BADENWÜRTTEMBERG VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT BADEN-WÜRTTEMBERG 1997 Rechtsextremismus - Linksextremismus - Ausländerextremismus Terrorismus - Scientology -Spionageabwehr Herausgeber: Innenministerium Baden-Württemberg Dorotheenstraße 6, 70173 Stuttgart Juli 1997 Gestaltung und Satz: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Taubenheimstraße 85A, 70372 Stuttgart Druck: E. KURZ & CO. Druckerei + Reprografie GmbH Kernerstraße 5, 70182 Stuttgart Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers ISSN 0720 - 3381 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT BADEN-WÜRTTEMBERG 1997 VORWORT Der jährliche Verfassungsschutzbericht dient nicht nur der regelmäßigen Information der Bürger über aktuelle extremistische Entwicklungen von links wie von rechts. Er ist zugleich ein Stück praktizierte wehrhafte Demokratie. Deutschland hat in seiner Geschichte leidvolle Erfahrungen mit dem politischen Extremismus gemacht. Damit Freiheit und Demokratie nicht noch einmal Beute von Extremisten werden, hat unser Grundgesetz mit dem Verfassungsschutz ein wirksames Instrumentarium geschaffen, um extremistische Bestrebungen jeglicher Couleur frühzeitig zu erkennen, zu beobachten und zu entlarven. Der Verfassungsschutz erfüllt somit die Funktion eines Frühwarnsystems für Staat und Gesellschaft. Der Schutz des demokratischen Rechtsstaats ist aber nicht allein eine Aufgabe für staatliche Behörden: Vorrang vor administrativen oder gerichtlichen Maßnahmen hat grundsätzlich die geistig-politische Auseinandersetzung mit den Gegnern unserer Demokratie; hier ist jeder einzelne Bürger gefordert. Denn der beste Verfassungsschutz sind Bürger, die sich für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv einsetzen. Der Verfassungsschutzbericht gibt ihnen eine Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung mit den Gegnern unserer Demokratie an die Hand. Die Bilanz für das Jahr 1997 zeigt vor allem einen bedenklichen Anstieg rechtsextremistischer Strafund Gewalttaten, der sich auf Bundeswie auf Landesebene beobachten ließ. Damit hat sich der Rückgang der Vorjahre bedauerlicherweise nicht fortgesetzt. Einen Großteil der Straftaten machen zwar die sogenannten Propagandadelikte aus. Aber auch die rechtsextremistisch und fremdenfeind- lieh motivierten Gewalttaten haben - allerdings von einer niedrigen Basis in absoluten Zahlen aus - überdurchschnittlich zugenommen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Zunahme der gewaltorientierten Skinheadszene in Baden-Württemberg, die 1997 an jeder zweiten rechtsextremistisch motivierten Gewalttat beteiligt war. Der Anstieg korrespondiert allerdings auch mit einer allgemein gewachsenen Gewaltbereitschaft. Tiefere Ursachen hierfür liegen sicherlich in der sozialen und wirtschaftlichen Desorientierung vieler junger Menschen, die auf diese Weise zudem für die plakativen Parolen und vermeintlich einfachen Lösungsansätze rechtsextremistischer "Rattenfänger" empfänglich werden. Der Wahlerfolg der DVU bei den Landtagswahlen am 26. April 1998 in Sachsen-Anhalt - gerade bei den Jungwählern - sollte allen demokratischen Kräften zu denken geben. Eine bedenkliche Entwicklung nimmt in dieser Hinsicht auch die NPD ein, deren Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" zunehmend zum Sammelbecken für bisher unorganisierte junge Neonazis zu werden droht. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums - im Bereich des Linksextremismus - sind dagegen die politisch motivierten Strafund Gewalttaten im Jahre 1997 erfreulicherweise und anders als auf Bundesebene deutlich zurückgegangen. Gewalt ging hier in erster Linie von den Autonomen aus, insbesondere im Zusammenhang mit den "CASTOR"-Transporten, aber auch bei Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner von "rechts". Diese Entwicklung hat auch in den ersten Monaten des Jahres 1998 angehalten - die Anschläge auf Bahnstrecken und die Behinderungen des "CASTOR"-Transports nach Ahaus im März 1998 und die gewalttätigen Auseinandersetzungen am 1. Mai in Leipzig haben das gezeigt. Die überfällige "Selbstauflösungserklärung" der seit Jahren inaktiven RAF, die im April 1998 bekannt wurde, hat keine neue Lageeinschätzung hinsichtlich der aktuellen Bedrohung durch linksextremistisch motivierte Gewalttäter erforderlich gemacht. Auch die Zahl der von ausländischen Extremisten begangenen Straftaten ist im Jahre 1997 stark zurückgegangen. Die Gewalt ging vor allem von türkischen und kurdischen linksextremistischen Gruppierungen aus und richtete sich in erster Linie gegen rivalisierende Gruppen und unbotmäßige Anhänger. Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) fiel 1997 insbesondere durch Spendengelderpressungen und gewalttätige Disziplinierungsmaßnahmen auf, nachdem die öffentlichen Aufrufe des Vorsitzenden ÖCALAN, in Deutschland auf Gewalt zu verzichten, gegenüber Außenstehenden und den staatlichen Stellen weitgehend befolgt wurden. Die türkischen islamistischen Gruppierungen betrieben auch im Jahre 1997 sehr aktiv Indoktrination und aggressive Propaganda. Dadurch erschweren sie vor allem die Integration unserer ausländischen Mitbürger. Insgesamt muß aber zur Klarstellung betont werden, daß weniger als ein Promille der ausländischen Bevölkerung in Baden-Württemberg extremistischen Organisationen angehört. Mit der Beobachtung der Scientology-Organisation hat der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg zum 1. Januar 1997 ein neues und teilweise neuartiges Aufgabengebiet übernommen; er hat dabei gemeinsam mit Bayern Schrittmacherdienste für den Bund und die übrigen Bundesländer geleistet. Die Innenministerkonferenz hat am 6. Juni 1997 die Voraussetzungen für die Beobachtung der Organisation durch die Verfassungsschutzbehörden bejaht; lediglich Schleswig-Holstein konnte sich aufgrund der dortigen Rechtslage dieser Linie nicht anschließen. Die Beobachtung der Scientology-Organisation durch den Verfassungsschutz hat sich in Baden-Württemberg bewährt. Die tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, daß die Organisation ein Gesellschaftssystem anstrebt, das mit den Grundwerten unserer Verfassung nicht vereinbar ist, haben sich im Laufe des Jahres 1997 weiter erhärtet. Der Verfassungsschutz hat ferner zahlreiche Belege für die Aktivitäten des Scientology-Geheimdienstes gefunden, die sich auch in Baden-Württemberg gegen Kritiker und staatliche Stellen richteten. Nicht zu unterschätzen ist auch der Schaden, der durch Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage entsteht. Das Interesse der ausländischen Geheimdienste, insbesondere der russischen Auslandsaufklärung, richtet sich dabei häufig auf das Know-how von mittelständischen Unternehmen und Universitäten, oft ohne daß die Betroffenen erkennen, daß sie systematisch ausgeforscht werden. Die Spionageabwehr verdient auch in einer Zeit der zunehmenden Annäherung zwischen Ost und West in Europa weiterhin ungeteilte Aufmerksamkeit. Für das große Engagement, mit dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz ihre verantwortungsvolle Tätigkeit auch im vergangenen Jahr bewältigt haben, möchte ich mich herzlich bedanken. JSUJIA^A, J^Jxjic*^^0-Dr. Thomas Schäuble MdL Innenminister des Landes Baden-Württemberg INHALTSVERZEICHNIS A. VERFASSUNGSSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG 10 1. Gesetzliche Grundlagen 10 2. Aufbau und Organisation 10 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 11 4. Methoden des Verfassungsschutzes 13 5. Kontrolle 14 6. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes 15 B. RECHTSEXTREMISMUS 18 1. Allgemeiner Überblick 18 2. Gewalttaten mit erwiesenem oder vermutetem rechtsextremistischem Hintergrund 21 Häufigkeit und Zielrichtung rechtsextremistisch beeinflußter Gewalt 21 Größe der rechtsextremistisch beeinflußten Gewaltszene 28 Rechtsextremistische Skinheads 29 Rechtsextremistischer Terrorismus 38 3. Bundesweite neonazistische Aktivitäten 39 Bundesweit operierende neonazistische Gruppen 39 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 39 "Freiheitlicher Volks Block" (FVB) 40 Projekte und Veranstaltungen mit überregionaler Bedeutung 42 "Nationaler Medienverband" 42 "Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltungen 1997" 44 Kommunikationsmittel 48 Neonazistische Personenzusammenschlüsse und Einzelaktivisten in Baden-Württemberg 50 4. Rechtsextremistische Parteien 54 "Die Republikaner" (REP) 54 "Deutsche Volksunion" (DVU) 66 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 70 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 77 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 84 5. "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) 86 6. Organisationsunabhängige rechtsextremistische Verlage 88 "GRABERT-Verlag'V'Hohenrain-Verlag" 88 7. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus 90 8. Revisionisten 91 Allgemeines 91 Aktivitäten deutscher Revisionisten im Ausland 92 9. Erscheinungsformen der "Neuen Rechten" 94 C. LINKSEXTREMISMUS 96 1. Allgemeiner Überblick 96 2. Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund IOI 3. Linksextremistischer Terrorismus 102 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 102 Illegale der RAF 102 RAF-Inhaftierte 103 Kampagnen und Solidaritätsbewegungen 105 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 108 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 108 4. Autonome und sonstige Anarchisten 109 Autonome Gruppen 109 Anarchistische Gruppen 116 5. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 116 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 116 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA) 119 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 121 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 124 "Rote Hilfe e.V." (RH) 127 Sonstige Organisationen 128 D. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 130 1. Allgemeiner Überblick 130 2. Kurden 131 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 131 3. Türken (ohne Kurden) 140 Allgemeines 140 Linksextremisten 141 "Revolutionäre VolksbefreiungsparteiAfront" (DHKP/-C)/ "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C) 141 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) 144 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP).. 145 "Föderation der Demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (DIDF) 147 Türkische islamistische Vereinigungen 148 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG)/"Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft"(EMUG). 148 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 153 Extrem-nationalistische Organisationen 156 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF)/"Deutsche Türk Föderation" (ATF)... 156 4. Araber 160 Palästinenser 160 Arabische Islamisten 162 5. Bereich des ehemaligen Vielvölkerstaats Jugoslawien 165 6. Iraner 168 7. Sikhs 171 "Babbar Khalsa International" (BK) 171 "International Sikh Youth Federation" (ISYF) 171 8. Tamilen 173 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 173 E. SCIENTOLOGY-ORGANISATION (SO) 176 1. Grundsätzliches 176 2. Entstehung und Entwicklung 177 3. Organisation 178 4. Zielsetzung der SO 184 Eigendarstellung 184 Bewertung 185 5. Einflußnahme 188 6. Auswirkungen der Beobachtung durch den Verfassungsschutz 190 7. Prognose 193 8. Vertrauliches Telefon 194 F. SPIONAGEABWEHR 196 1. Allgemeiner Überblick 196 2. Einzelerkenntnisse 200 Russische Nachrichtendienste 200 Ukrainische Nachrichtendienste 202 Chinesische Nachrichtendienste 203 Iranische Nachrichtendienste 204 3. Prävention 206 Aktuelle Bedeutung 206 Gewerbliche Wirtschaft 207 4. Ausblick 209 G. NUTZUNG MODERNER INFORMATIONSTECHNIK DURCH POLITISCHE EXTREMISTEN, SCIENTOLOGYORGANISATION (SO) UND FREMDE NACHRICHTENDIENSTE 210 1. Mailboxen 210 Rechtsextremismus 210 Linksextremismus 213 2. Internet 215 Allgemeines 215 Rechtsextremismus 216 Linksextremismus 219 Ausländerextremismus 221 Scientology-Organisation (SO) 222 Möglichkeiten der Informationsgewinnung durch fremde Nachrichtendienste 223 Fazit und Perspektive 223 ANHANG Gruppenund Organisationsregister 224 Personenverzeichnis 230 Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) 232 A. VERFASSUNGSSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche sowie sicherheitsgefährdende Bestrebungen und informiert die politisch Verantwortlichen, aber auch die Bürger unseres Landes frühzeitig über davon ausgehende Gefahren. Hierdurch versetzt er die zuständigen staatlichen Stellen in die Lage, entsprechende Gefährdungen rechtzeitig zu erkennen und angemessen zu reagieren. 1. Gesetzliche Grundlagen Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich genau festgelegt. Das (Bundes-)"Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz" vom 20. Dezember 1990 (BGB1.I S. 2970) ist Rechtsgrundlage für das Bundesamt für Verfassungsschutz. Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Gesetz das Mindestmaß der von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben umschrieben. Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Bundesländern eigene Verfassungsschutzgesetze. Für Baden-Württemberg gilt das "Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg", das am 1. Januar 1992 in einer Neufassung (G. v. 22. Oktober 1991, GBl. S. 639, abgedruckt im Anhang) in Kraft getreten ist. Darüber hinaus finden sich in zahlreichen Bundesund Landesgesetzen Rechtsvorschriften, die die Verfassungsschutzbehörden zu beachten haben. 2. Aufbau und Organisation Entsprechend dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland hat jedes Bundesland eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Als Zentralstelle fungiert das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Das Bundesamt hat gegenüber den Landesbehörden zwar kein allgemeines Weisungsrecht, arbeitet mit ihnen jedoch eng zusammen. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg in Stuttgart wird von einem Präsidenten geleitet. 10 Verfassungsschutz Baden-Württemberg ** PRÄSIDENT Öffentlichkeitsarbeit Abteilung i 2 3 4 5 Zentralabteilung NachrichtenbeNachrichtenbeSpionageabwehr Unterstützende Verwaltung schaffung/ schaffung/ Geheimund Dienste Grundsatzfragen -auswertung -auswertung Sabotageschutz AusländerRechts-, LinksScientologyextremismus, extremismus, Organisation -terrorismus -terrorismus Es gliedert sich in fünf Abteilungen, die teilweise zum 1. Januar 1997 umstrukturiert wurden. Das Landesamt für Verfassungsschutz BadenWürttemberg ist dem Innenministerium unmittelbar unterstellt; ihm obliegt die Aufsicht über die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung. Zudem hat das Innenministerium über den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb zu wachen (Dienstaufsicht). Der Personalbestand des Landesamts für Verfassungsschutz BadenWürttemberg ist im Haushaltsplan des Landes öffentlich ausgewiesen. Danach waren dem Amt für das Jahr 1997 insgesamt 344 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter zugewiesen (1996: 345 Stellen), wofür Personalausgaben von 23,6 Millionen DM und Sachausgaben in Höhe von rund 5,1 Millionen DM veranschlagt waren. 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes Die Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg sind im Landesverfassungsschutzgesetz (LVSG) geregelt. Danach hat die Behörde im wesentlichen den Auftrag, bestimmte als "Bestrebungen" bezeichnete Verhaltensweisen zu beobachten. Hierbei geht es dem Verfassungsschutz in erster Linie um Aktivitäten von Organisationen. Dabei müssen allerdings zwangsläufig auch die handelnden Personen, die Mitglieder dieser Organisationen sind oder deren Aktivitäten unterstützen, erfaßt werden. Der Begriff der verfas11 sungsfeindlichen "Bestrebung" bedeutet, daß ein aktives zielgerichtetes Handeln gegen unsere Verfassung oder gegen auswärtige Belange erkennbar sein muß. Eine wertneutrale oder kritische Haltung dem Staat gegenüber kann niemals Gegenstand der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden sein. Im einzelnen sind folgende Aufgabenfelder zu unterscheiden: ü Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind Bei tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen, unsere Staatsordnung durch ein links-, rechtsextremistisches oder sonstiges undemokratisches, die Menschenrechte mißachtendes Staatsgebilde zu ersetzen oder durch terroristische Gewalt zu beseitigen, übernimmt der Verfassungsschutz die Beobachtung dieser Vereinigung. Er gibt seine Erkenntnisse an die Regierung und an andere staatliche Stellen weiter. Ü Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden Eine Gefährdung auswärtiger Belange liegt beispielsweise vor, wenn linksoder rechtsextremistische Ausländerorganisationen ihr Heimatland von deutschem Boden aus mit Gewalt bekämpfen und dadurch unseren Staat möglicherweise in außenpolitische Konflikte und Zwangssituationen manövrieren. Ü Weiter ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht zu erkennen (Spionageabwehr). Die strafrechtliche Verfolgung der Spionage obliegt der Justiz und der Polizei. Ü Eine bloß mitwirkende Funktion hat das Landesamt für Verfassungsschutz beim vorbeugenden personellen und materiellen Geheimschutz. Der Verfassungsschutz unterstützt hierbei 12 Verfassungsschutz Baden-Württemberg Behörden und außerbehördliche Stellen bei der Überprüfung von Geheimnisträgern und Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind, und berät sie, wie geheimhaltungsbedürftige Vorgänge durch technische oder organisatorische Sicherheitsmaßnahmen geschützt werden können. 4. Methoden des Verfassungsschutzes Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz darauf angewiesen, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil offen beschafft, also so, wie sie jeder andere auch sammeln könnte. Die Mitarbeiter der Behörde werten Zeitungen und Zeitschriften, Flugblätter, Programme, Broschüren und sonstiges Material extremistischer Organisationen aus und besuchen anlaßbezogen auch deren öffentliche Veranstaltungen. Teilweise reichen die auf diese Art und Weise erlangten Erkenntnisse jedoch nicht aus, um einen objektiven und vollständigen Überblick über verfassungsfeindliche Aktivitäten oder das Tätigwerden gegnerischer Nachrichtendienste zu erhalten. Aus diesem Grund bedient sich der Verfassungsschutz nachrichtendienstlicher Mittel. Hierzu ist er nach dem Landesverfassungsschutzgesetz ausdrücklich befugt. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln gehören: Q das Anwerben und Führen von Vertrauensleuten (V-Leuten) * die Observation verdächtiger Personen ü das geheime Fotografieren sowie * sonstige Maßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, daß der Verfassungsschutz Beobachtungen vornimmt (Tarnmittel). Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz ausnahmsweise und nur unter ganz engen, gesetzlich normierten Voraussetzungen den Brief-, Postund Fernmeldeverkehr überwachen (Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses - G 10 -). Verfassungsschutz und Polizeibehörden sind in der Bundesrepublik Deutschland voneinander getrennt. Deshalb dürfen die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes keinerlei Zwangsmaßnahmen (Festnahmen, Vorladungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen) durchführen. Verfassungsschutzbehörden dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Diese organisatorische Trennung von Polizei und Verfassungsschutz soll sicherstellen, daß sich der Verfassungsschutz auch nicht ersatzweise polizeilicher Möglichkeiten bedient, um eigene Aufgaben wahrzunehmen. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein polizeiliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Polizeidienststelle von den Beobachtungen unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. Diese Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Nachrichtendienst und Polizei ("Trennungsgebot") hat sich in jahrzehntelanger Praxis bewährt. 5. Kontrolle Um sicherzustellen, daß die Verfassungsschutzbehörden den ihnen vorgegebenen gesetzlichen Rahmen beachten, wurde eine vielschichtige Kontrolle eingerichtet. Diese Kontrolle wird - neben entsprechenden innerbehördlichen Maßnahmen und der Rechtsund Fachaufsicht durch das Innenministerium - in erster Linie vom Parlament, aber auch von den Gerichten, dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, dem Rechnungshof und der Öffentlichkeit ausgeübt. Die parlamentarische Kontrolle obliegt nach SS 16 Landesverfassungsschutzgesetz dem Ständigen Ausschuß des Landtags von Baden-Württemberg, dem Mitglieder aller Fraktionen angehören. Ihm ist halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß zu berichten. Für die Wahrnehmung der spezifischen parlamentarischen Kontrolle über die Durchführung des "Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" (G 10) ist ein Gremium bestellt, das aus fünf Abgeordneten des Landtags besteht. Über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen entscheidet eine unabhängige Kommission, die aus drei ebenfalls vom Landtag bestellten Persönlichkeiten besteht. Verfassungsschutz Baden-Württemberg 6. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Der Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann dauerhaft nur durch eine auf allen gesellschaftlichen Ebenen geführte geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus gesichert werden. Das Landesamt für Verfassungsschutz versucht, durch seine Öffentlichkeitsarbeit hierzu einen Beitrag zu leisten, indem Regierung und Parlament, aber auch die Bürger über Aktivitäten und InformatiAbsichten verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen inonsangebot formiert werden. Es bietet deshalb eine ganze Palette von Informationsmöglichkeiten an. So kann von jedem interessierten Bürger, aber auch von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen, Staatsanwaltschaften und Gerichten, Polizei-, Ordnungsund anderen Sicherheitsbehörden sowie Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft kostenlos Informationsmaterial zu den unterschiedlichsten, verfassungsschutzrelevanten Themen angefordert werden. Daneben können auch Referenten zu Vorträgen und Diskussionen über Themen des politischen Extremismus, der Scientology-Organisation (SO), der Spionageabwehr und anderen Themen des Verfassungsschutzes angefordert werden. Darüber hinaus versucht das LfV, Anfragen von Presseund sonstigen Medienvertretern so umfassend wie möglich - soweit es Geheimhaltungsvorschriften zulassen - zu beantworten. Zu den obengenannten Themenbereichen wurden 1997 in BadenWürttemberg von Referenten des Verfassungsschutzes rund 50 Vorträge gehalten. Gleichzeitig gelangten etwa 24.000 Broschüren zur Verteilung. Derzeit sind folgende Informationsschriften verfügbar: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland - Allgemeine Entwicklung (Broschüre - August 1997) Skinheads (Broschüre - November 1997) Junge Nationaldemokraten (JN) - Jugendorganisation oder Sammelbecken für Neonazis? (Broschüre - November 1997) 15 Islamistische Extremisten (Broschüre - Oktober 1996) Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland - Allgemeine Entwicklung (Broschüre - voraussichtlich Juni 1998) Ausländerextremismus in der Bundesrepublik Deutschland - Allgemeine Entwicklung (Broschüre - Oktober 1996) Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) - Organisationsaufbau (Broschüre - voraussichtlich September 1998) Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg - Aufbau und Arbeitsweise eines geheimen Nachrichtendienstes (Broschüre - Oktober 1996) Schutz vor Spionage - Ein praktischer Leitfaden für die gewerbliche Wirtschaft (Broschüre - August 1997) Scientology - ein Fall für den Verfassungsschutz (Broschüre - August 1997) InformatioUm sein Informationsangebot zu erweitern, präsentiert sich der Verden des fassungsschutz Baden-Württemberg seit Oktober 1997 mit einer eiVerfassungsgenen Homepage im Internet. Die Adresse lautet http://www.badenschutzes über wuerttemberg.de/verfassungsschutz. neue Medien Mit der darüber hinaus seit November 1996 bestehenden Mailböx abrufbar (Telefonnummer: 0711/55 62 65 - ISDN und 0711/54 11 48 - analog) und einer eMail-Adresse (verfassungsschutz.bw@t-online.de) trägt das Landesamt für Verfassungsschutz damit im Rahmen seiner Aufklärungsarbeit der zunehmenden Bedeutung moderner Kommunikationsmittel und dem veränderten Informationsverhalten vieler Bürger Rechnung. 16 Verfassungsschutz Baden-Württemberg Die Palette der in der Mailbox und im Internetangebot eingestellten Beiträge umfaßt die aktuellen Verfassungsschutzberichte sowie grundlegende Informationen über Hintergründe und Zusammenhänge des Rechts-, Linksund Ausländerextremismus, der Spionageabwehr und der Scientology-Organisation (SO). Die zu diesen Themenbereichen sowie zur Aufgabenstellung und Arbeitsweise des Landesamts herausgegebenen Broschüren können unmittelbar heruntergeladen werden. Als spezieller Service wird monatlich zu aktuellen Entwicklungen und Ereignissen, z. T. mit Hintergrundinformationen angereichert, berichtet. Abbildungen, Schaubilder, Tabellen und Grafiken bieten zusätzliche Informationen. Literaturhinweise und Erläuterungen von Fachbegriffen zum Thema Verfassungsschutz runden das umfassende Angebot ab. Von der Homepage gelangt man zur eMail-Adresse, über die Fragen, Anregungen, Kritik und Bestellungen von Publikationen direkt an das Landesamt gesandt werden können. Daneben besteht die Möglichkeit, die Anschriften aller Verfassungsschutzbehörden im Bundesgebiet sowie eine Übersicht über ihre Informationsschriften abzurufen und über einen "Link" direkt zur jeweiligen Homepage - soweit vorhanden - zu wechseln. Mailbox und Internet-Homepage sind übersichtlich und benutzerfreundlich aufgebaut und so gegliedert, daß man sich leicht darin orientieren kann. Kontaktanschriften für Informationen Landesamt für Verfassungsschutz Innenministerium Baden-Württemberg Baden-Württemberg "Öffentlichkeitsarbeit" Referat "Verfassungsschutz" Postfach 50 07 00 Postfach 10 24 43 70337 Stuttgart 70020 Stuttgart Tel.: 0711/95 44 181/182 Tel.: 0711/231-3501 Fax: 0711/9544444 Fax: 0711/231-3599 Internet: http://www.baden-wuerttemberg.de/verfassungsschutz eMail: verfassungsschutz.bw@t-online.de Mailbox: 0711/55 62 65 (ISDN) 0711/54 11 48 (analog) Vertrauliches Telefon zur Scientology-Organisation: 0711/95 61 994 B. RECHTSEXTREMISMUS 1. Allgemeiner Überblick Die ideologischen Grundzüge des Rechtsextremismus in Deutschland haben sich seit Jahrzehnten kaum verändert. Lediglich die Erscheinungsformen und Schwerpunkte waren im Laufe der Jahre Veränderungen unterzogen. Zum typischen Erscheinungsbild des Rechtsextremismus gehören traditionell folgende wesentliche Merkmale: Q Ein Nationalismus, für den nur die deutschen Interessen als Richtschnur gelten, Li eine Volksgemeinschaft auf rassischer Grundlage, die die Rechte des einzelnen beliebig einschränkt und pluralistische Struktuwesentliche ren beseitigt, Merkmale des Rechts- ü eine aggressive Fremdenfeindlichkeit als Ergebnis eines wieextremisderbelebten Rassismus und Antisemitismus, mus Q die mangelnde Distanz zum Dritten Reich, die von Verharmlosung bis zur Verherrlichung des Nationalsozialismus reicht, und * die Diffamierung der demokratischen Institutionen und ihrer Repräsentanten. Diese Kriterien bestimmten die Ziele und das Handeln rechtsextremistischer Gruppen auch im Jahr 1997. Allerdings versucht ein Teil der Rechtsextremisten zunehmend, durch demonstrative Bekenntnisse zum Grundgesetz, Mäßigung im öffentlichen Auftreten und durch juristische Vorprüfung von zur Veröffentlichung vorgesehenen Texten ihre wahren Absichten zu verschleiern. Diese Versuche, sich einen demokratischen Anstrich zu geben, halten jedoch einer genaueren Überprüfung nicht stand. 18 R e c h t s e x t r e m i s m u s Auf Bundesebene sind die rechtsextremistisch motivierten Gewalttabundesweiter ten erstmals seit 1992 nicht weiter zurückgegangen, sondern von 624' Anstieg (1996) auf 790' um rund 27 % gestiegen. Diese Trendumkehr ist mit rechtsextreBesorgnis zu beobachten, zumal gleichzeitig das gewaltbereite rechtsmistisch extremistische Personenpotential ebenfalls weiter zugenommen hat. motivierter Im Bundesgebiet stieg die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten von Gewaltaktio6.4001 imJahr 1996 auf nunmehr 7.600'. nen Rechtsextremistisches Personenpotential in Deutschland und Baden-Württemberg im Zeitraum 1995 -1997 1995 1996 1997 Rechtsextremismus Land Bund Land Bund Land Bund Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Zirkel 450 6.200 490 6.400 590 7.600 Neonazistische Organisationen und Einzelpersonen nach 280 1.980 280 2.420 290 2.400 Abzug der Doppelmitgliedschalten Rechtsextremistische Parteien 4.750 35.900 4.240 33.500 4.100 34.800 hiervon: 1 DVU 2200 15.000 1.900 15.000 1.800 15.000 REP 2.000 16.000 1.900 15000 1.900 15 500 NPD 550 4000 440 3.500 400 4300 Sonstige rechtsextremistische Organisationen' 260 3.560 210 3.700 300 4.300 Summe der Mitgliedschaften 5740 46.740 5.220 46.020 5.280 49.100 Tatsächliches Personenpotential nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften 5.635 46.100 5.170 45.300 5.160 48.400 1 einschließlich Studentenund Ju en dorganisationen Grafik: LfV BW Stand: 31.12 1997 Auch in Baden-Württemberg war 1997 eine Zunahme der rechtsextremistisch motivierten Straftaten in einem nicht erwarteten Ausmaß zu verzeichnen (1997: 8582 ;1996: 5982). Die Zahl der Gewaltdelikte erhöhte sich sogar um mehr als 50 % von 362 im Jahr 1996 auf nunmehr 632, davon 382 fremdenfeindlich motivierte Taten (1996: 142). Außerdem stieg das gewaltbereite Personenpotential von 490 (1996) auf jetzt 590. Zahlen des Bundesministeriums des Innern Zahlen des LKA Baden-Württemberg 19 Die Gründe für diese zunehmende rechtsextremistische Gewalt dürften zum einen in der allgemein festzustellenden wachsenden BrutaliGründe sierung und Verrohung liegen. Zum anderen ist auf die sehr aktive Skinheadszene in Baden-Württemberg hinzuweisen, die sich 1997 um mehr als 100 Personen vergrößert hat. Gängige Vorurteile und ein primitiver Rechtsextremismus sind vielfach Anlaß, mitunter aber auch nur vorgeschobene Erklärungen für Gewalt, die sich zumeist unvermittelt und spontan gegen Personen entlädt, die nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den klassischen "Feindbildern" (z. B. Ausländer oder "Linke") zu Opfern werden. Die Zahl der Neonazis hat sich 1997 in Baden-Württemberg nur unwesentlich erhöht. Die Vereinsverbote der letzten Jahre zwangen die Neuorien"Szene" zu einer Neuorientierung. Die Auflösung alter Strukturen tierung der zugunsten einer "Organisierung ohne Organisation" hat sich aus ih"Szene" rer Sicht bewährt. Obwohl nicht alle Einzelinteressen überwunden werden konnten, so blieb doch die erwartete weitere Zersplitterung des neonazistischen Spektrums aus. Moderne Kommunikationsmittel und die Autorität einzelner lokaler "Führer" trugen zur Vernetzung der neonazistischen Personenzusammenschlüsse bei. Gleichwohl wurde erstmals seit Jahren ein zentraler "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" verhindert. Nachdem in den letzten Jahren alle rechtsextremistischen Parteien Mitgliederverluste hinnehmen mußten, konnten 1997 die "Republikaner" (REP) und die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) auf Bundesebene ihr Potential wieder erhöhen; der Mitgliederbestand der "Deutschen Volksunion" (DVU) blieb unverändert. In Baden-Württemberg ist das Erscheinungsbild der rechtsextremistischen Parteien hingegen differenziert zu betrachten. Die REP konnten ihren Erfolg, den sie bei der Landtagswahl im März 1996 errungen hatten, nicht nutzen und in steigende Mitgliederzahlen umsetzen. Während die angespannte sozialund wirtschaftspolitische Lage seinerzeit viele Wähler in die Arme der REP getrieben hatte, mußte die Partei 1997 bei Wahlen in Hamburg und Hessen herbe Niederlagen einstecken. Die taktisch bedingte Zurückhaltung bei der Formulierung ihrer politischen Forderungen und Ansichten sowie die herausgenommene Schärfe aus den Schuldzuweisungen an Ausländer und Asylbewerber, die unverändert für die angespannte 20 R e c h t s e x t r e m i s m u s finanzielle Lage in Deutschland verantwortlich gemacht werden, haben der Partei nicht den erhofften Erfolg gebracht. Sie konnte weder in größerem Ausmaß bürgerliche Wählerkreise ansprechen, noch wurde sie dadurch für ihre rechtsextremistische Klientel attraktiver. Neben der DVU mußte auch die NPD in Baden-Württemberg Mitgliederverluste hinnehmen. Der ambitionierte Versuch der NPD und ihres Bundesvorsitzenden Udo VOIGT, mittels einer veränderten bündnispolitischen Orientierung und einer stärkeren Einbindung ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) in die politische Arbeit der Partei zur führenden Kraft im rechtsextremistischen Spektrum zu werden, führte zwar zu einigen medienwirksamen Auftritten, verschaffte der selbst im rechtsextremistischen Spektrum umstrittenen Partei aber nicht die von ihr erhoffte Bedeutung auf Bundesund Landesebene. 2. Gewalttaten mit erwiesenem oder vermutetem rechtsextremistischem Hintergrund 2.1 Häufigkeit und Zielrichtung rechtsextremistisch beeinflußter Gewalt Der Trend der letzten drei Jahre - ein kontinuierlicher bundesweiter Rückgang rechtsextremistisch und fremdenfeindlich motivierter Gewalt - setzte sich 1997 erstmals nicht fort. So war bei den Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ein Anstieg um rund 27 % von 6243 im Jahr 1996 auf 7903 Taten zu verzeichnen. Gleichzeitig nahmen die fremdenfeindlichen Übergriffe um rund 25 % von 3723 im Jahr 1996 auf 4623 zu. In Baden-Württemberg stieg die Zahl der von Rechtsextremisten verübten Gewalttaten 1997 - wie bereits im Vorjahr - an. Nach 36" Gewalttaten im Jahr 1996 - 1995 waren es 28 4 - sind nunmehr 63" Gewaltdelikte zu verzeichnen. Auch die fremdenfeindlich begründeten Gewaltdelikte erhöhten sich 1997 von 144 auf 384. 3 Zahlen des Bundesministeriums des Innern 4 Zahlen des LKA Baden-Württemberg Entwicklung der Gewalttaten 1 ' mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation in Deutschland und Baden-Württemberg im Zeitraum 1991 - 1997 1 ' Seit 1997 werden Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung nicht mehr den Gewalttaten zugerechnet. Zur besseren Vergleichbarkeit wurde auch die Zahl der Gewalttaten in den Vorjahren entsprechend bereinigt. Auffällige Veränderungen gab es 1997 im Kreis der Täter und Tatverdeutliche dächtigen. Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Anteil der an gewaltZunahme tätigen Übergriffen beteiligten Skinheads auf über 70 % verdoppelt. von GewaltDabei waren Opfer dieser Gewalttaten wieder vermehrt Ausländer und delikten vermeintliche "Linke". Die im letzten Jahr noch zu beobachtende Zugegen nähme unkontrollierter und wahllos gegen beliebige Opfer gerichteFremde vor ter Gewalt durch Personen am Rand der Skinheadszene hat sich so allem durch nicht fortgesetzt. Bei den 1997 bekanntgewordenen Gewaltdelikten, Skinheads die von Skinheads verübt wurden, gehörten die Opfer wie beispielsweise Ausländer, Punker und Personen aus sozialen Randgruppen wieder zu den "klassischen Feindbildern". 22 R e c h t s e x t r e m i s m u s Rechtsextremistische und fremdenfeindliche Straftaten in Deutschland und Baden-Württemberg im Jahr 1997 B aden-Württemberg Bund 1997 (1996) 1997(1996) Rechtsextremistische 858 (598) 11.719(8.730) Straftaten insgesamt davon: fremdenfeindliche 339 (220) 2.953 (2.236) Straftaten Zahlen des LKA Baden-Wüfl tei iberg Zahlen des Bundesminister! um des Innern (für 1996 bereinigt Grafik: LfV BWl Fremdenfeindliche Straftaten in Baden-Württemberg im Zeitraum 1991 - 19971* 1997 1996 1995 1994 1993 848 | 29.5.93 Solingen 1992 1 822 21./22.8.92 Rostock 23.11.92 Mölln 1991 1 381 18.9.91 Hoyerswerda 0 200 400 600 800 1000 1200 Grafik- I fV BW Zahlen des LKA Baden-Württemberg Lj Die Tatarten im einzelnen: ü Tötungsdelikte 1997 war in Baden-Württemberg l 5 rechtsextremistisch motiviertes Tötungsdelikt (versuchter Totschlag) zu verzeichnen, während im Vorjahr 25 versuchte derartige Taten erfaßt worden waren. Bundesweit kam es 1997 zu 136 versuchten Tötungsdelikten gegenüber 126 versuchten und l 6 vollendeten im Jahr 1996. U Beispiel aus Baden-Württemberg: In der Nacht zum 30. März 1997 drang ein 26jähriger Mann, der der Neonaziszene zugerechnet wird, in die Garage eines Mehrfamilienhauses in Wellendingen-Wilflingen/Krs. Rottweil ein. Dort legte er ein Feuer, das sich rasch ausbreitete. Die Bewohner des Hauses, zu denen auch deutsche Aussiedler aus Rußland gehörten, konnten durch schnelles Eingreifen der Feuerwehr gerettet werden, bevor das Feuer auf die Wohnungen übergriff. Bereits in der polizeilichen Vernehmung gab der Beschuldigte an, aus Fremdenhass gehandelt zu haben, da er davon ausgegangen sei, daß in dem Gebäude Ausländer lebten. Das Landgericht Rottweil verurteilte ihn am 10. Dezember 1997 wegen ^fachen Mordversuchs und schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Zunächst wird sich der Mann jedoch einer Therapie in einem psychiatrischen Krankenhaus unterziehen. * Brandund Sprengstoffanschläge In Baden-Württemberg wurde 1997 l 5 fremdenfeindlich motivierter Brandanschlag verübt. 1996 hatte es noch 3 5 derartige Taten gegeben. Bundesweit kam es 1997 zu 396 Brandanschlägen. 1996 waren noch 336 solcher Delikte verübt worden. Zahlen des LKA Baden-Württemberg Zahlen des Bundesministeriums des Innern R e c h t s e x t r e m i s m u s Arten der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation in Deutschland und Baden-Württemberg im Jahr 1997 Deutschland Brandund 2 SprengTötungsdelikte stoffanschläge 13 Landfriedensbrüche 39 61 Körperverletzungen 677 Grafik: LfV BW Baden-Württemberg" Brandund Sprengstoffanschläge Tötungsdelikte 1 Landfriedensbrüche 1 4 Körperverletzungen 57 Grafik: LfV BW 11 Zahlen des LKA Baden-Württemberg 21 Die Zahl beinhaltet alle vollendeten und versuchten Tötungsdelikte (im Bundesgebiet 13, in Baden-Württemberg ein versuchtes Tötungsdelikt) 25 * Beispiel aus Baden-Württemberg: Am 24. August 1997 beschädigte in Pforzheim ein einschlägig bekannter Angehöriger der rechtsextremistischen Skinheadszene den geparkten Pkw eines Türken mittels eines selbstgebastelten Molotowcocktails. Die Polizei ermittelt gemäß SS 311 StGB wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. Ü Landfriedensbrüche 1997 wurden landesweit 47 Landfriedensbrüche registriert, davon 27 mit fremdenfeindlicher Motivation (1996: 37). Bundesweit waren 1997 61 8 Taten zu verzeichnen gegenüber 71 8 im Vorjahr. Q Beispiele aus Baden-Württemberg: Zu einem fremdenfeindlich motivierten Landfriedensbruch kam es am 1. März 1997 in Mannheim, als eine Gruppe Skinheads ein von Türken besuchtes Lokal überfiel, die Einrichtung zum Teil erheblich beschädigte und eine Person verletzte. Die Skinheads begründeten die Tat als Racheaktion, da am selben Abend zwei Gruppenmitglieder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds von Ausländern angegriffen und verletzt worden seien. Derzeit sind Ermittlungsverfahren gegen 13 Beschuldigte bei den Staatsanwaltschaften Mannheim und Frankenthal/Rheinland-Pfalz anhängig. Am Abend des 14. März 1997 trafen sich etwa 30 Angehörige der rechtsextremistischen Allgäuer Skinheadszene anläßlich eines Musikfestes in Biberach. Im Verlauf der Nacht kam es aus der Gruppe heraus zu verschiedenen Gewaltdelikten wie Sachbeschädigungen und Körperverletzungen, wobei die Skinheads rechtsextremistische, insbesondere fremdenfeindliche Parolen skandierten. Ermittlungsverfahren gegen 26 Tatverdächtige wurden eingeleitet. Die meisten mußten gemäß SS 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden, da den einzelnen Personen ihre konkrete Tatbeteiligung nicht nachzuweisen war. Zahlen des LKA Baden-Württemberg Zahlen des Bundesministeriums des Innern Rechtsextremismus Am 15. November 1997 überfiel eine 15 - 20köpfige Skingruppe, die sich vorher in einer Gaststätte in Calw-Hirsau mit weiteren Gesinnungsgenossen getroffen hatte, einen "Jugendtreff' in Bad TeinachZavelstein. Die Täter verletzten mehrere Besucher mit Baseballschlägern zum Teil schwer und zerstörten die Einrichtung. Anschließend flüchteten sie in die zuvor besuchte Gaststätte, wo die Polizei später 53 Angehörige der rechtsextremistischen Skinheadszene aus den Bereichen Calw, Ketsch und Landau/ Rheinland-Pfalz kontrollierte. Die Ermittlungen dauern noch an. * Körperverletzungen In Baden-Württemberg kam es 1997 zu 579 Körperverletzungsdelikten, von denen bei 349 eine fremdenfeindliche Motivation zugrunde lag (1996: 269 Taten). Bundesweit stieg die Zahl von 50710 im Jahr 1996 auf 67710 an. ü Beispiele aus Baden-Württemberg: In der Silvesternacht 1996/97 traf eine siebenköpfige Gruppe rechtsextremistischer Skinheads in Remshalden-Grunbach/Rems-MurrKreis auf 1 0 - 1 5 Jugendliche, die von einer Party in der evangelischen Kirche mit deutschen und ausländischen Teilnehmern kamen. Aus anfänglichen Rempeleien wurde eine tätliche Auseinandersetzung, in deren Verlauf ein ausländischer und ein deutscher Jugendlicher von Skinheads verletzt wurden. Das Amtsgericht Waiblingen verurteilte einen Täter rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung. Die Verfahren gegen drei weitere Skinheads stellte die Staatsanwaltschaft ein, da ihnen eine Tatbeteiligung nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Die Verfahren gegen die übrigen "Skins" wurden wegen geringer Schuld bei fehlendem öffentlichem Interesse eingestellt. In der Nacht vom 22. auf den 23. März 1997 trafen in der von Stuttgart in Richtung Schorndorf fahrenden S-Bahn Skinheads auf eine ' Zahlen des LKA Baden-Württemberg 10 Zahlen des Bundesministeriums des Innern Gruppe von Punkern. Die "Skins" begaben sich an der Haltestelle Stetten-Beinstein in deren Abteil und schlugen unvermittelt auf sie ein. An der nächsten Haltestelle konnten die Opfer flüchten; auch die Skinheads verließen die Bahn. Zehn Tatverdächtige wurden von der Polizei ermittelt. Das Amtsgericht Waiblingen verurteilte die Täter wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung zu Bewährungsstrafen zwischen 2 Jahren und 9 Monaten. Die Urteile sind zum Teil rechtskräftig. Am 11. Dezember 1997 verurteilte das Landgericht Heidelberg 8 Angehörige der rechtsextremistischen Skinheadszene wegen schwerer Körperverletzung und schwerer räuberischer Erpressung zu Haftstrafen von 4 Jahren und 8 Monaten und zu einer Jugendstrafe von 4 Jahren für die beiden Haupttäter sowie die Mittäter, darunter 3 junge Frauen, zu Bewährungsstrafen zwischen 3 Jahren und 1 Jahr und 10 Monaten. Die "Skins" hatten im Juni 1997 mehrere Überfälle in Eschelbronn, Meckesheim-Mönchzell und Dielheim (alle RheinNeckar-Kreis) verübt und dabei u.a. einen Türken sowie einen Jugoslawen mit Eishockeyund Baseballschlägern schwer verletzt. 