwerpunktthemen für die Bundestagswahl 1987 fest und erklärte, die NPD stehe nach wie vor konträr zum "offiziell herrschenden", durch "nationale Würdelosigkeit" gekennzeichneten politischen Zeitgeist. Nationaldemokratische Politik orientiere sich zum einen "am Wohl unseres eigenen Volkes in der Gemeinschaft der Völker Europas und an der Sicherung der Zukunft der Deutschen", zum anderen "am Interesse des freien Bürgers in der Gemeinschaft seines Volkes". Verantwortliche Politik für die Zukunft des deutschen Volkes bedeute "in allererster Linie die Sicherung seiner völkischen Existenz". Deshalb leiste die NPD Widerstand gegen "jedwede Überfremdungspolitik" und fordere die unverzügliche Ausweisung aller abgelehnten Asylbewerber, die Einführung eines Straftatbestandes des "Asylbetruges" sowie einen "verstärkten Schutz der Familie, insbesondere der Kinder". Die "Erhaltung der Substanz des eigenen Volkes" sei auch unabdingbare Grundlage einer aktiven Deutschlandpolitik. Hier trete die NPD für einen "Deutschen Sonderweg" ein, der "unser Volk aus den Machtblöcken der Großmächte herausführen" müsse und ein wiedervereinigtes, souveränes und neutral zwischen Ost und West vermittelndes Deutschland zum Ziel habe. Die ursprünglich in der Tagesordnung vorgesehene Neufassung des Parteiprogramms wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. 113 Statt des traditionellen "Deutschlandtreffens" führte die NPD vom 14. bis 17. Juni eine "Woche der NPD" mit zahlreichen Informationsständen und sonstigen Werbeaktionen durch. Höhepunkte bildeten in Bayern die Kundgebungen zum Tag der deutschen Einheit (17. Juni) in Kaufbeuren-Neugablonz, München und Neustadt a.d.Aisch, bei denen der Bundesorganisationsleiter Hartmut Höschen, der Landesvorsitzende Walter Bachmann und der Bundesvorsitzende Martin Mußgnug vor insgesamt rund 360 Teilnehmern als Redner auftraten. Der NPD-Landesverband Bayern führte am 24725. Mai in Feucht, Landkreis Nürnberger Land, seinen 20. Ordentlichen Parteitag durch. Bei der Vorstandswahl bestätigten die Delegierten den bisherigen Landesvorsitzenden Walter Bachmann aus Regensburg in seiner Funktion. Als Stellvertreter wählten sie Karl Feitenhansl aus München, Horst Nicolaus aus Nürnberg und Manfred Theimer aus Rottendorf, Landkreis Würzburg. In seinem Rechenschaftsbericht setzte sich der Landesvorsitzende vor allem mit der "politischen Verfolgung" von NPD-Mitgliedern auseinander, die von "Verfassungsfeinden" in Parteien, Ämtern und Behörden seit Jahren unterdrückt, verfolgt, verleumdet und im Vergleich zu Mitgliedern anderer Parteien ungleich behandelt würden. Mit großer Mehrheit nahmen die Delegierten einen Initiativantrag an, in dem die bayerische NPD einen "schrittweisen Rückzug aus dem Atomprogramm" propagiert und dafür eintritt, "alle weiterführenden Atomprojekte" wie z.B. die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf sofort einzustellen und stattdessen "alternative und umweltschonende Energien stärker zu erforschen". Gegen die Durchführung des Parteitags demonstrierten am 24. Mai in Feucht rund 350 politische Gegner. Anschließend begaben sich etwa 250 Personen zum Tagungslokal der NPD und beschimpften die dort eintreffenden NPD-Mitglieder. Nach beginnenden tätlichen Ausschreitungen räumte die Polizei den Platz und nahm drei Störer vorläufig fest. Außerdem hielt die bayerische NPD in Landshut, München und Nürnberg Versammlungen aus Anlaß des Tages der Reichsgründung (18. Januar 1871) ab. Bei den Veranstaltungen in Landshut und München betonte der Parteivorsitzende Martin Mußgnug, daß die Deutschen in der DDR ihre nationale Identität bewahrten und ihre Kultur pflegten, während