Verfassungsschutzbericht Bayern 1985 Bayerisches Staatsministerium des Innern Verfassungsschutzbericht Bayern 1985 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern Odeonsplatz 3, 8000 München 22 RB Nr.03A/86/9 Herstellung: Lorenz Ellwanger, Maximilianstraße 58-60, 8580 Bayreuth Das Bekenntnis zu einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist die zentrale Aussage unserer Verfassung. Diese grundlegende Verfassungsentscheidung steht für Demokraten nicht zur Disposition. Es ist außerordentlich erfreulich, daß sie von einem breiten Konsens getragen wird. Gleichwohl ist ständige Wachsamkeit geboten. Wie die jüngsten Auseinandersetzungen gerade auch in Bayern gezeigt haben, schrecken politisch motivierte, militante Extremisten nicht davor zurück, staatliche Einrichtungen und Organe mit brutaler Gewalt anzugreifen. Daraus resultiert gegenwärtig noch keine ernstliche Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Aber diese Konfrontationen machen doch die Notwendigkeit deutlich, zur Abwehr von solchen Gefahren für unser Gemeinwesen schon in deren Vorfeld verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten und für die interessierte Öffentlichkeit zu dokumentieren. Diesem Ziel dient auch der Verfassungsschutzbericht Bayern 1985. Mit seiner Vorlage verbinden wir unseren Dank für die sorgfältige und pflichtbewußte Arbeit, die die Angehörigen des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz auch im vergangenen Jahr geleistet haben. München, im Mai 1986 Dr. Karl Hillermeier, Staatsminister Dr. Heinz Rosenbauer, Staatssekretär Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt Allgemeiner Überblick 10 2. Abschnitt Linksextremismus 12 1. Allgemeines 12 2. Orthodoxer Kommunismus 15 2.1 Überblick 15 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 16 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort 16 2.2.2 Steuerung der DKP durch die SED und KPdSU 20 2.2.3 Kontakte zu Bruderparteien 23 2.2.4 Anforderungen an das DKP-Mitglied 23 2.2.5 Organisation 26 2.2.6 Bündnispolitik 27 2.2.6.1 Aktionseinheit 30 2.2.6.2 Volksfrontpolitik 33 2.2.7 Publikationen, Verlage und sonstige Propagandaträger 38 2.2.8 Schulung 42 2.2.9 Betriebsarbeit der DKP 44 2.2.10 Sonstige Aktivitäten 48 2.3 Nebenorganisationen der DKP 50 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 50 2.3.2 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) . . . . 55 2.3.3 Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) 56 2.4 Von der DKP beeinflußte Organisationen 58 2.4.1 Allgemeines 58 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) 60 2.4.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 63 2.4.4 Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) 66 2.4.5 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ). . 70 2.4.6 Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) 71 4 2.4.7 Demokratische Fraueninitiative (DFI) 71 3. Neue Linke 72 3.1 Überblick 72 3.2 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 75 3.3 Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) (KPD) 76 3.4 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 78 3.5 Kommunistischer Bund (KB) 82 3.6 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 82 3.7 Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) 82 3.8 Gruppe Internationale Marxisten -- Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM) 83 3.9 Marxistische Gruppe (MG) 83 3.10 Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 86 3.10.1 Allgemeines 86 3.10.2 "Autonome" Gruppen 86 3.10.3 Anarchistische Arbeiter Union (AAU) 88 3.10.4 Linksextreme Schriften 89 4. Linksextremer Einfluß auf die "Friedensbewegung" 89 4.1 Allgemeines 89 4.2 Agitationsund Aktionsschwerpunkte 92 4.3 "Die Friedensliste" 96 3. Abschnitt Rechtsextremismus 97 1. Allgemeines 97 2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 100 2.1 Ideologisch-politischer Standort 100 2.2 Organisation 102 2.3 Aktivitäten 104 2.4 Junge Nationaldemokraten (JN) 106 2.5 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 108 2.6 Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) 108 3. Deutsche Volksunion (DVU) 110 3.1 Ideologisch-politischer Standort 110 5 3.2 Organisation 111 3.3 Aktivitäten 112 3.4 Aktionsgemeinschaften der DVU 113 4. Neonazistische Organisationen und Vorfälle 114 4.1 Allgemeines 114 4.2 Verbotene Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten (ANS/NA) 115 4.3 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 117 4.4 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 120 4.5 Nationalistische Front (NF) 121 4.6 Deutsche Bürgerinitiative (DBI) 122 4.7 Neonazistische, antisemitische und sonstige rassistische Vorfälle 123 5. Sonstige rechtsextreme Organisationen 124 5.1 Deutscher Block (DB) 124 5.2 Wiking-Jugend (WJ) 124 5.3 Gesellschaft für freie Publizistik (GfP) 126 5.4 Freundeskreis Ulrich von Hütten 127 5.5 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 128 5.6 Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (GfbAEV) 129 5.7 Wehrsportgruppen 130 6. Organisationsunabhängige Publizistik 130 7. Einfluß des ausländischen Rechtsextremismus 136 4. Abschnitt Terror und sonstige politisch motivierte Gewalt 139 1. Allgemeines 139 2. Terroristische Gruppen und ihre Ziele 141 2.1 Rote Armee Fraktion (RAF) 141 2.2 Revolutionäre Zellen (RZ) 147 3. Terroristisches Umfeld 148 4. Politisch motivierte Gewaltaktionen in Bayern 151 6 5. Abschnitt Extremismus im Bildungsbereich 153 1. Allgemeines 153 2. Orthodox-kommunistische Hochschulgruppen 155 2.1 DKP-Hochschulgruppen (DKP-HG) 155 2.2 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) . . . . 156 3. Sozialistischer Hochschulbund (SHB) 157 4. Studentengruppen der Neuen Linken 158 4.1 Marxistische Gruppe (MG) 158 4.2 Sonstige Studentengruppen der Neuen Linken 159 5. Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 159 6. Aktivitäten 159 7. Wahlen an den Hochschulen 162 8. Weiterführende Schulen 162 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 164 1. Einstellungsüberprüfung 164 2. Extremisten im öffentlichen Dienst 165 7. Abschnitt Extremistische Bestrebungen von Ausländern 167 1. Allgemeines 167 2. Äthiopische Gruppen 169 3. Afghanische Gruppen 169 4. Arabische Gruppen 170 5. Griechische Gruppen 170 6. Iranische Gruppen 171 6.1 Orthodoxe Kommunisten 171 6.2 Neue Linke 173 7. Italienische Gruppen 173 7 8. Jugoslawische Gruppen 174 8.1 Kroatischer Nationalrat (HNV) 174 8.2 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 175 9. Kurdische Gruppen 175 9.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 175 9.2 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (KOMKAR) 176 9.3 Vereinigung der Studenten Kurdistans im Ausland (AKSA) . . . . 177 10. Pakistanische Gruppen 177 11. Spanische Gruppen 178 12. Türkische Gruppen 178 12.1 Orthodoxe Kommunisten 180 12.2 Neue Linke einschließlich sozialrevolutionärer Gruppen 180 12.2.1 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 180 12.2.2 Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP/-C) 182 12.3 Aktionsbündnisse türkischer und kurdischer Linksextremisten . 184 12.4 Extreme Nationalisten 184 12.5 Islamische Extremisten 185 8. Abschnitt Spionageabwehr 187 1. Allgemeines 187 2. Zielrichtung/Zielobjekte 187 2.1 Militärspionage 188 2.2 Politische Spionage 188 2.3 Wirtschaftsspionage 189 2.4 Aufträge sonstiger Art 193 3. Versuche nachrichtendienstlicher Ausspähung mit Hilfe von Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland 193 4. Versuche nachrichtendienstlicher Ausspähung mit Hilfe von Bewohnern des kommunistischen Machtbereichs 195 5. Offizielle DDR-Reisekader 196 6. Die Spionageabwehr nach dem Übertritt von Hans Joachim Tiedge in die DDR 197 8 Anhang 1 Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1974 198 Anhang 2 Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 201 Anhang 3 Verzeichnis von Publikationen extremistischer und extremistisch beeinflußter Organisationen 204 Abkürzungsverzeichnis 208 9 1. Abschnitt Allgemeiner Überblick Dieser Verfassungsschutzbericht enthält Feststellungen zur inneren Sicherheit des Freistaats Bayern im Jahr 1985. Er gibt zu diesem Zweck einen Überblick über extremistische und extremistisch beeinflußte Bestrebungen. Zu den extremistischen Bestrebungen zählen alle, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, sowie Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Der Verfassungsschutzbericht enthält auch Informationen über sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten für fremde Mächte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Ordnung zu verstehen, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den fundamentalen Prinzipien dieser freiheitlichen Grundordnung gehören die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit der politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Die linksextremen Kräfte gefährdeten auch 1985 nicht ernsthaft die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Gesamtzahl der Mitgliedschaften in linksextremen Kernund Nebenorganisationen sowie linksextrem beeinflußten Organisationen lag 1985 in Bayern bei rund 13.300 Personen. Die Zahl der Mitgliedschaften ist damit gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Neben einer Steigerung der Mitgliederzahl im Bereich der orthodox-kommunistisch beeinflußten Gruppen war auch eine Zunahme speziell im Bereich der Marxistischen Gruppe, die der Neuen Linken zuzurechnen ist, zu verzeichnen. Die Gesamtzahl der Organisationen betrug wie im Vorjahr 120. Das Ziel sowohl der moskauorientierten orthodoxen Kommunisten als auch der meisten Gruppen der Neuen Linken ist nach wie vor eine kommunistische Gesellschaftsordnung. Die orthodox-kommunistische Deutsche Kommunistische Partei (DKP), ihre Nebenorganisationen und die zahlreichen von ihr beeinflußten Organisationen 10 konnten auch 1985, insbesondere im Zusammenhang mit Abrüstungsund Friedenskampagnen, Teile des demokratischen Spektrums für gemeinsame Aktionen gewinnen. Die Entwicklung der Dogmatischen Neuen Linken war auch 1985 von Stagnation gekennzeichnet; nur die Marxistische Gruppe konnte ihre Position ausbauen. Gelegentlich kam es wieder zu Aktionsbündnissen von Gruppen der Dogmatischen Neuen Linken mit Gruppen der Orthodoxen Linken. Innerhalb der Undogmatischen Neuen Linken konnte 1985 der anarchistisch orientierte "autonome" Flügel seine Bedeutung weiter festigen. Die Gegensätze zwischen gemäßigten und militanten Gruppen wurden auch 1985 nicht überbrückt. Die Bestrebungen rechtsextremer Vereinigungen und Personen stellten auch 1985 keine Gefährdung des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates dar. 1985 betätigten sich in Bayern wie im Vorjahr 30 rechtsextreme Organisationen und Gruppen mit unverändert rund 3.800 Mitgliedern. Die Deutsche Volksunion (DVU) mit ihren Aktionsgemeinschaften und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) einschließlich ihrer