2.2 Größe der rechtsextremistisch beeinflußten Gewaltszene 1997 nahm das rechtsextremistische Gewaltpotential weiter zu. Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten erhöhte sich allein in diesem Jahr um rund 100 auf etwa 590 Personen, von denen rund 560 der rechtsextremistischen Skinheadszene angehörten (1996: 490/430). Bundesweit wurden etwa 7.600" gewaltbereite Rechtsextremisten festgestellt (1996: 6.400"). Anteil von Den größten Teil dieses Potentials stellen die Angehörigen der rechtsSkinheads extremistischen Skinheadszene, denen eine latente Gewaltbereitschaft an rechtsunterstellt werden kann. Gewalt dient ihnen in vielen Fällen als Ersatz extremistifür ein unzureichend vorhandenes politisches Fundament. Die Gewaltscher Gebereitschaft der Skinheadszene ist unvermindert hoch. Dies belegt waltszene eindeutig die Zahl derjenigen "Skins", die tatsächlich als Gewalttäter unverändert bzw. Tatverdächtige auffielen. Im Jahr 1997 waren rund 70 % der an hoch gewalttätigen Übergriffen beteiligten Personen Skinheads. Zahlen des Bundesministeriums des Innern 28 Rechtsextremismus 2.3 Rechtsextremistische Skinheads Q Größenordnung, Erscheinungsbild, soziologische Daten Die Anziehungskraft der rechtsextremistischen Skinheadszene ist für zahlreiche junge Leute offenbar unverändert groß. Im Vergleich zum Vorjahr war 1997 sogar ein unerwartet deutlicher Zuwachs zu verzeichnen. Ende des Jahres gab es in Baden-Württemberg ca. 560 Skinheads, die das 16. Lebensjahr vollendet hatten; 1996 waren es nur 430. Der Vorjahrstrend einer Verjüngung dieses Spektrums hat sich 1997 nicht weiter fortgesetzt. Die Anziehungskraft der gewaltbereiten "Szene" wirkt sich vorrangig auf männliche, in geringerem Maße auch auf weibliche Jugendliche aus; der Anteil der "Renees" (= weibliche Skinheads) liegt unverändert bei etwa 15%. Das Erscheinungsbild der Skinheads hat sich in den letzten Jahren Erscheinungsbild Altersstruktur der rechtsextremistischen Skinheadszene in Baden-Württemberg im Jahr 1997 25-30 Jahre > 30 Jahre 16 und 17 Jahre 12% 1% 13% ^ 21-24 Jahre 29% 18-20 Jahre 45% Grafik: LfV BW 29 kaum verändert. Eine Zeitlang war es allerdings üblich, das "Outfit" weniger auffällig zu gestalten, um eine Szenezugehörigkeit zu verschleiern. In letzter Zeit ist jedoch eine Rückkehr zu den Ursprüngen und skintypischen äußeren Merkmalen wie Doc Martens-Stiefeln mit weißen Schnürsenkeln, Jeans mit Hosenträgern, Bomberjacke und Glatze zu beobachten. ü Struktur, Schwerpunkte Die Skinheadszene in Baden-Württemberg weist nach wie vor keine festen organisatorischen Strukturen auf; eine zielgerichtete rechtsextremistische Vorgehensweise ist ebenfalls nicht zu beobachten. Es existieren weiterhin lose Personenzusammenschlüsse in regionalen Bereichen. Auffallend ist jedoch, daß zunehmend intensive überregionale Kontakte gepflegt werden. Zwischen einzelnen Skingruppen aus den Bereichen Mannheim, Ketsch, Karlsruhe, Calw sowie aus dem benachbarten RheinlandPfalz und dem Saarland bestehen seit einiger Zeit enge Kontakte. Treffen finden nach dem Wegfall der noch im letzten Jahr regelmäßig frequentierten Diskothek "Eloy" in Altlußheim/Rhein-Neckar-Kreis beispielsweise bei Dorfund Straßenfesten und an Baggerseen statt. Daneben kam es in der Gaststätte "Oase" in Heltersberg/ RheinlandPfalz während der ersten Jahreshälfte zu mehreren Skintreffen, darunter einem Konzert unter Beteiligung rechtsextremistischer Skinbands aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, bei dem rund 200 Skinheads zusammenkamen. Regelmäßige Zusammenkünfte von Angehörigen der rechtsextremistischen Skinszene aus Nordbaden (Mannheim, Weinheim, regelmäßige Hemsbach), der Vorderpfalz (Ludwigshafen, Frankenthal, Neustadt) Zusammenund Südhessen finden ferner anläßlich von Fußballspielen in Mannkünfte in heim statt. Im Umfeld dieser Spiele kam es 1997 zu Übergriffen auf Mannheim Punker, Ausländer und Personen aus vermeintlichen Randgruppen, wie z.B. Obdachlosen. Bei Personenkontrollen der Polizei werden immer wieder dieselben Szeneangehörigen festgestellt, gegen die zum Teil bereits mehrere Ermittlungsverfahren anhängig sind. In den Bereichen Biberach, Ulm/ Neu-Ulm und Memmingen kommt es seit Ende 1996 immer häufiger zu Überschneidungen einzelner 30 Rechtsextremismus Skinheadgruppierungen, die bisher unabhängig voneinander auftraten. So wurde unter anderem ein Stammtisch für die gesamte Allgäuer "Szene" ins Leben gerufen, bei dem ehemalige Mitglieder des verbotenen Vereins "Skinheads Allgäu", Mitglieder der Gruppierung "Skinheads Schwaben" sowie Mitglieder der seit längerem bestehenden Skinszenen Biberach und Memmingen zusammenkommen. Eine feste Organisation wird dabei jedoch wegen des staatlichen Vorgehens gegen den damaligen Verein "Skinheads Allgäu"12 vermieden. Bei der Gruppierung "Skinheads Schwaben" handelt es sich um einen losen Personenzusammenschluß. Die seit Anfang des Jahres in der SkinheadAllgäuer Skinszene auftretende Gruppe bestand ursprünglich aus jungruppierung gen, bis dahin unbekannten "Skins" aus dem Großraum Babenhausen/ Bayern. Ihre Aktivitäten erstrecken sich in erster Linie auf die Durchführung regelmäßiger Treffen, die als "Stammtisch" bezeichnet werden, und an denen immmer häufiger auch die alteingesessenen Skinheads aus dem Allgäuer Raum teilnehmen. Ihre bislang größte übergreifende Aktion war 1997 die Organisierung einer Feier anläßlich des Hitler-Geburtstags (20. April 1889). An einem See bei Leipheim/ Bayern waren ca. 60 Angehörige der Allgäuer Skinheadszene zusammengekommen. Da die Polizei schon seit Mitte März Kenntnis von einer geplanten Hitler-Geburtstagsfeier der "Skinheads Schwaben" im Raum Ulm/ Neu-Ulm hatte, wurden schon im Vorfeld verstärkte Aufklärungsmaßnahmen betrieben, so daß der Veranstaltungsort trotz zahlreicher Ausweichmanöver seitens der Skinheads von der Polizei ausfindig gemacht werden konnte. Bei der Kontrolle der angereisten Personen kam es zu "Sieg Heil"-Rufen. Um weitere Ausschreitungen - insbesondere an einem nahegelegenen Aussiedlerheim - zu verhindern, wurde die Feier schließlich aufgelöst. Bei den regelmäßigen Zusammenkünften in der Gaststätte "Comico" in Horb wurden im Laufe des Jahres Kontakte zwischen den Allgäuer Skinheads und "Skins" aus dem Raum Reutlingen geknüpft. Ende Juli 1997 soll es in Tübingen zur Gründung einer "Sektion Reutlingen" der "Skinheads Schwaben" gekommen sein, die angeblich aus etwa 30 Personen besteht. 12 Der Verein "Skinheads Allgäu" wurde am 30. Juli 1996 vom Bayerischen Staatsministerium des Innern verboten. 31 Nach der Schließung der Gaststätte "Hirsch" in Stuttgart-Rohr Mitte 1997, die für mehrere Monate Anlaufstelle für die Angehörigen der regionalen und überregionalen "Skin"und Neonaziszene gewesen neuer war, kristallisiert sich als neuer Schwerpunkt für überregionale Schwerpunkt Skinheadtreffen die Gaststätte "Comico" in Horb heraus. Seit Anfang für überre1997 finden dort an den Wochenenden regelmäßig Zusammenkünfte gionale mit bis zu 150 Teilnehmern aus den Bereichen Horb, Freudenstadt, SkinheadKarlsruhe, Stuttgart, Reutlingen, Freiburg, dem Allgäu, dem Botreffen denseeraum und den angrenzenden Bundesländern statt, die allerdings bislang ohne nennenswerte Außenwirkung blieben. Ansätze zur Verflechtung auf internationaler Ebene sind in BadenWürttemberg nur vereinzelt erkennbar. Strukturierungsversuche gehen von den 1986 in den USA gegründeten "Hammerskins" aus, deren Ziel die Vereinigung aller "weißen, nationalen Kräfte" ist. In Deutschland sind sie mit Sektionen in Berlin und Brandenburg vertreten. In Baden-Württemberg unterhalten zwar einzelne Skinheads Kontakte zu "Hammerskins", insbesondere auch in die Schweiz, jedoch konnte eine eigene Sektion bislang nicht festgestellt werden. Ein weiterer, international aktiver Skinheadzusammenschluß ist die 1987 von Ian Stuart Donaldson, dem 1993 verstorbenen Sänger der neonazistischen britischen Skinheadband "Skrewdriver", ins Leben gerufene rassistische "Blood & Honour-Bewegung". Ihr Ziel ist es, Konzerte mit nationalistischen und rassistischen Skinheads zu organisieren und über dieses Medium politischen Einfluß auf die Skinszene zu nehmen. Ableger dieser Organisation existieren insbesondere im Raum Brandenburg/Berlin, wo entsprechende Konzerte mit mehreren hundert Teilnehmern veranstaltet werden. Daran nehmen immer wieder auch Szeneangehörige aus Baden-Württemberg teil. Eine eigene Gruppe ist hier jedoch nicht bekannt. ü Skinhead - Musikgruppen Auch 1997 war - wie in den Vorjahren - bundesweit ein Anstieg rechtsbundesweiter extremistischer Musikveranstaltungen festzustellen. Insgesamt fanAnstieg von den 110 Skinkonzerte sowie 21 Auftritte rechtsextremistischer LiederSkinkonzerten macher statt. Mit einer von dem Neonazi Michael HAMMER, Villingen32 Rechtsextremismus Schwenningen, organisierten Veranstaltung am 15. August 1997 in Bräunlingen-Döggingen/Schwarzwald-Baar-Kreis fand erstmals seit fast zwei Jahren wieder ein Skinkonzert in Baden-Württemberg statt. Die Bands "FOIERSTOß", Gernsbach, und "WOLFSRUDEL", Schwäbisch Hall, spielten vor rund 150 Zuhörern der rechtsextremistischen Skinheadund Neonaziszene. Am 27. Dezember 1997 fand in Engen-Anselfingen/Krs. Konstanz ein weiteres Skinkonzert statt, bei dem erstmals die Ende 1996 gegründete Skinband "ULTIMA RATIO" aus Stuttgart auftrat. Die Veranstaltung wurde von 150 Szeneangehörigen, überwiegend aus den Berichen Villingen-Schwenningen, Freudenstadt, Reutlingen/Tübingen sowie dem Großraum Stuttgart, besucht. 1997 machten einige neu- / / gegründete Bands mit ersten öffentlichen Auftritten und Tonträ^(c)3? p^Rmf gern von sich reden. So hatte die im Oktober 1996 in Mannheim gegründete Skinband "AUFBRUCH" im Juni 1997 ihr Debüt bei einem Konzert in der Diskothek "Oase" in Heltersberg/ Rheinland-Pfalz vor etwa 200 Besuchern der überregionalen rechtsextremistischen Skinheadszene. Ende 1997 folgte das erste Demotape. Die Gruppe unterhält intensive Kontakte zu SzeneanSobr> A u s T)eLöeT>LAPt> gehörigen in Rheinland-Pfalz, insbesondere zu den Mitgliedern CD-Cover der rechtsextremistischen Skinband "GEGENWIND". Mit diesen ist bereits ein gemeinsames Projekt geplant, bei dem Aufnahmen und Auftritte unter dem Namen "AUFWIND" vorgesehen sind. Skinbands Eine weitere neue Skinband in Baden-Württemberg ist die aus der Gruppe "WOLFSRUDEL" hervorgegangene Band "HÖLLENHUNDE" aus Schwäbisch Hall, die 1997 ebenfalls ein Demo-Tape herausbrachte und im Juni in Heltersberg erstmals öffentlich auftrat. 33 Die bereits 1995 gegründete und aus Gaildorf/Krs. Schwäbisch Hall stammende Skinband "RACHEAKT" machte 1997 lediglich mit der Veröffentlichung ihres ersten DemoTapes von sich reden, während die in Gernsbach beheimatete Gruppe "FOIERSTOß" ihre dritte CD veröffentlichte . Dagegen entwickelte die seit 1987 bestehende Band "NOIE WERTE", Leonberg, 1997 kaum noch Aktivitäten. Faktisch aufgelöst hat sich die Skinband "TRIEBTÄTER" aus Mutlangen. Bei der Veröffentlichung ihrer Lieder achten die Bands weiterhin darauf, daß ihre Texte zwar eindeutig, aber ohne strafrechtliche Relevanz formuliert sind, wie das folgende Beispiel zeigt: CD-Cover Alltag in Mannheim Mannheim, Du warst so schön, doch nun kann man Elend und Not in Deinen Straßen seh 'n, Verbrecher und Zecken sieht man an jeder Ecke, doch stolze Deutsche bleiben auf der Strecke. Refrain: Alltag in Mannheim - gesetzlos und brutal Alltag in Mannheim - keiner kommt dagegen an. Polizei ist machtlos, Politikern ist 's egal. Alltag in Mannheim - gesetzlos und brutal. Auf Deinen Straßen führen Banden Krieg, doch von der Regierung, es niemand sieht. Denn die Polizei ist nicht in der Lage, sich zu wehren, darum wird das Pack sich schnell vermehren. 34 Rechtsextremismus "Arbeit für jeden", hör' ich die Politiker schrei 'n, doch die Lüge der Wahl wir ihnen nie verzeih 'n Uns 're Jugend verfällt an Drogen und den Multi-Kulti-Wahn, außer ein paar Patrioten, die schlagen Alarm. Refrain:... (Demo "Nicht für Dich", "AUFBRUCH", 1997) Q Versandhandel Während zumindest die 1997 in Baden-Württemberg veröffentlichten Produktionen keinen Anlaß für Strafverfahren oder Anträge auf Indizierung bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) boten, nahm bundesweit der Vertrieb von Tonträgern mit rechtsextremistischen und strafrechtlich relevanten Inhalten erneut stark zu. Zu den besonders abstoßenden Beispielen zählen die CDs "12 Doitsche Stimmungshits" der Musikgruppe "Die Zillertaler Türkenjäger" und "Northeim - 12 Jahre Terror und Gewalt und kein Ende in Sicht"13. Mit einer konzertierten Aktion der Sicherheitsbehörden sollte 1997 bundesweite dieser Trend gestoppt werden. Im August des Jahres fand die Polizei Maßnahmen bei der bundesweiten Durchsuchung von Wohnungen und Geschäftsder Sicherräumen von Anbietern rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher heitsbehörSkinheadmusik umfangreiches Beweismaterial. Dazu gehörten Tonden gegen träger mit rechtsextremistischem Gedankengut und PropagandamateVersandhanrial. del Bereits im April 1997 waren die Wohnungen der beiden Betreiber des "Wiking Tonträgerversands" in Osterburken-Hemsbach/NeckarOdenwald-Kreis, durchsucht worden. Beide Personen unterhalten intensive Kontakte zu den "Jungen Nationaldemokraten" (JN), der Jugendorganisation der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD). 13 Beide CDs wurden mittlerweile von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert. Ein Ermittlungsverfahren ist eingeleitet worden. Übersicht über rechtsextremistische Skinhead-Musikgruppen, Versandhandel und Fanzines in Baden-Württemberg Versand, Verlag Tonstudio Publikationen Musikgruppe "Germania Tonträger-1 ertlich " "Der Nordmann" WOLFSRUDEL" j>:'HÖLLENHUNDE" Schwäbisch Hall ettensprenger" E" A.f.D." k "THEBTÄi Weinstadt J' "RACHEAKT" ,.* * Schwäbisch Gmünd Schorndorf "" f O l "Buch-und CD- I | Versand Delle" "G.B.F. Records Hummer" Bad Überkingcn "Deutscher Tonträger-Vertrieb K^ Skull Records" I I Ulm "Clocbvork-Reeords' Überlingen Friedrichshafen Grafik: LfV BW Stand: Dezember 1997 Rechtsextremismus Im Juli 1997 durchsuchte die Polizei im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen mutmaßliche Vertreiber, Hersteller und Bezieher von Tonträgern mit rechtsextremistischen Texten insgesamt sechs Objekte im Großraum Ulm. Dabei wurden umfangreiche Unterlagen sowie eine Vielzahl verbotener Tonträger beschlagnahmt, davon allein etwa 40.000 bei dem 29jährigen Hauptbeschuldigten, der seit 1995 den Skinhead-Musikvertrieb "Clockwork-Records" in Ulm betreibt und als einer der größten Hersteller und Vertreiber rechtsextremistischer Kommunikationsmittel in Deutschland gilt. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und des Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz ermittelt. Inzwischen wurde wegen Fluchtgefahr Haftbefehl erlassen. Er befindet sich in Untersuchungshaft. Zuletzt fand im September 1997 bei den beiden Betreibern des "Buchund CD-Versands Delle" in Schorndorf, die ebenfalls den JN nahestehen, eine Durchsuchungsaktion statt. Die Ermittlungsverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Aufgrund zunehmender strafrechtlicher Verfolgung wurden Produktion und Versand von Skinheadmaterial verstärkt ins Ausland verlagert. Führend ist dabei der von einem deutschen Neonazi geleitete dänische Vertrieb "NS 8814/NS Records". * Fanzines Seit Ende 1995 ist in Baden-Württemberg wieder eine Zunahme bei der Veröffentlichung und Verbreitung rechtsextremistischer Skinheadpublikationen zu verzeichnen. Insbesondere der Rhein-Neckar-Raum zeichnet sich als Schwerpunkt ab. Im Juni 1997 wurde in Mannheim die "Debütausgabe" des neuen Fanzines "Der Feldzug" veröffentlicht. Aufgrund der hohen Nachfrage mußte die Auflage von ursprünglich geplanten 50 auf 200 Exemplare erhöht werden. Das Heft entspricht inhaltlich weitgehend den beiden anderen, bereits früher regelmäßig in Baden-Württemberg verbreiteten Fanzines "A.f.D." (vermutlich "Alles für Deutschland") aus Weinstadt und "Doitsche Offensive" aus Mannheim. Neben den üblichen Inter14 Im Alphabet ist der 8. Buchstabe das H. Daher steht 88 für HH = Heil Hitler. views mit Skinbands, Plattenund Fanzine-Kritiken sowie Berichten über aktuelle Ereignisse in der Skinheadszene befaßt es sich auch mit dem Thema "Rechtsschulung". In dieser Rubrik wird versucht, den Szeneangehörigen Rechtshilfe zu vermitteln und sie auf ihre Rechte und Pflichten, beispielsweise im Rahmen von Hausdurchsuchungen oder bei Verteilund Klebeaktionen, hinzuweisen. Daneben erschienen 1997 als neue Fanzines "Der Nordmann" in Weinheim sowie "Der Wikinger" bzw. "Kettensprenger"15 in Sachsenheim/ Kornwestheim. Sämtliche Ausgaben der 1997 verbreiteten Fanzines enthielten - anders als Schriften früherer Jahre - keinerlei strafbare Inhalte. Deren Herausgeber verzichten bewußt auf verfassungswidrige Kennzeichen wie Hakenkreuze und volksverhetzende Äußerungen, um keine Strafverfolgung zu provozieren. 2.4 Rechtsextremistischer Terrorismus Auch im Jahr 1997 ereignete sich im Bundesgebiet kein rechtsterroristisch motivierter Anschlag. Immer wieder werden jedoch bei WaffenAngehörigen der rechtsextremistischen "Szene" Waffen in zum Teil funde beträchtlichen Mengen gefunden. Am 9. Oktober 1997 beschlagnahmte die Polizei bei Hausdurchsuchungen in Geislingen und Horb 10 funktionsfähige Handgranaten, mehrere tausend Schuß Munition und zahlreiche Waffenteile. Der Beschuldigte unterhielt Kontakte zu einigen militanten Rechtsextremisten in Sachsen, mit denen er mehrmals gemeinsam in die Schweiz gefahren war, um dort Waffen zu besorgen. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Auch wenn für einen planmäßigen und auf Dauer angelegten terroristischen "Kampf zur Durchsetzung politischer Ziele die breite Akzeptanz in der rechtsextremistischen "Szene" und damit das notwendige Unterstützerumfeld für ein aus der Illegalität heraus geführtes Vorgehen fehlen, verfügen einige Personen doch bereits - wie das genannte Beispiel zeigt - über Waffen und Sprengmittel. Eine aufmerksame Beobachtung dieses Gefahrenpotentials ist weiterhin geboten. 15 Der Titel wechselte nach der Erstausgabe, weil der Herausgeber strafrechtliche Sanktionen befürchtete. 38 Rechtsextremismus Bundesweite neonazistische Aktivitäten 3.1. Bundesweit operierende neonazistische Gruppen 3.1.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Gründung: 1979 Sitz: Frankfurt am Main Mitglieder: ca. 70 Baden Württemberg (1996: ca. 60) ca. 400 Bund (1996: ca. 350) Publikation: "Nachrichten der HNG" Die von Ursula MÜLLER, Mainz-Gonsenheim, seit 1991 geleitete "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angrößte gehörige e.V." (HNG) war auch 1997 die mitgliederstärkste bundesNeonaziweit agierende neonazistische Organisation. Sie versteht sich als Samorganisation melbecken und Solidargemeinschaft für Neonazis aus dem Inund in DeutschAusland und ist organisationsübergreifendes Bindeglied zwischen land den verschiedenen neonazistischen Gruppierungen und Einzelaktivisten. Ziel der HNG ist nach ihrer Satzung die materielle und ideelle Betreuung von "nationalen politischen Gefangenen". Mit dieser "Gefangenenhilfe" versucht die HNG, aus der Haft entlassene Gesinnungsgenossen wieder in die Neonaziszene einzugliedern bzw. diese während der Zeit ihrer Inhaftierung "bei der Stange zu halten". In der monatlich erscheinenden Zeitschrift "Nachrichten der HNG", die die Mitglieder kostenlos erhalten, wird regelmäßig eine "Gefangenenliste" veröffentlicht, die der Kontaktvermittlung zu inhaftierten "nationalen Gefangenen" dienen soll. In ihrer 200. Ausgabe, die im September 1997 erschien, feierte sie sich selbst als Sprachrohr gegen die "Inquisition der Un-Democraten". Die neonazistische Grundeinstellung der HNG wird deutlich aus Slogans wie: "8.Mai 1945 - die alliierten Kriegsund Nachkriegsverbrecher feiern? Niemals!" " Neo-Nazi' - des Feindes Wort geht ins Leere - betrachten wir das Wort als Ehre!" ("Nachrichten der HNG", Nr. 196, Mai 1997) Das "Internationale Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV), das 1987 als Konkurrenz zur HNG gegründet worden war, zeigte 1997 ebenso wie die mit der IHV personell eng verbundene "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) keine nennenswerten Aktivitäten mehr. ^ ^ 3.1.2 "Freiheitlicher Volks Block" (FVB) Ijgütft Gründung: 1994 Sitz: Nürnberg Mitglieder: ca. 30 Baden-Württemberg (1996: 20) ca. 100 Bund (1996:40) Publikation: "FVB-Spiegel" Der "Freiheitliche Volks Block" (FVB), der sich selbst als "Partei des deutschen Aufbruchs" bezeichnet, wurde Anfang 1994 in Bayern gegründet. Seit 1996 ist die Organisation, die zunächst nur aus dem Bundesverband und dem Landesverband Bayern bestand, bestrebt, sich organisatorisch auf das gesamte Bundesgebiet auszudehnen. Inzwischen wurden Landesverbände in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sowie mehrere Kreisverbände in anderen Bundesländern gegründet. Rechtsextremismus Die seit 1996 zu beobachtende Zunahme öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten des FVB in Baden-Württemberg setzte sich auch 1997 fort. Dabei ist insbesondere ein Konzert in Heidenheim zu nennen mit dem rechtsextremistischen Liedermacher Frank RENNICKE, Ehningen/ Krs. Böblingen, an dem über 100 Personen aus dem neonazistischen Lager teilnahmen. Als Veranstalter trat eine bisher kaum in ErscheiTeilnahme nung getretene "FVB-Burschenschaft" auf, die versucht, bei ihren an DemonVeranstaltungen burschenschaftliches Brauchtum nachzuahmen. stration Außerdem organisierte der FVB eine Sommersonnwendfeier auf eigegen nem Privatgelände in Reutlingen-Gönningen, zu der über 80 PersoWehrmachtsnen aus ganz Baden-Württemberg anreisten. ausstellung Bundesweit rückte der FVB durch die Teilnahme an verschiedenen in München Aktionen ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Erwähnenswert ist insbesondere auch die Beteiligung an dem Aufmarsch am 1. März 1997 in München mit einer etwa 80 Personen starken Gruppe (vgl. Ziff. 4.3). AuffalDie Jugend hat roieöct lend war dabei das geschlossene Auftreten in einen Hamen! schwarzer Kleidung sowie mit eigenen Fahnen und Transparenten. Eine Demonstration am 24. EMS Mai 1997 in Bad Segeberg, bei der der FVB als Mitveranstalter fungierte, wurde von den Neonazis in einer Mailboxmitteilung mit den Slogans "Bad Segeberg war heute ... für ca. 2 Stunden 'Hauptstadt der Bewegung"' und "Heute gehört uns Segeberg, morgen.../" als Erfolg gefeiert. Unter dem Motto "Deutschland in Not" und "Die Jugend hat wieder einen Namen! - deutsch - national - freiheitlich - FVB ", versuchte die Vereinigung, vor allem Jugendliche anzusprechen. In einem Faltblatt hieß es: ureraiFiii Hut bie Jugenb hann gegen die moditiKtgiftctm plten in Gönn, "Nur die Jugend kann gegen die gegen beten oetbotbenen unb aeilogenen Dteistigheit mit machtvergifteten Alten in Bonn, geneuen beutsdien, nationalen gen deren verdorbenen und verlogeunb ftcihcitlidicn 3been, bie fttisc in U euts dilanb übeuoinben. nen Dreistigkeit mit neuen deutschen, nationalen und freiheitlichen Ideen, die Krise in Deutschland überwinden. " (Fehler im Original) 41 Führende Funktionäre des FVB gehörten - bis zu deren Verbot im Jahr 1993 - der neonazistischen "Heimattreuen Vereinigung Deutschlands" (HVD) an, so der FVB-Bundesvorsitzende Konrad PETRATSCHEK, Neu-Ulm, und sein Stellvertreter Thomas SCHARF, Nürnberg, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Landesverbands Bayern ist. 3.2. Projekte und Veranstaltungen mit überregionaler Bedeutung 3.2.1 "Nationaler Medienverband" Der seit 1996 etablierte "Nationale Zeitungsverbund" entwickelte sich 1997 zu einem "Nationalen Medienverband", der dem gesamten rechtsextremistischen Spektrum die Möglichkeit bietet, eigene politische un effektive ^ gesellschaftliche Vorstellungen zu publizieren. Unter Leitung von ZusammenFrank SCHWERDT (Herausgeber) und dem ehemaligen Funktionär arbeit der verbotenen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), führender Christian WENDT (Leitender Redakteur), ist es den Neonazis gelunRechtsSSen> m^ dem "Nationalen Medienverband" publizistische Projekte m extremisten ^ bundesweiter Verbreitung zu organisieren. Dafür konnten führende Rechtsextremisten unterschiedlicher Provenienz aus dem gesamten Bundesgebiet zur Zusammenarbeit gewonnen werden. Der "Nationale Medienverband" trägt zur Vernetzung der neonazistischen "Szene" und zum Zusammenrücken des gesamten rechtsextremistischen Spektrums bei. SCHWERDT und WENDT waren Angehörige der neonazistischen Organisation "Die Nationalen e.V." (Sitz: Berlin), die sich nach eigenen Angaben im November 1997 auflöste. Zu den unter der Federführung von SCHWERDT und WENDT herausgegebenen Publikationen gehört die "Berlin-Brandenburger - Zeitung der nationalen Erneuerung" (BBZ) - Auflage insgesamt ca. 22.000 - mit zahlreichen Regionalausgaben, darunter die "Süddeutsche Allgemeine - Zeitung der nationalen Erneuerung" (SAZ). Zusätzlich verbreitet der "Nationale Medienverband" seine Propaganda über das Internet (vgl. Kap. G) und den rechtsextremistischen Mailboxverband "THULE-Netz" sowie zeitweise über den in das 42 Rechtsextremismus Berliner Kabelnetz eingespeisten Sender "Offener Kanal Berlin" (OKB). Im redaktionellen Teil und im Layout sind die professionell aufgemachten Zeitungen identisch und unterscheiden sich nur durch den jeweiligen Titel und Lokalteil. Der überwiegende Teil der Redaktionsmitglieder und Autoren gehört zum neonazistischen Spektrum, darunter mehrere ehemalige Funktionäre verbotener Organisationen, aber auch einige Funktionsträger von NPD und JN. Zu den in populistischer Weise behandelten The^nd Arbeit men gehören die Bereiche Politik, Wirtschaft, querst für Kultur, Bildung und Wissenschaft, wobei zwar keine strafrechtlich relevanten Inhalte verbreitet Deutsche! Mehr zu diesem und uiiücii-ii Themen in der "Westdeutschen Volkwilune": werden, sich jedoch eine eindeutig rechtsextreProbeexemplar und weitere Informationen gegen 3,-DM in Briefmarken anfordern,mistische Grundhaltung erkennen läßt. Darüber Westdeutsche hinaus enthalten die BBZ und ihre Regionalausgaben Werbung für zahlreiche rechtsextremistische Organisationen und Gruppierungen, Verlage, Versandhandel und "THULE"-Mailboxen. Propagandamaterial des . . " Nationalen Medienverbandes U "Süddeutsche Allgemeine - Zeitung der nationalen Erneuerung" (SAZ) Auflage: ca. 3.000 Während die erste Ausgabe der SAZ im September/Oktober 1995 noch unter der Federführung des ehemaligen FAP-Vorsitzenden Friedhelm BUSSE erschien, konnte in der zweiten vom Juni/Juli 1996 erstmals eine Beteiligung baden-württembergischer Neonazis festgestellt werden. Im Impressum der mit dem Untertitel "Für Schwaben, Altbayern, Baden und die deutsche Ostmark"16 erscheinenden SAZ wird seit der Ausgabe Nr. 2 neben dem in allen Regionalausgaben der BBZ als Leitender Redakteur aufgeführten WENDT ein Peter von Singhofen, vermutlich ein Pseudonym, genannt. gemeint ist Österreich 43 In den mittlerweile jeweils zwölfseitigen SAZ-Ausgaben werden auf zwei Seiten Regionalnachrichten veröffentlicht. Hinzu kommen die von Mitgliedern der SAZ-Redaktion verfaßten Artikel, die im überregionalen Teil aller Länderausgaben abgedruckt werden und teilweise regionale Bezüge aufweisen, wie z.B. ein Bericht über ein Konzert am 15. August 1997 im Raum Donaueschingen mit der Skinband "FOIERSTOß". Einem weiteren Bericht zufolge organisierte ein "S AZLeserkreis" zusammen mit einer "Kameradschaft" aus dem Raum Villingen-Schwenningen am 4. Juli 1997 einen Liederabend mit dem rechtsextremistischen Liedermacher RENNICKE. Die rechtsextremistische Grundeinstellung der SAZ wird in folgenden Beispielen aus der Nr. 4/97 dokumentiert: "Rudolf Heß, der ehemalige Stellvertreter des Führers, wurde nach 46 Jahren Haft im Alter von 93 Jahren im Jahre 1987 im Spandauer 'Kriegsverbrecher-Gefängnis' ermordet... Zeigt Eure Wut und Trauer mit der Teilnahme an Aktionen zum 10. Todestag im August 1997! " "... Die Rettung des Sozialstaats kann demnach nur durch die Ablösung der herrschenden politischen Klasse bewirkt werden ... Nur wer den Begriff der 'Nation ' nicht über das Einkommen beziehungsweise den Geldbeutel, sondern über die völkische Zugehörigkeit definiert, wird die Interessen des gesamten Volkes vertreten können. " 3.2.2 "Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltungen 1997" Dem 10.Todestag des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß wurde 1997 in der neonazistischen "Szene" von Beginn an eine erhebliche Bedeutung beigemessen. Zum einen handelte es sich um ein Jubiläumsdatum, zum anderen galt es, den "Erfolg" des Jahres 1996 zu wiederholen, als ca. 200 Rechtsextremisten in Worms eine Kundgebung durchführen konnten. Heß ist nach seinem Tod am 17. August 1987 zu einer Symbolgestalt, insbesondere für Neonazis, Rechtsextremismus geworden. Aus diesem Anlaß führen sie seit 1988 traditionsgemäß "Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltungen" in der Bundesrepublik Deutschland und z.T. auch im benachbarten Ausland durch, um dadurch vor allem ihre neonazistischen Positionen öffentlichkeitswirksam darzustellen. "Rudolf-HeßGedenkveranstaltungen" 1988-1996 o Luxemburg Worms 1994: 150Teilnehmer 1996: 200Teilnehmer Grafik: LfV BW Stand: Dezember 1997 Wie bereits in den vergangenen Jahren, schlossen sich 1997 führende Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet zu einem "Aktionskomitee Rudolf Heß 1997" zusammen, während die JN, die sich 1996 ebenfalls beteiligt hatten, nicht vertreten waren (vgl. Ziffer 4.3.1). In einem Rundschreiben, das auch über das Internet verbreitet wurde, wurde zu einem zentralen Marsch im Rahmen der Aktionswochen vom 9. - 23. August 1997 mobilisiert: "... Wie auch im letzten Jahr, wird ein zentraler Aufmarsch mit Abschlußkundgebung (Samstag, den 16.08) das große Ziel des Aktionskomitees sein. Aus gegebenem Anlaß hat sich das Aktionskomitee Rudolf Heß zu Aktionswochen entschieden. Alle Aktivitäten, die auf den Todestag und die Ermordung von Rudolf Heß abzielen, sollen in konzentrierter Form in der Zeit vom 9. August (Samstag) bis einschließlich den 23. August (Samstag) ausgeführt werden. Bei der Wahl der Aktivitäten wollen wir Euch keine Vorschriften machen, jedoch sollten Aufkleberund Plakataktionen, Transparente an Autobahnbrücken, Spontanaufmärsche, Saalveranstaltungen selbstverständlich sein! Eurer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt! Wir bauen auf die von Euch gewählten Aktionsformen ... " (Fehler im Original) Mit Hilfe von zum Teil eigens für die "Heß-Aktion" eingerichteten Infound Mobiltelefonen wurden die Veranstaltungsteilnehmer über einen am Vorabend bekanntgegebenen Sammlungsraum und weitere Anlaufpunkte schrittweise in die Nähe von Braunschweig gelotst. Da zahlreiche Gesinnungsgenossen jedoch bereits im Vorfeld in Polizeigewahrsam genommen worden waren, erreichten schließlich nur noch etwa 120 Personen den vorgesehenen Versammlungsraum. Dort versuchte man, in Wolfenbüttel sowie in Königslutter einen Marsch zu organisieren. Dies konnte von der Polizei durch weitere vorläufige Festnahmen verhindert werden. Insgesamt wurden auch 7 Personen aus Baden-Württemberg, die sich zum Teil erst auf der Anreise befanden, in Gewahrsam genommen. Rechtsextremismus Darüber hinaus gab es nennenswerte bundesweite Aktivitäten noch in Halle/Sachsen-Anhalt, wo 40 Rechtsextremisten versuchten, eine "Heß-Kundgebung" durchzuführen, die jedoch ebenfalls von der Polizei verhindert wurde. Außerdem entrollten auf Helgoland 35 Rechtsextremisten ein Transparent mit der Aufschrift "Rudolf-HeßGedenkfeier -10. Todestag - es war Mord" und verteilten Flugblätter. Eine Saalveranstaltung zum Gedenken an Heß in Lindenberg/Mecklenburg-Vorpommern, an der ca. 80 Personen teilnahmen, blieb ohne öffentliche Resonanz. In Kage/Dänemark beteiligten sich an einer von der "Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung" (DNSB) angemeldeten "Heß-Kundgebung" ca. 130 Personen , darunter etwa 10 Rechtsextremisten aus Deutschland. Insgesamt beteiligten sich 1997 mehr als 800 Rechtsextremisten (1996: 500) an kleineren Aktionen oder versuchten, an Aufmärschen teilzunehmen. Somit konnte zwar ein deutlich höherer Mobilisierungsgrad erreicht werden als im Vorjahr; um so schmerzhafter dürfte aber die Verhinderung einer zentralen Kundgebung durch die Sicherheitsbehörden ausgerechnet im Jubiläumsjahr von den Organisatoren empfunden worden sein. Aus Baden-Württemberg versuchten nur wenige Neonazis, am diesRUDOL jährigen "Heß-Marsch" teilzunehmen. Ausschlaggebend hierfür ist Auf zum Gedenkmarsch offensichtlich die starke Verunsiim August 1 9 9 7 cherung der hiesigen "Szene" gewesen, die vor allem auf die polizeilichen Meldeauflagen für 111 Personen dieses Spektrums zurückzuführen war. Gleichwohl waren baden-württembergische Szeneangehörige maßgeblich an der Herstellung und Verbreitung von "Heß-Propagandamaterial" wie Aufklebern, Plakaten, T-Shirts und einer CD beteiligt. In Baden-Württemberg kam es - mit einer Ausnahme - lediglich zu kleineren spontanen Unternehmungen (Klebeaktionen, Flugblattverteilungen, Aufhängen von Spruchbändern). In Öhringen/Hohenlohekreis führten JN-Mitglieder - entgegen der offiziellen Linie des JN-Bundesvorstands - einen regionalen "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" durch. Der Aufzug, an dem etwa 25 Personen teilnahmen, wurde jedoch nach kurzer Zeit von der Polizei aufgelöst; die meisten Teilnehmer wurden vorläufig festgenommen. Trotz des eindeutigen Fehlschlags bei dem Versuch, einen zentralen Marsch durchzuführen, zog das "Aktionskomitee Rudolf Heß 1997" in seinem "Abschlußbericht" unter der Überschrift "Aktionswochen im Zeichen des Erfolges und wachsender staatlicher Repression^ eine überwiegend positive Bilanz. Es sei gelungen, den Namen Rudolf Heß weltweit in die Presse zu bringen und damit eine breite Öffentlichkeit an den Todestag des " Friedensfliegers" zu erinnern. Für die neonazistische "Szene" steht bereits fest, daß sie auch 1998 geeignete Mittel und Wege finden werde, um Heß zu ehren. 3.2.3 Kommunikationsmittel Seit mehreren Jahren nutzen Rechtsextremisten verstärkt moderne Kommunikationstechnik, insbesondere Mobiltelefone. Dadurch sollen beispielsweise Trefforte bis unmittelbar vor Veranstaltungsbeginn geheimgehalten werden. Außerdem soll durch die verstärkte Nutzung von Mailboxen und Internet gewährleistet werden, daß die rechtsextremistische "Szene" untereinander rasch und auf "geheimem" Weg Informationen austauschen sowie Aktionen und Veranstaltungen koordinieren kann (vgl. Kap. G). Im Rahmen dieser Vernetzung spielen die "Nationalen Info-Telefone" (NIT) weiterhin eine wichtige Rolle. Bei ihnen handelt es sich um Anrufbeantworter, von denen regelmäßig aktualisierte Ansagetexte abgerufen werden können. Ende 1997 waren in der Bundesrepublik Deutschland acht NIT in Betrieb: * NIT Bayern 48 R e c h t s e x t r e m i s m u s * NIT Berlin-Brandenburg * NIT Hamburg * NIT Preußen * NIT Rheinland * NIT Sauerland17 * NIT Schleswig-Holstein * NIT Thürin gen 17 Dieses NIT wird injedem Jahr nur aus Anlaß des "Rudolf-Heß-Gedenkmarsches" aktiviert. Außerdem nahm im Januar 1998 das NIT Baden-Württemberg mit Sitz in Bad Säckingen/ Krs. Waldshut seinen Betrieb auf. 3.3 Neonazistische Personenzusammenschlüsse und Einzelaktivisten in Baden-Württemberg ü Allgemeines Das neonazistische Spektrum präsentiert sich in Baden-Württemberg zahlenmäßig weiterhin stabil. Die Organisationsverbote der letzten Jahre haben keine Reduzierung des Gesamtpotentials bewirkt; für 1997 ist sogar wieder eine leichte Steigerung der Zahl der baden-württembergischen Neonazis von 280 auf 290 festzustellen. Das Erscheinungsbild der "Szene" hat sich jedoch nachhaltig verändert. Nachdem seit 1992 insgesamt 13 Organisationen bundesweit verboten wurden (siehe Schaubild), darunter die auch in Baden-Württemberg agierenden Gruppierungen "Nationalistische Front" (NF), "Nationale Offensive" (NO) und "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) sowie die ausschließlich hier aktive "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD), hat sich das neonazistische Spektrum inzwischen der veränderten Situation angepaßt und sich neu orientiert. Statt gefestigter Strukturen entstanden lockere, organisationsunabhängige Personenzusammenschlüsse, sogenannte Kameradschaften, Neonazikreise oder Freundeskreise. Der bewußte Verzicht auf gefestigte Organisationsstrukturen konnte durch zum Teil autoritäres Führungsverhalten und mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel ausgeglichen werden. Dabei ist festzustellen, daß die einzelnen "Kameradschaften" aus besonderem Anlaß, z.B. bei Konzerten und Vortragsveranstaltungen, sehr viel mehr Teilnehmer mobilisieren können, als sich bei den regelmäßigen "Kameradschaftstreffen" einfinden. Eine besondere Rolle bei dieser Neufonnierung spielen einzelne Funktionäre verbotener Organisationen, die auf regionaler und Bundesebene in Führungszirkeln zusammenarbeiten. Mit dieser Strategie verfolgt die neonazistische "Szene" die Absicht, Rechtsextremismus ü bisher vollzogene und eventuell künftig zu erwartende Organisationsverbote zu unterlaufen, Q die bisherige Zersplitterung im Interesse einer größeren politischen und medienbezogenen Wirksamkeit zu überwinden und Q die Vernetzung durch "Organisierung ohne Organisation" nach dem Vorbild der linksextremistischen autonomen "Szene" voranzutreiben. Seit 1992 verbotene Organisationen BadenOrganisation verboten am/durch bundesweit Württemberg (zuletzt Mitglieder) (zuletzt Mitglieder} "Nationalistische Front" (NF) 27. November 1992 ca. 160 ca. 20 Bundesminister des Innern "Deutsche Alternative" (DA) 10. Dezember 1992 ca340 keine Bundesminister des Innern "Deutscher Kameradschafts21. Dezember 1992 ca. 30 keine bund (DKB) Wilhelmshaven" Innenminister von Niedersachsen (nur Niedersachsen) "Nationale Offensive" (NO) 22. Dezember 1992 ca. 140 ca. 10 Bundesminister des Innern "Nationaler Block" (NB) 11. Juni 1993 ca. 30 keine Innenminister von Bayern (nur Bayern) "Heimattreue Vereinigung 14. Juli 1993 ca. 50 Deutschlands" (HVD) Innenminister von Baden-Württemberg (nur Baden-Württemberg] ca. 50 "Freundeskreis Freiheit 2. September 1993 Funktionärsgruppe keine für Deutschland" (FFD) Innenminister von Nordrhein-Westfalen "Wiking Jugend" (WJ) 10. November 1994 ca. 400 ca. 60 Bundesminister des Innern "Freiheitliche Deutsche 24. Februar 1995 ca. 430 ca. 15 Arbeiterpartei" (FAP) Bundesminister des Innern "Nationale Liste" (NL) 24. Februar 1995 ca. 30 keine Innensenator von Hamburg (nur Hamburg) "Direkte Aktion/ 5. Mai 1995 ca. 30 keine Mitteldeutschland" (JF) Innenminister von Brandenburg (nur Brandenburg) "Verein Skinheads Allgäu eV." 30. Juli 1996 ca. 50 ca. 10 Innenminister von Bayern "Kameradschaft Oberhavel" 15. August 1997 ca. 25 keine Innenminister von Brandenburg i i | ' 51 Im Gegensatz zur bundesweiten Entwicklung gelang es den badenForcierung württembergischen Neonazis, den Aufbau "autonomer Kameradschaf"autonomer ten" weiter zu forcieren, so daß in Baden-Württemberg Ende 1997 Kameradkeine regional agierende, feststrukturierte Organisation mehr tätig war. schaften " in Während es bundesweit partiell immer wieder zu - in der Regel nicht Badenauf Dauer angelegten - Annäherungen zwischen Neonazis und den Württemberg JN kommt, liegen in Baden-Württemberg keine Hinweise vor, daß Neonazis bei der NPD-Jugendorganisation über einen maßgeblichen Einfluß verfügen, (vgl. Ziff. 4.3.1). ü Aktuelle Situation in Baden-Württemberg In Baden-Württemberg bestanden Ende 1997 autonome, organisationsunabhängige "Kameradschaften", "Neonazikreise" und "Freundeskreise" in den Räumen Karlsruhe, Esslingen/Stuttgart, Heilbronn, Konstanz,Villingen-Schwenningen/Rottweil, Freiburg große und Mannheim, wobei jedoch in diesen Personenzusammenschlüssen Fluktuation teilweise eine große Fluktuation herrscht. Im allgemeinen besteht eine "Kameradschaft" aus etwa 10 bis 30 Neonazis. Hauptsächlich werden regelmäßige, meist wöchentliche Treffen, vereinzelt auch Vortragsveranstaltungen und Konzerte durchgeführt, oder man nimmt an überregionalen Aktivitäten teil. Dafür stehen folgende Beispiele: LI Am 1. März 1997 beteiligten sich ca. 70 Angehörige der "Kameradschaften" und "Neonazikreise" aus Stuttgart, Heilbronn, Karlsruhe und Villingen-Schwenningen an der Demonstration gegen die Münchner Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 -1944", * die älteste in Baden-Württemberg bestehende "Kameradschaft Karlsruhe" führte am 15. März 1997 in einer Stadiongaststätte in Bellheim/Rheinland-Pfalz eine Vortragsveranstaltung mit dem ehemaligen FAP-Vorsitzenden BUSSE durch, zu der ca. 70 Personen, überwiegend aus Baden-Württemberg, angereist waren, 52 -------Rechtsextremismus * am 15. August 1997 organisierte eine "Kameradschaft" aus dem Raum Villingen-Schwenningen in der Nähe von Donaueschingen ein Skin-Konzert. An der Veranstaltung mit der Skinband "FOIERSTOß" nahmen ca. 130 Personen teil. Neben der SAZ (vgl. Ziff. 3.2.1) gibt die neonazistische "Szene" in Baden-Württemberg nur noch eine weitere Publikation heraus. Angehörige der "Kameradschaft Karlsruhe" verteilten auch 1997 die Broschüre "Rote Socke", die ohne eigene Kommentierung Ausschnitte aus Publikationen des politischen Gegners über die "rechte Szene" reproduziert. Als Herausgeber fungierte ein "AK Befreiung" mit Postfach in Karlsruhe. Unter dieser Adresse wurden außerdem verschiedene Label mit der Bezeichnung "Nationaler Widerstand" verbreitet. Weitere Aufkleber mit der Aufschrift "Nationaler Widerstand" kamen unter Nennung eines Postfachs in Villingen-Schwenningen zur Verteilung. * Einzelaktivist Frank RENNICKE Der rechtsextremistische Liedermacher RENNICKE machte auch 1997 durch zahlreiche Auftritte und Veröffentlichungen auf sich aufmerksam. Er gilt im "rechten" Lager gemeinhin als Integrationsfigur und pflegt Kontakte, die das gesamte rechtsextremistische Spektrum vom "jungen Skinhead" bis hin zum "alten Rechten" abdeckt. Seine generationsübergreifende Beliebtheit im "rechten" Spektrum liegt in der Art seiner Auftritte, in denen er sein rechtsextremistisches Gedankengut auf volkstümliche Art vorträgt. Seine regelmäßigen Konzerte dienen der ideologischen Indoktrinierung seines Publikums und dem Verkauf seiner Tonträger. Gesangsvorträge garniert RENNICKE mit politischen Kommentaren und kabarettistischen Einlagen. In den Texten seiner Lieder kommen ein völkisch geprägter Nationalismus, eine revisionistische Geschichtsdarstellung und eine neonazistische Grundeinstellung zum Ausdruck. Inzwischen nutzt auch er moderne Kommunikationsmittel, um eine größere Öffentlichkeitswirkung zu erzielen und Außenstehende an die rechtsextremistischen Ideen heranzuführen. Im Internet (vgl. Kap. G) betreibt er seit 1997 eine eigene Homepage, die von ihm als "Heimatseite" bezeichnet wird. Darin stellt er sich als "nationaler Barde", "Systemverfolgter" und "volkstreuer Liedermacher" vor. Als sein Vorbild bezeichnet er den "Friedensflieger und längsten politischen Häftling der Neuzeit, Rudolf Heß". RENNICKE veröffentlichte bislang mehr als zwölf Tonträger, von denen acht durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert wurden. Dagegen polemisiert er seit Jahren, zuletzt durch die Veröffentlichung eines an die Behörde gerichteten "offenen Briefes" in seiner Internet-Homepage. Neben eigenen Tonträgern vertreibt RENNICKE Propagandakassetten mit eigenen Vorträgen, Reden bekannter Rechtsextremisten sowie Mitschnitte von Veranstaltungen aus seiner sogenannten Staatsbürgerlichen Reihe, Videos, rechtsextremistische Publikationen und "Fan-Material". Auf der "Heß-CD" (vgl. Ziff. 3.2.2) war er mit zwei Liedern vertreten. 