Verfassungsschutzbericht Bayern 1977 Bayerisches Staatsministerium des Innern l/erfassunosscliutzbericht Bayern 1977 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern, Odeonsplatz 3, 8 München 22 RBNr. 03A/78/05 Gesamtherstellung: Druckhaus Bayreuth Es ist in letzter Zeit Mode geworden, den Verfassungsschutz zu schelten, ja es wird sogar manchmal versucht, ihn in den Bereich der Illegalität abzudrängen. Dagegen ist deutlich festzustellen, die Aufgaben des Verfassungsschutzes sind durch Verfassung, durch Recht und Gesetz geregelt. Ein Rechtsstaat kann auf den Schutz seiner Verfassung nicht verzichten. Der Verfassungsschutz trägt dazu bei, die Freiheit in unserem Lande vor den Feinden der Freiheit zu schützen. Der Verfassungsschutz verdient deshalb das Vertrauen und die Mithilfe der Bürger. Dieser Bericht soll dazu beitragen, das Verständnis der Bürger für die Aufgaben des Verfassungsschutzes zu vertiefen. Allen Mitarbeitern, die im Bereich des Verfassungsschutzes tätig sind, danke ich für ihre meist sehr undankbare Arbeit. München, im Mai 1978 M Dr. Alfred Seidl Inhalt 1. Abschnitt Allgemeiner Überblick 11 2. Abschnitt Linksextremismus 13 1. Allgemeines 13 1.1 Kommunistische Kernorganisationen 14 1.2 Kommunistische Nebenorganisationen 14 1.3 Kommunistisch beeinflußte Organisationen 15 1.4 Sonstige linksextreme Gruppen 16 2. Orthodoxe Kommunisten 16 2.1 Überblick 16 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 17 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort 17 2.2.2 Organisation 19 2.2.3 Aktivitäten 22 2.3 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 24 2.3.1 Ideologie und Organisation 24 2.3.2 Aktivitäten 28 2.4 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB) 29 2.5 Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP) 31 2.6 Von der DKP beeinflußte Organisationen 32 2.6.1 Allgemeines 32 2.6.2 Deutsche Friedens-Union (DFL!) 33 2.6.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN - BdA) * 34 2.6.4 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) 36 2.6.5 Deutsche FriedensgesellschaftVereinigte Kriegsdienstgegner (DFG - VK) 37 2.6.6 Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) 39 2.6.7 Komitees und Initiativen gegen die "Berufsverbote" 40 3. Neue Linke 41 3.1 Überblick 41 3.2 Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) 42 3.2.1 Ideologisch-politischer Standort 42 3.2.2 Organisation 43 3.2.3 Aktivitäten 45 3.2.4 Soldatenund Reservistenkomitees (SRK) 47 3.3 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 47 3.3.1 Ideologisch-politischer Standort 47 3.3.2 Organisation 49 3.3.3 Aktivitäten 49 3.3.4 Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD) 50 3.3.5 Kommunistischer Studentenverband (KSV) 51 3.3.6 Liga gegen den Imperialismus 51 3.4 Kommunistische Partei Deutschlands/ Marxisten-Leninisten (KPD/ML) 53 3.4.1 Ideologisch-politischer Standort 53 3.4.2 Organisation 54 3.4.3 Aktivitäten 55 3.5 Kommunistischer Bund (KB) 56 3.6 Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) 58 3.7 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 59 3.8 Gruppe Internationale Marxisten - Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM) 60 3.9 Undogmatische Gruppen 61 3.9.1 Allgemeines 61 3.9.2 Sozialistisches Büro (SB) 62 3.9.3 Kollektiv Rote Hilfe München 62 3.9.4 Gefangenengruppe Nürnberg 63 3.9.5 Verlage und Schriften 63 3.10 Kampagne der Gruppen der Neuen Linken gegen den Bau von Kernkraftwerken 64 3.10.1 Allgemeines 64 3.10.2 Träger der Kampagne 64 3.10.3 Aktivitäten 65 3.11 "III. Internationales Russell-Tribunal" 66 3. Abschnitt Rechtsextremismus 69 1. Allgemeines 69 1.1 Rechtsextreme Kernorganisationen 69 1.2 Rechtsextreme Nebenorganisationen 70 1.3 Neonazistische Organisationen 70 1.4 Sonstige rechtsextreme Organisationen 70 2. Alte Rechte 70 2.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 70 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort 70 2.1.2 Organisation 71 2.1.3 Aktivitäten 72 2.1.4 Nebenorganisationen der NPD Junge Nationaldemokraten (JN) Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 73 2.2 Deutsche Volksunion (DVU) 75 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort 75 2.2.2 Organisation 75 2.2.3 Aktivitäten 76 2.3 Neonazistische Organisationen und Vorfälle 77 2.3.1 Allgemeines 77 2.3.2 Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/ Partei der Arbeit (VSBD/ PdA) 77 2.3.3 Deutsche Bürgerinitiative (DBI) 78 2.3.4 Kampfbund Deutscher Soldaten (KDS) 79 2.3.5 Aktionsgemeinschaft Nationales Europa (ANE) 79 2.3.6 Freundeskreis Denk mit 80 2.4 Sonstige Organisationen der Alten Rechten 80 2.4.1 Deutscher Block (DBI) 80 2.4.2 Aktion Oder-Neiße (AKON) 81 2.4.3 Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) 81 2.4.4 Bund Albert Leo Schlageter 82 2.5 Publizistik der Alten Rechten 82 3. Neue Rechte 83 3.1 Allgemeines 83 3.2 Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (SdV/NRAO) 84 3.3 Solidaristische Volksbewegung (SVB) 84 4. Internationaler Rechtsextremismus 84 4. Abschnitt Gewalt und Terror 86 1. Allgemeine Lage 86 2. Lage in Bayern 87 3. Terroristische Gruppen 88 4. Terroristisches Umfeld 89 5. Abschnitt Extremismus im Bildungsbereich 91 1. Allgemeines 91 2. Extreme Studentengruppen 91 2.1 Orthodoxe Kommunisten 92 2.2 Neue Linke 92 2.3 Alte Rechte 92 2.4 Sonstige Gruppen 92 3. Orthodox-kommunistische Studentengruppen 93 3.1 DKP-Hochschulgruppen 93 3.2 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB) 93 4. Sozialistischer Hochschulbund (SHB) 94 5. Studentengruppen der Neuen Linken 94 6. Sonstige extremistische Studentengruppen 95 6.1 Marxistische Gruppen (MG) 95 6.2 Demokratische Front (DF) 95 7. Vereinigte Deutsche Studentenschaften e. V. (VDS) 96 8. Aktivitäten 96 9. Wahlen an den Hochschulen 97 10. Weiterführende Schulen 98 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 99 1. Allgemeines 99 2. Rechtsstaatliches Verfahren 99 3. Bayerische Praxis 100 7. Abschnitt Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 104 1. Allgemeines 104 2. Afrikanische Gruppen 105 3. Arabische Gruppen 106 4. Griechische Gruppen 108 5. Iranische Gruppen 110 6. Italienische Gruppen 112 7. Jugoslawische Gruppen 114 8. Lateinamerikanische Gruppen 116 9. Ostemigration 116 10. Spanische Gruppen 118 11. Türkische Gruppen 119 8. Abschnitt Spionageabwehr 123 1. Allgemeine Erfahrungen 123 2. Die Rolle der Nachrichtendienste in kommunistischen Staaten 124 8 3. Werbungen, Werbungsversuche und Werbungsmethodik 124 4. Aufträge 125 5. Die sowjetischen Nachrichtendienste 125 6. Die Nachrichtendienste der DDR 126 7. Die tschechoslowakischen Nachrichtendienste 127 8. Die polnischen Nachrichtendienste 128 9. Die jugoslawischen Nachrichtendienste 129 10. Beurteilung 129 Anlage 1 Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1974 132 Anlage 2 Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 136 Abkürzungsverzeichnis 140 9 1. Abschnitt Allgemeiner Überblick In Fortführung der im vergangenen Jahr begonnenen zusammenfassenden Darstellung der sicherheitspolitischen Entwicklung in Bayern legt das Bayerische Staatsministerium des Innern nunmehr den Bericht über den Verfassungsschutz im Jahre 1977 vor. Hierin sind die offenen Erkenntnisse aus den im einzelnen aufgezeigten Gefährdungsbereichen verwertet, für deren Sammlung der Verfassungsschutz nach einem gesetzlichen Auftrag zuständig ist. Vorweg ist zu sagen, daß das Berichtsjahr von schwersten Erscheinungsformen des Terrors überlagert war. Die daran ausgerichtete Abwehr hat auch die größten Anstrengungen im Felde des Verfassungsschutzes erfordert sowie zur Einleitung erheblicher personeller und materieller Verstärkungen Anlaß gegeben. Die Schwere der Gefahr erscheint keineswegs gebannt. Dagegen ist in der Berichtszeit wiederum deutlich geworden, daß der sonstige Extremismus von links und von rechts in Bayern keine die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Substanz bedrohende Gefährdung darstellt. Der Linksextremismus konnte zwar über die Antikernkraftbewegung seinen Aktionsraum weiter ausbauen, seine Mitgliederzahl jedoch nur unwesentlich anheben. Als stärkster Block, der langfristig eine sicherheitspolitisch ernstzunehmende Gefährdungstendenz aufweist, trat wiederum die orthodoxe, moskauorientierte Linke in Erscheinung, und hier insbesondere die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Sie umfaßt etwa vier Fünftel des linksextremen Potentials. Gestützt auf straffe Organisationsformen und die ideologische und materielle Unterstützung, namentlich durch die DDR, führte die DKP um so leichter ihre verfassungsfeindliche Zersetzungsarbeit fort. Unverkennbar bleibt das Ziel der DKP, ihrer Nebenorganisationen und der von ihr beeinflußten Gruppen, eine breite Front aller Linkskräfte zusammenzuführen, um der vorgegebenen "Retail schisierung" der Bundesrepublik Deutschland entgegenzuwirken. Einen besonderen Schwerpunkt der kommunistischen Aktivität bildete die Kampagne gegen den Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 über die Verfassungstreue im öffentlichen Dienst, wobei die orthodoxen Kommunisten erneut nach "Volksfronttaktik" vorgingen und damit wiederum Angehörige demokratischer Organisationen für ihre Ziele gewannen. Weitere Kernpunkte kommunistischer Agitation waren die Themen "Frieden" und "Abrüstung"; auch hier ist es den orthodoxen Kommunisten gelungen, ihre Aktionen zu "demokratischen antifaschistischen Bündnissen" auszubauen. Schließlich blieb die DKP bemüht, ihr "konstruktives Verhältnis zum demokratischen Prinzip des Grundgesetzes" hervorzuheben. Im Hochschulbereich zeigte sich weiterhin eine beträchtlichere Resonanz für linksextreme Ideologien, als das in anderen Bevölkerungsgruppen der Fall ist; er bietet ein prägnantes Beispiel für die "antimonopolistische" Bündnisstrategie der Kommunisten. Der Rechtsextremismus hat 1977 eine zahlenmäßige Schwächung erlitten. Das gilt vor allem für die nennenswert organisierten Teile. Die neonazistischen und antisemitischen Vorfälle stiegen an, wobei allerdings eine Gesamtsteuerung der Aktionen nicht erkennbar war. Die weitere Entwicklung muß sorgfältig beobachtet werden, nicht zuletzt im Hinblick auf die Wirkungen im Ausland. Die extremistischen Aktivitäten von Ausländern und Ausländerorganisationen gefährdeten zwar die innere Sicherheit nicht konkret, sie bedürfen jedoch wegen der internationalen Verflechtungen insbesondere im Terrorbereich auch künftig sorgfältiger Beobachtung. In der Spionageabwehr ist weiterhin höchste Wachsamkeit geboten. Die Bundesrepublik Deutschland war auch im Berichtsjahr vorrangiges Ziel der Ausspähungstätigkeit. Die Nachrichtendienste der DDR hatten daran wiederum den Hauptanteil. Unbeschadet der Aktivitäten der Extremisten, der Spionagetätigkeit östlicher Nachrichtendienste und der terroristischen Bedrohung war die innenpolitische Sicherheit in Bayern auch 1977 insgesamt nicht ernsthaft in Gefahr. Es bedarf jedoch in der Zukunft erheblicher Anstrengungen, insbesondere der Sicherheitsorgane, diese Sicherheit auch weiterhin zu gewährleisten. 12 2. Abschnitt Linksextremismus 1. Allgemeines Ende 1977 gab es in Bayern 212 linksextreme Organisationen und Gruppen, denen etwa 10 300 Personen als Mitglieder angehörten. Ende 1976 waren es 197 Organisationen und Gruppen mit insgesamt 10 200 Mitgliedern. Damit setzte sich der Trend fort, nach dem die Zahl der linksextremen Organisationen zunimmt, der Mitgliederzuwachs jedoch gering bleibt. Die Zunahme der Organisationen ist in erster Linie auf Neugründungen und weniger auf Spaltungen bestehender Gruppen zurückzuführen. Der Mitgliederzuwachs kam den Gruppen der Neuen Linken zugute, die nunmehr zusammen etwa 2100 (1976: rund 2000) Mitglieder haben. Die Organisationen der orthodoxen Kommunisten konnten ihren Mitgliederstand von etwa 8200 halten. Insgesamt müssen bei diesen Zahlen jedoch zahlreiche Doppelmitgliedschaften berücksichtigt werden. Die Linksextremisten setzten ihren politischen Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung auch 1977 unvermindert fort. Durch zahlreiche Aktionen und Demonstrationen sowie durch verstärkte publizistische Tätigkeit versuchten sie, die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse schrittweise zu verändern. Darin sind sich trotz ihrer Zerstrittenheit die moskauorientierten orthodoxen Kommunisten und die Gruppen der Neuen Linken einig. Sie wollen auf dem Wege über die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats die bestehende Grundordnung beseitigen und einen kommunistischen Staat errichten. Sie unterscheiden sich darin nur in der Methode: Während die orthodoxen Kommunisten nach außen den Eindruck der formalen Verfassungskonformität zu erwecken versuchen, bekennen sich die Neuen Linken offen zur revolutionären Gewalt. Die bedeutendsten linksextremen Organisationen und Gruppen sind: 13 1.1 Kommunistische Kernorganisationen 1.1.1 Orthodoxe Linke Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 1.1.2 Neue Linke Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) Kommunistischer Bund (KB) Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Gruppe Internationale Marxisten - Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM) 1.1.3 Diese kommunistischen Kernorganisationen wirken im Sinne des Marxismus-Leninismus und verstehen sich als führende Kraft im Kampf für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. 1.2 Kommunistische Nebenorganisationen 1.2.1 der DKP Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB) Junge Pioniere-Sozialistische Kinderorganisation (JP) 1.2.2 des KBW Kommunistische Jugendbünde (KJB) Kommunistische Hochschulgruppen (KHG) Soldatenund Reservistenkomitees (SRK) Komitee Südliches Afrika (KSA) Komitees und Initiativen gegen SS 218 1.2.3 der KPD Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD) Kommunistischer Studentenverband (KSV) Liga gegen den Imperialismus 14 Rote Hilfe e. V. (RH) Vereinigung Sozialistischer Kulturschaffender (VSK) 1.2.4 der KPD/ML Rote Garde (RG) Kommunistischer Studentenbund/Marxisten-Leninisten (KSB/ML) Rote Hilfe Deutschlands (RHD) 1.2.5 des KB Sozialistischer Studentenbund (SSB) Sozialistischer Schülerbund (SSB) 1.2.6 Des KABD Revolutionärer Jugendverband Deutschlands (RJVD) Kommunistische Studentengruppen (KSG) 1.2.7 des AB Kommunistischer Hochschulbund (KHB) Rote Schülerfront (RSF) 1.2.8 derGIM GIM-Hochschulgruppen Diese organisatorisch selbständigen Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Führungsgremien ordnen sich der jeweiligen Kernorganisation unter. Sie bekennen sich wie diese zum Marxismus-Leninismus. Maßgebende Funktionen der Vereinigungen sind mit Mitgliedern der Kernorganisation besetzt. 1.3 Kommunistisch beeinflußte Organisationen 1.3.1 Bei einem großen Teil der 212 linksextremen Organisationen und Gruppen handelt es sich um Vereinigungen, die sich meist "überparteilich" oder "unabhängig" darstellen, tatsächlich aber unter einem mehr oder weniger starken Einfluß der kommunistischen Kernund Nebenorganisationen stehen. Der Einfluß drückt sich insbesondere darin aus, daß sie - von ihnen oder auf ihre Initiative hin gegründet wurden, - in ihrer Mitgliedschaft und besonders in wichtigen Führungsfunktionen von Kommunisten unterwandert sind, 15 - eng mit den Kernoder Nebenorganisationen zusammenarbeiten, - Ziele verfolgen, die sich in Teilbereichen mit typisch kommunistischen Zielsetzungen decken. Teilweise liegen mehrere oder alle diese Merkmale vor. Entsprechend stark ist dann der kommunistische Einfluß. So gibt es Gruppen, die keine wesentliche Entscheidung gegen den Willen der Kernoder Nebenorganisation treffen können; bei anderen ist trotz erheblichen kommunistischen Einflusses noch Raum für politisches Eigenleben. 1.3.2 Die wichtigsten kommunistisch beeinflußten Organisationen sind: Deutsche Friedens-Union (DFU) Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN - BdA) Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) Einzelne Komitees und Initiativen gegen "Berufsverbote" Einzelne Komitees und Initiativen gegen "Kernkraftwerke" "Russell-Initiativen" und "Russel-Unterstützungskomitees" 1.4 Sonstige linksextreme Gruppen Daneben gibt es noch zahlreiche linksextreme Komitees, Arbeitsgemeinschaften und Initiativgruppen vielfältig aufgesplitterter, autonomer, anarchistischer, spontaneistischer oder undogmatischer Richtungen, die die verfassungsmäßige Ordnung revolutionär beseitigen wollen, jedoch das Konzept des dogmatischen Marxismus-Leninismus ablehnen. Bei diesen Gruppen handelt es sich häufig um kleine, lose und kurzlebige Zusammenschlüsse, die im Zusammenhang mit konkreten Vorfällen entstehen und Aktionen in bestimmten Bereichen, zum Beispiel beim Kampf gegen den SS 218 StGB und der Gefangenenbetreuung, durchführen. 2. Orthodoxe Kommunisten 2.1 Überblick Die orthodoxen Kommunisten bekennen sich zum Marxismus16 Leninismus sowjetischer Prägung und folgen bedingungslos der ideologischen und politischen Linie der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR. In der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Bayern werden die orthodoxen Kommunisten von der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und deren Nebenorganisationen, der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), dem Marxistischen Studentenbund Spartakus (MSB) und den Jungen Pionieren - Sozialistische Kinderorganisation (JP) sowie mit Einschränkungen von kommunistisch beeinflußten Organisationen vertreten. Sie bilden einen festgefügten Block, haben eine gute finanzielle Basis und sind vor allem im Funktionärsbereich eng miteinander verflochten. Sie werden nach dem Grundsatz des zur kommunistischen Lehre gehörenden "demokratischen Zentralismus" geführt und bekennen sich, wenn aus Tarnungsgründen auch nicht immer offen ausgesprochen, zur sozialistischen Revolution, zur Diktatur des Proletariats und zum proletarischen Internationalismus. Das Grundmodell ihrer "sozialistischen Ordnung" sehen sie in den sozialistischen Ländern, insbesondere in der DDR, verwirklicht. Die orthodoxen Kommunisten werden vor allem von Teilen des sogenannten Friedenslagers und von Initiativgruppen unterstützt, die vielfach von ihnen unterwandert und beeinflußt sind. Hierzu gehören vor allem: die Deutsche Friedens-Union (DFU), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN - BdA), die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG - VK), das Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ), die Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ), der Sozialistische Hochschulbund (SHB) sowie Komitees gegen die "Berufsverbote". 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Die am 26. September 1968 anstelle der im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründete DKP nimmt für sich die politische Führung der orthodoxen Kommunisten in Anspruch. Sie blieb auch 1977 mit Abstand die stärkste extreme Partei und folgte in allen ideologischen und politischen Fragen bedingungsund kritiklos der Linie der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und der Sozialistischen Einheitspartei Deutsch17 lands (SED) der DDR. Im Gegensatz zu anderen westlichen kommunistischen Parteien lehnt sie es ab, die Ideologie des Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung durch nationale Komponenten zu modifizieren. Nach ihrer Ansicht müssen nationale Besonderheiten in den internationalen Klassenkampf eingeordnet werden und dürfen nicht über die Prinzipien des "proletarischen Internationalismus" gestellt werden. Mit dieser Begründung lehnt sie den sogenannten Eurokommunismus ab. Die DKP verurteilt weiter jede Art von "Rechtsund Linksopportunismus", d. h. Abweichungen von der sowjetischen Linie, insbesondere den "antisowjetischen, entspannungsfeindlichen" Kurs der chinesischen Kommunisten. Die DKP blieb auch 1977 ihren verfassungsfeindlichen Zielsetzungen treu. Das ergibt sich vor allem aus dem Entwurf ihres neuen Parteiprogramms, den der DKP-Parteivorstand auf seiner 7. Tagung am 19./20. November 1977 verabschiedete. Der Programmentwurf, der beim nächsten Parteitag der DKP im Oktober 1978 verabschiedet werden soll, ist eine Zusammenfassung und Fortschreibung der bisherigen programmatischen moskautreuen Aussagen. In dem Entwurf werden die bekannten verfassungsfeindlichen Ziele der DKP festgeschrieben: So bezeichnet der Entwurf die DKP als die "revolutionäre Partei der Arbeiterklasse", die ihre Politik auf den "Marxismus-Leninismus" gründe, ihre "brüderlichen Beziehungen zur KPdSU und SED" immer weiter ausbaue und einen Sozialismus errichten wolle, der von den "allgemeinen Gesetzmäßigkeiten" geprägt sein werde, wie sie von Marx, Engels und Lenin dargelegt und durch die Oktoberrevolution bestätigt worden seien. Der Weg zur "sozialistischen Umwälzung", d. h. zur sozialistischen Revolution, solle durch den Kampf um die "antimonopolistische Demokratie" geöffnet werden. Neu ist lediglich, daß die DKP vor die "antimonopolistische Demokratie" als weitere Übergangsstufe den "Kampf um die Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt" schaltete. Im übrigen will die DKP wie bisher durch "Aktionseinheiten" mit Organisationen der "Arbeiterklasse", wie Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Genossenschaften, und darüber hinaus durch "eine einheitliche Front aller demokratischen Kräfte des Volkes", die sogenannte Volksfront, eine Massenbasis zur Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele schaffen. Die DKP vermeidet in dem Programmentwurf weiterhin ein ausdrückliches Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. In den Grundrechten des Grundgesetzes, zu denen sie sich nur mit Einschränkungen bekennt, sieht sie vor18 nehmlich ein Instrument der Arbeiterklasse im Kampf um den Sozialismus. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der DKP ergibt sich ferner aus ihrer vorbehaltslosen Identifizierung mit dem in der DDR herrschenden Staatsund Gesellschaftssystem, das mit den unverzichtbaren Elementen einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar ist und im Widerspruch zu den Grundprinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Bayern steht. Die Systemüberwindung will die DKP nach eigenen Aussagen möglichst mit systemkonformen Mitteln unter Verzicht auf Gewalt erreichen. 2.2.2 Organisation Die DKP verzeichnete nach Jahren der Stagnation 1977 einen leichten Mitgliederzuwachs. Der DKP-Parteivorsitzende Herbert Mies behauptete, daß die DKP im Rahmen des im Jahre 1977 durchgeführten "Max-Reimann-Aufgebots" (Mitgliederwerbung) über 5000 neue Mitglieder gewonnen habe. Tatsächlich erhöhte sich jedoch die Zahl der Mitglieder der DKP im Bundesgebiet unter Berücksichtigung der Abgänge nur von rund 40 000 auf etwa 42 000. In Bayern stieg die Mitgliederzahl von etwa 2600 auf rund 2700 an. Die organisatorische Struktur der DKP hat sich in Bayern im Jahre 1977 gegenüber dem Vorjahr nicht verändert. Es bestehen die Bezirksorganisationen Nordund Südbayern, die jeweils dem Bundesvorstand unmittelbar unterstellt sind. Den beiden Bezirksorganisationen nachgeordnet sind die Gebietsund Kreisorganisationen, die Ortsverbände, die Stadtteilund Wohngebietsgruppen sowie Betriebsund Hochschulgruppen. Das Schaubild auf Seite 21 vermittelt einen näheren Überblick über die Organisation der DKP in Bayern. Nach dem gemäß SS 23 Parteiengesetz Ende 1977 veröffentlichten Rechenschaftsbericht nahm die DKP im Jahre 1976 insgesamt 12,6 Millionen DM (1975: 12,2 Millionen DM) ein. Davon entfielen auf Mitgliedsbeiträge 2,7 Millionen DM = 21,4% und auf Spenden 6,4 Millionen DM = 50,8%. Für die Bezirksorganisation Nordbayern sind 447 335,20 DM Gesamteinnahmen ausgewiesen, von denen auf Mitgliedsbeiträge 129 9 6 7 - DM und auf Spenden 208 735,95 DM entfielen. Die DKP-Bezirksorganisation Südbayern erzielte 572 888,92 DM Gesamteinnahmen, in denen 89 4 0 8 - DM Mitgliedsbeiträge und 319 491,86 DM Spenden enthalten sind. Der Kassier des DKP-Parteivorstandes wies in dem DKP-Zentral19 organ "Unsere Zeit" (UZ) die "verwerfliche Lüge" über finanzielle Zuwendungen an die DKP aus Staaten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zurück, die die Partei als "ferngesteuert" unglaubwürdig machen solle. Tatsächlich ist die DKP jedoch auf erhebliche Zuwendungen angewiesen, um ihren aufwendigen Parteiapparat unterhalten und die zahlreichen Veranstaltungen, Aktionen, Wahlkämpfe sowie die umfangreiche publizistische Agitation finanzieren zu können. Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß die DKP samt ihren Nebenorganisationen und für die von ihr geförderten Verlage und sonstigen Einrichtungen rund 50 Millionen DM aus der DDR erhalten hat. Als Geldquelle nutzten DKP und SED auch den Ost-West-Handel. Sie stützen sich dabei auf ein Netz kommunistisch gelenkter Firmen, die durch ihre Geschäftspraktiken unter Ausnutzung der im Ost-West-Handel gegebenen Möglichkeiten zusätzliche Gewinne erzielen, die letztlich kommunistischen Aktivitäten zugute kommen. Die "Hausdruckerei" der DKP ist die Plambeck & Co., Druck und Verlag GmbH in Neuss. Sie verlegt wie bisher das täglich erscheinende DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) und druckt die Mehrzahl aller Publikationen der orthodoxen Linken. Der DKPVerlag Marxistische Blätter, Frankfurt/M., gibt das gleichnamig erscheinende theoretische Organ der DKP heraus. Besondere Bedeutung mißt die DKP ihren regelmäßig erscheinenden Betriebs-, Wohngebietsund Hochschulzeitungen bei, die nach Behauptungen eines DKP-Präsidiumsmitgliedes mit einer Gesamtauflage von rund 1 Million Exemplaren herausgegeben werden. Am 19. Dezember 1977 stellte die DKP auf einer Pressekonferenz ein "Handbuch für Kleinzeitungen" mit ausführlichen Anweisungen über die textliche, redaktionelle und graphische Gestaltung vor. In Bayern nahmen 1977 die von den einzelnen Organisationseinheiten herausgegebenen "Kleinzeitungen" von 101 auf 104 zu. Davon erscheinen jedoch nicht alle regelmäßig. Die Zahl der Betriebszeitungen ging in Bayern von 38 im Jahre 1976 auf 32 zurück. Für die innerparteiliche Arbeit gab der DKP-Parteivorstand Anfang des Jahres 1977 eine zweite überarbeitete Auflage des "Leitfadens für die Gruppenarbeit" heraus, in dem Erfahrungen und Anregungen für die Parteiarbeit in den Gruppen zusammengefaßt sind. In diesem "Leitfaden" sind die Betriebsgruppen als wichtigste Grundeinheiten der Partei aufgerufen, die allseitige betriebliche Interessenvertretung der Belegschaften mit der Darlegung der DKP-Politik zu verbinden. Die Wohngebietsund 20 DKP Bayern I BezirksleitL Nordbayer zirksleitunc jdbayern Kreisund 23 GebietsorganiGebietsor16 GebietsorganiGe sationen bzw. ganisatisat sationen bzw. Kreisorganisa tioner onen Kr, Kreisorganisationen Grund43 Ortsverbände I-einheiten Ortsverbände 7 Stadtteilgruppen -I Stadtteilgrupper jhngebietsjppen -I 5 Wohngebietsgruppen Stand: 31.12.1977 Stadtteilgruppen wurden aufgefordert, in Massenorganisationen, wie Gewerkschaften, Frauenverbänden, Jugendorganisationen und Bürgerinitiativen mitzuarbeiten und darin für die Ziele der DKP zu werben. Den DKP-Hochschulgruppen wurde die Aufgabe gestellt, dafür zu kämpfen, daß der Marxismus durch die dafür berufenen marxistischen Wissenschaftler unverfälscht gelehrt wird. Nachwuchskräfte der DKP, die später für leitende Funktionen vorgesehen sind, werden nach wie vor an der parteieigenen "Karl-Liebknecht-Schule" in Essen ausgebildet, während bereits tätige Funktionäre am Ostberliner "Franz-Mehring-Institut" oder am "Institut für Gesellschaftswissenschaften" beim Zentralkomitee der KPdSU geschult werden. Das marxistische Grundwissen wird in laufenden Schulungskursen der Grundeinheiten der DKP durch die Marxistische Arbeiterbildung (MAB) vermittelt. 2.2.3 Aktivitäten Schwerpunkte der Agitation der DKP waren 1977 die Kampagne gegen die "Berufsverbote", die Arbeitslosigkeit, die Lohnpolitik, die Kampagne gegen den "Neonazismus" in der Bundesrepublik Deutschland und die Forderung nach Entspannung und Abrüstung, die in die internationale kommunistische Agitation gegen den Bau der Neutronenbombe durch die USA einmündete. Die terroristischen Anschläge verurteilte die DKP, wandte sich aber gleichzeitig gegen die zur Abwehr des Terrorismus getroffenen Maßnahmen. So erhob das Präsidium der DKP "entschiedenen Protest" gegen das am 1. Oktober 1977 in Kraft getretene sogenannte Kontaktsperregesetz. Die DKP bezeichnete das "unter dem Vorwand des Kampfes gegen Terroristen" verabschiedete Gesetz als einen Teil eines geplanten Kataloges von Maßnahmen gegen elementarste Bürgerrechte, das gegen jeden in ein Strafverfahren verwickelten Bürger mißbraucht werden könne. Die Bürgerinitiativen betrachtet die DKP als eine Form des Klassenkampfes, weshalb sie bemüht ist, ihre Mitglieder dort einzuschleusen. Dies gilt insbesondere für die Bürgerinitiativen gegen den Bau von Kernkraftwerken. Die DKP, die die bundesweite Kampagne gegen die Energiepolitik der Bundesregierung zur Agitation gegen die Staatsund Gesellschaftsordnung nutzte, forderte dazu auf, den Willen des Bürgers zu respektieren und mit der allein auf den Profit der Konzerne ausgerichteten Energiepolitik Schluß zu machen. Auf einer "Energiepolitischen Konferenz" der DKP am 3./4. April 1977 wurde der Baustopp für Kernkraftwerke gefordert, solange Sicherheit und "demokrati22 sehe Kontrolle" nicht gewährleistet seien. Ferner wurden die Verstaatlichung der Energiewirtschaft, der Bau umweltfreundlicher Kraftwerke auf Kohlebasis und die Verstärkung der nichtnuklearen Energieforschung verlangt. Den Bürgerinitiativen wurde die weitere Unterstützung zugesagt; gleichzeitig wurden jedoch die "spalterischen Umtriebe" maoistischer und anarchistischer Gruppen in diesen Vereinigungen verurteilt. Auch der DKP-Bezirksvorstand Südbayern erhob in einer 22 Punkte umfassenden Erklärung die Forderung, den weiteren Bau der Kernkraftwerke zu stoppen, die Energiepolitik von Bund, Ländern und Kommunen zu ändern und auf eine demokratische Grundlage zu stellen. Die DKP-Mitglieder wurden aufgerufen, für diese Ziele aktiv in den Bürgerinitiativen mitzuwirken. Gegen den Bau von Kernkraftwerken in sozialistischen Ländern erhob die DKP keine Einwendungen. Diesen Widerspruch versuchte sie damit zu erklären, daß allein die gesellschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die Frage, in wessen Händen sich die wirtschaftliche Macht befinde, beim Bau von Kernkraftwerken von entscheidender Bedeutung seien. "Kapitalismus oder Sozialismus?", so laute die Kernfrage auch bei der Kernenergie. In Bayern schloß sich die DKP der Agitation gegen den Bau der Kernkraftwerke Grafenrheinfeld, Lkr. Schweinfurt, und Ohu, Lkr. Landshut, und den geplanten Bau des Kernkraftwerkes Rehling, Lkr. Aichach-Friedberg, an. Es gelang ihr aber nicht, die Führung der "Antikernkraftbewegung" zu übernehmen und einen größeren Einfluß auf die Bürgerinitiativen zu nehmen, die in der Mehrzahl von Gruppen der Neuen Linken gesteuert wurden. Höhepunkte der politischen Arbeit der DKP bildeten bundesweit das Pressefest des DKP-Zentralorgans "Unsere Zeit" (UZ) vom 1. bis 3. Juli 1977 in Recklinghausen, das von rund 200 000 Personen besucht wurde, und die von etwa 7000 Personen besuchte Festveranstaltung zum 60. Jahrestag der Russischen Oktoberrevolution am 29. Oktober 1977 in Düsseldorf. An beiden Veranstaltungen nahmen zahlreiche DKP-Mitglieder aus Bayern teil. Die DKP beteiligte sich auch am 1. Mai 1977 an den Kundgebungen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften, um die "Einheit und Kampfentschlossenheit der gesamten Arbeiterklasse" zu demonstrieren. Daneben führte die DKP noch eine Vielzahl von eigenen "Maifeiern" durch. Außerdem veranstaltete sie wiederholt sogenannte "Sommer-, Volksund Bürgerfeste", zu denen die Bevölkerung mit Darbietungen von Musikund Folkloregruppen sowie mit "volkstümlichen Preisen" angelockt wurde. In Nürnberg baute die DKP die vor zwei Jahren gegründete "Nachmittagsschule" weiter aus. Der bisher gruppenweise in 23 Wohnungen durchgeführte Unterricht wird nunmehr in angemieteten Räumen angeboten. In der "Nachmittagsschule" wird Schülern Hausaufgabenhilfe unter Aufsicht von Lehrpersonal geboten. Im Gegensatz zur Betriebsarbeit konnte die DKP ihre Kulturarbeit 1977, wie schon in den Vorjahren, weiter ausbauen. Die auf Initiative der DKP gebildete und von einem DKP-Parteivorstandsmitglied geleitete "Arbeitsgemeinschaft sozialistischer und demokratischer Verleger und Buchhändler" veranstaltete im Rahmen einer Buchwoche im Mai 1977 Autorenlesungen mit Künstlern aus der DDR in Bamberg, Erlangen, Nürnberg, Penzberg und Regensburg. Das 1975 als Parteitheater der DKP gegründete Münchener Ensemble "Dampfmaschine" ist 1977 mit zahlreichen Veranstaltungen an die Öffentlichkeit getreten. Themen waren der Extremistenbeschluß, die Jugendarbeitslosigkeit und der "Abbau demokratischer Rechte in unserem Land". Der Parteivorstand beschloß die Beteiligung der DKP an der Wahl zum "Europäischen Parlament" mit einer eigenen Liste, die aber auch für nicht der DKP angehörende Personen der "Arbeiterbewegung und der demokratischen Volksbewegung" geöffnet sein werde. In Bayern stellte die DKP schon frühzeitig ihre Parteiund Öffentlichkeitsarbeit auf die Kommunalwahlen am 5. März 1978 ab. Sie forderte ihre Anhänger auf, den Wahlkampf durch Spenden zu unterstützen. In zahlreichen Wahlveranstaltungen, an Informationsständen und in Hausbesuchen wurde für die Wahl der DKPKandidaten geworben. 2.3 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 2.3.1 Ideologie und Organisation Die am 4./5. Mai 1968 gegründete SDAJ blieb auch 1977 die bedeutendste und mitgliederstärkste Nebenorganisation der DKP, mit der sie in allen wesentlichen ideologischen Fragen übereinstimmt. Mit ihr kämpft sie gemeinsam für eine "sozialistische Ordnung" nach dem Vorbild der DDR. In ihrer Satzung und in ihrem "Aktionsprogramm für die 5 Grundrechte der Jugend" ist die Forderung der DKP nach einer "sozialistischen Bundesrepublik" verankert. Außerdem dienen in ihrem "Aktionsprogramm" die "Länder des Sozialismus" als Beispiel für die "sozialistische Alternative" zur "kapitalistischen Gesellschaftsordnung". Ihre engen Verbindungen mit der Freien Deutschen Jugend (FDJ) der DDR, dem kommunistischen Weltbund der Demokrati24 Entwicklung der Mitgliederzahlen von DKP und SDAJ in Bayern *** DKP glieder 1968 " * 3000 500 2000 - " 500 ^ß ^ 1000 500 r 0 SDAJ 1100 50 1000 S 50 A 900 50 H 1 | II II 800 1 | 50 f 700 50 600 50 ^+* 500 50 400 | ' 50 300 | - . 