Jugendund Studentenorganisation stellten innerhalb des organisierten Rechtsextremismus in Bayern den größten Anteil an Mitgliedern. Im Bereich des organisierten Neonazismus war eine Zunahme der Aktivitäten und der Mitgliederzahlen festzustellen. Die 1984 begonnenen Versuche ehemaliger Anhänger der verbotenen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA), die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) zu unterwandern, wurden 1985 mit Erfolg fortgesetzt. Die von Terroristen und ihren Sympathisanten 1985 verübten Gewaltanschläge zeigten, daß die von ihnen ausgehende Bedrohung zugenommen hat. Die Rote Armee Fraktion (RAF) setzte 1985 trotz der Fahndungserfolge der Sicherheitsbehörden und der dadurch bedingten Schwächung der personellen und materiellen Basis mit der Ermordung des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Motorenund Turbinen-Union (MTU) Dr. Ernst Zimmermann in Gauting bei München, der Ermordung des US-Soldaten Edward Pimentai in Wiesbaden und dem Sprengstoffanschlag auf die US-Air-Base in Frankfurt a.M., der zwei Todesopfer forderte, ihre "Offensive" fort. Die Anzahl ausländischer Extremisten und ihrer Organisationen ist 1985 angestiegen. Die Zahl der Mitgliedschaften erhöhte sich von rund 7.400 auf ca. 9.000, die Zahl der Vereinigungen von 155 auf 169. Diese Steigerung ist in erster Linie auf die Neugründung islamisch-extremistischer Gruppierungen zurückzuführen. Vor allem militante Organisationen innerhalb der orthodox-kommunistischen kurdischen Gruppierungen sowie gewaltbereite Vereinigungen der türkischen Neuen Linken stellen eine latente Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Die Spionageaktivitäten der Geheimdienste des Ostblocks hielten unvermindert an. Sie richteten sich gegen alle wichtigen Bereiche von Staat und Verwaltung, Wissenschaft und Forschung sowie Wirtschaft und Industrie. Darüber hinaus sind nahezu alle gesellschaftlichen Entwicklungen und besonderen Ereignisse für die Geheimdienste des Ostblocks interessant. 11 2. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines 1985 gab es in Bayern 120 linksextreme und linksextrem beeinflußte Gruppen mit rund 13.300 Mitgliedschaften. Die Zahl der Mitgliedschaften ist damit gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Neben einer Steigerung im Bereich der orthodox-kommunistisch beeinflußten Gruppen war auch eine Zunahme im Bereich der Neuen Linken, speziell der Marxistischen Gruppe (MG), zu verzeichnen. Zahl und Stärke von linksextremen und linksextrem beeinflußten Organisationen in Bayern: 1981 1982 1983 1984 1985 Zahl der Organisationen 140 140 130 120 120 Mitgliedschaften Orthodoxe Linke 9.800 10.000 10.200 11.000 11.600 Neue Linke 1.200 1.000 1.100 1.400 1.800 insgesamt 11.000 11.000 11.300 12.400 13.400 Die Gesamtzahl von 13.300 Mitgliedschaften für das Jahr 1985 läßt sich wie folgt weiter aufgliedern: Mitgliedschaften in orthodox-kommunistischen Kernund Nebenorganisationen 5.100 abzüglich Mehrfachmitgliedschaften in Kernund Nebenorganisationen - 200 4.900 Mitgliedschaften in orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen 6.500 11.400 Mitgliedschaften in Kernund Nebenorganisationen der Neuen Linken 1.600 abzüglich Mehrfachmitgliedschaften in Organisationen der Neuen Linken - 100 1.500 Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen der Neuen Linken 200 1.700 Gesamtzahl (bekannte Mehrfachmitgliedschaften abgezogen) 13.100 12 Wie sich aus vorstehender Tabelle ergibt, sind Mehrfachmitgliedschaften nur jeweils innerhalb des Bereichs der Kernund Nebenorganisationen der Orthodoxen Linken und der Neuen Linken berücksichtigt. Über Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sowie Mehrfachmitgliedschaften in beeinflußten Organisationen einerseits und Kernund Nebenorganisation andererseits liegen keine zuverlässigen Zahlen vor. In der Zahl der Mitgliedschaften in beeinflußten Organisationen sind auch Nichtextremisten enthalten; eine zahlenmäßige Aufgliederung ist nicht möglich. Durch eine Vielzahl von Aktionen, insbesondere im Zusammenhang mit Abrüstungsund Friedenskampagnen, sowie durch eine anhaltend starke publizistische Tätigkeit versuchten die Linksextremisten auch 1985 ihrem Ziel näherzukommen. Dieses Ziel besteht unverändert -- insoweit sind sich die moskauorientierten orthodoxen Kommunisten und die Anhänger und Gruppen der Neuen Linken einig -- in der Einführung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. Zur Erreichung dieses Ziels bekennen sich die Gruppen der Neuen Linken, letztlich aber auch die der orthodoxen Kommunisten zur Gewalt. Dieses Ziel aber -- und der Weg dorthin -- ist, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Verbot der KPD festgestellt hat, unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und damit verfassungsfeindlich. Die Gruppen der Orthodoxen Linken stellten auch 1985 einen ideologisch festgefügten Block dar. Bei den Gruppen der Neuen Linken hielten die ideologischen Auseinandersetzungen an. Die bedeutendsten linksextremen Organisationen waren 1985: 1.1 Kommunistische Kernorganisationen Die kommunistischen Kernorganisationen verstehen sich als führende Kraft im Kampf für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Orthodoxe Linke Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Neue Linke Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Kommunistischer Bund (KB) Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) (KPD) Gruppe Internationale Marxisten -- Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM) Marxistische Gruppe (MG) 13 1.2 Kommunistische Nebenorganisationen Die kommunistischen Nebenorganisationen sind organisatorisch selbständige Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Führungsgremien, die sich jedoch der jeweiligen Kernorganisation unterordnen. Sie bekennen sich wie diese zum Kampf für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Maßgebende Führungsfunktionen dieser Vereinigungen sind mit Mitgliedern der Kernorganisationen besetzt. Die wesentlichen Nebenorganisationen waren 1985: Nebenorganisationen der DKP Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) Nebenorganisationen der MLPD Revolutionärer Jugendverband Deutschlands (RJVD) Marxistisch-leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) Nebenorganisation des AB Kommunistischer Hochschulbund (KHB) 1.3 Kommunistisch beeinflußte Organisationen Ein erheblicher Teil der Organisationen im linksextremen Bereich besteht aus Vereinigungen, die sich überparteilich oder unabhängig darstellen, tatsächlich aber unter einem mehr oder weniger starken Einfluß der kommunistischen Kernund/oder Nebenorganisationen stehen. Der Einfluß drückt sich insbesondere darin aus, daß sie -- von diesen oder auf deren Initiative hin gegründet wurden, -- wichtige Führungsfunktionen mit Kommunisten besetzen, -- eng mit Kernund/oder Nebenorganisationen zusammenarbeiten, -- Ziele verfolgen, die sich in Teilbereichen mit typisch kommunistischen Zielsetzungen decken. Teilweise liegen mehrere dieser Merkmale vor, teilweise alle. Entsprechend stark ist dann der kommunistische Einfluß. So gibt es Gruppen, die keine wesentliche Entscheidung gegen den Willen der Kernund/oder Nebenorganisationen treffen können; andere haben trotz erheblichen kommunistischen Einflüssen noch Raum für ein politisches Eigenleben. Die wichtigsten Organisationen, die unter maßgebendem kommunistischem Einfluß standen, waren 1985: Von der DKP beeinflußte Organisationen: Deutsche Friedens-Union (DFU) Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten (WNBdA) 14 Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) Demokratische Fraueninitiative (DFI) Sozialistischer Hochschulbund (SHB) als ständiger Bündnispartner des MSB Spartakus. Vom AB beeinflußte Organisationen: Anti-Strauß-Komitee (ASKo) Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend -- vorm. als Bund Deutscher Pfadfinder im Bund Demokratischer Jugend/Landesverband Bayern -- Regensburger Bürgerkomitee (RBK) Von der KPD beeinflußte Organisation: Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) 1.4 Sonstige linksextreme Gruppen: Eine Reihe autonomer Gruppierungen, die anarchistische, spontaneistische oder undogmatische Richtungen vertreten, wollen die verfassungsmäßige Ordnung revolutionär beseitigen, ohne zu sagen, was an ihre Stelle treten soll. Das dogmatische Konzept des Marxismus-Leninismus lehnen sie ab. Diese Gruppen sind häufig kleine, lose und kurzlebige Zusammenschlüsse. 2. Orthodoxer Kommunismus 2.1 Überblick In der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Bayern sind die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und ihre Nebenorganisationen sowie -- mit Einschränkungen -- die von der DKP und/oder ihren Nebenorganisationen beeinflußten Organisationen Sammelbecken für die orthodoxen Kommunisten. Sie stellen einen festgefügten Block dar, sind vor allem im Funktionärsbereich eng verflochten und finanziell sehr gut ausgestattet. Die orthodoxen Kommunisten bekennen sich zum Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung und damit, auch wenn sie es zur Verschleierung ihrer wahren Ziele nicht offen aussprechen, zur sozialistischen Weltrevolution und zur Diktatur des Proletariats; dabei werden diese Begriffe vielfach mit "revolutionärer Weltprozeß" bzw. "Herrschaft der Arbeiterklasse" umschrieben. Das Grundmodell dieser "sozialistischen Ordnung" sehen die orthodoxen Kommunisten in der Sowjetunion und der DDR verwirklicht. Deshalb betonen sie die feste Verbundenheit mit den kommunistischen Parteien der Sowjetunion, der DDR und anderer sozialistischer Länder. In ideologischer und politischer Hinsicht folgen sie bedingungslos der Linie der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR. Sie verstehen sich als Teil der kommunistischen Weltbewegung, der die Führungsrolle bei der revolutionären Umgestaltung der kapitali15 stischen in die sozialistische Gesellschaftsordnung zukomme. Innerhalb der kommunistischen Weltbewegung hat nach ihrer Überzeugung das "sozialistische Weltsystem" mit der KPdSU an der Spitze die Vorbildund Führungsrolle. Einigendes Band ist der "proletarische Internationalismus", der die "Gesamtheit der Interessen und die Solidarität der Arbeiterklasse und der Werktätigen aller Länder, ihre Geschlossenheit und Aktionseinheit im Kampf um die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft" zum Ausdruck bringen soll. Der weltumspannende Führungsanspruch der KPdSU und der Sowjetideologie, der sich auch in einigen internationalen prosowjetischen Organisationen wie dem Weltfriedensrat (WFR), dem Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) und der Federation Internationale des Resistants (FIR) manifestiert, wird uneingeschränkt anerkannt. Organisationsübersicht Orthodoxe Linke Deutsche Kommunistische Partei (DKP) |-- ( 1 I -I SDAJ DFU ~~1- + - p W N - B d A i 1 i 1 i i 1 i MSB SHB | DFG-VK KFAZ i JP VDJ DFI