4. Rechtsextremistische Parteien 4.1 "Die Republikaner" (REP) Gründung: 1983 Sitz: Berlin Mitglieder: ca. 1.900 Baden-Württemberg (1996: 1.900) ca. 15.500 Bund (1996:15.000) Publikation: "DER REPUBLIKANER" ü Organisation Landesverbände der Partei "Die Republikaner" (REP) existieren inzwischen in allen Bundesländern, jedoch haben außer dem Landesverband Baden-Württemberg nur wenige eine größere innerparteiliche Bedeutung. Insbesondere in den Landesverbänden der neuen Bundesländer liegt die Parteiarbeit weitgehend brach. Insoweit blieben auch 1997 neue Impulse zumeist aus, so daß sich die maßgebli- Rechtsextremismus chen Parteiaktivitäten nach wie vor auf Baden-Württemberg konzentrieren. Vor diesem Hintergrund bedurfte es für den Landesverband BadenWürttemberg keiner besonderen Anstrengung, seine bundesweite herausragenVormachtstellung, die auch durch die führenden - in Baden-Württemde Stellung berg ansässigen - Parteifunktionäre zum Ausdruck kommt, zu behaupdes Landesten. So wird der Vorsitzende der REP-Fraktion im baden-württemberverbands gischen Landtag, Dr. Rolf SCHLIERER, in seiner Funktion als BunBadendesvorsitzender vom baden-württembergischen Landesvorsitzenden Württemberg Christian KÄS vertreten. Die in den letzten Jahren immer deutlicher gewordene Dominanz des Landesverbands Baden-Württemberg könnte allenfalls durch einen Erfolg des Landesverbands Bayern bei der dortigen Landtagswahl im Herbst 1998 etwas relativiert werden. Mittlerweile hat die Partei ihre Organisationsstruktur weiter ausgebaut. Neben der "Republikanischen Jugend" (RJ) bestehen der "Republikanische Bund der Frauen" (RBF), der "Republikanische Hochschulverband" (RHV), die "Republikanische Mittelstandsvereinigung" (RMV), der "Republikanische Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB) sowie eine "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV). (Die seit 1989 andauernden Bemühungen der REP, eine Parteistiftung ins Leben zu rufen, sind dagegen gescheitert. Im Februar 1998 entschied das Bundesverwaltungsgericht, daß die REP keinen Anspruch auf die Genehmigung zur Errichtung einer rechtsfähigen politischen Stiftung hätten.) Indes gingen von diesen Untergliederungen kaum nennenswerte öffentlichkeitswirksame Aktivitäten aus. Da das Engagement der Mitglieder durch die bevorstehenden Wahlkämpfe weitgehend gebunden sein wird, ist mit einer kurzfristigen Belebung der Parteiarbeit in diesen Organisationsebenen nicht zu rechnen. Insgesamt waren die Aktivitäten der Partei 1997 wenig dazu geeignet, deutliche Mitgliederzuwächse zu erzielen. Die sich Ende 1996 abzeichnende Stagnation in der Mitgliederentwicklung konnte die Partei jedoch zwischenzeitlich beenden. Die Zahl der Mitglieder und der Befitgliedersucher von REP-Veranstaltungen nahm 1997 wieder leicht zu. schwund gestoppt Neben dem monatlich aufgelegten offiziellen Parteiorgan "DER 55 REPUBLIKANER", das seit Juni 1997 mit einem neuen Logo erscheint, nutzt die Partei als weitere Möglichkeit der Selbstdarstellung inzwischen das Internet, (vgl. Kap. G). ^ ^ ^ H ^^PS ^^^D Schwefpunktthema "Mitteldeutschland " - Seite 7 Ä ^ F ^Cf ^ H ^ I Kommen uns die "Ossis" wirklich zu teuer? REPUBLIKANER 5/1997 Offizielles Organ der Bundespartei Preis: 3 -- D M Z 11263 E ü Politischer Kurs Die REP konzentrierten sich auch 1997 auf die für eine Partei des rechtsextremistischen Spektrums typischen Agitationsfelder. SchwerAnhaltspunkte waren dabei die - entsprechend einseitig dargestellten - Thepunkteför men "Arbeitslosigkeit", "Sozialabbau" und "Ablehnung des Euro", rechtsextredie mit der vermeintlichen "Ausländerproblematik" und der behaupmistische teten "Massenzuwanderung" in Zusammenhang gebracht wurden. Ausrichtung Ganz offensichtlich formuliert die Partei aber ihre politischen Forderungen und Ansichten bewußt nicht mehr in der Schärfe der Vorjahre, um vor dem Wahljahr 1998 als wählbare demokratische Alternative zu erscheinen. Ungeachtet dieser taktisch motivierten Zurückhaltung ergaben sich aus einzelnen Äußerungen erneut Anhaltspunkte, die die REP als eine rechtsextremistische Partei ausweisen. 56 Rechtsextremismus Vor der Hamburger Bürgerschaftswahl am 21. September 1997 beschwor die Partei Ängste gegen Fremde mit der Behauptung, die Hansestadt sei zu einem "Mekka für illegale Einwanderer aus Schwarzafrika" geworden, in ihr lebten Tausende kriminelle, als Asylbewerber abgelehnte Schwarzafrikaner, der "multikulturelle Alltag" sei "multikriminell" ("DER REPUBLIKANER", 9/1997). Die fremdenfeindliche Agitation der REP wird primär unter dem Gesichtspunkt des vermeintlich drohenden Untergangs des deutschen Volkes geführt. So beklagten die REP im Parteiorgan "DER REPUBLIKANER" unter der Überschrift" Wie zerstöre ich ein Land?", daß das "Ethnische" keine Bedeutung mehr habe: "... Die Unterhöhlung des 'Abstammungsprinzips ' begann in Deutschland damit, daß die dauernde Ansiedlung der als Gastarbeiter ins Land geholten Ausländer zugelassen wurde ... Man muß sich die Bedeutung dieser Forderung nach dem 'Territorialprinzip ', die auf das Ende des deutschen Volkes als einer geschichtlich geprägten Gemeinschaft hinausläuft, klarmachen ("DER REPUBLIKANER", 7-8/1997) Die einseitige Schuldzuweisung an Ausländer und Asylbewerber, die nach Meinung der REP die öffentlichen Haushalte in einer finanziell ohnehin angespannten Lage unerträglich belasten, schlägt sich ebenso in der Argumentation der REP nieder wie die Vorhersage "bürgerkriegsähnlicher" Zustände als Folge der Zuwanderung. Weiterhin gebrauchen die REP Formulierungen, durch die massive Ängste in der Bevölkerung aufgebaut und mit denen der Untergang des deutschen Volkes assoziiert werden sollen. Auf dem "Republikanertag" vom 3. Oktober 1997 in Stuttgart schürte der baden-württembergische Landesvorsitzende KÄS nach seinem dort verteilten Redemanuskript erneut die Furcht vor "Überfremdung" und "Umvolkung": "... Handeln wir schnell, wenn wir nicht wollen, daß unsere Demokratie zerbricht ... angesichts einer fortschreitenden Überfremdung ... Wenn man von den Bedrohungen Deutschlands spricht, kommt man einer keinesfalls vorbei. Ich meine die Überfremdung ... Ich fühle mich auf den Straßen eben nicht wohl, wenn ich mitten in Deutschland den Eindruck habe, in Afrika zu sein. Für den gegenwärtigen Zustand gibt es eben nur einen treffenden Ausdruck und der heißt fortgeschrittene Überfremdung ... Heute stellt sich die Frage, ob es den Umvolkern schon gelungen ist, all das Deutsche zu zerstören, in das das Fremde zu integrieren wäre ..." (Fehler im Original) Ein weiteres, die Partei seit Jahren beherrschendes Agitationsthema ist die Auseinandersetzung mit den Repräsentanten sowie den demokratischen Politikern und Parteien der Bundesrepublik Deutschland. Mit den typischen, die Grenzen der zulässigen Kritik einer Oppositionspartei überschreitenden Diffamierungsund Verunglimpfungsversuchen beabsichtigen die REP, das Vertrauen der Bürger in die Demokratie zu erschüttern: "... Die Altparteien haben sich den Staat zur Beute gemacht..." (Flugschrift, verteilt im Kommunal wahlkampf in Hessen im Frühjahr 1997) Über den ehemaligen baden-württembergischen Innenminister und derzeitigen Ersten stellvertretenden Landtagspräsidenten Frieder Birzele äußerte sich ein REP-Mitglied aus Breitenholz/Krs. Tübingen in einem Leserbrief: "... Das rechte Auge von Herrn Birzele hatte nur eines im Blickwinkel, und der erweiterte sich bis zur Überwachung der Republikaner, um dann aber auch jedes Detail mit der nötigen übertriebenen Hetzpropaganda den Bürgern und der Welt kundzutun. Die gleichen Metho- Rechtsextremismus den wurden in Hitlers Zeiten ausgeführt..." (Leserbrief im "Schwäbischen Tagblatt Tübingen" vom 16. Mai 1997) Der ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende und jetzige Landesschriftführer der REP in Sachsen-Anhalt, Dr. Rudolf KRAUSE, bezeichnete auf dem Jahreskongreß 1997 der "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." in Gera (Thüringen) die parlamentarische Demokratie als "massenmörderisches System". Im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Luftangriff auf Dresden im Februar 1945 erklärte er, in dieser sadistischen Perversion zeige sich die ungeschminkte Visage der westlichen parlamentarischen Demokratie, die systemimmanent sei. Diese völkermordend-verlogene Staatsform könne nicht Vorbild sein. Ein anderes, für eine rechtsextremistische Partei typisches Agitationsthema ist die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte. In ihrem "Erziehungspolitischen Leitgedanken" von 1991, die der Landesverband Nordrhein-Westfalen weiter verbreitet und zu denen er sich noch im August 1997 in einer "Grundsatzerklärung zur Bundestagswahl 1998" bekannte, bezeichnen sich die REP als "patriotische Befreiungsbewegung", die Deutschland von der "Geschichtslüge" befreien wolle. Sie fordern die Gründung neuer Hochschulinstitute zur "Erforschung von Geschichtsfälschung". In ihren Publikationen polemisierte die Partei auch wiederholt gegen die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 -1944" des Instituts für Sozialforschung in Hamburg; sie warfen der Ausstellung vor, die "berüchtigte Kollektivschuldthese" wieder hoffähig machen zu wollen ("DER REPUBLIKANER", 5/97). Der Bundesvorsitzende Dr. SCHLIERER sprach von einer "offensichtlichen Geschichtsklitterung" (Pressemitteilung vom 25. Februar 1997) und agitierte unter der Überschrift "Geschichtsfälscher am Werk - das wahre Anliegen der Anti-Wehrmachtsausstellung": Widerstand gegen die Ausstellung bedeute Widerstand gegen die Zerstörung der Nation ("DER REPUBLIKANER", 5/97). Der niedersächsische Landesvorsitzende Peter LAUER erklärte in einer Rede auf dem Parteitag seines Landesverbands am 15. November 1997 in Buhlen: "Um deutsche Interessen nach außen und innen so vertreten zu können, wie dies in jedem normalen Staat selbstverständlich ist, muß die fortdauernde Erpressung unseres Volkes wegen historischer Geschehnisse, die so weit zurückliegen, daß die meisten Deutschen diese gar nicht selbst miterlebt haben, endlich zurückgewiesen werden! 5 Jahrzehnte Vergangenheitsbewältigung sind genug. Kein Volk der Welt könnte es ertragen, auf ewig - einseitig angeklagt - am Weltpranger zu stehen ... Hunderte von Holocaust-Denkmäler stehen in Deutschland, aber wo finden wir Mahnmale für die Millionen geschändeter und ermordeter Landsleute, die nichts Unrechtes getan haben außer, daß sie Deutsche waren, und die millionenfach Opfer wurden, nachdem die Waffen bereits niedergelegt waren? ... Wir brauchen keine Politiker, die sich im Ausland zu peinlichen Vergebungsritualen hergeben. " (Fehler im Original) eigene Aber auch die Abgrenzung von Rechtsextremisten, die nach außen Abgrenzungslaut propagiert wird, wird von Parteimitgliedern immer wieder unterbeschlüsse laufen und oft nur dann geahndet, wenn der Vorgang in der Öffentunterlaufen lichkeit bekannt wurde. So referierte der Neonazi und frühere Rechtsterrorist Peter NAUMANN im Januar 1998 auf dem Parteitag des REP-Kreisverbands Werra-Meißner zum Thema "Multikultur warum?". In seiner Rede soll NAUMANN u.a. behauptet haben, die "Feinde der germanischen Völker" würden unter dem " Verschleierungsbegriff" der multikulturellen Gesellschaft die "Rassenmischung" vorantreiben. Der REPKreisvorsitzende habe sich bei NAUMANN anschließend für dessen Vortrag bedankt und ihn für ein weiteres Referat zum Thema " Verfas- Rechtsextremismus sungsschutz" eingeladen (zitiert nach der Publikation "Werra-Blitz" vom 24725. Januar 1998). Am 30. November 1997 soll nach eigenen Berichten des "Franz-Schönhuber-Freundeskreises" Ilmenau (Thüringen) in Schönbrunn (Thüringen) eine parteiübergreifende Veranstaltung mit REP-Mitgliedern stattgefunden haben. Als Referenten seien u.a. der ehemalige Bundesvorsitzende SCHÖNHUBER und das ehemalige Bundesvorstandsmitglied Ottmar WALLNER aufgetreten. Unter den Teilnehmern hätten sich außer dem früheren Vorsitzenden des Bundesschiedsgerichts der Partei, Hartmut KOCH, zahlreiche NPDund REP-Funktionäre aus Thüringen, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt befunden. Den Saalschutz habe der neonazistische "Thüringer Heimatschutz" gestellt. Auch lassen sich bis in die jüngste Zeit Anhaltspunkte dafür herleiten, daß die REP-Führung Veröffentlichungen von ihren Funktionsträgern in rechtsextremistischen Publikationen duldet: So veröffentlichte die von DLVH-Funktionären herausgegebene Publikation "NATION & EUROPA - Deutsche Monatshefte" in ihrer Ausgabe Nr. 11-12/1997 ein Interview mit dem geschäftsführenden stellvertretenden REP-Bundesvorsitzenden Christian KÄS. Darin bekräftigt KÄS zwar den Abgrenzungskurs der REP gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen, bekennt sich jedoch zum Schulterschluß der REP mit dem "Front National" (FN) und seinem Vorsitzenden Jean-Marie LE PEN. Bei einem Einzug der REP ins Europaparlament seien sie dort zu einer Zusammenarbeit mit dem FN bereit. Mit einer ähnlichen Ankündigung wurde auch der Bundesvorsitzender Dr. SCHLIERER in der Oktober-Ausgabe des REP-Parteiorgans "DER REPUBLIKANER" zitiert. Ebenfalls in der Ausgabe Nr. 11-12/1997 von "NATION & EUROPA - Deutsche Monatshefte" wurde ein Beitrag des Vorsitzenden des "Republikanischen Hochschulverbandes" (RHV), Eike ERDEL, veröffentlicht, in dem dieser gegen die o. g. "Anti-Wehrmachtsausstellung" polemisierte. Offenbar nutzen führende REP-Funktionäre die Publikation "NATION & EUROPA - Deutsche Monatshefte" dazu, ihre bündnispolitischen Absichten einem breiteren rechtsextremistischen Spektrum zugänglich zu machen. Bemerkenswert ist, daß sie dies in einer Publikation tun, die von Funktionären der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) herausgegeben wird, also von erklärten Gegnern des von Dr. SCHLIERER verfolgten Abgrenzungskurses. Bislang sind keine Tendenzen erkennbar, daß die REP im Kern von ihrem bisherigen politischen Kurs abrücken. Legt man die Beobachtungen aus dem letzten baden-württembergischen Landtagswahlkampf 62 Rechtsextremismus zugrunde, so ist allerdings zu erwarten, daß aus taktischen Gründen während der 1998 bevorstehenden Landund Bundestagswahlkämpfe auch wieder moderatere Formulierungen in die Argumentation der Partei einfließen werden. Q Aktivitäten Auch 1997 entwickelten die REP - wie schon in den vergangenen Jahren - kaum nennenswerte überregionale Aktivitäten. In BadenWürttemberg standen ein Landesparteitag und der "Republikanertag" im Mittelpunkt, der Bundesparteitag stellte den Höhepunkt des Parteigeschehens auf Bundesebene dar. Auf dem baden-württembergischen Landesparteitag vom 19. Juli 1997 im südbadischen Wehr wurde die Mehrzahl der Funktionäre des damaligen Landesvorstands - unter ihnen der Landesvorsitzende KÄS - in ihren Ämtern bestätigt. Der inzwischen regelmäßig am 3. Oktober veranstaltete "Republikanertag" fand 1997 wieder in Stuttgart statt. Zwar war die Resonanz größer als in den Vorjahren, besonderes öffentliches Interesse fand diese Veranstaltung aber nicht. Im übrigen konzentrierten sich die regional begrenzten Aktivitäten auf den südlichen Landesteil Baden-Württembergs. Dabei wurde im Rahmen einer "Anti-Euro-Kampagne" insbesondere die geplante Europäische Währungsunion thematisiert. Der Bundesparteitag vom 18. Oktober 1997 im bayerischen Dietmannsried verlief von der Öffentlichkeit ebenfalls weitgehend unbeachtet. Dabei wurde deutlich, daß nunmehr auch Kontakte zu anderen "rechten" Organisationen im Inund Ausland aufgenommen und gepflegt werden sollen. Besonders begrüßte der REP-Bundesvorsitzende den Vertreter des rechtsextremistischen französischen "Front National" (FN). Gegenüber der "Freiheitlichen Partei Österreichs" (FPÖ) und dem rechtsextremistischen belgischen "Vlaams Blök" (VB) gaben die REP ihre distanzierte Haltung auf. Vor dem Hintergrund der 1998 anstehenden Wahlen werden die Wahlkämpfe den Schwerpunkt der REP-Aktivitäten bilden. Denn das Abschneiden in Bund und Ländern dürfte von entscheidender Bedeutung für den weiteren Kurs der Partei sein. Die REP werden daher nahezu ihre gesamten personellen und finanziellen Möglichkeiten auf diese Ereignisse konzentrieren und sämtliche Aktivitäten diesem Ziel unterordnen. * Wahlen Während die hessischen Kommunalwahlen am 2. März 1997 für die REP trotz eines Stimmenverlusts von 1,7% (Endergebnis: 6,6%) aufgrund einzelner lokaler Achtungserfolge noch zufriedenstellend verliefen, erlitt die Partei bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 21. September 1997 eine herbe Niederlage. Gegenüber 1993 verloren die REP 3% und mußten sich mit nur noch 1,8% der Stimmen zufriedengeben. Trotz dieser Wahlschlappe beabsichtigt die Partei, 1998 bei allen Landtagswahlen und der Bundestagswahl anzutreten. Das Ergebnis dürfte regional sehr unterschiedlich ausfallen, wobei Erfolge allenfalls in den süddeutschen Bundesländern zu erwarten sind. * Kontakte zu anderen Rechtsextremisten Trotz der insbesondere vom Bundesvorsitzenden Dr. SCHLIERER immer wieder betonten Abgrenzung gegenüber anderen Rechtsextremisten wurden unverändert Parteimitglieder bekannt, die nicht nur diese Distanzierung kritisierten, sondern - entgegen der Parteilinie - entsprechende Kontakte aufnahmen. Die Parteiführung reagierte in Einzelfällen auf derartige Vorkommnisse, indem Ordnungsmaßnahmen gegen die Betroffenen eingeleitet wurden. Diese Reaktionen waren aber weitgehend taktisch motiviert und spiegelten kaum die tatsächliche Überzeugung der maßgeblichen Funktionäre wider. In Pforzheim und Villingen-Schwenningen konstituierten sich 1997 einzelne, von REP-Funktionären geführte "Franz-Schönhuber-Freundeskreise" unter Beteiligung von Mitgliedern der "Deutschen Volksunion" (DVU) bzw. der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH). Dabei setzten sich die REP-Funktionäre für eine Zusammenarbeit des gesamten "rechten" Lagers ein. Am 20. Juli 1997 fand in Göppingen-Maitis ein von den REP organisiertes Fußballturnier statt, zu dem überregional eingeladen worden Rechtsextremismus war und an dem auch Personen aus der überörtlichen Neonaziszene teilnahmen. Nach einem Bericht im Parteiorgan der REP waren der Bundesvorsitzende Dr. SCHLIERER und sein Stellvertreter KÄS ebenfalls anwesend. Offenbar haben sich 1997 auch die Berührungsängste zu dem rechtsextremistischen Theorieorgan "NATION & EUROPA - Deutsche Monatshefte"18 weiter verringert. So veröffentlichte die Zeitschrift in der Ausgabe 5/97 einen Beitrag des RHV-Funktionärs Erik ERDEL unter der Überschrift "Der AStA und das politische Mandat" und in der Ausgabe 11/12-97 eine Polemik ERDELs gegen die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 -1944". In derselben Ausgabe wurde auch ein Interview mit dem baden-württembergischen Landesvorsitzenden KÄS publiziert. Daß es sich bei einzelnen Personen dieser beispielhaft aufgeführten Vorgänge zum Teil um Mitglieder handelt, die bereits in den Vorjahren durch solche Kontakte in die Schlagzeilen gerieten - was auch seinerzeit ohne Konsequenzen blieb -, belegt die lediglich taktisch motivierte Abgrenzung der Partei bzw. des Bundesvorsitzenden. Offensichtlich nimmt bei den Mitgliedern die Bereitschaft zu, die Partei gegenüber anderen Rechtsextremisten zu öffnen. Auch dadurch verstärkt sich im Hinblick auf den Ausgang der anstehenden Wahlen der Erfolgsdruck insbesondere auf Dr. SCHLIERER. Sollten die Anstrengungen der REP, unter seiner Führung in einzelne Landesparlamente bzw. in den Bundestag einzuziehen, erfolglos bleiben, ist davon auszugehen, daß die Kritik der Basis am derzeitigen offiziellen Kritik der Abgrenzungskurs der Partei zunehmen wird. Die Mitglieder werden Basis am sich schließlich verstärkt mit den bündnisorientierten Bemühungen Abgrenzungsin der Partei solidarisieren. Eine offene Kooperation zwischen den kurs REP und anderen Rechtsextremisten scheint dann nicht mehr ausgeschlossen. Bereits jetzt sind Anhaltspunkte erkennbar, daß die Parteiführung diese Stimmung an der Basis aufgreift. Seit dem Bundesparteitag vom 18. Oktober 1997 scheut sie sich nicht mehr vor Kontakten zu Personen, die zum Teil dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen sind und ihrerseits Verbindungen zu Personen und Or18 Die Zeitschrift "NATION & EUROPA - Deutsche Monatshefte" wird von DLVHFunktionären, also von Gegnern des von Dr. SCHLIERER verfolgten Abgrenzungskurses, herausgegeben. gamsationen pflegen, von denen sich die REP bislang offiziell abgegrenzt haben. Diese Kooperationsbemühungen der REP-Spitze sehen Kritiker des Abgrenzungskurses denn auch als einen ersten Schritt in die - aus ihrer Sicht - "richtige" Richtung. 4.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als politische Partei Sitz: München Mitglieder: ca. 1.800 Baden-Württemberg (1996: ca. 1.900) ca. 15.000 Bund (1996: ca. 15.000)* Sprachrohre: "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ) *Dr. FREY gibt höhere Zahlen an LI Organisation Die bundesweit in 15 Landesverbänden organisierte "Deutsche Volksunion" (DVU) wird seit ihrer Gründung zentralistisch vom Herausgeber der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ ) und "Deutschen Wochen-Zeitung" (DWZ), Dr. Gerhard FREY, München, geführt. Die Partei ist finanziell von ihm abhängig. Ein eigenständiges, auf Initiative der örtlichen Parteifunktionäre begründetes Parteileben besteht nicht; Personalund Sachdiskussionen finden nicht statt. Der Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Peter JÜRGENSEN, Forst/Krs. Karlsruhe, ist gleichzeitig stellvertretender Bundesvorsitzender. Die zehn Kreisverbände in Baden-Württemberg (Stuttgart, Ludwigsburg, Esslingen, Göppingen, Böblingen/Tübingen, Waldshut/Tiengen, Heilbronn, Mannheim, Freudenstadt/Rottweil und Konstanz) haben 1997 kaum nennenswerte Aktivitäten entwickelt; die Mitgliederentwicklung war leicht rückläufig. * Politischer Kurs Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der DVU ergibt sich im wesentlichen aus den wöchentlich erscheinenden Publikationen DNZ Rechtsextremismus und DWZ. Agitationsmuster und -themen sind schon seit Jahren gleich: Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, Revisionismus sowie die Diffamierung des demokratischen Rechtsstaats. Wie jüdisch wird Deutschland? Der Massenzustrom aus dem Osten NationpJi^ttung S r , - . . . . --- " Was " J ^ B M G r t ^ I L - l , > _ . " _ - weinu"?su -- O Werden Rentner zu Bettlern? KZ Dachau; Der Vergasungsschwindel Schandtaten antideutscher Hetze * * * National * J^S ung Der Terror ausländischer Jugendbanden "15 Millionen in Dachau vergast" Wie gegen Deutschland gefälscht wird <*C"*ULTUR UND WIRTSCHAFT Ewig büßen, ewig zahlen? sdeg fälscht aoidha^n Wie lange noch Wiedergutmachung?! <4- p tnGMondm Ansprüci Gebetsmühlenhaft werden beispielsweise reißerische Schlagzeilen mit antisemitischen Hetzparolen verbreitet: "Lieber Juden als Deutsche ? Wer bei uns willkommen ist. " (DWZ/DA,Nr.l6/97,S.l) "Jetzt jüdische Masseneinwanderung ? Warum immer mehr kommen wollen. " (DWZ/DA, Nr. 17/97, S.l) Unter der Überschrift "Jetzt kommen die Juden. Massenhafter Zustrom geplant." (DWZ/DA, Nr.6/97, S.l) wird offen gegen eine weitere Aufnahme von Juden aus Rußland gehetzt und gleichzeitig die nachlassende Übersiedlungsbereitschaft von "Rußlanddeutschen" beklagt. In ähnlicher Art und Weise leistet die FREYsche Presse der Ausländerfeindlichkeit Vorschub, indem das Thema Ausländer einseitig und verzerrt dargestellt wird: "Die Pest der Ausländerkriminalität. Immer mehr Verbrecher in Deutschland. " (DNZ,Nr.30/97,S.l) "Ausländerflut: Was wird aus Deutschland ? " (DWZ/DA, Nr.49/97, S.l) Ein weiterer Schwerpunkt der rechtsextremistischen Agitation in den beiden Sprachrohren der DVU ist eine regelrechte "Relativierungskampagne" zur Leugnung der deutschen Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg und der Verharmlosung des Holocaust. Durch Fälschungsvorwürfe, Zweifeln an den Opferzahlen und dem Versuch, die Opfer der Judenvernichtung gegen die deutschen Kriegstoten aufzurechnen, wird letztlich versucht, das Ausmaß der Judenverfolgung und -Vernichtung in Frage zu stellen. Die Diffamierung des demokratischen Rechtsstaats und ihrer Repräsentanten zieht sich ebenfalls schon seit Jahren wie ein roter Faden durch beide Blätter: Rechtsextremismus "Unser Volk muß endlich erkennen, daß die etablierten Parteien und Politiker, deren Massenmedien sowie Gewerkschaften und leider auch große Teile der Kirchen mit ihrer Politik nicht dem deutschen Volk, sondern ihren eigenen und fremdbestimmten Interessen dienen. " (DNZ,Nr.3/97,S.10) Seit Juli 1997 sind die Publikationen Dr. FREYs auch im Internet abrufbar. ü Aktivitäten Eine kontinuierliche Parteiarbeit wird im Landesverband Baden-Württemberg unverändert nicht betrieben. Lediglich einzelne Treffen im Rahmen sogenannter Stammtische wurden auf Ortsebene durchgeführt. Immerhin 100 Personen nahmen am 28. Juni 1997 am "großen Sommerfest der DVU im südwestdeutschen Raum " in Ammerbuch/ Krs. Tübingen teil; Ausrichter war der Kreisverband Böblingen/Tübingen. Am 15. März 1997 hielt die DVU in München ihren Bundesparteitag ab, auf dem Dr. FREY in seinem Amt als Parteivorsitzender bestäHILFE! tigt wurde; einen GegenkandidaAusländer-Kriminalität! ten gab es nicht. Arbeitslosigkeit! Keine D-Mark mehr! Unter dem Motto "Deutsche ZuDeutsches Geld in alle Welt! Immer mehr Fremde! kunft - unsere Chance" fand am Wählerbetrug durch Altparteien! 27. September 1997 in der Rentenklau und Sozialabbau! Nibelungenhalle in Passau die alljährliche Großkundgebung der Jetzt hilft nur noch DVU statt. Vor etwa 3.000 Personen, die aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland angereist waren, polemisierte der Parteivorsitzende in bekannter Art und Weise gegen die "AltVauD VU-Propagandamaterial Parteien " und unterstellte den Behörden in Hamburg, das Ergebnis der letzten Bürgerschaftswahl zum Nachteil der DVU gefälscht zu haben. LI Wahlen Die DVU erzielte bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am 21. Septemberl 997 überraschend einen Stimmenanteil von 4,9 % (= 40.957 Einzug in Stimmen). Damit verfehlte sie denkbar knapp die 5 %-Hürde und den Hamburger Einzug in das Parlament. Die Partei hatte sich im Wahlkampf auf die Bürgerschaft Themenschwerpunkte Kriminalitätsbekämpfung, "Ausländerzustrom" nur knapp und "Schicksal der Deutschen Mark" konzentriert. verfehlt Der massive finanzielle Mitteleinsatz Dr. FREYs hat zwar letztlich nicht das erhoffte Ergebnis gebracht, eröffnet jedoch andererseits der DVU den Anspruch auf die Wahlkampfkostenpauschale. Durch den Wahlausgang ermutigt, faßte der DVU-Bundesvorstand noch im November 1997 den Beschluß, bei den Landtagswahlen am 26. April 1998 in Sachsen-Anhalt anzutreten. 4.3 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Stuttgart Mitglieder: ca. 400 Baden-Württemberg (1996: ca. 440) ca. 4.300 Bund (1996: ca. 3.500) Publikation: "Deutsche Stimme" (DS) LI Organisation Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) verfügt gebeträchtligenwärtig in allen Bundesländern über Landesverbände, die teilweicher Mitgliese in Bezirksund Kreisverbände untergliedert sind. Sie unterscheiderzuwachs den sich zum Teil erheblich in ihrer innerparteilichen Bedeutung. in den neuen Beträchtliche Mitgliederzuwächse in einigen neuen Bundesländern Bundeslänverhinderten einen weiteren Rückgang der Gesamtmitgliederzahl der dern Partei, die inzwischen wieder den Stand von 1995 erreicht hat. 70 Rechtsextremismus Im Landesverband Baden-Württemberg mit seinen 16 - teilweise inaktiven - Kreisverbänden hat sich die Situation dagegen noch nicht entspannt. Die hier seit Jahren rückläufige Mitgliederentwicklung konnte auch 1997 nicht aufgehalten werden. Der NPD gelang es inzwischen, ihre Finanzen zu konsolidieren. Der NPD-Landesverband Baden-Württemberg hatte im April 1994 in Eningen unter Achalm/Krs. Reutlingen Immobilien im Wert von etwa 2,7 Millionen DM geerbt. Durch die Beleihung der als "nationale Begegnungsstätte" genutzten sogenannten NPD-Villa und den Verkauf eines Grundstücks konnte die NPD ihre durch die Abschlagszahlungen auf die Wahlkampfkostenpauschale entstandenen Schulden beim Bund (etwa 630.000 DM) und beim Land Baden-Württemberg (ca. 438.000 DM) zurückzahlen. Q Aktuelle Situation Seit der Wahl von Udo VOIGT zum Vorsitzenden der NPD im März 1996 hat die Partei Sprachrohr der nationalen Opposition einen beträchtlichen Wandel vollzogen. Die in Baden-Württemberg Neuorientierung dokumentiert sich in der Nutzung neuer Kommunikationsmittel (vgl. Zjahrgang Ausgabe 3/97 Kap. G), einer veränderten bündnispolitischen Orientierung sowie in der weitreichenden Einbindung der Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) in die politische Arbeit der Partei. Märtyrer Darüber hinaus läßt sich eine intensivere J/r J des Pressearbeit bei der NPD-Publikation Friedens "Deutsche Stimme" (DS) erkennen, die - im Gegensatz zu früher - pünktlich und regelmäßig erscheint. 1 i: k -"im !* " Vorbild der Der Landesverband Baden-Württemberg gibt seit April 1996 wieder eine eigene PuJugend blikation mit der Bezeichnung "Südwest Stimme" (SWS) heraus. Die Schrift wird überwiegend von JN-Mitgliedern hergestellt und erscheint vierteljährlich. 71 Das bündnispolitische Konzept VOIGTs entspricht zunehmend der politischen Orientierung der JN, die eine Zusammenarbeit von Nationaldemokraten, Nationalrevolutionären und Neonazis propagieren. Da weder die REP noch die DVU zu einer bündnispolitischen Einigung mit der NPD bereit sind, versucht der Parteivorsitzende, sein primäres Ziel, die Meinungsführerschaft der NPD im "rechten Lager", durch eine Doppelstrategie zu erreichen. Zum einen will er den traditionellen Kurs der NPD als Wahlpartei beibehalten, zum anderen strebt er aber auch eine organisationsübergreifende Bündelung aller "rechten" Kräfte an. In einem in der DS-Ausgabe Nr. 6/Juni 1997 veröffentlichten Interview bezeichnete der Bundesvorsitzende die NPD als "die authentische nationale Partei in Deutschland"'. Es müsse ihr gelingen, politische Heimat für alle nationalen Strömungen in Deutschland zu werden: "Die zu uns strömende nationalistische Jugend wird dabei den notwendigen revolutionären Geist in unserer Bewegung beleben. Der nationale Widerstand in Deutschland muß endlich ohne Ansehen von Personen zur Wirkung kommen, und welcher Partei wenn nicht der NPD, käme wohl sonst diese große Aufgabe zu ... Sollte es uns gelingen, die Einsicht in den vielen Splitterund Kleinstgruppen zu erreichen, endlich die Zellteilung zu überwinden, um etwas verändern zu können, wenn wir zusammenstehen werden wir beginnen, Macht und Einfluß zu gewinnen. " (Fehler im Original) VOIGT will offenbar auf Aktionsbündnisse mit außerhalb der Partei stehenden, zumeist aktionistisch orientierten Kreisen nicht verzichten. Eine Partei, die nur noch sporadisch in Kommunalparlamenten vertreten sei, müsse sich auch der Methoden einer "Außerparlamentarischen Opposition " (APO) bedienen, um Erfolg zu haben. Das Verhältnis zwischen den JN und der Mutterpartei war in der Rechtsextremismus Vergangenheit von Spannungen und Konflikten geprägt. Diese resultierten aus dem Streben der JN nach größtmöglicher Autonomie sowie dem gleichzeitigen Versuch der NPD, die Jugendorganisation in die Parteidisziplin einzubinden. Bereits kurz nach seiner Wahl hatte VOIGT die Bedeutung der vornehmlich nationalrevolutionär orientierten JN hervorgehoben - und damit indirekt auch deren partielle Zusammenarbeit mit Neonazis gewürdigt. Durch die Stärkung der JN will VOIGT der Tendenz entgegenwirken, bei der NPD handele es sich um eine "Altherrenpartei", die für das politische Wirken von Neonazis nicht von Interesse sei. * Politischer Kurs Neben den traditionellen Aktionsfeldern - Revisionismus, Fremdenfeindlichkeit, Überbetonung des Kollektivgedankens ("Völkischer Kollektivismus") sowie der Diffamierung der freiheitlichen DemokraAgitationstie, ihrer Institutionen und Repräsentanten - stellt die NPD verstärkt schwerpunkte wirtschaftsund sozialpolitische, mit rechtsextremistischen Erklärungsmustern versehene Themen in den Mittelpunkt ihrer Agitation. Unter dem Vorwand, sich an den wirklichen Problemen des deutschen Volkes orientieren zu wollen, werden "systemüberwindende"', gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Positionen verbreitet. Die durch den " b e f r e i u n g s - nationalistischen und antikapitalistischen Kampf" angestrebte neue Ordnung soll in eine antipluralistische "Volksgemeinschaft" münden. So hieß es in einem Kommentar VOIGTS in der DS, Nr.9/97, S. 2: 73 "... Die NPD hat als einzige Partei unter der sich tummelnden Konkurrenz ein Parteiprogrammfür eine neue politische Ordnung, in der nicht länger Zins und Kapital, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht. Wir Nationaldemokraten wollen keine kosmetischen Veränderungen, keine Koalitionen mit den Etablierten, sondern eine Neuordnung der Werte unserer Gesellschaft, die wieder zur Gemeinschaft werden soll..." Aktivitäten Anmeldung Die Parteiarbeit konzentrierte sich 1997 vor allem auf mehrere überreeiner Degionale Veranstaltungen. Dazu gehörte eine von der NPD angemeldemonstration te Demonstration unter dem Motto "Unsere Großväter waren keine gegen die Verbrecher" gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Die VerbreWehrmachtschen der Wehrmacht 1941 -1944" am 1. März 1997 in München. ausstellung Für die "Demonstration des nationalen Widerstands" wurde im gein Münsamten rechtsextremistischen chen Spektrum bis hinein in bürgerliUNSERE GROSSVÄTER che Kreise mobilisiert. An dem ^ T WAREN KEINE Marsch durch die Münchner InVERBRECHER nenstadt nahmen nach Polizeiangaben rund 4.300 Personen teil. Dabei handelte es sich zu etwa 90 Prozent um junge Menschen, die teilweise der Skinheadbzw. neonazistischen "Szene" angehören. Zum Abschluß der Aktion wurden u.a. von VOIGT und dem JN-Vorsitzenden APFEL Ansprachen gehalten. Aus Baden-Württemberg waren etwa 200 NPD/JN-Angehörige UND WIR SIND - STOLZ AUF SIE! 74 Rechtsextremismus nach München gereist. Zudem war die Crailsheimer Skinheadszene ebenso vertreten wie die "Kameradschaften" und "Neonazikreise" aus Stuttgart, Heilbronn, Karlsruhe und Villingen-Schwennigen mit etwa 70 Personen. Besonders fielen jedoch etwa 80 Anhänger (davon ca. 30 aus Baden-Württemberg) des neonazistischen FVB auf, die in uniformähnlicher Kleidung als "schwarzer Block" aufmarschierten und den Schluß des Demonstrationszugs bildeten. Bei dieser Versammlung ist es NPD und JN gelungen, weit über die Grenzen ihrer Organisation hinaus andere Rechtsextremisten, insbesondere Neonazis, für ihre Ziele zu begeistern. Der erfolgreiche Verlauf der Großveranstaltung brachten NPD und JN ausdrücklich Anerkennung im rechtsextremistischen Lager. Am 1. Mai 1997 wollte die NPD gemeinsam mit ihrer Jugendorganisation den Erfolg von München mit einer in Leipzig angemeldeten Kundgebung zum "Tag der nationalen Arbeit 1997" wiederholen, die jedoch am Vorabend verboten wurde. Daraufhin gelang es den Organisatoren nicht mehr, ihre - bereits auf der Anreise nach Leipzig befindlichen - Anhänger zu einer zentralen Demonstration an einem anderen Ort zusammenzuführen. Ein Teil der nach Leipzig angereisten Rechtsextremisten - vorwiegend Neonazis - führte gleichwohl in mehreren deutschen Städten unangemeldete Kundgebungen und Aufzüge durch: LI In Hannoversch Münden (Niedersachsen) sprach ein ehemaliErsatzveranger FAP-Funktionär auf einer von den Medien beachteten staltungen Kundgebung vor ungefähr 300 Rechtsextremisten. für verbote- * Im hessischen Alsfeld versuchte das "rechte" Spektrum eine ne 1. MaiSpontandemonstration durchzuführen. Eine etwa 90 Personen Demonstraumfassende Gruppe formierte sich dort am Bahnhof und martion in schierte mit Fahnen und Transparenten in Richtung InnenLeipzig stadt. Der Marsch wurde jedoch nach kurzer Zeit von der Polizei aufgelöst. Unter den erkennungsdienstlich behandelten Demonstrationsteilnehmem befanden sich 72 Personen aus dem Raum Heidelberg. LI Bei Buskontrollen in Bayern wurden rund 70 Personen aus Baden-Württemberg festgestellt. Dabei handelte es sich um JN-Mitglieder und Skinheads vorwiegend aus Heilbronn, Crailsheim und dem Rems-Murr-Kreis sowie Neonazis aus den Räumen Stuttgart und Karlsruhe. Insgesamt wollten sich vermutlich rund 200 Rechtsextremisten aus Baden-Württemberg an der Demonstration zum 1. Mai beteiligen. Das Scheitern der Veranstaltung am 1. Mai in Leipzig sowie die schlecht organisierten und konzeptionslosen Spontanaktionen in anderen Städten fanden negative Resonanz und bedeuteten einen herben Rückschlag auf dem Weg zu einer Bündelung der "rechten" Kräfte unter der Führung der NPD. Teilnehmende Neonazis äußerten sich verärgert über das hilflose Verhalten der JNbzw. NPD-Funktionäre nach dem Demonstrationsverbot. * Situation in Baden-Württemberg: Bereitsam 19. April 1997 fand in Böblingen der diesjährige Landesparteitag der NPD statt, an dem neben dem gesamten Vorstand ca. 60 Parteimitglieder und Anhänger teilnahmen. Im Verlauf der Versammlung wurde eine "Solidaritätserklärung" für Günter DECKERT abgegeben, der seit November 1995 in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal inhaftiert ist. Der ehemalige Bundesvorsitzende genießt insbesondere im Kreisverband Rhein-Neckar/Heidelberg, aber auch bei anderen Teilen des Landesverbands unverändert Ansehen. Insgesamt ist jedoch die Zahl seiner Anhänger in den vergangenen Monaten deutlich gesunken. Ihm werden nicht nur die gegen den NPD-Parteivorstand gerichteten polemischen Äußerungen in seinen Publikationen ("DECKERT-Depesche", "DECKERT-Stimme") angelastet, sondern er wird auch für finanzielle Verfehlungen des ehemaligen Bundesschatzmeisters verantwortlich gemacht. Der überwiegende Teil der Mitglieder des Landesverbands steht hinter der Politik VOIGTs, der für sie die Erneuerung der NPD verkörpert. Herausragendes Ereignis im Land war 1997 eine bundesweite Unterstützeraktion für die "Verteidiger" des "NPD-Zentrums" in Eningen unter Achalm. Auf dem Anwesen versammelten sich am 31. Januar und am 1. Februar 1997 etwa 150 Rechtsextremisten, um die "Nationale Begegnungsstätte" vor "Angriffen" der "Linken" im Rechtsextremismus Rahmen einer gegen das Objekt gerichteten Demonstration am 1. Februar (vgl. Ziff. 4.3.1) zu schützen. Die Organisatoren wurden von der großen Resonanz auf ihre Unterstützeraufrufe dermaßen überrascht, daß die Aufnahmekapazität des Hauses bald erreicht war. Zahlreiche, aus dem gesamten Bundesgebiet angereiste Rechtsextremisten fanden daher keinen Einlaß und mußten die Heimreise antreten, was erheblichen Unmut auslöste. * Wahlen Die NPD erzielte bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 21. September 1997 ernüchternde 0,1 % (= 1.127), bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen zwischen 0,1% und 0,2% der Stimmen. Die Partei hatte, um in den Genuß der Wahlkampfkostenpauschale zu kommen, die Überwindung der 1 %-Marke angestrebt, die jedoch deutlich verfehlt wurde. Im Vorfeld hatte die NPD den REP und der DVU vergeblich Wahlbündnisse angeboten. Trotz des Wahldebakels in Hamburg strebt die NPD die Teilnahme an der Bundestagswahl 1998 an. Der NPD-Landesverband Baden-Württemberg hielt bereits am 7. September 1997 einen außerordentlichen Landesparteitag zur Aufstellung der Landesliste ab. In Kampfabstimmungen erreichte der NPD-Landesvorsitzende Hartmut HILDEBRANDT mit nur einer Stimme Vorsprung gegenüber DECKERT den Listenplatz 1. 