50 *| 25 sehen Jugend (WBDJ) sowie mit anderen kommunistischen Jugendverbänden hielt sie auch 1977 aufrecht. SDAJ und FDJ vereinbarten, die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen und die Vorbereitungen zu den XI. Weltfestspielen der Jugend und Studenten im Sommer 1978 in Havanna/Kuba im Sinne der Festivallosung "Für anti-imperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft" zu verstärken. Ihre engen Verbindungen zur FDJ bewies die SDAJ auch durch die Teilnahme an einem Sammellager der FDJ vom 5. bis 18. August 1977 in Potsdam, an dem auch Delegationen des Marxistischen Studentenbundes Spartakus (MSB), des Sozialistischen Hochschulbundes (SHB), des Bundes Deutscher Pfadfinder (BDP), der Naturfreundejugend Deutschlands (NFJD) und der Deutschen Jungdemokraten (DJD) teilnahmen. Die Teilnehmer erhielten dem Organ der FDJ "Junge Welt" zufolge während ihres Aufenthaltes Gelegenheit, sich mit den "Errungenschaften des realen Sozialismus und der Rolle der Jugend beim sozialistischen Aufbau" vertraut zu machen. Dagegen gelang es der SDAJ auch 1977 nicht, Mitglied des Deutschen Bundesjugendringes (DBJR) zu werden. Ihr Aufnahmeantrag wurde auf der 49. Vollversammlung des DBJR mit 32 Neingegen 17 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen erneut abgelehnt. Die SDAJ will jedoch trotzdem dazu beitragen, daß die auf der Vollversammlung des DBJR gefaßten Beschlüsse zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der "Bildungsmisere" in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden. Das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) kritisierte die Entscheidung des DBJR, die im Gegensatz zur Aufnahme der SDAJ in zahlreiche Jugendringe stehe, die den "fortschrittlichen Jugendverband SDAJ" als Bündnispartner anerkannt hätten. In Bayern konnte die SDAJ auch 1977 auf keiner Ebene (Land, Bezirk und Kreis) Mitglied eines Jugendringes werden; sie erhält daher auch aus Mitteln des Jugendprogrammes der Bayerischen Staatsregierung keine Zuschüsse. Der SDAJ war es jedoch möglich, in einigen städtischen Jugendfreizeitheimen in München und Nürnberg Veranstaltungen durchzuführen. Die Zahl der aktiven SDAJ-Mitglieder hat sich gegenüber dem Vorjahr nur wenig verändert. Sie beträgt im Bundesgebiet rund 14 000 und in Bayern etwa 1100 bis 1200. Die SDAJ behauptete Ende 1976, daß sie im Bundesgebiet 33 000 Mitglieder habe, die in 600 Gruppen zusammengefaßt seien. Die organisatorische Struktur der SDAJ hat sich in Bayern gegenüber 1976 geändert. Um die Organisation zu straffen, wurden weitere SDAJ-Ortsund Stadtteilgruppen zusammengefaßt. 26 Bundesvorstand 65 Vorstandsmitgl. SED/FDJ, DKP/JP, SH MSB Spartakus IDFU, ersc DFG/VK,VVN/BdA andesverband ranken/Oberpfalz üdbayern \ Vorstandsmitgl. Vorstandsmitg Ortsgruppen Ortsgruppen Oberfranken Oberbayern Bamberg Bayreuth 1 München Bayreuth 2 Stadtteilgr.: - Giesing - Neuperlach Mittelfranken - Haidhausen - Obersendling Nürnberg Erlangen - Harlaching - Untersendling Stadtteilgr.: Lauf/Peg. - Moosach - Pasing - Langwasser Röthenbach - Neuhausen - Schwabing - Nord Schwabach - FOS (Fachoberschule Riesstr.) - N o r d /Ost - WGG (Willi-Graf-Gymn.) Zabo - Mitte Fürth Ingolstadt Rosenheim Unterfranken Holzkirchen Traunreut Aschaffenburg Miesbach Würzburg Niederbayern Oberpfalz Landshut Viechtach Regensburg Straubing Schwaben Augsburg Kaufbeuren Stadtteilgr.: Lindenberg - Lechhausen Memmingen - Zentrum - Schüler Stand: 31.12.1977 27 Den seit Mai 1976 bestehenden SDAJ-Landesverbänden Franken/Oberpfalz und Südbayern gehören nunmehr insgesamt 45 Ortsund Stadtteilgruppen an. Das Organisationsschema auf Seite 27 gibt einen näheren Überblick. Auf der Wahrburg - Gut Wahrberg bei Aurach, Lkr. Ansbach - errichtete die SDAJ eine zentrale Jugendausbildungsstätte, in der seit Frühjahr 1977 Mitglieder der SDAJ, des Marxistischen Studentenbundes Spartakus (MSB) und der Jungen Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP), Jugendliche und Kinder zu "revolutionären Persönlichkeiten" erzogen werden sollen. 2.3.2 Aktivitäten Die SDAJ versuchte auch 1977, die arbeitende Jugend für die kommunistischen Forderungen und Ziele zu gewinnen. Zu diesem Zweck setzte sie ihre Kampagne gegen Jugendarbeitslosigkeit, Lehrstellenmangel und für eine "demokratische Bildung" unvermindert fort. Im Rahmen der auf dem V. SDAJ-Bundeskongreß vom 4./5. Dezember 1976 beschlossenen "Aktion Unsere Zukunft" protestierte die SDAJ am 21./22. März 1977 bundesweit gegen die "Verletzung des Grundrechts auf Arbeit". Der SDAJ-Bundesvorstand rief auf seiner 3. Bundesvorstandssitzung alle Gruppen und Mitglieder auf, zum 10. Jahrestag der Gründung der SDAJ am 4 7 5 . Mai 1978 eine große Mitgliederwerbung durchzuführen und neue Bezieher ihres Jugendmagazins "elan" zu gewinnen. Weiter wurden die SDAJ-Gruppen, Kreisund Landesverbände aufgefordert, unter dem Motto "Für das Recht auf Arbeit und Bildung! Für Lehrstellen und gegen Arbeitslosigkeit!" Aktionstage zu veranstalten. Vom 19. bis 29. Oktober 1977 veranstaltete die SDAJ gemeinsam mit dem Marxistischen Studentenbund Spartakus (MSB) und den Jungen Pionieren - Sozialistische Kinderorganisation (JP) zum 60. Jahrestag der Russischen Oktoberrevolution unter der Losung "Vor 60 Jahren begann die Zukunft" eine "Freundschaftswoche mit der Jugend der Sowjetunion". Sie hatte hierzu eine Delegation des Zentralkomitees des Komsomol sowie sowjetische Künstlergruppen eingeladen. In etwa 100 Veranstaltungen wurde den jugendlichen Besuchern der Veranstaltungen "Gelegenheit zum Meinungsaustausch und zum Kennenlernen sowjetischer Kultur" geboten. In einem vom SDAJ-Bundesvorstand herausgegebenen Schulungsheft "Der revolutionäre Weltprozeß - 60 Jahre Oktoberrevolution" versicherte die SDAJ ihre solidarische Verbundenheit mit der Sowjetunion, über die sie trotz aller antikommunistischen Angriffe nie einen Zweifel gelassen habe. An ihren bereits traditionellen Pfingstcamps nahmen auch 1977 28 wieder zahlreiche Vertreter kommunistischer Jugendverbände teil. Die SDAJ Franken/Oberpfalz veranstaltete vom 27. bis 30. Mai 1977 auf der Pegnitzwiese in Nürnberg und die SDAJ Südbayern bei Ludwigshof, Lkr. Aichach-Friedberg, Pfingstlager, an denen Jugenddelegationen aus der UdSSR, den USA, Chile und Italien teilnahmen. Auch die FDJ aus der DDR hatte eine Delegation entsandt. Unter den rund 900 Teilnehmern befanden sich zahlreiche Mitglieder der JP. Der SDAJ-Landesvorstand Franken/Oberpfalz erklärte in einem Spendenaufruf zum "Kampf für die Arbeiterjugend", die SDAJ habe sich seit ihrem Bestehen als die konsequenteste Interessenvertreterin der arbeitenden und lernenden Jugend erwiesen. Sie bleibe aber nicht nur bei der Kritik an den bestehenden Verhältnissen stehen, sondern trete langfristig für die Errichtung des Sozialismus in unserem Lande ein. Auch an den Schulen setzte die SDAJ ihre Agitation fort. In Augsburg, Bayreuth, Landshut und München gelang es ihr, neue Schülergruppen aufzubauen. Ferner war es der SDAJ auch 1977 auf lokaler Ebene wieder möglich, demokratische Jugendgruppen als Bündnispartner zu gewinnen und mit diesen Aktionen durchzuführen. So beteiligte sich z. B. die SDAJ am 19. November 1977 in München gemeinsam mit der DKP und dem MSB Spartakus an einer Veranstaltung der DGB-Jugend, bei der insgesamt 1200 Teilnehmer für das "Recht auf Arbeit und Bildung" demonstrierten. In ihrem antimilitaristischen Kampf kam die SDAJ dagegen auch 1977 über Ansätze nicht hinaus. Die von ihr beeinflußten Arbeitskreise Demokratischer Soldaten (ADS) konnte sie in Bayern nicht weiter ausbauen. 2.4 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB) Der im Oktober 1971 gegründete MSB Spartakus schlug 1977 keine wesentliche Kursänderung ein. Als stärkster linksextremer Studentenverband in der Bundesrepublik Deutschland bekennt er sich zum Marxismus-Leninismus und kämpft mit der DKP und der SDAJ für die "sozialistische Revolution". Er propagierte den "realen Sozialismus" der DDR als grundsätzliche Alternative zum "kapitalistischen System" und setzte seine bisherige "Bündnispolitik" im Hochschulbereich fort, um die Studentenbewegung zu einer "antimonopolistischen Kraft" gegen die "Herrschenden" zu entwickeln. Dieses Ziel will er insbesondere durch eine Politik der "gewerkschaftlichen Orientierung" erreichen, d. h. des Anknüpfens an soziale und hochschulpolitische Tagesforderungen der Studenten in enger Anlehnung an die Gewerkschaf29 ten und mit gewerkschaftlichen Kampfmitteln, wie "Urabstimmungen" und "Streiks". Diese Politik bestätigte der 5. Bundeskongreß, den der MSB Spartakus am 8./9. Oktober 1977 in München abhielt. Bei dem im Zeichen der "antiimperialistischen Solidarität" mit den XI. Weltjugendfestspielen und dem 60. Jahrestag der Russischen Oktoberrevolution stehenden Kongreß nahmen etwa 700 Delegierte und Gastdelegierte teil, die rund 5800 Mitglieder (1976: etwa 5500 Mitglieder) in 188 Gruppen vertraten. An dem Bundeskongreß nahmen auch zahlreiche Gastdelegationen aus sozialistischen Ländern sowie Vertreter deutscher kommunistischer und prokommunistischer Organisationen teil. Die Grüße der DKP überbrachte deren Vorsitzender Herbert Mies, der die freundschaftliche Verbundenheit seiner Partei mit dem MSB Spartakus beteuerte. Der Bundeskongreß, auf dem Beate Landefeld aus Hamburg zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt wurde, verabschiedete Entschließungen gegen den Bau von Neutronenwaffen und gegen das in den Landeshochschulgesetzen verankerte Ordnungsrecht. Außerdem beschloß er ein neues Aktionsprogramm und rief zur Teilnahme am "nationalen Studentenstreik" vom 28. November bis 9. Dezember 1977 auf, der zur größten studentischen Aktion in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden sollte. In dem vom Bundesvorstand erstellten "Politischen Bericht" wurde das Zustandekommen des Streikbeschlusses durch die Vereinigten Deutschen Studentenschaften e. V. (VDS) als bedeutendes Ereignis gewürdigt, das bestätige, daß die verschiedenen "demokratischen" Studentenorganisationen angesichts der "reaktionären Angriffe" enger zusammengerückt seien. Es zeige "ein Stück gewachsener Aktionseinheit der Studentenbewegung in der Verteidigung der unmittelbaren Interessen der Masse der Studenten im Kampf für gemeinsam vertretene Alternativforderungen zur Hochschulformierung". Im Vorstand der VDS waren 1977 der MSB Spartakus, die Jungsozialisten-Hochschulgruppen (Juso-HG), der Liberale Studentenverband (LHV), die Basisgruppen (Neue Linke) und der Sozialistische Hochschulbund (SHB) vertreten. Der SHB hat sich auch 1977 als zuverlässigster Bündnispartner erwiesen, der wie die DKP auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus für eine "antimonopolistische Demokratie" und für die "sozialistische Umgestaltung" der Bundesrepublik Deutschland kämpft. Der MSB Spartakus hielt auch im Berichtsjahr die engen Kontakte zu kommunistischen Jugendund Studentenorganisationen 30 der DDR und des Auslandes aufrecht. Er vertiefte insbesondere die Zusammenarbeit mit der Freien Deutschen Jugend (FDJ) der DDR, mit der er den Freundschaftsvertrag erneuerte. Die Arbeit des MSB Spartakus wurde wie bisher weitgehend von den DKP-Hochschulgruppen, Grundorganisationen der DKP, gesteuert, in denen alle an den Hochschulen tätigen DKP-Mitglieder (Lehrpersonal, Studenten, Verwaltungsangehörige) organisiert sind. Solche Gruppen bestanden 1977 an den Hochschulen Bamberg, Erlangen/Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Ihre Mitgliederzahl ging von rund 100 im Jahre 1976 auf nicht mehr als 70 im Jahre 1977 zurück. In Bayern konnte der MSB Spartakus seine führende Stellung innerhalb der kommunistischen Studentengruppen nicht weiter ausbauen. Sein Einfluß war eher rückläufig. Nunmehr gehören insgesamt nur noch etwa 100 Studenten (1976: rund 150) MSB Spartakus-Gruppen in Augsburg, Bamberg, Erlangen/Nürnberg, München, Regensburg, Schweinfurt und Würzburg an. Das MSB-Organ sind die "roten blätter", die anfangs 1977 mit einer Auflage von rund 30 000 Exemplaren erschienen. .5 Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP) Die auf Initiative der DKP am 1. Juli 1974 nach dem Vorbild der Staatsjugendorganisationen der sozialistischen Länder für Kin"er im Alter von 6 bis 14 Jahren gegründete Sozialistische Kinderrganisation kämpfte auch 1977 gemäß ihrer Satzung für den "Sozialismus". Sie betrachtet sich als Teil der weltweiten kommunistischen Pionierbewegung und dient der SDAJ und der DKP Is Basis für den Nachwuchs. DKP, SDAJ und MSB Spartakus unterstützen die Kinderorganisation in der Erwartung, daß sie die Kinder kommunistisch erzieht und damit einen Beitrag für den .gesellschaftlichen Fortschritt" leistet. m 12./13. März 1977 veranstalteten die Jungen Pioniere in amburg ihren 2. Bundeskongreß, auf dem der bisherige Kurs estätigt und Achim Krooss (DKPund SDAJ-Mitglied) als Bundesvorsitzender wiedergewählt wurde. Die JP gliedern sich in Gruppen, Ortsverbände und den Bundesverband. Oberstes Organ ist die Bundeskonferenz, die die Bundesleitung wählt. Die Jungen Pioniere geben eine "Pionierleiter-Information" heraus; ihre zentrale Kinderzeitung nennt sich "Willibald". Die Jungen Pioniere veranstalten Spielund Singnachmittage, Gruppenabende und Kinderfeste; außerdem nehmen sie an den Pfingstcamps der SDAJ teil. Höhepunkte der "Pionierarbeit" bilden ihre Kinderferienaktionen, bei denen JP-Mitgliedern und -An31 hängern preisgünstige Ferienaufenthalte in der DDR angeboten werden. In Bayern hat sich 1977 die organisatorische Struktur der Jungen Pioniere geändert. Aus dem bisherigen Landesausschuß Bayern wurden die Landesausschüsse Franken/Oberpfalz und Südbayern gebildet, denen insgesamt 22 Gruppen mit etwa 250 Mitgliedern angehören. Im Vorjahr waren rund 200 Kinder in Bayern Mitglieder der Jungen Pioniere. Mit der Organisationsänderung haben sich die Jungen Pioniere der Organisationsform der DKP und der SDAJ angepaßt. Enge Kontakte unterhalten die JP mit der DDR-Pionier-Organisation "Ernst Thälmann". Ihr am 11./12. Februar 1975 abgeschlossener Freundschaftsvertrag, der die Zusammenarbeit "im Geiste des proletarischen Internationalismus" vertiefen soll, wurde erneuert. 2.6 Von der DKP beeinflußte Organisationen 2.6.1 Allgemeines Die DKP war wiederum bestrebt, von ihr gesteuerte "breite antimonopolistische Bündnisse" zu schaffen und auszubauen. Über diese Volksfrontpolitik versuchte sie, ihren Einfluß über den Mitgliederund Sympathisantenkreis hinaus auszudehnen. Als Plattform für gemeinsame Aktionen mit Nichtkommunisten wählte sie Forderungen, die auch von Demokraten vertreten werden. Um ihre Regie bei diesen "Volksfrontbestrebungen" zu verschleiern, bedient sich die DKP von ihr beeinflußter Organisationen, die sich meist als "überparteilich" und "unabhängig" geben. Sie erhofft sich dadurch auch eine größere Resonanz in der Öffentlichkeit. Solche beeinflußte und als Transmissionsriemen benutzte Organisationen sind beispielsweise die Deutsche Friedens-Union (DFU), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN - BdA), das Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ), die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG - VK) und die Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) sowie eine Vielzahl von Komitees und Initiativen, die insbesondere die Protestbewegung gegen die "Berufsverbote" tragen. Diese kommunistisch beeinflußten Gruppen bekannten sich auch 1977 zur Zusammenarbeit mit der DKP und beteiligten sich aktiv an deren Kampagnen gegen die Bundesrepublik Deutschland und andere westliche Demokratien. Kritische Äußerungen ihrer Leitungsgremien über kommunistische Länder wurden dagegen kaum bekannt. 32 Die organisatorische und politische Lage im Bereich der von der DKP beeinflußten Organisationen hat sich 1977 nicht wesentlich verändert. 2.6.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) Die im Jahre 1960 auf kommunistisches Betreiben als "Volksfrontpartei" gegründete DFU war auch 1977 eine der aktivsten Organisationen für die kommunistische Bündnispolitik. Ihre Tätigkeit, insbesondere ihre Bildungs-, Mittelstandsund Frauenpolitik, bestand fast ausschließlich in der Förderung kommunistischer Vorstellungen. Vorrangig engagierte sie sich in der kommunistischen Kampagne gegen die "Berufsverbote" und in der international gesteuerten kommunistischen Protestbewegung gegen die geplante Produktion von Neutronenwaffen und deren Einplanung in die NATO-Verteidigungsstrategie. Außerdem führte sie ihre Kampagne gegen "Antikommunismus und Antisowjetismus" fort und übernahm die von den Kommunisten ausgehende Agitation "zur Verwirklichung der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland", die offensichtlich die Ostblockstaaten in der Dissidentenund Bürgerrechtsfrage politisch entlasten sollte. Die gemeinsame Politik mit der DKP wurde bei einem Treffen von Mitgliedern des Direktoriums der DFU mit Vertretern des DKPPräsidiums am 10. Oktober 1977 in Düsseldorf abgestimmt, über das das DKP-Organ " U Z " berichtete. Dem Bericht zufolge wurden "aktuelle Fragen des Kampfes für die Verteidigung der demokratischen Grundund Freiheitsrechte sowie Maßnahmen gegen die verschärften Angriffe der reaktionären Kräfte, die unter Ausnutzung terroristischer Aktionen eine Serie antidemokratischer Gesetze vorbereiten und die Entwicklung in unserem Land weiter nach rechts drängen wollen", besprochen. Vom 5. bis 9. Dezember 1977 hielt sich auf Einladung des DFUBundesvorstandes eine Delegation des "Tschechoslowakischen Friedenskomitees" in der Bundesrepublik Deutschland auf; sie war auch Gast des DFU-Landesverbandes Bayern. In ihrem Pressedienst teilte die DFU mit, man sei zu der gemeinsamen Auffassung gelangt, daß das Wettrüsten beendet, auf die Herstellung und Einführung neuer Waffensysteme verzichtet und bei den gegenwärtigen Abrüstungsverhandlungen konstruktive Ergebnisse erreicht werden müßten. Einig sei man sich auch über verstärkte Aktionen gegen die Produktion der Neutronenbombe und ihre Stationierung in Europa gewesen; desgleichen habe man die Vorschläge der UdSSR zur Abrüstung begrüßt und alle Ver33 suche verurteilt, die KSZE-Folgekonferenz in Belgrad zu einem Forum der Anklage und Konfrontation zu machen. Nach dem gemäß SS 23 Parteiengesetz im Herbst 1977 veröffentlichten Rechenschaftsbericht nahm die DFL) 1976 insgesamt 2 306 613,44 DM ein. Davon entfielen auf Mitgliedsbeiträge 212 955,57 DM und 2 014 850,61 DM auf Spenden. Für den DFULandesverband Bayern sind in dem Bericht 64 446,64 DM Gesamteinnahmen ausgewiesen, davon an Mitgliedsbeiträgen 35 432,90 DM und an Spenden 24 444,86 DM. In Bayern gehören der prokommunistischen DFU wie bisher etwa 500 Mitglieder an. Auf einer Landesdelegiertenkonferenz am 27. November 1977 in München wurde ein neuer Landesvorstand gewählt. Neuer Landesvorsitzender wurde der Lehrer Georg Bitterwolf aus Nürnberg. Stellvertretende Landesvorsitzende wurden Heinz Brunzen und Mira von Kühlmann aus München und Dr. Stefan Neupert aus Nürnberg. Der bisherige Landesvorsitzende Ludwig de Pellegrini hatte auf eine erneute Kandidatur verzichtet; er wurde Mitglied des nahezu unverändert gebliebenen Landesvorstandes, dem insgesamt 28 Personen angehören. Im Zuge der Kampagne gegen den "Antikommunismus" gab der DFU-Landesvorstand Bayern "Dokumente antikommunistischer Propaganda und Politik 1848 bis heute" heraus, die einen Beitrag zur Auseinandersetzung über die "Grundtorheit unseres Jahrhunderts", den "Antikommunismus", leisten und die "Hintergründe und Mechanismen antikommunistischer Propaganda und Politik" aufzeigen sollen. In einem "offenen Brief" forderte der Vorstand des DFU-Landesverbandes Bayern die Bundesregierung auf, die Lagerung der Neutronenbombe auf deutschem Boden zu verweigern und sich einer Ausrüstung der NATO mit dieser neuen Massenvernichtungswaffe zu widersetzen. In einem vom DFU-Landesvorstand Bayern herausgegebenen "Pressedienst" wurde gegen die Bundeswehrhochschulen in Hamburg und München agitiert und dazu aufgefordert, diese aufzulösen und die Ursachen für den "Neonazismus" in der Bundeswehr aufzudecken. 2.6.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN - BdA) Die seit 30 Jahren bestehende VVN - BdA ist eine der größten kommunistisch beeinflußten Organisationen. Ende 1977 hatte sie im Bundesgebiet etwas über 10 000 Mitglieder; dem Landesverband Bayern gehörten 1977 rund 1000 Mitglieder an. 34 Die VVN - BdA befindet sich fest in kommunistischer Hand. Mehr als die Hälfte der Mitglieder des Präsidiums der VVN - BdA gehören der DKP an oder waren ehemals Mitglieder der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen KPD. Seit 1976 bemüht sich die VVN - BdA, junge "Antifaschisten" zu werben, um ihren Mitgliederstand halten zu können. Die VVN - BdA beteiligte sich auch 1977 an fast allen kommunistisch geförderten Kampagnen. Sie griff die Bundesregierung wegen ihres Festhaltens an dem "Phantom der einen Nation" und wegen ihrer Politik der "Hochrüstung" an, die sie auf die "nicht bewiesene" Behauptung stütze, der Warschauer Pakt rüste auf. In ihrer Agitation bekämpfte sie die angeblich revanchistischen Pläne der Unionsparteien und anderer ihr mißliebigen Organisationen und griff die Kampagne gegen den "Neonazismus" in der Bundesrepublik Deutschland auf. Außerdem richtete sich ihre Kritik wie bisher gegen die Bundeswehr. Dabei schloß sie sich der kommunistisch gesteuerten internationalen Protestbewegung gegen die geplante Produktion von Neutronenwaffen und deren Einplanung in die NATO-Verteidigungsstrategie an. Des weiteren beteiligte sie sich wie schon in den letzten Jahren an der orthodox-kommunistischen Kampagne gegen die staatlichen Maßnahmen zur Fernhaltung von Extremisten aus dem öffentlichen Dienst. Am 12. März 1977 führte die VVN - BdA in der Frankfurter Paulskirche zu ihrem 30jährigen Bestehen eine Festveranstaltung durch, an der etwa 1300 Personen teilnahmen, darunter eine Abordnung des DKP-Parteivorstandes sowie Vertreter des SDAJLandesvorstandes Hessen. Vom 20. bis 22. Mai 1977 hielt die VVN - BdA in Mannheim ihren Bundeskongreß unter dem Motto ab "Die Bundesrepublik Deutschland kann nur als antifaschistische Demokratie eine Zukunft haben". An dem Kongreß nahmen nach Angaben des Veranstalters 314 Delegierte und 100 Gäste aus dem Inund Ausland teil. Unter den Gästen befanden sich der DKP-Parteivorsitzende Herbert Mies, der Vizepräsident des internationalen prokommunistischen Dachverbandes Federation Internationale des Resistants und kommunistische Abgeordnete der Französischen Nationalversammlung Pierre Villon sowie Angehörige der Botschaften der UdSSR, der CSSR, Polens, Ungarns und der Ständigen Vertretung der DDR in der Bundesrepublik Deutschland. Die abschließende Plenumsdiskussion befaßte sich vor allem mit dem Kampf gegen die "Berufsverbote" und der Möglichkeit, neue Bereiche für die Mitarbeit Außenstehender in der 35 VVN - BdA zu erschließen. Es wurde beklagt, daß in der VVN - BdA die Generation der 30bis 50jährigen fast völlig fehle. In München organisierte die VVN - BdA am 3. September 1977 aus Protest gegen eine am gleichen Tage geplante Veranstaltung der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU) eine "Antifaschistische Kundgebung". Rund 500 Teilnehmer, darunter vorwiegend Angehörige orthodox-kommunistischer Vereinigungen, sowie Anhänger des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD (AB) und des "Anti-Strauß-Komitees", protestierten unter den Parolen "Aktionseinheit gegen Neonazis", "Nie wieder Faschismus - Wehret den Anfängen" und "Neonazis raus aus München - der Feind steht rechts" gegen die Veranstalter. 2.6.4 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) Zur Propagierung ihrer "Friedensund Abrüstungspolitik" nutzte die DKP wiederum vor allem das von ihr beeinflußte KFAZ, das 1974 unter maßgeblicher Beteiligung orthodox-kommunistischer Organisationen entstanden ist. Das Komitee hat keine feste Organisation, was eine demokratische Kontrolle seiner Funktionäre faktisch ausschließt. Die eigentliche Arbeit, insbesondere die organisatorischen Vorbereitungen ihrer meist bundesweiten Aktionen, wird vom "Büro des KFAZ" als dem Leitungsgremium des KFAZ besorgt. In dem Büro arbeiten 10 Personen, die nicht gewählt, sondern durch "Konsens" eingesetzt werden. Von diesen gehört der überwiegende Teil kommunistisch beeinflußten Organisationen an, die dem KFAZ teilweise technische und organisatorische Hilfe leisten. Dies sind u. a. die Deutsche Friedens-Union (DFU), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN - BdA) sowie der "Weltfriedensrat", eine internationale prokommunistische Vereinigung. Die orthodox-kommunistischen Vereinigungen unterstützten das KFAZ auch bei den regionalen "Abrüstungsdemonstrationen", die am 2 1 . Mai 1977 in Bremen, Essen, Frankfurt/M. und München veranstaltet wurden und den Höhepunkt der kommunistischen Abrüstungskampagne im Jahre 1977 bildeten. In einem dazu ergangenen Aufruf "Beendet das Wettrüsten" appellierte das KFAZ an die Öffentlichkeit, sich für die Senkung der Rüstungsausgaben um 10% und für einen konstruktiven Beitrag zu den Wiener Ost/West-Abrüstungsgesprächen einzusetzen. Unter den rund 100 Erstunterzeichnern des Aufrufes befanden sich neben Funktionären der DKP und Mitgliedern kommunistischer Nebenorganisationen und kommunistisch beeinflußter 36 Organisationen auch Gewerkschaftssekretäre, Betriebsratsvorsitzende, Professoren, Schriftsteller, Schauspieler, Pfarrer und Vertreter von Bürgerinitiativen. In München nahmen an der regionalen Abrüstungsdemonstration am 2 1 . Mai 1977 rund 5000 Personen teil. Sie wurden gemeinsam von der 1976 gebildeten, kommunistisch beeinflußten Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung und der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG - VK) veranstaltet und von orthodox-kommunistischen Gruppen unterstützt. Auf der Abschlußkundgebung sprachen u. a. Pastor D. Martin Niemöller, der Bundesvorsitzende der DFG - VK, Helmut Vogel, der Landesvorsitzende der Jungdemokraten von Baden-Württemberg, Dietmar Heß, sowie der KFAZ-Sekretär Gunnar Matthiessen. Zum 1. September 1977 (Antikriegstag) und zum 15. Oktober 1977 (Internationaler Abrüstungstag) rief das KFAZ "alle demokratischen Organisationen und Persönlichkeiten" auf, diese Tage zu "ersten Höhepunkten" einer großen Protestbewegung gegen die Neutronenbombe und ihre Stationierung in der Bundesrepublik Deutschland zu machen. Es leitete unter dem Schlagwort "Gegen Wettrüsten und Neutronenbombe" eine bundesweite Unterschriftenaktion ein. In Bayern wurden die Aktionen des KFAZ von orthodox-kommunistischen Gruppen sowie von der kommunistisch beeinflußten Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung und der im Frühjahr 1977 gegründeten Nürnberger Initiative für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit unterstützt, die auf Initiative der DFL) zustandekam. Auch sogenannte Abrüstungskomitees in Bamberg, Rosenheim und Straubing setzten sich für die Ziele des KFAZ ein. 2.6.5 Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG - VK) Die am 24. November 1974 aus der Vereinigung der DFG/ldK und VK hervorgegangene DFG - VK ist die mitgliederstärkste kommunistisch beeinflußte Organisation. Von ihren rund 20 000 Mitgliedern (eigene Angaben) arbeitet nur ein Teil aktiv mit. Der DFG - VK-Landesverband Bayern stützt sich auf 21 Gruppen mit insgesamt über 1000 Mitgliedern, deren Arbeit jedoch auch 1977 zum Teil stagnierte. Größere Aktivitäten entfaltete nur die etwa 300 Mitglieder starke Nürnberger Gruppe. Der sich als "antimilitaristischer Kampfverband" verstehende Kriegsdienstgegnerverband kämpft vor allem gegen "Antikommunismus" und "Militarismus". Seine zentrale Aufgabe sieht er 37 im "Kampf für das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung". Daneben unterstützt er die ihm nahestehende Selbstorganisation der Zivildienstleistenden (SOdZDL). Besonders enge Kontakte unterhält der DFG - VK mit dem Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ). Die DFG - VK war im Bundesgebiet Träger der "Internationalen Abrüstungsstafette 1977", die am 16. April 1977 in Helsinki startete und am 15. Juni 1977 in Belgrad, der Tagungsstätte der KSZE-Folgekonferenz, eintraf. Die Abrüstungsstafette erreichte am 20. Mai 1977 Nürnberg und am 2 1 . Mai 1977 München, wo sie in die regionale Abrüstungskundgebung einbezogen wurde. Aus Anlaß des "Hiroshima-Gedenktages" am 6. August 1977 rief die DFG - VK zu Aktionen gegen die Neutronenbombe auf; im übrigen schloß sie sich der kommunistischen internationalen Protestbewegung gegen die Neutronenwaffen und deren geplante Einbeziehung in die NATO-Verteidigungsstrategie an. Die DFG - VK protestierte auch gegen die Organklage der CDU/ CSU gegen die Wehrpflichtnovelle beim Bundesverfassungsgericht. Sie rief unter der Parole "Kein Prüfungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer! Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung verwirklichen!" bundesweit zu einer Protestveranstaltung am 25. September 1977 in Karlsruhe auf. Am 6. November 1977 feierte die DFG - VK in Düsseldorf ihren 85. Gründungstag. In der Veranstaltung rief der irische Friedensnobelund Lenin-Friedenspreisträger Sean Mac Bride alle "demokratischen Kräfte" zur "Mobilmachung für das Leben" auf. Er bezeichnete die Bedrohung durch Atomund Neutronenwaffen als eine Art "Terrorismus", gegen den man sich gemeinsam wehren müsse. In ihrer Monatszeitschrift "Zivilcourage" stellte die DFG - V K ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht 1976 als infame Verleumdung dar. In einer Erklärung wurden Kriegsdienstgegner und Freunde aufgefordert, die Herausnahme ihrer Organisation aus dem Verfassungsschutzbericht zu verlangen. Tatsächlich haben jedoch orthodoxe Kommunisten führende Funktionen in der DFG - VK inne. So leitet das Vorstandsmitglied der SDAJ Bernd Kehrer das Referat Organisation im DFG - VKBundesvorstand. Einer der Bundesvorsitzenden, Klaus Mannhardt, ist Mitglied des prokommunistischen, von der KPdSU gesteuerten Weltfriedensrates. Ferner ist das Programm der DFG - VK durch Formulierungen gekennzeichnet, die eine auffällige Übereinstimmung mit solchen der DKP aufweisen. Das gilt insbesondere für die Einstellung zur Bundeswehr. So heißt es beispielsweise im Programm der DFG - VK: "Die Bundeswehr gefähr38 det Frieden und Sicherheit in Europa und im eigenen Land. Der militärisch-industrielle Komplex treibt die Aufrüstung voran und ist ständig bestrebt, die Politik den Interessen der Rüstungsindustrie unterzuordnen, um deren Profite auf Kosten der Bevölkerung zu erhöhen. Innerhalb der Bundesrepublik hat die Bundeswehr die Aufgabe, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren. Dazu gehört die Möglichkeit des Einsatzes der Bundeswehr gegen die eigene Bevölkerung, die durch die 1968 verabschiedeten Notstandsgesetze legalisiert wurde. Der Ausbau des Bundesgrenzschutzes zur Bürgerkriegsarmee, die paramilitärische Ausrüstung der Polizei zur Bekämpfung von Streiks und anderen demokratischen Aktivitäten sowie die Einschränkung des Demonstrationsrechts bedrohen die Demokratie." 2.6.6 Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) Die VDJ wurde auf Initiative der DKP gegründet, um die Rechtsund Justizpolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die VDJ versteht sich als "Teil der Friedenskräfte in der Welt" und wirkt als "nationale Sektion" in der kommunistisch gesteuerten Internationalen Vereinigung Demokratischer Juristen (IVDJ) mit dem Sitz in Brüssel mit. In der VDJ sind Kommunisten maßgebend tätig. Von den am 10. Oktober 1976 in der Delegiertenversammlung der VDJ gewählten Vorstandsmitgliedern gehören mindestens sieben der DKP oder dem MSB Spartakus an. Insgesamt zählte die VDJ Ende 1977 rund 600 Mitglieder in 20 Regionalgruppen. In Bayern bestanden 2 Regionalgruppen. Auch 1977 unterstützte die VDJ die kommunistische Kampagne gegen die "Berufsverbote". Ausgelöst wurden diese Aktivitäten insbesondere durch die Ablehnung ihres Mitgliedes Charlotte Niess-Mache für das bayerische Richteramt. Die deshalb erhobene Klage wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 25. November 1977 abgewiesen. Die Entscheidung wurde u. a. damit begründet, daß die VDJ nicht auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes stehe, weil sie den sie tragenden Prinzipien, wie etwa der Gewaltenteilung, der Verantwortlichkeit der Regierung, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichte, nicht mehr den Rang absoluter Werte einräume. Gleichzeitig stellte das Urteil fest, daß die VDJ eine wesentlich von der DKP beeinflußte Organisation sei, deren Ziele zumindest teilweise auf eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ausgerichtet seien. 39 2.6.7 Komitees und Initiativen gegen die "Berufsverbote" Die Komitees und Initiativen "gegen die Berufsverbote" und für die "Verteidigung der Grundrechte", deren Gesamtzahl im Bundesgebiet bei etwa 350 liegt, setzten 1977 ihre polemische und teilweise verleumderische Kritik am Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst (in Bayern: Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973) fort. Die faktische Koordination ihrer Tätigkeit liegt für das Bundesgebiet überwiegend beim "Arbeitsausschuß" der DKP-beeinflußten überregionalen "Initiative Weg mit den Berufsverboten" mit Sitz in Hamburg. Diese Leitfunktion der Hamburger "Initiative" war 1977 verstärkt erkennbar. Ihr unterlagen nahezu alle bayerischen Komitees und Initiativen. Höhepunkte der "Kampagne gegen die Berufsverbote" waren Veranstaltungen zum 5. Jahrestag des Extremistenbeschlusses im Januar und die bundesweite Konferenz unter dem Motto "Für die Einhaltung der Grundund Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland - gegen die Berufsverbote" im November in Oldenburg. An der Konferenz nahmen etwa 800 Personen aus dem Inund Ausland teil; die im Rahmen der Konferenz durchgeführte öffentliche Kundgebung war von etwa 2000 Personen besucht. Unter den bayerischen Komitees und Initiativen nimmt das stark orthodox-kommunistisch beeinflußte Nürnberger Bürgerkomitee "Verteidigung der Grundrechte - Aufhebung der Berufsverbote" die führende Stellung ein. Darüber hinaus gibt es derartige Komitees und Initiativen in Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Erlangen, Fürth, Hof, München, Regensburg, Sulzbach-Rosenberg und Würzburg. Von diesen sind die Komitees oder Initiativen in Augsburg, Bayreuth, Fürth, München, Regensburg und Würzburg von der DKP beeinflußt, wobei der Grad der Einflußnahme unterschiedlich ist. Auch die übrigen genannten Komitees und Initiativen bedienten sich der gleichen Formulierungen und Argumente. Größere Veranstaltungen führten 1977 die Komitees und Initiativen in Bamberg, Erlangen, München, Nürnberg, Regensburg und Sulzbach-Rosenberg anläßlich des Jahrestags des Extremistenbeschlusses im Januar sowie die Bayreuther Initiative im Juli durch. Die stark DKP-beeinflußte Münchener Bürgerinitiative veranstaltete im Dezember 1977 eine Demonstration, an der sich rund 1200 Personen beteiligten, darunter Anhänger der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), des Marxistischen Studenten40 bundes Spartakus (MSB), der Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ), der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) und des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD (AB). Der Internationalisierung der Kampagne gegen die "Berufsverbote" diente der Informationsund Redneraustausch mit ausländischen "Komitees gegen die Berufsverbote in der BRD" und die Oldenburger Konferenz. 