sich die westdeutsche Bevölkerung immer mehr zu einer kulturund geschichtslosen Masse entwickle. Ferner warnte er vor einer "Überfremdung" der Bundesrepublik Deutschland durch türkische Gastarbeiter, wobei er im Interesse beider Völker einen sofortigen Ausländerstopp sowie die Aufkündigung des Assoziierungsabkommens mit der Türkei forderte. Auf dem alljährlichen "Politischen Aschermittwoch" der NPD am 12. Februar in Vilshofen, Landkreis Passau, richtete der Landesvorsitzende Walter Bachmann vor rund 150 Besuchern scharfe Angriffe gegen den "schwarz-roten Filz und Korruptionssumpf" in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Situation der gewerkschaftseigenen "Neuen Heimat" erklärte er, die DGB^Spitzenfunktionäre verdienten für ihre "unternehmerische Unfähigkeit" als Aufsichtsräte der "teuren" Heimat das "Bundes-Nebenverdienstkreuz". Des weiteren kritisierte der Redner die "Schmarotzermentalität" von Asylbewerbern. 114 Ferner trat die bayerische NPD mit einigen Kundgebungen am 1. Mai, einer Sonnwendfeier am 21. Juni und zwei Aktionen zum Jahrestag des Baues der Berliner Mauer (13. August 1961) an die Öffentlichkeit. Davon abgesehen standen die Aktivitäten der Partei vorwiegend im Zeichen der anstehenden Landtagsund Bundestagswahl. 2.4 Wahlbeteiligung Die NPD kandidierte bei der Landtagswahl in Bayern am 12. Oktober in allen sieben Wahlkreisen mit insgesamt 185 Wahlkreisbewerbern (1982:170), von denen sich außerdem 103 (1982: 105) in den Stimmkreisen als Direktkandidaten zur Wahl stellten. Lediglich in den Stimmkreisen 127 (Neuburg-Schrobenhausen) und 304 (Nabburg) konnte sie keine Kandidaten nominieren. Zentrale Wahlkampfthemen waren die Arbeitslosigkeit, die Situation der Landwirte, das Assoziierungsabkommen mit der Türkei und das Asylantenproblem. Damit versuchte die NPD, sich den Wählern als Garantin einer "Wende zum Besseren" zu empfehlen, die das "Volk" in den Mittelpunkt stelle und "nur diesem verpflichtet" sei. Ferner verwies sie auf die parlamentarische Präsenz der rechtsextremen "Front National" (FN) in Frankreich, die zu einer Änderung der dortigen Ausländergesetze aus Furcht vor weiteren Wahlerfolgen der FN geführt habe, und appellierte an die "nationalen Wähler", sich nicht mit der Wahl des "kleineren Übels" um jeden politischen Einfluß bringen zu lassen, sondern mit der Wahlentscheidung für die NPD eine "neue Politik für deutsche Interessen" zu ermöglichen. In der Endphase des Wahlkampfes errichtete die NPD zahlreiche Informationsstände; außerdem führte sie rund 50 öffentliche Veranstaltungen durch, bei denen Spitzenfunktionäre wie der Bundesvorsitzende Martin Mußgnug sowie dessen Stellvertreter Walter Bachmann und Jürgen Schützinger als Redner auftraten. Dennoch fanden sich zu diesen Versammlungen durchschnittlich nur rund 40 Zuhörer ein. Obwohl der Wahlkampf der Partei auch von Teilen der organisationsunabhängigen rechtsextremen Publizistik unterstützt wurde, gelang es der bayerischen NPD nicht, an ihr Wahlergebnis von 1982 anzuknüpfen. Mit 58.165 Gesamtstimmen (1982: 69.656) erzielte sie lediglich einen Stimmenanteil von 0,5 Prozent (1982: 0,6 Prozent). Damit mußte sie gegenüber 1982 deutliche Verluste hinnehmen. Die höchsten Stimmenanteile erreichte sie in den Stimmkreisen Kitzingen und Kaufbeuren mit jeweils 1,4 Prozent. Zum Wahlausgang erklärte die NPD, das Ergebnis habe die Erwartungen der Partei nicht erfüllt, obwohl es zeige, daß die "veralteten und verkrusteten Parteienstrukturen" aufzubrechen begännen und rechts von der CSU "ein neues Wählerpotential entstanden" sei. Dennoch sei es nicht gelungen, aus den Kreisen der von der "Bonner Wende" Enttäuschten