Nebenorganisationen Komitees, beeinflußte Organisationen Initiativen Abkürzungen vgl. Abkürzungsverzeichnis 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Die DKP wurde am 26. September 1968 anstelle der im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Sie ist nach wie vor die mit Abstand stärkste extremistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland und nimmt die politische Führung der orthodoxen Kommunisten in Anspruch. Ideologisch vertritt die DKP die Lehren des Marxismus-Leninismus. Nach dieser Ideologie des "wissenschaftlichen Sozialismus" ist der erste Schritt zum Kommunismus eine Revolution mit dem Ziel der Errichtung der politischen Herrschaft des Proletariats. Die Kommunistische Partei hat dabei im Klassenkampf durch Agitation und Änderung des Bewußtseins der Arbeiterklasse auf eine Revolution hinzuarbeiten und diese zu führen. Der Revolution folgt die Diktatur des Proletariats, d.h. die Macht wird diktatorisch durch die "Elite" der 16 Arbeiterklasse, die Kommunistische Partei, ausgeübt; die Gewaltenteilung ist beseitigt. In der Phase der Diktatur des Proletariats gibt es allerdings noch gegensätzliche Klassen, die jedoch in der nächsten Stufe der Entwicklung, dem Sozialismus, aufhören zu existieren. Dann führt allein die Kommunistische Partei den sozialistischen Staat und die sozialistische Gesellschaft. Auf dem Höhepunkt des Sozialismus stirbt nach dieser Ideologie der Staat ab. In dem sich daran anschließenden Stadium des Kommunismus gibt es keine Klassen und keinen Staat mehr. An seine Stelle tritt die Gesellschaft. Politisch folgt die DKP bedingungsund kritiklos der Linie der KPdSU und der SED. Sie betont ihre "tiefe Verbundenheit" zur Sowjetunion, "dem ersten Arbeiterund Bauernstaat", und verurteilt jede davon abweichende Meinung als "Rechtsoder Linksopportunismus", sieht die "Haltung zur Sowjetunion" als "entscheidenden Prüfstein für jeden Kommunisten, für seine Treue zur Sache der revolutionären Arbeiterbewegung" und "erzieht ihre Mitglieder beständig im Geist fester Freundschaft zur Sowjetunion". Folgerichtig betrachtet sie auch das in der DDR herrschende Staatsund Gesellschaftssystem vorbehaltlos als Muster für die von ihr angestrebte Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Gründung der DDR markiere einen "Wendepunkt in der Geschichte unseres Volkes". Mit der "sozialistischen Revolution" in der DDR habe die deutsche Arbeiterbewegung ihren "größten Sieg" errungen. In der DDR würden die "besten revolutionären, demokratischen und nationalen Traditionen der deutschen Geschichte" verkörpert. Von einem solchen Staat hätten "Generationen von Kommunisten und Sozialisten" geträumt. Nur in einem solchen Staat könne es "wirkliche Volksherrschaft als Demokratie" geben. Ziel der DKP ist eine sozialistische und kommunistische Gesellschaftsordnung. Dies ergibt sich aus ihrem am 21. Oktober 1978 auf dem Mannheimer Parteitag beschlossenen Programm und aus einer Vielzahl ideologischer Schriften und Ausbildungsmaterialien. Die DKP sieht sich deshalb als "Partei des Sozialismus", die stets für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen kämpfe, für eine neue, bessere, sozialistische Gesellschaft. Sie trete nicht nur allein für die Interessen der arbeitenden Klasse in der Bundesrepublik Deutschland ein, sondern denke und handle immer im Geiste der internationalen Solidarität, des proletarischen Internationalismus. Die Partei hält am "unverrückbaren Ziel" des Sozialismus, "als erster Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation", fest. Diese "grundlegend neue Gesellschaftsordnung" baue auf der "revolutionären Überwindung der kapitalistischen Machtund Besitzverhältnisse" auf und könne nur "im harten Klassenkampf" durchgesetzt werden. Sie setze die Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse im Bündnis mit den anderen Werktätigen voraus. Die Lehre von Marx, Engels und Lenin sei der "politische Kompaß der DKP und wissenschaftliches Fundament ihrer Politik". In "schöpferischer Anwendung" dieser Lehre entwickle die DKP Strategie und Taktik ihres Kampfes um die Errichtung des Sozialismus in der Bundesrepublik Deutschland. Als die Partei des "Klassenkampfes" und des "Sozialismus" bekennt sie sich zu den Grundsätzen einer "bolschewistischen Partei neuen Typus", die gekennzeichnet sei durch die Anerkennung der Leninschen Normen der Parteimitgliedschaft und des Parteiaufbaues sowie der Diktatur des Proletariats. 17 Die DKP geht aufgrund marxistisch-leninistischer Analyse davon aus, daß die Gegenwart "die Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab" sei. Der "staatsmonopolistische Kapitalismus" habe sich in der Bundesrepublik Deutschland voll entwickelt und befinde sich jetzt in der Krise. Jene "besonderen Faktoren" hätten aufgehört zu wirken, die die langanhaltende, "viele Gebrechen der kapitalistischen Ordnung überdeckende Nachkriegskonjunktur" ermöglicht und in breiten Bevölkerungskreisen tiefe Illusionen über die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse erweckt hätten. Daher sei die "Hauptzielsetzung der DKP in der gegenwärtigen Etappe", das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiterklasse und der "anderen demokratischen Kräfte" zu verändern und die "Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt herbeizuführen". Sie erachtet es als möglich und im Interesse der Arbeiterklasse für erstrebenswert, daß dieser Kampf in eine "antimonopolistische Demokratie" einmündet. Darunter versteht die DKP eine Periode "grundlegender Umgestaltungen", in der eine von der "Arbeiterklasse und den anderen demokratischen Kräften getragene antimonopolistisch-demokratische Staatsmacht" geschaffen werden soll. Dabei sieht die DKP die antimonopolistische und sozialistische Umwälzung als miteinander verbundene Entwicklungsstadien eines "einheitlichen revolutionären Prozesses des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus". Diese Aussagen der DKP belegen trotz der aus taktischen Gründen variierten Begriffsbildung, daß die DKP einen dogmatischen Marxismus-Leninismus vertritt. Die Formulierungen "sozialistische Umwälzung" und "politische Macht der Arbeiterklasse" sind gleichbedeutend mit den marxistisch-leninistischen Kernbegriffen "sozialistische Revolution" und "Diktatur des Proletariats". Im Programm der DKP findet sich der "wissenschaftliche Terminus" "Diktatur des Proletariats" zwar nicht, denn er sei heute für große Teile des arbeitenden Volkes mißverständlich. Die DKP bekennt sich in ihrem Programm jedoch "unmißverständlich" zur politischen Macht der Arbeiterklasse. Dieser Sprachgebrauch dient der DKP ebenso zur Verschleierung ihrer in Wahrheit verfassungsfeindlichen Zielsetzung wie ihre Beteuerung, sie "wirke auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland" und erstrebe die "grundlegende Umgestaltung auf der Basis der demokratischen Prinzipien und Rechte des Grundgesetzes". In Wirklichkeit sieht die DKP im Grundgesetz nur eine disponible Basis für ihren Kampf. Die Grundrechte versteht sie nicht als Garantie eines Freiheitsraumes für jeden Bürger, sondern als Legitimation und Auftrag für die Arbeiterklasse, die bestehende Ordnung zu beseitigen und den Sozialismus und eine sozialistische Verfassung zu erkämpfen. Ihr Bekenntnis, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, ist nur vor dem Hintergrund des marxistisch-leninistischen Demokratieverständnisses zu sehen. Entsprechendes gilt bezüglich des Eintretens der DKP für die Erhaltung und Sicherung des Friedens, für die Einhaltung der Prinzipien der "friedlichen Koexistenz" und ihren Kampf gegen "Faschismus und Rechtsentwicklung". Die Systemüberwindung will die DKP unter den gegenwärtigen Umständen grundsätzlich mit systemkonformen Mitteln erreichen. Gleichwohl betont sie im Programm, daß es von der Kraft der Arbeiterklasse, der Stabilität ihrer Bündnisse mit anderen "demokratischen Kräften", der Stärke ihrer revolutionären Partei, insbesondere aber von den "Formen des Widerstandes der Reak18 tion" abhänge, wie sich dieser Weg konkret gestalten werde. Diese Äußerungen der DKP lassen erkennen, daß auch weiterhin von einer prinzipiellen Gewaltbereitschaft der Partei auszugehen ist. Der DKP-Vorsitzende Mies hatte bereits 1981 erklärt: "Das demokratische Widerstandsrecht, das Grundrecht der arbeitenden Menschen, ihre Interessen zur Geltung zu bringen und die entsprechenden Kampfformen zu wählen, entspricht vollauf den demokratischen Prinzipien des Grundgesetzes... Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Wo Macht vor Recht geht, da muß man sich gegen die Macht des Unrechts wehren... Da fragt man nicht lange: Darf man denn das? Da sollte man in der Tat wahre Demokratie wagen". Zur Diskussion um Aktionsformen der Friedensbewegung meinte Mies, gegenüber "Kriegsvorbereitungen" dürfe es keinen Gehorsam geben. Vielmehr müsse der demokratische und friedliche Widerstand intensiviert werden. Damit in Übereinstimmung steht die Äußerung von Mies, die Unterstützung des Kampfes gegen die Raketenstationierung fange bei "der Unterschriftensammlung an" und gehe "bis hin zur Unterstützung von direkten Aktionen gegen die Stationierung, auch gegen die Raketenbasen. Da klammern wir nichts aus". Für die DKP ist die Gewaltanwendung somit eine Frage politischer Opportunität. Ihre Zurückhaltung bei gewalttätigen Aktionen beruht lediglich auf dem Bestreben, sich im Rahmen der von ihr verfolgten Bündnispolitik "koalitionsfähig" zu machen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch eine Stellungnahme zu linksextremistisch motivierten terroristischen Aktionen. Die Partei erklärte, diese seien aus einem "verständlichen Haß" entstanden. Wenn beim Hungerstreik inhaftierter RAF-Mitglieder "Gefangene" sterben, dann säßen die Mörder in "Justizsesseln" und "Regierungsbänken". Sie unterschieden sich nicht von "jenen, die auf Schleyer und andere geschossen haben". Diese Äußerung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung der DKP zur verfassungsmäßigen Ordnung, deren maßgebliche Repräsentanten sie als potentielle "Mörder" bezeichnet. Anknüpfend an das Parteiprogramm 1978 wurde Ende Juni 1985 der vom Parteivorstand gebilligte Entwurf der programmatischen "Thesen zum 8. Parteitag der DKP -- Neue Fragen des Kampfes für Frieden und Arbeit -- für eine demokratische Wende" veröffentlicht. Danach ist die "wichtigste Aufgabe" heute der "Kampf um Frieden und Arbeit". "Nächste strategische Orientierung" bleibe der "Kampf um eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt" auf dem Weg zu dem "Zukunftsziel" einer "sozialistischen Bundesrepublik". Im Thesenentwurf bezeichnet sich die DKP unverändert als "die revolutionäre, marxistische Partei der Arbeiterklasse", die sich durch "ihre marxistisch-leninistische Weltanschauung, ihre sozialistische Zielsetzung, ihre Zugehörigkeit zur kommunistischen Weltbewegung" grundsätzlich von allen anderen Parteien unterscheide. Sie bekräftigt ihre bedingungslose Loyalität zur KPdSU als der "stärksten und erfahrensten Partei der kommunistischen Weltbewegung". Erneut bekundet sie ihre Verbundenheit mit der SED, unter deren Führung in der DDR die "entwickelte sozialistische Gesellschaft", die "grundlegende Alternative zur kapitalistischen Ausbeuterordnung" geschaffen werde. Der Sozialismus sei eine dem Kapitalismus überlegene Stufe des Menschheitsfortschritts. 