3. Neue Linke 3.1 Überblick Bei den Neuen Linken handelt es sich um linksextreme Organisationen und Gruppen, die den Kommunismus sowjetischer Prägung ablehnen. Diesem werfen sie vor, "revisionistisch", " b ü - rokratisch" und "sozialimperialistisch" entartet zu sein. Sie orientieren sich meist am Marxismus-Leninismus in der Weiterentwicklung durch Mao Tse-tung. Einige folgen den Lehren von Trotzki. Die Mehrzahl der Gruppen der Neuen Linken ging aus der sozialrevolutionären Studentenbewegung der sechziger Jahre hervor und bekennt sich offen zur revolutionären Gewalt. Der gewaltsame Umsturz soll den Weg zur Diktatur des Proletariats öffnen. Endziel i s t - und darin sind sie sich mit den orthodoxen Kommunisten einig - die kommunistische Gesellschaft. Unterschiede zu den orthodoxen Kommunisten bestehen vor allem in der Taktik. Während diese ihr Ziel grundsätzlich über eine friedliche Systemveränderung erreichen wollen, ohne allerdings bei günstiger Lage die revolutionäre Gewalt auszuschließen, halten die Neuen Linken den gewaltsamen Umsturz für unvermeidlich. Allein wegen der fehlenden Stärke wird der "bewaffnete Kampf" zur Zeit noch nicht für zweckmäßig gehalten. Unterhalb der Schwelle des "bewaffneten Kampfes" wenden die Neuen Linken jedoch vielfach Gewalt an, um zunächst politische Nahziele zu erreichen. Diesem Zweck diente die Beteiligung an den Gewaltaktionen gegen Kernkraftwerke. An Wahlen beteiligen sich Organisationen der Neuen Linken allein deshalb, um ihre revolutionären Ziele auf breiterer Basis unters Volk bringen zu können. Die Gruppen der Neuen Linken bilden wegen ihrer erklärten und offensichtlichen Verfassungsfeindlichkeit eine eher unter Kontrolle zu haltende Gefahr. Ihre Gefährlichkeit liegt überwiegend in der offenen Propagierung und Ausübung von Gewalt. Innerhalb der Gruppen der Neuen Linken sind die sich befehden41 den maoistischen Parteien und Parteiansätze (Bünde) die mit Abstand stärkste Kraft. Die bedeutendste maoistische Organisation ist der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW). Außerdem gehören zu dieser Gruppierung die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML), der Kommunistische Bund (KB), der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands (KABD) und der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) mit ihren zahlreichen Nebenorganisationen. Ebenfalls zum Lager der Neuen Linken zählen die untereinander zerstrittenen, zahlenmäßig schwachen trotzkistischen Gruppen, die in Bayern faktisch nur durch die Gruppe Internationale Marxisten - Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM) vertreten werden. Zum Bereich der Neuen Linken gehören ferner die sogenannten undogmatischen Gruppen, deren Spektrum von revolutionärmarxistischen bis hin zu anarchistischen Gruppen reicht. Vielfach wollen diese Gruppen an die Ziele und Aktionsformen der antiautoritären Protestbewegung der Jahre 1967 bis 1969 anknüpfen. Insgesamt konnte sich die Neue Linke 1977 nicht weiter entwikkeln. Nur KBW und KB bauten ihre Organisation aus. Ungeachtet der spektakulären Aktionen im Rahmen der Antikernkraftbewegung nahm ihre politische Bedeutung ab; vor allem in den Betrieben ging ihre Resonanz zurück. Die Gruppen blieben untereinander weiter zerstritten. Die Kluft zwischen den maoistischen Gruppen hat sich insbesondere durch die politischen Veränderungen in China vertieft. Für die neue chinesische Parteilinie entschieden sich nur der KBW, die KPD und der AB. Die KPD/ML orientierte sich zunehmend an den albanischen Kommunisten, die sich der Entwicklung in China gegenüber distanziert verhalten. Der KB und der KABD kritisierten ebenfalls die chinesische Kursänderung "nach rechts", die sie als für die internationale marxistisch-leninistische Bewegung verhängnisvoll bezeichnen. Der Streit der maoistischen Gruppen wurde durch die Diskussion über Verbotsmaßnahmen nur vorübergehend eingedämmt. Eine Zusammenarbeit zeichnet sich lediglich zwischen KBW und KPD ab, die nunmehr auch auf lokaler Ebene praktiziert wird. 3.2 Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) 3.2.1 Ideologisch-politischer Standort Der aus dem Zusammenschluß mehrerer örtlicher kommunistischer Bünde im Jahre 1973 entstandene KBW ist die mit Abstand 42 stärkste maoistische Parteiorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Er bekennt sich zur "proletarischen Revolution" und zur "Diktatur des Proletariats" im marxistisch-leninistischen Sinne. In seinem Programm wird die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates" als unerläßliche Vorbedingung für die soziale Revolution für erforderlich gehalten. In dem von ihm proklamierten "Kampf um Demokratie" will der KBW den Sturz der "Bourgeoisie" vorbereiten. Zum "demokratischen Kampf" des KBW gehört, das parlamentarische System in der Bundesrepublik Deutschland auszunutzen. So macht der KBW zwar ständig die Volksvertretungen und ihre Mitglieder verächtlich, beteiligt sich aber gleichzeitig an Wahlen, weil diese nach seiner Ansicht dazu geeignet sind, die eigenen Kräfte zu messen. Außerdem sollen "Vertreter der revolutionären Arbeiterklasse in den Parlamenten" das "Schmierentheater enthüllen" und "revolutionäre Forderungen der Arbeiterklasse ins Volk tragen". Das Vorbild des KBW ist die Volksrepublik China. Der dortige Aufbau des Sozialismus soll die junge revolutionäre Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland beeinflussen und zur Reinhaltung des Bildes vom Sozialismus beitragen. Der KBW vertiefte seine Beziehungen zur Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Anfang Juni 1977 reiste eine vierköpfige Delegation des KBW unter der Leitung des Sekretärs des Zentralkomitees, Gerhard Schmierer, in die Volksrepublik China, wo sie von dem stellvertretenden Leiter der Abteilung für internationale Beziehungen des Zentralkomitees der KPCh empfangen wurde. Anläßlich des 1 1 . Parteitages der KPCh übermittelte der KBW dem Vorsitzenden des Zentralkomitees der KPCh, Hua Kuo-feng, eine Grußadresse, in der die Freude über die Ausschaltung der "parteifeindlichen Viererbande" und die Solidarität mit der KPCh bekundet wurden. Damit bekannte sich der KBW erstmals offen zur ideologischen Linie der neuen chinesischen Parteiführung. Diese Haltung führte zu einer Annäherung an die maoistische KPD, die sich ebenfalls für die neue chinesische Parteilinie entschieden hat. 3.2.2 Organisation Der KBW vollzog 1977 die auf der 3. Ordentlichen Delegiertenkonferenz am 3 0 . / 3 1 . Oktober 1976 in Mannheim beschlossene organisatorische Reform. Er löste die Ortsgruppen auf und bildete statt dessen 40 Bezirksverbände, die in den drei Regionalverbänden "Nord" mit Sitz in Hannover, "Mitte" mit Sitz in Köln und 43 ommunistischer Bund Westdeutschland ( K B W tragte für: Sitz: Frankfurt Zentralorgan: SS218,KHG, KJB, Sekr. u. Stand. "Kommunistische SRK und GUV Ausschuß = 9 Mitgl Volkszeitung" (KVZ) ZK = 39 Mitgl. Verlag: Kühl KG, u. 10 Kandidaten Verlagsges. Kommunismus u. Klassenkampf Regionalverband S Erscheinungsweise: zuständig für wöchentlich Bayern und BadenAuflage: Württemberg Gesamt ca. 32 000 Sitz: München Theoretisches Organ: "Kommunismus und Klassenkampf" "Nachrichtendienst" f irksverbände irksbeilagen der Bezirksbeilagen Z: Mü/Obb., w., Mfr. und Ufr ayern KVZ: Mü/Obb., * Schw., Mfr. und Ufr. München/ Mittel-/Oberfrank Niederbayern Oberbayern Sitz: Nürnberg Sitz: Landshut Sitz: München Stadtzellen: Stadtzellen: Stadtzellen: Nürnberg-Maxfeld Landshut München Nürnberg-Süd Passau -Haidhausen Fürth Erlangen Mittlere Donau München-Schwabing Sitz: Regensburg Rosenheim Erlangen-Uni Bamberg Stadtzellen: Schwaben: Amberg geplant: Ingolstadt Sitz: Augsburg Ansbach Stadtzellen: Regensburg Coburg Augsburg Bayreuth geplant: Forchheim Kempten Hof Memmingen Unterfranken Wemding Sitz: Würzburg Stadtzellen: Aschaffenburg Schweinfurt Würzburg Stand: 31.12.1977 44 "Süd" mit Sitz in München zusammengefaßt sind. 6 der 40 Bezirksverbände befinden sich in Bayern. Ferner verlegte er seine Zentrale von Mannheim nach Frankfurt/M. Dort erwarb er für 2,7 Millionen DM ein Grundstück. In der Zentrale richtete er ein Fernschreibzentrum ein, das mit allen Regionalund Bezirksverbänden verbunden ist. Um diese hohen Ausgaben decken zu können, rief der KBW wiederholt zu Spendenaktionen auf; ferner appellierte er ständig an seine Mitglieder, höhere Beiträge zu zahlen. Meldungen, wonach der KBW von "Bruderparteien" unterhalten wird, haben sich nicht bestätigt. Im Bundesgebiet zählte der KBW zum Jahresende 1977 knapp 3000 Mitglieder. In Bayern stützte sich der KBW auf etwa 300 Anhänger. Hier konnte er seine bisher schwache Position weiter ausbauen. Im Zuge der Neuorganisation gründete er unterhalb der Bezirksebene eine größere Zahl von Stadtzellen. Weitere solcher Zellen befinden sich derzeit im Aufbau. Einen näheren Organisationsüberblick vermittelt das Schaubild auf Seite 44. Dem KBW nachgeordnet sind eine Reihe von Nebenorganisationen. Die Studenten sollen über die Kommunistischen Hochschulgruppen (KHG) erreicht werden. Die Jugendund Schülerarbeit läßt der KBW von den auf lokaler Ebene gebildeten "Kommunistischen Jugendbünden" (KJB) wahrnehmen. Ferner stützt sich der KBW auf die Komitees und Initiativen gegen SS 218, das Komitee Südliches Afrika und insbesondere auf die erst 1977 gegründeten Soldatenund Reservistenkomitees (SRK), die durch bundesweite Aktionen hervortraten. Das Zentralorgan des KBW ist die wöchentlich erscheinende "Kommunistische Volkszeitung" (KVZ) mit einer Auflage von rund 32 000 Exemplaren. Sie wird seit der Neuorganisation im Dezember 1976 in drei Regionalausgaben (Nord, Mitte, Süd) herausgegeben. Die Regionalausgaben sollen die Verbindung mit den "Massen" herstellen und dem KBW bessere Möglichkeiten schaffen, den Kampf ortsnah zu führen. Das theoretische KBW-Organ "Kommunismus und Klassenkampf" erscheint monatlich mit einer Auflage von ca. 10 000 Exemplaren. Des weiteren gibt der KBW noch einen "Nachrichtendienst" heraus, in dem aktuelle politische Ereignisse zusammengefaßt sind. 3.2.3 Aktivitäten Agitationsschwerpunkte des KBW waren 1977 die Rentenversicherung, die Rüstung, die Wehrdienstnovelle, die Schulund Hochschulgesetzgebung, die Arbeitslosigkeit, die staatlichen 45 Maßnahmen zum "Abbau der demokratischen Rechte" und die gegen die maoistischen Gruppen gerichtete Verbotsankündigung. Ferner steigerte der KBW seine Polemik gegen die Bundeswehr, den Grenzschutz und die Polizei. Im Rahmen seiner "Betriebsarbeit" befaßte er sich vorrangig mit den Tarifverhandlungen. Mit Aktionen stellte er sich hinter die "Freiheitsbewegungen". Im besonderen unterstützte er den "bewaffneten Befreiungskampf der Völker im südlichen Afrika". Diese Aktionen trug weitgehend das von ihm gesteuerte Komitee Südliches Afrika. Darüber hinaus nutzte der KBW auch 1977 die Kampagne gegen die Kernkraftwerke als Aktionsfeld. Dabei setzte er seine Bemühungen fort, Einfluß auf die Bürgerinitiativen zu gewinnen, um diese in seinem Sinne steuern zu können. Die vom KBW geführte Kampagne gegen den SS 218 StGB ließ 1977 merklich nach. Die 4. Ordentliche Delegiertenkonferenz der Komitees gegen SS 218 am 18. Dezember 1977 in Frankfurt/M. beschloß deshalb, die Gruppen fester an die Parteiorganisation zu binden, in Arbeitsgruppen zusammenzufassen und Bezirksverbände zu bilden. An der Konferenz nahmen etwa 100 Delegierte von 36 teilnehmenden Gruppen teil, die einen neuen "Zentralen Ausschuß" und einen "Geschäftsführenden Ausschuß" wählten. In seinem "Maiaufruf 1977" forderte der KBW unter den Losungen "Gegen Ausbeutung und imperialistische Kriegsvorbereitungen! Für die proletarische Weltrevolution!" dazu auf, mit den Sozialdemokraten zu brechen und sich auf ein gemeinsames Aktionsprogramm zur Durchführung der "proletarischen Revolution" zu einigen. In der Agitation spielten auch die Terroranschläge eine wesentliche Rolle. Die Haltung des KBW hierzu zeigt ein in der Kommunistischen Volkszeitung erschienener Artikel mit der Überschrift "Buback erschossen, Gründe gibt's genug, aber was nützt es schon?". Darin wird das "Scheibenschießen auf einzelne Bourgeoisies" als Ausdruck der äußersten Ratlosigkeit einzelner bezeichnet, die, bevor sie gar nichts unternähmen, eben nochmal zuschlügen. Es gäbe besseres zu tun. Man müßte den "Staatsapparat ganz und auf einen Ruck zerschlagen". In einer Dokumentation zum sogenannten "Kontaktsperregesetz" erklärte der KBW, schon immer hätten "Ausbeuterklassen" vor ihrem Untergang zum Terror gegen die revolutionären Gesellschaftsklassen gegriffen. Die "Bosheit und Niedertracht", mit der sich nunmehr die "Bourgeoisie" ihrem Untergang widersetze, stelle die "Schandtaten aller früherer Ausbeuterklassen" in 46 den Schatten. Das Kontaktsperregesetz bedeute die Verwandlung des Gefängnisses in eine "Gruft" und die zwangsweise Verwandlung der Häftlinge in "Halblebendige". Zu den Kommunalwahlen in Bayern am 5. März 1978 stellte der KBW in Augsburg, Erlangen, Ingolstadt, München, Nürnberg, Regensburg, Schweinfurt und Würzburg eigene Kandidaten auf und nimmt damit erstmals an einer Wahl in Bayern teil. Bei ihren Aktionen suchten KBW-Anhänger häufig die Konfrontation mit der Polizei. In vielen Fällen errichteten sie ohne Genehmigung Informationsstände; bei der Räumung leisteten sie wiederholt Widerstand. In KBW-Publikationen erschienen häufig Artikel mit strafbarem Inhalt. Darüber hinaus traten KBW-Mitglieder bei Demonstrationsausschreitungen hervor. 3.2.4 Soldatenund Reservistenkomitees (SRK) Der KBW gründete 1977 bundesweit Soldatenund Reservistenkomitees (SRK), deren Aufgabe es ist, die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz und die Polizei zu zersetzen und das "Proletariat" für einen Krieg gegen die "imperialistische Bourgeoisie" zu rüsten. Am 28. Mai 1977 führten die Komitees im Rahmen eines "Soldatenund Reservistentages" in Hannover, Köln und München regionale Demonstrationen durch. Bei der Veranstaltung in München demonstrierten etwa 1200 Teilnehmer für eine "Lohnfortzahlung für Wehrpflichtige", "für ein Kündigungsrecht der Zeitsoldaten und Polizisten" und gegen die NATO-Truppen in der Bundesrepublik Deutschland. Vom 28. bis 3 1 . Dezember 1977 führten die SRK in Hannover, Köln und München sogenannte "Musiktage" durch, die nach der Zeitung der Sprecherräte Nord/Mitte/Süd des SRK "Volksmiliz" dazu beitragen sollten, den "Zusammenschluß der Soldaten in den Kasernen mit den Arbeitern in den Betrieben und den Bauern auf dem Land herzustellen sowie die Völker der Welt in ihrem gerechten Kampf zu unterstützen". In München wurden die "Musiktage" mit einem Aufzug abgeschlossen, an dem rund 500 Teilnehmer teilnahmen. 3.3 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 3.3.1 Ideologisch-politischer Standort Die KPD wurde 1970 von nichtorthodox-kommunistischen Gruppen (Außerparlamentarische Opposition, Rote Zellen) in Berlin als "Aufbauorganisation für die KPD" (KPD/AO) gegründet und konstituierte sich im Juli 1971 als KPD. Sie hat außer dem Namen 47 und - mit Einschränkungen - der Ideologie des Marxismus-Leninismus nichts mit der orthodox-kommunistischen und 1956 durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten und aufgelösten KPD gemeinsam. Die neue KPD gehört zu den bedeutendsten maoistischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland. Sie bekennt sich im Unterschied zur verbotenen moskautreuen KPD zur Lehre des Marxismus-Leninismus chinesischer Prägung und lehnt die orthodoxen Kommunisten (DKP) als "Revisionisten" und "Sozialfaschisten" und die Sowjetunion als "sozialimperialistische Großmacht" kompromißlos ab. Im Kampf der beiden großen Richtungen des Weltkommunismus vertritt die neue KPD, die das Erbe der "großen revolutionären Tradition" der KPD vor 1956 sein will, konsequent die chinesische Linie. Die KPD tritt für ein "unabhängiges, vereintes und sozialistisches Deutschland" ein und propagiert offen die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Nach dem Programm der KPD ist "die Ablösung des bürgerlichen Staates durch den proletarischen ohne Gewalt nicht möglich". Diese Linie bestätigte erneut der II. Parteitag der KPD, der vom 28. bis 31. Juli 1977 in Duisburg unter strengster Geheimhaltung abgehalten wurde und dessen Ergebnisse bei einer Großkundgebung am 10. September 1977 in Offenbach bekanntgegeben wurden. Vor rund 2000 Teilnehmern erläuterte der wiedergewählte Vorsitzende des Zentralkomitees der KPD, Christian Semler, die Beschlüsse des Parteitages. Danach akzeptiert die KPD die führende Rolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und sieht im sowjetischen "Sozialimperialismus" den Hauptfeind des deutschen Volkes. Weiter bekundete die KPD auf dem Parteitag ihre Entschlossenheit, auch in der DDR eine Parteiorganisation aufzubauen. Offenbar als Folge dieses Beschlusses benannte sie ihr bisheriges "Komitee gegen politische Entlassungen, Gewerkschaftausschlüsse und Berufsverbote" in "Komitee gegen politische Unterdrückung in den beiden deutschen Staaten" um. Ihre Anlehnung an die KPCh unterstrich die KPD durch den Besuch einer Delegation in der Volksrepublik China, bei dem das Mitglied des Politbüros der KPD, Werner Heuler, am 1. Oktober 1977 anläßlich der Feierlichkeiten zum 28. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China von dem Vorsitzenden des Zentralkomitees der KPCh, Hua Kuo-feng, empfangen wurde. Bereits im August 1977 hatte eine Delegation der Jugendund Studentenorganisationen der KPD die Volksrepublik China besucht. Die Ankündigung des CDU-Bundesvorstandes, Verbotsmaßnah48 men gegen maoistische Organisationen zu veranlassen, bezeichnete die KPD als "unverschämten Angriff auf die kommunistische Arbeiterbewegung" und "einen einschneidenden neuen Schritt in der Reihe reaktionärer Verbots-, Unterdrückungsund Gesetzesmaßnahmen der letzten Jahre". 3.3.2 Organisation Die KPD konnte ihre Organisation 1977 nicht weiter ausbauen. Die Zahl ihrer Mitglieder im Bundesgebiet betrug Ende 1977 rund 700 und in Bayern etwa 150. Allerdings konnte die KPD ein Vielfaches an Anhängern mobilisieren. Die KPD wird von ihrem Zentralkomitee in Köln angeleitet. Im Bundesgebiet hat sie sechs Regionalkomitees gebildet, denen unmittelbar die Ortsleitungen nachgeordnet sind. Die untersten Organisationseinheiten der KPD sind die Zellen. Der Sitz des KPD-Regionalkomitees Bayern befindet sich in München. In ihrem gemäß SS 23 Parteiengesetz 1977 veröffentlichten Rechenschaftsbericht für 1976 hat die KPD Einnahmen in Höhe von 1 594 7 4 9 - DM (1975: 1 061 8 6 5 - DM) angegeben. Die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen betrugen 670 4 1 7 - DM, die aus Spenden 879 7 6 1 , - DM ( = 55% der Gesamteinnahmen). Die KPD hielt den größten Teil ihres Parteilebens geheim und bereitete sich für den Fall eines Verbots auf den Kampf in der Illegalität vor. Bei ihrer politischen Arbeit stützte sich die KPD auf ihre Nebenorganisationen Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD) mit seinem Organ "Kämpfende Jugend", Kommunistischer Studentenverband (KSV) mit seinem Organ "Dem Volke dienen", Liga gegen den Imperialismus mit ihrem Organ "Internationale Solidarität", Rote Hilfe e. V. (RH) mit ihrem gleichnamigen Organ, Vereinigung Sozialistischer Kulturschaffender (VSK) mit ihrem Organ "Kämpfende Kunst" sowie "Komitee gegen politische Unterdrückung in beiden deutschen Staaten". Das KPD-Zentralorgan ist die wöchentlich erscheinende Zeitung "Rote Fahne" mit einer Auflage von rund 15 000 Exemplaren. 3.3.3 Aktivitäten Die KPD befaßte sich 1977 schwerpunktmäßig mit der Arbeitslosigkeit, den Tarifverhandlungen, der Hochschulpolitik, dem Terrorismus, dem "Abbau demokratischer Rechte" und den Verbotsdrohungen gegen maoistische Gruppen. Ferner führte die KPD ihre Kampagne gegen "Berufsverbote und Gewerkschaftsausschlüsse" fort und nutzte die Bewegung gegen die Kernkraftwerke als Aktionsfeld. Dabei gelang es ihr auch in Bayern, Einfluß auf einzelne Bürgerinitiativen zu gewinnen. 49 Bei ihren Aktionen trat die KPD auch 1977 wiederholt mit unverhüllt revolutionären Forderungen und Losungen auf. So rief sie beispielsweise zum 1. Mai 1977 "alle klassenbewußten Arbeiter, Kommunisten, Antifaschisten und Demokraten" auf, "gemeinsam unter roten Fahnen für einen 1. Mai des Klassenkampfes und der internationalen Solidarität - gegen einen 1. Mai der Klassenversöhnung, wie es SPDund DKP-Bonzen wollen - und für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Deutschland" zu demonstrieren. Den 60. Jahrestag der Russischen Oktoberrevolution nutzte die KPD verstärkt zur Agitation gegen die Sowjetunion und deren Satellitenstaaten. Auf einer Kundgebung am 30. Oktober 1977 in München erklärte der KPD-Vorsitzende Christian Semler, die Sowjetunion habe die Revolution verraten und sei heute die imperialistischste und aggressivste Supermacht, die einen neuen Weltkrieg beginnen wolle. Die Terroranschläge verurteilte die KPD mit der Begründung, der individuelle Terror sei gegen die Interessen der Arbeiterklasse gerichtet; die "Bourgeoisie" nehme sie zum Anlaß für immer neue "faschistische Maßnahmen". Im Gegensatz zum KBW beteiligte sich die KPD in Bayern nicht an dem Ende 1977 begonnenen Kommunalwahlkampf. Sie stellte zur Kommunalwahl am 5. März 1978 keine eigenen Kandidaten auf. 3.3.4 Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD) Bei ihrer Jugendarbeit stützte sich die KPD auf den im Juli 1972 gegründeten KJVD, der nach seinem Statut der KPD politisch untergeordnet, organisatorisch jedoch selbständig ist. Seine Aufgabe ist es, die "Arbeiterjugendbewegung" und eine KPD-Kinderorganisation "Junge Pioniere" aufzubauen. Zielgruppen des KJVD sind "junge Arbeiter, Werktätige, Bauern, Soldaten und Schüler". Mitglied des KJVD kann werden, wer das 12. Lebensjahr vollendet hat, das Programm und das Statut des KJVD anerkennt und aktiv in einer Zelle mitarbeitet. Von ihren Mitgliedern fordert der KJVD, die Politik an die erste Stelle zu setzen, den Marxismus-Leninismus zu studieren und ein einfaches proletarisches Leben zu führen. Der KJVD entwickelte sich 1977 ähnlich wie die KPD. Er konnte seine Position nicht weiter ausbauen; in Bayern verlor er weiter an Einfluß. Höhepunkt der bundesweiten Aktivitäten des KJVD war das "2. Werner-Seelenbinder-Sportfest" vom 8. bis 1 1 . April 1977 (Ostern) in Frankfurt/M., an dem etwa 800 Personen aus dem ge50 samten Bundesgebiet teilnahmen. Mit diesem Sportfest sollte die Tradition der "Arbeitersportbewegung" fortgesetzt und dazu beigetragen werden, die Arbeiterschaft "wehrhaft" zu machen. Ferner sollte es dazu dienen, die Gründung eigener "Arbeitersportvereine" in die Diskussion zu bringen. Vom 30. Juli bis 20. August 1977 veranstaltete der KJVD bei Kössen/Tirol ein Jugendlager, das der Schulung und sportlichen Ertüchtigung der KJVD-Mitglieder diente. 3.3.5 Kommunistischer Studentenverband (KSV) Der KSV vertritt im Hochschulbereich die Interessen der KPD. Er ist wie der KJVD organisatorisch selbständig, ordnet sich aber ebenso völlig der KPD unter. Wie die KPD propagiert er die Zerschlagung der verfassungsmäßigen Ordnung durch den bewaffneten Kampf, der zur Errichtung der "Diktatur des Proletariats" und der "klassenlosen Gesellschaft" führen soll. Durch den Verzicht auf eine eigenständige Hochschulpolitik verlor der KSV 1977 an Bedeutung. Die Zahl der Mitglieder ging bundesweit von etwa 900 Ende 1976 auf rund 600 Ende 1977 zurück. Die KSV-Zentralleitung befindet sich in Köln; die KSV-Regionalleitung Bayern hat ihren Sitz in München. In Bayern traten KSV-Hochschulgruppen mit Zellen und Basisgruppen nur noch an den Hochschulorten Erlangen-Nürnberg und München hervor. Sie zählen insgesamt etwa 50 Mitglieder, können sich aber bei geeigneten Anlässen auf eine größere Zahl von Sympathisanten stützen. An der Universität München bildete der KSV die "Aktionseinheit von Demokraten und Kommunisten" (ADK), die am 14. Juli 1977 mit rund 500 Teilnehmern eine Podiums-Diskussion veranstaltete, bei der das Thema "Wo Recht zum Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht" behandelt wurde. 3.3.6 Liga gegen den Imperialismus Die im Juli 1971 in Berlin vorwiegend von Studenten als "antiimperialistische Massenorganisation" gegründete Liga gegen den Imperialismus ist die mitgliederstärkste Nebenorganisation der KPD. Sie lehnt wie diese die freiheitliche demokratische Grundordnung ab und erklärt offen, mit der KPD zusammen und unter deren Führung gewaltsam die proletarische Revolution durchführen und die Diktatur des Proletariats in der Bundesrepublik Deutschland errichten zu wollen. Die Volksrepublik China ist in diesem Kampf ihr Vorbild. 51 Um aus der Isolation herauszukommen und die "Massen" zu gewinnen, sollen Statut und Programm neu formuliert werden. Nach den Ende 1977 veröffentlichten Entwürfen versteht sich die Liga gegen den Imperialismus als eine "Organisation der internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft". Als "antiimperialistische Vereinigung" in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) will sie gegen Ausbeutung und Unterdrückung fremder Völker kämpfen. Im besonderen will sie der Großmachtpolitik und dem Weltherrschaftsstreben der beiden Supermächte USA und Sowjetunion sowie der "Expansionspolitik" des "BRDImperialismus" entgegentreten. Vom 16. bis 19. Dezember 1977 veranstaltete die Liga gegen den Imperialismus ihre IV. Delegiertenkonferenz, bei der Bruno Engel zum Vorsitzenden des Zentralkomitees der Liga wiedergewählt wurde. Die Ergebnisse der unter strenger Geheimhaltung durchgeführten IV. Delegiertenkonferenz sollen erst 1978 auf einem "Fest der internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft" veröffentlicht werden. Die zentrale Leitung der Liga gegen den Imperialismus befindet sich, ebenso wie die der KPD, in Köln. Ihr sind sieben Landesverbände angeschlossen. Das Landesbüro Bayern befindet sich in München. 1977 konnte sich die Liga gegen den Imperialismus nicht weiter entwickeln; in Bayern war sie eher rückläufig. Sie kann sich hier nur mehr auf knapp 200 Mitglieder und Sympathisanten stützen. In ihrer Agitation befaßte sich die Liga gegen den Imperialismus schwerpunktmäßig mit Problemen der Dritten Welt, im besonderen mit der Rassentrennungspolitik in Südafrika, den "Freiheitsbewegungen" einschließlich des Konflikts in Eritrea und dem Kampf der Palästinenser gegen Israel. In Nürnberg protestierten am 28. Januar 1977 etwa 150 Anhänger der Liga gegen den Imperialismus gegen eine Veranstaltung der "Gesellschaft für Wehrkunde", die dem Thema "Südafrika und die Verteidigung der Freiheit des Westens" gewidmet war. Am 16. Juli 1977 nahmen etwa 300 Personen an einem "Fest der internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft" teil, das die Liga gegen den Imperialismus in Planegg bei München veranstaltete und ein Forum für den Informationsaustausch über die Probleme und Kämpfe der Völker in aller Welt bilden sollte. Die Ortsgruppen der Liga gegen den Imperialismus in Augsburg, Erlangen, München und Kempten sammelten für die "Befreiungsbewegungen" SWAPO und ZANU angeblich rund 20 000 DM. Von diesem Betrag sollen zwei fahrbare Kliniken für den Einsatz im Guerillakrieg im südlichen Afrika beschafft worden sein. 52 3.4 Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten - Leninisten (KPD/ML) 3.4.1 Ideologisch-politischer Standort Die im Dezember 1968 in Hamburg gegründete KPD/ML ließ sich auch 1977 bei ihren verfassungsfeindlichen Aktivitäten von den "unvergänglichen Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao Tse-tung und Enver Hoxha" leiten. Der III. Parteitag, der am 5. Februar 1977 mit einer öffentlichen Abschlußkundgebung in Ludwigshafen zu Ende ging, verabschiedete ein neues Programm. In ihm fordert die KPD/ML die "gewaltsame sozialistische Revolution", die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates" und die "Errichtung der Diktatur des Proletariats". In dem vom IM. Parteitag gebilligten Rechenschaftsbericht wurde die führende Rolle der kommunistischen Partei der Arbeit Albaniens (PAA) gewürdigt und "ihre ruhmreiche Rolle mit dem großen Marxisten-Leninisten Enver Hoxha als Führer der marxistisch-leninistischen Weltbewegung" hervorgehoben. Die KPD/ ML stellte sich damit bei den neu aufgebrochenen ideologischen Differenzen zwischen China und Albanien auf die Seite Albaniens. Der neuen chinesischen Führung unter Hua Kuo-feng gegenüber nimmt sie eine zunehmend kritischere Haltung ein, weil diese von der "wahren Linie Maos" abweiche und mit der "Theorie der drei Welten" die kommunistische Weltbewegung spalte. Wegen dieser Haltung der KPD/ML zur neuen chinesischen Führung vertiefte sich die Kluft zwischen ihr und dem KBW und der KPD, die sich für die neue chinesische Parteilinie entschieden. Die KPD/ML war weiterhin nicht bereit, die von Peking geforderte und von der KPD übernommene Konzeption zu übernehmen, die in dem sowjetischen Sozialimperialismus den Hauptfeind sieht. Die KPD/ML griff in gleicher Weise die USA und die Sowjetunion an, da sie es nicht für möglich hält, sich beim Kampf gegen eine imperialistische Supermacht auf die andere zu stützen. Die KPD/ML wandte sich deshalb im Gegensatz zur KPD auch gegen verstärkte Verteidigungsanstrengungen der Bundesrepublik Deutschland und der NATO gegen die militärische Bedrohung durch die "Hegemonial-Macht" Sowjetunion, sondern forderte, die Bundeswehr als "Instrument der Herrschaft der Kapitalisten" zu zersetzen. Die einfachen Soldaten müßten für die Sache der Revolution gewonnen werden, damit sie die "Gewehre, deren Handhabung sie in der Bundeswehr gelernt haben, nicht auf ihre Klassenbrüder, sondern auf ihre imperialistischen 53 Ausbeuter und Unterdrücker" richten. Gefordert wird der Aufbau einer "Roten Volksarmee". Die KPD/ML ist sich ihrer Verfassungsfeindlichkeit bewußt. Der Erste Vorsitzende Ernst Aust erklärte hierzu anläßlich des Pressefestes des Zentralorgans der KPD/ML "Roter Morgen" am 1 1 . Juni 1977 in Dortmund: "Genossen, was die Verfassungswidrigkeit angeht, habe ich dazu bereits gesagt, was zu sagen ist. Die Mühe, sie festzustellen, können sie sich sparen. Das geben wir ihnen schriftlich." 3.4.2 Organisation Führungsgremium der KPD/ML ist das Zentralkomitee. Die laufende Arbeit verrichtet das Politbüro in Dortmund. Die Partei gliedert sich in die Sektionen "Deutsche Bundesrepublik" (DBR), Berlin (West) und DDR. In der Bundesrepublik Deutschland unterhält sie 6 Landesverbände, davon einen in Bayern mit Sitz in München. Die KPD/ML zählte Ende 1977 rund 800 Mitglieder im Bundesgebiet, davon etwa 130 in Bayern. Damit konnte sie ihren Mitgliederstand gegenüber 1976 halten. Ihr innerparteiliches Leben ist zunehmend konspirativer geworden. Gegen Abweichler in den eigenen Reihen wandte sie psychischen und physischen Druck an. Die Ankündigung des CDU-Bundesvorstandes, Verbotsmaßnahmen gegen maoistische Organisationen zu erwirken, bezeichnete die KPD/ML als "schwerwiegenden Angriff auf die Organisationsfreiheit der Arbeiterklasse". Die KPD/ML lasse sich durch kein "Verbot aus Betrieben, Gewerkschaften, Schulen, Universitäten und Kasernen vertreiben". Sie sei auf ein Verbot vorbereitet und werde den Kampf im Falle eines Verbotes fortsetzen. Bei der Abschlußkundgebung im Rahmen des III. Parteitages, an der rund 3200 Personen teilnahmen, wurde bekanntgegeben, daß das 4. Zentralkomitee und die Zentrale Parteikontrollkommission gewählt worden seien. Über die personelle Zusammensetzung könne aus "Sicherheitsgründen" lediglich mitgeteilt werden, daß Ernst Aust weiterhin Erster Vorsitzender sei. Dieser bezeichnete die Verstärkung der Arbeit in den Gewerkschaften und Betrieben, die Mobilisierung der Jugend und den Aufbau von Kampfabteilungen als die wichtigsten Aufgaben der Partei. An der Abschlußkundgebung nahmen führende Vertreter von "Bruderparteien" aus Argentinien, Chile, Griechenland, Italien, dem Iran, Portugal und Spanien teil. Nach dem Ende 1977 gemäß SS 23 Parteiengesetz veröffentlichten Rechenschaftsbericht für das Jahr 1976 nahm die KPD/ML 54 insgesamt 827 342,44 DM ein (1975: 761 838,15 DM). Die Mitgliedsbeiträge stiegen um etwa 20% von 383 9 0 1 , - DM auf 460 0 3 4 - DM und die Spenden um etwa 10% von 324 446,84 DM auf 356 469,74 DM. Für den KPD/ML-Landesverband Bayern sind in dem Rechenschaftsbericht 38 9 1 6 - DM Gesamteinnahmen ausgewiesen, die sich aus 36 898 - DM Mitgliedsbeiträgen und 2 0 1 8 - DM Spenden zusammensetzen. Unterstützt wird die KPD/ML von ihren Nebenorganisationen, dem Jugendverband "Rote Garde" (RG), dem Kommunistischen Studentenbund/Marxisten-Leninisten (KSB/ML) und der Roten Hilfe Deutschlands (RHD), deren Einfluß und Aktivitäten 1977 nachließen. Nach eigenen Angaben geben die KPD/ML und ihre Nebenorganisationen insgesamt 133 Zeitungen und Schriften heraus, davon 65 Betriebszeitungen, 24 Stadt-, Stadtteilund Jugendzeitungen sowie 11 Krankenhauszeitungen. KPD/ML-Zentralorgan ist der "Rote Morgen", der wöchentlich in einer Auflage von etwa 10 000 Exemplaren erscheint. Die zentrale Betriebsund Gewerkschaftsabteilung der KPD/ML bekräftigte die Absicht, die von ihr unterstützte "Revolutionäre Gewerkschaftsopposition" (RGO) als einheitliche, festgefügte und zentralisierte Organisation in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin auszubauen. Innerhalb der Gewerkschaften des DGB und in den Betriebsgruppen gelte es, den schonungslosen Kampf gegen den "reaktionären DGB-Apparat", gegen die Sozialdemokratie und gegen den "modernen Revisionismus" zu führen, diese zu isolieren und den Bruch der Gewerkschaften herbeizuführen. In dem einstimmig vom IM. Parteitag verabschiedeten Rechenschaftsbericht des 3. Zentralkomitees wurde die Schaffung "Roter Kampfabteilungen" gefordert. Zu diesem Zweck sei "es notwendig, daß aus den Reihen der Partei, Roten Garde und engsten Sympathisanten von den mutigsten, körperlich stärksten, zähesten und trainiertesten Genossen Kampftrupps gebildet werden, die unter Anleitung der Partei sich regelmäßig körperlich ertüchtigen und militärisch ausbilden". Später müsse es möglich sein, "mit Waffengewalt weitere Waffen zu erlangen und den Aufstand zu verbreitern". Die "Roten Kampftrupps" sollen "in der Perspektive den Kern der zu schaffenden Roten Volksarmee (RVA)" bilden. 