4.3.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Dresden Mitglieder: ca. 60 Baden-Württemberg (1996: ca. 40) ca.350 Bund (1996: ca. 200) Publikation: "DER AKTIVIST" "Einheit und Kampf (EuK) * Organisation Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) sind gemäß der Satzung der NPD "integraler Bestandteil" der Mutterpartei. Kraft Amtes ist der derzeitige JN-Bundesvorsitzende Holger APFEL zugleich Mitglied des NPD-Bundesvorstands. In einem Vorwort der JN-Publikation "DER AKTIVIST" (Nr. 1/97) machte er deutlich, "daß JN und NPD eine Einheit darstellen, die es nicht zu trennen gilt... Eine Partei wie die NPD braucht eine junge, dynamische Jugendbewegung als Speerspitze". Der JN-Bundesverband gliedert sich in Landesverbände und auf regionaler Ebene in Stützpunkte. Die JN verstehen sich als "politische Bewegung" und sehen die Festigung ihrer Kader als einen Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit an. "Der politische Kampf ist laut einer Aussage von APFEL im Organ "DER AKTIVIST" (Nr. 1 /1997) "eine Symbiose aus dem aktiven Kampf auf der Straße und der Verbandsund Organisationsarbeit". deutliche Die JN können mit bundesweit inzwischen rund 350 Mitgliedern eine Steigerung deutliche Steigerung ihrer Mitgliederzahlen vorweisen. Die JN seien - der Mitglieso APFEL in einem Rundschreiben - "inzwischen die größte und akderzahlen tivste nationale Jugendorganisation in der heutigen 'BRD' und somit zum Kristallisationskern des nationalen Widerstandes geworden". Dieser Aufwärtstrend ist einerseits darauf zurückzuführen, daß sich ehemalige Mitglieder verbotener neonazistischer Vereinigungen den JN angeschlossen haben, andererseits verfügt die Organisation mittlerweile über ein erhebliches Anhängerund Unterstützerpotential, d.h. Personen ohne förmlichen Mitgliederstatus. Der JN-Landesverband Baden-Württemberg konnte seinen Mitgliederbestand deutlich steigern. In den Stützpunkten Stuttgart, Ludwigsburg, Heilbronn, Rems-Murr-Kreis und Mannheim sind nunmehr rund 60 Mitglieder organisiert. * Politischer Kurs Die JN bekennen sich zur Grundhaltung und zum Programm der Mutterpartei, formulieren aber wesentlich deutlicher ihre Ablehnung des bestehenden "Systems" der Bundesrepublik Deutschland. Beide - JN und NPD - streben den Aufbau eines neuen deutschen Reiches an und wollen aus einem kollektivistischen Gesellschaftsbild 78 Rechtsextremismus heraus durch die Schaffung einer "Volksgemeinschaft" (DS, Nr. 8/ 1996, S. B) die Existenz des deutschen Volkes sichern. Bereits in ihren "Thesenpapieren" vom Februar 1991, die weiterhin das ideologische Fundament ihrer Jugendarbeit bilden, messen die JN nur dem Volk als Ganzem einen Wert bei. Der Kern jeder Demokratie liege nicht im Wahlrecht, sondern in der Mitwirkung. An der Demokratie teilzunehmen bedeute, sich selbst als Teil eines Ganzen, als Mitglied einer Volksgemeinschaft zu erkennen. Diese Überbetonung der Gemeinschaft ist zwangsläufig mit einer Abwertung des Individuums verbunden, die den Grundsätzen unserer Verfassung widerspricht. Die JN verunglimpfen in ihren Aussagen den demokratischen Rechtsstaat und seine Repräsentanten in verleumderischer Weise. Unter dem Deckmantel eines angeblichen Kampfs für die Interessen der Bevölkerung zielen sie darauf ab, das parlamentarische System insgesamt als unfähig, korrupt und gegen die Interessen des Volkes gerichtet darzustellen. In einem Flugblatt zum "Kampftag der Arbeit" am 1. Mai 1997 in Leipzig stellte der Bundesvorstand die "liberalkapitalistischen Systemparteien in der BRD" als "unfähig und offenbar auch unwillig" dar, die soziale Not in Deutschland zu beheben. "Moralischer und kultureller Verfall sind die sicheren Anzeichen totalen Versagens der etablierten Politiker in Bonn. Ungebremste Profitsucht, Machtgier und kalter Egoismus sind ihre niedrigen Beweggründe"', lautete der Tenor des Flugblatts. Anlehnung Die offene Politik der Organisation gegenüber Neonazis führt neben an neonazieiner Steigerung der Teilnehmerzahl bei JN-Aktionen auch zu einer stisches zunehmenden Radikalisierung. Bei den JN verstärken sich die AffiniGedankentat zu neonazistischem Gedankengut und die "revolutionäre Ausgut richtung". Zu einer Zäsur im Hinblick auf diese neonazistische Ausprägung kam es im August 1997, als sich bei der Redaktion von "Einheit und Kampf (EuK) tiefgreifende Änderungen ergaben. Noch im Januar 1997 war der Bremer Neonazi Markus PRIVENAU im Rahmen einer größeren redaktionellen Umgestaltung an die Spitze des Blatts berufen worden war. In einer Mitteilung, die der AugustAusgabe (Nr. 19/1997) der EuK beigefügt war, erklärte PRIVENAU jedoch seinen Austritt aus den JN und legte sämtliche EuK-Funktionen nieder. Er begründete dies mit dem an ihn gerichteten Vorwurf des JN-Bundesvorstands, sich nicht an die JN-Linie gehalten zu haben. Die von den JN-Führungsgremien beanstandete EuK-Ausgabe zeigte auf dem Titelbild das Konterfei von Heß mit der Headline "Rudolf Heß vor 10 Jahren ermordef. Außerdem enthielt sie einen längeren Bericht zum Todestag des "Märtyrers für den Frieden" sowie eine Fortsetzungsreihe über die SA. Durch seinen Rücktritt kam PRIVENAU vermutlich einer Entlassung durch den Bundesvorstand der JN zuvor. Dieser Streit um die inhaltliche Ausgestaltung von EuK zeigt, daß die JN-Führung trotz aller Annäherung gleichzeitig darum bemüht ist, den neonazistischen Einfluß innerhalb der Organisation nicht zu groß werden zu lassen. 80 Rechtsextremismus Q Aktivitäten Die Zusammenarbeit im "nationalen Widerstand" erreichte mit der Demonstration gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Die Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944" am 1. März 1997 in München eine neue Qualität. Angeleitet durch JN und NPD, habe die "politische Kampfgemeinschaft" ein "eindrucksvolles Fanal gegen die tagtägliche Selbstbesudelung unseres deutschen Volkes" gesetzt, kommentierte APFEL die Aktion in einem Beitrag im JN-Infoblatt "DER AKTIVIST" (Nr. 1/97, S.3). Zum Zerwürfnis zwischen "Nationaldemokraten" und Neonazis kam es, als vier Bundesvorstandsmitglieder der JN in einem als "offener Brief" bezeichneten Schreiben im Juli 1997 massive Kritik am Verhalten der Neonazis wegen der "verpatzten" 1. Mai-Demonstration in Leipzig übten und mit einem Ausstieg aus den Planungen zum 10. Todestag von Heß drohten: "... Nachdem Ihr es offenbar nicht für nötig befunden habt, nach dem Erfolg von München, der ein Erfolg des gesamten nationalen Widerstandes war, dazu beizutragen, den 1. Mai gemeinsam zu planen, laßt Ihr nach einer erneuten Einladung von uns, nicht den Willen erkennen, evtl. persönliche und politische Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg zu räumen, um zu einer vernünftigen Aktionseinheit zu gelangen ... Wir gehen daher davon aus, daß Euch an einer echten Zusammenarbeit nicht viel gelegen ist und stellen deshalb Initiativen von unserer Seite ein Im Vorfeld der Gedenkveranstaltungen kam es wegen des Rückzugs der JN zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem "Aktionskomitee Rudolf Heß 1997" und dem JN-Bundesvorstand. Die Führung der JN sprach sich gegen eine Teilnahme an "zentralen HeßAktionen (z.B. Marsch)" aus "bestimmten taktisch-propagandistischen Gründen" aus. Sie will künftig bei Veranstaltungen nur noch Themen aufgreifen, denen eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung sicher ist; das Thema "Heß" gehört ihrer Meinung nach nicht dazu. Die Absage kommentierte - das von führenden Neonazis gebildete - "Aktionskomitee" mit großem Unverständnis. Deren Vertreter drohten den JN damit, daß "mit Sicherheit eine Bilanz gezogen" werden müsse "nach diesen Rudolf-Heß-Wochen", und dann werde die "JNFührung (nicht die Basis) nach ihren Taten und Worten gemessen". Am Beispiel der gescheiterten "Rudolf-HeßWochen ", aber auch der Aktionen zum 1. März und 1. Mai zeigt sich, daß ein Zusammenwirken von NPD und JN mit Neonazis zur Zeit allenfalls bei bestimmten Themen funktioniert. Auch in naher Zukunft wird es vermutlich zu keiner längerfristigen oder gar institutionalisierten Zusammenarbeit kommen. Am 10. Mai 1997 führten die JN ihren 26. ordentlichen Bundeskongreß in Roding/Bayern durch, an dem rund 100 Personen teilnahmen. Bei den Vorstandswahlen wurde der bisherige Vorsitzende APFEL in Wahl von seinem Amt bestätigt. Überdies wurden mehrere Aktivisten verboteNeonazis in ner neonazistischer Organisationen in den Bundesvorstand gewählt. den BundesDer Landesverband Baden-Württemvorstand berg ist in diesem Gremium mit einem Beisitzer vertreten. Unter dem Motto "Zerschlagt die EUDiktatur des internationalen Großkapitals" fand am 18. Oktober 1997 mit etwa 500 Teilnehmern der "4. Europäische Kongreß der Jugend" in Fürth im Wald/Bayern statt. An der Veranstaltung nahmen u.a. Rechtsextremisten aus Spanien, Griechenland, Frankreich, der Schweiz und Südafrika teil. 82 Rechtsextremismus U Landesverband Baden-Württemberg Der Landesverband Baden-Württemberg hat ebenfalls von dem bundesweiten Aufwärtstrend und einer Steigerung der Mitgliederzahlen profitiert. Beziehungen zwischen den baden-württembergischen JN und Neonazis bestehen nur marginal. Zwar gibt es auch im Landesverband Tendenzen zu einem unbefangeneren Umgang mit Neonazis, jedoch stellen einige gemeinsame Veranstaltungen sowie wenige Kontakte von JN-Mitgliedern zur neonazistischen "Szene" lediglich vereinzelte Berührungspunkte dar: U Unter der Leitung des stellvertretenden JN-Landesvorsitzenden fand am 10. Januar 1997 anläßlich der Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944" vor dem "Badischen Kunstverein" in Karlsruhe eine Mahnwache der JN unter dem Motto "Der Deutsche Soldat: Ehrlich, anständig, treu - Schluß mit der antideutschen Hetze!" statt. An der angemeldeten Aktion nahmen etwa 25 Personen teil, darunter einige bekannte Neonazis. ü Bei einer Informationsveranstaltung des JN-Landesverbands am 12. Juli 1997 in Heiningen/Krs. Göppingen nahmen nach Erkenntnissen der Polizei etwa 30 Personen teil. Besonders auffällig war die Teilnahme einer größeren Anzahl rechtsextremistischer Skinheads. Am 27. September 1997 fand der Landeskongreß in Steinheim an der Murr statt. An der Versammlung nahmen etwa 110 Personen - darunter jedoch nur ca. 30 stimmberechtigte JN-Mitglieder - teil. Wichtigster Tagesordnungspunkt der Veranstaltung war die Wahl des neuen Landesvorstands. Der bisherige JN-Vorsitzende Michael WENDLAND, Weissach, trat nicht mehr zur Wahl an. Zum neuen Landesvorsitzenden wurde Mike LAYER, Freiberg am Neckar, gewählt. Am 20. September 1997 wurde bei der Bundesversammlung des "Nationaldemokratischen Hochschulbundes" (NHB) das Vorstandsmit- glied des JN-Landesverbands Baden-Württemberg, Christoph DIETERMANN, Backnang, in den Bundesvorstand gewählt. Die Studentenorganisation der NPD war in den letzten Jahren nahezu bedeutungslos. Nunmehr soll eine Gruppe des NHB in Stuttgart aufgebaut werden. 4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Gründung: 1991 (Aufgabe des Parteistatus im Oktober 1996) Sitz: Coburg Mitglieder: ca. 50 Baden-Württemberg (1996: ca. 100) ca. 700 Bund (1996:ca. 800) ü Politischer Kurs Die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) verfolgt weiterhin ihr Ziel, die angestrebte "Einheit der Rechten" zu verwirklichen. Der Entschluß des Bundesvorstands vom Oktober 1996, sich als politische Partei aufzulösen und die Rechtsform eines Vereins anzunehmen, hat jedoch letztlich nicht zur Überwindung der "rechten Spaltung" beitragen können. Vielmehr mußten weitere Mitgliederverluste und damit verbundene finanzielle Einbußen hingenommen werden. Am 12. Oktober 1997 fand in Höchstadt/Bayern der erste Bundeskongreß der DLVH seit der Aufgabe ihres Parteistatus statt, in dessen Mittelpunkt Vorstandsneuwahlen standen. Dabei wurden die bisherigen Bundessprecher Ingo STAWITZ (Schleswig-Holstein) und Jürgen SCHÜTZINGER (Villingen-Schwenningen) in ihren Ämtern bestätigt. Die Wiederwahl von STAWITZ erfolgte allerdings überraschend, da sein Eintritt in die NPD Anfang 1997 für erhebliche Irritationen im Bundesvorstand gesorgt hatte. Harald NEUBAUER (Bayern), bisher ebenfalls Bundessprecher, stand nicht mehr zur Verfügung. Trotz veränderter organisatorischer Strukturen ist die bundesweite politische Präsenz der DLVH jedoch nach wie vor unbedeutend. Nicht zu unterschätzen sind allerdings die Einflußmöglichkeiten des Vereins durch seine Nähe zu rechtsextremistischen Publikationen wie R e c h t s e x t r e m i s m u s "NATION & EUROPA - Deutsche Monatshefte" sowie "EUROPA VORN", die von DLVH-Funktionären herausgegeben werden. ü Aktivitäten Die Bestrebungen der DLVH um eine Einigung des rechtsextremistischen Lagers sind insbesonRECHTE dere in den Aktivitäten SCHÜTZINGERs zu erVEREINIGT kennen. Er ist laut einer Pressemitteilung des EUCH ! am 11.April 1997 neu gegründeten "FranzSchönhuber-Freundeskreises" in VillingenSchwenningen Mitglied des Sprecherrats. Ziel dieser mittlerweile in verschiedenen BundeslänDLVH dern ins Leben gerufenen "Freundeskreise" ist ebenfalls eine parteiund organisationsübergreifende Vereinigung "rechter Kräfte". Auf Einladung des rechtsextremistischen Vereins "Nation-EuropaFreunde e.V."19 , der "Gesellschaft för Freie Publizistik" (GFP) und der DLVH trafen sich am 2. November 1997 in Kösching (Bayern) mehr als 700 Mitglieder und Anhänger rechtsextremistischer Organisationen, unter ihnen auch Vertreter des französischen "Front National" (FN) und des belgischen "Vlaams Blök" (VB). Die Teilnehmer verabschiedeten eine "Köschinger Resolution ", in der sie sich für ein "Europa der Vaterländer" aussprachen und die "demokratische Rechte in Deutschland" zur Einigung nach dem Vorbild von FN und VB aufriefen. Mit diesem als "Kongreß des gemeinsamen Neubeginns demokratischer Sozialpatrioten" angekündigten Treffen und der Präsentation internationaler rechtsextremistischer "Politprominenz" sollte - rechtzeitig vor den Wahlen 1998 - erneut ein Zeichen gesetzt werden, um den nationalen und internationalen Einigungsprozeß der "Rechten " voranzutreiben. erfolglose Nach einer Phase der Stagnation der Bündnisinitiativen und "RunEinigungsbeden Tische" wertete die DLVH die Veranstaltung angesichts der hostrebung des hen Teilnehmerzahl als "wegweisenden Erfolg". Tatsächlich ist "rechten 19 Lagers'1 Der Verein "Nation-Europa-Freunde e.V." ist ein Förderkreis aus der Leserschaft von NATION & EUROPA, der auch die Arbeit der "NATION & EUROPA Verlag GmbH" unterstützt. jedoch das "rechte Lager" unverändert zersplittert und von gegenseitiger Konkurrenz geprägt. Diese Rivalitäten dokumentierten sich eindrucksvoll darin, daß FN und VB Ende 1997 gleichzeitig von unterschiedlichen deutschen Gruppen und Parteien umworben wurden (vgl. Ziff. 4.1). Der Landesverband Baden-Württemberg entfaltete 1997 nur geringe Aktivitäten. Örtlicher Schwerpunkt der Vereinsarbeit ist unverändert der von SCHUTZINGER geleitete Kreisverband Schwarzwald-Baar. Es wurden jedoch nur wenige, kaum beachtete Vortragsveranstaltungen mit rechtsextremistischen Referenten durchgeführt. Auch zu einem "kritischen Besuch" der umstrittenen "Wehrmachtsausstellung" im Oktober 1997 in Konstanz konnte die DLVH lediglich 13 Personen mobilisieren. Bei der 1. ordentlichen Mitgliederversammlung des Landesverbands Baden-Württemberg (seit Umwandlung der Partei in einen Verein) am 8. November 1997 in Villingen-Schwenningen erbrachten die Neuwahlen keine gravierenden Änderungen. SCHUTZINGER ist erneut im Landesvorstand vertreten. 5. "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) Gründung: 1960 Sitz: München, Sekretariat in Oberboihingen/Krs. Esslingen Mitglieder: ca. 40 Baden-Württemberg (1996: ca. 30) ca. 450 Bund (1996: ca. 400) Publikation: "Das Freie Forum" Die im Jahre 1960 von rechtsextremistischen Verlegern, Publizisten und Schriftstellern gegründete "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) gibt vor, sich um die "Freiheit der Meinungsäußerung und eine wahrheitsgemäße Darstellung der Geschichte unseres Jahrhunderts" kümmern zu wollen ("Das Freie Forum", Nr.3, Juli/August/September 1997). Ziel des Vereins ist es laut Satzung, "Aufklärungsarbeit" zu leisten, die angeblich verzerrende Darstellung der Zeitgeschichte zu korrigieren sowie die "Freiheit und Wahrhaftigkeit der öffentlichen Berichterstattung und Meinungsäußerung" zu fördern. Rechtsextremismus Unter dem Motto: "Sind wir noch zu retten? Deutschland zwischen Systemkrise und Systemwechsel" fand der diesjährige "Deutsche Kongreß" der GFP vom 25. - 27. April 1997 in Gera/Thüringen statt. Unter den rund 300 Teilnehmern, die aus dem Inund Ausland angereist waren, befanden sich Vertreter von REP, DLVH, NPD und JN. Auffallend hoch war die Zahl jüngerer Teilnehmer, die überwiegend aus den neuen Bundesländern stammten. Als Referenten traten u.a. die DLVH-Funktionäre Karl RICHTER und Harald NEUBAUER sowie der ehemalige REP-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, Dr. Rudolf KRAUSE, auf. Verunglimpfende Demokratiekritik und Verharmlosung des Revisionismus zeichneten die Vorträge aus: "... Dieser ganze sogenannte 'Pluralismus' ist ja überhaupt eine geradezu perfide Taktik, wie man ein Volk kaputtmachen kann. Man schafft immer neue Minderheiten und spielt dann alle gegeneinander aus ..." ("Kongress-Protokoll 1997", S. 125f.) "... Um so mehr bedarf es freier und unabhängiger Geister, die sich keinen Maulkorb umhängen lassen. Und die sich nicht verkriechen, wenn man sie des Revisionismus zeiht..." ("Kongress-Protokoll 1997", S. 145) Für seine "publizistische Lebensleistung" und seinen "Einsatz als Zeitzeuge für die geschichtliche Wahrheit" wurde dem 85jährigen, in Argentinien lebenden Wilfred von Oven während des Kongresses die "Ulrich-von-Hutten-Medaille" verliehen. Von Oven war während des Dritten Reiches Pressereferent des Reichspropagandaministers Josef Goebbels. Vorsitzender der GFP ist der frühere NPD-Landtagsabgeordnete Dr. DLVHRolf KOSIEK. Die zu beobachtende zunehmende Annäherung der BundesGFP an die DLVH dokumentiert sich nicht nur an der Auswahl der sprecher Referenten für den "Deutschen Kongreß", sondern sie zeigt sich auch SCHÜTZINin der Wahl SCHÜTZINGERs zum Beisitzer im GFP-Vorstand. GER in GFP Vorstand gewählt 87 6. Organisationsunabhängige rechtsextremistische Verlage "GRABERT-Verlag'VHohenrain-Verlag" Einer der größten rechtsextremistischen Verlage in Deutschland, der in Tübingen ansässige "GRABERT-Verlag", wurde bereits 1953 unter dem Namen "Verlag der deutschen Hochschullehrerzeitung" von Dr. Herbert Grabert, dem Vater des heutigen alleinigen Geschäftsführers Wigbert GRABERT, gegründet. Das Verlagsprogramm umfaßt eine Vielzahl revisionistischer Publikationen und Bücher. Neben der Vierteljahreszeitschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" (DGG) gibt der Verlag den zweimonatlich erscheinenden "Euro-Kurier - Aktuelle Buchund Verlags-Nachrichten" heraus. Die wenige Seiten umfassende Publikation enthält das aktuelle Verlagsprogramm sowie politische Beiträge, in denen tagespolitisch bedeutsame Themen aufgegriffen und entsprechend kommentiert werden. Unter der Überschrift "Wollen die Deutschen aussterben?" hieß es beispielsweise: "Einem unbefangenen Beobachter muß dies alles zwangsläufig so erscheinen, als werde von Bonn systematisch ein neuer Morgenthauplan verwirklicht: Alles wird getan, damit das deutsche Volk möglichst schnell in wenigen Generationen völlig überfremdet wird und dann sangund klanglos ausstirbt: zweifellos die Endlösung der deutschen Frage. Mit gewissem Recht erklärte Dr. Alfred Mechtersheimer auf einer Vortragsveranstaltung der Republikaner am 14.3.1997 im Stuttgarter Landtag: 'Wer lernen will, wie man sein Land zugrunde richtet, könnte in Bonn sein Praktikum machen!" ("Euro-Kurier", 8. Jg., Nr. 2, April 1997) Mehrere Bücher dieses Verlags sowie des ebenfalls von GRABERT geleiteten Tochterunternehmens "Hohenrain-Verlag", Tübingen, wurden in den letzten Jahren u.a. wegen Volksverhetzung beschlagnahmt 88 Rechtsextremismus oder von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert. Am 15. Dezember 1997 durchsuchte die Polizei die Geschäftsräume des "Hohenrain-Verlags". Gegen GRABERT wird im Zusammenhang mit der Beschlagnahme der von Josef EIBICHT herausgegebenen und 1994 im "Hohenrain-Verlag" erschienenen Druckschrift "Helmut Diwald - Sein Vermächtnis für Deutschland - Sein Mut zur Geschichte" wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt. Nachdem es 1996 zu heftigen Protesten von Parteien, Schriftstellern und Gewerkschaften gekommen war, drängte der "Verband der Verlage und Buchhandlungen in Baden-Württemberg" den "GRABERT"und den "Hohenrain-Verlag", auf die Teilnahme an den Buchwochen in Stuttgart und Karlsruhe zu verzichten. Dies wurde vom "EuroKurier" unter der Überschrift "Ist Deutschland revolutionsreif ?" folgendermaßen kommentiert: "Die Meinungsfreiheit ist durch Sondergesetze praktisch abgeschafft, die Pressefreiheit gilt nur für Genehmes: Verleger, Redakteure und Verfasser, sogar Übersetzer bei Vorträgen erhalten unverhältnismäßighohe Geldstrafen oder gar jahrelange Haft, wenn sie bestimmte Tatsachen anführen oder an Tabus rütteln, die vor wenigen Jahren noch jeder berechtigt in Zweifel ziehen konnte. Ein Landeswirtschaftsminister wie der liberale FDPler Döring in Stuttgart kann gar den Verband der Verlage und Buchhändler Baden-Württembergs erpressen, einen von ihm nicht geschätzten Verlag an der Teilnahme an den Stuttgarter Buchwochen zu hindern ... " ("Euro-Kurier", 8. Jahrgang, Nr. 5, Oktober 7. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremis- m us Im Jahr 1997 gingen die internationalen Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu ausländischen Gesinnungsgenossen weiter zurück. So erreichte beispielsweise die Teilnehmerzahl des "KameradschaftsTreffen in abends" anläßlich der "70. Yser-Wallfahrt" - der traditionellen GeBelgien, denkfeier flämischer Patrioten - am 30./31. August 1997 in Diksmuide/ Frankreich Belgien mit rund 140 Rechtsextremisten aus Belgien, den Niederlanund den Nieden, Frankreich und Deutschland den bislang niedrigsten Stand. Auch derlanden an der internationalen Zusammenkunft am Rande des traditionellen Ulrichsbergtreffens zum Gedenken der Gefallenen beider Weltkriege am 4. Oktober 1997 in Klagenfurt/Österreich nahmen weit weniger Rechtsextremisten als früher teil. An dem für den 14. August 1997 von der "Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung" angemeldeten europäischen "Heß-Gedenkmarsch " beteiligten sich überwiegend Neonazis aus den Niederlanden. Lediglich an den Feierlichkeiten zum Todestag des spanischen Diktators Franco vom 21. - 23. November 1997, die für viele nach wie vor ein besonderer Anziehungspunkt sind, waren rund 100 deutsche Rechtsextremisten angereist. Gegenüber dem Vorjahr hat sich damit die Teilnehmerzahl aus Deutschland verdoppelt. In einem Flugblatt, das der englischsprachigen Publikation "The New Order", Nr. 127, März/April 1997 - amerikanische Ausgabe des "NSKampfruf - beigefügt war, forderte die "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/ AO) ihre Anhänger zu einer neuen Propagandaoffensive auf. Ein weiteres Informationsblatt kündigte schließlich das Erscheinen der August-Ausgabe des "NS-Kampfrufs" an. Seit der Inhaftierung von Gary Rex LAUCK - dem selbsternannten "Organistionsleiter" der NSDAP/ AO - war die Zeitung nur noch unregelmäßig erschienen. Hintergrund MPFRUF Ajsrracmrr PXM NATIONALSOZIALISTISCHEN DEUTSCHBN ARMMITXXPAXTSTAUSLAMDS ****""* * UND AtrBAlfORGANISATION AMUM""1101] 90 Rechtsextremismus dieser Initiative dürfte die erhoffte Haftentlassung LAUCKs gewesen sein, der im November 1997 zwei Drittel seiner Strafe verbüßt hatte. Insgesamt wurden 1997 lediglich drei Ausgaben der Publikation veröffentlicht. Eine weitere - datiert vom Dezember 1997 - erschien im Februar 1998. Von einer unbekannten Redaktionsgemeinschaft namens "Die Freunde im Ausland" (DFiA) wurde auch 1997 von Großbritannien aus die reNational ürifJournal Beilage mm NATIONAL JOURNAL pro Matf1987| * sieicn/fisg Leseprobe Die Bestrafung der antideutschen visionistische MonatszeitTriebtäter muß kommen schrift "National Journal" verJetzt ist sie da, die Kapitulation der Lügenfront sandt, die in einem Verlag des Sind wir am Ende durch Mullikultuiund Holocaust-Lügen ' Trotz Geständnisse der Lügner schmachte" die Freiheitlichen im Kerker! britischen Rechtsextremisten Anthony HANCOCK in Uckfield/England, Sussex, als Nachfolge-Publikation des früheren "Deutschland-Reports" bzw. der "Remer-Depesche" erscheint. In einer als Steckbrief aufgemachten Beilage zur Mai-Aus*fci'nßgcimi-r-M'-itifc^verstlirci und jKhaüi AKT ('s iiitrtsfis 1.!.*>**: -::!**:? rs-r IVliuker und Mrdien. Sie Sahen um .<">ai7lkhmiodrsEiii.rt!ii Uli rmferHi ICH ton .".;.:-.- . :, K.,-i|'rn,!.,i,i,T! rkiwb [fc \-*-**** f j m m M b n j g " tlanar ftrt gabe des "National-Journals" " Wir hassen Deutsche... Das Türkentum ist unser Körper, unsere Seele ist der Islam... Gewalt gegen Ungläubige ...Ich scheiß' auf deinen deutschen Paß:' prangerte ein "Human Rights Committee " die Verurteilung DECKERTs wegen Menschenrechtsverletzung an. Dabei wurde unter der Überschrift "Die Bestrafung der antideutschen Triebtäter muß kommen" in übelster Weise gegen den Anklagevertreter im Prozeß gegen DECKERT vor dem Landgericht Mannheim polemisiert. 8. Revisionisten 8.1 Allgemeines Inländische und ausländische Rechtsextremisten versuchen unter dem selbstgewählten Begriff Revisionismus ein Geschichtsbild vom Nationalsozialismus zu zeichnen, das von den anerkannten Ergebnissen wissenschaftlicher Forschungen über die Zeit des Dritten Reiches abweicht. Tatsache und Umfang des millionenfachen Mordes an Juden in der Zeit des Nationalsozialismus sowie die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg werden vertuscht und geleugnet. Mit Hilfe pseudowissenschaftlicher Gutachten soll die These untermauert werden, eine Vergasung von Menschen in Auschwitz sei schon allein aus techniVersuch der schen Gründen nicht möglich gewesen. RehabilitieZiel des Revisionismus ist die Rehabilitierung des Nationalsozialisrung des mus, um ihn wieder salonfähig zu machen. Nationalsozialismus 8.2 Aktivitäten deutscher Revisionisten im Ausland Einige bekannte Revisionisten haben inzwischen ihren Wohnsitz nach Spanien verlegt, um der Strafverfolgung in Deutschland zu entgehen. Hierzu gehört auch der Diplomchemiker Germar SCHEERER geb. RUDOLF alias Ernst Gauss (Pseudonym), Böblingen, der 1995 wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß vom Landgericht Stuttgart zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 2 Monaten ohne Bewährung verurteilt wurde. Das sogenannte RUDOLF-Gutachten, in dem SCHEERER den Massenmord an Juden während des Dritten Reiches in den Konzentrationslagern von Auschwitz und Birkenau leugnet, sowie seine weiteren Bücher und Texte können mittlerweile auch über die seit 1985 bestehende belgi\i"r t" $* tf\SS ^ sche Organisation "Vrij Historisch Onderzoek" bezogen werden, die revisionistische Bücher und Videokassetten in verschiedenen Sprachen vertreibt. Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes ist der belgische Rechtsextremist Herbert VERBEKE. Seit März 1997 wird von VERBEKE zweimonatlich eine neue Ausgabe der Zeitschrift "Viertelsjahreshefte für freie Geschichtsforschung" herausgegeben. Die Publikation mit internationaler Ausrichtung und umfangreichem Literaturangebot gibt vor, eine wissenschaftliche Fachzeit92 Rechtsextremismus schrift zu sein. Sie enthält zahlreiche Artikel, in denen die Politik des Dritten Reiches gerechtfertigt und der Holocaust geleugnet werden. Zu den wichtigsten Autoren gehören neben SCHEERER die bekannten Revisionisten David IRVING und Robert FAURISSON sowie die revisionistischen Historiker Dr. Alfred SCHICKEL und Dr. Joachim HOFFMANN. Seit Anfang 1997 wird bundesweit die 38seitige Broschüre "Eine Deutsche Antwort auf die Goldhagenund Spielberglügen. Unterdrückte Tatsachen über Auschwitz und den Holocaust" verbreitet. Bei der meist anonym zugesandten Schrift handelt es sich um eine rechtsextremistische Publikation, in der der Völkermord an den Juden und die Verfolgung der Sinti und Roma zur Zeit des Dritten Reiches geleugnet werden. Die Leser werden aufgefordert, die Broschüre zu kopieren und weiterzugeben. VERBEKE zeichnet auch für diese Publikation verantwortlich. In Nordrhein-Westfalen wurde deshalb ein Sammelverfahren wegen Volksverhetzung gegen ihn eingeleitet. Im Alter von 85 Jahren starb im Oktober 1997 in Marbella/Spanien der Revisionist Otto-Ernst REMER, der maßgeblich an der Niederschlagung des Putschs gegen Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt war. Der ehemalige 2. Vorsitzende der 1952 verbotenen "Sozialistischen Reichspartei" (SRP) hatte im Jahre 1983 die neonazistische Organisation "Die Deutsche Freiheitsbewegung" (DDF) gegründet, deren Vorsitz er bis 1989 innehatte. Von 1991-1993 war REMER verantwortlicher Herausgeber der Publikation "Remer Depesche". 1994 hatte er sich der Vollstreckung einer 2jährigen Freiheitsstrafe durch Flucht nach Spanien entzogen, wo er bis zu seinem Tode blieb. Vom 24. - 26. Oktober 1997 fand nahe Flensburg eine Gedenkfeier zu Ehren des am 13. Februar 1997 in Kiel verstorbenen Altnazis Thies CHRISTOPHERSEN statt. 80 Rechtsextremisten aus Deutschland und Belgien versammelten sich zur Kranzniederlegung an der Grabstätte. Der ehemalige, wegen rechtsextremistischer Aktivitäten mehrfach vorbestrafte SS-Mann hatte sich 1986 der Strafverfolgung in Deutschland durch die Flucht nach Dänemark, in die Schweiz und nach Spanien entzogen und war Anfang 1997 schwerkrank nach Deutschland zurückgekehrt. Der in Toronto/Kanada lebende Deutsche Ernst ZÜNDEL ist einer der weltweit führenden Revisionisten. Er verbreitet seine antisemitischen und volksverhetzenden Thesen in den von ihm herausgegebenen, monatlich erscheinenden "Germania-Rundbriefen". Im "World Wide Web" (WWW) ist er mit seiner als "Zündelseite" bezeichneten Homepage vertreten und wirbt weltweit im Internet für das "RUDOLFGutachten" und den "Leuchter-Report" (vgl. Kap.G). 9. Erscheinungsformen der "Neuen Rechten" Unter dem Begriff "Neue Rechte" versteht man eine geistige Strömung, die sich an den Ideen der "Konservativen Revolution" der Weimarer Republik (Carl Schmitt, Arthur Moeller van den Brück und Edgar Julius Jung) und deren - aus ihrer Sicht - zeitgemäßen Weiterentwicklung orientiert. Diese Denkschule fordert nachdrücklich einen starken Nationalstaat. Als Wegbereiter für die "Neue Rechte" wirkte Alain de BENOIST, führender Kopf der französischen "Nouvelle Droite", der das Konzept einer "Kulturrevolution von rechts" entwickelte. Exponierte Vertreter dieser Ideologievariante konnten bisher in Baden-Württemberg nicht festgestellt werden. Tendenzen der Intellektualisierung im Bereich des Rechtsextremismus waren bereits seit Beginn der 80er Jahre teilweise bis ins akademische Umfeld hinein zu verzeichnen. Die Vertreter der "Neuen Rechten" suchen bewußt die politisch-intellektuelle Debatte, um dadurch langfristig mit ihren verfassungsfeindlichen Positionen die Meinungsführerschaft zu gewinnen. Sie wollen einen Prozeß in Gang setzen, der die Grenzen zwischen konservativen Vorstellungen einerseits und rechtsextremistischen Ideologieelementen andererseits überwinden soll. Diese Grenzen werden bewußt verwischt, um im Sinne vorgetäuschter Gemeinsamkeit auch rechtsextremistische Kritik an den bestehenden politischen Verhältnissen in Deutschland zu verbreiten. Kennzeichnend für diese Taktik ist der weitgehende Verzicht der Autoren, ihr Fernziel zu nennen und die - aus ihrer rechtsextremistischen Sicht - folgerichtige Forderung nach Systemüberwindung konkret zu stellen. Tatsächlich gehört es jedoch zu den ausdrücklichen politischen Absichten der "Neuen Rechten", den demokratischen Rechtsextremismus Verfassungsstaat zu diffamieren. Diese Intellektualisierungsbemühungen vollziehen sich allerdings weder organisiert noch ideologisch homogen. Außerdem ist es bislang nicht gelungen, der angestrebten "kulturellen Hegemonie " näherzukommen. Zu den Publikationen, die sich um eine Strategieund Theoriebildung bemühen und somit zu einer Aufwertung der "Neuen Rechten" und ihrer verfassungsfeindlichen Argumentation beitragen, gehören "STAATSBRIEFE", "SLEIPNIR" und "JUNGE FREIHEIT" (JF). Sie versuchen, mit Hilfe ihrer demokratischen Maskierung über die Grenzen des Rechtsextremismus in den allgemeinen gesellschaftlichen Meinungsund Willensbildungsprozeß hineinzuwirken. Insbesondere die JF bietet sowohl Demokraten als auch inund ausländischen Rechtsextremisten ein Forum und trägt so ganz bewußt durch unkommentierten Abdruck entsprechender Aufsätze und Interviews zu einer Relativierung und Verharmlosung rechtsextremistischer Po- , " , sitionen bei. Neben den bereits genannten Strategieund Theorieorganen findet die "Neue Rechte" auch in den rechtsextremisti- 1 sehen Publikationen "NATION & EUROPA - Deutsche Monatshefte" und "EUROPA VORN" GeSiegtraut Tesdorff hör. Zentrales Gabriel Andres Thema dieser PuWolfgang Strauss Han fried Müller blikation ist indes Roger Garaudy der ZusammenSusanne Sarial Rigolt Henning schluß aller VertreTarik E. Knapp ter des "rechten" Landgericht Stuttgart CT / Q ^ Jenseits aller Legalität - Freiheit Paul Strohner Lagers. Die AutoZ) / y / statt Befreiung - Weihrauchatmen und pilgern? - Fortschreiten des Revisionismus Annemarie Kunz ren dieser Zeitum Deutschbnd herum (1) - Totalitarismus und Harun Abdel Nur schriften lehnen Reichsidee - Stoische Gedanken - Epochensturz - Karl Eduard von Schnitzler Konzertierte Verleumdung und neuer Prozeistermin Bradley R. Smith den politischen STAATSBRIEFE Eduard Peter Koch Horst Lummert Liberalismus ab und fordern statt m der parlamentariSleipnir Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik schen Demokratie eine völkisch-national geprägte Staatsform. 3. Jg. * Heft 1 - Januar/Februar 1997 C. LINKSEXTREMISMUS 1. Allgemeiner Überblick Das Engagement der gesamten linksextremistischen "Szene" galt vor allem in der ersten Jahreshälfte 1997 sozialpolitischen Themen. Im Mittelpunkt stand das Stichwort "Neoliberalismus" als angeblich verschärfte Form des Kapitalismus. Im Rahmen der Agitation gegen "Sozialabbau" und die "Bonner Sparpolitik" sowie gegen die geplante Einführung des "Euro" unterstützte in Baden-Württemberg die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) die "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) in ihrer Forderung nach einer Volksabstimmung über die Einführung einer europäischen Währung und über die Ergebnisse von "Maastricht II". Parallel zur politischen Entwicklung zur Supranationalität sind Linksextremisten außerdem wieder verstärkt dazu übergegangen, die Chancen des politischen Internationalismus zu nutzen. Dies zeigen grenzüberschreitende Projekte wie z.B. der "Euromarsch gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und Ausgrenzung" vom 14. April bis 14. Juni 1997, konzipiert als Sternmarsch aus verschiedenen Teilen Europas (u. a. Italien, Frankreich, Schweiz) zur Stadt Luxemburg, an dem u. a. linksextremistische Parteien und Organisationen wie z. B. die DKP, die PDS, der "Revolutionär-Sozialistische Bund/IV. Internationale" (RSB) und die "Sozialistische Alternative VORAN" (SAV) teilnahmen. Von solchen Kampagnen erhoffen sich Linksextremisten propagandistische Erfolge, die ihrerseits geeignet sind, ihren Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung und damit die Chancen politischer Einflußnahme zu erhöhen. Die Wiederkehr verschiedener historischer Daten gab Linksextremisten insbesondere in der zweiten Jahreshälfte Anlaß zum Rückblick, zur Aufarbeitung und Bewertung der eigenen politischen Vergangenheit sowie zur Entwicklung von Perspektiven für die Zukunft. So trat die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA) mit mehreren Jubiläumsveranstaltungen zur Erinnerung an die Entstehung der Organisation im Jahre 1947 deutlich häufiger an die Öffentlichkeit Linksextremismus als in den vergangenen Jahren. Parteien und Organisationen, insbesondere die DKP, aber auch die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) oder der "Revolutionär-Sozialistische Bund/ IV. Internationale" (RSB), widmeten sich der Erörterung des historischen und politischen Stellenwerts der russischen Oktoberrevolution von 1917. Das gesamte linksextremistische Spektrum gedachte darüber hinaus des am 9. Oktober 1967 getöteten lateinamerikanischen Revolutionärs Che Guevara. Den breitesten Raum nahm die Diskussion der terroristischen ErDiskussionen eignisse des Jahres 1977 ein, die als "Deutscher Herbst" in die Geüber den schichte eingegangen sind. Die Beschäftigung insbesondere der "Deutschen "antiimperialistischen Szene" mit dem damaligen Höhepunkt der Herbst 1977" Konfrontation zwischen Staat und Terrorismus offenbarte, daß genau 20 Jahre später diese "Szene" an ihrem Tiefpunkt angelangt zu sein scheint. Forcierte Bemühungen um die Freilassung der Inhaftierten gehörten denn auch zu den wenigen nach außen wirksamen Aktivitäten dieses Spektrums im Jahr 1997. Die schon vor geraumer Zeit von der "Roten Armee Fraktion" (RAF) angekündigte Grundsatzerklärung 20 über ihre Vorstellungen zum Aufbau einer "Gegenmacht von unten" und der Zukunft des "bewaffneten Kampfes " läßt noch immer auf sich warten. Gegen die mutmaßlichen Mitglieder der "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ) wurde am 14. November 1997 der Prozeß vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf eröffnet. Während die terroristische Bedrohung 1997 durch die RAF und die AIZ deutlich nachließ, war linksextremistisch motivierte Gewaltspektakuläre anwendung durch militante Autonome unverändert zu verzeichnen. militante Bundesweit machten Autonome mit spektakulären Aktionen auf sich Aktionen von aufmerksam, die Schäden von mehreren hunderttausend DM verurAutonomen sachten. Ein erheblicher Teil der Gewalttaten richtete sich 1997 gegen die sogenannten CASTOR-Transporte. Der Transport atomarer Abfälle, deren Bebzw. Verhinderung sich auch in Baden-Württemberg im März 1997 zahlreiche Kernkraftgegner zum Ziel gesetzt hatten, ist von Linksextremisten jeglicher Die RAF gab in einer am 20. April 1998 der Nachrichtenagentur "Reuters" zugegangenen Erklärung ihre Auflösung bekannt. 97 *300 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem /-terroristischem Hintergrund in Deutschland im Zeitraum 1996 bis 1997 - Tatartenvergleich1' 237 250 230 200 165 54 150 137 114 100 77 68 _l.ll 50 0 2 1 ' !l996 0 11997 us; Grafik: LfV BW Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA (Stand: 27. Januar 1998). Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurde auch für den Vorjahreszeitraum aufzählen des BKA zurückgegriffen; sie sind daher nicht identisch mit den im Verfassungsschutzbericht 1996 veröffentlichten Zahlen. Die Übersicht enthält ausgeführte und versuchte Gewalttaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind zum Beispiel während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur der Landfriedensbruch als eine Gewalttat in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. Zwei versuchte Tötungsdelikte. Couleur - besonders aber von Autonomen - als Chance erkannt worden, ihren politischen Ideen im Rahmen der wiedererwachten AntiAKW-Bewegung breitere Publizität zu verschaffen und deren Durchsetzung voranzutreiben. 