19 2.2.2 Steuerung der DKP durch die SED und KPdSU Die DKP wird von der SED angeleitet und umfassend unterstützt. Die im Entwurf der "Thesen zum 8. Parteitag -- Neue Fragen des Kampfes für Frieden und Arbeit -- für eine demokratische Wende" angesprochene Verbundenheit zwischen SED und DKP sicherten auch 1985 zahlreiche Arbeitsgespräche zwischen SEDund DKP-Funktionären. Sie dienen einer umfassenden Kontrolle der DKP durch die SED. Zuständig ist dafür die sogenannte "Westabteilung" beim Zentralkomitee (ZK) der SED. Den Bezirksorganisationen der DKP sind jeweils Bezirksorganisationen der SED als "Patenbezirke" zugewiesen. In Bayern sind dies für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern der SED-Bezirk Suhl und für die DKP-Bezirksorganisation Südbayern der SED-Bezirk Gera. Zur Festlegung des Kurses der DKP und zur Abstimmung aktueller "Kampfaufgaben" wird jährlich zwischen den Führungen von SED und DKP ein Rahmenplan festgelegt, innerhalb dessen die SEDund DKP-Bezirksorganisationen ihre jährlichen schriftlichen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit treffen. Die intensiven Kontakte zeigten sich auch 1985 in zahlreichen Reisen von DKP-Funktionären und -Mitgliedern in die DDR. So reiste zum 41. Todestag von Ernst Thälmann am 18. August eine DKPDelegation mit rund 270 Personen, darunter auch Präsidiumsmitglieder, nach Buchenwald. Im Anschluß an die Ehrung Thälmanns trafen sich Abordnungen der DKP und der SED zu einem politischen Meinungsaustausch in Weimar. Ein DKP-Präsidiumsmitglied würdigte in seiner Ansprache die im "Geiste Thälmanns erzogene Arbeiterklasse der DDR, die einen stabilen, sich dynamisch entwickelnden sozialistischen Staat auf deutschem Boden geschaffen hat, von dem sich niemand bedroht fühlt und von dem Frieden ausgeht". Weitere Unterstützung gewährt die SED der DKP dadurch, daß sie Einrichtungen in der DDR für die Schulung, Förderung und Betreuung westdeutscher Kommunisten zur Verfügung stellt. Hierzu zählen auch die Ferienaktionen der DKP-Nebenorganisation Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation (JP) "Wir fahren in ein kinderfreundliches Land". Für verdiente Kader der DKP organisiert und finanziert die SED Urlaubs-, Krankenhausund Kuraufenthalte in der DDR. Zahlreiche Unterlagen der DKP werden in die DDR verbracht und dort in SED-Archiven aufbewahrt, insbesondere Unterlagen über DKP-Mitglieder. Umgekehrt wurde eine große Zahl einreisender "DDR-Reisekader" -- allein nach Bayern etwa 300 -- festgestellt, die im Rahmen der "Westarbeit" der SED einen Auftrag im Bundesgebiet zu erfüllen haben. Zu den Reisekadern zählen neben Funktionären der SED und sogenannter DDR-Massenorganisationen, die Kontakte zur DKP und den ihr nahestehenden Organisationen durch Gespräche und Vorträge pflegen, auch Wissenschaftler, die neben ihrem eigentlichen beruflichen Auftrag politisch agitieren und Informationen gewinnen sollen. Die DDR-Reisekader haben über Reiseverlauf und Gespräche ausführliche Berichte anzufertigen, die von der SED und dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR ausgewertet werden. 20 21 Auch die kulturelle "Westarbeit" der SED dient der politischen Unterstützung der DKP und der Selbstdarstellung der DDR. Sie besteht vor allem in der Entsendung zahlreicher, teilweise namhafter Theater-, Musikund Kleinkunstensembles zu Veranstaltungen der DKP und ihrer Nebenorganisationen, aber auch in engen Beziehungen zwischen Verlagen in der DDR und kommunistischen Verlagen in der Bundesrepublik Deutschland. Die strikte Anbindung der DKP an die SED macht auch die Veröffentlichung der DKP in ihrem Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) zum Jahrestag der Errichtung der Berliner Mauer deutlich, die Auszüge aus einer Stellungnahme des SED-Zentralorgans "Neues Deutschland" enthält. Darin heißt es, der 13. August 1961 habe Völkerrecht durchgesetzt. Die "Sicherung der DDR-Grenzen zur Bundesrepublik Deutschland und zu West-Berlin" habe "den Prinzipien der Souveränität, der Nichteinmischung, der Unverletzlichkeit der Grenzen" Geltung verschafft. Die Mauer habe auch "elementare Voraussetzungen für Fortschritte in der friedlichen Koexistenz" geschaffen. Die unkritische Übernahme dieser zynischen Argumentation durch die DKP macht deutlich, in welchem Maß die Partei an die Politik der SED gebunden ist. Auch die Steuerung der DKP durch die KPdSU kommt in zahlreichen Kontakten zum Ausdruck. Gemeinsam mit führenden Funktionären der KPdSU eröffneten der DKP-Vorsitzende, der Vorsitzende der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW) und der SED-Generalsekretär am 5. Mai in Krasnogorsk bei Moskau ein "Museum deutscher Antifaschisten". Anschließend fand in Moskau die Einweihung eines "Thälmannplatzes" und die Grundsteinlegung für ein "Ernst-Thälmann-Denkmal" statt. Mies würdigte dabei die "hervorragende Rolle der Sowjetunion bei der Zerschlagung des Hitler-Faschismus" und betonte die Entschlossenheit, den "Friedenskampf" mit ganzer Kraft fortzusetzen. Am selben Tag wurde Mies vom Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow im Kreml zu einem Gespräch empfangen. Gorbatschow betonte dabei die "unverbrüchliche Solidarität" der KPdSU mit der DKP. In einer Gedenkrede zum Tode des sowjetischen Parteiund Staatschefs Konstantin Tschernenko erklärte Mies, die DKP werde ihre "freundschaftlichen Beziehungen" zur KPdSU "stets in Ehren halten" und "festigen". Unter dem Motto "Aus der Neuen Welt -- Die Sowjetunion heute" veranstaltete die DKP vom 4. bis 10. November ihre jährliche "Woche des Sozialismus". Auf den Veranstaltungen "informierten" Funktionäre der KPdSU sowie Wissenschaftler und Künstler aus der DDR über politische, kulturelle und wirtschaftliche Gegenwartsund Zukunftsvorstellungen. Es ist daher folgerichtig, daß die DKP die "konstruktive und beharrliche Friedenspolitik" der Sowjetunion preist, während sie den USA eine "Hochrüstungsund Konfrontationspolitik" und Pläne zur "Militarisierung des Weltraums" vorwirft. Aus der Sicht der DKP gehöre es zu den "wichtigsten Kampfaufgaben", einen "gewaltigen Druck der öffentlichen Meinung" zur "Verhinderung der Weltraumrüstung" zu entwickeln. Diese einseitige Stellungnahme der DKP zu Abrüstungsund Friedensbemühungen macht deutlich, wie sehr es ihr darum geht, die Politik der Sowjetunion im Westen propagandistisch zu unterstützen. 22 2.2.3 Kontakte zu Bruderparteien Über die traditionellen Verbindungen zur Mutterpartei KPdSU und zur Bruderpartei SED hinaus pflegte die DKP auch 1985 getreu den Prinzipien des proletarischen Internationalismus ihre freundschaftlichen Beziehungen zu anderen kommunistischen Parteien durch gegenseitige Besuche, Treffen und Teilnahme an internationalen Großveranstaltungen kommunistischer Parteien. Die DKP-Pressemeldungen stellten derartige Begegnungen besonders heraus. Auf Einladung der DKP berieten am 31. Mai und 1. Juni im MarxEngels-Zentrum in Wuppertal Vertreterinnen von 16 kommunistischen Parteien aus Westeuropa über die Lage der Frauen in den kapitalistischen Ländern. Ein Mitglied des Präsidiums der DKP bezeichnete den Meinungsaustausch als "Anklage an das kapitalistische System". Am 12. und 13. Juni trafen sich in Paris Vertreter von 18 westeuropäischen kommunistischen Parteien, darunter auch der DKP und der SEW. Bei dem Treffen sollte die "kapitalistische Krise" in den westeuropäischen Ländern analysiert und über "Aktionen kommunistischer Parteien" beraten werden. Am 15. Juni trafen sich die Vorsitzenden der DKP, der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) und der Kommunistischen Partei Luxemburgs (KPL) in Trier zu einem "freundschaftlichen Meinungsaustausch" über Fragen der "internationalen Entwicklung" und des "demokratischenund Friedenskampfes". Es sei notwendig, eine breite Bewegung gegen die "Sternenkriegspläne der USA" zu entwickeln. Anläßlich des 40. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki richtete der DKP-Vorsitzende einen "Solidaritätsbrief" an den Vorsitzenden des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Japans. Darin hieß es: "In unserem Land verstärken demokratische und Friedenskräfte die Forderung an die USA, im Interesse des Lebens und Überlebens die Kernwaffenversuche einzustellen. Gerade 40 Jahre nach der Tragödie von Hiroshima und Nagasaki sieht die DKP in dem einseitigen Moratorium der UdSSR für nukleare Explosionen ein ermutigendes Beispiel. Die Wiederholung der Tragödien von 1945 muß in jedem Fall verhindert werden." Der Parteivorsitzende der DKP führte am 16. September im Bonner Büro der DKP politische Gespräche mit dem Präsidenten der South-West-African-Peoples Organisation (SWAPO). 2.2.4 Anforderungen an das DKP-Mitglied Die DKP-Mitglieder sind nach dem Parteistatut verpflichtet, die Grundsätze der Partei anzuerkennen, sich für die Verwirklichung der beschlossenen Politik einzusetzen und sie im gesellschaftlichen Leben aktiv zu vertreten. In der Broschüre mit dem Titel "Die DKP -- Eine demokratische Partei", die anläßlich des DKP-Bildungsjahres 1984/85 herausgegeben wurde, beschreibt die DKP die Anforderungen, die an ihre Mitglieder gestellt werden. "Da die kommunistische Partei ein freiwilliger Kampfbund von Gleichgesinnten ist, erhält derjenige, der Mitglied wird, neue Rechte, aber er nimmt auch gleichzeitig neue Verpflichtungen auf sich. Wer sich freiwillig diesem Kampfbund an23 24 schließt, erhält Freiheiten, die er früher nicht hatte, und die im DKP-Statut unter dem Abschnitt Rechte der Mitglieder genannt sind, beispielsweise die neue Freiheit, an der Formulierung und Gestaltung kommunistischer Politik mitzuarbeiten...". Die DKP sieht sich als einheitlich und solidarisch handelnde "Kampfgemeinschaft", deren innerparteiliches Leben von der "marxistischen Weltanschauung und der Gemeinschaft der politischen Ziele" geprägt werde. "Kommunist ist man überall: am Arbeitsplatz, im Wohngebiet, in der Familie". Als richtige Haltung der Kommunisten sieht es die DKP an, offen und konsequent den kommunistischen Standpunkt zu vertreten, initiativreich und geduldig die Politik der Aktionseinheit zu verfechten, in Bündnissen "aktiv und partnerschaftlich" zu wirken, sich als "die besten, entschiedensten, uneigennützigsten Vertreter des Volksinteresses" zu erweisen und "aktiv bei der Gewinnung neuer Mitglieder und der Verbreitung und Gestaltung der DKP-Presse mitzuwirken". Kommunist sein heiße, aus Klassenbewußtsein ein disziplinierter Kämpfer der Partei der Arbeiterklasse zu sein, heiße