3.4.3 Aktivitäten 1977 setzte die KPD/ML ihre "Betriebsund Gewerkschaftsarbeit" fort; ihre Aktivitäten beschränkten sich aber im wesent55 liehen auf Agitationen vor den Betrieben und die Herausgabe von Flugschriften und Betriebszeitungen. Ferner beteiligte sich die KPD/ML an der Kampagne gegen "Berufsverbote und Gewerkschaftsausschlüsse" sowie im besonderen Maße am Kampf gegen die Kernkraftwerke. Hierzu erklärten KPD/ML-Funktionäre am 29. März 1977 im Fernsehen: "Es ist klar, daß der Kampf gegen die Atomkraftwerke auch zu Gewalt greifen muß." Anläßlich des 10jährigen Bestehens ihres Zentralorgans "Roter Morgen" führte sie im Juni 1977 regionale Pressefeste durch, an denen insgesamt rund 3000 Personen teilnahmen. Das Zentralkomitee der KPD/ML bezeichnete die Zeitung als ein "unerschütterliches, revolutionäres Kampfblatt für ein vereintes, unabhängiges und sozialistisches Deutschland". Die Terroranschläge kommentierte die KPD/ML mit der Bemerkung, individuelle terroristische Attentate seien unzweckmäßige Mittel des politischen Kampfes. Nur eine Massenbewegung sei ein wirklicher Kampf, bei dem auch individuelles terroristisches Handeln nützlich sein könne. Im übrigen lasse sich die KPD/ML weder durch die von den Kapitalisten "aufgeblasenen Dramen" noch durch eine "Terroristenhysterie" vom Kampf gegen die "Ausbeuterherrschaft" abbringen. 3.5 Kommunistischer Bund (KB) Der KB ist nach seinem Statut ein Zusammenschluß kommunistischer Organisationen auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus in seiner Weiterentwicklung durch Mao Tse-tung. Er kämpft für die "Beseitigung des kapitalistischen Ausbeutersystems und die Zersetzung des Staatsapparates, für den Aufbau des Sozialismus unter der Klassenherrschaft des Proletariats". Er betrachtet den Einsatz von Gewalt als legitimes Mittel. Der KB kritisiert jedoch im Gegensatz zum KBW und der KPD die chinesische Theorie vom Sozialimperialismus der Sowjetunion und die außenpolitische Annäherung der Volksrepublik China an die USA. Er wirft China "Verrat am proletarischen Internationalismus" vor. Den Erfolg der neuen chinesischen Parteiführung unter Hua Kuo-feng gegenüber der Gruppe um Maos Witwe Tschiang Tsching bezeichnete der KB in seinem Zentralorgan "Arbeiterkampf" als "Rechtsputsch". Die chinesische Revolution habe dadurch einen schweren Rückschlag erlitten. Die chinesische Außenpolitik werde sich noch mehr an den US-Imperialismus anlehnen und ihren "Antisowjetismus" als obersten Maßstab aller Entscheidungen verstärken. Der KB steht aber auch der Sowjetunion und ihren Satelliten56 Staaten distanziert gegenüber. Er bezeichnet den dort praktizierten Kommunismus als "revisionistisch entartet". Bezeichnend für den Standpunkt des KB ist das Zitat in der KB-Schrift "internationale": "Die Arbeiter aller Länder und die unterdrückten Völker haben heute kein .sozialistisches Vaterland', auf das sie ihre Hoffnungen setzen und nach dem sie sich orientieren können". Der KB hält sein innerparteiliches Leben weitgehend geheim. Die Mitglieder seines "Leitenden Gremiums" werden nicht gewählt, ihre Namen nicht veröffentlicht. Kai Ehlers, Hamburg, und Jürgen Reents, Frankfurt/M., zeichnen für zahlreiche KB-Publikationen presserechtlich verantwortlich. Der KB, dem sich bei der Gründung im November 1971 Gruppen aus Norddeutschland, Berlin und Frankfurt/M. angeschlossen hatten, konnte 1977 seine Organisation bundesweit weiter ausbauen. Er verfügt nunmehr in fast allen Teilen des Bundesgebiets über Gruppen, Stützpunkte und Kontaktadressen. Insgesamt zählt er im Bundesgebiet etwa 1700 Anhänger. Den Schwerpunkt des KB bildet die rund 900 Aktivisten umfassende Gruppe Hamburg. In Bayern kamen zu den bisherigen Gruppen und Stützpunkten in Erlangen, Landshut und Nürnberg solche in Bamberg, Regensburg, Schweinfurt und Würzburg hinzu. Die Gesamtzahl der Mitglieder in Bayern lag Ende 1977 zwischen 40 und 50. Die Gruppen des KB geben gemeinsam die Zeitungen "Rebell" (Jugendzeitung), "Unser Weg" (Theoretisches Organ) und die "internationale" heraus. Die Auflage des Zentralorgans "Arbeiterkampf" liegt bei rund 23 000. Im Schülerbereich stützt sich der KB auf den Sozialistischen Schülerbund (SSB). Seine Studentengruppen treten örtlich unter verschiedenen Bezeichnungen auf. In Bayern nennen sich die KB-Studentengruppen Sozialistischer Studentenbund (SSB); ihr publizistisches Organ ist die "Solidarität". Der KB hat bisher noch nicht an Wahlen teilgenommen. Zu seiner Einbeziehung in die Diskussion um das Verbot maoistischer Vereinigungen erklärte er, ein Verbot der "K-Gruppen" würde nicht nur eine Vervielfachung der terroristischen Kader mit sich bringen, sondern auch eine qualitative Veränderung der "Terrorszene" durch die "Zufuhr politisch erfahrener Kämpfer, d. h. eine Verbindung des Terrorismus mit Elementen der Massenpolitik im Gegensatz zur heutigen fast völlig entpolitisierten, rein technisch organisierten Ausrichtung des Terrorismus". Der KB unterhält von allen kommunistischen Vereinigungen die engsten Verbindungen zu den Gruppen der undogmatischen Neuen Linken. Ferner lehnt er eine Abgrenzung seiner Ziele und 57 Aktivitäten zum Terrorismus ausdrücklich ab. Das "Leitende Gremium" erklärte hierzu, der KB sei nicht bereit, sich an der "Abgrenzungshysterie" zu beteiligen. Der Terrorismus sei zwar eine Antwort auf die Unterdrückung durch das "System", aber "absolut aussichtslos". Die terroristischen Aktivitäten würden weiter steigen, weil es eine enge Beziehung gebe zwischen dem Abbau demokratischer Rechte und der Zunahme "verzweifelter bewaffneter Einzelangriffe" durch "Genossen", die keinen anderen Ausweg mehr sähen. Es sei bekannt, daß sich derzeit nicht wenige Genossen mit dem Gedanken trügen, in den politischen Untergrund zu gehen, sowohl auf "eigene Faust" als auch mit dem Versuch, sich der RAF anzuschließen. Dem KB ist es nur in Hamburg gelungen, in der Arbeiterschaft Erfolge zu erringen. Wie die anderen Gruppen der Neuen Linken wird auch der KB im wesentlichen von Studenten und Intellektuellen getragen. 1977 lag der Schwerpunkt der Aktivitäten des KB in der Antikernkraftbewegung, wo es ihm gelungen ist, in Bürgerinitiativen einzudringen. Das war auch bei einzelnen bayerischen Initiativen der Fall, insbesondere in Landshut, wo er versuchte, die Führung in der Kampagne gegen das Kernkraftwerk Ohu zu übernehmen. Maßgebend unterstützte der KB die Vorbereitungen für das "III. Internationale Russell-Tribunal zur Situation der Menschenrechte in der BRD", das nach seiner Einschätzung beim Kampf gegen den "BRD-Imperialismus" eine besondere Rolle spielen soll. 3.6 Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) Der zu den maoistischen Gruppierungen zählende KABD kämpft für die "proletarische Revolution" und die "Diktatur des Proletariats". Dabei läßt er sich vom Marxismus-Leninismus sowie von Mao Tse-tungs Ideen leiten. Der KABD distanzierte sich wie die KPD/ML und der KB von der neuen chinesischen Parteilinie. Er bezeichnete die Kursänderung in China als "Segeln im Winde von rechts", was nicht nur für China, sondern für die internationale marxistisch-leninistische Bewegung ein verhängnisvoller Weg sei. Alle Marxisten-Leninisten müßten diesen Kurs der neuen chinesischen Führung aufs schärfste bekämpfen. Der KABD tritt im Bundesgebiet vor allem im westund südwestdeutschen Raum in Erscheinung. Die Zentrale befindet sich in Haan (Nordrhein-Westfalen). Sein Zentralorgan "Rote Fahne" wird in Stuttgart herausgegeben. In Bayern traten bisher KABDAnhänger vor allem in Aschaffenburg, Coburg, Erlangen, Neu58 Stadt b. Coburg, Nürnberg, Schweinfurt und Würzburg hervor. Die Aktivitäten des KABD beschränkten sich im wesentlichen auf die Betriebsarbeit und Schulung seiner Mitglieder. Eine Ausnahme bildete das vom KABD am 3. Dezember 1977 in Dortmund veranstaltete "Rote-Fahne-Pressefest", an dem rund 2000 Personen, darunter viele Anhänger des KABD aus Bayern, teilnahmen. Aus der hohen Teilnehmerzahl ist zu schließen, daß sich der KABD nach inneren Richtungskämpfen wieder konsolidieren konnte. 1976 hatte es noch heftige "Fraktionskämpfe" gegeben, die zu Austritten von Mitgliedern und zur Abspaltung von Ortsgruppen in Hessen und im Saarland führten. Zu den Nebenorganisationen des KABD gehören der Revolutionäre Jugendverband Deutschlands (RJVD) und die Kommunistischen Studentengruppen (KSG), die 1977 weiter an Bedeutung verloren. 3.7 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Der AB, in dem sich im Mai 1973 die maoistisch orientierten Arbeiter-Basisgruppen München und die Sozialistischen Betriebsgruppen Regensburg, Weiden, Passau und Altötting vereinigten, bezeichnet sich als eine "Vorhutorganisation" der Arbeiterklasse. Er beruft sich in seinen programmatischen Aussagen auf den Marxismus-Leninismus und Mao Tse-tungs Ideen. Er erstrebt wie die übrigen maoistischen Gruppen über den "revolutionären Kampf" gegen die "herrschende Ausbeuterklasse" die Diktatur des Proletariats. Der AB ist vorwiegend in Bayern tätig. Seine Bemühungen, im übrigen Bundesgebiet weiter Fuß zu fassen, blieben 1977 erfolglos. Dem AB gelang es aber, die rückläufige Entwicklung der letzten Jahre aufzufangen und seinen Mitgliederstand mit rund 300 zu halten. Die aktivste Ortsgruppe des AB blieb die in Regensburg, die auch die Verbindung zu außerbayerischen "Gewerkschaftsoppositionellen Gruppen" (GOG) aufrecht erhielt. Die Sympathisantengruppe Augsburg erhielt den Status einer Ortsgruppe. "Freundeskreise", die den AB finanziell unterstützen sollen, bestehen neben den dortigen AB-Gruppen in Alt-/Neuötting, München, Nürnberg und Regensburg. Die führenden Funktionäre des AB sind nach wie vor Thomas Schmitz-Bender und Helge Sommerrock, die auch presserechtlich für die Herausgabe der "Kommunistischen Arbeiterzeitung" (KAZ), des Zentralorgans des AB, verantwortlich zeichnet. Im Bildungsbereich wird der AB von der Roten Schülerfront (RSF) und dem Kommunistischen Hochschulbund (KHB) unter59 stützt, deren Bedeutung nachgelassen hat. Sie zählen in diesem Bereich aber immer noch zu den einflußreichsten linksextremen Gruppen in Bayern. Nach dem Beschluß des CDU-Bundesvorstandes, Verbotsmaßnahmen gegen maoistische Vereinigungen zu veranlassen, rief das Exekutivkomitee des Zentralen Komitees des AB zum "offenen Widerstand der Arbeiter, wie aller Teile der demokratisch gesinnten Bevölkerung in unserem Lande" auf. Es empfahl gleichzeitig, die "Einheit aller sozialdemokratischen, kommunistischen, antifaschistischen und bürgerlich-liberalen Organisationen gegen Reaktion und Verbotsdrohung" herzustellen. Hauptbetätigungsfeld des AB waren die Betriebe. Darüber hinaus richtete sich seine Agitation gegen den "Marsch nach rechts". Gemeinsam mit dem von ihm gesteuerten Anti-StraußKomitee und anderen linksextremen Gruppen demonstrierten AB-Anhänger wiederholt gegen Veranstaltungen rechtsextremer Organisationen, wobei es in einigen Fällen zu tätlichen Auseinandersetzungen kam. An der Kampagne gegen den Bau von Kernkraftwerken nahm der AB im Gegensatz zu den übrigen Gruppen der Neuen Linken nicht teil; er ist der Auffassung, daß diese Anlagen für die Energieversorgung notwendig sind. 3.8 Gruppe Internationale Marxisten - Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM) Die im Mai 1969 gegründete GIM ist die stärkste trotzkistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland; ihr gehören etwa 600 der insgesamt rund 1200 organisierten deutschen Trotzkisten an. Neben der GIM bestehen in der Bundesrepublik Deutschland noch zwei weitere nennenswerte Zusammenschlüsse deutscher Trotzkisten: der Spartakusbund und der Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA), dem der Sozialistische Jugendbund (SJB) angegliedert ist. Die Programmatik der Trotzkisten fußt auf der Lehre von der "permanenten Revolution", die der Begründer dieser kommunistischen Bewegung, Trotzki, vor allem im Gegensatz zu dem von Stalin in der Sowjetunion aufgebauten Parteiund Staatssystem entwickelt hat. Unter "permanenter Revolution" verstand Trotzki die Durchführung ständiger politischer und militärischer Maßnahmen, bis der Sieg der Revolution in allen Staaten der Welt ohne bürokratische Verfestigung der revolutionären Elite errungen ist. Das Endziel ist die Diktatur des Proletariats in der Staatsform einer Räteherrschaft. Das Bekenntnis der GIM zum Trotzkismus schließt die Bejahung 60 der revolutionären Gewalt ein; deren Anwendung ist für sie lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit. Die GIM will den Lehren Trotzkis entsprechend die bestehende verfassungsmäßige Ordnung zerschlagen und als revolutionär-marxistische Partei die Arbeiterklasse in der sozialistischen Revolution anführen. Die GIM, die sich dem "Vereinigten Sekretariat" der IV. Internationale in Brüssel unterordnet, ist wie die anderen marxistisch-leninistischen Organisationen nach den Prinzipien des "demokratischen Zentralismus" organisiert. Im Gegensatz zu den orthodox-kommunistischen und stalinistisch-maoistischen Parteien gestattet sie jedoch die Bildung von Fraktionen innerhalb ihrer Organisation. Die GIM verfügt in der Bundesrepublik Deutschland über 51 Ortsgruppen und Stützpunkte. Ihr Zentralorgan "was tun" mit einer Auflage von etwa 7000 Exemplaren erscheint seit März 1976 wöchentlich, ihre theoretische Zeitschrift "die Internationale" dreimal jährlich. Weiterhin gibt die GIM in unregelmäßigen Abständen "Rote Hefte" heraus. Ihre Schriften werden vom Verlag "Internationale Sozialistische Publikationen" (ISP) in Frankfurt/M. herausgegeben, dessen Gesellschafter und Geschäftsführer GIM-Funktionäre sind. Agitationsschwerpunkte der GIM waren 1977 die Arbeitslosigkeit und der Kampf gegen die "staatliche Repression in der Bundesrepublik Deutschland", worunter die GIM vor allem die Maßnahmen zur Fernhaltung von Extremisten aus dem öffentlichen Dienst versteht. Ferner bemühte sich die GIM, allerdings ohne nennenswerten Erfolg, um Einfluß auf die Gewerkschaften, indem sie "eine klassenkämpferische Alternative zur Politik der Gewerkschaftsbürokratie" entwickelte. Außerdem intensivierte sie den "antimilitaristischen Kampf" gegen die Bundeswehr. Als Anleitung gab sie die Broschüre "Die Revolutionäre und die Armee" heraus. Des weiteren beteiligte sich die GIM an der Kampagne gegen die Kernkraftwerke; dabei unterstützte sie Bürgerinitiativen und versuchte, diese zu unterwandern. Maßgeblich nahm sie an den Vorbereitungen'des "III. Internationalen RussellTribunals zur Situation der Menschenrechte in der BRD" teil. In Bayern konnte die GIM bisher kaum Fuß fassen. Lediglich im Bereich der Universität München traten Anhänger der GIM gelegentlich hervor. 3.9 Undogmatische Gruppen 3.9.1 Allgemeines Zum Bereich der Neuen Linken zählen auch die sogenannten 61 undogmatischen Gruppen, die die bestehende soziale und politische Ordnung revolutionär beseitigen wollen, jedoch das Konzept des dogmatischen autoritären Marxismus-Leninismus ablehnen. Sie treten für Autonomie, Spontaneität und Selbstorganisation der "Unterdrückten" ein, weshalb sich einige von ihnen als "Spontis" bezeichnen. Das Spektrum dieser undogmatischen Linksextremisten reicht von revolutionär-marxistischen bis hin zu anarchistischen Gruppen im Umfeld des Terrorismus. Sie haben sich vielfach in Wohngemeinschaften zusammengeschlossen, treten häufig mit kleinen, schwer überschaubaren Gruppen in Hochschulen und Wohngebieten auf und versuchen an der "Basis", den Widerstand gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung voranzutreiben. 3.9.2 Sozialistisches Büro (SB) Das Sozialistische Büro in Offenbach kann als Sammelbecken der undogmatischen linksextremen Bewegung bezeichnet werden. Es bildet einen losen Zusammenschluß von 41 undogmatischen Gruppen und rund 700 Einzelmitgliedern. Das Sozialistische Büro will Linkssozialisten außerhalb der SPD, der DKP und der kommunistischen "Studentenparteien" sammeln und fordert die "revolutionäre Umwälzung". Nach seinen Thesen hält es diese auf parlamentarischem Wege und unter Ausnutzung des "bürgerlichen Staatsapparates" für nicht möglich. 1977 war das Sozialistische Büro eine der treibenden Kräfte bei der Vorbereitung des "III. Russell-Tribunals zur Situation der Menschenrechte in der BRD". Anhänger des Sozialistischen Büros beteiligten sich außerdem an der Antikernkraftbewegung in Bayern. 3.9.3 Kollektiv Rote Hilfe München Das Kollektiv Rote Hilfe München, dem rund 40 Mitglieder angehören, grenzt sich deutlich von der Roten Hilfe e. V. der KPD und der Roten Hilfe Deutschlands (RHD) der KPD/ML ab und hat sich zum Ziel gesetzt, die "Isolation der Gefangenen zu durchbrechen" und "Aufklärungsarbeit über die Mißstände in den Knasten" zu leisten. Nach einer Selbstdarstellung ist das Kollektiv Rote Hilfe München eine revolutionär-sozialistische Vereinigung ohne organisatorische und personelle Verbindung zu irgendeiner Partei. Es sucht die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft durch neue Formen der Basisdemokratie, die der Spontaneität Raum 62 gibt, und versucht, Kontakte zu vorwiegend "politisierten" Gefangenen in bayerischen Justizvollzugsanstalten zu gewinnen. In einem Aufruf appellierte das Kollektiv Rote Hilfe München im September 1977 an die ,,RAF-Genossen", das von Ulrike Meinhof verfaßte "Aktionsprogramm für den Kampf um die politischen Rechte der gefangenen Arbeiter" wieder aufzunehmen und mit "allen Gefangenen gemeinsam das Knastsystem zu bekämpfen". Es warnte zugleich vor deren Forderungen nach "Kriegsgefangenen-Status und Zusammenlegung politischer Gefangener", weil diese jede aufkommende Gefangenenbewegung zu spalten drohten. Am 2 1 . Oktober 1977 veranstaltete das Kollektiv Rote Hilfe München gemeinsam mit dem "Blatt - Stadtzeitung für München", dem Trikont-Verlag München und der Basis-Buchhandlung München ein "Knastfest", zu dem rund 1000 Personen erschienen. 3.9.4 Gefangenengruppe Nürnberg Die von ehemaligen Mitgliedern des Kollektivs Schwarze Hilfe Nürnberg zu Beginn 1977 gegründete Gefangenengruppe Nürnberg wird vorwiegend von Anhängern der undogmatischen linksextremen Bewegung getragen. Sie ist keine feste Organisation mit Statut und Programm und lehnt die "reaktionäre Trennung in politische und andere Gefangene als arrogante Spaltung der Gefängnisbewegung und der proletarischen Klasse ab". Die Tätigkeit der Gefangenengruppe Nürnberg beschränkte sich 1977 auf das Anpolitisieren von Häftlingen sowie auf Unterstützungsund Solidaritätsaktionen. Sie forderte die Freilassung aller "proletarischen" Gefangenen sowie die Entlassung aller "gefangengehaltenen Sozialisten, Anarchisten, Kommunisten und Demokraten". Ihr Sprachrohr war die Zeitschrift "Roter Herzfleck" mit dem Untertitel "Revue für subversive Poesie und leidenschaftliches Leben", deren Herausgabe Ende 1977 eingestellt wurde. 3.9.5 Verlage und Schriften Zur undogmatischen Szene der Neuen Linken gehören auch von Anhängern dieser Bewegung geführte Verlage und Herausgeber von Publikationen, die vielfach auch über terroristische Aktionen informieren und Stellungnahmen und Beiträge des politisch motivierten Terrorismus enthalten. Hierzu gehören der Trikont-Verlag, München, "Blatt - Stadtzeitung für München", das in einer Auflage von etwa 15 000 Exemplaren erscheint, die Basis-Buchhandlung, München, der Bayerische Informationsdienst (BID), der seit Juni 1977 in München 63 herausgegeben wird, und der wöchentlich in Frankfurt/M. erscheinende Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten (ID), der auch in Bayern verbreitet wird. 3.10 Kampagne der Gruppen der Neuen Linken gegen den Bau von Kernkraftwerken 3.10.1 Allgemeines Für die Linksextremisten ist die durch die technologische Entwicklung in den Vordergrund gerückte Bewegung für den Umweltschutz vor allem Klassenkampf. Entsprechend ihrer allgemeinen Strategie benutzen vor allem die Gruppen der Neuen Linken die Besorgnis weiter Teile der Bevölkerung über die von Kernkraftwerken ausgehenden Gefahren zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Dabei entfalten sie eine hemmungslose, manchmal von Gewaltakten begleitete Agitation. Es geht ihnen nur vordergründig um die Verhinderung des Baues von Kernkraftwerken. Ziel ist die Schwächung der Demokratie und des Rechtsstaates und die Schaffung einer revolutionären Situation. Darin sind sich die Gruppen der Neuen Linken einig. Ihre sonst so sehr betonten ideologischen Unterschiede stellen sie in diesem Falle zurück. Jede offene Auseinandersetzung mit den Sicherheitsorganen betrachten sie in diesem Kampf als Sieg. 3.10.2 Träger der Kampagne Die von den Gruppen der Neuen Linken geführte Kampagne wurde 1977 vor allem getragen von dem Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) der Kommunistischen Partei Deutschlands Marxisten-Leninisten (KPD/ML) dem Kommunistischen Bund (KB) Ferner beteiligten sich anarchistische und spontaneistische Gruppen der Undogmatischen Neuen Linken, die bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsorganen besonders hervortraten. Den Gruppen der Neuen Linken gelang es zunehmend, die orthodoxen Kommunisten in der Kampagne gegen die Kernkraftwerke zurückzudrängen. Ihre Agitation richtete sich gegen die Kernkraftwerke in Ost und West. Die orthodoxen Kommunisten erhoben dagegen gegen den Bau von Kernkraftwerken in sozialistischen Ländern keine Einwendungen. Dieser Widerspruch 64 machte ihre Argumentation in den Augen der demokratischen Kernkraftgegner unglaubwürdig und stand einer größeren Einflußnahme entgegen. In Bayern gab es Ende 1977 etwa 40 Bürgerinitiativen gegen den Bau von Kernkraftwerken. Von diesen waren mehr als die Hälfte von Gruppen der Neuen Linken beeinflußt. Der Grad der Beeinflussung ist unterschiedlich. Mehrere Bürgerinitiativen werden von verschiedenen linksextremen Gruppen getragen. Die bayerischen Bürgerinitiativen führten 1977 mehrere "Landesdelegiertenkonferenzen" durch, die die "Anti-AKW-Bewegung" koordinieren und Aktionen vorbereiten sollten. Zu diesen Konferenzen entsandte jedoch nur ein Teil der Bürgerinitiativen Delegierte. An der "Landesdelegiertenkonferenz" am 12./13. November 1977 in Regensburg waren nur noch 8 Bürgerinitiativen vertreten. Deshalb und wegen der unterschiedlichen ideologischen und taktischen Einstellungen gelang es nicht, ein einheitliches Konzept zu entwickeln. 3.10.3 Aktivitäten In der bundesweiten Kampagne gegen die Kernkraftwerke waren vor allem die zentralen Demonstrationen gegen den Bau des Kernkraftwerkes Brokdorf (Schleswig-Holstein) am 19. Februar 1977, Grohnde (Niedersachsen) am 19. März 1977 und Kaikar (Nordrhein-Westfalen) am 24. September 1977 von Bedeutung. An diesen Demonstrationen nahmen bis zu 30 000 Personen teil, darunter jeweils auch zahlreiche Linksextremisten aus Bayern. Bei der Demonstration gegen den Bau des Kernkraftwerkes Grohnde versuchten etwa 7000 Demonstranten, den Bauplatz zu stürmen. Unter diesen befanden sich vor allem Anhänger des KBW, der KPD, der KPD/ML und des KB, die in geschlossenen Formationen auftraten. Bei den Angriffen benutzten die Demonstranten waffenähnliches Gerät, wie Schlagstöcke, Stahlkugeln und Molotow-Cocktails. Dabei wurden 240 Polizeibeamte verletzt. Die Gruppen der Neuen Linken beteiligten sich auch in Bayern an der Kampagne gegen den Bau von Kernkraftwerken. Hier richteten sich die Aktionen insbesondere gegen das Kernkraftwerk Ohu, Lkr. Landshut, den geplanten Bau des Kernkraftwerkes Rehling, Lkr. Aichach-Friedberg, und gegen den Bau des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld, Lkr. Schweinfurt. Am 7. Mai 1977 demonstrierten etwa 1500 vornehmlich von Linksextremisten mobilisierte Kernkraftwerksgegner gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Isar 1 und gegen den geplanten Bau des Kernkraftwerkes Isar 2 in Ohu. Veranstalter war 65 die vom KB getragene Bürgerinitiative gegen Kernkraftwerke Landshut, die alle bayerischen Bürgerinitiativen aufgerufen hatte, an der Demonstration teilzunehmen. Angesichts der umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen und starken Polizeikräfte unternahmen die Anhänger der militanten Gruppen jedoch keinen Versuch gewalttätiger Aktionen. Am 14. Mai 1977 demonstrierten in Augsburg etwa 1100 Personen gegen den geplanten Bau des Kernkraftwerkes Rehling. Veranstalter war die Aktion Umweltschutz Augsburg, die gemeinsam mit Gruppen des Bundes Naturschutz und anderer Bürgerinitiativen zur Demonstration aufgerufen hatte. Zur Teilnahme hatten ferner DKP, SDAJ, der KBW, die KPD und die von diesen im Raum München und Augsburg gesteuerten Bürgerinitiativen aufgefordert. Eine weitere Demonstration mit rund 500 Teilnehmern richtete sich am 29. Mai 1977 gegen den Bau des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld. Die Demonstration wurde von der durch linksextreme Kräfte beeinflußten Gruppe "KKW-Nein Schweinfurt" veranstaltet. Am 25. Juni 1977 beteiligten sich in Landshut etwa 1100 Personen an einer Demonstration des Bundes Naturschutz in Bayern gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Isar 1 und den geplanten Bau des Kernkraftwerkes Isar 2 in Ohu. Unter den Teilnehmern befanden sich auch zahlreiche Anhänger des KBW, des KB und der AKW-Nein-Gruppe Landshut, einer undogmatischen Gruppe der Neuen Linken. Ferner nahmen daran noch Mitglieder der SDAJ und der DKP teil, deren Funktionär Franz Lori als Sprecher der IG Druck und Papier auftrat. Den Höhepunkt der Kampagne der Kernkraftgegner sollte eine für den 22. Oktober 1977 geplante Demonstration gegen den Bau des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld bilden. Diese wurde von der Bürgeraktion Umweltund Lebensschutz Schweinfurt e.V. vorbereitet und sollte von einem Großteil der bayerischen "Anti-Kernkraft-Bewegung" getragen und von linksextremen Gruppen unterstützt werden. Der Veranstalter sagte jedoch wegen der Terroranschläge die Demonstration gegen den Widerstand der Linksextremisten ab. Trotzdem führten noch rund 150 angereiste Demonstranten einen Autokorso durch. Die Initiative zu dieser nichtangemeldeten Demonstration war von der linksextrem beeinflußten "KKW-Nein-Gruppe Schweinfurt" ausgegangen. 3.11 "IM. Internationales Russell-Tribunal" Gruppen der dogmatischen und undogmatischen Neuen Linken 66 unterstützten auch die Vorbereitungen für das "III. Internationale Russell-Tribunal zur Situation der Menschenrechte in der BRD". Die mit dem Tribunal angestrebte Diffamierung der Bundesrepublik Deutschland geht vornehmlich von diesen linksextremen Gruppen aus, die mit Gleichgesinnten im Ausland zusammenarbeiten. Durch die Mitarbeit und Unterstützung von Persönlichkeiten aus dem Inund Ausland sollen die wahren Absichten verschleiert und ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit erreicht werden. Die Vorbereitungen zu diesem Tribunal begannen bereits im Sommer 1976 mit Gesprächen zwischen der französischen "Partie Sozialiste Unifie" (PSU), dem Kommunistischen Bund (KB), dem Sozialistischen Büro (SB), der trotzkistischen Gruppe Internationale Marxisten - Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM) und dem Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten (ID). Diese Gruppen gewannen die Russell-Stiftung in Nottingham/England, die von dem verstorbenen englischen Philosophen, Literatur-Nobelpreisträger und Pazifisten Bertrand Russell gegründet wurde, für ihre Idee, ein internationales Tribunal über die "Verletzung der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland" richten zu lassen. 1966 hatte die Russell-Stiftung bereits ein Tribunal über "Kriegsverbrechen in Vietnam" und 1973 bis 1975 ein Tribunal über die Situation in Lateinamerika, insbesondere in Chile, abgehalten; beide Veranstaltungen standen unter dem Einfluß orthodox-kommunistischer Gruppen. Im Mai 1977 wurde ein fünfköpfiges Sekretariat mit Sitz in Berlin (West) gebildet und im September 1977 eine Jury ernannt, der 27 Mitglieder aus dem Ausland angehören. Der Jury steht ein deutscher Beirat mit der Schriftstellerin Dr. Ingeborg Drewitz, Pastor D. Martin Niemöller und den Professoren Helmut Gollwitzer, Wolf Dieter Narr und Uwe Wesel zur Seite, der das Tribunal beraten soll, jedoch kein Stimmrecht besitzt. Am 16. Oktober 1977 konstituierte sich das III. Tribunal, das die angebliche Verletzung von Menschenrechten in der Bundesrepublik Deutschland an Hand folgender Fragen untersuchen will: - Wird Bürgern der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Überzeugung das Recht verwehrt, ihren Beruf auszuüben? - Wird durch strafund zivilrechtliche Bestimmungen und durch strafrechtliche Maßnahmen Zensur geübt? - Werden Grundund Menschenrechte im Zusammenhang mit Strafverfahren ausgehöhlt und eliminiert? 67 Im Zuge der mit der Ankündigung des Tribunals eingeleiteten Kampagne entstanden im westlichen Europa und im Bundesgebiet, darunter auch in München, Nürnberg, Augsburg, Bamberg, Erlangen und Würzburg, zahlreiche Arbeitskreise und Komitees, die das Tribunal unterstützen wollen. Auch sogenannte "AntiFolter-Komitees" und andere Gruppen der terroristischen Randszene, die sich vielfach in "Russell-Initiativen" oder "Russell-Unterstützungs-Komitees" umbenannten, sicherten ihre Unterstützung zu. Besonders intensiv an Vorbereitung und Organisation des Tribunals beteiligte sich das Sozialistische Büro (SB), das die "revolutionäre Umwälzung" fordert und in seinen Thesen erklärt, daß diese auf parlamentarischem Wege und unter Ausnutzung des "bürgerlichen Staatsapparates" nicht möglich sei. Auch die linksextrem beeinflußten Vereinigten Deutschen Studentenschaften (VDS) sagten in einer am 5. Dezember 1977 abgegebenen Presseerklärung die Unterstützung des Tribunals zu. Sie forderten die Allgemeinen Studentenausschüsse (ASten) auf, durch aktive Unterstützung in Form von Informationen und materieller Hilfe einen Beitrag zur erfolgreichen Durchführung des Tribunals zu leisten. Der Kommunistische Bund (KB), der die Vorbereitungen für das Tribunal ebenso unterstützte, erwartet durch die dadurch eingeleitete Bewegung ein breites Bündnis, vergleichbar dem der sechziger Jahre bei der Kampagne gegen die Notstandsgesetzgebung. Die übrigen maoistischen Gruppen, wie KBW, KPD und KPD/ML, lehnten eine aktive Mitarbeit ab, weil sich das Tribunal nur gegen die Bundesrepublik Deutschland, nicht aber auch gegen die DDR richtet. Die DKP verhielt sich gegenüber dem Tribunal abwartend. Sie fürchtete vor allem um ihren Einfluß und ihre Bündnispolitik mit "demokratischen Kräften" bei der Kampagne gegen die "Berufsverbote". An den Vorbereitungen beteiligten sich ferner Ortsgruppen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und des Liberalen Hochschulverbandes (LHV), die Selbstorganisation der Zivildienstleistenden (SOdZDL) und einige evangelische und katholische Studentengemeinden. Die Jungsozialisten in der SPD und die Jungdemokraten begrüßten die Abhaltung des "Russell-Tribunals". 68 3. Abschnitt Rechtsextremismus 1. Allgemeines Auch im Jahre 1977 boten die rechtsextremen Organisationen und Gruppen kein einheitliches Bild. Die nach wie vor bestehende starke Zersplitterung, Führungsstreitigkeiten, das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel und eine weit verbreitete Resignation unter den Mitgliedern und Anhängern verhinderten, daß der Rechtsextremismus politischen Einfluß gewann. Ende 1977 gab es in Bayern 36 rechtsextreme Organisationen und Gruppen mit rund 4900 Mitgliedern. Ende 1976 waren es noch 43 Organisationen mit etwa 5300 Mitgliedern. Sowohl die Zahl der Organisationen und Gruppen als auch die Gesamtzahl der Mitglieder waren damit im Jahre 1977 rückläufig. Innerhalb des organisierten Rechtsextremismus stellte die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und ihrer Studentenorganisation Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) mit insgesamt etwa 2200 Mitgliedern weiterhin den größten Anteil. Die "Neue Rechte", die wiederum über Ideologiediskussionen nicht hinauskam, ist nunmehr zur Bedeutungslosigkeit abgesunken. Dagegen war im Bereich des Neonazismus und Antisemitismus gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg zu verzeichnen. In Bayern traten 1977 im wesentlichen die folgenden rechtsextremen Organisationen und Gruppen in Erscheinung: 1.1 Rechtsextreme Kernorganisationen Alte Rechte Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Deutsche Volksunion (DVU) Neue Rechte Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (SdV/NRAO) Solidaristische Volksbewegung (SVB) 1.2 Rechtsextreme Nebenorganisationen Junge Nationaldemokraten (JN) Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 1.3 Neonazistische Organisationen Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) Deutsche Bürgerinitiative (DBI) Kampfbund Deutscher Soldaten (KDS) Aktionsgemeinschaft Nationales Europa (ANE) Freundeskreis Denk mit 1.4 Sonstige rechtsextreme Organisationen Deutscher Block (DBI) Aktion Oder-Neiße (AKON) Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) Bund Albert Leo Schlageter Die beiden Grundströmungen des Rechtsextremismus, die mit den Begriffen "Alte Rechte" und "Neue Rechte" gekennzeichnet werden, unterscheiden sich wie folgt: Die "Alte Rechte", die ihre Politik an den Vorbildern vergangener oder bestehender rechtsextremer Diktaturen ausrichtet, trat weiterhin mit demokratiefeindlichen, völkisch-kollektiven und rassistischen Parolen auf. Die "Neue Rechte" versteht sich als progressive Bewegung und strebte eine nationale und zugleich sozialistische Revolution an. Die Zahl der neonazistischen und antisemitischen Vorfälle stieg im Jahr 1977 nicht unbeachtlich an. Eine Gesamtsteuerung der Aktionen durch eine oder mehrere Gruppen war nicht erkennbar. Das aus dem Ausland, insbesondere den USA stammende neonazistische Propagandamaterial trug mit zur Belebung dieser Form des Rechtsextremismus bei. 2. Alte Rechte 2.