Stimmengewinne zu erzielen. Auch die geringe Wahlbeteiligung und die Kandidatur der Republikaner hätten sich für die NPD nachteilig ausgewirkt. Ermutigend sei immerhin, daß es auch außerhalb der NPD "echte Patrioten" wie den Münchner Verleger Dr. Frey gebe, dessen "nationale Presse" zur Wahl der NPD aufgerufen habe. An der Wahl zum 11. Deutschen Bundestag am 25. Januar 1987 beteiligte sich die NPD mit zehn Landeslisten sowie mit Direktkandidaten in 172 (1983: 105) Wahlkreisen. In den übrigen 76 Wahlkreisen war es ihr nicht gelungen, die Vor115 aussetzungen für die Zulassung eines Kreiswahlvorschlags zu erfüllen. In Bayern konnte die Partei in 31 (1983: 30) von 45 Wahlkreisen Direktkandidaten aufstellen. Mit einem zehn Punkte umfassenden Wahlprogramm präsentierte sich die NPD dem Wähler unter dem Motto "Dein Herz für Deutschlands Zukunft" als einzige "nationale, demokratische und soziale Partei", die "gesamtdeutsch" handle und ihre Politik an den "inneren und äußeren Interessen des deutschen Volkes" ausrichte. Einen Schwerpunkt des Wahlprogramms bildete die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nach der Devise "Weniger Ausländer: mehr Arbeitsplätze!". Dazu stellte die NPD fest, in der Bundesrepublik Deutschland würden "fast genauso viele Arbeitsplätze von Ausländern besetzt, wie Deutsche arbeitslos sind". Ein "Arbeitsplatzsicherungsgesetz" müsse daher die "bevorzugte Einstellung von Deutschen" regeln; außerdem sei die "Rückkehrbereitschaft" der Ausländer in die Heimatländer zu fördern. Zur Schaffung neuer Arbeitsplätze sollten jene Milliarden verwendet werden, die heute "zur Finanzierung der EG, für fremde Truppen auf deutschem Boden, für sinnlose Entwicklungshilfeprojekte, zur Finanzierung von Massen-Arbeitslosigkeit und des Scheinasylantentums verschwendet" würden. Weitere Forderungen des Wahlprogramms betrafen u.a. die Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe durch ein "Nationales Landwirtschafts-Sicherungsgesetz", den Schutz der Umwelt durch "Entwicklung einer nach-atomaren Energieversorgung", Maßnahmen gegen die "Überschwemmung unseres Landes durch Scheinund Wirtschaftsasylanten" und "das wiedervereinigte, blockfreie Deutschland" als "neutraler Mittler zwischen Ost und West". Diese Wahlaussagen zielten -- wie zuvor schon bei der bayerischen Landtagswahl -- insbesondere auf Arbeitslose, Heimatvertriebene und Landwirte, aber auch auf weitere Bevölkerungsgruppen, die nach Ansicht der NPD von den Unionsparteien bisher "sträflich vernachlässigt" und als reines "Stimmvieh" mißbraucht worden seien. Wiederum mußte der Wahlkampf fast ausschließlich von den Bezirksund Kreisverbänden geführt und finanziert werden. Die Wahlwerbung erfolgte im wesentlichen mit Plakaten, Zeitungsanzeigen, Rundfunkund Fernsehsendungen, Verteilung von Propagandamaterial an Informationsständen und öffentlichen Wahlveranstaltungen mit einer durchschnittlichen Teilnehmerzahl von rund 40 Personen. Unterstützung fand die Partei insbesondere bei dem Münchner Verleger Dr. Gerhard Frey, der mit Wahlempfehlungen zugunsten der NPD eine im Sommer 1986 begonnene Annäherung an die Parteispitze erneut unterstrich. Nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 1987 erhielt die NPD im Bundesgebiet 227.054 (1983:91.095) Zweitstimmen (0,6%). Damit konnte sie gegenüber 1983 bundesweit rund 136.000 Zweitstimmen hinzugewinnen und den damaligen Stimmenanteil (0,2 %) verdreifachen. Auch in Bayern erreichte die NPD mit 42.813 (1983:20.109) Zweitstimmen einen Anteil von 0,6% (1983:0,3%). Ihr bestes Ergebnis erzielte sie im Wahlkreis Nürnberg-Süd (1,1 %); in den Wahlkreisen Fürth, Neu-Ulm und Schweinfurt gaben der NPD jeweils 1 % der Wähler ihre Zweitstimme. Erste Reaktionen aus der NPD ließen Genugtuung über das Wahlergebnis, insbesondere über den damit erlangten Anspruch auf Erstattung von Wahlkampfkosten, erkennen. 