98 Linksextremismus Nach dem Abflauen der Proteste gegen "CASTOR"-Transporte trat für Autonome insbesondere in Baden-Württemberg der Kampf um die Erhaltung "selbstbestimmter Lebensräume" (in Form von besetzten Häusern, "autonomen Zentren", "Wagenburgen") in den Vordergrund. Ein zentrales Thema blieb darüber hinaus die "Antifaschismusarbeit", die in Form der sogenannten Anti-NaziArbeit sogar noch an Bedeutung zulegte. Charakteristisch waren Schwerim vergangenen Jahr die verstärkten Reaktionen auf öffentliche punkte Auftritte von Rechtsextremisten. Dabei standen solche von "Jungen autonomer Nationaldemokraten" (JN) und "Nationaldemokratischer Partei Aktivitäten Deutschlands" (NPD) im Vordergrund, aber auch Veranstaltungen der "Republikaner" (REP) verschwanden keineswegs aus dem Blickfeld. Signalwirkung hatte die Demonstration von NPD und JN gegen die sogenannte Wehrmachtsausstellung im März 1997 in München. "Antifaschistische" Gegenkundgebungen erlangten seither einen neuen Stellenwert, nicht zuletzt als probates Mittel zur Verhinderung von "Naziaufmärschen", da die Anmeldung von Gegendemonstrationen wegen der zu befürchtenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel ein Verbot rechtsextremistischer Veranstaltungen zur Folge hatte. Im Jahr 1997 hat die Thematik des Antimilitarismus und damit die Polemik gegen die angeblich wiederangestrebte deutsche Großmachtrolle in linksextremistischen Kreisen zusätzlich an Attraktivität gewonnen. Diese Entwicklung begann mit dem Ostermarsch in Calw, einer Stadt, die als Standort der neugeschaffenen Bundeswehreinheit "Kommando Spezialkräfte" (KSK) für diesen Anlaß bewußt gewählt worden war. Sie setzte sich im Laufe des Jahres mit dem Aufgreifen angeblich zunehmender rechtsextremistischer Vorfälle in der Bundeswehr fort. Ähnlich wurde versucht, die Solidarität mit Kurden im Bewußtsein der Öffentlichkeit weiterhin zu verankern. Dazu gehörten neben der Beobachtung von Strafprozessen vor allem gegen PKK-Aktivisten spektakuläre Aktionen wie der (gescheiterte) "Friedenszug Musa Anter" nach Diyarbakir in der Türkei sowie eine gemeinsam mit ausländischen Linksextremisten betriebene Kampagne ("Dialog statt Verbot") für die Aufhebung des PKKSolidarität Verbots. mit der Im weiteren Zusammenhang mit dem Themenfeld "staatlicher RasPKK und sismus" blieben auch die Agitation gegen Abschiebung und "Abder MRTA 99 schiebeknäste" und die staatliche Asylpolitik (u. a. Solidarisierung mit der Kampagne "Kein Mensch ist illegal") das ganze Jahr über virulent. Die unverhohlene Sympathie deutscher Linksextremisten mit den im Zuge der Geiselbefreiungsaktion im April 1997 "ermordeten" Botschaftsbesetzern von Lima (Peru), Angehörigen der "Revolutionären Bewegung Tupac Amaru" (MRTA), mündete ebenfalls in eine bundesweite Kampagne. Obwohl die schwierige politisch-soziale Lage in der Bundesrepublik Deutschland extremistische Agitation zu begünstigen scheint, hatte dies keine nennenswerten Auswirkungen auf den Mitgliederbestand der jeweiligen Organisationen. Linksextremistisches Personenpotential in Deutschland und Baden-Württemberg im Zeitraum 1995 -1997 Linksextremismus : | Land | | Bund Land || Bund | Land | | Bund | Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Kernund Nebenorganisationen 1.695 23.300 1.720 23.700 1.745 27.800 600 6.000 600 6 250 600 6200 roo 2.30C 700 2 700 700 2 500 beeinflußte Organisationen 1.770 15.600 1.645 14.000 1.600 19.000 Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre 550 über 7.000 500 über 7.000 550 ca. 7.000 Summe der Mitgliedschaften 2.245 ca. 30.30C 2 220 ca. 30.700 2.295 34.800 Tatsächliches Personenpotential nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften 2.200 ca. 29.900 2.170 ca. 30.000 2.245 ca. 34.100 und Kinderorganisationen PDS' ][ Grafik: LfV BW wird gesondert ausgewiesen da die PDS nicht in allen Bundesländern beobachtet wird Stand: 31.12.1997 100 Linksextremismus 2. Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund 1997 wurden in Baden-Württemberg 1762' Straftaten mit linksexRückgang in tremistischem bzw. vermutetem linksextremistischem Hintergrund Badenbekannt (1996: 219 2 '). Zahlreiche Delikte standen im ZusammenWürttemberg hang mit den "CASTOR"-Transporten. Ein bedeutender Anteil von Straftaten wurde unter dem Überbegriff "Antifaschismus" begangen. LI Beispiele in Baden-Württemberg: Am 13. Februar 1997 wurde auf die Schnellbahnlinie auf der Gemarkung Kraichtal/Krs. Karlsruhe ein "Hakenkrallen"-Anschlag verübt. Es entstand ein Sachschaden von ca. 30.000 DM. Die Bahnlinie mußte in beiden Richtungen gesperrt werden, nachdem ein in Richtung Mannheim fahrender Güterzug die Oberleitung auf ca. 1 km Länge heruntergerissen hatte. Ein weiterer, in Gegenfahrtrichtung angebrachter "Wurfanker" wurde rechtzeitig entdeckt. In einem Selbstbezichtigungsschreiben propagierten "AUTONOME A TOMKRAFTGEGNERINNEN" "einen phantasievollen und militanten Widerstand gegen Castor-Transporte ins Wendland! Feuer und Flamme diesem Staat und der Atomindustrie! DB angreifen!" Im Zeitraum vom 13. - 15. Februar 1997 verursachten unbekannte Täter durch Zerstörung von Glasscheiben und Farbschmierereien an den Einrichtungen von zwei Energieversorgungsunternehmen in Ludwigsburg einen Gesamtschaden von ca. 29.000 DM. An den Tatorten zurückgelassene Plakate und Farbschmierereien wiesen auf den "CASTOR"-Transport hin. Am 2. April 1997 zwangen zwei Unbekannte eine Beschäftigte in einer Gaststätte in Karlsruhe unter vorgehaltener Pistole in den Keller und fesselten sie an einen Heizkörper. Einer der Täter fragte die Geschädigte hierbei: "Wo ist das Nazischwein?", womit offenZahlen des LKA Baden-Württemberg 101 sichtlich ihr angeblich ausländerfeindlicher Lebensgefährte gemeint war. Die Wände des Lokals wurden mit Hakenkreuzen sowie mit den Worten "Nazis" und "Nazi raus" besprüht. Die Täter verwüsteten die Kücheneinrichtung und entwendeten die Tageseinnahmen. Der Schaden belief sich auf ca. 50.000 DM. Im Zusammenhang mit der Räumung einer "Wagenburg" in Freiburg wurde zwischen dem 22. Mai und 16. Juni 1997 bei sechs Brandanschlägen auf Baufahrzeuge ein Gesamtschaden von ca. 180.000 DM verursacht. In der Nacht zum 14. Juli 1997 wurde in einem Parkhaus auf Dienstfahrzeuge des Regierungspräsidiums Tübingen ein Brandanschlag verübt. Es entstand ein Sachschaden von mehr als 200.000 DM. Unter der Überschrift "FEUER UND FLAMME DEN ABSCHIEBEBEHÖRDEN' wurden in einem Selbstbezichtigungsschreiben die "rassistischen asylgesetze" sowie die "menschenverachtendepraxis" der Bezirksstelle für Asyl in Reutlingen angeprangert. Die Erklärung enthielt die Aufforderung, "mit mehr selbstbestimmten Aktionen, die trotz einigem streß auch ein gutes gefühl hinterlassen ... für ein kräftiges knirschen in der abschiebemaschinerie" zu sorgen. Am 1. Oktober 1997 wurden im Kursaal in Stuttgart-Bad Cannstatt, in dem eine Parteiveranstaltung der "Republikaner" zum sogenannten Deutschlandtag geplant war, 15 Fensterscheiben zerstört. Der Sachschaden belief sich auf ca. 15.000 DM. Unter der Parole "gegen rechte Veranstaltungen vorgehen - 03.10. angreifen!" bekannte sich auf einem am Tatort hinterlassenen Zettel ein "autonomes kommando" zu der Aktion. 3. Linksextremistischer Terrorismus 3.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 3.1.1 Illegale der RAF Letztmals hatte sich die "Rote Armee Fraktion"(RAF), die jahrzehntelang gefährlichste und brutalste Terrorgruppe Deutschlands, im November und Dezember 1996 zu Wort gemeldet. Seinerzeit hatte Linksextremismus sie in kurzen Abständen drei Erklärungen veröffentlicht. In der Verlautbarung vom 9. Dezember 1996 kündigte sie an, das ursprünglich als Gemeinschaftsprojekt zusammen mit "Genossinnen, die nicht in der RAF organisiert sind" vorgesehene "Resümee der Geschichte der Linken" (und der RAF) aufgrund der Langwierigkeit des Vorhabens "demnächst" allein angehen zu wollen. Bis heute ist nicht bekannt, inwieweit die noch verbliebenen Illegalen der RAF ihr Vorhaben bereits verwirklicht haben. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die "Aufarbeitung der eigenen Geschichte" durch die vermutlich sehr heterogene Struktur der Gruppe zeitaufwendig ist. Schlußfolgerungen über den aktuellen Zustand der RAF können hieraus nicht gezogen werden. Sie muß weiterhin als existent und im Grundsatz handlungsfähig eingestuft werden. Aktivitäten hat die RAF in der Vergangenheit stets zu ihr genehmen Zeitpunkten entfaltet, ohne daß sie sich "von außen" beeinflussen ließ. Das angekündigte, umfangreiche Positionspapier könnte indes durchaus mit einer Auflösungserklärung enden. Zu tödlichen Anschlägen auf Repräsentanten des verhaßten "Systems" hatte sich die RAF gleichfalls im Dezember 1996 noch einmal deutlich geäußert: "... Das RAF-Konzept ist überholt. Das ist objektiv so. Dabei bleibt es also auch ...Es kann auch keine modifizierte Neuauflage des Alten geben. " Diese und bereits früher getroffene Aussagen stehen zweifelsfrei für derzeit keine ein Abrücken von personenbezogenen Anschlägen. Gleichwohl hält Sicherheitsdie RAF in der Zukunft Situationen für denkbar, in der "illegale gefährdung Kampfstrukturen" wieder gebraucht werden. Allerdings deutet modurch RAF mentan nichts auf eine solche Situation hin. Vor diesem Hintergrund zu erwarten wird daher auch mit objektbezogenen Anschlägen nicht gerechnet. 3.1.2 RAF-Inhaftierte Im Oktober 1997 erklärte die einsitzende Terroristin Birgit HOGEFELD, die schon 1996 zusammen mit dem Inhaftierten Helmut 103 POHL gefordert hatte, die RAF möge ihre Auflösung erklären, daß dieser Schritt überfällig sei. Christian KLAR antwortete in einem im April 1997 veröffentlichten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" auf die Frage nach einer Standortbestimmung der RAF : "... Die RAF gehört in eine ganz bestimmte Zeit, in die siebziger und achtziger Jahre. Sie ist inzwischen Geschichte ..." Über die Verfasser der letzten RAF-Erklärungen urteilte er, daß diese "nur drei Buchstaben einer vergangenen Autorität ins Medienspiel" brächten: "Das hat was von Täuschung." Die Verbitterung der einsitzenden "Hardliner" über die Entwicklung der RAF und das Erscheinungsbild der Terrorgruppe spiegelte sich auch in einem Schreiben von Rolf-Clemens WAGNER wider, das im Januar 1997 im "Angehörigen Info", Nr. 190, dem Mitteilungsblatt der "Angehörigen, Freunde und Freundinnen politischer Gefangener", abgedruckt war. Er richtete Schuldzuweisungen an die Illegalen, die jahrelang Möglichkeiten zur Neuorientierung verschleppt hätten. Nun sei die "läge ... erbärmlich" und "unser Zusammenhang ... in mehrere teile zersprengt". Die inhaftierten Terroristen versuchen den Umstand, daß die RAF von tödlichen Anschlägen Abstand genommen hat, argumentativ zu nutzen. So stellte WAGNER in besagtem Schreiben fest, daß es aufgrund der "... grundsätzlich veränderten läge für weitere sinnlose jähre im knast keinen grund (gibt), ausser dem einen: räche an ein paar Übriggebliebenen gefangenen". Ähnlich äußerte sich auch die ehemalige RAF-Inhaftierte Irmgard MÖLLER in einem Interview mit dem Magazin "Der Spiegel", abgedruckt im April 1997: "... Was macht es für einen Sinn, daß sie (Anm.: gemeint sind die einsitzenden Terroristen) teilweise schon seit über 15 Jahren sitzen, jetzt, wo die RAF so gar nicht mehr existiert, auch nicht mehr bewaffnet kämpft? Als Motiv fällt mir nur Rache ein ..." 104 Linksextremismus Die Freilassungsforderung wurde im Laufe des Jahres mit steigenverstärkte der Intensität und zusätzlich mit dem Argument der Haftunfähigkeit Freilassungsvorgebracht. Es sei an der Zeit, daß der Staat einer politischen Löforderung sung, nämlich der Freilassung ohne Vorbedingungen zustimme, da für inhaftierdie lange "Vernichtungshaff'', die eine "sondergesetzliche Staatste RAFpolitik"sei, alle zehn noch einsitzenden Terroristen gesundheitlich Gefangene beeinträchtigt habe und einzelnen sogar schwere Krankheiten drohten. In ihrer Realitätsferne blenden die Terroristen - ihnen wird wie jedem anderen Strafgefangenen die medizinische Versorgung gewährleistet - nicht nur aus, daß eventuelle Gesundheitsschäden auch die Nachwirkungen zahlreicher Hungerstreiks sein dürften, sondern sie wollen gleichfalls nicht akzeptieren, daß es für sie keine Sonderbehandlung im Strafvollzug geben kann. Eine mögliche Freilassung setzt indes ein individuelles und rechtsstaatliches Verfahren voraus. Dies dürfte sich POHL vor Augen geführt haben, als er Anfang 1997 in einem Schreiben an den Bundespräsidenten um Straferlaß auf dem Gnadenweg bat. Trotzdem ließ er es zu, daß ihn Unterstützer im Laufe des Jahres als Frontfigur einer Freilassungskampagne aufbauten, und verschwieg seinen Sonderweg, den er lediglich mit der Inhaftiertengruppe abgesprochen hatte, um den Zusammenhalt des "Kollektivs" zu wahren. 3.1.3 Kampagnen und Solidaritätsbewegungen Das Jahr 1997 stand sowohl in der demokratischen Öffentlichkeit als auch bei Angehörigen der ehemaligen RAF-Unterstützerszene im Zeichen der Rückbesinnung auf den "Deutschen Herbst 1977". Allerdings konnte die Erinnerung hieran nicht unterschiedlicher ausfallen. Während die Medien in Wort, Bild und Ton an die Tage der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, der Ermordung seiner Begleiter, der Entführung und Erstürmung einer Mallorca-Urlaubermaschine und der Selbstmorde von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan Carl Raspe in der Justiz- vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim erinnerten, schwiegen die RAF-Inhaftierten - darunter die Mörder von damals - und ihre Unterstützer zu diesen Geschehnissen. Auch 20 Jahre danach sind sie nicht zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung in der Lage. Vereinzeltes Aufgreifen des Themas gipfelte darin, die Verbrechen mit dem damaligen Zeitgeschehen zu erklären und Schleyer nachträglich auf seine Rolle als ehemaliger SS-Angehöriger zu reduzieren, um ihn als Opfer herabzuwürdigen. An der klassischen Lebenslüge linksterroristischer Kreise von der behaupteten Ermordung der RAFInhaftierten in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim wird in "Hardliner"-Kreisen unverändert festgehalten. Kampagnen Die Personenzusammenhänge, die sich noch immer der früheren zur FreilasRAF verbunden fühlen, versuchten trotzdem, die neuerweckte Aksung "polititualität des Themas RAF zu nutzen, um die Forderung nach kollekscher Gefantiver Freilassung aller noch einsitzenden Terroristen in die Öffentgener weltlichkeit zu tragen. Eine Frankfurter Initiative aus dem "antiweit" imperialistischen Widerstand" orga- ( Kampf 9"9"n d"n "*otibtrtltemu"1 U nisierte am 18. März 1997 bereits zum zweiten Mal den bundesweiten Aktionstag "Freiheit für alle politiEin Radio für dl" MRTA schen Gefangenen weltweit". In zahlDas Schweigen reichen Städten des Bundesgebiets fanden hierzu Veranstaltungen statt. brechen Im Mittelpunkt standen aber nicht nur die RAF-Gefangenen, sondern auch die seinerzeit in der linksterroristischen "Szene" mit großer Aufmerksamkeit verfolgte Besetzung der Japanischen Botschaft in Lima/ Peru durch Mitglieder der dortigen terroristischen "Revolutionären Bewegung Tupac Amaru" (MRTA). Ein Radio für die MRTA Stichwort: ..Das Srtv irhweigen brechen" M ' k ^ ^ ^KJJI^^^ Gleiches galt für das WiederaufnahSparkasse Göttingen"***_ r PSMKr meverfahren gegen den zum Tode en BL? i ^ ^ ^ ^ H i verurteilten ehemaligen "Black Pan- W $*&"* ther"-Aktivisten Mumia ABUJAMAL in den USA sowie für die Situation der baskischen "politischen Gefangenen" und der türkischen und kurdischen Inhaftier106 Linksextremismus ten. Auch in Baden-Württemberg wurden sowohl am Aktionstag als auch im weiteren Verlaufe des Jahres entsprechende Veranstaltungen in Karlsruhe und Heidelberg durchgeführt. Mit einer Postkartenaktion zugunsten von POHL an den Bundesjustizminister als "politischer Entscheidungsträger" beabsichtigte die "Szene", die Möglichkeit für eine adäquate medizinische Behandlung zu eröffnen, die unter Haftbedingungen nicht gegeben sei. Der angegriffene Gesundheitszustand aller RAF-Inhaftierten wurde angeprangert als "... das Ergebnis jahrelanger Isolationsfolter und der systematischen Verweigerung einer ausreichenden medizinischen Versorgung ... Das gleicht einer Todesstrafe auf Raten. " In diesem Kontext gelang es im Herbst 1997, teilweise prominente Erstunterzeichner für eine Zeitungsanzeige zu gewinnen, in der unter dem Titel "Dringender Appell für die bedingungslose Freilassung der Gefangenen aus der Rote Armee Fraktion (RAF)" festgestellt wurde, daß es "nur noch eins (gibt) - sie müssen raus, um überhaupt eine Lebensperspektive zu haben". Dies sei "zwingend". Es müsse "Schluß sein mit der Quälerei in den Gefängnissen". Eine von der "Szene" organisierte und auch in den Medien beachtete Veranstaltungsreihe "zur bewaffneten und militanten Politik der Linken in Deutschland, Italien und der Schweiz", die vom 15. bis Veranstalzum 24. Mai 1997 in Zürich stattfand, stellte eine Retrospektive aus tungen zu unterschiedlichen Blickwinkeln zu mehr als zwei Jahrzehnten "be20 Jahre waffneten Kampfes" in Europa dar. Unter dem internationalen Teil"bewaffnenehmerkreis befanden sich auch ehemalige Inhaftierte der RAF als ter Kampf" Podiumsgäste. Die Schlußveranstaltung zur "Situation der politiin Europa schen Gefangenen und Gefangenenprojekte" befaßte sich überwiegend mit den einsitzenden RAF-Terroristen und endete mit der Verabschiedung einer Resolution zur Freiheit aller "politischen Gefangenen" weltweit. In Reutlingen wurde Ende September 1997 eine Veranstaltung mit inhaltlich ähnlicher Zielrichtung durchgeführt. In Zusammenarbeit mit der Tübinger "Initiative für die Zusammenlegung der politi107 sehen Gefangenen" war der ehemalige RAF-Terrorist Lutz TAUFER zum Thema "Stadtguerilla" eingeladen worden. Er referierte vor mehr als 150 Teilnehmern über die politisch-historischen Rahmenbedingungen zur Entstehung des "bewaffneten Kampfes". 3.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Nach der Festnahme der beiden mutmaßlichen Führungsmitglieder der "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ), Bernhard FALK und Michael STEINAU, im Jahr 1996 ging von der Terrorgruppe, die seit ihrem Entstehen 1992 bis zum Jahr 1995 mehrere Brandund HauptverSprengstoffanschläge verübt hatte, keine Gefahr mehr aus. Am 14. Handlung November 1997 begann vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf die gegen Hauptverhandlung gegen die Angeklagten. Die immer abstruser mutmaßligewordenen Erklärungen zu den Anschlägen der AIZ ("... wir hacke AIZben den Islam als revolutionäre Waffe in voller Schärfe und SchönMitglieder heit kennenlernen dürfen ...") gipfelten schließlich in der Konvereröffnet tierung von FALK und STEINAU zum Islam. Dieser Umstand und ein für in antiimperialistischen Zusammenhängen stehenden Personen atypisches Verhalten in der Vollzugsanstalt - FALK freundete sich beispielsweise mit einem ebenfalls inhaftierten Neonazi an - isolierte sie innerhalb der linksextremistischen/-terroristischen "Szene". Solidaritätsbekundungen oder Prozeßbesuche fanden deshalb nicht statt. 3.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) ik 1997 kam es nur zu einem versuchten Anschlag, zu dem sich eine "Revolutionäre Zelle" bekannte. In der Nacht zum 15. Dezember hatten sich Unbekannte erfolglos darum bemüht, das Gebäude des Kreiswehrersatzamts in Stade/Niedersachsen mittels Molotowcocktails in Brand zu setzen. Die Taterklärung war mit "Die Feuermorcheln. Revolutionäre Zelle" unterzeichnet. In Baden-Württemberg gibt es unverändert keinen Hinweis auf die Existenz einer "Revolutionären Zelle" (RZ). Die Vorgehensweise solcher Gruppierungen (Planung und Durchführung von Anschlägen aus einer bürgerlichen Existenz heraus) hat allerdings ihren festen Platz im Repertoire gewaltbereiter linksextremistischer Zir108 Linksextremismus kel gefunden. Deshalb ist auch in Zukunft mit Gewaltaktionen nach dem Muster der RZ zu rechnen. 4. Autonome und sonstige Anarchisten 4.1 Autonome Gruppen Mit politisch motivierten Gewalttaten bleibt die autonome "Szene" weiterhin im Blickfeld der Öffentlichkeit. Autonome agieren ohne einheitliches ideologisches Konzept und orientieren sich an unklaren anarchistischen Vorstellungen. Festgefügte organisatorische Zusammenhänge werden abgelehnt. Verbindendes Element ist jedoch die Vorstellung, "selbstbestimmt" leben zu wollen. Die vordergründig auf unterschiedlichste Themenfelder ausgerichteten Aktionen der "Szene" sind sichtbare Zeichen des "Kampfes", der sich in Wirklichkeit gegen den verhaßten Staat richtet. So fordert Haß gegen etwa die Stuttgarter Gruppierung "Antifa A 2 " in einem Flugblatt den Staat ganz unverblümt "eine grundsätzliche Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse, Revolution". Dabei ist die Anwendung von Gewalt unumstritten. Sie äußert sich in militanten Demonstrationen, Anschlägen und Sachbeschädigungen sowie im gewaltsamen Vorgehen gegen den politischen Gegner. Wichtigstes Agitationsfeld ist nach wie vor die " Antifaschismusarbeit". Die Szene sieht "die Ursachen für das Entstehen von faschistischen Bewegungen im kapitalistischen System verankert". Seitens der "Autonomen Antifa Heidelberg" wird dazu ausgeführt: "Solange ... Nationalismus, Patriarchat und Rassismus essentielle Bestandteile der herrschenden Ordnung sind, kann es keine Vernichtung der Wurzeln des Faschismus geben. Daher darf sich konsequenter Antifaschismus nicht auf Anti-Nazi-Aktivitäten beschränken, sondern muß sich gegen jede Form von Unterdrückung richten. " Auch die "Antifa Offenburg" äußert sich deutlich: 109 "Antifaschistischer Kampf bedeutet ... für uns in erster Linie revolutionäre Umwälzung der herrschenden Verhältnisse weltweit. " In der praktischen Umsetzung dieser Postulate ist der "Kampf derzeit überwiegend gegen den politischen Gegner von "rechts" gerichtet. Neben "antifaschistischen" Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen kam es 1997 wiederholt zu "Outing"Aktionen, in denen Rechtsextremisten mit dem Ziel bloßgestellt werden, sie in ihrem nächsten Umfeld zu "entlarven" und dadurch zu isolieren. Eine Farbschmiererei in Fellbach-Schmiden bekundete: "Militanz gegen Faschisten ist und bleibt legitim." Am 1. Februar 1997 fand in Eilingen unter Ach al m eine bundesweite Demonstration unter dem Motto "Tuu Matsch Nazis - kein NPD-Zentrum in Eningen und anderswo" statt. An dem Aufzug, der sich gegen die Nutzung eines Wohnhauses als NPD-Tagungsstätte richtete, beteiligten sich 2.500 - überwiegend nicht dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnende - Personen, unter denen sich auch ein autonomer Block aus etwa 300 teilweise vermummten Demonstranten befand. Ein Plakataufruf mit dem Titel "Bekämpft Faschismus" wies die Demonstration u. a. als eine Initiative des "Bundesweiten Antifatreffens" (BAT) aus. Mit dem BAT sowie einem weiteren bundesweiten Zusammenschluß, der "Antifaschistischen Aktion/Bun- i desweite Organisation" | (AA/BO), haben sich meh- 1 rere autonome "Antifa "- * Gruppen einen koordinie- Linksextremismus renden organisatorischen Rahmen gegeben, durch den bei bleibenbundesweite der Eigenständigkeit der Gruppierungen der "Zersplitterung der VernetzungsLinken" entgegengewirkt und eine gewisse Verbindlichkeit und ansätze Struktur erreicht werden soll. Erstmals zu einer gemeinsamen Kampagne dieser beiden Zusammenschlüsse kam es anläßlich der Planung von Aktivitäten gegen die erwarteten rechtsextremistischen Aktionen zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß am 17. August 1997. Bundesweit fanden in diesem Zusammenhang von Linksextremisten initiierte Demonstrationen und andere Veranstaltungen statt. Ein Faltblatt zu einer Veranstaltungsreihe in Heidelberg forderte u.a.: "NPD und Junge Nationaldemokraten zerschlagen." Eng mit der "'Antifaschismus"'-Arbeit verknüpft war das Thema "Antirassismus". Verschiedene von LinksVERTEIDIGT DIE extremisten geprägte "antirassistische" Initiativen prangerten FLÜCHTUNGE insbesondere die Asylgesetzgebung der Bundesregierung und die Abschiebepraxis gegenüber abgelehnten Asylbewerbern an. Ein Brandanschlag mit großem Sachschaden am 14. Juli 1997 in Tübingen (vgl. Kapitel Straftaten) war das herausragende Ereignis in einer Kampagne gegen die angeblich "rassistische AuM,tm!isi:he Arbeite! Flüchtlingspolitik" des Staates. uns! Arbeiterinnen unterheqen einet versfidiirtlan Sonde qese!?uel Die solidarische Unterstützung der Kurden durch autonome Kreise ist GEGEN AUSLANDERBEHORDE, zwar insgesamt etwas in den HinterFASCHISTENUNDIV1EDIENHETZE! grund getreten. Thematisiert wurden indes unverändert deutsche Waffenlieferungen an die Türkei und die damit verbundene "Mitverantwor- * tung" der Bundesregierung für die türkische Kurdenpolitik sowie die Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Verbots. 111 Schaffung Wichtige Anliegen autonomer Zirkel sind unverändert die Schafvon "Freifung oder der Erhalt von "Freiräumen" und "Autonomen Zentren". räumen" Karlsruher Autonome behaupteten: und "Autonomen "Häuserkampf ist, auch wenn nicht mehr das Zentren" Thema Nr. I in der Linken, ein wichtiger Teil des politischen Widerstands in der BRD. " Als ein seit 1990 besetztes Gebäude in Karlsruhe vertragsgemäß geräumt werden sollte, machten Autonome mobil. Das Objekt war nicht nur zu einem für die "linke Szene" wichtigen politischen und kulturellen Zentrum geworden, für die etwa 60 Bewohner des Hauses bedeutete das Leben dort Teil ihrer politischen Identität. Um eine Zwangsräumung zu verhindern, fanden sich am 30. August 1997 etwa 700 Personen aus dem Bundesgebiet zu einer Demonstration zusammen. Eine Eskalation, auf die sich die "Szene" vorbereitet hatte, wurde vermieden, weil die Bewohner "in letzter Minute" freiwillig das Gebäude verließen und ein von der Stadt Karlsruhe angebotenes Alternativobjekt bezogen. Nach erfolgter Räumung konnte festgestellt werden, daß mit Fallgittern, Barrikaden, Stacheldraht und anderen festungsartigen Sicherungsmaßnahmen eine gewaltsame "Verteidigung" geplant war, die zu einer ernsten Gefährdung der Einsatzkräfte geführt hätte. Auch in Heidelberg war ein Treffpunkt von Linksextremisten, das "Autonome Zentrum", von der Räumung bedroht. Für dessen Erhalt demonstrierten am 25. Oktober 1997 über 700 Personen. In einem in der "Szene"-Zeitschrift "Sabotage", Nr. 25 vom November 1997, veröffentlichten Redebeitrag der "Autonomen Antifa Heidelberg" zu dieser Demonstration wird unter anderem festgestellt: "Im AZ besteht Raum zur Organisierung und Propagierung konsequent revolutionärer, antifaschistischer Politik und Kultur. " Wegen Verzögerung der vorgesehenen Neubebauung des Areals kann das "Autonome Zentrum" vorerst weitergenutzt werden. Die zentralen offiziellen Feiern zum Tag der Deutschen Einheit am 112 Linksextremismus 3. Oktober fanden 1997 in Stuttgart statt. Gegen dieses Ereignis bildete sich zunächst ein Bündnis aus verschiedenen Organisationen, das Zug um Zug von Autonomen und anderen Linksextremisten dominiert wurde. Gemäßigtere Kreise zogen sich dabei aus der Vorbereitung der Protestaktionen zurück. Der Aufruf eines "Linksradikalen Bündnisses 3. Oktober" zu einer bundesSäStipn weiten Demonstration an diesem Tag in Stuttgart ließ an der linksextremistischen Zielsetzung keinen Zweifel: "Eine Gesell schaft ohne AusJF* beutung des Menschen durch den Menschen wird sich allerdings nur erkämpfen lassen, wenn .. das kapitalisti sehe Wirtschaftssystem und ... seine zentralen ElePS&&SS&PS mente wie 'Nation ' und 'Patriarchat' angegriffen und zerschlagen werden. Die Erkämpfung einer solchen klassenund staatenlosen Gesellschaft ist die einzige Alternative zur kapitalistischen Barbarei, sie ist die konkrete Utopie, an der sich unser politischer Kampf orientieren muß ... Unser Kampf steht für eine internationalistische Perspektive einer weltweiten klassenund staatenlosen Gesellschaft. Den Weg dahin nennen wir Revolution. " 113 Die schon im Vorfeld von umfangreichen polizeilichen Maßnahmen begleitete Demonstration mit rund 1.200 Teilnehmern verlief ohne besondere Vorkommnisse, die offiziellen Feiern blieben ungestört. Die Transporte abgebrannter Brennelemente aus verschiedenen Kernkraftwerken ins atomare Zwischenlager nach Gorleben wurden für Linksextremisten unterschiedlichster Prägung zu einem zentralen Thema. Obgleich die überwiegende Mehrheit der "CASTOR"Gegner keine verfassungsfeindliche Zielsetzung verfolgt und damit nicht der Beobachtung des Verfassungsschutzes unterliegt, versucht eine Minderheit von Linksextremisten, das Thema für eigene Zwecke zu instrumentalisieren und die Kampagne in ihrem Sinn zu beeinflussen. Deren Ablehnung der Kerntechnik ist nur vordergründig. Das wahre politische Ziel kommt insbesondere bei Autonomen immer wieder deutlich zum Ausdruck, wenn etwa plakativ gefordert wird: "Sofortige Stillegung aller Atomanlagen weltweit! Sofortige Stillegung des herrsehenden Systems!" In der bundesweit verbreiteten autonomen Publikation "INTERIM", Nr. 432 vom 18. September 1997, äußerten unbekannte Verfasser, die bundesweite Kampagne gegen Atomtransporte verfolge das erklärte Ziel, "den politischen und ökonomischen Preis dieser Transporte ... massiv in die Höhe zu treiben, um diese Transporte und damit den Betrieb der Atomanlagen unmöglich zu machen". Darüber hinaus erklärten sie jedoch auch: "Wir setzen dem Atomstaat BRD unseren entschlossenen Widerstand entgegen, um einen Beitrag zur Veränderung der herrschenden Verhältnisse zu leisten. " In einem Selbstbezichtigungsschreiben von "Autonomen Gruppen" zu einer koordinierten Wurfanker-Anschlagsserie hieß es: "Der Kampf gegen das Atomprogramm ist für Linksextremismus uns nur ein Teil des Kampfes gegen alle Formen von Herrschaft und Ausbeutung. " Unter dem Motto "Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand" sind Linksextremisten zu diesem Zweck viele Mittel recht: Anarchistisch orientierte Kreise propagieren sogenannte gewaltfreie Aktionen, deren Bandbreite von Straßenund Gleisblockaden bis hin zum öffentlich durchgeführten Ansägen von Bahnschienen reicht. Im Verständnis dieser Personen sind Sachbeschädigungen "gewaltfrei", da Sachen keine Gewalt empfänden. Militante autonome Zirkel verübten Anschläge gegen Bahnanlagen, indem sie u.a. Signalanlagen beschädigten, Gleise unterhöhlten sowie Betonplatten, Eisenträger und gefällte Bäume auf die Schienen legten. Ferner piazierten sie sogenannte Hakenkrallen gegen den Zugverkehr, was hohe Sachschäden verursachte und darüber hinaus Personen gefährdete. Im Bundesgebiet lagen die Zentren militanter Aktionen im Bereich der Zwischenlager in Gorleben (Niedersachsen) und Ahaus (Nordrhein-Westfalen) sowie des Kernkraftwerks Krümmel in Schleswig-Holstein. In Baden-Württemberg kam es vor allem im Zusammenhang mit dem "CASTOR"-Transport vom Kernkraftwerk Neckarwestheim nach Gorleben Ende Februar/Anfang März 1997 zu schweren Sachbeschädigungen. So wurden mehrere Gebäude von Energieversorgungsunternehmen sowie an Bahnlinien verschiedene Signale und ein Achszähler beschädigt. Darüber hinaus kam es zu einem "Hakenkrallen"'-Anschlag und mehreren versuchten Anschlägen dieser Art. Insgesamt ging jedoch von Linksextremisten kein maßgeblicher Einfluß auf die Kampagne gegen den "CASTOR" aus. Das Gesamtpotential der gewaltbereiten Linksextremisten wird im Bundesgebiet auf ca. 7.00022 Personen geschätzt. In Baden-Württemberg gehören etwa 550 Personen dieser "Szene" an, die in einen nicht konkret eingrenzbaren, jederzeit mobilisierbaren Kreis weiterer Linksextremisten eingebunden sind. Örtliche Schwerpunkte sind Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart sowie der Raum Tübingen/Reutlingen. 22 Zahl des Bundesministeriums des Innern 4.2 Anarchistische Gruppen Die Bedeutung der verschiedenen anarchistischen Gruppierungen im Bundesgebiet ist nach wie vor gering. Die anarcho-syndikalistische "Freie Arbeiterinnen Union - Internationale Arbeiter Assoziation" (FAU-IAA) propagiert eine "herrschaftsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft", die mit sogenannten direkten Aktionen wie Streiks, Boykottmaßnahmen, Fabrikbesetzungen und Sabotage erkämpft werden soll. In Baden-Württemberg unterhält die FAU-IAA Kontaktstellen in Stuttgart, Göppingen, Ludwigsburg, Tübingen, Ulm und Villingen-Schwenningen. Mit großer verbaler Militanz tritt seit Jahren die anarcho-kommunistische "Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei" (FAU/AP) einschließlich ihrer Nebenorganisation "Schwarze Garde" auf. In ihrer Agitation gebärdet sie sich überaus aggressiv, fordert die gewaltsame Zerschlagung des Staats und gibt Anleitungen zum "revolutionären Kampf'. Der örtliche Schwerpunkt dieses anarchistischen Zirkels liegt in Heidelberg. Anarchistisch ausgerichtete "Gewaltfreie Aktionsgruppen" sind im Rahmen der "CASTOR"-Proteste wieder verstärkt öffentlichkeitswirksam aufgetreten. Ihr Konzept des "gewaltfreien Widerstands" zielt über die Ablehnung der Kernkraft hinaus und strebt eine "gewaltfreie und herrschaftslose Gesellschaft" an. 5. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 5.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1969 Sitz: Essen Mitglieder: ca. 600 Baden-Württemberg (1996: ca. 600) ca. 6.200 Bund (1996: ca. 6.250) Publikation: "Unsere Zeit" (UZ) Linksextremismus Abgesehen von gewissen Erfolgen beim Aufbau der Parteiorganisation in den neuen Bundesländern blieb der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) auch 1997 der erhoffte erhoffter Aufschwung weitgehend versagt. Aufschwung Gleichwohl arbeitet die Partei darausgeblieben an, als Konsequenz aus der Aufarbeitung der Vergangenheit neue politische Vorstellungen zu entwikkeln, um ihre Attraktivität und damit die Chance zur Gewinnung neuer Mitglieder zu erhöhen. Herausragendes Thema war desAfflWisftieG UiiRu '""MMiiKllv " Rum g "* "i."",! "*" halb die Arbeit an einer verän"niuiiR, derten Sozialismuskonzeption. Nachdem Anfang 1997 ein erster Entwurf unter dem Titel "Sozialismus - die historische Alternative zum Imperialismus" in der UZ für die Leserschaft zur Diskussion gestellt worden war, wurde Ende August eine von der Programmkommission überarbeitete Fassung veröffentlicht, die nach erneuter Diskussion als Antrag auf dem bevorstehenden Parteitag im Mai 1998 vorgelegt werden soll. Anstrengungen, ein eigenes Profil zu gewinnen, bleiben für die DKP insbesondere vor dem Hintergrund der forcierten Abgrenzungsbemühungen seitens der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) von Bedeutung. Dessen ungeachtet beschloß die Partei, bei Wahlaufruf der Bundestagswahl 1998 zur Abgabe der Zweitstimme für die PDS für die PDS aufzurufen. Gleichzeitig beabsichtigt sie jedoch, den Wahlkampf mit "eigenen Aussagen, Aktionen und Kandidatinnen" zu führen. Dazu gehört auch ** j die Bereitschaft von Parteimitgliedern, auf offenen Listen der PDS zu kandidieren, was die PDS bislang jedoch ablehnt. Ein wichtiges Ereignis für die Partei war die VOLKSFEST DER DKP Durchführung des traditionellen UZ-Pressefestes Anstecknadel zum vom 29. bis 31. August 1997 in Dortmund. Es VZ-Pressefest 117 stand diesmal ganz unter dem Zeichen des zehnjährigen Bestehens des DKP-Zentralorgans. Nachdem es erst Mitte 1996 gelungen war, die UZ wieder in wöchentlichem Rhythmus herauszubringen, zeichneten sich bereits ein Jahr später, nicht zuletzt aufgrund rückläufiger Abonnentenzahlen, erste finanzielle Schwierigkeiten ab. Im Herbst 1997 startete die Partei deshalb eine Spendenkampagne zur Sicherung des Fortbestands ihrer Wochenzeitung. Darüber hinaus beschäftigte sich die DKP im Jahr 1997 vor allem mit sozialpolitischen Themen {"Sozialabbau", Arbeitslosigkeit). Neben der Feier aus Anlaß der russischen Oktoberrevolution von 1917 beteiligte sie sich an einer bundesweiten Kampagne gegen den "Eurofighter". Die Jugendorganisation der DKP, die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), verzeichnete zwar 1997 weiteren Mitgliederzuwachs, sie erfüllt jedoch bei weitem nicht die ihr zugedachte Funktion als Nachwuchsreservoir für die unverändert überalterte Gesamtpartei. Ihre mitgliederstärksten Organisationseinheiten bestehen in den Regionen Karlsruhe und Heidenheim. Deutlicher als die Heidenheimer traten die KarlsMit Hintergrundinfos, News und Spaßigem! ruher SDAJ-Mitglieder auch öfAntirassistisch, antisexistisch, antifaschistisch fentlich in Erscheinung, so - wie -SOZIALISTISCH!!! schon im Jahr zuvor - anläßlich der "Einheizfeier" vom 2. - 4. OkWo! Auf Querfunk natürlich! tober 1997 in Karlsruhe. Dem Freien Radio In M M W Auf * * Mega-Hertz! SA 16-17 Uhr! Die "Roten Peperoni" (früher: "Junge Pioniere") als Kinderorganisation der DKP fielen auch 1997 lediglich durch die Veranstaltung ihrer obligatorischen Pfingstund Sommerferienlager auf. Linksextremismus 5.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA) Gründung: 1947 Sitz: Hannover Mitglieder: ca. 1.600 Baden-Württemberg (1996: ca 1.600) ca. 7.000 Bund (1996: ca. 8.000) Publikationen: "Antifa Nachrichten" (Baden-Württemberg) "antifa-rundschau" (Bund) Die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA) ist ungeachtet ihrer stark überalterten Anhängerschaft mit rund 1.600 Mitgliedern unverändert die bedeutendste linksextremistisch beeinflußte Organisation im Land. Der seit Jahren von der Funktionärsebene ausgehende linksextremistische Einfluß besteht fort. Um der zunehmenden Überalterung dauerhaft zu begegnen, ist die VVN-BdA intensiv bemüht, neue Mitglieder zu gewinnen. Nach eigenen Angaben sind dabei seit einiger Zeit erste Erfolge im Bereich der "Jugendantifa" zu verzeichnen. Allerdings traten diese Gruppierungen 1997 nicht im Umfang früherer Jahre nach außen hin in Erscheinung. Der die Organisation beherrschende Gedanke des "antifaschistischen Kampfes" bestimmte auch im abgelaufenen Jahr die politische Arbeit. Hierbei unterstellte die VVN-BdA ganz im Geiste klassischer orthodox-kommunistischer Definition, wonach bürgerliche Demokratie und Kapitalismus untrennbar mit dem "Faschismus" verbunden und daher zu bekämpfen seien, der Bundesrepublik Deutschland eine "faschistische" Grundhaltung. Die aktuelle politische Situation in Deutschland wurde gleichgesetzt mit derjenigen in den letzten Jahren vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Staatliche Institutionen wurden bezichtigt, die Verfassung gezielt außer Kraft setzen zu wollen. Dazu hieß es im Organ der Landesvereinigung Baden-Württemberg, den "Antifa Nachrichten", Nr. 4, unter der Überschrift "Zeit zum Aufstehen: Alle Deutschen haben das Recht zum Widerstand": "... Wir halten es für notwendig, eine breite Initiative zu starten, um unsere Verfassung und unsere demokratische Republik zu schützen und für den Erhalt der Instrumente der Opposition und der Gewerkschaften zu streiten. Das Grundgesetz gibt uns den Auftrag im Artikel 20, Absatz 4 ... ... Es ist Zeit zum Aufstehen ... Wir haben in unserer Vergangenheit erlebt, wie gefahrlich und verhängnisvoll es endet, wenn begonnen wird, soziale und demokratische Rechte abzubauen und die Demokratie zu demontieren ... 1930 konnten die damaligen Zeitzeugen noch sagen, wenn wir alles gewußt hätten, was danach gekommen ist, dann hätten wir konsequent Widerstand geleistet. Uns, den heutigen Zeitzeugen, ist diese Ausrede nicht erlaubt. " Aus der Sicht der VVN-BdA ist die deutsche Politik durch Aggressivität nach außen und Repression nach innen gekennzeichnet. So Diffamiewurde beispielsweise in den "Antifa Nachrichten" die Bundeswehr rung demonicht nur diffamiert ("bewaffneter Haufen namens Bundeswehr"), kratischer sondern auch als "'Angriffsarmee für Kampf eins ätze" verunglimpft. InstitutioIn diesem Zusammenhang stellte die Landessprecherin im Rahmen nett eines Artikels zum "Antikriegstag" am 1. September 1997 "Parallelen zwischen der faschistischen Wehrmacht und der Bundeswehr" fest. Im Stile orthodox-kommunistischer Agitation wurde auch gegen die angebliche staatliche Repression durch Justiz und Polizei agitiert. Formulierungen wie "Sicherheitsextremismus" "... so treiben es die Extremisten der 'Inneren Sicherheit' seit Jahrzehnten", "... feiert die frohe Botschaft der entfesselten Staatsgewalt populistische Triumphe" lassen die ablehnende Haltung zum demokratischen Rechtsstaat erkennen. Im Rahmen ihrer "Antifaschismusarbeit" strebte die VVN-BdA unverändert Kontakte und Bündnisse mit anderen Linksextremisten an, darunter die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die 120 Linksextremismus "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die "ParKontakte tei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), die "Vereinigung für und BundSozialistische Politik" (VSP) oder trotzkistische Vereinigungen wie nisse mit der "Revolutionär-Sozialistische Bund/IV. Internationale" (RSB). anderen Im Zusammenwirken mit Gruppierungen des autonomen Lagers wie Linksextremer "Autonomen Antifa Heidelberg" oder der "Autonomen Antifa misten (M) Göttingen" sowie der anarchistischen "Schwarzen Garde" aus Heidelberg waren gleichfalls keine Berührungsängste feststellbar. So unterzeichnete sie z.B. im Oktober 1997 einen gemeinsamen Aufruf für eine bundesweite Demonstration zum Erhalt des "Autonomen Zentrums" in Heidelberg. Typisch für die Mitgliederstruktur der VVN-BdA ist, daß der Vereinigung neben Linksextremisten auch zahlreiche Personen des bürgerlich-demokratischen Lagers angehören. Diese politisch heterogene Zusammensetzung läßt eine geschlossene Haltung gegenüber linksextremistischen Organisationen oder Gruppen offenbar nicht immer zu. Hiermit mag es zusammenhängen, daß die VVN-BdA - entgegen ursprünglicher Absicht - sich aus der Vorbereitung auf die zentrale Demonstration gegen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1997 in Stuttgart zurückzog und sich nicht in ein von Linksextremisten gesteuertes Bündnis einbrachte. 5.3 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Gründung: Sitz: 1989 Berlin /ZH Mitglieder: ca. 230 Baden-Württemberg (1996: ca. 215) ca. 105.000 Bund ( 1996: ca. 110.000) Publikationen: "Disput" "PDS-Pressedienst" Der durch innerparteiliche Querelen in seiner politischen Handlungsfähigkeit eingeschränkte Landesverband Baden-Württemberg der keine klare "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) ließ auch 1997 eine Abgrenzung klare Abgrenzung gegenüber anderen Linksextremisten vermissen. gegenüber Zwar wurde das Bemühen um eine konsequente Umsetzung der Eranderen gebnisse des Schweriner Parteitags vom Januar 1997 deutlich. Dort Linksextremer - als eines der wesentlichen Ergebnisse - das Verbot von Doppelmisten mitgliedschaften beschlossen worden. Wie halbherzig dieser Beschluß in seiner Konsequenz jedoch war, ergibt sich daraus, daß zum einen die vor dem Zeitpunkt der Beschlußfassung bereits bestehenden Doppelmitgliedschaften weiterhin geduldet werden und zum anderen das Abgrenzungsbemühen sich in erster Linie gegen die DKP als einzige weitere größere linksextremistische Partei richtet. Daneben ist unverändert die Bereitschaft festzustellen, alle sonstigen linksextremistischen Einflüsse in der Partei zu dulden. Die Auseinandersetzung mit innerparteilichen Strömungen führte in BadenLandesinfo EH3 Württemberg dazu, daß der LandesverBaden-Württemberg band sich überwiegend mit sich selbst beschäftigte. Kern der Dissonanzen mit u Mehr Druck i/nWi Illliilas Kampf ,'.s!ii ELriiah n AftKttiplafA'il in iter Mannhfi- 1 *...;; crhiupi, IHB itinn möglich. mjriit I-.I * * - i i - !