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 2.1.1 Ideologisch-politischer Standort Der rechtsextreme Charakter der NPD wird getragen vom Prinzip 70 des völkischen Kollektivismus, der Negierung der Interessen und Rechte des einzelnen zugunsten der Interessen der rassistisch verstandenen "Volksgemeinschaft", der Mißachtung des Gedankens der Völkerverständigung und den permanenten Versuchen, das NS-Regime zu rechtfertigen. Ziel ihrer Tätigkeit ist die Errichtung einer "Nationaldemokratie", hinter der sich, langfristig gesehen und aus taktischen Gründen nicht offen erklärt, eine nationalistische Diktatur verbirgt. Diese Zielsetzung und die sie tragende Ideologie kam auch 1977 in Diffamierungskampagnen gegenüber den Institutionen unserer Demokratie, insbesondere den demokratischen Parteien und der Bundesregierung, zum Ausdruck. So wurden diese als "Bonner Einheitsparteien", "Systemparteien", "Kartellparteien", "Statthalter der Wallstreetund Kreml-Bonzen" bezeichnet. 2.1.2 Organisation Die am 28. November 1964 in Hannover von Funktionären der Deutschen Reichspartei (DRP) gegründete NPD zählte im Bundesgebiet 1977 9000 Mitglieder. Auf dem 1 1 . Ordentlichen Bundesparteitag im März 1977 in Hannover wurde der Parteivorsitzende Martin Mußgnug in seinem Amt bestätigt. Stellvertreter wurden Walter Bachmann, Helmut Schmitz und Karl Feitenhansl. Auch in Bayern ist die NPD mit rund 2000 Mitgliedern die größte rechtsextreme Organisation. Gegenüber 1976 konnte sie ihren Mitgliederstand halten. Der NPD-Landesverband Bayern mit Sitz in München gliedert sich in 7 Bezirksund rund 70 Kreisverbände, von denen jedoch über die Hälfte nicht aktiv ist. Vorsitzender des Landesverbandes Bayern ist Walter Bachmann. Der seit Jahren andauernde Organisationsverfall hängt eng mit der finanziellen Lage der Partei zusammen. Insbesondere die Pflicht zur Rückerstattung des Wahlkampfkostenvorschusses zur bayerischen Landtagswahl 1974, die im Februar 1977 vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof bestätigt wurde, belastete die finanzielle Situation des Landesverbandes erheblich. Maßnahmen im Beitragswesen der Partei und Spendenaufrufe erbrachten nicht die erhoffte Sanierung. Den tatsächlichen Zustand der NPD macht eine Ende 1977 veröffentlichte Studie der Strategiekommission des Parteivorstandes deutlich. Darin wird einerseits der Anspruch auf den "immer deutlicher freiwerdenden Raum auf der Rechten" als "Hausbereich" der NPD bekräftigt, andererseits aber eingestanden, daß die Partei in ihrer gegenwärtigen Verfassung diesen Anspruch nicht realisieren könne. Die Studie stellt fest, daß die NPD als 71 "Partei der Großväter und Enkel" keinen politisch relevanten Faktor darstelle. Es mangele an politischer Arbeit an der Basis. Die Teilnahme an Wahlen habe sich als sinnloser Verschleiß herausgestellt, und der personelle Schwund habe zu einem Sinken des geistigen Niveaus und zu einer intellektuellen Austrocknung der Partei geführt. Als Ausweg aus dieser Krise schlug die Strategiekommission die Umwandlung der NPD von einer "Partei der NPD-Wähler" zu einer "Kaderpartei" als Vorstufe für eine spätere "Volkspartei" vor. Als Motto der kurzfristigen Strategie bis 1980 müsse gelten: "Langer Marsch der kurzen Schritte". Als Organ der NPD erscheint im parteieigenen Verlag in Stuttgart die "Deutsche Stimme" mit einer durchschnittlichen monatlichen Auflage von 100 000 Exemplaren. Ihre Bezugsgebühr ist im Mitgliedsbeitrag eingeschlossen. Daneben erscheint sporadisch die Schrift "Deutschlandsender". Als Argumentationshilfe für die Mitglieder wird seit Herbst 1977 die "Nationaldemokratische Propaganda-Depesche" herausgegeben. Zentrales Organ des Landesverbandes Bayern ist die meist in Form eines Flugblattes erscheinende Schrift "Nationaldemokraten informieren", deren monatliche Auflage bei rund 10 000 Exemplaren liegt. Seit Mitte 1977 gibt der Landesverband Bayern ferner ein Mitteilungsblatt mit dem Titel "Bayern-Stimme" heraus, dessen Auflage auf etwa 2000 Exemplare geschätzt wird. Der "Frankenspiegel" als Mitteilungsblatt des Bezirksverbandes Mittelfranken erscheint in unregelmäßigen Abständen. 2.1.3 Aktivitäten Der 11. Bundesparteitag der NPD in Hannover befaßte sich insbesondere mit dem schlechten Abschneiden der NPD bei der Bundestagswahl 1976. Der Parteivorsitzende Mußgnug forderte, die NPD müsse wieder von einem "Debattierclub" zu einer "politischen Kampforganisation" werden. Der 10. bayerische Landesparteitag im Juli 1977 in Hof stand unter dem Motto "NPD - bürgernah - lebensrichtig". Der Landesvorsitzende Bachmann beschäftigte sich dort insbesondere mit der CSU, die "zu träge" geworden sei. Den früheren Staatsminister des Innern Dr. Merk bezichtigte er der verfassungswidrigen "Gesinnungsschnüffelei" gegen Nationaldemokraten. Bachmann warnte, daß "gegen die Verfolger eines Tages zurückgeschlagen werden" könne. Zum 1. Mai, der noch vor einigen Jahren in erheblichem Umfang von der NPD zur politischen Agitation benutzt wurde, fanden in Bayern nur noch Veranstaltungen in Kulmbach, Tittmoning und Trebersdorf bei Cham mit insgesamt etwa 500 Teilnehmern statt. 72 Anläßlich des "Tages der Deutschen Einheit" am 17. Juni fanden neben dem zentralen "Deutschland-Treffen" in Frankfurt mit etwa 4000 bis 5000 Teilnehmern in Rottenbach, Landkreis Coburg, und in Iphofen, Landkreis Kitzingen, sowie auf dem Sudelfeld bei Bayrischzell als Sonnwendfeiern bezeichnete Veranstaltungen statt, an denen sich insgesamt etwa 450 Personen beteiligten. Auch der "Tag des Berliner Mauerbaues" am 13. August war Anlaß für Veranstaltungen der NPD in Ansbach, Passau und Straubing. Hier lag die Teilnehmerzahl bei jeweils 50 bis 100 Personen. Zum Terrorismus nahm der Landesverband Bayern in einem Rundschreiben Stellung. Danach stünden der Bundesregierung als "härteste Maßnahmen" nur "Worte, nichts als Worte" zur Verfügung. Die NPD erwarte, daß immer mehr Deutsche aus dem Trancezustand erwachten, in den sie von allen "Umerziehern" versetzt worden seien. Aufgabe der NPD werde es sein, hierbei kräftig nachzuhelfen. 2.1.4 Nebenorganisationen der NPD Die Jungen Nationaldemokraten (JN) als Jugendorganisation der NPD stimmen in Ideologie und Zielsetzung mit der Mutterpartei überein. Sie zeichnen sich jedoch zuweilen durch eine schärfere Akzentuierung ihrer Aussagen und durch radikaleres Auftreten aus. Die Mitgliederzahl bei den JN betrug 1977 im Bundesgebiet etwa 1500. Der bayerische Landesverband zählte 1977 knapp 200 Mitglieder, gegenüber rund 150 im Vorjahr. Er hat seinen Sitz in Mühchen. Bezirksverbände bestehen in München-Oberbayern, Ober-, Mittelund Unterfranken. Der Bezirksverband Unterfranken stellte im Frühjahr 1977 den Fanfarenzug "Peter Fechter" auf und gründete im Oktober 1977 in Würzburg eine "Nationaldemokratische Schülergemeinschaft". Auf dem Bundeskongreß der JN im September 1977 in Osnabrück wurde der bisherige Vorsitzende Winfried Krauß von Gösta Thomas aus Erlangen abgelöst. Zum Vorsitzenden des Landesverbandes Bayern wählte der Landeskongreß der JN am 7. Mai 1977 in Odelzhausen Helmut Pastel. Der ehemalige JN-Bundesvorsitzende Günther Deckert wurde zum Ehrenvorsitzenden des Landesverbandes Bayern ernannt. Der Kongreß mußte wegen der heftigen Reaktion in der Öffentlichkeit von dem ursprünglich geplanten Veranstaltungsort Dachau nach Fürstenfeldbruck und von dort schließlich nach delzhausen verlegt werden. 73 Entwicklung der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in Bayern 74 Internes Organ des JN-Bundesvorstands ist das Mitteilungsblatt "Junge Stimme". Als Schulungsblatt dient der "JN-Report". Als öffentliches Presseorgan erschien 1977 erstmals "Der Pfeil", von dem aber nur eine Ausgabe bekannt wurde. Der JN-Landesverband Bayern gab die Schülerzeitung "Frontal", und der Bezirksverband Mittelfranken ein Mitteilungsblatt "JN-Info" heraus. Die neu gegründete "Nationaldemokratische Schülergemeinschaft Würzburg" gab eine eigene Schülerzeitschrift unter dem Titel "Volltreffer" mit einer angeblichen Anfangsauflage von 2000 Exemplaren heraus. Der Nationaldemokratische Hochschulbund (NHB) als Studentenorganisation der NPD wurde 1967 in Tübingen gegründet. Die geringe Mitgliederzahl des NHB im Bundesgebiet und in Bayern machte ihn nahezu bedeutungslos. Versuche Münchner NHBMitglieder, gemeinsam mit Angehörigen von Burschenschaften durch Informationsstände Interesse in der Studentenschaft zu erwirken, scheiterten. Dabei kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern. 2.2 Deutsche Volksunion (DVU) 2.2.1 Ideologisch-politischer Standort Die Deutsche Volksunion (DVU) entspricht ideologisch in wesentlichen Punkten der NPD. Sie versteht sich jedoch nicht als Partei und hat demzufolge auch noch nicht an Wahlen teilgenommen. Die Schwerpunkte ihrer Agitation, die in den meisten Fällen zwar themengleich mit der der NPD, jedoch wesentlich aggressiver ist, reicht von der Verleumdung führender Politiker in der Bundesrepublik Deutschland über Versuche, die Verbrechen des "3. Reiches" zu verharmlosen, ja zu leugnen, bis zur Diffamierung Israels und der Juden in aller Welt. Sie bedient sich dabei insbesondere des "Deutschen Anzeigers" (DA), der größtenteils mit der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ) identisch ist. Beide Zeitungen werden von Dr. Gerhard Frey, dem Vorsitzenden der DVU, im DSZ-Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH in München herausgegeben. 2.2.2 Organisation Die DVU wurde 1971 in München gegründet. Von ihren Untergliederungen sind in Bayern nur noch 2 Bezirksverbände (München, Niederbayern) und 3 Kreisverbände aktiv. Ende 1977 versuchte die DVU in Augsburg vergeblich, einen Bezirksverband Schwaben zu gründen. 75 Die Mitgliederzahl der DVU lag 1977 im Bundesgebiet bei höchstens 4000, in Bayern bei rund 1000 Personen*. Die "Deutsche National-Zeitung" mit einer wöchentlichen Auflage von durchschnittlich 90 000 Exemplaren ist das inoffizielle Organ der DVU. Deren offizielles Presseorgan, der "Deutsche Anzeiger", erscheint wöchentlich mit einer Auflage von etwa 10 000 Exemplaren. 2.2.3 Aktivitäten Eine für den 3. September 1977 in München unter dem Motto "Ewig büßen für Hitler?" anberaumte Großveranstaltung wurde wegen der nach dem Programm beabsichtigten Infragestellung der Judenvernichtung im "Dritten Reich" verboten; die beabsichtigte Ersatzveranstaltung in Starnberg wurde ebenfalls verboten. Vorläufige Rechtsbehelfe des Veranstalters hatten weder vor dem Verwaltungsgericht München noch vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Erfolg. Trotz dieses Versammlungsverbots fanden sich etwa 400 DVU-Anhänger in München ein; ein Zusammenstoß mit etwa 400 politischen Gegnern konnte verhindert werden. Die DVU hielt anschließend eine als nicht-öffentlich bezeichnete Ersatzveranstaltung in Fürstenfeldbruck ab, zu der sich etwa 500 Personen einfanden, darunter Angehörige der Wiking-Jugend (WJ) und der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG), die den Saalschutz stellte. Dabei wurde das Manuskript einer Rede des amerikanischen Rechtsextremisten und Verfassers eines Buches über die "6-Millionen-Lüge", Arthur Butz, verlesen. Ihm wurde in Abwesenheit der mit 5 0 0 0 - DM dotierte "Ehrenpreis für politische Verfolgung der Deutschen National-Zeitung" verliehen. Am 18. Januar 1977 veranstaltete die DVU zusammen mit der "Aktion Oder-Neiße (AKON) und dem Deutschen Block (DBI) in München eine "Reichsgründungsfeier", an der etwa 80 Personen teilnahmen. Ein versuchter und ein vollendeter Sprengstoffanschlag im Januar und Februar 1977 auf das Verlagsgebäude der Deutschen National-Zeitung waren für Dr. Frey Anlaß zu Spendenund Werbeaufrufen für die Deutsche National-Zeitung. Dr. Frey erklärte, für ihn stehe außer Zweifel, daß hier "mörderische antideutsche Elemente" am Werk seien, die es sich zum Ziel gesetzt hätten, ihn zu "liquidieren". Schließlich machte er die "Klarsfeld-Bande" oder den israelischen Geheimdienst für die Tat verantwortlich. * Im Verfassungsschützbericht Bayern 1976 S. 36 wurde der Mitgliederund Sympathisantenkreis der DVU in Bayern mit ca. 1500 Personen versehentlich für das Bundesgebiet angegeben. 76 2.3 Neonazistische Organisationen und Vorfälle 2.3.1 Allgemeines Die neonazistischen Organisationen und Gruppen zeichnen sich durch engste ideologische Bindungen an den Nationalsozialismus aus. Dies wird in ihren Veranstaltungen und Veröffentlichungen deutlich, in denen die als Kriegsverbrecher verurteilten NS-Führungskräfte als "Helden" gefeiert und NS-Symbole verwendet werden und in denen die Existenz der Gaskammern geleugnet wird. 1977 war in Bayern ein nicht unbeachtlicher Anstieg neonazistischer und antisemitischer Vorfälle zu verzeichnen. Ihre Gesamtzahl betrug 1977 100, gegenüber 65 im Jahre 1976. Davon konnten bisher 40 aufgeklärt werden, von denen sich wiederum 25 als unpolitische oder antinazistische Handlungen herausstellten, so z. B., wenn Plakate demokratischer Parteien mit Hakenkreuzen beschmiert wurden oder NS-Symbole aus kommerziellen Gründen ausgestellt oder gehandelt wurden. Bei der Mehrzahl der echten neonazistischen Vorfälle handelte es sich um Schmierund Klebeaktionen, bei denen Hakenkreuze aufgemalt oder Zettel mit Aufschriften, wie "Kauft nicht bei Juden" und "Jetzt NSDAP", angebracht wurden. Größeres Aufsehen erregten die Schändungen des jüdischen Friedhofs in Cham, des KZ-Friedhofs in Wetterfeld/Oberpfalz und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg/Oberpfalz. Dort wurden Schleifen und Kränze verbrannt, Gedenktafeln aus der Verankerung gerissen und mit nazistischen Parolen beschmiert. Eine Gesamtsteuerung dieser Aktionen durch eine oder mehrere Gruppen war nicht erkennbar. Soweit aus den aufgeklärten Vorfällen geschlossen werden konnte, ist eine Vielzahl der Vorgänge auf einen relativ kleinen Täterkreis beschränkt. 2.3.2 Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) Die VSBD/PdA wurde 1971 in Krefeld als Partei der Arbeit (PdA) gegründet und erhielt 1975 in München ihre heutige Bezeichnung. Sie war ursprünglich der "Neuen Rechten" zuzuordnen, zeigte aber in letzter Zeit eine eindeutige neonazistische Einstellung. Sie fordert die "Umwandlung der bestehenden Gesellschaftsordnung durch Schaffung eines ersten radikal-demokratischen und antiimperialistischen Staates auf deutschem Boden" und die "Revision des Nürnberger Kriegsverbrecher-Urteils". Die VSBD/PdA betrachtet sich als Partei. Bei der Bundestagswahl 1976 konnte sie aber die erforderliche Zahl von Unterschriften 77 für die Anerkennung ihres Wahlvorschlags nicht erreichen. Für die Kommunalwahl 1978 in München stellte sie einen Oberbürgermeisterkandidaten vor. Der Bundesverband gliedert sich in je einen Landesverband in Nordrhein-Westfalen und in Bayern. Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt im Bundesgebiet rund 60 und in Bayern 30 bis 40. Bundesvorsitzender ist der ehemalige NPD-Funktionär Friedhelm Busse aus Neubiberg, Landkreis München. Er wurde auf dem 3. Parteitag im April 1977 in Köln in seinem Amt bestätigt. Landesvorsitzender ist Alfred Nusser aus München. Verbandsorgan der VSBD/PdA ist die Zeitschrift "Dritte Republik" mit einer geschätzten Auflage von 1000 bis 1500 Exemplaren; die "Volkssozialistischen Schulungsbriefe" (geschätzte Auflage etwa 300 bis 400 Exemplare) und die "Volkssozialistische Bibliothek" dienen der Ideologie-Schulung und Werbung. In München hielt die VSBD/PdA mehrere Veranstaltungen ab, die aber nur geringen Besuch hatten. 2.3.3 Deutsche Bürgerinitiative (DBI) Die DBI wurde 1971 von dem Rechtsanwalt Manfred Roeder gegründet, der auch heute noch ihr Vorsitzender ist. Der tatsächliche Sitz der DBI ist Schwarzenborn/Hessen. Roeder, dem inzwischen die Ausübung seines Berufes untersagt wurde, betrachtet sich als Nachfolger des Großadmirals Dönitz. Er strebt die Fortsetzung der Regierung des "Großdeutschen Reiches" an. Wegen neonazistisch motivierter Straftaten wurde er mehrmalsverurteilt. Die DBI veranstaltete bisher jährlich sogenannte "Reichstage", so am 21./22. Mai 1977 in Regensburg. An den Veranstaltungen im Rahmen dieses "Reichstages" nahmen zwischen 50 und 90 Personen teil. Roeder nannte dabei die Bundesrepublik Deutschland eine "jüdische Bastion". Der "Reichstag" trat für Todesurteile für die Politiker Willy Brandt, Herbert Wehner und Egon Bahr wegen Landesverrats ein. Gegen Roeder und andere Beteiligte wurden Ermittlungen wegen Volksverhetzung eingeleitet. Am 16. Oktober 1977 legten in Nürnberg Anhänger der DBI zum Jahrestag der Vollstreckung der Todesurteile des Nürnberger Gerichtshofes einen Kranz nieder und gaben Flugblätter mit dem Inhalt heraus: "Am 16. Oktober 1946 ermordete das jüdisch-bolschewistische Untermenschentum unsere deutsche Reichsregierung. Sie starb mit den Worten: Es lebe Deutschland! - Ihr Leben und ihr Tod: unsere Verpflichtung - Der Kampf beginnt". Manfred Roeder gab 1977 eine neue Schrift heraus mit dem Titel "Der Wind schlägt um - Das Blatt der Deutschen Bürgerinitia78 tive", in der er zur Lösung des Terrorismusproblems vorschlug, mit den "Eitergeschwüren der Parteien" und dem "Gerede vom Rechtsstaat und freiheitlich-demokratischer Grundordnung Schluß zu machen". 2.3.4 Kampfbund Deutscher Soldaten (KDS) Der KDS wurde von seinem jetzigen Vorsitzenden Erwin Schönborn 1967 gegründet. Sein Sitz ist Frankfurt/M. Er fordert ebenfalls die Wiedererrichtung des "Reiches" und die Rehabilitierung der NS-Verbrecher. Er leugnet jedes nationalsozialistische Unrecht. In einer Flugschrift bot Schönborn 10 000 DM Belohnung für jeden, der eine "Vergasung" in einem deutschen KZ einwandfrei nachweisen könne, wobei er "KZ-Zeugen aus Polen, Israel oder den USA, die, wie in den NS-Prozessen, Meineide geschworen haben", ausschloß. Der KDS plante für den 6. August 1977 zusammen mit dem Herausgeber der Zeitschrift "Denk mit", Klaus Huscher, in Nürnberg einen "Auschwitz-Kongreß", der beweisen sollte, daß in Auschwitz keine Juden ermordet worden seien. Die Veranstaltung wurde jedoch von der Stadt Nürnberg verboten. Im übrigen beschränkte sich die Tätigkeit des KDS im wesentlichen auf die Herausgabe und Verbreitung von Flugblättern und persönlichen Schreiben ihres Vorsitzenden. Schönborn selbst vertrieb in seinem "Verlag für Volkstum und Zeitgeschichte" rechtsextreme Literatur. Daneben betätigte er sich 1977 als Gründer von drei Vereinigungen: der "Aktionsgemeinschaft Nationales Europa", der "Volksbewegung gegen antideutsche Greuellügen" und der "Bürgerinitiative für Todesstrafe und gegen die Pornographie". 2.3.5 Aktionsgemeinschaft Nationales Europa (ANE) Die ANE wurde am 1. Oktober 1977 auf Initiative des Vorsitzenden des Kampfbundes Deutscher Soldaten (KDS) Erwin Schönborn zusammen mit Vertretern anderer rechtsextremer Organisationen, u. a. der NPD und der Jungen Nationaldemokraten, in Fürth gegründet; Schönborn wurde zum Vorsitzenden gewählt. Als Sitz der Vereinigung, die sich als Plattform einer nationalen Sammlung versteht, ist Nürnberg vorgesehen. Das Gründungsdatum wurde bewußt und symbolisch auf den Jahrestag der Urteilsverkündung ( 1 . Oktober 1946) im Nürnberger Prozeß, den die ANE als "größten Justizskandal der europäischen Geschichte" betrachtet, gelegt. Die ANE hat es sich zur Aufgabe gestellt, ein "Großeuropa als Staatenbund" zu schaffen, einen europäischen Arbeitsdienst 79 einzuführen und sowohl gegen den "US-Imperialismus" als auch gegen den "sowjetischen Terror" und den "völkerfeindlichen Zionismus" zu kämpfen. Sie will sich mit Rudolf Hess an den Europawahlen beteiligen. 2.3.6 Freundeskreis Denk mit Der Freundeskreis Denk mit ist ein politischer Vortragskreis ohne feste Organisation, der von dem Herausgeber der Zeitschrift "Denk mit", Klaus Huscher aus Nürnberg, geleitet wird. Er trat erstmals 1975 in Erscheinung. Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich in dem von Huscher und Ursula Hanisch geleiteten "Denk-mit-Verlag" in Nürnberg. Die geschätzte Auflage beträgt etwa 1000 Exemplare. Wegen einer Ausgabe der Zeitschrift aus dem Jahre 1976 wurde im Februar 1977 von der Staatsanwaltschaft Nürnberg/Fürth Anklage wegen Verbreitung von Propagandamitteln einer verfassungsfeindlichen Organisation und Volksverhetzung erhoben. Huscher beteiligte sich an den Vorbereitungen zu dem vom KDS für den 6. August 1977 in Nürnberg geplanten "Auschwitz-Kongreß". Am 14. Januar 1977 veranstaltete er gemeinsam mit KarlHeinz Hoffmann (WSG) einen Vortragsabend, auf dem auch der Vorsitzende des KDS, Schönborn, sprach. 2.4 Sonstige Organisationen der Alten Rechten 2.4.1 Deutscher Block (DBI) Der DBI wurde 1947 in München gegründet und war in den ersten Nachkriegsjahren eine der bedeutenderen Rechtsparteien; bei Kommunalwahlen erzielte er teilweise beachtliche Erfolge. 1977 verfügte der DBI im Bundesgebiet über etwa 40 Mitglieder, von denen etwa die Hälfte in Bayern wohnt. Die Geschäftsstelle befindet sich in Memmingen; "Reichsvorsitzender" ist Richard Etzel. Von den anfangs zahlreichen Untergliederungen des DBI ist in Bayern nur noch der Kreisverband München übrig geblieben. Zur Zielsetzung des DBI gehören insbesondere die Abschaffung des Listenwahlsystems und die Wiedereinführung eines Arbeitsdienstes. Die Mitteilungen des DBI erscheinen in den Zeitschriften "Unsere Arbeit" und "Der Adlerführer", die beide Organe des bedeutungslosen Jugendbundes Adler (JBA) sind, dessen Vorsitzender ebenfalls Richard Etzel ist. Die Tätigkeit des DBI beschränkte sich 1977 vornehmlich auf Vortragsveranstaltungen, die meist zusammen mit der DVU und 80 der AKON abgehalten wurden. Auf einer solchen Veranstaltung am 23. November 1977 erklärte Etzel, die Niederlage im Jahre 1945 sei "nicht zuletzt durch Verrat von innen bewirkt" worden. Auf dieser Veranstaltung sprach Hans Baur, der seine Erlebnisse und Eindrücke als Flugzeugführer Hitlers schilderte. 2.4.2 Aktion Oder-Neiße (AKON) Die AKON wurde 1962 in Darmstadt gegründet; Sitz ist München. Sie wird von dem stellvertretenden Vorsitzenden der DVU Erwin Arlt geleitet, nachdem sie schon früher durch den DVU-Vorsitzenden Dr. Frey finanziell gefördert wurde. Die Mitgliederzahl der AKON lag 1976 im Bundesgebiet bei 800 und in Bayern 1977 zwischen 100 und 150 Personen. Die AKON bezeichnet sich als überparteiliche und unabhängige Organisation, die sich aktiv gegen den Verzicht auf die "1000jährigen", zur Zeit unter fremder Verwaltung stehenden Ostgebiete des früheren Deutschen Reiches wende. Dementsprechend bezeichnete sie in Flugblättern die Ostpolitik der Bundesregierung als Landesverrat. Ihre Mitteilungen veröffentlicht die AKON im "Deutschen Anzeiger", dem offiziellen Organ der DVU. Sie beteiligte sich im Januar 1977 auch an deren "Reichsgründungsfeier" in München. 2.4.3 Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) Ungeachtet der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen setzte die 1974 von dem Werbegrafiker Karl-Heinz Hoffmann aus Heroldsberg/Mittelfranken gegründete WSG auch 1977 ihre Tätigkeit fort. Sie ist nach militärischen Grundsätzen aufgebaut und will junge Männer in Kampfanzügen und Feldausrüstung durch Geländeund Nahkampfübungen sportlich ausbilden. Ihre aktiven Anhänger kommen aus dem gesamten Bundesgebiet, überwiegend jedoch aus dem Raum Nürnberg, aus Ingolstadt und Neuburg a. d. Donau. Zur Zeit gehören der WSG etwa 50 Personen an. Der im März 1976 von Hoffmann initiierte "Freundeskreis zur Förderung der Wehrsportgruppe Hoffmann", der personell fast identisch mit der WSG ist, dient der finanziellen Unterstützung der WSG. Die ideologische und politische Zielsetzung der WSG ergibt sich aus einem 19-Punkte-Programm, in dem Hoffmann zum Ausdruck bringt, daß der Zweck der WSG weder durch eine Betätigung im parlamentarisch-parteipolitischen Bereich noch mittels einer außerparlamentarischen Sammlungsbewegung zu verwirklichen sei. Nur militante Kader als Speerspitze einer "Bewe81 gung", die "gegen radikal links radikal rechts" zu kämpfen verstünden, seien dazu in der Lage. In einem "politischen Manifest" wird die Zerschlagung der bestehenden Gesellschaftsstrukturen zugunsten eines "autoritären Führer-Staates" gefordert. Hoffmann lud auch 1977 Presseund Fernsehreporter zu seinen Wehrsportübungen ein. Die negativen Berichte in den inund ausländischen Medien betrachtete er als willkommene kostenlose Werbung für seine Gruppe. Durch Revisionsentscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 8. Februar 1977 ist die vom Landgericht Nürnberg-Fürth 1976 gegen Hoffmann verhängte Geldstrafe in Höhe von 8000 DM wegen verbotenen Uniformtragens rechtskräftig geworden. Wegen tätlicher Auseindersetzungen mit Gegendemonstranten am 4. Dezember 1976 in Tübingen wurde Hoffmann im Oktober 1977 vom Landgericht Tübingen zu 10 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Darüber hinaus sind gegen ihn und mehrere seiner Anhänger weitere Ermittlungsverfahren, insbesondere wegen verbotenen Uniformtragens, anhängig. Neben seinen Wehrsportübungen hielt Hoffmann mehrere Veranstaltungen ab, an denen auch Klaus Huscher (Freundeskreis Denk mit) und Erwin Schönborn (KDS) teilnahmen. 2.4.4 Bund Albert Leo Schlageter Der Bund, der sich nach dem wegen zahlreicher Attentate von der französischen Besatzungsmacht 1923 bei Düsseldorf hingerichteten Albert Leo Schlageter nennt, trat 1977 erstmals in Erscheinung. "Bundführer" ist Reinhard Heuschneider aus Schöfweg, Landkreis Freyung-Grafenau. Sein Stellvertreter Rolf Fütterer aus Moos, Landkreis Deggendorf, ist Funktionär der DVU. Auch die übrigen Anhänger des losen Zusammenschlusses stammen überwiegend aus den Reihen der DVU und NPD. Der Bund rief zum "Widerstand gegen die Volksverführer und Verräter der Bonner Systemparteien" auf und bekannte sich "rückhaltlos" zur NPD, die er als Partei des Charakters und der Standfestigkeit bezeichnete. Der Bund wurde in der Öffentlichkeit durch die Errichtung einer Gedenktafel zu Ehren Schlageters auf dem Hammerberg bei Passau am 13. August 1977 bekannt. An den wenigen Veranstaltungen des Bundes beteiligten sich nie mehr als 25 Personen. 2.5 Publizistik der Alten Rechten Die publizistische Tätigkeit der rechtsextremen Organisationen, aber auch einzelner, auf rechtsextremistische Literatur speziali82 sierter Verlage war 1977 beachtlich. Zum Teil wurde von Rekordumsätzen gesprochen. Andererseits liegen aber auch Erkenntnisse vor, daß ein Großteil der aufgelegten Schriften keinen Absatz fand. In der Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH München erscheinen unter Leitung von Dr. Gerhard Frey die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und der "Deutsche Anzeiger" (DA), das offizielle Organ der DVU, mit einer Wochenauflage von zusammen etwa 100 000 Exemplaren. Der Verlag betreibt zudem einen Buch-Dienst. In der Deutschen Verlagsgesellschaft mbH (DVG) in Rosenheim erscheint die "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ) mit einer wöchentlichen Auflage von rund 30 000 Exemplaren. Zu den Herausgebern zählt der frühere NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden. Auch die übrigen Herausgeber und Verantwortlichen stammen aus Kreisen der Alten Rechten. Auch diesem Verlag ist ein Buch-Dienst angeschlossen. Der Druffel-Verlag in Berg am Starnberger See, der von dem ehemaligen NPD-MJtglied und jetzigen Vorsitzenden der "Gesellschaft für freie Publizistik", Dr. Gert Sudholt, geleitet wird, gibt überwiegend rechtsextreme Literatur heraus. Die am gleichen Ort ansässige Kurt-Vowinckel-Verlags-KG beschäftigt sich ebenfalls vorwiegend mit der Herausgabe von NSRechtfertigungsund Kriegsliteratur; sie ist seit 1975 mit dem Druffel-Verlag liiert. Der Buchversand Heinrich Niemann in Lauf a. d. Pegnitz bietet seit 1975 Druckerzeugnisse rechtsextrem gesinnter Autoren an, die die Rechtfertigung des NS-Regimes zum Ziel haben. 3. Neue Rechte 3.1 Allgemeines Die sogenannte Neue Rechte stellt sich als progressive, den nationalistischen Sozialismus fordernde Bewegung dar, die sich von der Alten Rechten mit ihren Bezügen zum Nationalsozialismus distanziert. Sie hält den Nationalsozialismus für pseudorevolutionär; er sei weder national noch sozialistisch gewesen. Die Bewegung der Neuen Rechten entstand 1972, als der damalige stellvertretende NPD-Vorsitzende Dr. Pöhlmann aus der NPD austrat und in München mit etwa 450 Gleichgesinnten die Aktion Neue Rechte (ANR) gründete, deren Ziel es war, einen "Europäischen Sozialismus und einen Europäischen Befreiungsnationa83 lismus" zu schaffen. In der Folgezeit kam es jedoch aufgrund interner Streitigkeiten zur Spaltung in die Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (NRAO), die Solidaristische Volksbewegung (SVB) und die Sozialistische Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (SNRAO). In Bayern sind die Gruppen der Neuen Rechten inzwischen zur politischen Bedeutungslosigkeit abgesunken. 3.2 Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (SdV/NRAO) Die aus der ANR hervorgegangene SdV/NRAO wurde 1974 in Frankenberg/Eder gegründet. 1977 verabschiedete sie ein Programm für die "nationale Einheit des Deutschen Volkes in einer unabhängigen und demokratischen, freiheitlichen und sozialistischen Republik Deutschland". In Bayern gehören ihr nur noch etwa 10 Personen an. Ihre Tätigkeit bestand ausschließlich in der Herausgabe der vierteljährlich erscheinenden Schriften "Neue Zeit" als Zentralorgan, "Rebell" als Schülerund Studentenorgan, "Ideologie und Strategie" als Schulungsblatt und "Der Freiheitskampf" als Organ für Auszubildende. Auch das schon früher erschienene Blatt "Wille + Tat" wurde 1977 wieder vertrieben. 3.3 Solidaristische Volksbewegung (SVB) Die ebenfalls aus der ANR stammende Solidaristische Volksbewegung entstand 1974 und hat ihren Sitz in Hamburg. In Bayern ist sie nur noch mit einem nominellen Bezirksverband Unterfranken mit wenigen Mitgliedern vertreten. Sie versteht sich als Vorkämpferin einer partnerschaftlichen Demokratie in Zusammenarbeit mit "fortschrittlichen Konservativen und volksorientierten Sozialisten in anderen Parteien und Verbänden". Vorrangiges Thema ihres Verbandsorgans "SOL" und des internen monatlichen Rundbriefs "Informationsund Nachrichtendienst der SVB" waren der Umweltund Lebensschutz. 4. Internationaler Rechtsextremismus Der Einfluß des internationalen Rechtsextremismus auf Bayern zeigte sich 1977 insbesondere durch die Verbreitung von Aufklebeschildern der NSDAP-Auslandsorganisation (NSDAP-AO) des Gary Rex Lauck aus Lincoln/Nebraska (USA) mit Aufdrucken, wie "NS-Verbot aufheben", "Jetzt NSDAP", "Kauft nicht bei den Juden" und "Kampf den Judenparteien KPD SPD CDU CSU FDP". 84 Darüber hinaus versandten auch andere NS-Organisationen und -Verlage, insbesondere aus den USA und aus Kanada, neonazistisches und antisemitisches Propagandamaterial nach Deutschland. Nennenswerte Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen des europäischen Auslands waren in Bayern nicht feststellbar. 85 t Abschnitt Gewalt und Terror 1. Allgemeine Lage Die Bedrohung der inneren Sicherheit durch politisch motivierte Gewalt und durch den Terrorismus hat 1977 erheblich zugenommen. Die Eskalation verdeutlichen insbesondere - die Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback und seiner Begleiter am 7. April 1977 in Karlsruhe, - die Ermordung des Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank Jürgen Ponto am 30. Juli 1977 in Oberursel/Hessen, - der versuchte Anschlag auf das Dienstgebäude der Bundesanwaltschaft am 25. August 1977 in Karlsruhe mit einer Flächenschußvorrichtung, - die Entführung des BDA-Präsidenten Dr. Hanns-Martin Schleyer am 5. September 1977 in Köln und die Ermordung seiner Begleiter, - die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" am 13. Oktober 1977 auf dem Flug von Mallorca nach Frankfurt/M. mit 86 Geiseln an Bord und - die Ermordung von Dr. Schleyer, der am 19. Oktober 1977 in Mühlhausen/Frankreich tot aufgefunden wurde. Der seit Jahren anhaltende Terror erreichte dadurch in der Bundesrepublik Deutschland einen neuen Höhepunkt. Mit der rücksichtslos angewandten Gewalt haben die Terroristen die letzte Hemmschwelle überschritten. Generalbundesanwalt Buback wurde nach dem Vorbild südamerikanischer Guerillas "hingerichtet". Die planmäßig durchgeführten Aktionen auf nationaler und internationaler Ebene zeigten, daß sich die Terroristen auf erhebliche personelle und materielle Reserven stützen können und deshalb in der Lage sind, gleichzeitig mehrere Aktionen nebeneinander mit Hilfe internationaler Terrorbanden durchzuführen. Die internationale Verflechtung des Terrorismus bewies beson86 ders deutlich die mit der Geiselnahme Dr. Schleyers koordinierte Entführung der Lufthansa-Maschine durch ein palästinensisches Terror-Kommando nach Mogadischu/Somalia. Die Entführung des österreichischen Kaufmanns Palmers am 9. November 1977 in Wien sowie die zahlreichen Protestaktionen von Linksextremisten im Ausland nach den Selbstmorden der Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Ingrid Schubert in den Justizvollzugsanstalten Stuttgart-Stammheim und MünchenStadelheim deuteten in die gleiche Richtung. Hinzu kamen Erkenntnisse über Verbindungen deutscher Terroristen nach Frankreich, der Schweiz, Österreich, Italien und den Niederlanden. Die Terroraktionen zielten vorrangig darauf, inhaftierte Terroristen aus den Haftanstalten zu befreien. Daneben sollte die freiheitliche Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland erschüttert werden. Der sogenannte harte Kern der Terroristen wird an diesen Zielrichtungen festhalten, zumal sie sich wegen ihrer Verstrickung in schwerste Formen der Kriminalität den Weg zurück selbst verbauten. 2. Lage in Bayern Wenn auch Bayern 1977 von größeren Terroraktionen verschont geblieben ist, gibt es doch Erkenntnisse, daß Unterstützungshandlungen hier vorgenommen wurden. Im übrigen kam es zu folgenden bemerkenswerten terroristischen Anschlägen und politisch motivierten Gewalttaten: - Am 24. Januar 1977 zu einem versuchten Sprengstoffund Brandanschlag auf das Verlagsgebäude der "Deutschen National-Zeitung" in München, " - am 26. Februar 1977 zu einem weiteren Sprengstoffanschlag auf das Verlagsgebäude der "Deutschen National-Zeitung", bei dem ein Sachschaden von ca. 10 0 0 0 - DM entstand, - am 30. März 1977 zu einem versuchten Brandanschlag auf das Büro der South African Airways in München, - am 16. April 1977 zu einem Brandanschlag auf einen Filmausstellungskasten in Dinkelsbühl, in dem der Film "Unternehmen Entebbe" angekündigt wurde, - am 21. Juli 1977 zu einem Brandanschlag auf eine Fahrkartenverkaufsstelle der Straßenbahn in Nürnberg, - am 22. Juli 1977 zu einem versuchten Brandanschlag auf eine Werkshalle der Firma BMW in München, 87 - am 22. August 1977 zu einem Sprengstoffanschlag auf das Verwaltungsgebäude der Firma MAN in Nürnberg, - am 2. September 1977 zu einem Brandanschlag auf die Bezirksgeschäftsstelle der NPD in München, - am 16. Oktober 1977 zu einem Brandanschlag auf das Haus der Studentenverbindung "Danubia" in München, - am 23. Oktober 1977 zu einem versuchten Sprengstoffanschlag auf das Jagdmuseum in München, - am 25. Oktober 1977 zu einem versuchten Brandanschlag auf das Gebäude des SPD-Landesverbandes in München und - am 27. Oktober 1977 zu einem versuchten Brandanschlag auf eine Filiale der Dresdner Bank in München. Diese Anschläge, Äußerungen in Flugschriften und Schmieraktionen nach den Selbstmorden der Terroristen in StuttgartStammheim und München bewiesen, daß es auch in Bayern Kreise gibt, die mit dem Terrorismus sympathisieren und zum Teil auch bereit sind, terroristische Aktionen zu unterstützen oder sogar selbst durchzuführen. 