116 Publikationen der Jungen Nationaldemokraten Junge Stimme Mitteilungsblatt des Bundesvorstandes UN) Ausgabe N r . 24 11. Jahrgang 2.5 Junge Nationaldemokraten (JN) Die JN als Jugendorganisation der NPD bekennen sich nach ihrem Statut in Ideologie und Zielsetzung zum Programm der Mutterpartei. Sie sind zur aktiven Mitarbeit in den Gremien der NPD verpflichtet, kritisieren aber deren Kurs als zu wenig kämpferisch. Ihr Verhalten ist durch eine erheblich aggressivere Argumentation gekennzeichnet. Dieses äußere Erscheinungsbild wird von der Mutterpartei nur bedingt toleriert. Aus vorwiegend taktischen Gründen versucht die NPD, die Jugendorganisation zu disziplinieren, ihren Konfrontationskurs zu entschärfen und den in Teilbereichen erkennbaren neonazistischen Ansätzen entgegenzutreten. Bundesvorsitzender der JN ist seit Oktober 1983 Hermann Lehmann aus Uehrde/Niedersachsen. Den Landesverband Bayern leitet Ralf Ollert aus Nürnberg. 1986 zählten die JN im Bundesgebiet etwa 600 Mitglieder (1985: 550). In Bayern, wo sie ebenfalls einen geringen Zuwachs auf rund 160 (1985:135) Mitglieder verzeichneten, entwickelten nur die Bezirksverbände Mittelund Unterfranken sowie der 1986 wiedergegründete Bezirksverband Oberbayern nennenswerte Aktivitäten. Mitte 1986 wurde die organisatorische Basis durch die Gründung des Kreisverbandes Schweinfurt und einer "JN-Koordinationsgrüppe Oberfranken" mit Sitz in Coburg erweitert. Der JN-Bundesvorstand gibt in unregelmäßigen Abständen die Mitteilungsblätter "Junge Stimme" und "JN-Pressedienst" heraus. Die Publikation "JN-Org117 Entwicklung der Mitgliederzahlen der JN in Bayern 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 350 300 250 200 150 100 50 Blitz" wurde 1986 in Bayern nicht mehr festgestellt. Das unregelmäßig herausgegebene Nachrichtenblatt des Landesverbandes Bayern "JN-Bayern-Info" enthält Mitteilungen des Landesvorstandes, Presseerklärungen sowie Berichte und Termine bayerischer Verbände. Den Mitteilungsblättern "JN-Info" des Bezirksverbandes Mittelfranken, "Oberland" des Bezirksverbandes Oberbayern und den 1986 in Coburg neu erschienenen Schriften "Durchblick" und "Wille und Weg" kommt nur regionale Bedeutung zu. Auf dem Landeskongreß der JN, der am 5. April unter dem Motto "Für eine bessere Zukunft -- Junge Nationaldemokraten" in Coburg stattfand, wurden der Landesvorsitzende Ralf Ollert und sein Stellvertreter Roland Schäder aus Aschaffenburg wiedergewählt. Die dem Landeskongreß vorausgegangenen öffentlichen Veranstaltungen der JN waren von zum Teil heftigen Protesten politischer Gegner begleitet. Die Führungsschwäche der JN-Spitze spiegelt sich nach wie vor in der geringen Motivation der Mitglieder wider. So beschränkten sich die öffentlichen Aktivitäten in Bayern im wesentlichen auf die Errichtung von Informationsständen und die Unterstützung von Aktionen der NPD; ferner kandidierten bei der bayerischen Landtagswahl einige JN-Mitglieder als Stimmkreisbzw. Wahlkreisbewerber der NPD, jedoch ohne Erfolg. 