qualitativ gut, gewissenhaft, diszipliniert am Arbeitsplatz, in der Schule, in den Hochschulen, in der Elternvertretung, in der parlamentarischen Vertretung, "im sogenannten normalen Leben" zu sein. Bereits in der kapitalistischen Gesellschaft erwerbe der Genosse in der Gemeinschaft der Partei eine eigene "proletarische Klassenmoral", die im Gegensatz zur "bürgerlichen Moral" stehe, welche "heuchlerisch", "doppelbödig" und "menschenfeindlich" sei. Die Erfüllung dieser Anforderungen an die "proletarische Moral" wird u.a. im Rahmen einer von Zeit zu Zeit stattfindenden Umtauschaktion der Mitgliedsbücher überwacht. Vor der letzten Ausgabe neuer Mitgliedsbücher 1983 wurden mit jedem "Genossen" intensive und individuelle Gespräche geführt, um das Mitglied voll auf die Linie der Partei einzuschwören. Entsprechend den Leninschen Gedanken zum Parteiaufbau sieht sich die DKP nicht als Massenorganisation, sondern als Elite. Diese führende Elite von Revolutionären denkt für das Proletariat und soll das Proletariat zur "Freiheit" führen. Dadurch kommt zum Ausdruck, daß die große Mehrheit der Anleitung durch Mitglieder des Führungskaders, der Kommunistischen Partei, bedarf, die aus der "Masse" herausragen und zur Führung befähigt sind. Das Parteimitglied hat als Berufsrevolutionär die Aufgabe, politische Unzufriedenheit durch Propaganda und Agitation zu wecken und so eine revolutionäre Situation vorzubereiten. Daß diese Sicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist, liegt klar auf den Hand. Auf dem 7. Parteitag im Januar 1984 hatte die DKP das Emst-Thälmann-Aufgebot beschlossen und am 17. August 1985 vor dem früheren Wohnhaus des in einem Konzentrationslager umgekommenen KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann eingeleitet. Die DKP ließ sich dabei von dessen "Vermächtnis" leiten: -- "Kommunisten wirken unermüdlich für die Aktionseinheit der Arbeiterklasse, ohne die sie keine durchgreifenden Erfolge erringen können; -- Kommunisten wirken unermüdlich für das Zustandekommen und Erstarken eines breiten Bündnisses all jener Kräfte, die ihre gemeinsamen Interessen nur im gemeinsamen Handeln gegen das Monopolkapital durchsetzen können; 25 -- Kommunisten bringen stets ihre ganze Kraft im Kampf für die nationalen Interessen ihres Volkes, gegen die reaktionärsten und aggressivsten Kreise des Großund Rüstungskapitals und seiner politischen Statthalter ein; -- Kommunisten wirken leidenschaftlich dafür, die Arbeiterklasse, alle arbeitenden Menschen, für ein freundschaftliches, klassenmäßiges Verhältnis zu jenem Land zu gewinnen, in dem die Arbeiterklasse sich als erste die Macht erkämpfte: zur Sowjetunion; -- Kommunisten verlieren niemals aus den Augen, daß die Stärkung ihrer Partei ein unverzichtbares Erfordernis für den Erfolg der Kämpfe der Arbeiterklasse, der Friedensbewegung, aller demokratischen Kräfte ist". 2.2.5 Organisation Die DKP hatte 1985 rund 40.000 Mitglieder. In Bayern gab es Ende 1985 unverändert 3.100 DKP-Mitglieder. Auf dem 7. Parteitag im Januar 1984 bezifferte die DKP die Zahl ihrer Mitglieder auf 50.482 (6. Parteitag 1981: 48.856). Die DKP-Mitgliederwerbeaktion im Rahmen des "Ernst-Thälmann-Aufgebots", von der die Partei bis zum 30. März 1986 einen Mitgliederzuwachs in Höhe von 20 Prozent erwartete, wirkte sich nur geringfügig aus. Im Mitgliederwettbewerb der DKP lag die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern im Oktober 1985 an erster Stelle im Bundesgebiet. Das von der Partei gestiftete "Kampfbanner" ging daher nach Nürnberg. Entwicklung der Mitgliederzahlen der DKP in Bayern Mitglieder 1969 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 Die organisatorische Struktur der DKP hat sich 1985 nicht geändert. Die DKP gliedert sich im Bundesgebiet nach wie vor in 12 Bezirksorganisationen. Diese sind in Kreisbzw. Gebietsorganisationen unterteilt, die die Grundorganisationen, nämlich die Orts-, Stadtteil-, Wohngebiets-, Betriebsund Hochschulgruppen zusammenfassen. Bayern ist in die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern aufgeteilt. Auf dem 7. Parteitag der DKP im Januar 1984 waren Herbert Mies und Hermann Gautier als DKP-Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsitzender bestä26 tigt worden. In den Parteivorstand wurden 98 weitere Personen gewählt, darunter 10 Mitglieder aus Bayern. In Bayern sind Vorsitzender bzw. stellvertretende Vorsitzende im DKP-Bezirk Nordbayern Herbert Stiefvater und Anka Konhäuser, im DKP-Bezirk Südbayern Walter Listl und Heinrich Horrelt. Die DKP ist in ihrer inneren Struktur nach dem marxistisch-leninistischen Prinzip des "demokratischen Zentralismus" aufgebaut. Nach diesem Prinzip des hierarchischen Parteiaufbaus werden die Organe und Funktionäre jeder Ebene durch die nächst-untergeordnete Ebene gewählt, wobei eine Abwahl praktisch ausgeschlossen ist. Die Willensbildung findet dann von oben nach unten statt, d.h. Beschlüsse sind für nachgeordnete Parteigliederungen absolut verbindlich. Das strikte Verbot der Fraktionsbildung ist damit gewährleistet. Die Einhaltung dieser Grundsätze des demokratischen Zentralismus ist für die DKP keineswegs bloßes historisches Lippenbekenntnis. Ein DKP-Parteivorstandsmitarbeiter schrieb in der UZ, nur eine "im Wollen einheitliche Partei" könne auch im Handeln geschlossen auftreten. Jegliche "Fraktionsbildung" sei nach Lenin unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei. Nach einem weiteren UZ-Artikel hatten die Teilnehmer eines Meinungsund Erfahrungsaustausches der "Zentralen Schiedskommission" festgestellt, daß die DKP sich für die "Leninschen Prinzipien der Einheit und Geschlossenheit" entschieden habe; Empfehlungen "kritischer Kommunisten", in der DKP auch "Fraktionen" zuzulassen, habe die Partei zurückgewiesen. In ihrem Anfang 1986 nach dem Parteiengesetz veröffentlichten Rechenschaftsbericht wies die DKP für 1984 Einnahmen in Höhe von 19,2 Mio. DM (1983: 17,8 Mio. DM) aus, davon 8,6 Mio. DM an Mitgliedsbeiträgen und 7,9 Mio. DM an Spenden. In dem Spendenbetrag sind elf Einzelspenden von 20.000 DM und mehr mit einem Gesamtbetrag von 505.094 DM enthalten. 1984 sind für die DKP-Bezirksorganisation Nordbayern 853.274 DM (1983: 934.923 DM), für die DKPBezirksorganisation Südbayern 822.640 DM (1983: 848.256 DM) an Gesamteinnahmen ausgewiesen. Zwar behauptet die DKP, sie finanziere sich ausschließlich aus diesen Einnahmequellen. Tatsächlich war sie aber auch 1985 nicht in der Lage, die Ausgaben für den aufwendigen Parteiapparat, die zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen sowie die umfangreiche publizistische Agitation aus dem eigenen Parteiaufkommen zu bezahlen. Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß die DKP 1985 für ihre Parteiarbeit, ihre Nebenorganisationen und die von ihr geförderten Verlage, Publikationen usw. wieder Zuschüsse von mehr als 60 Millionen DM aus der DDR erhalten hat. 2.2.6 Bündnispolitik Die sogenannte Bündnispolitik ist zentraler Bestandteil der Gesamtpolitik der DKP und ihrer Nebenorganisationen. Sie beruht auf marxistisch-leninistischer Strategie und Taktik. Die DKP geht aufgrund ihrer Analyse der Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung davon aus, daß sich der "staatsmonopolistische Kapitalismus" in der Bundesrepublik Deutschland voll entwickelt habe. Wegen der dadurch eingetretenen Polarisierung zwischen der "kleinen Gruppe von Konzernherren und Multimillionären" und der "überwältigenden Mehrheit des Volkes" sei die Zusammenfassung aller "antimonopolistischen" Kräfte um die 27 Arbeiterklasse objektiv möglich, aber auch "unerläßlich" für die Durchsetzung des "gesellschaftlichen Fortschritts", also für die Erreichung des sozialistischen Zieles. Nicht zuletzt im Hinblick auf ihr schwaches Wählerpotential ist die DKP bestrebt, Bündnisse mit nicht-kommunistischen Kräften in der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" und in einem "breiten, antimonopolistischen Bündnis" zu schaffen, und damit eine Massenwirkung zu erreichen. Außerdem versucht sie, mit der Bündnispolitik demokratische Kräfte an die Partei heranzuführen. Für eine erfolgreiche Politik der "Aktionseinheit und des demokratischen Bündnisses" ist es für die DKP "von erstrangiger Bedeutung", die "tiefe Kluft" zwischen der "objektiven Lage der vom Monopolkapital ausgebeuteten und bedrängten Klassen und Schichten einerseits und ihrer Erkenntnis durch die Betroffenen andererseits" zu überwinden. Besonders deutlich wurde die Absicht, die die DKP mit der Bündnispolitik verfolgt, aus einer Äußerung des DKP-Präsidiumsmitglieds Willi Gems. Er betonte das "Wechselverhältnis von Ablösung der Rechtskoalition und Einleitung einer demokratischen Wende". Entsprechend dem Grundsatz, "im Kampf der Klassen" beginne "alles mit dem Nächstliegenden", gehöre die "Ablösung" zu diesem "Nächstliegenden" und sei eine Voraussetzung für die Einleitung der "Wende", dem "Etappenziel" der DKP. Diese Klassenkampfideologie entspricht genau den Lehren des Marxismus-Leninismus, über dessen Endziel kein Zweifel bestehen kann: die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft. Der Parteivorstand veröffentlichte im März 1983 im "Bildungsheft" "Grundsätze kommunistischer Bündnispolitik", das "Herzstück Leninscher Strategie und Taktik". Darin heißt es, -- die DKP müsse "aktiv und initiativ" in den Bewegungen mitarbeiten, um Einfluß nehmen zu können; -- die DKP trete für "gleichberechtigte" Zusammenarbeit ein, bei der alle Bündnispartner sich auf gemeinsame Forderungen (Minimalkonsens) einigen sollten; -- die DKP wirke in Bündnissen für die "Arbeiterinteressen", denn die Arbeiterklasse sei die entscheidende Kraft; -- die "Herstellung der Aktionseinheit", vorrangig von Kommunisten und Sozialdemokraten, bleibe Kernstück der Politik der DKP; -- die DKP sei unverändert bemüht, punktuelle Bündnisse zu umfassenderen antimonopolistischen Bündnissen zu erweitern; -- die DKP lehne die Zusammenarbeit mit "maoistischen Organisationen" ab; sie werde sich wegen der Beteiligung maoistischer "Restgruppen" jedoch nicht aus "breiten demokratischen Bündnissen" zurückziehen; -- die DKP müsse auch in Bündnissen ihre "Selbständigkeit" bewahren; ihre Mitglieder dürften nicht "im Bündnis aufgehen", denn ein Verzicht auf Selbständigkeit bedeute das "Ende einer kommunistischen Partei"; -- Kommunisten sollten -- durch Schulung befähigt -- in den Bewegungen mit "offenem Visier" mitwirken, denn ein Verbergen der kommunistischen Identität gebe nur antikommunistischen Verleumdungen Nahrung. Mögliche Bündnispartner in ihrem Kampf für "Frieden und Abrüstung", für "soziale Sicherheit", gegen "Polizeiund Überwachungsstaat mit Berufsverboten" 28 sieht die DKP in "Sozialdemokraten, Gewerkschaftern, Grünen und Alternativen, Umweltschützern, Frauenbewegungen, Christen, sozialen Liberalen, Sozialisten, Ausländergruppen und Linkskräften". Nach Ansicht der DKP hat der "außerparlamentarische Kampf" eine "neue Qualität" erhalten. Auf diesem "entscheidenden Feld der politischen Auseinandersetzung" habe die DKP schon jetzt "beträchtliche Kraft" entwickelt. Der "Aufschwung der Friedensbewegung und der Arbeiterkämpfe, die positiven Veränderungen in den Gewerkschaften und in der SPD, die Entwicklung der grün-alternativen Strömung sowie das christlich motivierte politische Engagement" hätten neue Möglichkeiten für die "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" und für "demokratische Bündnisse" geschaffen; diese wolle die DKP ausschöpfen. Auf der 6. Tagung des Parteivorstands der DKP am 8./9. Juni in Düsseldorf erklärte ein Referent zum Thema "Die Kräfte für den Frieden sind weiter vorangekommen", der Partei sei es gelungen, in der "Zeit seit der Rechtswende" in ihrer "Wahlbündnispolitik" Fortschritte zu erzielen: "Gemeinsam mit anderen demokratischen Kräften konnten wir mit dem Personenbündnis 'Friedensliste' erste Achtungserfolge erreichen". Das Angebot zur "Zusammenarbeit" an die "Grünen" wurde erneuert. Mehr als die Hälfte des neugewählten Bundesvorstandes der "Friedensliste" gehört der DKP bzw. von ihr beeinflußten Organisationen an. Mit der Beteiligung an der "Friedensliste" verfolgt die DKP den Zweck, die Wahlaussichten ihrer Kandidaten dadurch zu verbessern, daß sie unter einer anderen Bezeichnung kandidieren können. Das Auftreten der "Friedensliste" hat auch einen finanziellen Aspekt. 