3. Terroristische Gruppen Zum Mord an Generalbundesanwalt Buback und seinen Begleitern bekannte sich ein "Kommando Ulrike Meinhof", zum mißglückten Anschlag auf das Gebäude der Bundesanwaltschaft eine RAF-Gruppe und zur Entführung und Ermordung von Dr. Hanns Martin Schleyer und seiner Begleiter ein "Kommando Siegfried Hausner". Die Lufthansa-Maschine "Landshut" wurde von palästinensischen Terroristen entführt. Die Zusammensetzung der inzwischen festgenommenen und noch mit Haftbefehl gesuchten Terroristen läßt darauf schließen, daß sich Reste von früher aktiven Gruppen in der sogenannten "Haag-Bande" zusammengeschlossen haben und nach dem Vorbild der Roten Armee Fraktion (RAF) und der "Bewegung 2. Juni" unter verschiedenen Kommandobezeichnungen auftreten. Zu dem Sprengstoffanschlag auf das Verwaltungsgebäude der Firma MAN in Nürnberg bekannten sich "Revolutionäre Zellen" (RZ). Solche erklärten sich schon seit Ende 1973 für derartige Anschläge im Bundesgebiet verantwortlich. In größeren Abständen verbreiteten sie die Zeitung "Revolutionärer Zorn", in der sie die "Stadtguerillas" als ein notwendiges Übel bezeichneten und zum Widerstand gegen "Faschismus und bürgerliche Gewalt" aufriefen. Außerdem kündigten sie darin wiederholt an, den von der Roten Armee Fraktion (RAF) eingeleiteten "bewaffneten anti88 imperialistischen Kampf" fortzusetzen. Sie forderten dazu auf, viele neue "Revolutionäre Zellen" zu bilden. Mit neuen terroristischen Gewaltakten drohte auch eine bisher nicht bekannte "Deutsche Terrororganisation" (D. T. O.). In gleichlautenden Schreiben an inund ausländische Verlagsanstalten und Zeitungen, die am 13. Dezember 1977 in Stuttgart aufgegeben wurden, teilte sie mit, daß die D. T. O. im Oktober 1977 "auf Grund der Morde in Stuttgart-Stammheim" gegründet worden sei, "um hiermit diesen Mörderkartellen und Justizministern, Staatsanwälten, Polizei und den Regierungen der BRD sowie deren imperialistischen Handlangern und Helfershelfern den Krieg zu erklären". Die Vernichtung der Feinde mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sei die oberste Aufgabe. 4. Terroristisches Umfeld Merkliche Aktivitäten entfalteten 1977 die im Umfeld des Terrorismus tätigen Sympathisantengruppen. Ihre zahlreichen Flugblattund Schmieraktionen sowie Bekenntnisse zum "bewaffneten Kampf" verdeutlichten ihre Bereitschaft, sich auch mit Gewaltakten schwerster Art zu solidarisieren. So reagierten vor allem Gruppen der undogmatischen Neuen Linken auf die von Terroristen verübten Anschläge vielfach mit Schadenfreude und Verunglimpfung der Opfer. Andererseits löste die Ausweitung der terroristischen Gewalt auf "Unbeteiligte" innerhalb der undogmatischen Neuen Linken kontroverse Diskussionen zum Konzept des "bewaffneten Kampfes" aus. Teilweise wurde kritisiert, daß sich die Terrorakte gegen die Interessen der Bevölkerung richteten, die Anschläge und Morde keinen Schritt weiterführten und der Guerilla-Kampf in der Bundesrepublik Deutschland keinen Zweck habe. Andere wiederum forderten lediglich, den militanten Widerstand "massenfreundlicher" zu machen. Eine wesentliche Rolle im Umfeld des Terrorismus spielten "spontaneistische" und anarchistische Schriften, die laufend über den Terrorismus und über die Lage der inhaftierten Terroristen berichteten. Hierzu zählen auch Verlage und Schriften der undogmatischen Neuen Linken (vgl. Abschnitt 2 Ziffer 3.9.5). In Anlehnung an Erklärungen von Terroristen erklärten sie, in der Bundesrepublik Deutschland würden rechtsstaatliche Verhältnisse durch polizeistaatliche und präfaschistische abgelöst. So führte das "Blatt - Stadtzeitung für München" unter der Überschrift "Der Rechtsstaat läßt den Schleier fallen" aus: "Nicht die Entführung des obersten Wirtschaftsmanagers, nicht die toten Polizisten oder der tote Chauffeur sind die Ereignisse der letzten 89 Wochen, sondern die fallengelassenen Masken der rechten, der reaktionären und konservativen Politiker." Das "Blatt" fügte hinzu, es sei dem "Polizeistaat egal, wie die Entführung ausgehe. Sie äußern ihre Freude klammheimlich, weil sie Schleyer als Vorwand für ihre eigenen Ziele vorschieben können". Insbesondere von linksextremen Kreisen des Auslands wurden solche Äußerungen als Beleg für Angriffe auf die Bundesrepublik Deutschland verwendet. 90 5. Abschnitt Extremismus im Bildungsbereich 1. Allgemeines Der Bildungsbereich war auch 1977 ein bevorzugtes Aktionsfeld linksextremer Gruppen, die vor allem die an den Hochschulen vorhandenen Möglichkeiten für verfassungsfeindliche Aktivitäten nutzten. Sie fanden in der Studentenschaft eine größere Resonanz als in der übrigen Bevölkerung. Darüber hinaus besaßen diese Gruppen in den Gremien der Hochschulen weiterhin einen größeren Einfluß, als das ihrer zahlenmäßigen Stärke entsprach. Insgesamt hat sich jedoch die Situation gegenüber den Vorjahren gebessert; die Anhängerschaft der linksextremen Gruppen nahm im Hochschulbereich etwas ab. Diese Entwicklung konnten die extremistischen Organisationen und Gruppen trotz anhaltender massiver Agitation und zahlreicher Aktionen nicht aufhalten. Insbesondere erfüllte der von den kommunistisch beeinflußten Vereinigten Deutschen Studentenschaften e. V. (VDS) proklamierte bundesweite "nationale Studentenstreik" vom 28. November bis 9. Dezember 1977 trotz gegenteiliger öffentlicher Behauptungen, daß an 145 Hochschulen "gestreikt" worden sei, nicht die Erwartungen der Linksextremisten. Große Teile der Studentenschaft versagten dem Vorlesungsboykott die Unterstützung. Vor allem an den bayerischen Hochschulen wurde er im großen und ganzen nicht befolgt. Von einer Normalisierung im Hochschulbereich kann aber nicht gesprochen werden. Die Gefahr einer neuen "Studentenrevolte" ist noch nicht gebannt. Die linksextremen Gruppen werden insbesondere versuchen, die soziale Lage vieler Studenten, die zum Teil ungünstigen Studienbedingungen und die Unsicherheit über die Berufsaussichten für ihre verfassungsfeindlichen Aktivitäten zu nutzen. 2. Extreme Studentengruppen Im Bildungsbereich dominieren nach wie vor die linksextremen Gruppen, die den orthodoxen Kommunisten und den dogmati91 sehen Neuen Linken zuzuordnen sind. Daneben finden im Hochschulbereich aber auch undogmatische Gruppen der Neuen Linken zunehmend Anklang. Der Rechtsextremismus ist im Hochschulbereich nur durch den Nationaldemokratischen Hochschulbund (NHB) vertreten, der jedoch nahezu ohne Bedeutung ist. Die Mehrzahl der extremistischen Studentengruppen ordnet sich extremen Parteien (Kernorganisationen) unter; nur einzelne Gruppen sind keiner solchen Organisation untergeordnet. Von den im bayerischen Hochschulbereich auftretenden extremistischen Studentengruppen sind nennenswert: 2.1 Orthodoxe Kommunisten DKP-Hochschulgruppen Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB) - siehe auch 2. Abschnitt Ziffer 2.4 - 2.2 Neue Linke des KBW Kommunistische Hochschulgruppen (KHG) der KPD Kommunistischer Studentenverband (KSV) - siehe auch 2. Abschnitt Ziffer 3.3.5 - der KPD/ML Kommunistischer Studentenbund/Marxisten-Leninisten (KSB/ML) des KB KB-Studentengruppen bzw. Sozialistischer Studentenbund (SSB) des KABD Kommunistische Studentengruppen (KSG) des AB Kommunistischer Hochschulbund (KHB) derGIM GIM-Hochschulgruppen 2.3 Alte Rechte Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) - siehe 3. Abschnitt Ziffer 2.1.4 - 2.4 Sonstige Gruppen (keiner extremen Partei untergeordnet) 92 Sozialistischer Hochschulbund (SHB) - Bündnispartner des MSB - Marxistische Gruppen (MG) Demokratische Front (DF) - Bündnispartner des KHB - Undogmatische Gruppen der Neuen Linken 3. Orthodox-kommunistische Studentengruppen Die orthodox-kommunistischen Studentengruppen sind die DKPHochschulgruppen und der Marxistische Studentenbund Spartakus (MSB). 3.1 DKP-Hochschulgruppen Die DKP-Hochschulgruppen sind Grundorganisationen der DKP, denen alle an einer Hochschule tätigen DKP-Mitglieder (Studenten, Mitarbeiter der Verwaltung und Lehrpersonal) angehören. Die DKP-Hochschulgruppen lenkten wie bisher die Aktionen des MSB Spartakus, der die kommunistischen Ziele unter den Studenten durchsetzen soll; ein Teil der Mitglieder der DKP-Hochschulgruppen gehört gleichzeitig dem MSB Spartakus an. DKP-Hochschulgruppen bestanden in Bamberg, Erlangen-Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Die Zahl ihrer Mitglieder ging von rund 100 im Jahre 1976 auf etwa 70 im Jahre 1977 zurück. Das Organ der DKP-Hochschulgruppen ist die Zeitung "Kommunist". Unter diesem Titel erschienen auch ihre Flugschriften. 3.2 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB) Der MSB Spartakus bot sich entsprechend der Taktik und Strategie der DKP im Hochschulbereich als "Bündnispartner" an. Er strebte wie bisher eine "Volksfront" unter Ausschaltung der maoistischen Gruppen an. Die an den Hochschulorten in Augsburg, Bamberg, ErlangenNürnberg, München, Regensburg und Würzburg bestehenden Gruppen des MSB Spartakus entfalteten 1977 wieder rege Aktivitäten. Sie inszenierten wiederholt Aktionen für die materielle Besserstellung der Studenten, die Wiedereinführung der verfaßten Studentenschaft mit politischem Mandat in Bayern und gegen die staatlichen Maßnahmen zur Fernhaltung von Extremisten aus dem öffentlichen Dienst. Sie beteiligten sich aktiv an den bundesweiten "Streikaktionen", bei denen sie vielfach die "Streikführung" übernahmen. Ferner organisierten die Gruppen des MSB Spartakus mit anderen linksextremen Gruppen soge93 nannte "AStA-Wahlen", mit denen die offiziellen Gremienwahlen nach dem Hochschulgesetz unterlaufen werden sollen. 4. Sozialistischer Hochschulbund (SHB) Als zuverlässigster Bündnispartner des MSB Spartakus erwies sich auch 1977 wieder der Sozialistische Hochschulbund (SHB), der wie die DKP auf der Grundlage des "wissenschaftlichen Sozialismus" für eine "antimonopolistische Demokratie" und für die sozialistische Umgestaltung der Bundesrepublik Deutschland kämpft. Seine 18. Bundesdelegiertenversammlung am 22./23. Oktober 1977 in Bremen zeigte, daß es im SHB keine echten oppositionellen Gruppen mehr gibt. Es setzte sich wiederum die prokommunistische "Stamokap-Vorstandslinie" durch. Die wiedergewählte SHB-Bundesvorsitzende Mechthild Jansen versicherte, daß der SHB die Aktionsgemeinschaft mit dem MSB Spartakus fortsetzen werde. Ferner erklärte sie, der SHB bleibe ein fester Bestandteil der "fortschrittlichen" Sozialdemokratie; er werde in der SPD gegen deren "Antikommunismusbeschlüsse" und für die Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten kämpfen. Der SPD-Führung und der CDU/CSU warf sie vor, gemeinsam eine Politik des Abbaus demokratischer Rechte zu betreiben. Bei der Bundesdelegiertenkonferenz vertraten nach SHB-Angaben etwa 150 Delegierte rund 1600 Mitglieder, die in 51 Gruppen und etwa 20 Initiativgruppen organisiert sind. Dem SHB-Landesverband Bayern gehörten unverändert etwa 50 Mitglieder an, die sich auf Orts-, Fachund Initiativgruppen sowie Arbeitskreise in Bamberg, Bayreuth, Erlangen-Nürnberg, München und Regensburg verteilten. Daneben stützte sich der SHB noch auf eine größere Zahl von Sympathisanten. 5. Studentengruppen der Neuen Linken Die meist militanten Studentengruppen der Neuen Linken konnten 1977 ihren Einfluß in Bayern nicht weiter ausbauen. Sie fanden wegen ihrer Militanz und überzogenen unrealistischen Forderungen nur schwer Bündnispartner und waren auch untereinander zerstritten. Bei ihren Aktionen für hochschulpolitische Forderungen verfolgten sie eine betont "revolutionäre Linie". Sie stützten sich in Bayern auf insgesamt etwa 200 Mitglieder. Bei größeren Aktionen konnten sie jedoch ein Vielfaches an Sympathisanten mobilisieren. Studentische Gruppen der Neuen Linken bestanden in Augsburg, Bamberg, Erlangen-Nürnberg, Freising, Landshut, München, Regensburg, Schweinfurt und Würzburg. Anläßlich der bundesweiten "Streikaktionen" versuchten die 94 Studentengruppen der Neuen Linken meist erfolglos, die "Streikaktionen" an den Hochschulen zu verschärfen und den orthodox-kommunistischen Gruppen die Führung zu entreißen. Neben den dogmatischen Studentengruppen der Neuen Linken traten gelegentlich auch Anhänger undogmatischer Gruppen der Neuen Linken im Hochschulbereich auf. Ihr Einfluß war jedoch im bayerischen Hochschulbereich gering. 6. Sonstige extremistische Studentengruppen Neben dem Sozialistischen Hochschulbund (SHB) und undogmatischen Gruppen der Neuen Linken traten an Vereinigungen, die keiner extremen Partei untergeordnet sind, die Marxistischen Gruppen (MG) und die Demokratische Front (DF) auf. 6.1 Marxistische Gruppen (MG) Marxistische Gruppen bestanden in Augsburg, Erlangen-Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Sie zählten insgesamt etwa 250 Mitglieder und konnten sich auf eine größere Zahl von Sympathisanten stützen. Die bedeutendste ist die Marxistische Gruppe München, die sich bis Mitte 1977 als Rote Zelle/ Arbeitskonferenz (Rotz/AK) bezeichnet hatte. Die Marxistischen Gruppen führten die revolutionäre, marxistisch-kommunistisch orientierte Politik der Roten Zellen fort. Sie wollen dazu beitragen, daß die kapitalistische Gesellschaft überwunden und aufgehoben wird, und nehmen für sich in Anspruch, nach Theorie und Praxis eine neue "Intellektuellen-Organisation" zu sein. Die Marxistischen Gruppen konnten 1977 ihren Einfluß auch außerhalb des bayerischen Hochschulbereiches weiter ausdehnen. Die von ihnen herausgegebene "Marxistische Studentenzeitung" (MSZ) wurde an zahlreichen Hochschulen des Bundesgebietes angeboten. Ihre "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ) wurde vor Großbetrieben verbreitet, in denen die Marxistischen Gruppen versuchten, Stützpunkte aufzubauen. Das theoretische Organ der Marxistischen Gruppen erscheint unter dem Titel "Resultate". Die Marxistische Gruppe München nahm auch 1977 an den offiziellen studentischen Gremienwahlen nicht teil. Sie distanzierte sich aber auch von den illegalen "AStA-Wahlen", die sie ebenso boykottierte. 6.2 Demokratische Front (DF) Die DF ist ebenfalls keiner extremen Kernorganisation angeschlossen. Sie steht jedoch dem Kommunistischen Hochschul95 bund (KHB) nahe, der die studentischen Ziele des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD (AB) vertritt. Insgesamt blieben die Gruppen der DF bedeutungslos; sie sind nur mehr an wenigen Hochschulen vertreten. 7. Vereinigte Deutsche Studentenschaften e. V. (VDS) Die linksextrem beeinflußten Vereinigten Deutschen Studentenschaften gingen im Mai 1975 aus der Vereinigung des Verbandes Deutscher Studentenschaften (VDS) und des Verbandes der Studentenschaften an Fachhochschulen und höheren Fachschulen (SVI) hervor. Sie gelten als der studentische Dachverband in der Bundesrepublik Deutschland, der rund 800 000 Studenten im Bundesgebiet vertritt. Der Vorstand der VDS bestand auch 1977 aus je einem Vertreter des MSB Spartakus, des SHB, der Jungsozialisten-Hochschulgruppen (Juso-HG), des Liberalen Hochschulverbandes (LHV) und der Basisgruppen, einer losen Vereinigung der Neuen Linken. Die VDS steuern im Hochschulbereich die bundesweiten studentischen Protestaktionen, wobei sie insbesondere von den im VDS-Vorstand vertretenen linksextremen Gruppen unterstützt werden. Im bayerischen Hochschulbereich werden diese bundesweiten Aktionen in der Regel von den linksextrem beeinflußten illegalen ASten und einer Landesastenkonferenz umgesetzt, in denen die orthodox-kommunistischen Gruppen dominieren. 8. Aktivitäten Gemäß den Empfehlungen der VDS kam es 1977 auch in Bayern zu wiederholten größeren studentischen Protestaktionen in Form von Kundgebungen, Demonstrationen, Vorlesungsboykott und "Streik". Am 18. Mai 1977 demonstrierten in München rund 1400 Studenten gegen "Zwangsexmatrikulation und Studienplatzvernichtung durch die Hochschulgesetze". Am 18., 23. und 24. Mai 1977 protestierten insgesamt über 2000 Medizinstudenten in München, Erlangen und Würzburg in Aufzügen gegen die "Ausbildungsbedingungen im Praktischen Jahr". Am 25. Mai 1977 nahmen etwa 1400 Studenten der Fachhochschule und der Technischen Universität München an einer Protestdemonstration gegen das Hochschulrahmengesetz teil. Vom 20. bis 24. Juni 1977 wurden im Zuge der von den VDS verkündeten "Streikkampagne" an einzelnen Hochschulen "Streikaktionen" und in Bamberg, Erlangen, Nürnberg, München, Re96 gensburg und Würzburg regionale Demonstrationen durchgeführt, an denen sich insgesamt rund 2500 Studenten, überwiegend Anhänger linksextremer Gruppen, beteiligten. Der vom 28. November bis 9. Dezember 1977 durchgeführte bundesweite "nationale Studentenstreik" fand an den 26 bayerischen Hochschulen bei der Studentenschaft nicht die von den Linksextremisten erwartete Resonanz. An den großen Universitäten Augsburg, Erlangen-Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg waren nur einzelne Fachbereiche von der Protestaktion betroffen. Etwas stärker schlugen die Aktionen in wenigen relativ kleinen Hochund Fachhochschulen durch; der Lehrbetrieb war aber auch an diesen nur vorübergehend eingeschränkt. An einigen Hochschulen hielten streikende Studenten sogenannte Gegenhochschulveranstaltungen ab. In Erlangen, Nürnberg, Regensburg und Rosenheim wurden Demonstrationen durchgeführt, an denen insgesamt knapp 1500 Personen teilnahmen. An der Universität Würzburg kam es 1977 durch das vorwiegend von linksextremen Gruppen getragene "Bossle-Komitee" wiederholt zu mit Ausschreitungen verbundenen Aktionen, an denen sich jeweils bis zu 500 Studenten beteiligten. Ihr Protest richtete sich gegen die Berufung von Professor Dr. Bossle auf den Lehrstuhl für Soziologie. 9. Wahlen an den Hochschulen Bei den im Sommersemester 1977 durchgeführten Wahlen für die Kollegialorgane gelang es linksextremen Gruppen an einzelnen bayerischen Hochschulen, ihre Positionen mit Hilfe "Unabhängiger" weiter auszubauen; an anderen verloren sie zugunsten demokratischer Studentengruppen etwas an Einfluß. Eine klare Aussage über den Trend ist jedoch schwierig, da auf den Listen vielfach organisierte und nichtorganisierte Studenten gemeinsam kandidierten. Außerdem tarnten sich wiederum linksextreme Gruppen hinter Listenverbindungen und unverfänglichen Bezeichnungen. Durch sogenannte Aktionseinheiten gelang es insbesondere wiederum dem MSB Spartakus und dem SHB, unter Listenbezeichnungen, wie "Liste Gewerkschaftliche Orientierung" (GO), Wahlplattformen mit demokratischen Gruppen zu bilden und Wähler zu täuschen. Die Beteiligung an den Gremienwahlen lag durchwegs unter dem vom Bayerischen Hochschulgesetz gesetzten Quorum von 50% der Studenten, so daß diese nicht die gesetzlich mögliche Anzahl der studentischen Sitze erhielten. Die studentischen Gremien vermitteln deshalb auch kein zuverlässiges Spiegelbild der politi97 p sehen Struktur der Studentenschaft an den bayerischen Hochschulen. An einigen Hochschulen fanden auch 1977 wiederum "AStAWahlen" statt. Bei diesen nicht im Hochschulgesetz vorgesehenen Wahlen kandidierten bei Wahlbeteiligungen um 10% vorwiegend linksextreme Studentengruppen. 10. Weiterführende Schulen In diesem Bereich, den erfahrungsgemäß auch schulfremde Organisationen als Agitationsfeld nutzen, traten 1977 folgende linksextreme Schülerund Jugendorganisationen hervor: Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) - Jugendorganisation der DKP - Kommunistischer Jugendbund (KJB) -Schülerorganisation des K B W - Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD) - Jugendorganisation der KPD - Rote Garde (RG) - Jugendorganisation der KPD/ML - Sozialistischer Schülerbund (SSB) -Schülerorganisation des K B - Revolutionärer Jugendverband Deutschlands (RJVD) -Jugendorganisation des K A B D - Rote Schülerfront (RSF) - Schülerorganisation des AB - . Die linksextremen Gruppen konnten 1977 ihre Position nicht ausbauen. Ihre insgesamt nachlassenden Aktivitäten beschränkten sich auf einzelne Aktionen sowie auf das Verbreiten von Schriften. Aktionshöhepunkt war eine zentrale Schülerdemonstration am 12. März 1977 in München, die die Landesschülervertretung Bayern unter dem Motto "Bildung statt Büffeln" veranstaltete. Unter den rund 2300 Teilnehmern befanden sich zahlreiche Angehörige des SDAJ und anderer kommunistischer Gruppen. 98 6. Abschnitt Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 1. Allgemeines Die Kampagne gegen den fälschlich als "Radikalenerlaß" bezeichneten Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 über den einheitlichen Vollzug der beamtenrechtlichen Bestimmungen zum Fernhalten von Verfassungsfeinden vom öffentlichen Dienst hält unvermindert an. In zahlreichen europäischen Ländern wurden von Kommunisten Komitees gegen angebliche "Menschenrechtsverletzungen in der Bundesrepublik Deutschland" gegründet. Sie mobilisieren antideutsche Gefühle, behaupten Machtmißbrauch und Eingriffe in den Freiheitstraum des Bundesbürgers wie zu Zeiten des Dritten Reiches und üben Druck auf die Bundesregierung und die Regierungen der Länder aus, von der Vollzugspraxis des Beschlusses abzuweichen, bisher ausgesprochene Ablehnungen rückgängig zu machen und die Betroffenen zu entschädigen. Hier sind insbesondere die Vorbereitungen für das "III. Internationale Russell-Tribunal über die Situation der Menschenrechte in der BRD" zu erwähnen, das stark linksextrem beeinflußt ist (siehe Abschnitt 2 Ziffer 3.11 ). Einzelne Fälle der Nichteinsteilung von Verfassungsfeinden aus dem linksextremen Bereich in den öffentlichen Dienst förderten auch in Bayern die Gründung von Aktionseinheiten. Diese werden auf nationaler Ebene von dem kommunistisch beeinflußten Arbeitsausschuß der zentralen Initiative "Weg mit den Berufsverboten" in Hamburg koordiniert. 2. Rechtsstaatliches Verfahren Die Frage des Zugangs von Verfassungsfeinden zum öffentlichen Dienst rührt an die Grundlagen unserer Demokratie. Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit unseres Staates ist die Voraussetzung für die Freiheit, die auch dem Gegner unserer demokratischen Ordnung die politische Auseinandersetzung ermöglicht. Die "wehrhafte Demokratie" würde zur leeren Formel, wenn es 99 nicht gelänge, die staatlichen Institutionen, welche die Freiheit garantieren, vor Unterwanderung zu schützen. Auch in anderen westlichen Demokratien werden Kommunisten von den klassischen Bereichen der Staatsverwaltung ferngehalten. Allerdings geschieht dies dort in einer Grauzone durch Informationsaustausch zwischen den Einstellungsund den Sicherheitsbehörden ohne Wissen des Betroffenen und somit weitgehend ohne Rechtsschutz. Demgegenüber hat der Verfassungsfeind nach dem bei uns geschaffenen, nach rechtsstaatlichen Grundsätzen perfekten System gegen seine Ablehnung mehr Appellationsmöglichkeiten als der Bewerber, dem andere Eignungsmerkmale, wie die fachliche Qualifikation oder die gesundheitliche Eignung, fehlen. Bayern hat als eines der ersten Länder mit der Bekanntmachung der Staatsregierung vom 27. März 1973 (siehe Anlage 2) zu dem Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 Ausführungsrichtlinien erlassen, die jedem Betroffenen ein rechtsstaatliches Verfahren garantieren. Auch die bisherige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in zwei Instanzen hat die Rechtmäßigkeit der bayerischen Grundsätze nicht in Zweifel gezogen. 3. Bayerische Praxis 3.1 Ende 1977 waren in Bayern - soweit bekannt - 182 (140)* Linksextremisten im Landesund Kommunaldienst sowie in anderen öffentlichen Einrichtungen beschäftigt, die in den letzten 5 Jahren als Angehörige verfassungsfeindlicher Organisationen in Erscheinung getreten sind. Anzahl der DKP Komm. Neue LinksNebenLinke extremisten organiim öffentl. sationen Dienst Landesdienst 69(43) 21(16) 14(8) 34(19) Kommunaldienst 100( 83) 59(49) 6 ( 9) 35(25) Sonstige öffentliche Einrichtungen 13 ( 14) 5(7) 2(2) 6(5) zusammen: 182(140) 85(72) 22(19) 75(49) * in Klammern Vergleichszahlen 1976 100 Die Zahl der Rechtsextremisten im bayerischen Landesund Kommunaldienst betrug Ende 1977 66 (73) Personen. Anzahl der Rechtsextremisten davon im öffentl. Dienst NPD Landesdienst 43 (47) 32 Kommunaldienst 23(26) 16 zusammen: 66 (73) 48 3.2 Das Verfahren zur Prüfung der Verfassungstreue von Einstellungsbewerbern ist in Abschnitt II der Bekanntmachung vom 27. März 1973 geregelt. Danach hat das Staatsministerium des Innern der Einstellungsbehörde auf Anfrage gerichtsverwertbare Tatsachen mitzuteilen, die Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers begründen können. Wenn sich diese Zweifel auf die Mitgliedschaft oder auf entsprechende Aktivitäten in einer verfassungsfeindlichen Organisation stützen, gibt das Staatsministerium des Innern der Einstellungsbehörde auch Hinweise auf die Verfassungsfeindlichkeit der Organisation. Es hat in dem Verfahren lediglich die Stellung einer sachverständigen Auskunftsstelle, die die vorliegenden Erkenntnisse des Verfassungsschutzes ohne eigene Wertung mitteilt. Es wird in jeder Erkenntnismitteilung deshalb ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Entscheidungsbefugnis über das Einstellungsbegehren bei der Einstellungsbehörde liegt. Dies schließt nicht aus, daß das Staatsministerium des Innern nach sorgfältiger Prüfung Einzelerkenntnisse an die Einstellungsbehörden dann nicht weiterleitet, wenn sie von geringer Tragweite und somit nicht mehr sachdienlich sind. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn es sich um geringfügige Aktivitäten des Bewerbers vor dem 18. Lebensjahr handelt oder sie so lange zurückliegen, daß ihnen keine Aussagekraft über die Persönlichkeit des Bewerbers mehr zukommen kann. Anders verhält es sich, wenn die Erkenntnisse wesentliche Elemente einer ununterbrochenen Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Bewerbung darstellen oder nach Art und Schwere nicht mehr als bloße "Jugendsünden" anzusehen sind. In der Zeit seit Einführung des Verfahrens ( 1 . April 1973 bis 3 1 . Dezember 1977) bearbeitete das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz 116 653 Anfragen (1977: 23 116) der Einstellungsbehörden. In 908 Fällen (1977: 194) teilte das Staatsministerium des Innern den Einstellungsbehörden Erkenntnisse mit. 101 Dies führte bisher in 81 (1977: 16) Fällen zur Ablehnung des Bewerbers. In den übrigen Fällen konnten die Bewerber die zunächst bestehenden Zweifel an ihrer Verfassungstreue ausräumen. Im Bereich des Staatsministeriums der Justiz wurden 1977 13 Rechtsreferendare, da sie die bestehenden Zweifel an ihrer Verfassungstreue den Anstellungsbehörden gegenüber nicht ausräumen konnten, zunächst nicht in das Beamtenverhältnis übernommen. In 3 Fällen wurde diese Entscheidung später korrigiert. Den übrigen 10 Bewerbern wurde jedoch gestattet, den Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare in einem öffentlichrechtlichen Ausbildungsverhältnis außerhalb des Beamtenverhältnisses abzuleisten. Auch diese Zahlen zeigen deutlich, daß die Prüfung der Einstellungsbewerber mit der durch Verfassung und Gesetz gebotenen Gründlichkeit, aber keineswegs kleinlich durchgeführt wird und die von den Verfassungsfeinden nach wie vor geschürte Hysterie in keiner Weise angebracht ist. Die nebenstehende Übersicht zeigt den Verfahrensstand der Ablehnungsfälle zum Jahresende 1977. Wie aus dieser Übersicht zu ersehen ist, hat die gerichtliche Überprüfung der Ablehnungsfälle bisher in den arbeitsund verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur in einem Falle zu einer rechtskräftigen Entscheidung geführt, durch die der Bewerber endgültig im öffentlichen Dienst (bei der Landeshauptstadt München, rechtskräftig durch Versäumung der Berufungsfrist) zu beschäftigen ist. Dagegen sind seit der Anwendung der Bekanntmachung vom 27. März 1973 in 26 Fällen die Ablehnungen unanfechtbar geworden. In einem Fall hat die Anstellungsbehörde dem Widerspruch des Bewerbers stattgegeben. In weiteren 24 Fällen ist gegen die von den Anstellungsbehörden ausgesprochenen Ablehnungen noch keine gerichtliche Entscheidung ergangen. Bei 8 Bewerbern haben die Verwaltungsgerichte die wegen mangelnder Verfassungstreue verfügten Ablehnungen bestätigt. Von den insgesamt 81 Ablehnungsfällen haben die Gerichte nach dem Stand der Rechtsprechung Ende 1977 in 21 Fällen, davon überwiegend in Entscheidungen im summarischen Verfahren, die von den Anstellungsbehörden ausgesprochenen Ablehnungen nicht bestätigt. 102 Jahr Ablehm ngen Durch Gerichtsentscheidungen insRessort rechtsbisher noch a) Abb) vorläufig c) Festd) Verpflichtung e) endgesamt bestänkeine gelehnung zum Vorbestellung, zur Ubern. i. d. gültig zudig richtl. Entbestätigt reitungsdaß öff. Dienst bzw. gelassen scheid ung dienst ArbeitsVerpflichtung, (rechtsergangen zugelassen verhältnis unter Beachtung kräftig) fortbesteht der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden 1973 6 StMl: 1 _ _ _ _ _ _ 1 (ab. 1 4.) StMUK: 5 2 1 1 - 1 - - 1974 7 StMl: 1 1 _ _ _ _ _ StMJ: 1 1 - - - - - StMUK: 5 2 1 2 - - - 1975 33 StMl: 5 3 1 _ _ 1 _ StMJ: 2 1 - 1 - - -- StMUK: 25 7 7 2 5 - 4 StMF: 1 1 - - - - - 1976 19 StMl: 2 2 _ _ -- _ _ StMJ: 1 1 - - - - - StMUK: 16 5 4 1 3 - 3 1977 16 StMl: 4 _ 4 _ _ _ _ StMUK: 12 - 7 1 2 - 2 1973 bis 81 81 26 25 8 10 2 9 1 o 1977 Co 7. Abschnitt Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1. Allgemeines Am 30. September 1977 hielten sich im Freistaat Bayern rund 640 200 Ausländer auf, darunter 166 000 Türken 127 000 Jugoslawen 78 000 Italiener 76 000 Österreicher 58 000 Griechen und 15 300 Spanier Ein Vergleich mit dem Jahr 1976 zeigt, daß die Gesamtzahl der Ausländer um etwa 1600 Personen zurückgegangen ist. Die hier wohnenden Arbeitnehmer stammen überwiegend aus Staaten, die mit tiefgreifenden gesellschaftlichen und sozialen Problemen belastet sind. Trotz dieser inneren Probleme und Spannungen war das politische Engagement der ausländischen Arbeitnehmer unverändert zurückhaltend. Lediglich die Parlamentswahlen in der Türkei und in Griechenland führten vorübergehend zu verstärkten Aktivitäten. Trotz der wirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1977 gelang es den politisch extremen Ausländergruppierungen nicht, die ausländische Arbeitnehmerschaft wesentlich in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die private Sorge um den Arbeitsplatz stand im Vordergrund und hemmte die Bereitschaft, sich im Gastland extrempolitisch zu betätigen. Die Zahl der in Bayern in Erscheinung getretenen ausländischen Vereinigungen mit extremen politischen Zielen erhöhte sich von 71 im Jahre 1976 auf 79 im Jahre 1977. Die Ursachen für diese Erhöhung lagen in den Abspaltungen innerhalb der griechischen und türkischen Linksextremisten. Nachstehende Übersicht zeigt die Entwicklung der in Bayern bestehenden extremen Ausländerorganisationen: 104 1972 1973 1974 1975 1976 1977 Linksextrem 55 58 51 43 49 59 Rechtsextrem 26 23 20 22 22 20 Gesamtzahl 81 81 71 65 71 79 Diese 79 Ausländerorganisationen verteilen sich im Jahre 1977 wie folgt: orthodoxsozialrechtsgesamt kommurevolutionärextrem nistisch maoistisch Griechen 5 6 11 Italiener 5 1 2 8 Palästinenser -- 2 -- 2 Spanier 2 3 -- 5 Türken 3 10 2 15 Jugoslawen - 1 11 12 UdSSR 1 -- 4 5 Sonstige 6 14 1 21 Gesamt 22 37 20 79 Diesen Organisationen gehören, wie im Vorjahr, etwa 10 000 bis 11 000 Mitglieder und Sympathisanten an. Die Zahl der Funktionäre wird mit 400 bis 500, der eigentliche "harte Kern" mit ca. 100 Personen geschätzt. Detaillierte Zahlen können aus Sicherheitsgründen wegen der teilweise starken Konspiration einzelner Gruppen und auch wegen der Fluktuation der Ausländer nicht genannt werden. Im Berichtsjahr verübten ausländische Extremisten im Freistaat Bayern keine Gewalttaten. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die innere Sicherheit durch ausländische Gruppen nicht gefährdet war. Insbesondere wegen des internationalen Terrorismus ist jedoch auch weiterhin sorgfältige Beobachtung erforderlich. 