2.6 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) Der NHB mit Sitz in München wurde 1967 als Studentenorganisation der NPD in Tübingen gegründet. Er steht in "kritischer" Solidarität zur NPD und vertritt nach seiner Satzung die nationaldemokratische Grundhaltung an den deutschen Universitäten und Hochschulen. Mit dem Beitritt zum NHB ist die Verpflichtung verbunden, dessen Zielsetzung anzuerkennen und zu unterstützen. Der in Hochschulgruppen gegliederte NHB zählt im Bundesgebiet wie im Vorjahr etwa 30 Mitglieder. Bundesvorsitzender ist Karl-Heinz Sendbühler aus 118 München, der bei der 22. Bundesversammlung am 13. Dezember in Regensburg wiedergewählt wurde. Die in Bayern nominell noch bestehenden Hochschulgruppen in Erlangen und München zeigten 1986 keine Aktivitäten. Zur Landtagswahl in Bayern verbreitete der NHB Flugblätter mit einem Wahlaufruf zugunsten der NPD. Publikationsorgan des NHB ist der "NHB-Report". Die Zeitschrift erschien 1986 einmal mit einer Auflage von etwa 10.000 Exemplaren. 2.7 Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) Die von der NPD gesteuerte BIA wurde Anfang 1980 von NPD-Funktionären in Bochum gegründet. Mit ihren gegen die Integration der Ausländer gerichteten Forderungen verfolgt sie das Ziel, die fremdenfeindliche Agitation der NPD zu unterstützen und dadurch neue Mitglieder und Wähler für die Partei zu gewinnen. "Vertrauensmann" der BIA ist der Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, "Kontaktadresse" des "Regionalverbandes Süd" die Anschrift des NPD-Landesverbandes Bayern. Ausgabe: Nr. 3/1986 IDIElUViSiCIHE ZUKUNFT Z e i t s c h r i f t der Bl A u s l a n d e r s t o p p Obdachlosenasyl Bundesrepublik In Bayern trat die BIA durch die Verbreitung ihrer zweimonatlich herausgegebenen Druckschrift "Deutsche Zukunft" in Erscheinung. Darin agitierte sie insbesondere gegen die "Asylantenüberflutung" als Folge einer "Fehlentwicklung der bundesdeutschen Ausländerund Asylpolitik" und behauptete, das "unglaubliche, zu schwerem Mißbrauch verleitende" Asylrecht habe die Bundesrepublik Deutschland zu einem "Obdachlosenasyl" gemacht. Begriffe wie "freiheitlicher Rechtsstaat" müßten "immer wieder als Begründung auch des größten Unfugs herhalten", obwohl niemand das Recht habe, die Bundesrepublik Deutschland "der ganzen Welt als Armenhaus oder als Arbeitsstelle anzubieten". Der deutsche Bundestag gleiche indes einem "Randgruppenkabarett" und scheine nicht mehr fähig zu sein, den "Weg in den Vielvölkerstaat" aufzuhalten. 119 3. Deutsche Volksunion (DVU) 3.1 Ideologisch-politischer Standort Die DVU, die keine politische Partei ist, weist hinsichtlich ihrer ideologischen Ausrichtung weitgehend Übereinstimmung mit der NPD auf. Sie befaßt sich mit ähnlichen Themen wie die NPD, ist jedoch in ihren Aussagen aggressiver und mehr tagespolitisch bezogen. Im Gegensatz zur NPD und einigen anderen rechtsextremen Organisationen steht sie nationalistisch-neutralistischen Bestrebungen, die auf eine Loslösung der Bundesrepublik Deutschland aus dem westlichen Verteidigungsbündnis hinauslaufen, ablehnend gegenüber. Zu den Schwerpunkten ihrer Agitation gehörten wie im Vorjahr Versuche, die NS-Zeit insbesondere durch Leugnung oder Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu rechtfertigen bzw. zu verharmlosen. So erklärte die DVU, Polen habe im August 1939 voller "Größenwahn" eine Verständigung mit Deutschland gar nicht mehr gesucht und sei "schon ganz auf Krieg eingestellt" gewesen. England sei durch seine Kriegserklärung an Deutschland für immer mit dem Makel belastet, der "Hauptschuldige am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges" zu sein. Im übrigen verdichte sich gerade in den USA die "historisch nachweisbare Erkenntnis", daß der frühere US-Präsident Roosevelt "spätestens ab 1937" als einer der "Haupttreiber" bestrebt gewesen sei, Deutschland und Japan, vor allem aber die USA selbst in den Zweiten Weltkrieg hineinzumanövrieren. Die "Propaganda der Sieger einschließlich deutscher Spitzenpolitiker" wolle jedoch alle Schuld "allein der deutschen Seite