**;* * H I ijolj Kt, utna *.; *!!* N r r i l :** dem als "Kommunistische Arbeitsgemeinschaft" in der PDS aufgegangenen früheren "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) waren dessen Bemühungen, massiv auf den politischen Kurs und die EntscheidungsfinGegen Sozialklau dung der Partei Einfluß zu nehmen. Der Sozial & sofidariscti im Vergleich zur Bundesebene ungleich der PDS-Gewerkschalterlnnen stärkere Konflikt spiegelt zugleich den Bundestagswahl 98 Kampf um die Durchsetzung des maßSpitzenkandidaten geblich von ehemaligen DKP-"Erneuejetzt benennen! rern" getragenen "Reformerkurses" im MdB Winfried Wolf Solidarität Landesverband wider. mit der Pfaff-Belegschaft Dessen ungeachtet bestehen die übrigen in der PDS etablierten Arbeitsgemeinschaften und Plattformen wie die Publikation des Landesverbandes "AG Junge Genossinnen", die "KomBaden-Württemberg Arbeitsge*""""' munistische Plattform", "AG meinschafAntifa", "Ökologische Plattform", "Plattform 'Demokratischer ten und Sozialismus'" und mit ihnen anarchistische, orthodox-kommuniPlattforstische und sonstige marxistisch-leninistisch ausgerichtete Strömunmen gen fort. Eine Fortsetzung erfuhr auch die Zusammenarbeit mit der DKP so122 Linksextremismus wie linksextremistisch beeinflußten Organisationen. So trat die PDS zusammen mit der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA) Ende 1996 als Unterstützerin einer von der DKP getragenen Veranstaltung zur Lage in Kuba auf. Kontinuierliche Kontakte zu Autonomen pflegt die PDS im Rahmen des überwiegend linksextremistischen "Antifaschistischen Aktionsbündnisses Rhein-Neckar", dem neben ihr die "Autonome Antifa Heidelberg", die "AG Junge Genossinnen Rhein-Nekkar", aber auch Gruppen wie die anarcho-kommunistische "Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei" (FAU/AP) und ihre Nebenorganisation "Schwarze Garde" angehören. Im Zusammenhang mit einer bundesweiten Demonstration am 25. Oktober 1997 in Heidelberg gegen die geplante Räumung des dortigen "Autonomen Zentrums" trat die PDS neben den vorstehend genannten Gruppen in einem breiten Bündnis als Unterstützer auf. Ebenfalls von ihr unterstützt wurde die maßgeblich von deutschen und ausländischen Linksextremisten initiierte bundesweite Kampagne "Dialog statt Verbot" zur Aufhebung des Verbots der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Der PDS-Landesverband Baden-Württemberg konnte im zurückliegenden Jahr das Ziel, seinen Mitgliederbestand zu erhöhen, nicht in dem erhofften Umfang realisieren. Bundesweit setzte sich gleichzeitig der Abwärtstrend weiter fort. Neu hinzugekommen sind im Land immerhin weitere Basisorganisationen in den Regionen Lörrach, Schwarzwald-Baar-Heuberg und eine weitere in Tübingen. Die mit über 20 solcher Organisationseinheiten relativ große Zahl darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich hierbei oftmals um kleinste Gruppen mit weniger als zehn Mitgliedern handelt. Zusätzlich ist es der Partei gelungen, über Heidelberg hinaus auch an den Hochschulen in Mannheim und Freiburg Fuß zu fassen. An die Bundestagswahl 1998 knüpft die PDS konkrete Hoffnungen. Ziel ist es, bundesweit die 5%-Hürde zu überwinden, zumindest je- doch drei oder mehr Direktmandate zu erringen und mit Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen. Im Westen dürfte ein Ergebnis um 2% von der Partei bereits als Erfolg gewertet werden. 5.4 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" MLPD (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen Mitglieder: ca. 700 Baden-Württemberg (1996: ca. 700) ca. 2.500 Bund (1996: ca. 2.700) Publikationen: "Rote Fahne" (RF) "Lernen und kämpfen" (Luk) "Rebell" Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die im Jahr 1982 aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) hervorging, strebt den "revolutionären Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft" an. Nach dem Grundsatzprogramm der Partei bekennt sie sich weiterhin zu den Lehren von Marx, Lenin und Mao Tse-tung (Engels und Stalin werden seit 1994 nicht mehr erwähnt). Durch die "Schaffung einer neuen Opposition" soll eine "Mehrheit der Bevölkerung" für eine Revolution und die Beseitigung des "Imperialismus" gewonnen werden. weitgehende Die seit Jahren zu beobachtende Isolation der MLPD ist auf ihre Isolierung dogmatische und unversöhnliche Haltung gegenüber anderen linksextremistischen Gruppierungen zurückzuführen. Der südwestdeutsche Raum ist - neben Nordrhein-Westfalen - der Schwerpunkt der Partei. Die Mitglieder sind in Landes-, Bezirksund Kreisverbänden sowie Orts-, Wohngebietsund Betriebsgruppen organisiert und unterliegen einer "Zentralen Leitung", die ihren Sitz in Gelsenkirchen hat. Die MLPD finanziert sich durch Beiträge und Spenden ihrer Mitglieder sowie durch den Verkauf zahlreicher Publikationen. Das Zentralorgan "Rote Fahne" erscheint wöchentlich. Als Anleitungsblatt der Partei wird außerdem monatlich die Schrift "Ler124 Linksextremismus "Friedliche MLPD-Publikationen lolitik" ik PfingstJugendtreffen war ein voller Erfolg! Seiten 4-7 Elitetruppen I \_3jJjlJjjL Sieg des Befreiungsfür den| C J % kampfs in Zaire weltweiten - ~ +-*m* Seiten 12/13 Kommt mit zu den Sommercamps Seiten 17-19 auf der Grundlage der proletarischen Denkweise D l-d 1 ilWB:.. A Organ von und für Mitglieder der MLPD und Funktionäre im Jugend verband REBELL Auf der Grundlage der Reorganisierung in Kreise zur politisthen Offensive übergehen! nen und kämpfen" (Luk) herausgegeben. Hinzu kommen etliche Betriebsund Stadtzeitungen sowie das JubllEoflkhs KW'2&-Stnd"n9iipp< " gendmagazin " R e - HSfiril"-..,..,.,.," "'ü "rz,"-r."r,trr" bell", das als Sprach"*=-""" " S S S s S C ^ - "" rohr des gleichlautenssssrassäs~**^ "(tm)" S S r S S l T den Jugendverbands s(tm)^-^(tm) der MLPD alle zwei Monate erscheint. Weiterhin starken Einfluß übt die MLPD auf den nach außen als überparteilich, unabhängig und selbständig auftretenden Frauenverband "COURAGE" aus. Bei der 3. Bundesdelegiertenversammlung vom 6. - 8. Juni 1997 in Bad Urach wurde u. a. der "COURAGE"-Aufbau in den neuen Bundesländern als ein Schwerpunkt genannt. 125 Unter dem Motto "solidarisch - kämpferisch - international" veranstaltete die Partei am 17. /18. Mai 1997 in Gelsenkirchen ihr 8. InInternatioternationales Pfingstjugendtreffen. Die MLPD-Vorfeldorganisation nales "Solidarität International" (SI), der Jugendverband "Rebell" und Pfingstjuder Frauenverband "COURAGE" waren mit eigenen Infoständen gendtreffen vertreten. Bei einer Podiumsdiskussion über "Perspektiven des Internationalen Befreiungskampfs" nahmen neben dem Parteivorsitzenden Stefan ENGEL auch Vertreter verschiedener internationaler "Bruderparteien" teil. Insgesamt beteiligten sich ca. 3.000 Personen an dem Pfingstjugendtreffen. Hierbei handelte es sich überwiegend um Mitglieder MLPD-eigener bzw. ihr nahestehender Organisationen. Die von der Partei genannte Teilnehmerzahl von 14.000 Besuchern war wie üblich weit überhöht. Nicht zuletzt wegen der 126 Linksextremismus geringen Resonanz im Vergleich zu 1995 verlief das Treffen für die MLPD enttäuschend. Dieser Aspekt führte zu parteiinterner Kritik. 5.5 "Rote Hilfe e.V." (RH) Gründung: 1974 Sitz: Kiel Mitglieder: ca. 150 Baden-Württemberg (1996: ca. 100) ca. 3.000 Bund (1996: ca. 2.000) Publikation: "DIE ROTE HILFE" Die "Rote Hilfe e. V" (RH) ist eine der ältesten in linksextremistischer Tradition stehenden Organisationen. Sie war erstmals 1924 in der Weimarer Republik unter Federführung der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) gegründet worden, hatte sich im Dritten Reich jedoch aufgelöst. Sie trat seinerzeit als Solidaritätsorganisation des "revolutionären Proletariats" im Kampf gegen die "Klassenjustiz" an. 1974 wurde die "Rote Hilfe e.V." neu gegründet. Sie definiert sich als "parteiunabhängige, strbmungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation", die für alle eintritt, die "in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden". In den letzten Jahren stieg ihre Mitgliederzahl nach eigenen Angaben kontinuierlich an; sie soll derzeit bei etwa 3.000 liegen. Bundesweit gibt es 21 Ortsgruppen, davon je eine in Heidelberg und in Heilbronn, sowie 15 Kontaktadressen, u. a. in Karlsruhe und Weil am Rhein. Eine der bundesweit größten und aktivsten Ortsgruppen stellt die Heidelberger mit etwa 100 Mitgliedern dar. 1997 veröffentlichte sie eine Broschüre mit dem Titel "Verfassungsschutzbericht - ein Blick auf die Arbeit eines Geheimdienstes im Raum Heidelberg", in der die Arbeit des Nachrichtendienstes in diffamierender Weise dargestellt wird. In einem "Fazit" heißt es: "Die Stasi ist tot, es lebe der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, der militärische Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt und die politischen Polizeien ... Jeder demokratisch eingestellte Mensch, jeder, dessen Leben in irgendeiner Weise von den herrschenden Normen abweicht, vor allem aber alle politisch Aktiven und insbesondere links-oppositionelle Gruppen sind von den geheimdienstlichen Methoden betroffen ..." Am 18. Oktober 1997 war die "Rote Hilfe"-Ortsgruppe Heidelberg unter den Mitorganisatoren einer Veranstaltung zum 20. Jahrestag des "Deutschen Herbstes". Diese stand unter dem Motto: "18.10.1977 - Gegen die herrschende Geschichtsfälschung" und befaßte sich in der szeneüblichen Polemik mit der "Selbstmordversion" der RAFInhaftierten in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim, mit "Isolationsfolter und Vernichtungshaft bis heute" und der Freilassungsforderung für "alle politischen Gefangenen". 5.6 Sonstige Organisationen Aus dem Spektrum revolutionär-marxistischer Organisationen entfalten nur noch wenige nennenswerte linksextremistische Aktivitäten bzw. sind aufgrund ihrer - wenngleich geringen - politischen Bedeutung erwähnenswert: Der 1980 aus der Spaltung des damaligen "Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW) hervorgegangene "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) firmiert inzwischen unter dem Namen "Forum kommunistischer Arbeitsgemeinschaften". Seine Landesverbände sind in der Regel als Arbeitsgemeinschaften in der PDS aufgegangen. Er ist nach wie vor mehrheitlich an der "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH" (GNN) mit Sitz in Köln und bundesweiten Niederlassungen beteiligt. Die Aktivitäten der BWK-Vorfeldorganisation "Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (Volksfront)", früher "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT), erschöpfen sich weitgehend in der Mitherausgabe der vierzehntäglich erscheinenden "Antifaschistischen Nachrichten". Linksextremismus Die "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) entstand im Jahr 1986 aus einer Fusion der "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) unter der Bezeichnung "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP). Im Juni 1995 wurde auf einer Delegiertenkonferenz in Köln die Umbenennung der Organisation beschlossen. Eine 1994 erfolgte Abspaltung des "Revolutionär-Sozialistischen Bundes" (RSB) sowie PDS-Übertritte reduzierten die VSP auf heute bundesweit noch etwa 150 Mitglieder. Q Trotzkistische Vereinigungen Mehr als die Hälfte der etwa ein Dutzend in Deutschland noch aktiven trotzkistischen Organisationen tritt auch in Baden-Württemberg in Erscheinung. Die trotzkistischen Vereinigungen gehören verschiedenen konkurrierenden internationalen Dachverbänden an, wovon keiner seinen Sitz in Deutschland hat. Allenfalls von punktueller Bedeutung sind die "Partei für Soziale allenfalls Gleichheit" (PSG), früher "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA), punktuelle die "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) und deren Abspaltung Bedeutung "Internationale Sozialistische Organisation" (ISO), der aus der ehemaligen "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) hervorgegangene "Revolutionär-Sozialistische Bund/IV. Internationale" (RSB), die "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) sowie die "Sozialistische Alternative VORAN" (SAV) mit der von ihr initiierten "Jugend gegen Rassismus in Europa" (JRE). Sie treten nur gelegentlich - etwa in Aktionsbündnissen und anderen linksextremistischen Organisationen - auch öffentlich auf, führen ansonsten aber zumeist das kaum auffällige Dasein von Splittergruppen. D. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 1. Allgemeiner Überblick Im Jahr 1997 waren von den 1.290.76123 in Baden-Württemberg lebenden Ausländern 8.920 Personen (1996: 9.065) in Vereinigungen mit extremistischer oder gar terroristischer Zielsetzung aktiv. Die strukturelle Aufteilung dieses Spektrums hat sich gegenüber 1996 nicht nennenswert geändert; der Anteil politischer Extremisten an der ausländischen Wohnbevölkerung blieb weiterhin gering. Die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland war 1997 jedoch trotz eines drastischen Rückgangs der Straftaten weiterhin Anhänger extremistischer bzw. extremistisch beeinflußter Ausländerorganisationen sowie sonstiges Gefährderpotential in Baden-Württemberg 1997 und 1996 "JUGOARABER IRANER KURDEN TÜRKEN SONSTIGE GESAMT SLAWEN" 1997 1996 1997 1996 1997 1996 1997 1996 1997 1996 1997 1996 1997 1996 links165 130 50 40 860 1.180 115 130 940 1.140 80 60 2.455 2.435 extremistisch rechtsextremistisch - " 50 50 - 1.800 1.800 - 1.850 1.850 religiös375 320 30 30 4.000 4.100 110 150 4.515 4.600 nationalistisch sonst. Gefahrderpotential - 100 180 100 180 Gesamt 490 485 160 160 200 270 940 860 6.940 7.080 190 210 8.920 9.065 Grafik: LfV BW Stand: 31.12.1997 13 Quelle: Bundesverwaltungsamt; Stand: 31.12.1996 130 Ausländerextremismus beeinträchtigt. Nach 501 24 Gesetzesverletzungen im Jahr 1996 wadeutlicher ren nurmehr 26624 Delikte zu verzeichnen. Besorgniserregend zuRückgang genommen haben indes die Fälle von Körperverletzungen: Sie ervon Straftahöhten sich von 1024 (1996) auf 3024 im Jahr 1997. Auch die Zahl ten in angezeigter Erpressungen ist leicht von 1824 auf 2024 gestiegen. Stark Badenrückläufig waren insbesondere die Brandanschläge von Anhängern Württemberg der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) entsprechend dem von Abdullah ÖCALAN proklamierten Wohlverhalten in Deutschland. Die ungebrochene Militanz dieser Seite - wie im übrigen auch der türkischen Linksextremisten - wird indes durch die hohe Zahl von Körperverletzungen dokumentiert. Hierzu zählen größtenteils Disziplinierungsmaßnahmen gegen unbotmäßige Anhänger bzw. vermeintliche oder tatsächliche "Feinde" der Organisation. Eine weitere besorgniserregende Entwicklung stellt die Zunahme bei der Rekrutierung von Nachwuchskräften für den Guerillakampf in der Türkei bzw. Funktionärsaufgaben in den europäischen Ländern dar. Auffallend ist dabei, daß die Zielpersonen in zunehmendem Maße noch im Kindesalter sind. Oftmals gegen den Willen der Eltern werden die Jugendlichen dem familiären Einflußbereich entzogen. Hier ist von einer größeren Dunkelziffer auszugehen, da die Eltern aus Angst vor Repressionen der Organisation diese Kindesentziehungen vielfach nicht anzeigen. Die türkischen islamistischen Vereinigungen verfügten 1997 über das nach wie vor größte Anhängerpotential. Mitgliederstärkste Organisation blieb die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG). 2. Kurden "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gründung: 1978 Anhänger: ca. 780 Baden-Württemberg ca. 10.000 Bund Die von Abdullah ÖCALAN gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ist unter den extremistischen Kurdengruppen die weitaus einflußreichste und anhängerstärkste. Sie vermag bei passenden 24 Zahlen des LKA Baden-Württemberg Gelegenheiten das Mehrfache ihrer Anhängerzahl zu mobilisieren. Die PKK führt seit 1984 einen Guerillakrieg in der Türkei. Auch in Deutschland verübte sie Gewaltaktionen gegen türkische, gelegentlich auch gegen deutsche Einrichtungen. Zeitweise versuchte sie ihr politisches Ziel, die "nationale Befreiung", mit großer Militanz durchzusetzen. Spektakuläre Aktionen sollten die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit erzwingen. Der Bundesminister des Innern hat deshalb am 26. November 1993 ein Betätigungsverbot gegen die PKK und ihr Propagandainstrument, die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), erlassen. Ferner wurden einige ihrer Teilund Nebenorganisationen verboten. Das Programm der PKK enthält eine Vermengung kommunistischen und nationalistischen Gedankenguts. Indes stehen im Vordergrund immer weniger ideologische Ziele; die Fokussierung ist vielmehr auf den bewaffneten Kampf für ein "freies Kurdistan" gerichtet. Deshalb befürchten Teile der deutschen Kurdistan-Solidaritätsbewegung eine zunehmend "völkisch-nationalistische" Umorientierung der PKK. Dem trat Ende April 1997 die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) in einem im "Kurdistan-Rundbrief, Nr. 10, veröffentlichten "offenen Brief entgegen. Darin hieß es, die PKK sei zwar eine "nationale Befreiungsbewegung", bleibe jedoch dem Internationalismus verpflichtet. Als Beleg dafür interpretierte die YEK-KOM den 1995 erfolgten Austausch des mit Hammer und Sichel versehenen Parteiemblems durch eine brennende Fackel wie folgt: "Einmal steht das Symbol der Fackel im Zusammenhang mit dem Newroz-Feuer, dem Feuer der Freiheit, das allen Kurden Hoffnung und Ziel bedeutet. Zum anderen soll die Fackel das Feuer des Geistes, die Helligkeit des Verstandes darstellen und damit Symbol des wissenschaftlichen Sozialismus sein - also eine Weiterführung, nicht ein Fallenlassen sozialistischer Symbole. " Nachdem die Aktivitäten der PKK Anfang 1996 offenbar durch Ausländerextremismus Führungsfehler und persönliche Unzulänglichkeiten zahlreicher Kader praktisch zum Stillstand gekommen waren, erfolgte im WinReorganisater 1996/97 eine Reorganisation der Partei. Das Jahr 1997 wurde tion der von ÖCALAN zum sogenannten Finaljahr erklärt. Die militärischen Partei und politischen Erwartungen erläuterte ein Mitglied des Zentralkomitees der PKK in einem im "Kurdistan-Report", Nr. 85 (Mai/Juni '97), abgedruckten Interview: "Unsere Partei wird mit militärischen Zusammenstößen den Krieg, mit politischen Methoden die Lösung aufzwingen. In diesem Sinne wird 1997 ein Lösungsjahr. Diese Entwicklung wird in diesem Jahr begonnen werden, egal ob der Feind militärische oder politische Mittel vorzieht. In diesem Sinne muß die Außerung des Vorsitzenden 'Dieses Jahr wird das Jahr der Finale' verstanden werden ... 1997 wird sowohl auf der Ebene des Kampfes der Beginn eines revolutionären Vorstoßes sein, der die gesamte Bevölkerung einschließt, auf allen Ebenen gegen den Feind einen erbarmungslosen Kampfführt und der dauerhaft wichtige strategische Gewinne erzielt ... wenn auch nicht in ganz Kurdistan, so wird es doch der Beginn für die revolutionär-patriotische Machtergreifung in den wichtigsten Teilen Kurdistans sein. Es wird damit enden, daß sich diese Volksmacht in den anderen Teilen Kurdistans ausdehnt und in den übrigen Bereichen im Rahmen dieser Macht eine Entwicklung entsteht, die direkt durch unsere Partei beeinflußt und gelenkt wird. Natürlich besteht hierin die Realität einer Macht auf nationaler Ebene, in der sich die notwendigen Machtorgane parallel zu ihr Schritt für Schritt aufbauen. Sie wird immer mehr die Formen eines Nationalparlamentes, regionaler Volksparlamente und Verwaltungsorgane des Volkes annehmen und sich entwickeln. Der Vor133 sitzende hat dies als die Nationale Führung definiert. " Auf der Grundlage der Vorgaben ÖCALANs beschloß das 1995 von der PKK initiierte "Kurdische Exilparlament" (PKDW) auf seiner 7. Sitzung im April 1997 in Brüssel, nunmehr "ins Land zurückzukehren" und dort die Vorbereitungen für einen kurdischen Nationalkongreß abzuschließen. Nach der militärischen sei nun auch die politische Präsenz notwendig. Am 14. Mai 1997 überschritt die türkische Armee die Grenze zum Irak und drang tief in die kurdische UN-Schutzzone im Nordirak ein. Diese Militäraktion gegen Stellungen und Lager der PKK wurde mit deren stark gestiegenen Einfluß auf die Kurden in diesem Gebiet begründet. Dort schon seit längerem von der PKK geführte intensive Gespräche mit anderen Kurdenvereinigungen sollen die Errichtung einer Föderation und den Ausbau des sich teilweise schon vor Ort befindlichen "Kurdischen Exilparlaments" zu einem Nationalparlament vorantreiben. Bei ihrem Vorstoß gelang es den türkischen Streitkräften in Zusammenarbeit mit den Peshmergas (Kämpfern) der um ihren Einfluß im Nordirak fürchtenden "Demokratischen Partei Kurdistans - Irak" (DPK-Irak) offenbar, zahlreiche Lager und Depots der PKK auszuheben und eine größere Zahl Guerillas zu töten. Aufsehen erregte dabei die Einnahme eines in einem ausgedehnten Höhlensystem untergebrachten, besonders gesicherten Lagers, in dem sich eine der wichtigsten Kommandozentralen der PKK-Guerillaorganisation "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) mit ausgedehnten Trainingseinrichtungen, Schulungsräumen und Krankenhäusern befand. IK-ReakDie Kämpfe zwischen der ARGK und der türkischen Armee wurden tionen in in Europa von zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Europa auf PKK begleitet. Dabei prangerte sie die angeblichen Pläne der USA, türkischen Israels und der Türkei zur "Neuverteilung''' der Nahostregion an und Einmarsch warnte vor einer zu erwartenden türkischen Annexion des Nordin den irak. Zu Beginn der türkischen Invasion veröffentlichte die ERNKNordirak Europavertretung eine Erklärung mit folgendem Wortlaut: Ausländerextremismus Berichterstattung über ARGK-Angrijfe "... Während in Kurdistan von unserem Volk und der Volksbefreiungsarmee alle Vorbereitungen zur Generalmobilmachung getroffen worden sind, rufen wir unser in Europa lebendes Volk auf auf der Grundlage der von unserer nationalen Führung ausgerufenen Generalmobilmachung seiner Aufgabe noch entschlossener nachzukommen ..." Anläßlich einer Pressekonferenz rief die ERNK ihre Sympathisanten zu Demonstrationen auf und warnte gleichzeitig die westlichen Staaten: "... Sie müssen sich bewußt sein, daß Schwei- . gen Zustimmung und Unterstützung bedeutet. Des weiteren müssen sie sich bewußt darüber sein, daß jeder Angriff gegen unser Volk und dessen führende Kraft, die PKK, unmittelbar Einfluß auf die in Europa lebenden Kurden hat und deren Reaktionen bestimmt. Unsere Reaktionen werden sich dem Umfang der Operationen entsprechend ständig verändern. " Nach Aktionen in Genfund Straßburg demonstrierten PKK-Anhän- ger zwischen dem 21. und 31. Mai 1997 gewaltfrei auch in zahlreichen deutschen Städten, so in Berlin, Hamburg, Münster, Osnabrück, Oldenburg, Hannover, Bielefeld, Bonn, Saarbrücken, Frankfurt am Main, Freiburg, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Ulm. An den Veranstaltungen beteiligten sich jeweils bis zu 2.000 Personen. Der Abschuß mehrerer türkischer Hubschrauber im Mai/Juni 1997 im Nordirak mit Boden-Luft-Raketen wurde von der Anhängerschaft der PKK als großer Schritt der Guerilla gegenüber der absoluten Lufthoheit der türkischen Streitkräfte über Kurdistan euphorisch gefeiert. Vor diesem Hintergrund startete die Partei Mitte Juni 1997 eine 4wöchige, europaweite Sonderspendenkampagne zum Erwerb weiterer Luftabwehrraketen. Dabei sollte jedes Parteigebiet - die PKK ist in Deutschland in 10 "Regionen", mehr als 30 "Gebiete" und zahlreiche "Teilgebiete" strukturiert - einen Betrag von 30.000 DM aufbringen. Pressemeldungen zufolge erklärte der PKK-Generalvorsitzende im Juni 1997 nach dem Einmarsch des türkischen Militärs im Nordirak die gesamte Türkei zum Kriegsgebiet; Selbstmordkommandos der Partei warteten nur auf seinen Einsatzbefehl. Da auch Ziele in Großstädten angegriffen würden, rate er von einem Besuch touristischer Sehenswürdigkeiten ab. Mit Plakaten und einer Anzeige im "Kurdistan Report", Nr. 84 (März/April), wurde auch im Bundesgebiet zum Boykott von Türkeireisen als "Beitrag zum Frieden in Kurdistan" aufgerufen. Der Aufbau einer derartigen Drohkulisse zu Beginn jeder Urlaubssaison hat mittlerweile bereits Tradition. In einem Schreiben an die deutsche Botschaft in Athen vom 21. Juni 1997 warnte die "Balkanvertretung der ERNK", die ARGK habe nunmehr auch die "Westküste Kleinasiens", das Haupttouristengebiet, zur Kriegszone erklärt. Daher würden Besucher dieser Gebiete gewarnt, die Kriegszone mit den "darin liegenden Gefahren" zu betreten. Intern wurde jedoch bekannt, daß gezielte Angriffe auf ausländische Touristen nicht vorgesehen waren. Die Warnung sollte allein durch ihren Drohcharakter von Türkeireisen abschrecken. Auch 1997 versuchte sich die PKK in Europa durch medienwirksame Ausländerextremismus Massendemonstrationen als "Volksbewegung" zu präsentieren. Anläßlich des "Kurdischen Kulturund Friedensfestivals" am 6. September 1997 im Müngersdorfer Stadion in Köln kamen etwa 70.000 Personen zusammen. In der Mehrzahl handelte es sich um Anhänger der PKK sowie deren Vorfeldund Teilorganisationen, die aus dem gesamten Bundesgebiet und mehreren westeuropäischen Ländern angereist waren. Der von der PKK als wichtiges Propagandamedium benutzte kurdische Satellitensender "MED-TV" berichtete zeitgleich über das Festival. Neben kulturellen Vorführungen wurde eine etwa 20minütige Rede ÖCALANs eingespielt. Vor dem Hintergrund des 4. Jahrestags des PKK-Betätigungsverbots (26. November 1993) traf die YEK-KOM im September/ Oktober 1997 intensive Vorbereitungen zur Durchführung einer bundesweiten Öffentlichkeitskampagne. Zum Auftakt der Aktionsund Veranstaltungsreihe reisten mehrere prominente Unterstützer des kurdischen Unabhängigkeitskampfs mit einem Bus durch das gesamte Bundesgebiet. Die zahlreichen Aufenthalte der "Karawane", u.a. am 14. November 1997 in Stuttgart (ca. 250 Teilnehmer) und am folgenden Tag in Ulm (ca. 100 Teilnehmer), verfehlten indes nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, sondern auch bei den eigenen Parteianhängern bei weitem die von der Partei erwartete Resonanz. Am 22. November 1997 fand eine vom "Kulturzentrum KurdiGroßveranstan e.V." als "Kulturtreffen " angemeldete Großveranstaltung in staltung in der Mannheimer Maimarkthalle mit ca. 8.000 Teilnehmern statt, Mannheim bei der auch an den Jahrestag der Gründung der PKK erinnert wur137 de. Entgegen den Zusagen des Vereins und entsprechenden Auflagen der Versammlungsbehörde umfaßte das Programm neben Folkloreund Theaterdarbietungen in geringerem Umfang auch politische Agitation. Über die Folkloredarbietungen berichtete "MEDTV" zeitversetzt. In Deutschland zeigten sich die Anhänger und Funktionäre der PKK auch 1997 nach außen hin um ein moderates Auftreten bemüht. Sie halten sich nach wie vor weitgehend an die taktisch motivierten Vorgaben ihres Generalsekretärs, im Bundesgebiet Zurückhaltung zu üben und Gewaltaktionen bis auf weiteres zu unterlassen. Diese Strategie ÖCALANs zielt unverändert darauf ab, perspektivisch eine Aufhebung des Betätigungsverbots zu erreichen und als legaler Ansprechpartner bei der friedlichen Lösung des Kurdenproblems anerkannt zu werden. Auch seine jüngsten Äußerungen gegenüber den Medien lassen auf absehbare Zeit keine Änderung im Vorgehen der PKK erwarten. Vielmehr sollte im "Finaljahr 1997" der Öffentlichkeit mit friedlichen Solidaritätsaktionen das Streben nach einer politischen Lösung der Kurdenfrage dargelegt werden. Gleichwohl geht die PKK in Deutschland weiterhin intern mit gewaltsamen Disziplinierungsmaßnahmen gegen unbotmäßige Mitglieder vor und schlichtet in angemaßter Gerichtsbarkeit Streitigkeiten unter kurdischen Familienverbänden und Einzelpersonen. Mit Hilfe ihrer Jugendorganisation intensivierte die PKK im Laufe des Jahres 1997 ihre Bemühungen, Nachwuchs für den "Befreiungskampf ihrer Guerillaeinheiten in der Türkei bzw. für Funktionärsaufgaben in Europa zu rekrutieren. Auffallend dabei war, daß die Zielpersonen in zunehmendem Maße noch im Kindesalter sind. Oftmals gegen den Willen der Eltern werden kurdische Jugendliche nach politischer Indoktrination dem familiären Einflußbereich entzogen und mit Hilfe spezieller Ausbildungslager der Vereinigung zugeführt. Vielfach zeigen die Eltern aus Angst vor Repressionen das Verschwinden ihrer Kinder nicht an, so daß in diesem Zusammenhang von einer großen Dunkelziffer auszugehen ist. Wenn auch in stark eingeschränktem Maße, so wurden im Verlauf der Spendenkampagne 96/97 der Partei wiederum Einzelfälle bekannt, bei denen Gelder unter dem Einsatz von Gewalt eingetrieben Ausländerextremismus wurden. Insgesamt war bei der Aktion ein nicht unerheblicher Rückgang der Spendenbereitschaft, insbesondere unter den in Süddeutschland lebenden Kurden, zu beobachten. Wegen des unverändert großen Finanzbedarfs sind Reaktionen der Parteiführung zu erwarten. Mehrere PKK-gesteuerte Gruppierungen organisierten vom 8 . - 2 0 . März 1997 einen Marsch von Brüssel nach Straßburg, an dem sich unter dem Motto "Marsch zur Freiheit Kurdistans " Anhänger der PKK | aus ganz Deutschland beteiligten und mit j Fahnen und Spruchbändern für die Par- S tei warben. Im Veranstaltungsprogramm forderte die "Konföderation kurdischer Vereine in Europa" (KON-KURD) u.a. die Aufhebung der Verbote kurdischer Organisationen in Deutschland, ein Ende der "Repressionen" gegen Einrichtungen und Wohnungen der in Europa lebenden Kurden, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Organisationsfreiheit für das kurdische Volk, eine Einflußnahme der europäischen Staaten auf die Türkei und die Aufnahme eines Dialogs. Aus Anlaß des kurdischen Neujahrsfestes "Newroz" (21. März) fanden in Baden-Württemberg auch 1997 wieder Veranstaltungen und Aufzüge der PKK und ihrer Anhängerschaft statt. Mit Fackelzügen in Freiburg, Heilbronn, Mannheim, Stuttgart und Ulm wurde das Newrozfest am Abend des 20. März 1997 begangen. Einen Tag später versammelten sich etwa 8.000 Kurden aus ganz Süddeutschland im Sindelfinger "Glaspalast" zu einer als "Kulturveranstaltung" deklarierten Newrozfeier der PKK. Sämtliche Veranstaltungen verliefen weitgehend störungsfrei; Ausschreitungen wie in den Vorjahren waren nicht zu verzeichnen. Um ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen und die angeb139 liehe Friedfertigkeit zu unterstreichen, initiierte die PKK am 26. April in Düsseldorf unter dem Motto "Zeit für Frieden in Kurdistan " eine Kundgebung mit 45.000 Anhängern. Den Höhepunkt bildete die Wiedergabe einer aufgezeichneten 15minütigen Rede ÖC ALANs. In Baden-Württemberg stützt sich die PKK bei ihren Aktivitäten nach wie vor auf einen harten Kern von derzeit mindestens 780 Personen. Darüber hinaus verfügt sie über ein weiterhin stets mobilisierbares Sympathisantenpotential von mehreren tausend Kurden. Betreut wird diese Anhängerschaft von zentralen Anlaufstellen in einem flächendeckenden Netz regionaler Parteikomitees. 3. Türken (ohne Kurden) 3.1 Allgemeines Die größte ethnische Gruppe unter den hier lebenden Ausländern bilden die türkischen Staatsangehörigen. Von den 320.000 Türken in Baden-Württemberg gehören 6.940 als Anhänger oder Unterstützer dem extremistischen Spektrum an. Die deutlichsten Gefährdungen der inneren Sicherheit gehen wegen ihrer Militanz von linksextremistischen Gruppen aus. Innertürkische Vorkommnisse boten in den meisten Fällen den Impuls zum Handeln, was sich in öffentlichen Protestaktionen und politisch-kulturellen Saalveranstaltungen manifestierte. Mit großem Abstand stellen die islamistischen Gruppierungen die zahlenmäßig stärkste Kraft. Mit 4.000 Anhängern hielten sie sich nahezu auf dem Niveau des Vorjahrs (1996: 4.100). Ihre einseitige Festlegung auf islamistisch-ideologische Positionen bildet ein wichtiges Hindernis für die Integration türkischer Muslime in Deutschland und leistet einer Ghettoisierung Vorschub. Auf die Indoktrinierung der Jugend legen diese Organisationen einen Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit. Das extrem-nationalistische Lager entfaltete kaum nennenswerte Ausländerextremismus öffentliche Aktivitäten. Die Basisarbeit wurde in gewohnter Weise fortgesetzt, neue Anhänger konnten jedoch nicht gewonnen werden. 3.2 Linksextremisten Die türkischen Linksextremisten präsentierten sich auch 1997 stark zersplittert. Die erstmalig im Vorjahr anläßlich des Hungerstreiks von Häftlingen in türkischen Gefängnissen festgestellte Zusammenarbeit der ansonsten rivalisierenden Gruppen setzte sich - wenngleich in geringerem Umfang - fort. So konnten zu bestimmten Anlässen im Heimatland Türkei bzw. zu aktuellen Themen in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsame Protestaktionen verabredet und durchgeführt werden. Anlässe bildeten beispielsweise die Einführung der Visumpflicht für ausländische Kinder, die Demonstrationen der "Samstagsmütter in Istanbul", die "Kampagne gegen das Verschwindenlassen Oppositioneller in türkischen Haftanstalten", der Einmarsch der türkischen Armee im Sommer in den Nordirak sowie ein Brand in einem Asylbewerberheim im Juni in Friedrichshafen. Zu Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen, u.a. in Freiburg, Friedrichshafen, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart, Ulm und VillingenSchwenningen, versammelten sich gelegentlich bis zu 1.000 Teilnehmer. 3.2.1 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP/-C)/"Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C) Gründung: 1978 als "Devrimci Sol" (Dev Sol) Anhänger: knapp 200 Baden-Württemberg ca. 1.200 Bund Zu den wichtigsten und militantesten Organisationen in diesem Spektrum zählen die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP/-C) und die "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C). Beide Vereinigungen sind Nachfolgeorganisationen der 1978 in der Türkei gegründeten, bereits 1983 in Deutschland vom Bundesminister des Innern verbotenen und 1993 in zwei äußerst zerstrittene Fraktionen gespaltenen "Devrimci Sol" (Dev Sol - Revolutionäre Linke). Trotz dieser unüberbrückbaren organisatorischen Trennung führen beide Gruppen in "traditioneller Anknüpfung" die erklärten Ziele ihrer Mutterpartei unverändert fort; in ideologischer Hinsicht unterscheiden sie sich dabei nicht. Sie kämpfen weiterhin für die Verwirklichung des Marxismus-Leninismus und den Aufbau eines sozialistischen Gesellschaftssystems in der Türkei. Den "bewaffneten Kampf' zur Schaffung der "Revolutionären Volksmacht" richten beide vor allem gegen die türkische Regierung und ihre Repräsentanten, insbesondere gegen den staatlichen Unterdrückungsapparat, sowie gegen "alle imperialistischen Kräfte", wobei dies "zuallererst" den USA gelte. In Baden-Württemberg ist nahezu ausschließlich die DHKP/-C, also die Anhängerschaft des sogenannten KARATAS-Flügels (benannt Schwernach dem langjährigen Leiter Dursun KARATAS) aktiv. Schwerpunkte in punkte bilden vor allem die Ballungsräume Ulm, Stuttgart und BadenMannheim. Dagegen konzentrieren sich die Anhänger der WürttemTHKP/-C (YAGAN-Flügel - benannt nach dem am 6.März 1993 in berg der Türkei getöteten Führungsfunktionär Bedri YAGAN) auf den norddeutschen Raum. Landesweit dürften den beiden Dev Sol-Gruppierungen etwa 180 Personen angehören, im gesamten Bundesgebiet etwa 1.200. Der DHKP/-C ist es außerdem möglich, bei anlaßbezogenen Veranstaltungen mehrere hundert Sympathisanten zu mobilisieren. Aktivitäten der Vereinigung reflektierten vorwiegend innenpolitische Ereignisse im türkischen Heimatland. Ein anhaltendes Thema bildete die offenbar enge Verfilzung von hohen Regierungsbeamten, Teilen der Sicherheitsund Militärkräfte sowie Rechtsextremisten und Drogenmafia, wie sie im Gefolge eines Verkehrsunfalls am 3. November 1996 in Susurluk, einer kleinen Provinzstadt Anatoliens, öffentlich bekanntgeworden war. Ein weiterer Themenschwerpunkt war das Vorgehen von Angehörigen der "AntiterrorAbteilung", die wegen ihrer Beteiligung an der Folterung und Vergewaltigung von 16 Gymnasiasten in Manisa zu insgesamt 76 Jahren Haft verurteilt wurden. Die Schüler hatten bei Protestversammlungen unter dem Motto "Eine Minute Finsternis für die Erleuch142 Ausländerextremismus tung" und bei Solidaritätsaktionen für die sogenannten Samstagsmütter mitgewirkt, die der Anprangerung des "korrupten kapitalistischen Staates" mit seinem "kriminellen Unterdrückungsapparat" dienten. Daneben engagierten sich die Aktivisten in Spendenaktionen für die in türkischen Gefängnissen inhaftierten "politischen Gefangenen", die nach 69tägigem Hungerstreik ins "Todesfasten" getreten waren und medizinische Hilfe benötigten. Auch im Bundesgebiet gaben verschiedene Vorfälle Anlaß zu Protesten, so die wiederholte Sicherstellung ihres Sprachrohrs "HALK ICIN KURTULUS" und die Visumpflicht für ausländische Kinder. Ferner waren Anhänger der DHKP/-C zusammen mit anderen Linksgewalttätige extremisten an gewalttätigen Auseinandersetzungen mit AngehöriAuseinangen der "Grauen Wölfe" vom 2 1 . - 2 6 . Februar 1997 in Ulm beteidersetzung ligt. mit " GrauUm im Rahmen einer "revolutionären Front" den gemeinsamen en Wölfen" Kampf gegen das türkische "Ausbeutungsund Unterdrückungsin Ulm regime" zu führen und dessen Sturz vorzubereiten, unterzeichneten am 22. Dezember 1996 DHKP/-C und PKK ein gemeinsames Protokoll. Der darin manifestierte schrittweise Aufbau einer "gemeinsamen Front" war allerdings nur gelegentlich auf örtlicher Ebene erkennbar. "Aus den Reihen der Unterdrückten" - zu denen sich auch die DHKP/-C zählt - wurde ferner der "Entwurf einer Volksverfassung" diskutiert und formuliert. Mit dieser im Juni 1997 verbreiteten Konzeption bezweckt die DHKP/-C, "breiteste demokratische Kräfte" im "Kampffür Rechte und Freiheit" zu vereinigen und zu organisieren. Sie soll "einen klaren Gegenentwurf zu den bisherigen Verfassungen der Türkei, besonders der seit der Machtergreifung der Militärjunta am 12. September 1980 ohne wesentliche Änderungen geltenden Verfassung, unter denen die Völker der Türkei ihrer Rechte beraubt wurden", darstellen. Obwohl sich DHKP/-C und THKP/-C ideologisch sowie in ihrer Gewaltbereitschaft nicht voneinander unterscheiden, eskalierten im Jahre 1997 in der Bundesrepublik Deutschland und im benachbarBrutale ten Ausland die zwischen den beiden rivalisierenden Dev Sol-FrakFlügeltionen mit äußerster Brutalität ausgetragenen Flügelkämpfe. Rachekämpfe akte wurden insbesondere in Hamburg und Frankfurt am Main, aber auch in Bern und Paris verübt. Der Generalbundesanwalt hat insgesamt fünf Ermittlungsverfahren übernommen und das Bundeskriminalamt (BKA) mit den Ermittlungen beauftragt. 