2. Afrikanische Gruppen Die "Eritreische Befreiungsfront" (ELF), eine sozial-revolutionär105 nationalistische Organisation, die die Befreiung Eritreas von der äthiopischen Herrschaft anstrebt, konnte sich durch erfolgreiche Mitgliederwerbung organisatorisch wieder festigen. Die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit liegen im Raum Erlangen/Nürnberg und im Raum München. Die ELF unterstützt die in der äthiopischen Provinz Eritrea operierenden Rebelleneinheiten propagandistisch und auch materiell. Unter den Mitgliedern wurde die vom "Informationszentrum" in Beirut herausgegebene Zeitschrift "The Eritreans New Letter" verteilt. Die ELF-Gruppe Nürnberg/Erlangen richtete im Februar 1977 an dort ansässige Ärzte ein Rundschreiben mit der Bitte, die eritreische Bevölkerung durch Medikamente und ärztliche Geräte zu unterstützen. Im März 1977 tauchten Schriften der ELF-Jugendorganisation "Eritreans Youth-Assoziation" (EYA) auf. Die aktivste Gruppe innerhalb der eritreischen Befreiungsorganisationen war die marxistisch orientierte "Eritreische Volksbefreiungsfront" (EPLF), die ebenfalls die Befreiung Eritreas von der äthiopischen Herrschaft anstrebt. Von ihr gingen Versuche aus, beide Befreiungsfronten unter ihrer Führung zu vereinigen. Die Schwerpunkte liegen ebenfalls in München und Nürnberg. Die EPLF verteilte bei einer Maikundgebung des "Deutschen Gewerkschaftsbundes" (DGB) in Nürnberg Flugblätter. In Erlangen führte sie am 15. Juli 1977 einen "Eritreischen Kulturabend" durch. Ein der EPLF zuzurechnendes "Eritrea-Hilfswerk in Deutschland e. V." veranstaltete vom 22. bis 24. Dezember 1977 in München Straßensammlungen, die einen Erlös von rund 12 0 0 0 - D M erbrachten. Sowohl die ELF als auch die EPLF wurden durch die von der UdSSR dem äthiopischen Militärregime geleistete Unterstützung mit Waffen stark verunsichert. Die maoistisch ausgerichtete "Äthiopische Studentenunion in Europa" (ESUE) wendet sich gegen die Abtrennung von Teilen des bisherigen Staatsgebiets von Äthiopien. Sie strebt die Errichtung einer Volksrepublik an. In Bayern trat die ESUE im Jahr 1977 nur gelegentlich durch Verbreitung von Propagandamaterial auf. Sie unterstützt die in Äthiopien im Untergrund tätige "Revolutionäre Partei des äthiopischen Volkes" (EPRP). Im Januar 1977 forderte sie in Flugblättern mit dem Titel "Massenhinrichtung" zu einer Protestaktion auf. 3. Arabische Gruppen Der bisher in arabischen Kreisen in Bayern wie im gesamten Bundesgebiet starke Einfluß der "Palästinensischen Befreiungs106 Organisation" (PLO) mit ihrem offiziellen Vertreter Al Frangi in Bonn trat zugunsten der maoistisch-terroristischen "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP), die der sog. "Ablehnungsfront" zuzurechnen ist, zurück. Dieser verstärkte sich seit dem Besuch des ägyptischen Staatspräsidenten Sadat in Israel im November 1977. Die "Ablehnungsfront" verdächtigt den PLOFührer Arafat, er würde "mit Sadat gemeinsame Sache machen" und einer friedlichen Einigung mit Israel zustimmen. Diese Entwicklung verdient besondere Beachtung wegen der internationalen Verflechtung des Terrorismus. Ein Beispiel für das länderübergreifende Zusammenwirken von Terroristen war die Entführung der Lufthansamaschine "Landshut", die am 13. Oktober 1977 begann und mit der Befreiung der Geiseln durch die GSG 9 des Bundesgrenzschutzes auf dem Flughafen in Mogadischu/ Somalia am 18. Oktober 1977 endete. Diese Aktion, die die Entführung von Dr. Hanns-Martin Schleyer durch deutsche Terroristen unterstützen sollte, wurde von einem "Kommando Martyr Halimeh" durchgeführt, zu dem sich später die PFLP-"Abteilung Sonderorganisation" bekannte. Die radikalen Ziele der PFLP vertritt in Bayern die "Union der fortschrittlichen Araber" (UfA), die im April 1976 in München gegründet wurde. Die UfA lehnt jede Verhandlung über das Palästinenserproblem ab und fordert den bewaffneten Kampf mit dem Ziel der Vernichtung des Staates Israel. Am 17. Februar 1977 trat sie mit einem Informationsstand in der Mensa der Universität München an die Öffentlichkeit. In den hier verteilten Flugblättern wurden Vorwürfe gegen eine neue Genfer Nahost-Konferenz und gegen die "reaktionären" arabischen Regierungen in Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien erhoben. Die ! Fortsetzung des bewaffneten Kampfes im Libanon wurde befürwortet. Im April 1977 trat die UfA gemeinsam mit dem von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gesteuerten Kommunistischen Studentenverband (KSV) als Unterzeichner eines Flugblattes "Azania - Namibia - Zimbabwe - Sieg im Volkskrieg" auf. In dem in München verteilten Flugblatt wurden die Bundesregierung und deutsche Industrieunternehmen wegen der "Unterstützung der weißen Rassistenregime in Südafrika" angegriffen. Eine weitere Flugblattaktion führte die UfA anläßlich des Jahrestages der israelischen Staatsgründung am 15. Mai 1977 im Münchner Universitätsbereich durch. In den Flugblättern wurde zur Unterstützung der palästinensischen Revolution unter Führung der sog. "Ablehnungsfront", einem Zusammenschluß der besonders extremen Palästinensergruppen PFLP, PFLP-GC 107 (PFLP-Generalkommando), "Arabische ßefreiungsfront" (ALF) und Gruppe "Abu-Nidhal" (Schwarzer Juni), die jede friedliche Lösung des Nahostkonflikts ablehnen, aufgerufen. Im Rahmen einer Veranstaltung am 9. Juli 1977 in München forderte die UfA die Ablösung Arafats und der PLO als Führungsorganisation im palästinensischen Lager. Es wurde erneut bekräftigt, daß die PFLP zu keiner Zeit zur Teilnahme an einer Nahost-Verhandlung in Genf bereit sein werde. Die im Februar 1975 gegründete Sozialrevolutionäre "Generalunion arabischer Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin" (GUAS), ein Dachverband, der den Organisationsrahmen zur Vertretung palästinensischer Interessen in der Bundesrepublik Deutschland darstellen soll, und ein im Frühjahr 1977 neu gegründeter "Palästinensischer Studentenverband" (PSV), der sich verstärkt palästinensischen Problemen widmen will, konnten in Bayern keine organisatorischen Einrichtungen schaffen. 4. Griechische Gruppen Die Aktivität der extrem-politischen griechischen Gruppierungen nahm im Zusammenhang mit den vorgezogenen Parlamentswahlen am 20. November 1977 in Griechenland vorübergehend zu. Die Agitationsschwerpunkte liegen weiterhin in den Großräumen München und Nürnberg. Die beiden Parteiverbände "Kommunistische Partei Griechenlands" (KKE-Ausland) und "Kommunistische Partei Griechenlands" (KKE-Inland) konnten im Jahr 1977 erheblich an Mitgliedern gewinnen. Die KKE-Ausland ist der orthodox-kommunistische Teil der seit Februar 1968 gespaltenen Kommunistischen Partei Griechenlands. Ihr Sitz ist Athen. Im Gegensatz zur KKE-Inland erkennt sie die Hegemonie Moskaus an. Seit September 1974 ist sie in Griechenland als legale Partei zugelassen. Sie beruft sich auf die Tradition der griechischen Arbeiterbewegung und nimmt für sich in Anspruch, die "Kommunistische Partei Griechenlands" zu sein. Die wichtigsten Basisgruppen befinden sich in Augsburg, Dachau, Karlsfeld bei München, Kaufbeuren, Kempten (Allgäu), München, Nürnberg und Schongau. Ihre Jugendorganisation, die "Kommunistische Jugend Griechenlands" (KNE), unterhält in München einen Stützpunkt. Informationsorgane der KKE-Ausland und der KNE sind "Risospastis" (Der Radikale), bzw. "Odigitis" (Wegweiser). Agitationsschriften, die örtliche Belange betrafen, wurden von den einzelnen Basisgruppen selbst oder von der "Deutschen Kommunisti108 sehen Partei" (DKP) gefertigt, mit der eine enge Zusammenarbeit auf parteilicher Ebene und bei der Infiltrationstätigkeit in Betrieben besteht. Die KKE-Ausland beteiligte sich in Nürnberg am Mai-Fest der DKP vom 28. April bis 1. Mai 1977. Am 23. Oktober 1977 nahm sie ferner an einem "Festival" der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) in München teil. Am 6. November 1977 veranstaltete die KKE-Ausland aus Anlaß des 36. Jahrestages der Gründung des "Vereins griechischer WiderstandskämpferNationale Befreiungsfront" (EAM) eine interne Feier. Die KNE veranstaltete am 11. Dezember 1977 in München ihr " 1 . Festival der KNE in München". Unter den etwa 300 bis 350 Teilnehmern befanden sich neben Griechen auch Deutsche, Spanier, Türken, Jugoslawen und Chilenen. Die KKE-Inland ist der national-kommunistische Teil der früheren "Kommunistischen Partei Griechenlands". Ideologisch ist sie der "orthodoxen Linken" zuzurechnen. Ihre charakteristischen Merkmale im Verhältnis zur KKE-Ausland sind die Autonomie gegenüber der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und die Befürwortung des Anschlusses Griechenlands an die Europäische Gemeinschaft (EG). Ihre bedeutendsten Stützpunkte, vergleichbar mit Ortsgruppen, befinden sich in Augsburg, Dachau, Karlsfeld bei München, Lauf a. d. Pegnitz, München, Nürnberg und Traunreut. Gruppen ihrer Jugendorganisation, der "Panhellenischen Antidiktatorischen Studentenorganisation" (Rigas Ferreos), bestehen in Dachau, Karlsfeld bei München, München und Nürnberg. Als Informationsschriften bieten die KKE-Inland und die Rigas Ferreos unter anderem die Organe "I Avgi" (Die Morgenröte) und "Thourios" (Kämpferisch) an. Die KKE-Inland beteiligte sich am 1. Mai 1977 an einer Feier des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD (AB) in Nürnberg. Aus gleichem Anlaß nahm die Partei aber auch an einer Veranstaltung der DKP in München teil. Ferner war der 36. Jahrestag der Gründung der EAM, der 6. November 1977, für die KKE-Inland Anlaß zu einer Veranstaltung und Flugblattaktionen in München. Die maoistisch ausgerichtete "Revolutionäre Kommunistische Bewegung Griechenlands" (EKKE) wurde im Jahre 1970 von unzufriedenen Mitgliedern der KKE-Ausland und der "Vereinigten Demokratischen Linken" (EDA) gegründet. Sie bezeichnet sich selbst als eine kommunistische Organisation, die die Zerschlagung des kapitalistischen Systems und die Beseitigung der Herrschaft der Bourgeoisie anstrebt sowie für die Errichtung der Diktatur des Proletariats in Griechenland und für den Aufbau des 109 Sozialismus und der klassenlosen Gesellschaft kämpft. Die EKKE befürwortet zur Verwirklichung ihrer Ziele auch die Anwendung von Gewalt. Nach dem Regierungswechsel in Griechenland kehrten führende Funktionäre in ihre Heimat zurück, um den Aufbau ihrer Vereinigung einzuleiten bzw. bereits bestehende Zellen zu aktivieren. Im Bundesgebiet unterhält die EKKE keine parteiähnlichen Organisationen. In Bayern besteht eine lose Gruppierung in München. Bei der 1 .-Mai-Feier des DGB in München verteilten Mitglieder der EKKE Flugblätter und das Organ "Laiki Agones" (Volkskämpfer). Wiederholte Versuche der EKKE, unter dem Namen ihrer Studentenorganisation "Antifaschistischer Antiimperialistischer Studentenverband" (AAPSE) Einfluß auf den "Verein Griechischer Akademiker München e. V." zu nehmen, scheiterten. Dagegen gelang es ihr, auf den "Griechischen Kulturkreis München e. V." einzuwirken. Insgesamt gelang es ihr jedoch nicht, ihren Aktionsradius über München hinaus zu vergrößern. Eine im Berichtsjahr neu aufgetretene Vereinigung ist die "Einheitliche Bewegung des ausgebeuteten Volkes" (E. K. E. L ) , die sich aus ehemaligen Mitgliedern der "Panhellenischen Sozialistischen Bewegung" (PASOK), die sich mit dem politischen Kurs ihres Führers Andreas Papandreou nicht mehr identifizierten, zusammensetzt. In einem Flugblatt, das Mitte November 1977 in München verteilt und von der "Basisorganisation München" der E. K. E. L. unterzeichnet wurde, heißt es, der Austritt aus der PASOK sei notwendig gewesen, weil man die "Umwandlung der PASOK in eine sozialdemokratische Partei" ablehne. Die E.K.E.L versteht sich als Teil der "Internationalen Solidarität der ausgebeuteten Völker" und bejaht den Klassenkampf nach der "Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus". Ziel der Vereinigung ist die "gesellschaftliche Revolution und die Errichtung der politischen Oberherrschaft des ausgebeuteten Volkes". 5. Iranische Gruppen Die politisch extremen iranischen Gruppen setzten ihre Agitation gegen den Schah von Persien und sein Regime unvermindert fort. Besonders engagierten sich dabei die "Confederation Iranischer Studenten - Nationalunion" (CISNU), die "Föderation Iranischer Studenten" (FIS) sowie die "Iranische Studentenvereinigung München" (ISVM), die mit Veranstaltungen und Flugblattaktionen an die Öffentlichkeit traten. Die international tätige CISNU zerfiel um die Jahreswende 1975/1976 in einen Sozialrevolutionären und einen maoistischen Flügel. Diese Spaltung setzte sich auch in den nationalen Ver110 bänden des FIS und den ihr nachgeordneten örtlichen iranischen Studentenvereinigungen fort. Der Sozialrevolutionäre Flügel wird von der "Iranischen National-Front" (INF) repräsentiert. Er strebt den Sturz der Monarchie im Iran durch Guerilla-Aktionen an und unterstützt die im Iran kämpfenden Untergrundorganisationen. Der maoistische Flügel wird von der Organisation "Tufan" und der "Revolutionären Tudeh-Partei" gebildet. Er will die Iraner erst ideologisch für die Revolution vorbereiten und dann den Sturz der Monarchie durch einen Massenaufstand herbeiführen. Diese ideologische Spaltung findet sich auch bei der ISVM. Seit Mitte des Jahres 1976 wurde wiederholt erfolglos versucht, die Einheit der CISNU wiederherzustellen. Trotz aller ideologischen Gegensätze sind sich die rivalisierenden Gruppen jedoch in ihrem Ziel, die Monarchie im Iran zu Fall zu bringen, einig. Sie führten zahlreiche Veranstaltungen durch, bei denen sie die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Iran heftig kritisierten. Diese Aktionen wurden verschiedentlich in Zusammenarbeit mit deutschen maoistischen Gruppen durchgeführt. Am 8. Januar 1977 führte die FIS in München eine Kundgebung durch. Themen waren die Situation der politischen Gefangenen im Iran sowie die Folterungen und Ermordungen von "Patrioten" durch den iranischen Geheimdienst SAVAK. Aus Protest gegen eine angebliche Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit dem Geheimdienst SAVAK führten iranische Studenten ab 28. Februar 1977 in Bonn einen Hungerstreik durch, an dem sich auch Mitglieder der ISVM beteiligten. Organisator dieses Streiks war die FIS. Im Zusammenhang mit dem Hungerstreik nahmen am 2. März 1977 Angehörige der ISVM an einer vom Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB), vom Kommunistischen Hochschulbund (KHB), von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und vom Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD) organisierten Veranstaltung im "Schwabinger Bräu" in München teil. Dabei wurden eine Grußbotschaft der ISVM verlesen und ausführlich über den Grund des Hungerstreiks in Bonn berichtet. An die deutschen Gruppen erging die Aufforderung, die Sache der iranischen Studenten zu unterstützen. Die Veranstaltung war insgesamt von etwa 150 Personen besucht. An den Aktionen linksextremer Gruppen zum 1. Mai 1977 nahmen in München auch iranische Studenten teil, die Flugblätter der FIS verteilten und Broschüren dieser Organisation mit dem Titel "Terror des faschistischen Schah-Regimes" verkauften. Aus Anlaß der KSZE-Folgekonferenz in Belgrad hatte die CISNU 111 ihre Verbände angewiesen, zum Thema "Menschenrechte" weltweite Aktionen durchzuführen, wobei insbesondere die Verletzung der Menschenrechte im Iran angeprangert werden sollte. In Bayern kamen dem Aufruf iranische Studenten in Würzburg mit einer Zeitschriftenund Flugblattaktion und die ISVM mit zwei Standdemonstrationen Anfang Oktober 1977 in München nach. Weltweite Protestaktionen der CISNU löste ferner der Besuch Schah Reza Pahlewis in den USA aus. In der Bundesrepublik Deutschland rief sie zu einer Großdemonstration am 17. November 1977 in Frankfurt/M. auf, an der etwa 100 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter auch aus München und Würzburg, teilnahmen. Mit zahlreichen Transparenten und Kampfrufen versuchten die Demonstranten, die Öffentlichkeit auf den Anlaß der Aktion hinzuweisen. Dazu wurde Agitationsmaterial verteilt. Als der Demonstrationszug das amerikanische Konsulat erreicht hatte, wurden zwei mitgeführte Strohpuppen, die den US-Präsidenten Carter und den Schah darstellten, verbrannt. In Bayern wurden vornehmlich an den Universitäten in München und Nürnberg Zeitschriften und Flugblätter verteilt. 6. Italienische Gruppen Die Aktivitäten der politisch extremen italienischen Gruppen sind gegenüber dem Vorjahr in etwa gleichgeblieben. Unter den in Bayern tätigen italienischen Vereinigungen und Parteien sind die "Kommunistische Partei Italiens" (PCI), der "Italienische Verband der Gastarbeiter und ihrer Familien" (FILEF) sowie das "Trikolore-Komitee der Italiener in der Welt" (CTIM) bedeutsam. Aktivitäten der PCI in der Bundesrepublik Deutschland wurden erstmals im Jahre 1963 auf Betriebsebene festgestellt. 1968 begann der Aufbau der Parteiorganisation, zuerst durch lose Zusammenschlüsse in den Betrieben. Bis 1970 entstanden Ortsgruppen und überörtliche Führungsgremien. Ab diesem Zeitpunkt fanden Funktionärswahlen auf Ortsund Kreisebene statt. Der Parteiapparat der PCI in der Bundesrepublik Deutschland war seit dem Jahre 1972 in das Nationalkomitee mit dem Sitz in Stuttgart, die Gebietsföderation Süd mit dem Sitz in Stuttgart (für die süddeutschen Länder zuständig), die Bezirkskomitees (u. a. in München und Nürnberg), die Kreiskomitees (in Bayern ebenfalls München und Nürnberg) und in die Betriebsgruppen gegliedert. Im März 1977 änderte die Partei ihre Organisationsstruktur. Neben den bereits bestehenden Gebietsföderationen Köln (Nord) und Stuttgart (Süd) wurde die Gebietsföderation Mitte mit dem 112 Sitz in Frankfurt/M. gebildet. Das Bezirkskomitee Nürnberg wurde der Gebietsföderation Mitte zugeschlagen. Das Münchner Bezirkskomitee gehört weiterhin zur Gebietsföderation Stuttgart. Für die Gesamtpartei wurde eine bessere Organisation gefordert. Durch Ausbildung der Kader in Parteischulen, durch Lehrveranstaltungen, Debatten und Studium sowie durch verstärkte Mitgliederwerbung sollte die PCI qualitativ und quantitativ verbessert werden. Die Neugliederung gab der Partei neue Impulse und brachte eine Straffung und Aktivierung, die jedoch nach außen hin nicht in Erscheinung trat. Als Parteiorgan erscheint monatlich die Zeitschrift "Emigrazione Oggi" (Emigration heute), die in Italien gedruckt wird. Eine weitere wesentliche Vereinigung ist der "Italienische Verband der Gastarbeiter und ihrer Familien" (FILEF), der am 8. März 1970 in Frankfurt/M. gegründet wurde. Der Hauptsitz dieser Vereinigung ist nunmehr Stuttgart. In Bayern bestehen Ortsgruppen in München und Nürnberg. Die FILEF, eine Massenorganisation der PCI, ist bestrebt, die Gastarbeiterprobleme auf politischer Ebene, und zwar durch Zusammenschluß der italienischen Gastarbeiter und ihrer Familien im Gastland, durch Unterstützung in sozialen und wirtschaftlichen Fragen, durch Teilnahme an Arbeitskämpfen im Gastland und durch die Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte zu lösen. Ihre Mitglieder sind in aller Regel auch Anhänger der PCI. Von dem für 1977 von der FILEF aufgestellten Grundsatzprogramm: Mitgliederwerbung, Einheit der Arbeiter, Bildung einer einheitlichen Massenvereinigung nach dem Modell der italienischen Gewerkschaften, waren im Berichtsjahr keine Auswirkungen festzustellen. Ferner wurde versucht, neue Ortsgruppen zu gründen, was jedoch in Bayern nicht gelang. Als Publikationsorgan der FILEF erscheint die Zeitschrift "Emigrazione". Die extreme italienische Rechte ist als Partei im Bundesgebiet nicht vertreten. Sie versucht, über das eigenständige "TrikoloreKomitee der Italiener in der Welt" (CTIM) Einfluß auf die italienische Arbeiterschaft zu gewinnen. Die seit dem Jahre 1948 dem italienischen Parlament angehörende rechtsgerichtete "Movimento Soziale Italiano" - MSI - (Soziale Italienische Bewegung) verzichtet auf eigene Präsenz in den europäischen Ländern, um Konflikten mit den Gastländern aus dem Wege zu gehen. Die Führungspositionen in den beiden Organisationen sind personell miteinander verzahnt, da die MSI mit dem CTIM ideologische Gemeinsamkeiten aufweist. Das CTIM will sich jedoch als eigenständige Betreuungsorgani113 sation für Italiener verstanden wissen. Nach der für die Bundesrepublik Deutschland geltenden Satzung ist das Komitee "politisch und konfessionell unabhängig". Es strebt "die Stärkung der Bindung zwischen den verschiedenen italienischen Gemeinschaften in der BRD und dem italienischen Mutterland" an. Ferner soll "eine Verständigung über die Lösung der Probleme erreicht werden, die mit der Anwesenheit und Beschäftigung der italienischen Staatsangehörigen in der BRD zusammenhängen". Der starke Rückgang des Interesses für die MSI spiegelte sich auch in den Aktivitäten der Ortsvereine des CTIM wider. Der Generalsekretär des CTIM versuchte zwar durch persönliche Briefe an die Ortsgruppen, eine einheitliche Organisationsarbeit zu erreichen und die Funktionäre zu intensiverer Tätigkeit anzuspornen. Ein Erfolg wurde jedoch nicht festgestellt. In München kam im Februar 1977 nach Aufgabe des CTIM-Büros das Vereinsleben praktisch zum Erliegen. Die Reaktivierung der Ortsgruppe München begann im Mai 1977 sehr zögernd durch die Wahl einer neuen Vorstandschaft. Auch die Einweihung neuer Räumlichkeiten des CTIM in München im Oktober 1977 fand nicht das erwartete Interesse. In Nürnberg stieg hingegen die Zahl der Mitglieder im Jahre 1977. Das CTIM gibt das Organ "Oltreconfine" (Über die Grenzen) heraus. 7. Jugoslawische Gruppen Der Freistaat Bayern war mit den hier lebenden rund 127 000 jugoslawischen Staatsangehörigen auch im Jahr 1977 eine bevorzugte Operationsbasis kroatischer Nationalistengruppen. Die Lage der kroatischen Emigration wurde weiterhin durch eine große Zahl von Organisationen mit fast gleicher Zielsetzung bestimmt. Eine zunehmende Radikalisierung zeichnet sich ab. Die Aktivitäten der Kroaten konzentrierten sich hauptsächlich auf die Wahl zum 2. Parlament des "Kroatischen Nationalrates" (HNV), die im Sommer 1977 stattfand. Der HNV wurde auf einer Zusammenkunft der Kroaten vom 1. bis 3. Februar 1974 in Toronto/Kanada gegründet. Er setzte sich folgende Ziele: - Befreiung des kroatischen Volkes von der "Fremdherrschaft" - Loslösung aus dem "unnatürlichen großserbischen" Jugoslawien - Bildung eines selbständigen nichtkommunistischen Staates Kroatien, in dem die frei gewählten Vertreter in einem Mehrparteiensystem über zwischenstaatliche Beziehungen und der innenpolitische und gesellschaftliche Struktur entscheiden. 114 Der HNV ist eine politische Körperschaft, die sich aus kroatischen Organisationen und Institutionen zusammensetzt. Die Wahl zum 2. Parlament (SABOR) brachte insofern eine Wende, als vermehrt die jüngere Generation und neu Emigrierte gewählt wurden, wodurch ein Generationswechsel eingeleitet wurde. Das Presseund Propagandabüro des HNV wurde Ende 1977 von London nach München verlegt. Es versucht u. a., durch Informationsblattaktionen bis nach Jugoslawien die Kroaten zur Errichtung einer Einheitsfront unter Einbeziehung der unterdrückten Minderheiten der Mazedonier, Montenegriner, Ungarn und Albaner gegen das derzeitige Regime zu gewinnen. Der HNV bietet nach außen hin eine relativ geschlossene Front, die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß die Zerstrittenheit und der Konkurrenzkampf unter den kroatischen Emigrantenorganisationen und Interessengruppen versteckt weitergeführt wird. Geringe Aktivitäten entwickelte das "Kroatische Nationalkomitee in Europa" (HNO), das im Jahre 1950 in München gegründet wurde und die Grundlage für eine große Sammlungsbewegung der kroatischen Emigration sein sollte. Ziel der HNO ist die Wiederherstellung eines selbständigen und unabhängigen Staates Kroatien, der aus den kroatischen Landesteilen Jugoslawiens entstehen soll. Ebenfalls für die Wiederherstellung eines selbständigen und unabhängigen kroatischen Staates tritt die "Kroatische Republikanische Partei" (HRS) ein, die im Berichtsjahr nur geringe Aktivitäten entwickelte. Wie in jedem Jahr, wurde der 10. April 1941 - Gründungstag des unabhängigen Staates Kroatien - von der kroatischen Emigration gefeiert. So fand bereits am 9. April 1977 in München eine Gedenkfeier des HNO und der HNV statt, an der rund 150 Personen teilnahmen. Aus gleichem Anlaß veranstalteten die HRS, der "Bund der vereinigten Kroaten in Deutschland e. V." und der Ortsausschuß des HNO ebenfalls am 9. April 1977 in Würzburg eine von etwa 120 Personen besuchte Gedenkfeier. Bei den Veranstaltungen lagen die Teilnehmerzahlen erheblich unter den Erwartungen der jugoslawischen Emigration und den Vergleichszahlen früherer Jahre. Eine Gruppe von etwa 20 Personen aus München beteiligte sich an einer vom HNO am 11. Juni 1977 in Bonn veranstalteten Informationsund Protestdemonstration anläßlich der KSZE-Folgekonferenz in Belgrad. Bei der Abschlußkundgebung wurde die Bundesrepublik Deutschland in sehr scharfer Form angegriffen, weil hier jugoslawische Agenten bei 115 ihrem Vorgehen gegen die jugoslawische Emigration angeblich freie Hand hätten. Nach einem dreimonatigen Prozeß vor dem Schwurgericht München I wurde der Exilkroate Scepo Buconjic wegen zweifachen Mordversuches zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Buconjic hatte im September und Oktober 1975 jeweils ein Bombenpaket an das Jugoslawische Generalkonsulat in München abgesandt. In kroatischen Emigrantenkreisen hatte man mit einer Bestrafung in dieser Höhe nicht gerechnet. Trotzdem kam es bisher nicht zu den deshalb erwarteten Aktionen gegen jugoslawische Einrichtungen. 8. Lateinamerikanische Gruppen 1977 war von den extremen lateinamerikanischen Vereinigungen in Bayern der "Lateinamerikanische Studentenverein" (AELA), München, am aktivsten. Der AELA ist eine Sozialrevolutionäre Studentenvereinigung, die den Umsturz in ganz Lateinamerika anstrebt. Ihre Gründung geht auf eine Initiative linksgerichteter lateinamerikanischer Studenten im Bundesgebiet zurück, die sich im November 1961 in Göttingen zu einem Kongreß getroffen hatten. In der Folgezeit wurden Zweiggruppen im Bundesgebiet gegründet. Entsprechend den Zielsetzungen agitierte die Münchner Gruppe des AELA auf ihren Veranstaltungen in Dia-Vorträgen, Flugblättern und in ihrem Organ "Lateinamerika heute" gegen den "USImperialismus" sowie gegen die "faschistischen Militärdiktaturen" in Argentinien, Bolivien, Paraguay, Peru und Chile. Vorwürfe wurden auch gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben, die für diese Länder Entwicklungshilfe leistet. Im Vergleich zu früheren Jahren nahm die Radikalität in der politischen Aussage erheblich ab. Auch ist die Münchner Gruppe des AELA wegen des starken Mitgliederwechsels in ihrer Aktionsfähigkeit sehr eingeschränkt. 9. Ostemigration Von der Ostemigration ging 1977 keine Bedrohung der inneren Sicherheit in Bayern aus. Hier bietet sich nach wie vor das Bild einer konsequent antikommunistischen, in ihren Mitteln - von einzelnen kroatischen Gruppen abgesehen - gewaltlosen und bezüglich ihres Erfolges teilweise resignierenden Ostemigration. Die meisten Zusammenschlüsse haben im Verlaufe der letzten 10 Jahre durch Tod und Überalterung von Mitgliedern starke Einbußen erlitten. 116 Die russische Emigration aus der Zeit der Revolution ist faktisch nicht mehr existent. Als älteste Organisation besteht noch die im Jahre 1930 in Belgrad gegründete "Nationale Arbeitsunion" (NTS) mit dem Sitz in Frankfurt/M. Der NTS gehören auch Mitglieder aus Bayern an. Sie konnte durch Nachwuchs aus der Kriegsund Nachkriegsgeneration ihre Bedeutung erhalten und ist dementsprechend ständiges Angriffsziel sowjetischer Propaganda. Besonderen Angriffen aus der Sowjetunion ist die ukrainische Emigration ausgesetzt, weil sie neben dem antikommunistischen auch ein antirussisches Programm verfolgt: Sie will einerr ukrainischen Nationalstaat errichten. Die bedeutendste ukrainische und geschlossenste Vereinigung in der gesamten Emigration ist die "Organisation ukrainischer Nationalisten" (OUN-Bandera) mit ihrer Jugendorganisation "Verband der ukrainischen Jugend" (SUM). Die OUN-Bandera nimmt außerdem in der übernationalen Organisation "Antibolschewistischer Block der Nationen" (ABN) eine bedeutende Rolle ein. Die Emigranten aus Bulgarien, Rumänien und Ungarn bilden im allgemeinen geschlossene Gruppen, die Einflüssen von kommunistischer Seite kaum aufgeschlossen sind. Diese Gruppen haben sehr wenig Zuzug aus den Heimatländern. Für die gesamte Emigration gilt, daß die Heimatstaaten auf verschiedenen Wegen bestrebt sind, Einfluß auf sie zu nehmen. Im Jahre 1965 wurde in der UdSSR das "Komitee für die Rückkehr in die Heimat" gegründet. Nach mehreren Namensänderungen lautet die jetzige Bezeichnung "Sowjetische Gesellschaft für kulturelle Beziehungen mit den Landsleuten im Ausland - Gesellschaft Rodina". Sie hat ihren Sitz in Moskau. Tochtergesellschaften bestehen in der Ukraine, in den Kaukasusund mittelasiatischen Republiken und im Baltikum. Unter dem Einfluß dieser Gesellschaft wurden im Westen örtliche Vereine gegründet. In München besteht die "Union für gegenseitige Hilfe der Landsleute aus Rußland e. V." Die Gesellschaften in den einzelnen Unionsrepubliken geben Presseerzeugnisse in den jeweiligen Sprachen heraus, die an die Mitglieder dieser Vereine, aber auch an alle anderen bekanntgewordenen Adressen versandt werden. Die russische "Golos Rodini" (Stimme der Heimat) erscheint in ukrainischer Sprache und in den Kaukasusund mittelasiatischen Sprachen. Der in Budapest arbeitende "Weltbund der Ungarn" nimmt über die kulturelle Betreuung Einfluß auf die Emigration, die sich allerdings zurückhaltend zeigt. Die ungarische Emigration zählt zu den diszipliniertesten Emigrantengruppen. Nur ein geringer Pro117 zentsatz läßt sich vom kommunistischen Mutterland beeinflussen. Die Volksrepublik Polen nimmt vor allem Einfluß auf die sogenannten "Ruhrpolen", die bereits vor über hundert Jahren nach Deutschland kamen und in deren Nähe sich auch die späteren Auswanderer ansiedelten. In Warschau arbeitet die "Gesellschaft für die Verbindung mit dem Auslandspolentum - Polonia", die in enger Verbindung mit der in Deutschland tätigen Vereinigung "Zgoda" (Eintracht) steht. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der kulturellen Betreuung, um eine "Germanisierung" zu verhindern, in der Veranstaltung von Reisen nach Polen und im polnischen Sprachund Schulunterricht. 10. Spanische Gruppen Auch im Jahre 1977 wirkte sich die Demokratisierung in Spanien auf die politischen Gruppen der Spanier im Ausland beruhigend aus. Die spanische Regierung hatte zu Ostern 1977 die seit 38 Jahren verbotene "Kommunistische Partei Spaniens" (PCE) legalisiert, die somit an den am 15. Juni 1977 durchgeführten Parlamentswahlen teilnehmen konnte. Die PCE wurde im Jahre 1921 gegründet. Ideologisch ist sie den orthodoxen kommunistischen Parteien zuzuordnen. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Partei durch ein "Comitee Federal" (Bundesvorstand) geleitet. Diesem Bundesvorstand gehören 19 Mitglieder an. Das eigentliche Führungsgremium bildet jedoch das "Sekretariat", das sich aus 7 Personen zusammensetzt. Das Bundesgebiet ist in folgende 7 Zonen aufgeteilt: Nord Nord-Westfalen West-Niedersachsen Ruhrgebiet Rheinland Hessen-Weinstraße Süd Diesen 7 Zonen unterstehen etwa 50 Zweiggruppen. In Bayern bestehen Zweiggruppen in München und Nürnberg, die der Zone Süd angehören. Die Jugendorganisation der PCE, die "Union der Kommunistischen Jugend Spaniens" (UJCE), steht im Gegensatz zur Mutterpartei Gewaltaktionen in der Bundesrepublik Deutschland nicht ablehnend gegenüber. 118 Publizistisch tritt die PCE mit ihrem wöchentlich erscheinenden Organ "Mundo Obrero" (Welt der Arbeit), das in Brüssel erscheint, an die Öffentlichkeit. Bereits vor ihrer offiziellen Zulassung in Spanien verteilte die PCE Anfang März 1977 in Nürnberg Flugblätter, in denen die Spanier aufgerufen wurden, sich an den Parlamentswahlen zu beteiligen. Während der 1.-Mai-Kundgebung hatte die Partei in Nürnberg zur Teilnahme an einer Abendveranstaltung eingeladen, die jedoch nur schwach besucht war. Der Referent des Abends sprach über die Bedeutung des 1. Mai, widmete jedoch den überwiegenden Teil seiner Rede den Erfolgen der PCE in Spanien. Die politische Situation in der Heimat, insbesondere die spanischen Parlamentswahlen, führten bei einigen Gruppen zu reger Aktivität. In zahlreichen Wahlvorbereitungsveranstaltungen zeigte sich, daß die PCE sowohl organisatorisch als auch personell für den Wahlkampf gut vorbereitet war. Ab 23. Mai wurde den politischen Gruppen Gelegenheit gegeben, über den Bayerischen Rundfunk - Spanische Redaktion - in der Sendung für spanische Gastarbeiter ihre Programme darzulegen. Mit mehreren Großveranstaltungen, die vom 14. Mai bis 5. Juni 1977 in verschiedenen Großstädten abgehalten wurden, beendete die PCE ihren Wahlkampf im Bundesgebiet. Am 5. Juni 1977 hielt sie in München eine größere Wahlveranstaltung ab, die ohne Störungen verlief. Bei den ersten demokratischen Wahlen am 15. Juni 1977 in Spanien seit dem Jahre 1936 konnte die PCE 20 Sitze im Parlament erringen. Am 5. und 6. November 1977 fand in Kassel die von der PCE beeinflußte "Erste Bundeskonferenz spanischer Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland" statt. An der Tagung beteiligten sich 98 Delegierte, darunter auch einige aus Bayern. Die Delegierten vertraten nach eigenen Angaben insgesamt 63 spanische Organisationen mit über 10 000 Mitgliedern. Es wurde ein neuer Bundeskoordinierungsausschuß gebildet, dem 25 Mitglieder, darunter 12 PCE-Funktionäre, angehören. In dem vom Ausschuß gewählten zehnköpfigen Sekretariat ist die PCE mit acht Funktionären vertreten. 11. Türkische Gruppen Für die im Freistaat Bayern tätigen türkischen Gruppen bildeten die Parlamentswahlen in der Türkei am 5. Juni 1977 den Höhepunkt ihrer Aktivitäten. Gegenüber dem Jahr 1976, in dem bereits 119 eine rege Aktivität türkischer Extremisten festzustellen war, konnte nunmehr eine weitere Steigerung des politischen Engagements beobachtet werden. Bei der türkischen Linken waren im Jahr 1977 Abspaltungen zu verzeichnen, was zu einer Erhöhung der Gesamtzahl der in Bayern tätigen extremen Ausländerorganisationen beitrug. Die Parlamentswahlen am 5. Juni 1977 in der Türkei führten nicht zum Durchbruch der "Republikanischen Volkspartei" (CHP) unter Führung von Ecevit. Die CHP ging zwar mit 41,4% der abgegebenen gültigen Stimmen aus der Wahl als Sieger hervor, erhielt aber nicht die erforderliche Mehrheit für eine Regierungsbildung. Dies führte zu einer Neuauflage der bereits vor den Wahlen im Juni 1977 bestehenden Koalition, die aus drei Parteien, der "Gerechtigkeitspartei" (AP), die 16 Minister stellte, der "Nationalen Heilspartei" (MSP) mit 8 Ministern und der "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP), die 5 Ministerämter bekam, gebildet wurde. Diese politische Konstellation führte in der Türkei und in der Bundesrepublik Deutschland zur Gründung von "Widerstandskomitees". So wurde im September 1977 in München ein "Komitee gegen die zweite Regierung der Nationalen Front in der Türkei" gegründet, dem fünf linksorientierte Vereine angehören. Ferner bildeten neun in München ansässige türkische Vereine im November 1977 ein "Antifaschistisches Widerstandskomitee gegen die zweite Regierung der Nationalen Front in der Türkei", das sich jedoch wegen interner Streitigkeiten im Dezember 1977 spaltete. Ob und in welcher Weise sich der letzte Regierungswechsel in der Türkei auf diese Organisationen auswirkt, bleibt abzuwarten. Im Februar 1977 wurde in Düsseldorf ein sog. türkischer Arbeiterkongreß abgehalten, bei dem als neuer Dachverband die "Föderation der türkischen Arbeitervereinigung in der Bundesrepublik Deutschland" (FIDEF) gegründet wurde, der 60 Organisationen, darunter auch türkische Arbeitervereinigungen aus Ingolstadt, München und Regensburg, beitraten. Dem dreiköpfigen Vorstand gehören ausschließlich Funktionäre der nationalkommunistischen "Föderation Demokratischer Arbeitervereine der Türkei in Europa" (TDF) an. Der Kongreß wurde von der orthodox-kommunistischen "Föderation türkischer Sozialisten in Europa" (ATTF) und der TDF organisiert. Befürworter einer Annäherung oder sogar des Zusammenschlusses von ATTF und TDF ist die orthodox-kommunistische "Türkische Kommunistische Partei" (TKP), die ihren Exilsitz in Ost-Berlin hat. Sie will dadurch 120 die Basis der im Jahre 1923 in der Türkei verbotenen TKP in Europaverbreitern. Die "Progressive Volkseinheit der Türkei" (THDB) wurde am 24. April 1977 in München gegründet. Teilorganisationen bestehen in Berlin, Stuttgart und Kiel. Der Verein gibt öffentlich vor, die politischen Ziele der CHP unter Führung von Ecevit zu verfolgen. Tatsächlich tendieren die Vorstandsmitglieder jedoch ideologisch in Richtung der TKP. Beim Jahreskongreß der maoistischen "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland" (ATIF) vom 28. bis 30. Oktober 1977 in Frankfurt/M. wurden in den aus acht Personen bestehenden Vorstand vier Aktivisten der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) gewählt, die in Bayern Stützpunkte in Augsburg, München und Nürnberg/Fürth unterhält. Die TKP/ML gewann dadurch im ATIF-Vorstand maßgeblichen Einfluß. Sie wurde im Jahre 1972 illegal in der Türkei gegründet. Für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland fand im Jahre 1974 die Gründungsversammlung statt. Ziel der maoistischen TKP/ML ist die Beseitigung des politischen Systems in der Türkei zugunsten einer kommunistischen Ordnung im Sinne des Marxismus-Leninismus. Im Zusammenhang mit tätlichen Auseinandersetzungen zwischen politisch konträren türkischen Gruppen am 26. November 1977 in Stuttgart führte die ATIF, unterstützt durch deutsche Linksextremisten, am 3. Dezember 1977 in Stuttgart einen Aufzug mit Kundgebung durch. Daran nahmen etwa 1000 Personen, darunter rund 50 Angehörige türkischer Vereine in Bayern, teil. Auch im Jahr 1977 war eine Zusammenarbeit türkischer Maoisten mit deutschen Gruppen der Neuen Linken festzustellen. In einem im Bundesgebiet verteilten Flugblatt wandten sich "Die Sympathisanten der Zeitung .Befreiung des Volkes der Türkei'" gegen den "Verbotsantrag gegen die Kommunistischen Parteien KBW, KPD und KPD/ML". Der "Verbotsantrag der CDU" wurde als "Angriff der deutschen Monopolbourgeoisie gegen den Kampf der Arbeiterklasse" bezeichnet. Die zu erwartenden Maßnahmen, wie "Polizeigesetze, Berufsverbote und Gewaltparagraphen", hätten "auch damals die Grundsteine des Hitlerfaschismus" gebildet. Die Verfasser bekräftigten abschließend: "Der Kampf gegen den Abbau der demokratischen Rechte in Deutschland ist auch unser Kampf und wird den gemeinsamen Feind, den Imperialismus, schwächen. Wir unterstützen den Kampf gegen den Verbotsantrag gegen die kommunistischen Parteien und werden Schulter an Schulter im Geiste des proletarischen Internationalismus bis zum Sieg kämpfen". 