zuteilen" und die Welt glauben machen, daß England, das damals "ein Viertel der Welt im Kolonialjoch hielt und 250 Völker in diesen Kolonien versklavte", "ausgerechnet für die Freiheit des polnischen Volkes in den Krieg gezogen" sei. Roosevelts und Churchills wahre Ziele seien vielmehr die "Niederlage und Zerstörung Deutschlands" gewesen. Die heutige Gesellschaft basiere auf der "Geschichtslüge von unserer Alleinschuld am Kriege" und der "Servilität von Sühnedeutschen", die sich der "Umerziehungspropaganda" entsprechend "immer noch angstschlotternd im Schatten Hitlers" zu bewegen hätten. Den Umstand, daß man "mit Hilfe unserer Jurisdiktion nun auch noch Darstellungen unserer Zeitgeschichte zu zementieren" beginne, könne man "nur als peinlichen Rückfall ins finsterste Mittelalter registrieren". Daneben war die DVU bestrebt, mit Schlagzeilen wie "Einwanderungsland Bundesrepublik? Geht das deutsche Volk unter?", "Ausländer-Wahlrecht: Anfang vom Ende?" und "Noch mehr Türken nach Deutschland?" rassistisch motivierte Vorurteile gegen Ausländer zu fördern. Zugleich warnte sie vor einer von den "Integrationsund Einwanderungsextremisten" gebilligten "Überfremdung" und "Umvolkung" der Deutschen und forderte eine "Ausländerbegrenzung" sowie Maßnahmen gegen die "Asylflut" und den Mißbrauch des Asylrechts durch "Wirtschaftsflüchtlinge". Insbesondere kritisierte sie das Assoziierungsabkommen mit der Türkei, das einen "millionenfachen Zustrom von Türken" erwarten lasse, und erklärte, aufgrund dieser drohenden "Masseninvasion aus dem Orient" stehe eine "Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland" bevor. Außerdem agitierte die DVU gegen "Minderheiten wie Juden und Zigeuner mitsamt ihren Einrichtungen", die nach der hier geltenden Rechtsordnung sogar einen strafrechtlichen "Sonderschutz" genössen, wäh120 rend die "deutsche Mehrheitsbevölkerung" unterprivilegiert bleibe und "in jeder Hinsicht geschmäht und herabgewürdigt werden" könne. Auch 1986 diffamierte die DVU demokratische Institutionen und ihre Repräsentanten. So bezichtigte sie führende Politiker der Union, sie seien ,,nach Kräften bemüht, das deutsche Volk als ganzes zu belasten und selbst kommende Generationen der Deutschen in Kollektivverantwortung zu nehmen". Insbesondere griff sie den Bundespräsidenten an, der sich als "Staatsanwalt und Generalankläger der Deutschen" aufspiele und jede öffentliche Verlautbarung mit "Schuldund Sühnebekundungen wider Deutschland" garniere. 3.2 Organisation Die DVU wurde im Jahre 1971 in München als Auffangbecken für ehemalige NPD-Anhänger gegründet. Nach ihrer Satzung haben die Mitglieder außer der Zahlung monatlicher Beiträge keine weiteren Verpflichtungen. Die DVU zählt derzeit im Bundesgebiet zusammen mit ihren Aktionsgemeinschaften wie im Vorjahr 12.000 Mitglieder, davon etwa 2.100 (1985:2.000) in Bayern. Bundesvorsitzender ist der Verleger Dr. Gerhard Frey aus München. Seine Stellvertreter sind Dr. Bernhard Steidle aus Bonn und Dr. Fritz von Randow aus Hamburg. Die DVU unterhält in allen Bundesländern formell Bezirksverbände, deren Vorsitzende nicht gewählt, sondern von Dr. Frey bestimmt werden. Die in Bayern bestehenden Untergliederungen entwickelten nach wie vor kaum eigene Initiativen. Im Verlag des DVU-Vorsitzenden erscheint der "Deutsche Anzeiger" (DA) mit einer wöchentlichen Auflage von etwa 25.000 Exemplaren. Erhöhte Auflagen zu besonderen Anlässen sind dabei nicht eingerechnet. Dr. Frey ist auch Herausgeber und Chefredakteur der mit dem DA teilweise inhaltsgleichen "Deutschen National-Zeitung" (DNZ); in seinem Verlag erscheint ferner seit Anfang 1986 die "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ). 