1984 erhielt sie 2.847.834 DM an Wahlkampfkostenerstattung für die Europawahl. Aus dem Rechenschaftsbericht ergibt sich, daß die "Friedensliste" 1984 ein Reinvermögen von 1.167.817 DM hatte. Als Erfolg ihrer Politik sieht es die DKP, daß sie den "aktivsten Kern der Kräfte" in der "Friedensbewegung" und in den "sozialen Kämpfen" als neue Mitglieder gewonnen habe. Die "Zuversicht" der DKP in die "anhaltende Stärke der Friedensbewegung" sei bestätigt worden. Bemerkenswert sei aber auch das viel "größere Engagement der Gewerkschaften" gewesen. In einer Rede forderte der DKP-Vorsitzende Mies, die "Kräfte des Friedens und der Demokratie links von der Spitze von CDU/CSU und FDP" zu einer "Koalition des Volkes gegen die Wende nach Rechts" zusammenzuführen. Die DKP werde sich für eine "Weiterentwicklung des politischen Zusammengehens von Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen und Grünen in allen Bereichen des Friedenskampfes" einsetzen. Es komme darauf an, daß sich die Arbeiterschaft zu Millionen in die "Friedensbewegung" einreihe. Aus dieser Äußerung der DKP ergibt sich ihr Bemühen, ihre einzelnen bündnispolitischen Aktivitäten zu integrieren und dadurch eine größere Wirksamkeit zu erreichen. In einem Flugblatt, das an die Teilnehmer des 21. Deutschen Evangelischen Kirchentages vom 5. bis 9. Juni in Düsseldorf verteilt wurde, bekräftigte der DKP-Vorsitzende Mies das Angebot seiner Partei zum "Dialog von Christen und Marxisten". Angesichts der Bedrohung durch einen "Krieg der Sterne" 29 müsse "alles Trennende zurückgestellt" werden. Trotz "weltanschaulicher Differenzen" suche die DKP den "Dialog" und die "Zusammenarbeit" mit den Christen. Im Rahmen der Bündnispolitik tritt die DKP häufig nicht unmittelbar als Initiator in Erscheinung, sondern bedient sich der von ihr beeinflußten Organisationen. 2.2.6.1 Aktionseinheit Als "Kernstück" ihrer Bündnispolitik sieht die DKP die Herbeiführung der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse". Damit versucht sie, ein Zusammenwirken von "Arbeitern, Angestellten und Beamten, deutschen und ausländischen Kollegen, sozialdemokratischen und kommunistischen, christlichen und parteilosen Arbeitern" zu erreichen. Auf dem 7. Parteitag der DKP vom 6. bis 8. Januar 1984 wurde darauf hingewiesen, daß die Aktionseinheit der Arbeiterklasse, insbesondere die Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten für die DKP vorrangig sei. Der DKP-Vorsitzende Mies hatte bereits 1982 an die "SPD-Führung" appelliert, angesichts der "Rechtskoalition" und des "Generalangriffs" auf die Rechte der Arbeiter und ihrer Gewerkschaften ihr Verhältnis zur DKP zu überdenken und den "Unvereinbarkeitsbeschluß" aufzuheben; dieser Beschluß sei in den "Betrieben ohnehin nicht beachtet" worden. Nach Auffassung eines Präsidiumsmitglieds der DKP sei trotz der "sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlüsse" der SPD-Führung gegen die DKP die "Mauer" zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten "an vielen Teilen durchbrochen"; die Zusammenarbeit vollziehe sich "innerhalb der Friedensbewegung, der antifaschistischen Bewegung, in Betrieben und Gewerkschaften". Die politischen Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland produzierten auch "mehr und mehr neue Ansatzpunkte für die Aktionseinheit". Auf der 3. DKP-Parteivorstandstagung beschwor Mies erneut die Notwendigkeit der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse"; je intensiver Sozialdemokraten und Kommunisten zusammenarbeiteten, desto eher würden auch parteilose und christliche Arbeiter zum Mitkämpfen bewegt. "Aktionseinheit" von Sozialdemokraten und Kommunisten fördere das "Zusammenwirken aller demokratischen Kräfte im Rahmen von Bündnissen". Auch auf der 5. Tagung des Parteivorstands der DKP hat Mies auf die "wachsenden Möglichkeiten der Aktionseinheit" hingewiesen. "In vielen Fragen der konkreten Politik", so Mies, stimmten Positionen von Kommunisten und Sozialdemokraten überein. Nach wie vor bestünden große Unterschiede in den politisch-weltanschaulichen Positionen von Sozialdemokraten und Kommunisten. "Der schwankende und ungewisse Kurs der SPD-Führung" unterstreiche jedoch, wie unverzichtbar die Stärkung durch die DKP sei. Die DKP trete zielklar den Kampf gegen die Rechtswende, für sozialen Fortschritt, für die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und das Bündnis aller demokratischen Kräfte an. Im "Kampf gegen Rechtskräfte" müsse in "tausendfachen Gesprächen mit Sozialdemokraten Übereinstimmung deutlich gemacht werden: Solidarisches Handeln der Arbeiterbewegung statt Solidarpakt zwischen Kapital und Arbeit". Gerade diese letzte Parole macht deutlich, worum es der DKP mit der Politik der Aktionseinheit wirklich geht. Sie 30 will nicht den sozialen Frieden, sondern im Gegenteil den Klassenkampf, der den Weg zu einer sozialistischen Revolution ebnet. Besondere Bedeutung mißt die DKP der Arbeit in Gewerkschaftsgremien auf allen Ebenen bei, weil sie in den Gewerkschaften die "breiteste und umfassendste Klassenorganisation der Arbeiter, Angestellten und Beamten" sieht. Sie betont, für jeden Kommunisten sei es "selbstverständliche Pflicht", "ein aktiver Gewerkschafter zu sein und für die Verwirklichung der den Interessen der Arbeiterklasse dienenden Gewerkschaftsbeschlüsse zu kämpfen". Sie behält sich damit allerdings vor, selbst zu entscheiden, welche Beschlüsse dies sind. Ihr Ziel ist, in Gewerkschaften Einfluß zu gewinnen und sie zu treuen "Bündnisorganisationen" zu machen. Sie setzt sich dafür ein, dem Antikommunismus in den Gewerkschaften keinen Raum zu geben und die "Grundsätze der Einheitsgewerkschaften strikt zu beachten". Nach ihrer Auffassung sollen die Einheitsgewerkschaften nicht "Stütze für ein brüchiger werdendes kapitalistisches System", sondern "Kraftzentrum zur Durchsetzung der Klasseninteressen der Arbeiter, Angestellten und Beamten" sein. Die DKP befolgt getreu die Anweisung Lenins an die Kommunisten, in die Gewerkschaften einzutreten, in ihnen zu bleiben und in ihnen um jeden Preis kommunistische Arbeit zu leisten. Etwa 75 v.H. der DKP-Mitglieder sind gewerkschaftlich organisiert. Rund 10 v.H. nehmen gewerkschaftliche Funktionen und Aufgaben der betrieblichen Mitbestimmung wahr. Der Intensivierung der Gewerkschaftsarbeit der DKP dienen die in allen DKPBezirken tätigen "Marxistischen Betriebsarbeiterschulen", das "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF) sowie die "NachrichtenVerlags-GmbH" mit Sitz in Frankfurt a.M. Diese verlegt fast ausschließlich Publikationen zu gewerkschaftlichen, betrieblichen sowie sozialund wirtschaftspolitischen Themen, u.a. die monatlich erscheinenden "Nachrichten zur Wirtschaftsund Sozialpolitik/Gewerkschaftsspiegel", die von drei Mitgliedern des DKP-Parteivorstandes und einem langjährigen DFU-Funktionär herausgegeben werden. Der DKP-Vorsitzende versicherte dem Vorsitzenden des DGB in einem Schreiben "aus Anlaß des 1. Mai" die "feste Solidarität der DKP". Angesichts der "tiefgreifenden Umgestaltung" des "politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens" zugunsten des Kapitals und einer "abenteuerlichen Hochrüstungspolitik" sei es dringend erforderlich, "die Kräfte zusammenzuführen", um "wirksamen Widerstand zu leisten". Jetzt zähle die "gemeinsame Gegenwehr". Ermutigend sei, daß zwischen der "gewerkschaftlichen" und der "politischen Arbeiterbewegung" sowohl in der "Bereitschaft zum Widerstand" als auch in den wesentlichen Forderungen Übereinstimmung bestehe. Durch ihre Beteiligung an der Aktionswoche des DGB (14. bis 20. Oktober) gegen die Wirtschaftsund Sozialpolitik der Bundesregierung erhoffte sich die DKP, das "Klassenbewußtsein" der Arbeitnehmer zu stärken und so -- als langfristige Perspektive -- die "subjektiven Faktoren", d.h. das Klassenkampfbewußtsein, für eine "revolutionäre Situation" zu fördern. Der DKP-Vorsitzende erklärte, die Kommunisten würden bei den Herbstaktionen der "Friedensbewegung" und der Gewerkschaften zu den "aktivsten Kräften dieser Kampfaktionen" gehören. Der DKP-Vorsitzende erklärte, Kommunisten sollten die "Unver31 söhnlichkeit des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit, die Notwendigkeit einer antisozialpartnerschaftlichen, klassenkämpferischen Politik" bewußt machen. Dabei dürfe "zwischen unseren wirtschaftspolitischen Tagesforderungen einerseits und unserer sozialistischen Zielsetzung andererseits keine chinesische Mauer aufgerichtet sein". In dieser Stellungnahme wird erneut deutlich, daß für die DKP ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen ihren bündnisfähigen, tagespolitischen Zielsetzungen und ihrem Endziel, der Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft, besteht. Ihre Beteiligung an der Aktionswoche des DGB diente der DKP auch dazu, ihre Kampagne gegen das SDI-Programm der USA voranzutreiben. Die DGB-Parolen "Arbeit für alle", "Stopp dem Sozialabbau" und "Verteidigung von Arbeitnehmerrechten" -- so argumentierte die DKP -- seien nur die "generellen Themen". Dagegen hätten "namhafte Gewerkschaftsvertreter bemerkenswerte weiterreichende Überlegungen" angestellt. Ein Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) habe betont, "daß es wichtig sei, in die Herbstaktivitäten den Kampf für Abrüstung und gegen die Militarisierung des Weltraums mit einzubeziehen". Nach Ansicht eines DKP-Präsidiumsmitglieds erfordere die Verhinderung der "Militarisierung des Weltraums" "objektiv eine stärkere, ideologisch klare, auf