121 1977 schlossen sich Anhänger der rechtsgerichteten "Nationalen Heilspartei" (MSP) aus verschiedenen Vereinigungen unter der Bezeichnung "Organisation Nationaler Standpunkte" zusammen. Die MSP bekennt sich zum islamischen Sozialismus libyscher Prägung. Um eine Aktivierung ihrer Anhänger in der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen, entsandte die Partei geschulte Vertreter, die bei religiösen Veranstaltungen Politik im Sinne der MSP machen sollten. Das türkische Verfassungsgericht hatte im Juni 1976 der rechtsgerichteten "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) untersagt, Organisationen im Ausland zu unterhalten, da dies nach türkischem Recht verboten ist. Seither konzentrieren sich die Aktivitäten von Mitgliedern und Sympathisanten der Partei in den sog. "Idealistenvereinigungen". Bei ihrer Reorganisation erhielt die MHP Unterstützung durch die "Islamischen Kulturgemeinden", die der "Föderation Islamischer Kulturzentren" in Köln als Niederlassungen angehören. Islamische Kulturgemeinden bestehen in Bayern in Augsburg, Ingolstadt, Memmingen, München und Nürnberg. Im Zusammenhang mit der angeordneten Einstellung der Tätigkeit der MHP war eine Intensivierung der Aktivität des in München bestehenden "Nationaltürkischen Vereins in München e. V." (MMTB) festzustellen. Dieser vertritt im wesentlichen die Ideologie der MHP. 122 8. Abschnitt Spionageabwehr 1. Allgemeine Erfahrungen Die Bundesrepublik Deutschland und ihre Länder waren im Jahre 1977 wiederum besonderes Ziel der Spionage kommunistischer Staaten. Die Zahl der erkannten Werbungen und Werbungsversuche sowie die Zahl der erfaßten Aufträge gingen zwar etwas zurück. Ein Nachlassen der gegnerischen Spionagetätigkeit kann daraus jedoch nicht geschlossen werden, weil 1976 durch eine Reihe von Festnahmen und die Absetzbewegung weiterer Agenten eine außergewöhnliche Zunahme zu verzeichnen war. Das Schwergewicht der gegnerischen Aufträge lag, wie in den Vorjahren, mit 38% bei der politischen Spionage, gefolgt von der militärischen Spionage mit 29% und der Wirtschaftsspionage mit 15%. Die übrigen Aufträge waren vorbereitender und unterstützender Art. Ziele der politischen Spionage waren insbesondere die Ostemigration, Landsmannschaften und Notaufnahmebehörden, Universitäten und wissenschaftliche Institute, politische Organisationen und Interessenverbände sowie Behörden und Dienststellen im Bereich der inneren Sicherheit. Die Aufträge der militärischen Spionage richteten sich nach wie vor gegen die Bundeswehr sowie gegen die NATO und zielten besonders gegen Kasernen und Liegenschaften, Flugplätze, Raketenbasen und Radarstellungen. Bei der Wirtschaftsspionage lagen die Schwerpunkte der Ausspähung bei der Elektround chemischen Industrie, der elektronischen Datenverarbeitung sowie der Feinmechanik, beim Fahrzeug-, Flugzeugund Maschinenbau und den Rüstungsbetrieben. Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte im Jahre 1977 10 Personen wegen geheimdienstlicher Tätigkeit zu Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu elf Jahren. 123 2. Die Rolle der Nachrichtendienste in kommunistischen Staaten Die gegnerischen Nachrichtendienste haben im Wettkampf der Systeme eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Sie sollen mit dazu beitragen, daß auf allen Gebieten der politischen Auseinandersetzung der Osten mit dem Westen gleichzieht und ihn schließlich überholt. Deshalb sammeln sie systematisch alle Informationen über Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Forschung sowie über das westliche Verteidigungsund Sicherheitssystem. Diese Informationen können sie teilweise aus "offenen Quellen", die jedermann zugänglich sind, gewinnen. Wenn diese Auswertung auch eine Vielzahl von wichtigen Erkenntnissen liefert, so wäre das Lagebild doch unvollständig, wenn es nicht zusätzlich durch Informationen geheimer Mitarbeiter ergänzt würde, die Zugang zu geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen haben. Es ist daher Aufgabe der operativen Abteilungen dieser Nachrichtendienste, solche Personen für eine Agententätigkeit zu gewinnen. Die kommunistischen Staaten bekannten sich offen zur Arbeit ihrer Nachrichtendienste und deren Mitarbeitern als "sozialistische Kundschafter an der unsichtbaren Front". So hat der sowjetische Staatsund Parteichef Leonid Breschnew zum 60jährigen Bestehen des KGB dessen Arbeit als "hart, aber ehrenvoll, sehr notwendig und verantwortungsvoll" bezeichnet. 3. Werbungen, Werbungsversuche und Werbungsmethodik Wie bereits in den Vorjahren ging die Spionagebedrohung des Freistaates Bayern überwiegend von den Nachrichtendiensten der DDR aus. Mit 56% hat sich deren Anteil an den Werbungen und Werbungsversuchen gegenüber 1976 jedoch um etwa 10% verringert. Die übrigen Werbungen gingen von den Nachrichtendiensten anderer kommunistischer Staaten aus, wobei der Anteil der Dienste der CSSR mit über 22% gegenüber einem Anteil von 13% im Jahre 1976 am größten war. In der weiteren Reihe folgen die Nachrichtendienste der Volksrepublik Polen mit 9% gegenüber 6% im Jahre 1976, der UdSSR mit 5% gegenüber 7% im Jahre 1976 sowie die Nachrichtendienste Rumäniens, Jugoslawiens und Ungarns mit je etwa 2%. Knapp 8% der angesprochenen Personen wurden für ihre Auftraggeber tätig. 12% erklärten sich aus den verschiedensten Gründen zwar zur Mitarbeit bereit, wurden aber nicht tätig. 80% der angesprochenen Personen lehnten eine nachrichtendienstliche Mitarbeit ab. 1976 lag der Anteil dieser Personen bei etwa 124 76%. Diese Steigerung ist im wesentlichen der verstärkten Aufklärung der Bevölkerung über Ziele und Arbeitsweise der gegnerischen Nachrichtendienste durch die Massenmedien zu verdanken. Die Mehrzahl der zur Spionagetätigkeit aufgeforderten Personen wurde im kommunistischen Machtbereich angesprochen. In rund der Hälfte dieser Fälle waren Reisen privater oder beruflicher Art Kontaktanlaß. Ansonsten erfolgte die Anbahnung brieflich. In vielen Fällen waren Stellengesuche in Zeitungen Anlaß für die Werbung. Die Werbungsmittel der Nachrichtendienste der WarschauerPakt-Staaten haben sich nur unwesentlich geändert. Täuschungen, Versprechen und Gewähren von Vorteilen verschiedenster Art, Drohungen und Ausnutzung menschlicher Beziehungen standen an der Spitze der Mittel, deren sich diese Nachrichtendienste bedienten. Entsprechend dem jeweiligen Aufklärungsziel wird eine Zielanalyse erstellt, die im einzelnen darlegt, welcher Personenkreis in der Bundesrepublik Deutschland für eine "operative Bearbeitung" in Frage kommt. Dann erfolgt die Ermittlung und Abklärung von Personen, die zum Einsatz als Agenten geeignet erscheinen. Hierzu dienen Erkenntnisse, die von geheimen Mitarbeitern in der Bundesrepublik Deutschland zusammengetragen werden. Sie ziehen oft von Einwohnermeldeämtern unter einer glaubhaften Legende Erkundigungen ein und hören sich in der Nachbarschaft und beim Arbeitgeber um. Bei einem eventuellen Grenzübertritt in die DDR befindet sich die Zielperson im Netz eines Kontrollsystems. An den festgelegten Routen für Kraftfahrer sind Beobachtungsstellen eingerichtet. Tankstellen, Garagen und Reparaturwerkstätten sind mit Vertrauensleuten der Geheimdienste durchsetzt. 4. Aufträge Die Zahl der 1977 erfaßten Spionageaufträge hat sich gegenüber dem Vorjahr um etwa 27% verringert. Knapp 62% der Aufträge entfielen auf die .Nachrichtendienste der DDR. 12% gingen von den Nachrichtendiensten der CSSR aus. 8% der Aufträge wurden von den polnischen Nachrichtendiensten und 6% von den jugoslawischen Nachrichtendiensten erteilt. Die übrigen Aufträge gaben die sowjetischen, ungarischen und rumänischen Nachrichtendienste. 5. Die sowjetischen Nachrichtendienste Den sowjetischen Nachrichtendiensten KGB und GRU kommt 125 nach wie vor die größte Bedeutung zu. Entsprechend der politischen und militärischen Vorrangstellung der Sowjetunion und der KPdSU kann davon ausgegangen werden, daß die Nachrichtendienste der übrigen Warschauer-Pakt-Staaten überwiegend nach den Zielvorstellungen der sowjetischen Nachrichtendienste arbeiten. Deren unmittelbare Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ist dagegen relativ gering. Wegen der besonderen Lage in Deutschland bedienten sie sich wiederum in erster Linie der Nachrichtendienste der DDR und der CSSR. Die Zahl der erkannten unmittelbaren Werbungen und Werbungsversuche der sowjetischen Nachrichtendienste ging gegenüber dem Jahr 1976 von 7% auf 5% zurück. Wie schon im Vorjahr nutzten die sowjetischen Nachrichtendienste den Reiseverkehr zwischen beiden deutschen Staaten zur Anwerbung von Bundesbürgern. Bei der Verbindungsaufnahme bedienten sie sich auch Bewohnern der DDR. Die Angriffe der sowjetischen Spionage galten in erster Linie dem politischen und wirtschaftlichen Bereich. Daneben richtete sich das Interesse auf die Aktivitäten der Emigranten und den Sender Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL). Ein Mitarbeiter bei RFE/RL, der bereits vor Jahren aus der UdSSR geflohen war, wurde von einer Rentnerin aus der DDR aufgesucht. Die Besucherin gab vor, eine Bekannte seiner geschiedenen Frau zu sein, und übergab ihm einen Brief. Darin wurde er aufgefordert, unter Anspielung auf seine Bindung zur alten Heimat, "seine Fehler wieder gutzumachen" und Informationen über den Sender RFE/RL zu beschaffen. Insbesondere habe er Materialien über die strategische und taktische Propaganda gegen die Sowjetunion, über Quellen und Methoden der Beschaffung von Informationen sowie Erkenntnisse über die aktivsten Mitarbeiter von RFE/RL zu liefern. 6. Die Nachrichtendienste der DDR Die Gesamtzahl der 1977 erkannten Werbungen und Werbungsversuche der Nachrichtendienste der DDR ist um 10% gesunken. Trotzdem sind diese Dienste nach wie vor Hauptträger der Spionagetätigkeit in Bayern. Bei ihrer Tätigkeit bedienten sie sich der für sie seit Jahren charakteristischen Methoden: Einschleusungen von Agenten, Briefansprachen und Anbahnungen bei Reisen durch und in die DDR. Neben der seit Jahren geübten Praxis der Einschleusung von Agenten unter der Legende der legalen Übersiedlung versuchten die Nachrichtendienste der DDR, Agenten als Flüchtlinge getarnt über die "grüne Grenze" in die Bundesrepublik Deutschland ein126 zuschleusen. So wurde beispielsweise im Sommer 1977 einem Ingenieur "geraten", von einer legalen Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland abzusehen und sich über die "grüne Grenze" als Flüchtling abzusetzen. Durch diese Tarnung wäre seine Legende glaubhafter. Wie in den Vorjahren standen neben Briefansprachen Reisen im Vordergrund nachrichtendienstlicher Anbahnungen der Nachrichtendienste der DDR. Zielpersonen waren insbesondere Angehörige des öffentlichen Dienstes und Personen, von denen aufgrund ihrer Ausbildung, ihres Arbeitsplatzes und ihres derzeitigen oder späteren Zuganges nachrichtendienstlich interessante Informationen zu erwarten sind. Ferner wurden bevorzugt Studenten angesprochen. Die Studenten werden als sog. Perspektivkandidaten angeworben. Sie erhalten in der Regel zunächst Probeund Bindungsaufträge, die bei zufriedenstellender Erledigung mit finanziellen "Studienbeihilfen" honoriert werden. So wurden zwei Studenten, die in der DDR eine Brieffreundin besuchten, von zwei angeblichen Angehörigen des Wirtschaftsministeriums aufgesucht. Die Besucher gaben an, die DDR wolle in der Bundesrepublik Deutschland zur wirtschaftlichen Kooperation zwischen DDR-Firmen und bundesdeutschen Unternehmen Büros errichten und sei deshalb schon jetzt daran interessiert, geeignete Mitarbeiter zu finden. Ihre Mitarbeit werde großzügig honoriert. Auch die Überwachung der Hotels gehört zu den Aufgaben der Mitarbeiter des MfS. Nach gesicherten Erkenntnissen hat das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in jedem größeren Hotel der DDR eigene Büroräume, die ständig mit einem oder mehreren MfS-Angehörigen besetzt sind. Die MfS-Angehörigen haben die Aufgabe, eng mit der Direktion und dem Sicherheitsbeauftragten des Hotels zusammenzuarbeiten und geheime Mitarbeiter im Empfang, in der Telefonzentrale sowie unter Kellnern und Zimmermädchen zu führen. Zum Teil werden nur bestimmte Zimmer, die unter ständiger Kontrolle des MfS stehen, für ausländische Gäste reserviert. Während der Abwesenheit des Gastes kann es vorkommen, daß Koffer und Kleidungsstücke durchsucht werden, Interessantes, Verdächtiges oder Kompromittierendes fotografiert wird, um daraus eventuelle geschäftliche Vorteile ziehen oder Anhaltspunkte für Erpressungen gewinnen zu können. . Die tschechoslowakischen Nachrichtendienste ie Zahl der erkannten Werbungen und Werbungsversuche der schechoslowakischen Nachrichtendienste, die im Jahr 1976 bei twa 13% lag, ist 1977 sprunghaft auf 22% angestiegen. 127 Die tschechoslowakischen Nachrichtendienste bemühten sich verstärkt, Aussiedlungsanträge, private und persönliche sowie wirtschaftliche Beziehungen zwischen Bürgern der Bundesrepublik Deutschland und der CSSR für die Anwerbung und Einschleusung von Agenten zu nutzen. Werbungsmittel waren die Zusage der Beschleunigung der Ausreiseformalitäten, die Genehmigung von späteren Besuchsreisen, aber auch die Androhung von Repressalien. Ein Student, der mit seinen Eltern aus der CSSR in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war, besuchte regelmäßig seine Freundin und spätere Verlobte in der ehemaligen Heimat. Nach dem Bestellen des Aufgebots wurde er zur Polizei vorgeladen und einem Angehörigen des tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienstes zugeführt. Dieser eröffnete ihm, daß im Falle der Mitarbeit seine Verlobte sofort in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln dürfe. Daneben wurden ihm noch weitere persönliche Vorteile in Aussicht gestellt. Ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes lernte 1974 bei einem privaten Besuch in der CSSR eine Frau kennen, die er dort 1976 heiratete. Anfang 1977 wurde er bei einem Besuch seiner Frau zur Polizei bestellt, die ihn an den tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienst weiterleitete. Dort wurde ihm eröffnet, daß gegen ihn ein Verfahren wegen Beleidigung laufe. Im Falle einer Mitarbeit würde es eingestellt werden. Ansonsten könne er nicht damit rechnen, daß seine Ehefrau aussiedeln dürfe, und er selbst müsse mit einem Aufenthaltsverbot in der CSSR rechnen. 8. Die polnischen Nachrichtendienste Die Anzahl der erkannten Werbungen und Werbungsversuche der polnischen Nachrichtendienste ist gegenüber dem Vorjahr von 6% auf 9% angestiegen. Die polnischen Nachrichtendienste nutzten auch 1977 die Aussiedlungen für ihre nachrichtendienstlichen Ziele. Gemessen an der sprunghaft gestiegenen Zahl der Aussiedler konnte jedoch eine entsprechende Zunahme nachrichtendienstlicher Kontakte oder Verpflichtungen nicht festgestellt werden. Die erkannten Aufklärungsversuche der polnischen Nachrichtendienste richteten sich vornehmlich gegen den militärischen Bereich. Wie schon im Vorjahr galt aber auch dem Sender "Radio Free Europe/Radio Liberty" (RFE/RL) besonderes Interesse. Dabei wurde jedoch nicht nur im Bundesgebiet mit Mitarbeitern dieses Senders Kontakt aufgenommen, vielmehr erfolgten auch im Ausland, z. B. bei Urlaubsaufenthalten, Ansprachen. So wurde ein polnischer Mitarbeiter bei RFE/RL, der seinen Ur128 laub im Nahen Osten verbrachte, dort im Sommer 1977 von zwei angeblichen Bauingenieuren aus Polen angesprochen. Die beiden Männer, die zunächst unter einer Legende auftraten, gaben später zu, vom polnischen Nachrichtendienst zu sein. Sie appellierten an die patriotischen Gefühle des RFE/RL-Angestellten, sicherten ihm gute Bezahlung und ungehinderte Rückkehr in die Heimat zu und versuchten, ihn so für eine Agententätigkeit anzuwerben. 9. Die jugoslawischen Nachrichtendienste Im Vergleich zu den Vorjahren stiegen die Aktivitäten der jugoslawischen Nachrichtendienste an. Das Schwergewicht ihrer Spionage richtete sich auf die jugoslawische Emigration und deren Organisationen. Ein seit Jahren in Bayern lebender Jugoslawe wurde bei einem Besuch seiner alten Heimat von zwei Angehörigen des "Amtes für Innere Verwaltung" auf seine Tätigkeit angesprochen und zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit aufgefordert. Der Mann, der für eine Landesbehörde als Dolmetscher arbeitet, erhielt den Auftrag, über Kontakte zu Beamten der Behörden Amtsinternes festzustellen und weiterzugeben. Ferner sollte er einige Exiljugoslawen abklären. 10. Beurteilung Die Bundesrepublik Deutschland und damit auch Bayern sind weiterhin bevorzugte Ziele gegnerischer Agententätigkeit. Hauptträger der Aktivitäten sind die Geheimdienste der DDR, die hierfür erhebliche personelle und materielle Mittel einsetzen und sich darüber hinaus die besonderen Verhältnisse im geteilten Deutschland, wie gemeinsame Sprache und verwandtschaftliche Beziehungen, zunutze machen können. Der Spionageabwehr wird auch in Zukunft große Bedeutung zukommen. 129 r ? * ru Anlaoe1 Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1974 (GVBI S. 467) Art. 1 Zuständigkeit (1) In Bayern wird ein Landesamt für Verfassungsschutz errichtet. Es ist eine dem Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnete Behörde und ist ausschließlich für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Art. 2 zuständig. Nach Bedarf können Außenstellen des Landesamtes für Verfassungsschutz eingerichtet werden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (3) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Art. 2 Aufgaben (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben; 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht; 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 132 (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können; 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen; 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte; 4. bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder über alle Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, von denen es Kenntnis erhält und die für den Bund oder das betreffende Land von Wichtigkeit sind. Art. 3 Befugnisse Polizeiliche Befugnisse oder ein Weisungsrecht gegenüber Polizeidienststellen stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Art. 2 Abs. 1 und 2 ist das Landesamt für Verfassungsschutz befugt, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Art. 4 Amtshilfe und Auskunftserteilung (1) Die Behörden und Einrichtungen des Staates, die Gemeinden, die Gemeindeverbände, die sonstigen der Aufsicht des Staates unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die Gerichte und das Landesamt für Verfassungsschutz leisten einander Rechtsund Amtshilfe. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den in Absatz 1 genannten Stellen Aus133 künfte und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. (3) Darüber hinaus haben die in Absatz 1 genannten Stellen dem Landesamt für Verfassungsschutz alle Tatsachen und Unterlagen über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des Art. 2 Abs. 1 unaufgefordert zu übermitteln. Art. 5 Durchführungsbestimmungen Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen erläßt das Staatsministerium des Innern. Art. 6 Inkrafttreten Das Gesetz ist dringlich. Es tritt am 1. November 1950 in Kraft.* * Diese Vorschrift betrifft das Inkrafttreten des Gesetzes in der ursprünglichen Fassung vom 22. November 1950 (BayBS I S. 434). Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der späteren Änderungen ergibt sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. 134 Anlage 2 135 Bayerischer Staatsanzeiger Nr. 16/28. Jahrgang * Amtliche Veröffentlichung 19. April 1973 Staatskanzlei Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 27. März 1973 Nr. A I 3 - 180-6-84 Die Bayerische Staatsregierung hat in ihrer Sitzung vom 27. März 1973 in Übereinstimmung mit dem Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 ihren Beschluß vom 25. April 1961 über verfassungsfeindliche Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 25. April 1961, StAnz Nr. 19) durch die folgende Bekanntmachung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst neu gefaßt: I. Die Regierungschefs des Bundes und der Länder haben am 28. Januar 1972 folgenden Beschluß gefaßt: 1. Nach den Beamtengesetzen in Bund und Ländern - darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt; - sind Beamte verpflichtet, sich aktiv innerhalb und außerhalb des Dienstes für die Erhaltung dieser Grundordnung einzusetzen. Es handelt sich hierbei um zwingende Vorschriften. 2. Jeder Einzelfall muß für sich geprüft und entschieden werden. Von folgenden Grundsätzen ist dabei auszugehen: 2.1 Bewerber 2.1.1 Ein Bewerber, der verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelt, wird nicht in den öffentliche Dienst eingestellt. 136 2.1.2 Gehört ein Bewerber einer Organisation an, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. Diese Zweifel rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung des Einstellungsantrages. 2.2 Beamte Erfüllt ein Beamter durch Handlungen oder wegen seiner Mitgliedschaft in einer Organisation verfassungsfeindlicher Zielsetzung die Anforderungen des SS 35 Beamtenrechtsrahmengesetz nicht, aufgrund derer er verpflichtet ist, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, so hat der Dienstherr aufgrund des jeweils ermittelten Sachverhalts die gebotenen Konsequenzen zu ziehen und insbesondere zu prüfen, ob die Entfernung des Beamten aus dem Dienst anzustreben ist. 3. Für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst gelten entsprechend den jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmung dieselben Grundsätze." II. Die Bayerische Staatsregierung hat die Verbindlichkeit dieser Grundsätze für alle öffentlich-rechtlichen Dienstherren und Arbeitgeber in Bayern mit Beschluß vom 18. April 1972 bestätigt. Zu ihrer Durchführung wird folgendes bestimmt: 1. Vor der Einstellung eines Bewerbers in den öffentlichen Dienst haben die Einstellungsbehörden zunächst beim Staatsministerium des Innern anzufragen, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Einstellung begründen. Das Staatsministerium des Innern ist verpflichtet, Anfragen dieser Art unverzüglich zu beantworten. Die Auskünfte sind auf Tatsachen zu beschränken, die gerichtsverwertbar sind. Die Anfrage nach Satz 1 entfällt, wenn bereits aufgrund anderer Vorschriften eine Überprüfung vor der Einstellung vorgesehen ist. 2. Beabsichtigt die Einstellungsbehörde nach Eingang der Auskunft des Staatsministeriums des Innern, den Bewerber einzustellen, so ist der Bewerber vor der Entscheidung über die Einstellung zunächst gemäß Anlage 1* 137 schriftlich zu belehren und zur Unterzeichnung der Erklärung gemäß Anlage 2* aufzufordern. Bestehen auf Grund der vom Staatsministerium des Innern mitgeteilten oder anderweitig bekannt gewordener Tatsachen oder wegen der Weigerung, die vorbezeichnete Erklärung zu unterschreiben, Zweifel daran, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt, so ist ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Können die Zweifel nicht ausgeräumt werden, so darf er nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt werden. Wird die Einstellung in den öffentlichen Dienst deshalb abgelehnt, weil der Bewerber nicht die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt, so ist die Entscheidung dem Bewerber schriftlich unter Darlegung der Gründe mitzuteilen; betrifft sie die Übernahme in ein Beamtenoder Richterverhältnis, so muß sie außerdem eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Nummern 1 bis 4 gelten auch für Bewerbungen um die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Dabei sind Ausbildungszweck und Ausbildungsweise zu berücksichtigen. Besteht der Verdacht, daß ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstößt, so prüft seine Dienststelle, ob die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen sind, um ihn zur Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten oder ihn aus dem Dienst zu entfernen. Art. 70 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes ist zu beachten. In den Fällen der Nummern 4 und 6 sind die zuständige oberste Dienstbehörde und die Staatsministerien des Innern und der Finanzen vor der Entscheidung zu unterrichten und über den Fortgang der Sache auf dem laufenden zu halten. * nicht abgedruckt III. Den Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, nach den vorstehenden Bestimmungen zu verfahren. IV. Diese Bekanntmachung tritt am 1. April 1973 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 25. April 1961 (StAnz. Nr. 19) außer Kraft. München, den 27. März 1973 Der Bayerische Ministerpräsident Dr. h. c. Goppel 139 Abkürzunosverzeichnis AAPSE Antifaschistischer Antiimperialistischer Studentenverband AB Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD ABN Antibolschewistischer Block der Nationen ADK Aktionseinheit von Demokraten und Kommunisten ADS Arbeitskreis Demokratischer Soldaten AELA Asociacion de Estudiantes Latinoamericanos de Alemania (Lateinamerikanischer Studentenverband Deutschland) AKON Aktion Oder-Neiße ALF Arabische Befreiungsfront ANE Aktionsgemeinschaft Nationales Europa ANR Aktion Neue Rechte AP Gerechtigkeitspartei APO Außerparlamentarische Opposition AStA Allgemeiner Studentenausschuß ATI F Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland ATTF Avrupa Türk Toplumcular Federasyonu (Europäische Föderation türkischer Sozialisten) BDP Bund Deutscher Pfadfinder BID Bayerischer Informationsdienst BSA Bund Sozialistischer Arbeiter CHP Republikanische Volkspartei CISNU Conföderation Iranischer Studenten - Nationalunion CTIM Comitato Tricolore per gli italiani nel Mondo (Trikolore-Komitee der Italiener in der Welt) DA Deutscher Anzeiger DBI Deutsche Bürgerinitiative DBI Deutscher Block DF Demokratische Front DFG/ldK Deutsche Friedensgesellschaft/Internationale der Kriegsdienstgegner DFG-VK Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner DFU Deutsche Friedens-Union DKP Deutsche Kommunistische Partei DNZ Deutsche National-Zeitung D.T.O. Deutsche Terrororganisation DVG Deutsche Verlags-Gesellschaft DVU Deutsche Volksunion DWZ Deutsche Wochenzeitung 140 EAM Ethniko Apeleftherotoko Metopo (Verein griechischer WiderstandskämpferNationale Befreiungsfront) EDA Vereinigte Demokratische Linke E.K.E.L. Einheitliche Bewegung des ausgebeuteten Volkes EKKE Revolutionäre Kommunistische Bewegung Griechenlands ELF Eritrean Liberation Front (Eritreische Befreiungsfront) EPLF Eritrean Peoples Liberation Front (Eritreische Volksbefreiungsfront) EYA Eritreans Youth-Assoziation FDJ Freie Deutsche Jugend FIDEF Föderation der türkischen Arbeitervereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland FILEF Italienischer Verband der Gastarbeiter und ihrer Familien FIS Föderation Iranischer Studenten GIM Gruppe Internationale Marxisten - Deutsche Sektion der IV. Internationale GOG Gewerkschaftsoppositionelle Gruppen GRU Hauptabteilung für Aufklärung im Generalstab der sowjetischen Streitkräfte GUAS Generalunion arabischer Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin GUPA Generalunion palästinensischer Arbeiter GUPS Generalunion palästinensischer Studenten HNO Hrvatski Narodni Odpor (Kroatisches Nationalkomitee in Europa) HNV Kroatischer Nationalrat HRS Hrvatska Republikanska Stranka (Kroatische Republikanische Partei) lAvgi Die Morgenröte ID Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten INF Iranische National-Front ISP Internationale Sozialistische Publikationen ISVM Iranische Studentenvereinigung München IVDJ Internationale Vereinigung Demokratischer Juristen JBA Jugendbund Adler JN Junge Nationaldemokraten JP Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation Juso-HG Jungsozialisten-Hochschulgruppen KABD Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands KAJB Kommunistischer Arbeiterjugendbund KAZ Kommunistische Arbeiterzeitung 141 KB Kommunistischer Bund KBW Kommunistischer Bund Westdeutschland KDS Kampfbund Deutscher Soldaten KFAZ Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit KGB Komitee für Staatssicherheit in der Sowjetunion KHB Kommunistischer Hochschulbund KHG Kommunistische Hochschulgruppen KJB Kommunistische Jugendbünde KJVD Kommunistischer Jugendverband Deutschlands KKEAusland Kommunistiko Komma Ellados (Kommunistische Partei Griechenlands) KKEInland Kommunistiko Komma Ellados (Kommunistische Partei Griechenlands) KNE Kommunistische Jugend Griechenlands KPCh Kommunistische Partei Chinas KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPD/AO Kommunistische Partei Deutschlands/Aufbauorganisation KPD/ML Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KSA Komitee Südliches Afrika KSB/ML Kommunistischer Studentenbund/Marxisten-Leninisten KSG Kommunistische Studentengruppen KSV Kommunistischer Studentenverband KSZE Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KVZ Kommunistische Volkszeitung LHV Liberaler Hochschulverband MAB Marxistische Arbeiterbildung MAZ Marxistische Arbeiterzeitung MfS Ministerium für Staatssicherheit MG Marxistische Gruppen MHP Milliyetci Hareket Partist (Partei der Nationalen Bewegung der Türkei) M MTB Nationaltürkischer Verein in München e. V. MSB Marxistischer Studentenbund Spartakus MSI Movimento Sociale Italiano (Soziale Bewegung Italiens) MSP Nationale Heilspartei MSZ Marxistische Studenten-Zeitung 142 Ein NDS Nationaldemokratische Schülergemeinschaft NFJO Naturfreundejugend Deutschlands NHB Nationaldemokratischer Hochschulbund NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NRAO Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation NSDAPAO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei-Auslandsorganisation NTS Nationale Arbeitsunion OUNBandera Organisation ukrainischer Nationalisten PAA Partei der Arbeit Albaniens PASOK Panellinio Sozialistiko Kinima (Panhellenische sozialistische Bewegung) PCE Partido Communista de Espana (Kommunistische Partei Spaniens) PCI Partito Communista Italiano (Kommunistische Partei Italiens) PFLP Volksfront zur Befreiung Palästinas PLO Palästinensische Befreiungsorganisation PSU Partie Sozialiste Unifie PSV Palästinensischer Studentenverband RAF Rote Armee Fraktion RFE/RL Sender Radio Free Europe/Radio Liberty RG Rote Garde RGO Revolutionäre Gewerkschaftsopposition RH Rote Hilfe RHD Rote Hilfe Deutschlands RJVD Revolutionärer Jugendverband Deutschlands ROTZ/AK Rote Zellen/Arbeitskonferenz RSF Rote Schüler-Front RVA Rote Volksarmee RZ Revolutionäre Zellen SAVAK Persischer Geheimdienst SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SDS Sozialistischer Deutscher Studentenbund SdV/ NRAO Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SHB Sozialistischer Hochschulbund SJB Sozialistischer Jugendbund SNRAO Sozialistische Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation 143 SOdZDL Selbstorganisation der Zivildienstleistenden SRK Soldatenund Reservistenkomitees SSB Sozialistischer Studentenbund SSB Sozialistischer Schülerbund SUM Verband der ukrainischen Jugend SVB Solidaristische Volksbewegung SVI Verband der Studentenschaften an Fachhochschulen und höheren Fachschulen SWAPO Südwestafrikanische Volksorganisation TDF Föderation Demokratischer Arbeitervereine der Türkei in Europa TKP Türkische Kommunistische Partei TKP/ML Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten TKDB Progressive Volkseinheit der Türkei UfA Union der fortschrittlichen Araber UJCE Union der kommunistischen Jugend Spaniens UZ Unsere Zeit (Zentralorgan der DKP) VDJ Vereinigung Demokratischer Juristen VDS Vereinigte Deutsche Studentenschaften e. V. VK Verband der Kriegsdienstverweigerer e.V. VSBD/ PdA Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit VSK Vereinigung Sozialistischer Kulturschaffender VVN-BdA Vereinigung der Verfolgten des NaziregimesBund der Antifaschisten WBDJ Weltbund der Demokratischen Jugend WJ Wiking-Jugend WSG Wehrsportgruppe Hoffmann ZANU Afrikanische National-Union von Zimbabwe 144