2. Weltkrieg durch Verrat verloren? Verschwörung gegen Deutschland / Seite 3 Deutscher Anzeiger Freiheitliehe W o c h e n z e i t u n g s s r ^ s c r s R 2357 c Fälschungen gegen die Deutschen 3.3 Aktivitäten Neben der publizistischen Propagandatätigkeit lag der Schwerpunkt der Aktivitäten der DVU in der Durchführung öffentlicher Vortragsveranstaltungen. So fand am 19. Januar in München eine Kundgebung statt, die insbesondere dem Gedenken an den im November 1985 verstorbenen Jagdflieger der Wehrmacht 121 Oberst a.D. Walter Dahl gewidmet war. Vor rund 1.400 Zuhörern würdigte der britische Schriftsteller David Irving den Verstorbenen als "tadellosen soldatischen Deutschen". Der DVU-Vorsitzende Dr. Gerhard Frey erhob im Zusammenhang mit Ausführungen zur "Überfremdung" die Forderung "Deutschland den Deutschen". Ferner griff er den Bundespräsidenten an, der in seiner Weihnachtsansprache die Verurteilung von Rudolf Heß zu lebenslanger Haft gebilligt habe. Im Rahmen der Veranstaltung erhielt der Mitherausgeber der "Deutschen Wochen-Zeitung" (DWZ) Waldemar Schütz den mit 20.000 DM dotierten "Europäischen Freiheitspreis der Deutschen National-Zeitung". Am 9. August veranstaltete die DVU in Passau ihre alljährliche Großkundgebung aus Anlaß des Baus der Berliner Mauer. Vor rund 2.500 Teilnehmern, darunter Gästen aus dem Elsaß, Kärnten und Südtirol, verlieh Dr. Frey einer Südtirolerin für ihre Verdienste im "Volkstumskampf" gegen den "italienischen Faschismus" den gleichfalls mit 20.000 DM dotierten "Andreas-Hofer-Preis". Auf der im Rahmen der Kundgebung durchgeführten DVU-Bundesversammlung griff Dr. Frey in seiner Rede die "Verzichtsund Sühnegesinnung" mancher Politiker an, die zur "Streichung des Wiedervereinigungsgebots" aufgerufen hätten. Kritik galt wiederum dem Bundespräsidenten, der es versäumt habe, die "Gemeinschaft aller Deutschen" zu pflegen und unserem Volk Nationalstolz, Selbstvertrauen und Selbstbehauptungswillen zu vermitteln. Dem Verfassungsschutz warf der DVU-Vorsitzende vor, kriminelle Banden zu bilden und in seiner Führung "Verrückte" und "Verräter an Deutschland" beschäftigt zu haben. Unter den Ehrengästen befand sich als Vertreter der NPD deren Generalsekretär Walter Seetzen. Zuvor hatte bereits ein am I.August in Dr. Frey's DNZ und im DA veröffentlichtes Interview mit Seetzen eine beginnende Annäherung zwischen dem DVU-Vorsitzenden und der Parteispitze der NPD signalisiert. An einer Protestkundgebung gegen die DVU-Versammlung beteiligten sich rund 500 Personen, darunter Angehörige der DKP, SDAJ, VVNBdA, des BWK und des AB. 3.4 Aktionsgemeinschaften der DVU Die von der DVU geschaffenen Aktionsgemeinschaften, deren Mitgliedsbeiträge vom DVU-Vorstand festgelegt werden, sind integrierte Bestandteile der DVU. Ihre Veröffentlichungen erscheinen in den "national-freiheitlichen" Wochenblättern von Dr. Frey. Der Beitritt zu einer Aktionsgemeinschaft begründet kraft Satzung gleichzeitig die Mitgliedschaft in der DVU. Durch die Gründung solcher Aktionsgemeinschaften mit attraktiv niedrigen Beiträgen hat sich die DVU zur mitgliederstärksten rechtsextremen Organisation im Bundesgebiet entwickelt. Die Wirksamkeit und Gefährlichkeit dieser Propagandainstrumente der DVU beruht insbesondere darauf, daß sich ihre Aussagen nur auf Teilbereiche rechtsextremer Agitation beziehen und bei isolierter Betrachtungsweise vielfach nicht erkennen lassen, welche Grundhaltung hinter anscheinend unverfänglichen, auch Nichtextremisten vermittelbaren Forderungen wie "Ausländerbegrenzung" oder "Schutz der deutschen Kultur" steht. 122 Für Deutschlands Rechte DEUTSCHE VOLKSUNION (DVU)