3.2.2 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) & Gründung: 1972 Anhänger: 360 Baden-Württemberg 2.000 Bund Zu den wichtigsten und mitgliederstärksten Organisationen unter den türkischen revolutionär-marxistischen Vereinigungen gehört nach wie vor auch die seit 1994 in die zwei Flügel "Partizan" und "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) gespaltene "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML). Während im Norden des Bundesgebiets überwiegend Anhänger des "Partizan-Flügels" anzutreffen sind, handelt es sich im Süden größtenteils um Anhänger des DABK. Zielsetzung beider Lager ist der l bewaffnete Kampf gegen die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei und deren Zerschlagung. Der "Partizan-Flügel" führte am 19. April 1997 in Gießen die jährliche Gedenkfeier zu Ehren des Parteigründers Ibrahim KAYPAKKAYA sowie zum 25jährigen Bestehen der Partei mit ca. 1.500 Teilnehmern durch. Zu einer weiteren Gedenkveranstaltung für Gefallene der Partei bereits im Februar 1997 in Filderstadt-Bernhausen konnten ca. 1.000 Personen mobilisiert werden. An einer gleichartigen Versammlung des DABK-Flügels 144 Ausländerextremismus am 3. Mai 1997 in Köln nahmen annähernd 7.000 Personen teil, darunter auch zahlreiche Anhänger aus Baden-Württemberg. Damit konnte das DABK die Teilnehmerzahl im Vergleich zum Vorjahr trotz innerparteilicher Streitigkeiten verdoppeln. Diese Ausinterne einandersetzungen hatten sich an unterschiedlichen Bewertungen Streitigkeiten hinsichtlich der Liquidierung von angeblich verräterischen Führungsfunktionären im Vorjahr in der Türkei entzündet. Außerdem mußte das DABK den Tod ihres Generalsekretärs Güneyt KAHRAMAN sowie sieben weiterer Guerillakämpfer bei einem Feuergefecht mit der türkischen Armee im März 1997 in der Türkei verkraften. Die Spaltung der TKP/ML in zwei Flügel setzt sich auch bei den als Basisorganisationen der Partei fungierenden Dachverbänden "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa e.V." (ATIK) und "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) fort. Bei einer Konferenz am 21./22.Juni 1997 wurde für den Bereich des DABK-Flügels die ATIK in "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK) und die ATIF in "Föderation für demokratische Rechte in Deutschland" (ADHF) umbenannt. Der "Partizan-Flügel" benutzt weiterhin die Bezeichnungen ATIK und ATIF. Im Jahr 1997 führten die linksextremistischen türkischen Organisationen erstmals in Stuttgart eine eigene Demonstration mit Kund1. Mai-Degebung zum 1. Mai durch, während sie sich in den Jahren zuvor an monstration den Aktionen des DGB beteiligt hatten. An der vom örtlichen DABKin Stuttgart Verein angemeldeten Veranstaltung, zu der etwa 500 Personen erangemeldet wartet worden waren, nahmen schließlich weit über 1.000 türkische Linksextremisten größtenteils aus dem Raum Stuttgart, aber auch aus Crailsheim, Heilbronn, Reutlingen und Schwäbisch Gmünd teil. 3.2.3 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei' (MLKP) Gründung: 1994 Anhänger: 250 Baden-Württemberg 700 Bund 145 Die seit 1994 bestehende türkische "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) und ihre Basisorganisation "Föderation der Arbeiter und Immigranten aus der Türkei in [ D e u t s c h l a n d " (AGIF) konnten 1997 | weiter an Bedeutung zulegen. An zahlreichen Veranstaltungen der MLKP nahmen jeweils bis zu 200, an einer vom Stuttgarter Verein am 25. JaAGIF nuar 1997 in Stuttgart-Mühlhausen durchgeführten Kulturveranstaltung sogar etwa 500 Personen aus Stuttgart, Karlsruhe, Ulm, Schwäbisch Hall, Schwäbisch Gmünd, Heilbronn und Singen teil. Im übrigen beteiligten sich ca. 50 - 60 Anhänger der Organisation zusammen mit der DHKP/-C am 19. Mai 1997 in Stuttgart an einem Protestmarsch zum Türkischen Generalkonsulat, wo sie einen Kranz niederlegten. Außerdem nahmen an einer Kulturveranstaltung zum Gründungstag und dreijährigen Bestehen der Partei am 22. November 1997 in Köln zwischen 4.500 und 6.000 Personen teil, darunter auch zahlreiche Anhänger und Sympathisanten der MLKP aus Baden-Württemberg. Den Tod eines Funktionärs ihrer Jugendorganisation schlachtete die Vereinigung propagandistisch aus. Dieser war 1996 am Hungerstreik politischer Häftlinge in der Türkei beteiligt gewesen und genoß seitdem in der Partei größtes Ansehen. An der Trauerfeier am 13. Dezember 1997 auf einem Stuttgarter Friedhof nahmen über 1.000 Personen aus dem Inund Ausland teil. Der Sarg war mit einer Parteifahne, der Saal mit Plakaten und Bildern der MLKP geschmückt. Seit der Spaltung der MLKP im September 1995 in zwei Flügel war die Abspaltergruppe "Kommunistische Partei/Aufbauorgagewaltsame nisation" (KP/IÖ) immer wieder Repressalien durch Anhänger der AuseinanMutterpartei ausgesetzt. Die gelegentlich gewaltsamen Auseinandersetzundersetzungen der beiden verschiedenen Lager hatten sich bislang gen mit nur auf den norddeutschen Raum erstreckt. In diesem Jahr wurde Abspaltern erstmals ein Anhänger der KP/IÖ in Stuttgart von MLKP-Aktivisten brutal mißhandelt. Ausländerextremismus Ein wegen seiner Beteiligung an einem Mordanschlag in Duisburg gesuchter MLKP-Anhänger, bei dem im August 1996 ein KP-IÖAktivist ums Leben gekommen und ein zweiter verletzt worden war, konnte 1997 in Frankreich festgenommen werden. Ein weiterer Täter war bereits 1996 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Die seit etwa zweieinhalb Jahren existierende Jugendgruppe der MLKP, die "Kommunistische Jugend-Organisation" (KGÖ), trat 1997 in Baden-Württemberg mit einer Vortragsveranstaltung zum Gedenken an die Märtyrer der ParGiialtai * Efkar Seien * oian Ali Havdaf - Baba Oiak ( t a n Oiak'm l a t a ) * Kennt! Qur tei im Stuttgarter Verein sowie mit tapml" Müzik letluMi! -CtupEmekKoma AmeHuui Oendik Hüzik Gut J * ta! ,alro W i l n f j * f olkloi einem Jugendcamp in Ludwigs07 Haziran 1997 Cumartesi saat13.00 burg in Erscheinung. Zu einer Roxy Schillerstr.1 - 89077 ULM europaweiten JugendgroßverKGÖ-Plakat zur Veranstaltung in Ulm anstaltung der KGÖ im Juni 1997 in Ulm reisten ca. 1.000 Aktivisten an. 3.2.4 "Föderation der Demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (DIDF) Gründung: 1980 Anhänger: knapp 200 Baden-Württemberg 800 Bund Die "Föderation der Demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (DIDF) machte 1997 hauptsächlich wieder mit Kundgebungen, Demonstrationen, Infoständen und Mahnwachen, u.a. in Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Ulm, auf sich aufmerksam. Dabei bemühte sie sich um Aktionseinheiten mit deutschen Gruppierungen. 3.3 Türkische islamistische Vereinigungen 3.3.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG)/ "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft" (EMUG) Gründung: 1985 als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT). 1995 Aufteilung in die beiden unabhängigen juristischen Personen "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) und "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft" (EMUG). Sitz: Bonn/Köln Mitglieder: ca. 3.500 Baden-Württemberg ca. 26.500 Bund Publikation: "Milli Görüs & Perspektive" (in türkischer Sprache, vereinzelte Artikel in deutsch); als Sprachrohr wird auch die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" genutzt. Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) als die zahlenmäßig größte islamistische Gruppierung im Land ist unverändert eine der aktivsten Vereinigungen; sie arbeitet im politischen, sozialen, kulturellen und religiösen Bereich. Ihre Schwesterorganisation, die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e. V." (EMUG), ist mit der Verwaltung des nicht geringen Immobilienbesitzes der IGMG beauftragt. Die hohe Finanzkraft von IGMG/EMUG wurde deutlich bei dem Versuch, in Köln ein Verwaltungsgebäude für 30 Millionen DM zu erwerben. In der Verbindung von politisch-sozialer Kompetenz sowie beträchtlicher finanzieller und wirtschaftlicher Stärke ist einer der Hauptgründe für den Erfolg der IGMG zu sehen. Nicht zuletzt ist sie die Basis für ihre Attraktivität unter der türkischen Bevölkerung in Deutschland, für die aber die politischen Verflechtungen der IGMG/ EMUG nicht überschaubar sind; diese wurden von den beiden Organisationen auch nicht transparent gemacht. Die IGMG ist personell, aber auch strukturell eng mit der inzwi- A u s l ä n d e r e x t r e m i s m u s sehen vom türkischen Verfassungsgericht verbotenen "Wohlfahrtspartei" (RP) des Necmettin ERBAKAN, einer islamistischen Partei mit totalitären Tendenzen, verbunden. Zahlreiche IGMG-Funktionäre konnten in den vergangenen Jahren erfolgreich an Parlamentswahlen in der Türkei teilnehmen. Im übrigen war die Wichtigkeit der Vereinigung für die RP mehrfach von ERBAKAN und anderen führenden RP-Funktionären hervorgehoben worden. Nach außen gibt sich die IGMG betont verfassungskonform. Dies hindert sie jedoch nicht, die Diskussion um die Akzeptanz und Toleranz gegenüber dem Islam in der deutschen Gesellschaft zu benutzen, um die deutsche Regierung zu diffamieren. Extremistisch? Gewalttätig? Möchten Sie auch mal was Verfassungsfeindlich? Undemokratisch? von uns Anti-Westlich? hören? mtegrationshemmend? Prauenfeindlich? Islamische Gemeinschaft Milit Görüs Fundamentalistisch? 50733 KÖLN Rückschrittlich? Mittelalterlich? Achtung!!! Diese Anzeige gefährdet Aggressiv? Feindbilder und Vorurteile. Wegen der Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Fanatisch? Ihren Verfassungsschützer oder Islamexperten. Gefährlich? IGMG-Anzeige im "SPIEGEL special", Ausgabe 1/1998 So hat Mehmet Sabri ERBAKAN25, der Generalsekretär der IGMG, bei einer Pressekonferenz am 24. April 1997 in Bonn die Kritik an seiner Organisation in der Bundesrepublik Deutschland als eine "Kampagne gegen den Islam" bezeichnet und diese mit den antisemitischen Exzessen im nationalsozialistischen Deutschland vergliNeffe des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Anfang 1998 in der Türkei verbotenen "Wohlfahrtspartei" (RP), Necmettin ERBAKAN chen. Ein in der Presse gegen die IGMG verwandter Begriff sei direkt einem Artikel des NS-Blatts "Der Stürmer" aus dem Jahr 1934 entlehnt worden. Hinter diesen Vorwürfen stehe der Verfassungsschutz: "Die Kampagne ist nicht nur gegen diese oder jene islamische Vereinigung gerichtet oder gar nur gegen Milli Görüs - sie ist gegen alle Muslime gerichtet... Man will das völlige Scheitern der eigenen Integrationspolitik nicht eingestehen und schiebt die Schuld hierfür den islamischen Vereinigungen zu. " (RP-Sprachrohr "Milli Gazete" vom 25. April 1997) Daneben gehört auch die Unterstellung, die IGMG oder "der Islam" würden durch den Verfassungsschutz kriminalisiert, zu den taktischen Propagandamitteln, um ungeliebte Kritiker in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß verfassungsfeindliche Tendenzen bereits bei der Vorgängerorganisation AMGT unmißverständlich gerichtlich festgestellt worden sind26. Bezeichnend ist, wie sich die IGMG zu ihrer Strategie äußert, um die Verfassungsfeindlichkeit zu verschleiern: "Diejenigen, die mit uns auf ideologischem Gebiet kämpfen, haben die Kampfplätze geändert. Vor uns braucht sich niemand zu fürchten. Wir sind niemals mit Gewalt vorgegangen. Wir kämpfen nur mit ideologischen Mitteln. " ("Milli Gazete" vom 11. Dezember 1997) Es gibt Hinweise, daß die IGMG weiterhin andere Organisationen des islamistischen Spektrums wie zum Beispiel Gruppierungen innerhalb der "Muslimbruderschaft" (MB) unterstützt. Daneben bestehen Verbindungen zu radikalen Kräften der pakistanischen politischen "Szene". Ideologisch richtet sich die IGMG am Denken der MB aus, so z. B. an deren Gründer Hasan al-Banna. 26 vgl. Beschluß VG Hamburg vom 27. April 1995, Az. VG 1689/95 Ausländerextremismus Den bereits in der Vergangenheit erhobenen und aus der Sicht der Sicherheitsbehörden berechtigten Vorwurf des Antisemitismus weist die IGMG weit von sich. Bei ihren Verlautbarungen handele es sich ausschließlich um "Anti-Zionismus" im Rahmen einer legitimen Kritik an der israelischen Besatzungspolitik. Dazu hieß es in der "Milli Gazete" vom 12. April 1997 sinngemäß, es sei ganz klar, daß man die Tatsache, daß Menschen gegen die Politik Israels vorgehen und mit dem palästinensischen Brudervolk solidarisch sind, nicht auf diese Weise interpretieren könne. Es sei "richtig, daß man den Zionismus als Rassismus" ablehne; dies bedeute aber nicht, "gegen die Juden oder das Judentum" zu sein. Mit dieser Argumentation soll die IGMG-spezifische Differenzierung, nach der es sowohl "zionistische", also "schlechte" Juden, als auch "assimilierte" und damit "tolerable Juden" gebe, verschleiert werden. In einem ausführlichen Artikel der "Milli Gazete" vom 12. November 1996 mit dem Titel "Aufrichtige Juden sind gegen den Zionismus" wurden diese Begriffsbestimmungen erläutert. Weder die IGMG oder die RP sind bislang von diesem offen antisemitischen Standpunkt abgewichen. Das Taktieren und die Schutzbehauptungen der IGMG belegten indes keinerlei Distanz zur ideologischen Ausrichtung der ehemaligen Mutterorganisation RP als Teil der internationalen islamistischen Bewegung. Deren Ideologie ist für die Anhänger der IGMG noch immer richtungsweisend. Die gewollte einseitige Orientierung auf eine türkisch-islamistische Politik erweist sich als ein Hindernis gegen eine wohlverstandene Integration von bekennenden Muslimen in die deutsche Gesellschaft. Die Bemühungen von verschiedenen gesellschaftlichen Kräften in Deutschland, eine Einbeziehung von Muslimen zu fördern, werden seitens der IGMG als "Assimilationsversuche" und "Germanisierung" unter Inkaufnahme des Verlustes der "islamischen Identität" angeprangert: "Während man darüber diskutiert, ob sie Immigranten oder Gäste sind, versucht man, die Ausländer unter der Bezeichnung 'Integration ' zu assimilieren. Im Vergleich mit den Immigranten anderer Nationen wird ersichtlich, daß eine Assimilierung der türkischen Immigranten nicht leicht war, ja sogar unmöglich sein wird. " ("Milli Gazete" vom 24. Januar 1997) Die IGMG sorgte insbesondere im Rahmen von länderübergreifenden Großveranstaltungen für Aufsehen, bei denen es ihr gelang, zahlreiche Anhänger und Sympathisanten zu mobilisieren. So kamen etwa zum "MUH Görüs Friedensund Kulturfestival" im Juni 1997 40.000 Menschen in das Dortmunder Westfalenstadion, darunter auch viele Anhänger aus Baden-Württemberg. Eine Protestaktion am 27. September 1997 in Köln gegen die in der Türkei neu eingeführte 8jährige Schulpflicht besuchten nach Angaben der IGMG 20.000 Teilnehmer. Dabei traten, wie bei Veranstaltungen mit IGMG-Beteiligung üblich, auch Abgeordnete der RP auf. Bei einer zum gleichen Thema durchgeführten Aktion wurden 38.000 Unterschriften gesammelt. Durch die verlängerte Schulpflicht wird nach Ansicht türkischer Islamisten eine staatliche Einrichtung, die religiös orientierten "Imam-Khatib" oder "Prediger-Schulen", in ihrer Existenz bedroht. Außerdem befürchten sie einen damit einhergehenden Einflußverlust ihrer Organisationen bei der schulpflichtigen Jugend. Damit unterstrich die IGMG in aller Öffentlichkeit , daß ihr Handeln vor allem der Unterstützung islamistischer Politik in der Türkei dient. Einen Schwerpunkt der IGMG-Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland bildet die Jugendarbeit. Die 1997 durchgeführten kostenpflichtigen Jugendseminare fanden - für Jungen und Mädchen getrennt - an Wochenenden und in den Ferien in verschiedenen Städten Deutschlands, in Baden-Württemberg unter anderem in Stuttgart, Heilbronn, Pforzheim, Ravensburg und Wangen i. Allgäu, Indoktrinastatt. Die Jugendlichen besuchen aber auch Lehrstätten außerhalb tion von Deutschlands, beispielsweise in Belgien oder in der Türkei. JugendDas Ziel dieser "Resozialisierung" besteht darin, den Kindern ein liehen Verständnis des Islam als umfassender Ordnung zu vermitteln, dem ein "dualistisches"11 und "imperialistisches" System gegenüberstehe, das die Absicht verfolge, die Jugend zu verderben: "Unsere in Europa lebende, vergessene Generation wächst ohne Information über ihr Vaterland, ihre Nation und ihre Religion auf. Dies Mit diesem Begriff meint die IGMG die Trennung von Kirche und Staat bzw. die Neutralität des Staates gegenüber der Religion. 152 Ausländerextremismus ist nicht nur ein großer Fehler, sondern auch sehr gefährlich. " ("Milli Gazete" vom 24. Januar 1997) Die Jugendlichen übernähmen zu viele Probleme "der identitätsund persönlichkeitslosen Gesellschaft". Diesem Einfluß dürfe man die Kinder nicht kampflos überlassen. Vielmehr müsse die Jugend so erzogen werden, daß sie "ihren Vorgesetzten gehorche", das Gebot des "religiös legitimierten Einsatzes" (Djihad)28 durchführen könne und "die Geheimnisse ihrer Organisation wahre". Diese Jugend richte sich "nicht nach der Mehrheit, sondern nach dem Recht". Nach den Vorstellungen der IGMG kann es sich dabei nur um das islamistisch interpretierte Recht und nicht um die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland handeln. Die Konsolidierung der IGMG in Baden-Württemberg schreitet weiter voran. Über 50 Ortsvereine mit ca. 3.500 Anhängern und Sympathisanten belegen die Stärke der Gemeinschaft. 3.3.2 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) Gründung: 1985 (als Abspaltung aus der AMGT hervorgegangen) Sitz: Köln Mitglieder: ca. 500 Baden-Württemberg, derzeit stark schwankend ca. 1.500 Bund Publikationen: "Ümmet-i-Muhammed" (türkisch); "Ümmet-i-Muhammed in Sesi" (türkisches Organ der Abspaltergruppe um den ermordeten Dr. SOFU) Der "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) ist wegen seines radikalen Eintretens für eine "islamische Ordnung" und seiner Aggressivität eine der auffälligsten und bekanntesten türkischen islamistischen Gruppierungen in Deutschland. In jüng28 Aus historischen Gründen in Europa meist mit "Heiliger Krieg" übersetzt. Wörtlich bedeutet "Djihad" zunächst "Anstrengung"; diese ist in einem Spannungsbogen von Interpretationsansätzen zu sehen, der von friedlicher geistiger Anstrengung des Individuums bis hin zum militärischen Einsatz eines Kollektivs reicht. ster Zeit lenkten interne Streitigkeiten das Interesse einer breiten Öffentlichkeit und der Strafverfolgungsbehörden auf den Verband. Nach dem Tod des ICCB-Führers Cemaleddin KAPLAN 1995 zeichnete sich im Zusammenhang mit der umstrittenen Kalifennachfolge, die sein Sohn Metin KAPLAN antrat, innerhalb der Vereinigung eine Spaltung ab. In Berlin rief sich Dr. Yusuf Ibrahim SOFU, der zu Lebzeiten Cemaleddin KAPLANs zu dessen engen Vertrauten gehörte, zum "Gegenkalifen" aus. Daraufhin veröffentlichte das ICCB-Verbandsorgan "Ümmet-i-Muhammed" in seiner Ausgabe vom 19. Juli 1996 eine Fatwa (Empfehlung eines Rechtsgelehrten) gegen ihn: "Dieser Mann wird zur Reuebekundung gebeten. Wenn er nicht Reue bekundet, dann wird er umgebracht. " Am 9. Mai 1997 wurde Dr. SOFU unter bisher nicht geklärten Umständen in seiner Wohnung in Berlin erschossen. Die Auseinandersetzungen zwischen den KAPLAN-Getreuen und den Abspaltern um die Verantwortung für seinen Tod dauern immer noch an. In Flugblättern und in einem Zeitungsartikel erhobene Vorwürfe von SOFUAnhängern, Metin KAPLAN habe Dr. SOFU ermorden lassen, wurden von den Parteigängern KAPLANs als falsch und erlogen zurückgewiesen; die Polizei habe keine Anhaltspunkte für einen Mord. Alle Verdächtigungen seien ein Versuch der Denunziation des "Kalifen". Inzwischen wird jeder, der sich gegen KAPLAN stellt, mit dem "jüdischen Erzfeind" verglichen und mit der Eliminierung bedroht. Auf eine im Zusammenhang mit der Ermordung Dr. SOFUs durchgeführte Durchsuchungsaktion der Polizei in verschiedenen deutschen Städten reagierten Metin KAPLAN und seine Anhänger mit Empörung. Die Durchsuchungen in den Moscheen wurden als "organisierte Überfälle" bezeichnet und mit der Judenverfolgung während der Nazizeit verglichen. Außerdem wurde der Verdacht geäußert, daß diese "Überfälle" auf Wunsch der "Kemalisten"29 erfolgt seien. Anhänger der von dem früheren türkischen Staatspräsidenten Mustafa Kemal Atatürk begründeten politischen Richtung Ausländerextremismus Daß die Anhänger des "Gegenkalifen" Dr. SOFU keineswegs gemäßigter als die KAPLAN-Gefolgschaft sind, zeigt indes die von ihm verfaßte Broschüre "Das System von Deccal" 30 . Darin bezeichnet er - wie schon der verstorbene Cemaleddin KAPLAN - den Kommunismus, den "Kemalismus" und die Demokratie als die größten Feinde der Menschheit. Islam und Demokratie könnten nicht "harmonieren", Menschenrechte seien "Täuschungsmittel": "Demokraten, Judentum, Christentum und gemäßigte Muslime wollen die Weltherrschaft verwirklichen. Gegen diese Allianz steht lediglich eine Handvoll Soldaten Gottes, die dafür sorgen sollen, daß das Leben nach den Gesetzen Gottes geregelt wird. " Da Metin KAPLAN keineswegs die Ausstrahlung und Anziehungskraft seines Vaters besitzt und nicht annähernd so viele Anhänger mobilisieren kann, läßt er über einen eigens angemieteten Satelliten in "Hakk-TV" alte Videos über seinen Vater ausstrahlen. Hierin wird gegen das türkische Parlament und gegen die Juden agitiert. Ohne taktische Rücksichten zu nehmen, werden "das jüdische Volk" und der Zionismus als Einheit gesehen und als Stifter von "Zwietracht" in der gesamten Welt bezeichnet. Außer der diesjährigen Feier zum Islamischen Jahreswechsel am 11. Mai 1997 in der Kölner Sporthalle wurden keine Großveranstaltungen des ICCB durchgeführt. In Baden-Württemberg kam es lediglich zu einem Jugendtreffen sowie zu zwei Gebietsversammlungen in der ULU-Moschee in Stuttgart, bei denen Metin KAPLAN auftrat. Ferner wurde versucht, deutsche Nichtmuslime mittels Flugschriften, die an Informationsständen verteilt wurden, über die islamischen Ziele des ICCB aufzuklären. Die Lage innerhalb der Vereinigung wird von Orientierungslosigkeit bestimmt, es herrscht eine trügerische Ruhe vor. Infolge der anhaltenden Spaltungstendenzen sowie Abwanderungsbestrebungen zu anderen islamistischen Gruppierungen, darunter auch zur IGMG, 30 Deccal, wörtlich: Betrüger, Lügner. Im übertragenen Sinn: Das schlechthin Verwerfliche, Böse.(Dr. Yusuf Ibrahim SOFU: DECCALIN SISTEMI: DEMOKRASI, Berlin o.J.) sind genaue Angaben über die Anhängerschaft nicht möglich. Die Stärke beider Lager in Baden-Württemberg dürfte die Zahl von zusammen 500 kaum übersteigen. 3.4 Extrem-nationalistische Organisationen "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF)/"Deutsche Türk Föderation" (ATF) Gründung: 1978 Sitz: Frankfurt am Maim Mitglieder: ca. 1.800 Baden-Württemberg ca. 6.900 Bund Publikation: "Türk Federasyon Bülteni" (türkisch) Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V" (ADUTDF), die im Bundesgebiet die Interessen ihrer in der Türkei beheimateten Mutterorganisation "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) vertritt, stellt auch nach dem Tod des langjährigen MHP-Führers Alparslan TÜRKES am 4. April 1997 die bedeutendste extrem-nationalistische türkische Bewegung in Deutschland dar. Inzwischen übernahm laut einer Veröffentlichung des ADÜTDF-Verbandsorgans "Türk Federasyon Bülteni" Devlet BAHCELI die Führung der MHP. Vor dem Hintergrund von TÜRKES' Tod und der damit verbundenen vorübergehenden Orientierungsund Führungslosigkeit kam es in Baden-Württemberg nur vereinzelt zu sogenannten Kulturveranstaltungen, die in der Vergangenheit u.a. dazu dienten, die Anhängerschaft der Vereinigung zu mobilisieren. Mit landesweit etwa. 1.800 Mitgliedern, die in ca. 20 der ADUTDF angehörenden bzw. mit dem Verband sympathisierenden Ortsverbänden organisiert sind, blieb die Mitgliederzahl im Vergleich zu 1996 unverändert. Trotz der nach wie vor verfolgten Strategie des "Wohlverhaltens" und der Selbstdarstellung als einer für Recht und Ordnung eintretenden Organisation, die vor allem unter der Bezeichnung "Graue Ausländerextremismus Wölfe" bekannt ist, kam es in Baden-Württemberg zu spontanen Einzelaktionen, insbesondere der jüngeren Anhängerschaft. Die ideologische Festigung dieser Zielgruppe stellt für die ADÜTDF ein besonderes Anliegen dar. Als bezeichnendes Beispiel hierfür stehen mehrtägige heftige Ausmilitante einandersetzungen zwischen jugendlichen Anhängern der ADÜTDF Auseinanderund Angehörigen des linksextremistischen türkischen Spektrums im setzung mit Februar 1997 in Ulm, bei denen sich bis zu 50 zum Teil bewaffnete türkischen Jugendliche und Heranwachsende beider verfeindeter Lager gegenLinksextreüberstanden. Die Streitigkeiten mündeten schließlich - trotz eines misten in massiven Polizeiaufgebots - darin, daß die Kontrahenten aufeinanUlm der einschlugen. Bedenklich ist, daß die Symbole der MHP/ADÜTDF, d.h. Grauer Wolf und rote Flagge mit 3 Halbmonden, auch bei Jugendlichen zur Provokation politisch Andersdenkender Verwendung finden, ohne daß sie sich des ideologischen Hintergrunds überhaupt bewußt sind. DÜNWSV ADÜTDF-Propagandamaterial TÜRK WNYASI &PS2!&* i PENILDIrAt BtR YERIN A P I NA TU RK BELDESI C O Z U M ALBAYRAK A R A I i K U I A C I M t Z A N SESI 157 Seitens der ADUTDF wird allerdings behauptet, daß diese Aktionen nicht von ihren Mitgliedern ausgingen. Der turnusgemäße Jahreskongreß, der in den zurückliegenden Jahren schon allein wegen der hohen Teilnehmerzahl (ca. 10.000) das herausragende Ereignis aus Sicht der ADUTDF darstellte, fand 1997 nicht statt. Auch konnte die auf dem Vorjahreskongreß am 5. Oktober 1996 in Essen angekündigte Gründung der "Konföderation der Idealistischen Türken in Europa" (AÜTDK), zu der u.a. die nationale Teilorganisation "Deutsche Türk Föderation" (ATF) gehören sollte, bislang nicht realisiert werden. Deshalb firmiert der Dachverband weiter unter der alten Bezeichnung ADUTDF bzw. "Türk Föderasyon", der Mehmet ERDOGAN vorsteht. Neuerdings ist die Vereinigung auch im Internet mit einer Homepage in deutscher und türkischer Sprache vertreten. Die "Föderation" stellt sich dort verharmlosend als konservative Organisation dar, die Kommunismus, Faschismus und totalitäre Regime strikt ablehne. Ihr soziales Engagement unterstreicht sie durch ihre entschiedene Haltung gegen Drogenkonsum. In türkischer Sprache werden Nachrichten aus den Mitgliedsvereinen der ADUTDF und dem Umfeld der MHP angeboten. In ihrer Darstellung nach außen - insbesondere gegenüber der Presse - agiert die ADUTDF zunehmend aggressiv. Dabei vertritt sie die Ansicht, daß der türkische Patriotismus nicht mit anderen Ausprägungen des Nationalismus - beispielsweise des deutschen - verglichen werden könne. Allerdings fällt auf, daß in einem Werk, das dem "Idealistentum" gewidmet ist, dem Leser eher beifällig und ohne Distanzierung Personen wie Hitler oder Gobineau und Housten S. Chamberlain, die ebenfalls rassistische Doktrinen vertraten, nahegebracht werden. Propagandistisch tritt die ADUTDF auch mit Parolen hervor, die stark an pangermanische bzw. panslavistische Losungen erinnern: Großtürkische Träume werden mit Sprüchen wie "Einheit der Sprache, des Denkens und der Aktion" beschworen, wobei geographisch auf ein Gebilde mit großen Teilen des asiatischen Kontinents abgehoben wird. Ausländerextremismus Nicht von ungefähr ist neben einem Führerkult ("Führer sterben nicht7") auch die Verbindung von "Seele" (respektive "Wesen"), "Blut" und "Vaterland" Bestandteil der "idealistischen" Gedankenwelt; Nation, Religion und Fahne gelten als "heilige Werte". An dem Erfolg der islamistischen Bewegung versucht auch die ADÜTDF teilzuhaben. Die Erinnerung an die Größe des islamisch dominierten Osmanischen Reiches gehört ebenfalls zu dieser Art der "türkisch-islamischen Synthese". Umschrieben wird sie von Funktionären wie in folgendem Beispiel: "Wir sind Nachkommen und Enkelkinder einer Welteroberer-Nation. Unser Ziel ist, unseren Jugendlichen und Kindern unsere allmächtige Religion, Geschichte und Kultur beizubringen. " ("Türkiye" vom 9. Dezember 1997) Daß in diesem Zusammenhang auch Vorurteile gegen die in der Spätzeit des Osmanenstaats der Verfolgung ausgesetzten Armenier gepflegt werden, unterstreicht die in Ansätzen rassistische Einstellung der ADÜTDF. Entschieden wendet sich die Föderation gegen den sogenannten kurdischen Separatismus. Auch spricht nichts dafür, daß die türkischen Nationalisten ihre teilweise in Aggressivität umschlagende Antipathie gegen Kommunisten, zu denen ohne Differenzierung auch Sozialdemokraten gezählt werden, aufgegeben hätten. Mit der ADÜTDF hat sich in Baden-Württemberg ein Potential etabliert, das mit seiner Weltanschauung sowie engen Verbindungen zur Mutterorganisation ständig in einem Spannungsund Konfliktfeld zum politischen Gegner steht. Allein die daraus resultierende Gefährdung der inneren Sicherheit gebietet es, diese Organisation zu beobachten. 4. Araber 4.1 Palästinenser Der sich in einer tiefen Krise befindliche Friedensprozeß im Nahen Osten bestärkt Organisationen wie die "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) und die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) in ihrer seit den Verhandlungen von Oslo vertretenen Haltung, derzufolge es für die Palästinenser keinerlei Vorteile in diesem für sie unvollständigen und nur "sogenannten Friedensprozeß" gebe. Beide Gruppierungen, die sich nach ihrem eigenen Verständnis als militante Vorhut der palästinensischen Arbeiterklasse verstehen, sind wegen der geschwundenen Attraktivität politischer Modelle europäischer Herkunft durch den Verlust ihres Einflusses an islamistische Alternativorganisationen bedroht und sehen in den Rückschlägen für den Versuch einer friedlichen Lösung eine Chance, wieder an Bedeutung zu gewinnen. Gleichwohl haben die linksextremistischen Gruppierungen trotz partiellem Schulterschluß mit islamistischen Organisationen der derzeitigen Anziehungskraft der religiös argumentierenden Konkurrenz wenig entgegenzusetzen. Dies schlägt sich auch in Baden-Württemberg nieder, wo PFLP und DFLP zusammen nicht einmal mehr über 100 Anhänger verfügen. Um der "zionistischen und amerikanischen Bedrohung" begegnen zu können, wird nicht nur an die "nationalen und islamischen Kräfte" innerhalb des palästinensischen Volkes appelliert, sondern auch eine einheitliche arabische Haltung eingefordert. So wird sogar die Hoffnung geäußert, daß Syrien, PF LP-Publikation 160 Ausländerextremismus der Iran und Irak "unmittelbar der zionistischen Bedrohung entgegentreten" könnten. Die syrische Standhaftigkeit gegenüber Israel gilt dabei unter den PFLPund DFLF-Funktionären als vorbildlich. Im übrigen gilt die Kritik nicht nur der israelischen Regierung und deren Siedlungspolitik, sondern auch der "Autonomiebehörde" in anhaltender Ghaza und Jericho unter der Führung Arafats. Die Forderungen der Widerstand "Vereinigten Führung" von PFLP und DFLP an Arafat reichen bis gegen zur Einstellung aller Gespräche mit Israel. Ebenso verlangen sie Arafat die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes, die Neubelebung der Intifada und die Annulierung der Verträge von Oslo, die als "Verrat am palästinensischen Volk" bezeichnet werden. Der Autonomiestatus bedeute nicht mehr als die Errichtung einer Art von palästinensischem "Homeland" wie einst unter dem südafrikanischen Apartheidregime. Arafat, dessen Verwaltung überdies völlig korrumpiert sei, werde ohnehin von dem jetzigen Premierminister Netanjahu, der ein "Zionist übelster Sorte" sei, "über den Tisch gezogen". Durch Diskussionen und Verteilen von Flugblättern wollen DFLP und PFLP auch in Baden-Württemberg auf ihr Anliegen aufmerksam machen. Dabei wenden sie sich nicht nur an den kleinen Kreis hier lebender Palästinenser, sondern auch an die deutsche Öffentlichkeit. Vor allem die Debatte in Deutschland über geplante Abschiebungen von 56.000 Palästinensern sowie libanesischen Flüchtlingen in den Libanon standen im Mittelpunkt dieser Aktivitäten. Die PFLP solidarisiert sich auch weiterhin mit den "alten Wegund Kampfgenossen" der RAF. Dokumentiert wurden diese freundschaftlichen Beziehungen im "Angehörigen-Info" vom 3. Oktober 1997. Vom 15. August bis 2. September 1997 fand in Basel der 100. Jahrestag des "Zionistischen Weltkongresses" statt. Schon im Vorfeld tendierten PFLPund DFLP-Vertreter zu Protestaktionen, die allerdings nicht durchgeführt worden sind. "Palästinensische Gemeinden", von Palästinensern als Sammlungsbewegung gegründet, sollen durch den von PFLPund DFLP-Mit- gliedern in den Vorständen ausgeübten Einfluß helfen, das Aktionsfeld beider Organisationen in Deutschland auszuweiten. Allerdings konnte ein besonderer Erfolg mit dieser Strategie bislang nicht erzielt werden. 4.2 Arabische Islamisten Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in ihren Heimatländern stellen auch in Baden-Württemberg einzelne Aktivisten und Zirkel arabischer sowie nordafrikanischer islamistischer Organisationen ein Konfliktund Gefährdungspotential dar. OrganisaVon diesen Gruppen ist die sunnitische islamistische "Muslimbrutionen derschaft" (MB) zu erwähnen, die im Bundesgebiet nicht nur mit ihrem ägyptischen, sondern auch mit einem syrischen Zweig vertreten ist. Zu nennen ist ferner als militanter Ableger die palästinensische "HAMAS" (Bewegung des islamischen Widerstands), deren Interessen in Deutschland durch den "Islamischen Bund Palästina e.V" (IBP) vertreten werden. Daneben sind die algerische "Islamische Heilsfront" (FIS) und deren bewaffneter Arm "Islamische Armee des Heils" (AIS) sowie die wegen ihrer barbarischen Gewalttaten in Algerien selbst im islamistischen Lager äußerst umstrittene terroristische "Islamische Bewaffnete Gruppe" (GIA) durch Einzelaktivisten vertreten. Aus dem Bereich der libanesischen Schia ist neben der "Hizb Allah" (Partei Gottes) auch die "Amal" vertreten. Letztere steht einO"Amal" deutig im Schatten der militanten "Hizb Allah", die ideologisch stark von den radikalen Vertretern des iranischen Regimes abhängig ist. Dies geht auch aus der in Baden-Württemberg verbreiteten Publikation "Al-Ahd" (Die Verpflichtung/Die Epoche) hervor. Gemeinsames Merkmal dieser islamistischen Gruppierungen ist, daß ihr Hauptaugenmerk auf die Innenpolitik ihres jeweiligen Heimatlandes gerichtet ist. Dabei kommt eine Weltanschauung zum Tragen, die kaum Rücksicht nimmt auf die sozialen Realitäten der hier lebenden Muslime, die sich für ein Bleiben in diesem Land entschieden haben. Vielmehr werden Ideologien gepflegt, die ihre Entstehung in der Phase der Entkolonialisierung afrikanischer sowie 162 Ausländerextremismus L" La Kl ^ y j l PS+LA .mihi., " ","", g . -- *** * ' ! ,.....,,,:,: i r "(tm),,w-""*"' *"'"* ">.":, von ihr politisch, ' " " ' ^ - " " K ; : ; : : : ; : ; , : " " " * * " * * ". * " " * . " * , ",, 1 1 5 moralisch und fiv.irti , , . ^ ^ ., ; t ( (1 ( l(il( |( nanziell unter"" '""."",, r" k rn:,"""-;;,";-;;";*;""* *.,""*,",""., w i.l.pr,*i", n '.:;r:r*""'""'"----~"~ -"*","",""","", stützt wird, so t tmrm tt Jr " "i "I"Miif W [lamfmrfrsf""" H M *"**" p t Shirts ^liumefuh. "...Uurdl",!; " , " " , " " , ," z.B. bei einer von LPK-Zentralorgan der LPK organisierten Demonstration am 1. November 1997 in Stuttgart, die aus Solidarität mit den Protestkundgebungen33 der albanischen Schüler und Studenten im Kosovo durchgeführt worden war. Auf mitgeführten Transparenten stand u.a. "Hoch lebe die UCK!" Während der Demonstration, an der sich rund 700 Personen beteiligten, rief auch erstmals der Vorsitzende der extrem-nationalistischen "Nationaldemokratischen Liga der Albanischen Treue" (B.K.D.SH.)34 mit Sitz in Donzdorf/Krs. Göppingen zur Unterstützung der UCK auf. Ähnliche Demonstrationen und Informationsveranstaltungen wurden von Kosovo-Albanern in Tübingen, Ludwigsburg, Heilbronn und Mosbach bekannt. Die UCK, über deren Struktur und Mitgliederstärke nur wenig bekannt ist, übernahm wiederholt öffentlich die Verantwortung für Am 1. Oktober 1997 begannen Schüler und Studenten im Kosovo mit Demonstrationen, deren Ziel die Wiedereröffnung der seit 1990 von serbischen Regierungsstellen geschlossenen albanischen Bildungseinrichtungen ist. Gründung: 1977 als "Revolutionäre Nationale Albanische Demokratische Organisation" (O. V.R.N.D.SH.), 1979 Umbenennung in "Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue" (N.D.SH.), 1994 Änderung der Kurzbezeichnung N.D.SH. in B.K.D.SH., Sitz: Donzdorf, Mitglieder: ca. 50 Baden-Württemberg (1996: ca. 50), ca. 150 Bund (1996: ca. 150), Publikation: "Besä Shqiptare" (Die Albanische Treue). Terroraktionen im Kosovo, die sich gegen Serben und albanische Kollaborateure richten und mehrere Todesopfer forderten. Als Ziel verfolgt die UCK die Befreiung der albanischen Gebiete und die Schaffung eines "ethnischen Albaniens", das Albanien, den Kosovo und die von Albanern besiedelten Gebiete in Montenegro, Mazedonien und Griechenland umfassen soll. In den extremistischen kosovo-albanischen Organisationen sind in Baden-Württemberg etwa 100 Personen organisiert. Davon entfallen etwa jeweils die Hälfte auf die LPKund auf die B.K.D.SH. Diese Gruppierungen haben bisher noch keine sicherheitsbedrohenden Aktivitäten entwickelt. Sollten jedoch serbische Regierungsstellen in absehbarer Zeit nicht zu Zugeständnissen gegenüber den KosovoAlbanern bereit sein, sind auch in Baden-Württemberg weitere öffentlichkeitswirksame Aktionen bis hin zu möglichen Gewaltakten gegen Einrichtungen "Restjugoslawiens" zu befürchten35. Auch wenn die hier lebenden Kosovo-Albaner unser Land eher als Ruheraum und Finanzierungsbasis zur Unterstützung der in der Heimat lebenden Familienangehörigen und des dortigen "Befreiungskampfs" nutzen wollen, ist die Gefahr gewalttätiger Aktionen durch fanatische Kleinstgruppen oder Einzelpersonen, die zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele zu terroristischen Mitteln greifen, weiterhin gegeben. 6. Iraner Die zahlreichen Aktivitäten iranischer Organisationen in BadenWürttemberg fanden auch 1997 nur ein geringes Interesse bei der Bevölkerung. Opposition Innerhalb der stark divergierenden Opposition gegen das iranische gegen die "theokratische" Regime stellt der "Nationale Widerstandsrat Iran" iranische (NWRI) noch immer die bedeutendste Gruppierung dar. UrsprüngStaatsfiihlieh als ein Sammelbecken iranischer Oppositionsgruppen konzirung piert, entwickelte er sich zu einer von den "Volksmodjahedin Iran" (PMOI) dominierten Organisation. 15 Presseberichten zufolge leben in Baden-Württemberg derzeit etwa 25.000 KosovoAlbaner (Stand: 1. November 1997) 168 Ausländerextremismus An deren Spitze stehen unangefochten der "Ratspräsident" und Kommandierende der "Nationalen Befreiungsarmee" (NLA), Masoud RADJAWI, sowie dessen Ehefrau Maryam RADJAWI, die vom NWRI - bar jeglicher politischer Legitimation - als künftige "Präsidentin des Iran" präsentiert wurde. Die mit erheblichem Aufwand betriebene Selbstdarstellung des NWRI als "einziger Alternative" zum "Mullah-Regime" zeugt nicht nur von der Selbstüberschätzung seiner Führung, sondern auch von der anmaßenden Haltung gegenüber dem iranischen Volk, das der militärischen Unterstützung des NWRI bzw. der NLA für Saddam Hussein im ersten Golfkrieg ablehend gegenüberstand. Mit Duldung und Beihilfe des irakischen Machthabers unterhält der NWRI militärische Stützpunkte an der iranisch-irakischen Grenze, von wo aus eine Politik der militärischen Nadelstiche gegen den Iran betrieben wird. Nicht zuletzt die enge Kooperation mit Bagdad dürfte dazu geführt haben, daß der NWRI in den USA als terroristisch eingestuft wurde. Die Ideologie des NWRI stellt sich als eine Verknüpfung schiitischislamischen Gedankenguts antiwestlicher Prägung mit sozialistischen Ideen und nationalen Elementen dar. Zwar weist die PMOI alle Beschuldigungen hinsichtlich ihrer totalitären Tendenzen von sich, jedoch spricht beispielsweise die Militarisierung sämtlicher Strukturen eine andere Sprache. Im übrigen ist auch in Baden-Württemberg eine zweideutige Vorgehensweise der Organisation zu beobachten. Der Öffentlichkeit wird eine Vielzahl von Suborganisationen präsentiert, über deren tatsächlichen politischen Hintergrund sie jedoch nichts erfährt. Damit wird das Ziel verfolgt, wohlmeinende Bürger zu täuschen und finanzielle Unterstützung bei Menschen zu finden, die glauben, für humanitäre Zwecke zu spenden. Die Tarnorganisationen für Spendensammlungen firmieren unter Bezeichnungen wie "Flüchtlingshilfe Iran e.V" (FHI), "Frauen für Demokratie im Iran e.V" oder "Verein zur Eingliederung iranischer Flüchtlinge e.V". 169 Die Hauptmasse der gesammelten Gelder dürfte primär keineswegs den plakativ beschriebenen humanitären Zwecken zufließen, sondern für die propagandistische und logistische Arbeit der PMOI verwandt werden. Darüber hinaus sind immer wieder Unregelmäßigkeiten und Gesetzesverstöße bei Spendensammlungen zu beobachten. Vom Sozialministerium Baden-Württemberg verfügte Sammlungsverbote wurden von der PMOI mißachtet. Zu den Zielgruppen der PMOI-Propaganda, die über Satellitenfernsehen, Internet, die Zeitschrift "Mohjahed" und diverses Schriftgut verbreitet wird, gehören neben den Anhängern in Europa auch Bürger im Iran. Ferner sollen kulturelle Rahmenveranstaltungen mit bekannten iranischen Künstlern die Attraktivität des politischen Programms erhöhen, wie zuletzt bei einer Großveranstaltung im Juni 1997 in London. Diese Vermengung von Kultur, Folklore und Politik zielt aber ebenso auf europäische Politiker ab, die für den NWRI und seine Ziele eingenommen werden sollen. In Baden-Württemberg bildete 1997 das Sammeln von Geldern - auch auf illegale Weise und mit Sammlern, die aus dem benachbarten Ausland angereist waren - einen Schwerpunkt der PMOI-AktiAktivitäten vitäten. In Städten wie Stuttgart, Karlsruhe und Heidelberg wurin Badenden häufig Informationsstände mit Materialien der PMOI eingerichWürttemberg tet. Daneben fanden regelmäßig interne Propagandaveranstaltungen für Sympathisanten statt, wobei Videoaufnahmen mit Reden von Masoud RADJAWI im Mittelpunkt standen. Indes ist ein beträchtlicher Realitätsverlust bei den Führungskadern der Organisation nicht zu übersehen. Die Versuche, in Deutschland Rekruten für die organisationseigene "Armee " zu gewinnen, um sie schließlich ohne jegliche Aussicht auf militärische Erfolge gegen den Iran einzusetzen, weisen den Führungskreis der PMOI als skrupellos aus. Als Dachorganisation regimetreuer islamischer Studenten im Ausland vertritt die "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) unverändert die Ziele des Iran; sie verfügt heute nur noch über wenige Anhänger und entfaltet kaum öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. 170 Ausländerextremismus 7. Sikhs 7.1 "Babbar Khalsa International" (BK) Gründung: 1978 in Indien 1987 Berlin und Düren (als Ausländerverein) Sitz: Merzenich/Krs. Düren Mitglieder: ca. 30 Baden-Württemberg (1996: ca. 20) ca. 200 Bund (1996: ca. 200) Publikation: "Aazad" (Unabhängigkeit) - erscheint derzeit nicht - 7.2 "International Sikh Youth Federation" (ISYF) Gründung: 1984 als weltweite Auslandsorganisation der "All India Sikhs Students Federation" (AISSF) 1985 Gründung der "Deutschen Sektion" der ISYF in Frankfurt am Main 1997 Anmeldung einer Teilorganisation der ISYF als Ausländerverein in Tübingen Sitz: Frankfurt am Main Ausländerverein in Tübingen Mitglieder: ca. 80 Baden-Württemberg (1996: ca. 80) ca. 550 Bund (1996: ca. 550) Die im nordindischen Bundesstaat Pandschab operierenden SikhOrganisationen befanden sich aufgrund des massiven Einsatzes indischer Sicherheitsdienststellen auch 1997 in der Defensive. Außerdem fanden die Anschläge terroristischer Sikhs auf indische Einrichtungen nicht mehr die Akzeptanz wie in den vergangenen Jahren, da die Bevölkerung der permanenten Präsenz der indischen Regierungstruppen zunehmend überdrüssig ist36. Trotz dieser Entwicklung verübten mutmaßliche Sikh-Terroristen in Indien auch Ziel eines 1997 wieder Sprengstoffanschläge37 , um ihrem Ziel, die Gründung unabhängigen eines unabhängigen Staates "Khalistan" (Land der Reinen), NachSikh-Staates 36 Die von den extremistischen Sikh-Organisationen unterstützte Partei "Shiromani Akali Dal Mann" (SADM), die sich für ein freies "Khalistan" einsetzt, errang bei den Wahlen im Februar 1997 im Pandschab lediglich einen Sitz im Parlament. 17 Im Juli 1997 erfolgte ein Bombenanschlag auf einen Personenzug im Pandschab, bei dem 36 Personen getötet und 66 verletzt wurden. 