Aktionseinheit und demokratische Bündnisse orientierte DKP". Aus diesen Worten wird erkennbar, daß die DKP versucht, ihre "gewerkschaftlichen" Bündnisbemühungen mit ihren anderen Kampagnen zu verbinden und dadurch die von ihr umworbenen Bündnispartner auch für ihre anderen Bündnisthemen zu gewinnen. Sie erhofft sich mit dieser Integration offensichtlich, getreu ihrem bündnispolitischen Konzept, eine insgesamt größere Öffentlichkeitswirksamkeit zu erreichen. Mit mehrseitigen Berichten und Kommentaren in der UZ kommentierte die DKP den Verlauf der DGB-Aktionswoche. Zum "Erfolg" hätten das Zusammenwirken von Gewerkschaftern, Verbänden, Organisationen und Initiativen, die Appelle seitens der SPD ebenso "wie das aktive Wirken der DKP" beigetragen. Die Aktionswoche habe gezeigt, daß es "keine Sozialpartnerschaft zwischen Kapital und Arbeit" geben könne. Mit Parolen wie "Bei den Herbstaktionen auch gegen Hochrüstung", "Den Kampf gegen 'SDI' und Hochrüstung einbeziehen", "In jede Betriebsversammlung gehören Zusammenhänge von Hochrüstung und Sozialabbau" lenkte auch die UZ im Rahmen der Aktionswoche den Blick auf den "Zusammenhang" von Rüstungskosten und "Sozialabbau". "Neue Möglichkeiten" für die "Aktionseinheit" mit demokratischen Parteien sieht Mies bei der Abrüstungs-, Sozialund Bildungspolitik sowie beim Kampf gegen den "Antifaschismus". Die DKP werde nicht das Trennende aus früheren Jahren in den Vordergrund stellen, sondern das Verbindende und die "gemeinsame Verantwortung". Die DKP wolle die "Kräfte links von der CDU/CSU" für die Schaffung einer entsprechenden parlamentarischen Mehrheit sammeln. Im Hinblick auf die Bundestagswahl 1987 müsse das "radikal-demokratische und linke Spektrum" um "neue Formen des politischen und wahlpolitischen Zusammengehens ringen". Aus dieser Erklärung geht hervor, daß die DKP neben Sozialdemokraten und Gewerkschaften auch die Grünen als potentielle Partner ihrer Bündnispolitik ansieht. 32 2.2.6.2 Volksfrontpolitik Bei ihren Bemühungen, ein "breites antimonopolistisches Bündnis", eine sogenannte Volksfront zu bilden, wendet sich die DKP vor allem an Intellektuelle, an bürgerliche Kreise bis hin zu mittleren Unternehmen. Sie will diese Personenkreise in Bündnisse gegen das "Monopolkapital", und seien sie auch "sachlich und zeitlich noch so begrenzt", einbeziehen. Daher arbeite sie "aktiv in demokratischen Bewegungen, Bürgerinitiativen und Bündnissen mit". Im Rahmen ihrer Volksfrontpolitik führt die DKP Kampagnen vor allem mit Hilfe der von ihr beeinflußten Organisationen durch und greift Forderungen auf, die auch von demokratischen Gruppen vertreten werden. Dabei versucht die Partei jedoch, propagandistisch einen Bezug dieser tagespolitisch bestimmten, aktuellen Forderungen zu ihrer langfristigen kommunistischen Zielsetzung herzustellen. In erster Linie handelt es sich dabei um die Kampagnen für "Frieden und Abrüstung", "Frieden und Arbeit", "Stopp der Kriegsvorbereitungen und Militarisierung", aber auch gegen "Faschismus und Rechtsentwicklung", gegen "Berufsverbote" sowie gegen "Arbeitslosigkeit und Sozialabbau". Als "Schlüsselproblem der internationalen Sicherheit" bezeichnete die DKP die "Militarisierung des Weltraums", die "Raketenstationierung" und die "Hochrüstung". Die Kampagne gegen die NATO-Nachrüstung wurde im Jahr 1985 im Anschluß an Tagungen der Außenund Verteidigungsminister der Warschauer-PaktStaaten erweitert um die Kampagne gegen die "Militarisierung des Weltraums". Diese beiden Themen bildeten das zentrale Agitationsfeld der DKP im Rahmen ihrer Volksfrontpolitik. So begrüßte das DKP-Präsidium das vom Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow angekündigte Moratorium für die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen. Es werde den "Kampf der Friedenskräfte" gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen und gegen die "Militarisierung des Weltraums" fördern. Aufgabe "aller friedliebenden und demokratischen Kräfte, der Arbeiterund Friedensbewegung" sei es jetzt, den "Druck auf die Reagan-Administration" zu verstärken und die Bundesregierung mit Nachdruck aufzufordern, sich gegen die amerikanischen Pläne auszusprechen. Auch aus dieser Erklärung geht hervor, daß die DKP mit Hilfe der Kampagne gegen die "Weltraummilitarisierung" ihre verschiedenen Bündnispartner zu integrieren versucht. Orthodoxe Kommunisten versuchen seit jeher, mit "Massenaktionen" ihre politischen Vorstellungen zu "popularisieren" und ihre "Bündnisfähigkeit" zu demonstrieren. Ein geeignetes Mittel dazu sehen sie nach wie vor in den "Ostermärschen". Auch für die Beteiligung der DKP an den "Ostermärschen" gut ihr bündnispolitisches Konzept "Gemeinsames betonen -- Trennendes zu ückstellen". Mit diesem "Minimalkonsens-Konzept" kann die DKP zwar ihrerseits bei Aktionen der "Friedensbewegung" nur einen Teil ihrer Forderungen propagieren. Andererseits kann sie damit verhindern, daß nicht-kommunistische Gruppen der "Friedensbewegung" Positionen artikulieren, die mit den Zielen der DKP nicht übereinstimmen. Wie im Vorjahr ging der Einfluß der orthodoxen Kommunisten bei der Organisation und Durchführung der "Ostermärsche" 33 weit über ihre zahlenmäßige Beteiligung an der "Friedensbewegung" hinaus. Aufgrund ihres organisatorischen Einflusses gelang es der DKP, ihre neue Kampagne gegen die "Weltraummilitarisierung" sofort in die "OstermarschAufrufe" für Nordund Südbayern einzubeziehen. In Bayern beteiligten sich an den "Ostermärschen" rund 26.000 Personen. Nach Ansicht eines Mitglieds des Sekretariats des DKP-Parteivorstandes hätten die "Ostermarschinitiativen" zugleich ein "Bündniskonzept" zur verstärkten Einbeziehung von "Organisationen der Arbeiterklasse" entwickelt. Damit seien die wesentlichen Voraussetzungen für eine "alle Friedenskräfte umfassende, bundesweite Kampagne gegen die Militarisierung des Weltraums und die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen" vorhanden. Auch aus dieser Erklärung werden die bereits genannten Integrationsbemühungen der DKP im Rahmen ihrer Bündnispolitik deutlich. Es ist auch ein Erfolg der Bündnispolitik der DKP, daß der "Große Ratschlag" der "Friedensbewegung" am 16./17. Juni in Köln den Kampf gegen die "US-Weltraummilitarisierung" an erster Stelle seiner Protestthemen gesetzt hat. Auf der nordund südbayerischen Aktionskonferenz in Nürnberg bzw. in München, an der die DKP und von ihr beeinflußte Organisationen maßgeblich beteiligt waren, wandten sich die Teilnehmer im Anschluß an den "Großen Friedensratschlag" ebenfalls gegen das Konzept der strategischen Verteidigungsinitiative der USA. Der DKP-Vorsitzende Mies erklärte, der 8. Parteitag vom 2. bis 4. Mai 1986 in Hamburg werde einen "neuen Abschnitt im Kampf und in der Entwicklung" der Partei markieren. Dazu gehöre die "Konzentration aller Kräfte" auf die Entwicklung einer "Volksbewegung zur Verhinderung der Rüstung im Weltraum". Mies erklärte weiter, in der Bundesrepublik entwickle sich gegen die Weltraumrüstung eine Bewegung "von außerordentlicher Tiefe und Breite", die "bis in das Lager konservativer Kräfte hineinwirke". Außerdem empfahl er eine Unterschriftensammlung für den Aufruf "Wir warnen vor der Strategischen Verteidigungsinitiative" der "Naturwissenschaftler-Initiative: Verantwortung für den Frieden". Zum "Antikriegstag" des DGB am I.September rief der DKP-Parteivorstand die Mitglieder auf, die Aktionen des DGB zu unterstützen und hierbei für das "Verbot jeglicher Militarisierung des Weltraums", für den "Stopp der Raketenstationierung" und für die Senkung des Rüstungshaushalts zu demonstrieren. Für die DKP dürfte ihre Beteiligung an diesem "Antikriegstag" des DGB deshalb besonders interessant gewesen sein, weil hier ein umworbener Partner ihrer Aktionspolitik zu einem Hauptthema ihrer Volksfrontpolitik inhaltlich ähnliche Positionen vertrat. Die Veranstaltungen zum 30jährigen Bestehen der Bundeswehr bezeichnete die DKP als ein "säbelrasselndes Militärspektakel zur psychologischen Aufrüstung". Die Bundesregierung nähere sich der "amerikanischen Angriffskonzeption". Es müsse deutlich gemacht werden, daß die Stationierung von "Erstschlagswaffen" und eine "Militarisierung des Weltraums" den deutschen Sicherheitsinteressen widersprechen würde. Ein DKP-Parteivorstandsmitglied forderte die "Friedensbewegung" auf, sich im kommenden Jahr "zu neuen gemeinsamen und einheitlichen Massenaktionen" gegen die "Weltherrschaftspläne des US-Imperialismus" zusammenzufinden. Jetzt sei es notwendig, "von 34 der Information zu Protest und Widerstand überzugehen, zur Entwicklung einer breiten Massenkampagne gegen SDI und Weltraummilitarisierung". Das Bestreben der DKP, ihre einzelnen bündnispolitischen Themen zu verknüpfen, zeigte sich auch in ihrem Versuch, einen Zusammenhang herzustellen zwischen der Antimilitarisierungskampagne und der Kampagne gegen die Arbeitslosigkeit. Unter dem Motto "Statt Weltraumwaffen Arbeitsplätze schaffen" veranstaltete die DKP am 5. Oktober in Köln-Mülheim ihren "Arbeiterkongreß '85 gegen Sozialabbau und Armut". Nach Angaben der kommunistischen Presse beteiligten sich etwa 700 "Betriebsräte, Gewerkschafter, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Mitarbeiter verschiedener Bürgerinitiativen, darunter auch Sozialdemokraten, Grüne und Parteilose". Ein DKP-Präsidiumsmitglied stellte "Zusammenhänge" zwischen "Weltraummilitarisierung", Arbeitslosigkeit und "neuer Armut" her. Die behauptete Armut und die gegenwärtige Arbeitslosigkeit seien "Merkmale des kapitalistischen Systems", das sich als unfähig erwiesen habe, Vollbeschäftigung zu garantieren. In einem "Appell" nannten die Kongreßteilnehmer den Kampf gegen die "Pläne der USA zur Militarisierung des Weltraums" und für Abrüstung als "oberstes Gebot" und zugleich als "Grundlage jeden aktiven Widerstands gegen Sozialabbau" und für Schaffung von Arbeitsplätzen. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit forderte die DKP als "Sofortmaßnahme" ein "staatliches Beschäftigungsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 100 Milliarden DM". Nach Ansicht des DKP-Vorsitzenden nimmt auch der "Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit und für Beschäftigungsprogramme" "zunehmend den Charakter einer umfassenden Bewegung" an. Im Rahmen der Kampagne gegen die Jugendarbeitslosigkeit forderte die DKP-Ortsgruppe Erlangen im Juni 1985 die "Errichtung einer kommunalen Lehrwerkstatt" bei einem dort ansässigen Elektrokonzem und die Einführung eines "Nulltarifs" für arbeitslose Jugendliche bei allen städtischen Einrichtungen. Auf einer Veranstaltung der Münchner DKP-Ortsgruppen am 20. Februar forderte ein gewerkschaftlich orientierter DKP-Funktionär den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München auf, Maßnahmen gegen die zunehmende Arbeitslosigkeit in München zu ergreifen und endlich das Beschäftigungsprogramm des DGB zu verwirklichen. Daß es der DKP nur vordergründig um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geht, macht eine Äußerung des Sprechers des DKP-Parteivorstandes klar. Er stellte fest, daß zur Durchsetzung des Rechts auf Arbeit "dieses kapitalistische System überwunden" und damit der "Weg für eine sozialistische Gesellschaftsordnung freigemacht werden muß". Soziale Sicherheit könne erst mit dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung durchgesetzt werden. Insbesondere den 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs nahm die DKP zum Anlaß, ihre "Antifaschismuskampagne" zu betreiben. Der Kampf gegen den "Faschismus" ist für die DKP eine taktische Variante ihres Kampfes für den Sozialismus. Er basiert auf der Annahme, daß die gesellschaftlichen Wurzeln, aus denen der Faschismus hervorgegangen ist, nicht beseitigt seien, da es dem Monopolkapital gelungen sei, "in der heutigen Bundesrepublik" seine Macht wiederherzustellen. Der "antifaschistische Kampf" lehre, daß "Kampf gegen Faschismus und Krieg" zugleich "Kampf gegen Antikommunismus und Antisowjetismus" bedeute. Das Schlagwort "Antifaschistischer Kampf" wird 35 von der DKP vorgeschoben, um damit Bündnispartner zu gewinnen, die mit ihrer Ideologie im übrigen nicht übereinstimmen. Das DKP-Präsidium hob in einer Stellungnahme zum 8. Mai (40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs) hervor, die Partei habe einen "beachtlichen Beitrag zu den Manifestationen, Demonstrationen und Kundgebungen" geleistet. Sie appelliere an "Sozialdemokraten und Christen, an Grüne und Alternative, an parteilose und christliche Kolleginnen und Kollegen", gemeinsam die "großen historischen Lehren" zu beherzigen und in "solidarischer Partnerschaft" dafür einzutreten, daß nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehe. Der DKP-Vorsitzende Mies erklärte dazu, die "vielfältigen Aktivitäten" zum 8. Mai seien Ausdruck einer "kämpferischen, antifaschistischen-demokratischen Gesinnung" und Manifestation der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse und des Bündnisses aller Friedenskräfte". Ein Präsidiumsmitglied der W N - BdA bezeichnete es als Verdienst der Sowjetunion, wenn "wir in diesem kapitalistischen Rechtsstaat Bundesrepublik" nur "Berufsverbote und Diffamierungen aller Art erleben, aber nicht Massenmorde". Zum Tod eines Demonstranten, der bei gewalttätigen Ausschreitungen am 28. September in Frankfurt a.M. von einem Einsatzfahrzeug der Polizei tödlich verletzt wurde, erklärte der stellvertretende DKP-Vorsitzende, solange "Neonazis ungehindert und von der Polizei und den staatlichen Behörden geschützt ihr Unwesen treiben", bestehe das Recht und die Pflicht zum "antifaschistischen Widerstand". Die DKP wolle sich dieser Pflicht überall stellen. Die DKP nutzte den 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges (8. Mai) für vielfältige Aktionen. Sie verbreitete Publikationen, die sich mit der "Zerschlagung des Hitler-Faschismus" befaßten. Daneben fanden in zahlreichen Städten sogenannte "Befreiungsfeiern" statt, auf denen u.a. sowjetische Künstler auftraten. Nach wie vor wurde auch die Kampagne gegen die "Berufsverbote" betrieben. Der DKP-beeinflußte "Arbeitsausschuß" der überregionalen Initiative "Weg mit den Berufsverboten" kündigte in einer Erklärung an, seine Beschwerde gegen "Berufsverbote" in der Bundesrepublik Deutschland werde noch in der laufenden Sitzungsperiode beim Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf behandelt. Damit komme die "Berufsverbotspraxis" erstmals vor einem "so hohen internationalen Gremium" zur Sprache. Ein Mitglied des Sekretariats des DKP-Parteivorstandes schlug eine Kampagne für eine "berufsverbotsfreie Bundesrepublik" vor. Er wertete das Volkszählungsgesetz, das geplante Zivilschutzgesetz und die "Berufsverbote" als Maßnahmen zur inneren Militarisierung, die in die Globalstrategie von Reagans "Konfrontationskurs und Sternenkriegsplänen" einzuordnen seien. In Übereinstimmung mit der rechtsextremen NPD wertete die DKP den Beschluß der Regierung des Saarlandes, die im Januar 1972 von den Regierungschefs des Bundes und der Länder beschlossenen Richtlinien zur Überprüfung der Verfassungstreue von Bewerbern und Angehörigen des öffentlichen Dienstes nicht mehr anzuwenden, als "wichtigen Erfolg des jahrelangen Kampfes". Der stellvertretende Chefredakteur der UZ sprach von einer "Wiederherstellung des Grundgesetzes und der verfassungsmäßigen Rechte", die jetzt auch von 36 den anderen Landesregierungen und der Bundesregierung nachvollzogen werden müsse. Auch in die Proteste gegen die geplante Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Wackersdorf, Landkreis Schwandorf, schaltete sich die DKP ein. Nach Ansicht der DKP erfordere die "Atommafia das gemeinsame Handeln aller Gegner der Atomwaffenfabrik". Mit dem geplanten Bau hätten sich "die Kräfte durchgesetzt, die die Bundesrepublik zur militärischen Atommacht machen wollen". 37 Das "WAAWahnsinnsprojekt" müsse verhindert werden. Das sei insbesondere dann möglich, wenn der "Widerstand" verbreitert, alle "Aktionsformen" genutzt und der "Schulterschluß" mit den demokratischen "Massenbewegungen" wie der "Friedensbewegung", der "Arbeiterbewegung" und der "Umweltbewegung" hergestellt werden könne. Anläßlich einer Demonstration gegen die Wiederaufarbeitungsanlage am 12. Oktober in München wandte sich die DKP mit folgendem Aufruf an die WAA-Gegner: -- Wenn das "WAA-Wahnsinnsprojekt" verhindert werden soll, müssen alle WAA-Gegner zusammenhalten. -- Die WAA ist zu verhindern, wenn wir den Widerstand verbreitern, uns nicht gegeneinander ausspielen lassen, alle Aktionsformen anwenden und sie zusammenführen. -- Den Schulterschluß mit den demokratischen Massenbewegungen herstellen, der Friedensbewegung, der Arbeiterbewegung, der Umweltbewegung und der Bewegung für die Verteidigung der demokratischen Rechte. -- Bei unserem Widerstand nicht nur die Oberpfalz und den Bauplatz im Auge haben, sondern ihn auf das ganze Land ausdehnen. unsere zeit Die Zeitung der arbeitenden Menschen -- Zeitung der DKP 17. Jahrgang Nr. 243 Dienstag, den 17, Dezember 1985 Preis 50 Pfennig 2.2.7 Publikationen, Verlage und sonstige Propagandaträger Die wichtigste Publikation der DKP ist ihr Zentralorgan "Unsere Zeit -- Die Zeitung der arbeitenden Menschen -- Zeitung der DKP" (UZ). Sie erschien an Werktagen in einer Auflage von etwa 25.000, die Wochenendausgabe am Freitag in einer Auflage von rund 48.000 Exemplaren. Die Forderungen und Vorschläge der DKP zu aktuellen Themen werden jedoch nicht nur in UZ-Artikeln, sondern auch in zahlreichen Broschüren veröffentlicht. 1985 erschienen u.a. die Broschüren "Thesen zum 8. Parteitag der DKP -- Neue Fragen des Kampfes für Frieden und Arbeit -- für eine demokratische Wende", "Keine Frau zur Bundeswehr! Wir wollen in Frieden leben!", "Ernst Thälmann 1886 -- 1944 -- Heran an die Massen!", "Das Neue in der Lage und die Vorbereitung des 8. Parteitages der DKP", "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert. Es kommt darauf an, sie zu verändern -- Mitglied werden -- DKP -- die Roten", "DKP-Ratgeber für Arbeitslose -- Tips & Argumente", "1945 -- 40. Jahrestag der Befreiung -- 8. Mai", "Die DKP -- eine demokratische Partei", "Mehr Kommunisten braucht das Land!". Aufsehen erregte die Veröffentlichung der Taschenbücher "Im Schatten des großen Geldes" und "Die Stamokap-Republik der Flicks" im August 1985, die vom Pahl-Rugenstein-Verlag in Köln und vom Verlag "Marxistische Blätter" in Frankfurt herausgegeben wurden. 38 DKP-Kleinzeitungen 39 Große Bedeutung mißt die DKP auch ihren Kleinzeitungen bei. 1985 erschienen in Bayern über 60 (1984: über 50) Kreis-, Orts-, Stadtteilund Wohngebietszeitungen der DKP, viele allerdings nur gelegentlich. Neben bundesweiten Themen wie "Friedensherbst 1985 -- Die Weltraumkrieger zum Frieden zwingen!", "Wir alle wollen weiterleben! Weg mit Weltraumwaffen und Raketen!", "Vorschlag SPD und SED -- Chemiewaffenfreie Zone", "Kämpfer werden gebraucht -- DKP -- Anpasser gibt es genug!", "Aufruf zur Teilnahme an der Aktionswoche des DGB vom 14. bis 20. Oktober 1985" wurden in den Ausgaben auch örtliche Probleme behandelt. 1985 wurden 42 (1984: 39) Betriebszeitungen bekannt. Etwa ein Drittel von ihnen erschien nur sporadisch. Als Anleitung für das Abfassen der Kleinzeitungen verteilte der DKP-Parteivorstand monatlich die Broschüre "infodienst". Ferner gab der DKP-Parteivorstand das "Handbuch für Betriebszeitungen, Wohngebietsund Hochschulzeitungen der DKP" sowie vierteljährlich die Zeitschrift "Praxis -- Erfahrungen aus dem Leben und der Arbeit der Partei" heraus. Der DKP-Verlag Marxistische Blätter in Frankfurt a.M. gibt das gleichnamige Organ heraus, das alle zwei Monate erscheint. Seit seinem Bestehen publiziert der Verlag darüber hinaus Bücher zu Themen der marxistischen Theorie und Praxis. Neuerscheinungen im Jahr 1985 waren z.B. Bücher mit Titeln wie "Große Krisen des Kapitalismus -- Lange Wellen der Konjunktur -- Beiträge zur aktuellen Krisenanalyse und Monopoltheorie", "Gemeindeleute -- Handbuch für eine alternative kommunalpolitische Praxis" und "Emanzipation in der Krise -- Materialien zur Lebenslage der Frauen". Die DKP-beeinflußte Arbeitsgemeinschaft sozialistischer und demokratischer Verleger und Buchhändler hat das Ziel, mit "Literatur" als "Waffe im Klassenkampf" den Weg zum Sozialismus zu weisen. Der "Arbeitsgemeinschaft" gehörten 1985 elf Verlage und etwa dreißig "collektiv"-Buchhandlungen an. In Bayern gibt es "collektiv"Buchhandlungen, die unter "Libresso"Zentren firmieren, in Nürnberg und München. Die Verlage decken mit ihren periodischen Schriften und der sonstigen Literatur thematisch die "Kampffelder" der DKP, ihrer Nebenorganisationen und von ihr beeinflußter Organisationen ab. Die Plambeck & Co. Druck und Verlag GmbH in Neuss verlegt und druckt die UZ und die Mehrzahl aller Publikationen der Orthodoxen Linken. Seit der Übernahme des Damnitz-Verlags in München druckt sie auch die "Literarische Vierteljahresschrift Kürbiskern -- Literatur, Kritik, Klassenkampf" sowie "tendenzen -- Zeitschrift für engagierte Kunst". DKP-Funktionäre gehören zu den Herausgebern des "Kürbiskern". Dem Redaktionskollektiv der Zeitschrift "tendenzen" gehört ein Mitglied des DKP-Parteivorstands an. Die Publikationen des Pahl-Rugenstein-Verlags dienen vor allem der Bündnispolitik. Ein weiterer Propagandaträger ist die UNIDOC-Film GmbH. Nach Angaben ihres Leiters, eines DKP-Funktionärs, sieht sie es als "wichtigste Zielsetzung" an, "die DKP in ihrem Kampf zu unterstützen". Das Verleihprogramm umfaßt u.a. Filme zum "politischen und sozialen Kampf in Westdeutschland", zum "Aufbau des Sozialismus", zur "internationalen Solidarität" und "gegen Faschismus und Krieg". 40 SolidaritätsZeitung "'he, Kapital und Kabinett wollen Kapitulation - Solidarität mit den Gewerkschaften ! Streikrecht verteidigen Friedens ^Jy Zeitung * * (DKP), B c i i r k Südbayern -