171 druck zu verleihen. Eine politische Lösung des Sikh-Problems und ein Ende der Gewalt im Pandschab sind derzeit nicht abzusehen. Das harte Vorgehen indischer Regierungsstellen gegen die "TerrorKommandos" der Sikhs sowie deren vermeintliche Sympathisanten zwingt nach wie vor viele Angehörige dieser Volksgruppe in die Emigration. Exilländer außerhalb Indiens sind schwerpunktmäßig Kanada, die USA, Großbritannien und Frankreich. In Deutschland sind ungefähr 750 Sikhs in extremistischen Vereinigungen wie der "Babbar Khalsa International" (BK)38 und der in mehrere Flügel gespaltenen "International Sikh Youth Federation" (ISYF) organisiert. Führungsfunktionäre dieser Gruppierungen unterhalten zu ihren Gesinnungsfreunden in aller Welt intensive, zum Teil auch konspirative Kontakte. Die wichtigsten Zentren der beiden Organisationen bei ihrer Agitation in Deutschland bilden die Tempel (Gurdwaras), die gleichzeitig den religiösen, kulturellen und politischen Mittelpunkt der Sikhs darstellen. Funktionäre der einzelnen Sikh-Vereinigungen versuchen ihren Einfluß vor allem in den Tempelkomitees auszuweiten, wobei es nicht selten zu massiven verbalen Auseinandersetzungen kommt. Die bedeutendsten Tempel befinden sich in Frankfurt am Main und Köln. Weitere Tempel bestehen in Duisburg, Leipzig, München und Stuttgart. Der 1993 in Mannheim eingerichtete Tempel wurde wegen Verstößen gegen behördliche Auflagen im Sommer 1997 geschlossen. In Baden-Württemberg verfügen ISYF und BK über etwa 110 Aktivisten. Beide Organisationen initiierten auch 1997 wieder Spendenkampagnen sowohl bei Veranstaltungen im Stuttgarter Tempel als auch bei ihren Landsleuten in Asylbewerberwohnheimen. Die dabei erzielten Einnahmen werden vor allem zur Unterstützung des terroristischen Kampfs in der Heimat, aber auch zur Finanzierung der Tempel in Deutschland verwendet. Folgende Aktionen, mit denen die ISYF im Jahre 1997 die Öffentlichkeit auf die politische und wirtschaftliche Benachteiligung der 38 Diese Bezeichnung wird von der "Babbar Khalsa" für die Auslandsorganisation verwendet. 172 Ausländerextremismus Sikhs in Indien aufmerksam machen wollte, verdienen besondere Erwähnung: * Vom 10.-12. Januar 1997 fand in Stuttgart der "Erste WeltSikh-Kongress " mit einer Pressekonferenz in Tübingen statt. Daran nahmen insgesamt 300 Personen aus dem Inund Ausland teil. * Am 9. August 1997 wurden in Tübingen sowie in den Kreisgemeinden Gomaringen und Ofterdingen Info-Stände errichtet und Flugblätter verteilt anläßlich des 50. Jahrestags Aktionen in der Unabhängigkeit Indiens (15. August 1947). Aus diesem BadenAnlaß fand zudem am 15. August 1997 in Bonn eine ProtestWürttemberg Veranstaltung statt. Unter den etwa 400 Teilnehmern befanden sich auch Anhänger von ISYF und BK aus Baden-Württemberg. _) Am 9. September 1997 meldeten ISYF-Funktionäre ihre Vereinigung in Tübingen als Teilorganisation in Baden-Württemberg vereinsrechtlich an. Weitere Stützpunkte extremistischer Sikh-Organisationen befinden sich in Stuttgart, Reutlingen und Gomaringen sowie im südbadischen Raum. 8. Tamilen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 auf Sri Lanka als "Tamil New Tigers" (TNT) 1976 Umbennenung in LTTE Sitz: Mönchengladbach (Deutsche Sektion) Mitglieder: ca. 80 Baden-Württemberg (1996: ca. 60) ca. 650 Bund (1996: ca. 650) Publikationen: "Errimalai" (Brennende Berge) "Kalathil" (Kampfplatz) Der seit 14 Jahren andauernde Guerillakrieg zwischen srilankischen Regierungstruppen und Einheiten der linksextremistischen separatistischen Tamilenorganisation "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) im Nordosten von Sri Lanka wurde im Jahr 1997 fortge173 Ziel eines führt. Ziel der "Befreiungstiger" ist die Schaffung eines autonomen unabhängisozialistisch geprägten Staates "Tamil Eelam". Großoffensiven der gen sozialistisrilankischen Armee sowie Überfälle der LTTE auf Armeelager der sehen Staates Regierungstruppen und von ihr verübte Attentate forderten wiederum zahlreiche Todesopfer. Allein bei einem Bombenanschlag vom 15. Oktober 1997 im Bankenviertel von Colombo, für den die srilankischen Sicherheitsbehörden die LTTE verantwortlich machten, wurden etwa 20 Menschen getötet und über hundert verletzt. Es gibt keine Anzeichen für ein Ende des bewaffneten Konflikts. Die LTTE versucht, auf die im Bundesgebiet lebenden Tamilen durch ein breitgefächertes Netz von Hilfsund Tarnorganisationen sowie Clubs und Freizeitvereinen mit Schwerpunkten im kulturellen und sportlichen Bereich massiven Einfluß zu nehmen. Seit die LTTE im Oktober 1997 in den USA auf eine Liste der dreißig gefährlichsten internationalen Terrororganisationen gesetzt wurde, die dort nicht mehr unterstützt werden dürfen, stehen für deren Ableger in Deutschland Geldbeschaffungsmaßnahmen zur Finanzierung des "Befreiungskampfs" immer mehr im Vordergrund. Von der deutschen Sektion der LTTE werden von allen im Bundesgebiet lebenden Tamilen39 monatlich festgelegte Spenden erhoben und zu besonderen Anlässen zusätzliche einkommensabhängige Spendenaktionen durchgeführt. Dabei wird auf Spendenunwillige oftmals erheblicher psychischer Druck ausgeübt. Als weitere Einnahmequellen dienen der Verkauf von Propagandaartikeln und Accessoires sowie Provisionen aus einem von der LTTE betriebenen Dienstleistungsservice. Darüber hinaus bedient sich die Organisation auch subtilerer Methoden der Geldbeschaffung. Dazu gehören Kulturund Sportveranstaltungen ihrer verschiedenen Nebenorganisationen, bei denen die LTTE offiziell als Veranstalter nicht in Erscheinung tritt, sowie die Einrichtung von tamilischen Schulen und eigenen Ladengeschäften. Im Jahr 1997 wurden in Baden-Württemberg nachfolgende, maßgeblich zur Unterstützung der Vereinigung organisierte Veranstaltungen/Aktionen bekannt: 39 In Deutschland hielten sich 1996 über 58.000 Personen aus Sri Lanka auf, davon schätzungsweise 40.000 Tamilen (Quelle: Statistisches Bundesamt; Stand: 31. Dezember 1996). In Baden-Württemberg lebten 1995 etwa 6.000 Personen aus Sri Lanka (Quelle: *'4 Statistisches Landesamt; Stand: 31. Dezember 1995) A u s l ä n d e r e x t r e m i s m u s * Am 12. April 1997 feierte die "Tamilalayam" (tamilische Schule) in Stuttgart mit über 1.000 Besuchern ihr fünfjähriges Bestehen. * Am 31. Mai 1997 initiierte die LTTE in Böblingen eine VeranstalKulturveranstaltung zur Unterstützung ihres Waisenkindertungen/Aktiprogramms "Chenchcholai", an der rund 1.000 Personen teilonen in nahmen. Dabei wurden Einnahmen in Höhe von über 150.000 BadenDM erzielt. Württemberg LI Vom 13. bis 17. Oktober 1997 wurde auch in der LTTE-Region Stuttgart im Rahmen der alljährlichen, drei Monate dauernden europaweiten "Notkampfgeldspendenaktion" {Avasarakala Uttha Nithy - AUN)^ eine Sammlung durchgeführt. Seit Anfang des Jahres nutzt die Organisation bei ihrer Agitation neben Filmvorführungen über den "Kriegsschauplatz" Sri Lanka und ihren diversen Publikationen auch das Internet sowie einen eigenen, über Satellit betriebenen Nachrichtenkanal, um die Tamilen außerhalb der Heimat von der Notwendigkeit des "Befreiungskampfs" zu überzeugen. In Baden-Württemberg führten die verstärkten Aktivitäten und der Ausbau der i.-."S>""""i8M (lZ.ia.lW!) jMuH^alEtMa"Si^H>a(^tK"Wi^Ji"WÄ (! 6) ,*ai*Jüi|! 60 p Nebenorganisationen zu einem Anstieg ihrer Mitgliederzahl auf etwa 80 (1996: gf 60) Personen. Die Aktivitäten der Vereinigung konzentrieren sich dabei auf StuttMI, ups* 0W*S*< I. i *T*>"F gart, Ludwigsburg und ^^|^V Heilbronn. >l*" l'l. < < h ini-rt PS f ^ d l MJl (tm)fc. i.rB,i.ii ZTTE-Publikation "Kalathil' Durch diese europaweite Spendenkampagne erhält die LTTE-Führung zusätzliche Finanzmittel in Millionenhöhe. 175 E. SCIENTOLOGY-ORGANISATION (SO) Grundsätzliches "Es wird auf dem Planeten heute nirgendwo Demokratie praktiziert. Und soweit ich weiß, hat es noch nie eine gegeben, und auch im alten Griechenland gab es keine Demokratie. " Diese Aussage des Begründers der Dianetik und von Scientology, L. Ron Hubbard (LRH), anläßlich eines Vortrags über "Regierung und Organisation" im November 1966 ist keinesfalls überholt. Sie besitzt, so wie alle anderen Aussagen und Anweisungen von Hubbard, die sich in Kursen, Studieranweisungen und Büchern wiederfinden, für die SO-Anhänger nach wie vor Gültigkeit. Die wahre Demokratie, die wahre Freiheit und das Glück der Menschheit läßt sich nach Auffassung der SO nur mit Hilfe ihrer "Technologie" (Tech) finden. Aus diesem Grund ist es für jeden Scientologen von elementarer Bedeutung, nicht nur die "Tech" zu kennen, sondern sie auch wirklich jeden Tag anzuwenden. In einer seiner Richtlinien vom Februar 1965 verdeutlicht Hubbard, warum eine strikte Befolgung der scientologischen "Technologie" so ungemein wichtig ist: "Daher ist das Ungeheuer, das uns auffressen könnte, nicht die Regierung oder die Hohen176 Scientology-Orgamsation priester. Es ist unser mögliches Versagen, unsere Technologie beizubehalten und auszuüben. " Bei eingehender Prüfung durch die Verfassungsschutzbehörden hatatsächliche ben sich gerade in dieser "Technologie" tatsächliche Anhaltspunkte Anhaltspunkfür das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen gefunden. teßir verfasDie SO strebt eine Gesellschaft an, die mit vielen Prinzipien der sungsfeindlifreiheitlichen demokratischen Grundordnung - u.a. Gewaltenteilung, che BestreUnabhängigkeit der Gerichte, Gleichheitsgrundsatz, Meinungsfreibungen heit - unvereinbar ist. Mit der Beobachtung der SO erhielt das Landesamt für Verfassungsschutz nicht nur eine zusätzliche Aufgabe, sondern es sieht sich in bezug auf diese weltweit agierende Organisation mit grenzenlosem Machtanspruch auch vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Hinzu kommt die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, die schnellstmöglich spektakuläre Erkenntnisse über die vermeintlichen Unterwanderungsund Zersetzungsbemühungen der SO erfahren will. Dabei wird dem Umstand, daß der Verfassungsschutz in erster Linie Strukturen sowie Strategien der SO zu erforschen hat, zu wenig Bedeutung beigemessen. Auf Unverständnis in der Öffentlichkeit stoßen in diesem Zusammenhang auch immer wieder die hohen gesetzlichen Schranken, Dritten personenbezogene Daten zu übermitteln. 2. Entstehung und Entwicklung Begründer und geistiger Vater von Scientology ist Lafayette Ronald Hubbard (1911 - 1986). Er wird von den SO-Anhängern als universelles Genie verehrt, das bereits in frühester Jugend "geforscht" und auf ausgedehnten Reisen unzählige Erfahrungen gesammelt habe. In den 30er Jahren betätigte sich Hubbard überwiegend als ScienceFiction-Autor. 1950 veröffentlichte er das Buch "DIANETIK - Die moderne Wissenschaft von der geistigen Gesundheit". Die darin geschilderten "Erkenntnisse" wurden von ihm als ein völlig neues und einzigartiges Wissen beschrieben, mit dessen Hilfe der Mensch ungeahnte Fähigkeiten entwickeln und die Welt von Übeln wie Krieg, Verbrechen, Krankheit oder Armut befreien könne. 1954 wurde die erste "Church of Scientology" in Los Angeles gegründet. Mit dem 1956 veröffentlichten Buch "Scientology - Die Grundlagen des Denkens" schuf Hubbard den ideologischen Überbau zu "DIANETIK". In der Folgezeit arbeitete er daran, die Ergebnisse seiner ''Forschungen" in unzähligen Büchern, Schriften, Kursen und Vorträgen der Menschheit nahezubringen. 3. Organisation Etwa Mitte der achtziger Jahre übernahm David MISCAVIGE als Leiter des "RELIGIOUS TECHNOLOGY CENTER" (RTC) die Führung von Scientology. Das im Januar 1982 in Los Angeles gegründete RTC ist im Besitz aller urheberrechtlich geschützten Zeichen und Produkte von Scientology und kontrolliert deren Lizenzvergabe und Verwendung. Die darunter liegende Hierarchie-Ebene ist das "Watchdog Committee", dem das "International Scientology Management" unterstellt ist. Beide zusammen bilden letztlich eine Einheit, die sich hinsichtlich der Überwachung der einzelnen Scientology-Sektoren der Managementorganisation "Flag Command Office" (Sitz: Los Angeles) bedient. Eckpfeiler der Managementebene sind die "International Association of Scientologists" (IAS) mit den Lebenszeitmitgliedern als ergiebige Geldquellen für die "Kriegskasse", das "Office of Special Affairs" (OSA) (als eigener Geheimdienst zuständig für die "Handhabung" von Aussteigern und Kritikern), sowie die "SEAOrg", eine paramilitärisch auftretende Elitetruppe. Der Koordinierung der oben genannten Bereiche dienen "Kontinentale Verbindungs-Büros". Als die drei Hauptsäulen der SO gelten folgende "Dienstleistungseinheiten": LI Die "Chüren of Scientology International" (CSI) vereint alle "kirchlichen Dienstleistungsunternehmen" wie "Celebrity Centers" (Betreuung von prominenten Mitgliedern), "Klasse IV Orgs" (Kirchen), "Missionen" und "Dianetik Beratungszentren" Scientology-Organisation RTC (RELIGIOUS TECHNOLOGY CENTER) (Inhaber der Urheberund Lizenzrechte von L. R. Hubbard, 1982) Watchdog-Comittee International Management Flag Command Office IAS OSA SEA-Org (International Association of Scientologists) (Office of Special Affairs) (Elitetruppe) Kontinentale Verbindungs-Büros (Sitz in Europa: Kopenhagen/Dänemark) CSI WISE ABLE (World Institute of Scientology (Association for Better 1 hing (Churcli ot'Scicniol(vj\ International) Enterprises, 1979) and Education. J988> Advance Organizations (AO) Etwa 60 Mitglieder in Narconon Advance Organizations Baden-WÖrttemberg Criminon Saint Hill (AOSH) (Stand: 1994) KVPM (Kommission für Ceiibrity Centers Verstöße der Psychiatrie "Kirchen" (Klasse IV-Orgs) gegen Menschen rechte) Missions Applied Scholastics Dianetik-Beratungszentren international Ftagship FREEWIND ZIEL (Zentrum für Flag LANDBASE Saint Hill/ Individuelles und Effektives Großbritannien Lernen) Grafik: LfV BW Stand: Nov. 1997 * Das "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) wurde 1979 zur Verbreitung der Hubbardschen "Technologie" in der Wirtschaft gegründet. In der WISE-Richtlinie Nr. 1 von 1986 wird zu den Zielen von WISE erklärt: "Die Administrative Technology L. Ron Hubbards in jedem Unternehmen der Welt voll zum Einsatz zu bringen. " LI Die "Association for Better Living and Education" (ABLE) wurde 1988 ins Leben gerufen, um auch in gesellschaftlichen sowie sozialen Bereichen eine Verbesserung der Lebenssituation nach Scientology-Verständnis zu ermöglichen EinrichtunZur Umsetzung dieser Ziele bedient sich die SO u.a. noch folgender gen Einrichtungen: LI "Narconon": Programm zur angeblichen Rehabilitierung von Drogenund Alkoholabhängigen (Gründung 1966 in den USA) * "Criminon": Programm zur angeblichen Rehabilitierung von Straftätern und Kriminellen (Gründung 1970 in Neuseeland) LI "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM): Aufdeckung und Bekämpfung angeblicher Mißstände in der Psychiatrie (seit 1972 in Deutschland) LI "Applied Scholastics International": Einführung der Hubbard - "Studiertechnologie" im Bildungsbereich auf der ganzen Welt U "Zentrum für Individuelles und Effektives Lernen" (ZIEL): Bietet "LRH-Nachhilfeprogramme" für lernschwache Schulkinder an Daneben existieren folgende der SO zuzurechnende Organisationen 180 Scientology-Organisation bzw. Initiativgruppen, die bei Bedarf für Flugblattaktionen usw. aktiviert werden können, d. h. sie treten nur selten auf: die "Friedensbewegung Europa - Aktionsbüro Bosnien-Herzegowina - Verbindungsbüro" (im Oktober 1997 Sitz von Hamburg nach Straßburg verlegt), "Mitbürger Unterstützen Toleranz" (MUT), eine sogenannte Initiative zur Wahrung der Menschenrechte, und die erst 1997 in den USA gegründete Initiative "Freedom for Religions in Germany" (FRG). Baden-Württemberg weist bundesweit eines der dichtesten Netze von BadenEinrichtungen der SO auf. Eine der 8 deutschen "Kirchen" der SO Württemberg befindet sich in Stuttgart. Hinzu kommen eine Niederlassung der mit dichteKVPM sowie Aktionsgemeinschaften von MUT und der "Friedensstem Netz von bewegung Europa". Mit 8 "Missionen" sowie 5 Büros der KVPM SO-Institutio(Vereinsniederlassungen in Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe nen überzosowie KVPM-Zweigstellen) ist Baden-Württemberg bis auf den Bogen denseeraum und den Südosten aus Sicht der SO bestens abgedeckt. In den Ballungsgebieten des Mittleren Neckarraums findet sich auch die überwiegende Anzahl der WISE-Mitglieder. Es besteht eine Verbindung zwischen der "Mission" Freiburg und der Org Basel. Die südbadische Region und der Bodenseeraum werden vermutlich von der Schweizer SO abgedeckt. Deswegen dürften sich dort auch keine "Missionen" befinden. Daneben sind Schweizer WISE-Mitglieder im südbadischen Raum aktiv. Die SO behauptet, weltweit über 7 - 8 Mio. Mitglieder zu verfügen. Zahlen für einzelne Regionen oder Niederlassungen gibt sie nicht bekannt - wenn doch, ist der Wahrheitsgehalt kaum nachprüfbar. In der Vergangenheit wurde für die Org Stuttgart ein Mitgliederpotential von 5.000 Personen angegeben, was erheblich überzogen sein dürfte. Trotz ständiger Beteuerungen der SO, daß sie "wachse, blühe und gedeihe", ist die Zahl der Kursteilnehmer in der Org sowie in den "Missionen" derzeit eher rückläufig. Eine dynamische Entwicklung wie zu Beginn der neunziger Jahre findet offensichtlich nicht mehr statt. Da bei Scientology "Statistiken", insbesondere steigende, eine wichtige Rolle spielen, dürften in den angegebenen Zahlen alle Personen enthalten sein, die jemals ein Buch bestellt oder einen Kurs belegt haben. Nicht selten erhalten längst Scientology in Baden-Württemberg ausgeschiedene sowie auch verstorbene "Mitglieder" noch Werbeschreiben der "Briefregistrare" aus den USA, aus England (SOFührungsakademie in St. Hill) oder aus Kopenhagen (SO-Europazentrale). In Baden-Württemberg dürfte sich nach derzeitigem Erkenntnisstand die Zahl der SO-Mitglieder realistischerweise zwischen 800 und 1.000 bewegen. Schon mit der ersten Kursbelegung wird man bei Scientology für 6 Monate kostenfreies Mitglied ("Einführungsmitgliedschaft"). Danach kann zwischen der "Jahresmitgliedschaft" (jeweils 300 Dol- Scientology-Orgamsation SO-Verteilungsplan in Baden-Württemberg Legende: 1. "Kirchen"-Bereich "SO - Kirche" "Mission" bzw "Dianetik-Zentrum" 2, Bekannte Tarnorganisationen ^^ Applied Scholastics (professioneller Nachhilfean- ~ bieter mit "LRH Lern-" bzw "Studiertechnologie") KVPM Vereinbzw, Büro I sonstige Tarnorganisationen: Im einzelnen: Stuttgart: "MUT - Mitbürger unterstützen Toleranz" "Elterninitiative des Vereins Dianetik und Scientology" "OT-Komitee Stuttgart" "Friedensbewegung Europa -Aktionsbüro Bosnien-Herzegowina - VerbindungsbOro" Plochingen: "Aktionskomitee Sag Nein zu Drogen - sag Ja zum Leben" Weinstadt: "Initiative besorgter Eltern" Ulm: "Friedensbewegung Europa - Aktionsbüro Bosnien-Herzegowina - Verbindungsbüro" Anmerkung: Manche Vereinigungen sind bislang im Rahmen kurzzeitiger Aktionen in Erscheinung getreten. Teilweise existieren keine Einträge im Vereinsregister, mitunter wurden solche gelöscht. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß diese Vereinigungen als informelle Zirkel weiterbestehen und wieder aktiviert werden können. Grafik: LfV BW Stand: Dezember 1997 lar) und der "Lebenszeitrnitgliedschaft" (einmaliger Betrag von 2.000 Dollar) gewählt werden. 4. Zielsetzung der SO 4.1 Eigendarstellung Erklärtes Ziel von Scientology ist die Schaffung einer perfekt funktionierenden Welt, in der dem vollkommenen Menschen, dem sogenannten Clear, die totale geistige Freiheit garantiert und jegliche Form der Unterdrückung beseitigt wird. Zur Erreichung des Zustandes "clear" müssen "Aberrationen" (Abweichen vom vernünftigen Denken) sowie "Engramme" (schmerzhafte Eindrücke und Verletzungen im Zustand der Bewußtlosigkeit) kmit Hilfe des "Auditings", einer Mischung 'aus Verhör, Beichte und Therapie, bewußt gemacht und somit "gelöscht" werden. "Auditiert" wird mit Hilfe des "E-Meters", einer Art Lügendetektor zur Messung des Hautwiderstands. Durch die Anwendung dieser "Technologien" sollen nicht nur der E-Meter einzelne Mensch, sondern die ganze Gesellschaft und letztlich der gesamte Planet mit dem Ziel einer "neuen Zivilisation" "gecleart" werden. Ein weiterer Bestandteil der Hubbardschen "Wissenschaft" ist der grundlegende "Thetan", der angeblich als unsterbliches geistiges Wesen den Änderung der menschlichen Körper bewohnt und unbegrenzte Fähigkeiten besitzt. Gesellschaft Durch weitere Vervollkommnung, also Anwendung der "Technoloangestrebt gie", soll der Zustand eines "Operierenden Thetans" (OT), der "wissentlich und willentlich Ursache über Leben, Denken, Materie, Energie, Raum und Zeit ist", erreicht werden. Die Grundlagen der als Wissenschaft gepriesenen Lehre hat Hubbard in unzähligen "Richtlinienbriefen" - sogenannte Hubbard Communication Office - Policy Letters (HCO-PL's) und Hubbard Communication Office - Bulletins (HCO-B's) - für die Nachwelt festgehalten. Die HCO-PL's enthalten die gesamte "Verwaltungstechnologie" (Handlungsweisen für alle Lebenslagen), die HCO-B's die "Studiertechnik", die vor allem der Ausbildung zum "Auditor" dient. Nur die peinlichst genaue Einhaltung dieser "Technologie" garantiert angeblich den Erfolg von Scientology beim einzelnen Menschen und in der Gesellschaft, ein Verstoß gegen diese "Tech" gilt als "Verge184 Scientology-Organisation hen", "Verbrechen" oder gar "Schwerverbrechen". Allerdings bekommt der einzelne Scientologe ganz bewußt immer nur die HCOPL's und HCO-B's zur Kenntnis, die für seine Ausbildungsstufe oder seine Position in der Organisation nötig sind. Somit ist sichergestellt, daß nur ein kleiner Kreis der SO-Führungsspitze über das "gesamte Wissen" verfügt und der einzelne nur Teile des "Systems" und der Zielrichtung in Erfahrung bringen kann. 4.2 Bewertung Scientology sieht sich in ihrem Absolutheitsanspruch als die einzige Bewegung, die den Menschen die Garantie dafür gibt, daß sie frei von Elend, von Kriegen und jeglicher Geisteskrankheit leben können. Humanitäre Attribute sind aber bei Scientology nur als Lippenbekenntnisse zu bewerten und sollen über das wahre Ziel, die Erlangung von Macht über Menschen und Einfluß auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, hinwegtäuschen. Die Vorgehensweise der SO analog den Lehren Hubbards ist nicht durch "umstürzlerische" Handlungsweisen gekennzeichnet, sondern strebt vielmehr nach Einflußnahme auf Personen mit Entscheidungsbefugnis. Laut verschiedenen Hubbard-Richtlinien und SOSO-Handbuch Kursen sind SO-Mitglieder gefordert, Schlüsselpositionen - gerade auch im Sicherheitsund Medienbereich und im Bereich der Politik - zu besetzen und im Sin"Invasion" ne der SO für eine "Invasion in alle Lebensbereiche" (Quelle: Kurs in alle Hubbard "Qualifizierter Scientologe") zu wirken. Dabei muß nicht Lebensbejede Schlüsselposition der Gesellschaft zwingend mit Scientologen reiche 185 besetzt sein, sondern es reicht aus, wenn Entscheidungsträger im Sinne von SO beeinflußt werden und dadurch auch im Sinne der Organisation handeln. In einer heute noch gültigen Hubbard-Anweisung vom 13. März 1961 ist konkret ausgeführt: "Die Aktion, eine pro-Scientology Regierung zustandezubringen besteht daraus, daß man einen Freund bei der höchsten erreichbaren Regierungsperson schafft, die man erreichen kann und daß man sogar einen Scientologen in häuslichen oder untergeordneten Posten in dessen Nähe einsetzt und dafür sorgt, daß Scientology seine persönlichen Schwierigkeiten und seinen Fall löst." (Fehler im Original) Nach der Vorstellung von Scientology sind OT's die geeignetsten Personen, um Einfluß auf Regierungen zu nehmen. Jeder OT-Aspirant muß deshalb für seine Ausbildung "OT Hatting-Kurse" auf dem SO-Luxusliner "Freewinds" absolvieren. Einer dieser Kurse ist mit "The Perception of Truth" (Die Wahrnehmung von Wahrheit) betitelt. In der deutschsprachigen Ausgabe der SO-Publikation "Freewinds", Nr. 20/1996, wird aufgezeigt, daß der angehende OT erfährt, "... wie man tatsächlich eine Regierung verändern kann". Schon am 13. Februar 1965 behauptete Hubbard in einem HCO-PL mit dem Titel "POLITIK": "... Ein politisches System, das unter unwissenden, ungebildeten und barbarischen Leuten zu funktionieren versucht, könnte ausgezeichnete Prinzipien haben, könnte jedoch keinerlei anderen Erfolg erringen, als nur den, unwissend, ungebildet und barbarisch zu sein außer man ginge bei Einem nach dem Anderen an die Leute heran und würde bei jedem einzelnen Bürger die Unwissenheit, Ungebildetheit und die Barbarei kurieren. " (Fehler im Original) Scientology-Organisation NAUS IN IHRE OT-ZUKUNFT Zeitschrift "Freewinds " Im krassen Gegensatz zur Selbstdarstellung der SO in der Öffentlichkeit als Religionsgemeinschaft stehen die internen Anweisungen des Managements, in denen sich die SO als "Dienstleistungsunternehmen" versteht, dessen einziger Sinn es sei, die "LRH-Technologie" in Form von Waren und Dienstleistungen "zu verkaufen und zu liefern". Ebenso befassen sich ganze Serien von HCO-PL's Umgang mit mit Anweisungen zum Umgang mit Kritikern, Gegnern oder gar Kritikern Aussteigern von Scientology. Nicht-Scientologen werden als "Wogs" bzw. "seriengefertigte Humanoide" verächtlich gemacht, und Kritiker der SO sind laut Hubbard als "kriminelle Psychotiker" mit einem "psychologisch behandelten Affen" gleichzusetzen. Der bei Scientology immer wieder verwendete Begriff "Ethik" hat keinesfalls die Bedeutung einer Sittenlehre, wie sie der Normalbür187 ger versteht, sondern wird in dem von Hubbard verfaßten Buch "Einführung in die Ethik der Scientology" als Teil seiner "Technologie", als Formen von "Seins-Zuständen" beschrieben. Als "unethisch" gelten alle Handlungen, die sich gegen Scientology richten und daher "böse und falsch" sind, während wirkliche "Ethik" alle Verhaltensweisen beschreibt, die Scientology nutzen und daher "gut und richtig" sind. "Ethik" beinhaltet als wichtiges Element auch die rigorose Beseitigung von "Gegenabsichten". "Unethische" Personen werden durch das scientologische Rechtssystem "gehandhabt", d.h. es kommen nicht die Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaats zur Anwendung, sondern einzig und allein die von Hubbard aufgestellten Richtlinien. Aber was macht Scientology und seine "Technologie" dennoch so anziehend? Sind es nur das geradezu perfekte Marketingkonzept und die scheinbaren Anfangserfolge des einzelnen bei der Bewältigung von Problemen? Untersuchungen haben ergeben, daß Psychogruppen wie Scientology vor allem aufzeigen, welche Werte einer Gesellschaft vermeintlich fehlen und wie sie diese fehlenden Werte ersetzen können. Des weiteren wird das Gefühl von Anerkennung, Identität, Sicherheit und Geborgenheit vermittelt und dem einzelnen suggeriert, daß er an Selbsterkenntnis, Persönlichkeit sowie Intelligenz gewinnt und zugleich helfen kann, die gesamte Menschheit enorm zu verbessern. rücksichtsloDer Geworbene weiß allerdings nichts über den rücksichtslosen ser MachtanMachtanspruch des SO-Managements über die Menschen. Die "Techspruch nologie" Hubbards erscheint ihm zu diesem Zeitpunkt logisch, Fehler liegen in ihm selbst begründet. So ergibt sich ein Teufelskreis aus persönlichem Streben nach Glück und Vollkommenheit, einer fast unlösbar erscheinenden Bindung als Folge gezielter Indoktrination sowie einer Instrumentalisierung des einzelnen für die Machtansprüche der Gruppe. 5. Einflußnahme Die derzeitige Erkenntnislage gestattet noch keine endgültigen Aussagen über Intensität und Umfang der Einflußnahme der SO auf Staat und Gesellschaft. Allerdings gibt es eine Reihe von Anhalts188 Scientology-Organisation punkten für den Versuch der SO, wichtige öffentliche Bereiche zu durchdringen, um auf diese Weise ein neues gesellschaftliches System zu etablieren. Hiervon betroffen sind die unterschiedlichsten sozialen, wirtschaftlichen und staatlichen Institutionen. Seit längerem wird vermutet, daß insbesondere die Immobilienbranche in nennenswertem Umfang scientologisch beeinflußt sei. Gerade im Großraum Stuttgart existieren tatsächlich nicht wenige solcher Unternehmen. Bisherige Erkenntnisse deuten darauf hin, daß auch in anderen Regionen Baden-Württembergs scientologisch geführte Immobilien-Unternehmen vertreten sind. Ein weiterer Schwerpunkt im wirtschaftlichen Sektor sind die Sparten Unternehmensberatung, Managementschulung und EDV-Beratung. Hier besteht vor allem die Möglichkeit, an interne Unternehmensdaten zu gelangen, Hubbards "Technik" zu vermitteln und Scientologen in Firmen zu piazieren. Ein im Bereich des Managements und der Kommunikation tätiges Unternehmen, das seit Jahren auf internen Seminaren in großem Stil diese "Technik" lehrt, wirbt neuerdings verstärkt auch wieder in der Öffentlichkeit, teilweise durch direkte Ansprache möglicher Kunden. Neben diesen geradezu traditionellen Betätigungsfeldern lassen sich beeinflußte aber auch in zahlreichen anderen Branchen SO-Einflüsse erkennen. Branchen Dies reicht vom Gesundheitswesen bis hin zum Bildungsund und PersoMeinungssektor. Allerdings sind dort derzeit überwiegend nur Einnengruppen zelfälle bekannt, die noch keinen Rückschluß auf den gesamten Einflußgrad zulassen. Im Heilpraktikerbereich verfügt ein scientologisch orientiertes Unternehmen jedoch bereits über eine Vielzahl ihm angeschlossener Einrichtungen. Auch im Ärztebzw. Zahnärztebereich sind einige Fälle mit scientologischem Hintergrund bekanntgeworden. Daß auch der staatliche Sektor Ziel von SO-Aktivitäten ist, verdeutlicht eine Reihe von Mitgliedern dieser Organisation im öffentlichen Dienst. Bekannt wurden in diesem Zusammenhang die Fälle dreier Lehrer, die seit längerer Zeit Scientology verbunden sind und verdächtigt werden, zum Teil auch offen für die SO an ihren Schulen geworben zu haben. In einem Fall wollte ein Lehrer während einer von ihm beantragten Beurlaubung vom Schuldienst an einem "Bildungsprojekt" der SO im Ausland teilnehmen. Vergleichbare Einflüsse von Scientology konnten in anderen Verwaltungssektoren noch nicht konkretisiert werden. Aus dem Bereich der öffentlichen Sicherheit liegen Hinweise auf mehrere (z.T. ehemalige) Polizeibeamte vor, die der SO angehören und sich auch offen zu Hubbards Lehren bekennen. Weitere, noch nicht verifizierte Verdachtsfälle betreffen die Beschäftigung von Scientologen in Stadtund Finanzverwaltungen. Zu den wichtigsten Betätigungsfeldern der SO gehört es immer noch, Kurse anzubieten sowie einschlägige SO-Literatur zu verkaufen. Selbst Spätaussiedler aus den GUS-Staaten werden für Einführungskurse geworben. Dabei ist von Nutzen, daß verschiedene Standardwerke von Hubbard bereits in die russische Sprache übersetzt worden sind. Während dadurch angeblich Lebenshilfe geleistet wird, dient dieses Vorgehen jedoch in erster Linie dazu, neue Anhänger zu rekrutieren, sich deren Gelder zu erschließen und so vor allem den Einfluß von Scientology zu vergrößern. Seit einiger Zeit versucht die SO, durch ihre Unterorganisationen "Criminon" und "Narconon" straffällig gewordene Personen und Drogenabhängige für ihre Ziele zu gewinnen. Zugleich bemüht sie sich, im Arbeitsund Obdachlosenbereich Fuß zu fassen, um ihr soziales Engagement nachzuweisen. Eines dieser Projekte, Unterbringung und Betreuung von Obdachlosen, kam allerdings nach kürzester Zeit zum Erliegen, da keine geeignete Aufsichtsperson für das angemietete Objekt gefunden werden konnte. 6. Auswirkungen der Beobachtung durch den Verfassungsschutz Die seit dem 1. Januar 1997 vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg beobachtete SO versucht inzwischen, mit vordergründigen "Sozialprogrammen" den Eindruck einer harmlosen, heterogenen Gruppe zu vermitteln, die keinerlei Gefahr für Staat und Gesellschaft darstelle und als Folge der "Repressionen" verstärkten Zulauf erhalte. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß durch die straff geführte Organisation auf die Mitglieder und Funktionäre massiver Druck ausgeübt wird, der durch geringere finanzielle Einnahmen verursachten Krise entgegenzusteuern. 190 Scientology-Organisation Zugleich versuchen Funktionsträger aus den Zentralen in den USA, St. Hill und Kopenhagen, die deutschen Niederlassungen wieder auf erfolgreichen Kurs zu bringen. Eine weitere Auswirkung der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist die Anordnung interner Sicherheitsmaßnahmen. So wurinterne de in Deutschland ein "Sicherheits-Check" für "Staff-Member" (feSicherheitsste Mitarbeiter einer Org) und Kursabsolventen vorgeschrieben. Des maßnahmen weiteren erfolgten die Installation technischer Überwachungseinrichtungen sowie die Verlegung der Rezeptionen aus dem von außen einsehbaren Bereich der jeweiligen SO-Institutionen. Schwerpunktmäßig sollte durch gezielte Propagandaaktionen der Eindruck entstehen, daß es sich bei Scientology um eine weltweit anerkannte Religion handle, deren Mitglieder in Deutschland unter Verfolgung und Diskriminierung zu leiden hätten wie einst die Juden unter der Diktatur der Nationalsozialisten. Auch im Internet wurde von der SO die Behauptung aufgestellt, in Deutschland herrsche ein Klima der Bedrohung: "... wird Scientology in Deutschland verfolgt, ist Europa in wirklicher Gefahr. Und natürlich, wenn Europa in Gefahr ist, ist die USA ebenfalls in Gefahr. Und so der Rest der Welt. Es ist ein schrecklicher Gedanke, ich weiß, und ich sage ihn nicht gerne. Aber Fakt ist, daß wir einige SPs41 auf diesem Planeten haben ..." Ähnliche Argumente waren auch auf den Transparenten der SO anläßlich verschiedener Demonstrationen in Baden-Württemberg von Juni bis September 1997 zu lesen. Auf einer Kundgebung der Scientologen in Stuttgart wurde auf Anordnung der Staatsanwaltschaft ein Transparent beschlagnahmt, auf dem das Wort "Hass" mit zwei "SS-Runen" geschrieben war. Die erste geplante "Großdemonstration" der SO als Reaktion auf den Beschluß der Innenministerkonferenz vom 6. Juni 1997, Scientology bundesweit durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, wurde am 21. Juli 1997 in Frankfurt am Main von der in den "suppressive persons": Personen, die andere unterdrücken 191 USA ansässigen Vereinigung "Freedom for Religions in Germany" (FRG) initiiert. Die gleiche Vereinigung trat am 27. Oktober 1997 in Berlin als Mitveranstalter in Erscheinung. Da seitens der SO über 10.000 Teilnehmer aus aller Welt angekündigt worden waren, sorgte die weitaus kleinere Zahl von etwa 3.000 Demonstranten für Enttäuschung und Kritik innerhalb der Organisation. Zudem fand die Veranstaltung nur geringes Medieninteresse und kaum Resonanz bei der Bevölkerung. massive Um den "fallenden Statistiken" - in der "Ethik" der SO bedeutet Propaganda dies den Zustand "Gefahr" - aktiv entgegenzutreten und die erklärund Mitglieten Ziele "Clear Germany / Clear Süddeutschland" zu verwirkliderwerbung chen, betreibt Scientology massiv Propaganda und Mitgliederwerbung. Dazu gehört auch, daß bis zum Jahr 2000 in Deutschland 1.000 Personen zu "Operierenden NEHMEN SIE Thetanen" (OT) VIII - die bisher höchste freigegebene OT-Stufe - "ausgebilBITTE DIE DOSEN Ein Berater des Goldenen Zeitalters det" werden sollen. Ein zusätzliches Problem der Tech steht Ihnen auf der Flag für die Organisation beWorld Tour zur Verfügung steht in der zunehmenden 2 World Tour bringt Ihnen das Goldene Abwanderung von ScienZeitalter der Tech. Besuchen s ie die Veran- 3 d< i I lag World lour! s ie kann ihnen in tologen zu anderen Grupjeder Situation helfen, t'rsache im Leben zu sein pierungen, die zwar die und den OT Zustand zu errei "Technologie" Hubbards anwenden, sich jedoch nicht dem "RELIGIOUS TECHNOLOGY CENSiehe Beilage Ku die nächstgelegene TER" (RTC) unterordnen. Veranstaltung der I lag World Ibur. Werbung für eine interne " Ausbildungs "- Veranstaltung 192 Scientology-Organisation 7. Prognose Aus taktischen Gründen hielt sich die SO, die sich nach eigenem Selbstverständnis in einem "Krieg" mit Deutschland befindet, im Berichtsjahr mit Aktionen, die zur Imageverschlechterung führen könnten, auffällig zurück. Daraus den Schluß zu ziehen, daß diese Verhaltensweise von Dauer sei, wäre jedoch falsch. Die polemische und diffamierende Propaganda der Organisation hinsichtlich der angeblichen Diskriminierung von Scientologen in Deutschland dürfte unvermindert anhalten. Seit Januar 1997 angekündigte "Enthüllungen" über deutsche Politiker, die wegen ihrer Ablehnung von Hubbards "Technologie" sowie der "Verfolgung" von SO-Mitgliedern als Gegner betrachtet werden, sind bislang zwar ausgeblieben, jedoch sollte in diesem Zusammenhang die von Hubbard am 18. Februar 1966 erlassene Richtlinie zu "Angriffen auf Scientology" nicht vergessen werden: "Gruppen, die uns angreifen, sind zumindest nicht geistig gesund. Gemäß unserer Technologie bedeutet dies, daß es verborgene Bereiche bei ihnen gibt und daß schändliche Fakten über sie existieren." Im weiteren Text erklärt Hubbard genau, wie diese "Fakten" zu finden sind. Ebenso stellt er fest, daß es in der Vergangenheit von Nachteil war, für die erforderlichen Nachforschungen eine "außenstehende" Firma zu beauftragen: "Die Lösung ist, unser eigenes geeignetes Korps für diese Aktionen zu organisieren und aufrechtzuerhalten. " Diese Aufgabe fällt heute dem "Office of Special Affairs" (OSA) zu. Als "Angreifer" gelten nicht nur staatliche Stellen, sondern auch alle anderen Kritiker und insbesondere "Aussteiger". Gerade Personen, die sich von der SO lösen und ihre Ausstiegsgründe sowie die absoluten Machtansprüche der Organisation öffentlich bekanntma- chen, werden mit Verleumdungskampagnen überzogen, um ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Hubbard führt in einer weiteren Richtlinie vom 7. Februar 1965 zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit von Scientology aus, daß es von immenser Wichtigkeit sei, sämtliche Anleitungen von ihm "erbarmungslos" zu befolgen. Deshalb ist davon auszugehen, daß Scientology alles versuchen wird, um eine rein scientologische Gesellschaftsform zu erreichen. Dem Landesamt für Verfassungsschutz liegen Hinweise vor, daß die sogenannte Fair-Game-Richtlinie der SO, nach der Kritiker und Aussteiger zu "Freiwild" erklärt und mit allen Mitteln verfolgt und bekämpft werden können, entgegen der Behauptung der SO noch immer Gültigkeit besitzt. 8. Vertrauliches Telefon Da es zur typischen Strategie der SO gehört, ihren Einfluß möglichst unauffällig auszuweiten, ist der Verfassungsschutz bei seiner Arbeit auch auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Durch das seit Februar 1997 bestehende "Vertrauliche Telefon" konnten schon etliche wertvolle Hinweise gewonnen werden, die eine operative Bearbeitung nach sich zogen. Unter der Nummer 0711 / 9 5 61 994 kann von Betroffenen, Aussteigern, Angehörigen oder anderen Personen, die zu Scientology Hinweise geben können, tagsüber unmittelbar mit einem Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz Verbindung aufgenommen werden. Durch einen Anrufbeantworter ist die Erreichbarkeit dieser Behörde auch außerhalb der üblichen Bürozeiten rund um die Uhr sichergestellt. Eingehende Hinweise werden selbstverständlich vertraulich behandelt. F. SPIONAGEABWEHR 1. Allgemeiner Überblick Die Gefahren, die von der Spionage ausgehen, lassen sich heute nicht mehr nur in geographisch-politischen Kategorien beschreiben. Das Streben der Industrien vieler Länder nach KonkurrenzfähigAusforkeit auf dem Weltmarkt und die daraus erwachsenden Bedürfschungsnisse kennzeichnen zunehmend die aktuelle Lage. Konsequenterschwerpunkt weise rangieren in einem Land mit einer leistungsfähigen ökonoWirtschaft/ mischen Infrastruktur wie Baden-Württemberg die Wirtschaftsund Wissenschaft Wissenschaftsspionage sowie die nachrichtendienstlich gesteuerten Zielrichtung der Spionage in Baden-Württemberg im Jahr 1997* 60- D Sensitive Exporte/ Proliferation 17% 17% 1 50- * Wirtschaft/Wissenschaft ohne sensitive Exporte/ 40 -1 Proliferation 45 % 30- * Wirtschaft/Wissenschaft insgesamt 62% 45 % 1 201011% 1 8% 1 o- Politik/Verwaltung Militär Vorber ;itende und WrtschaftV unle *stützende m senschaft 1ufträge G r a f i k : LfV B W Die statistische Erfassung und Analyse relevanter Sachverhalte wurde im Interesse einer noch differenzierteren Aussage für das Jahr 1997 auf eine neue Basis gestellt (alle im Berichtsjahr bearbeiteten Vorgänge, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte auf eine nachrichtendienstliche Zielrichtung im Jahr 1997 gegen Baden-Württemberg vorlagen). Die Prozentzahlen aller Schaubilder sind deshalb mit denen der Vorjahre nur bedingt zu vergleichen. 196 S p i o n a g e a b w e h r Sensitiven Exporte42 auch weiterhin an der Spitze. Politik und Militär sind hier mittlerweile Zielbereiche von geringerer Bedeutung. Bei einer Reihe im wirtschaftlichen Aufbau begriffener osteuropäiProliferationsscher und asiatischer Länder fördern technologischer Rückstand und bestrebungen finanzielle Engpässe nach wie vor die Bereitschaft, Know-how kostengünstig auf illegale Weise zu beschaffen. Besonders hervorzuheben sind ferner die Proliferationsbemühungen43 der Krisenländer des Nahen und Mittleren Ostens zur Produktion bzw. Optimierung von Massenvernichtungswaffen. Nachrichtendienstliche Aktivitäten in Baden-Württemberg im Jahr 1997 - Auftraggeber* sonstige Nachrichtendienste 11% Rußland (GUS) China 30% 5% Rumänien 7% restliche Krisenländer 3% Kasachstan (GUS) 11% restliche GUS 16% Grafik: LfV BW Die statistische Erfassung und Analyse relevanter Sachverhalte wurde im Interesse einer noch differenzierteren Aussage für das Jahr 1997 auf eine neue Basis gestellt (alle im Berichtsjahr bearbeiteten Vorgänge, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte auf eine nachrichtendienstliche Zielrichtung im Jahr 1997 gegen Baden-Württemberg vorlagen). Die Prozentzahlen aller Schaubilder sind deshalb mit denen der Vorjahre nur bedingt zu vergleichen. Sensitive Exporte: Geschäfte, die gegen die Vorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) verstoßen, die den Export bestimmter Güter in Krisengebiete untersagen. Proliferation: Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. zu deren Herstellung verwendbare Produkte einschließlich des dafür erforderlichen Know-how sowie entsprechende Waffenträgersysteme. 197 Die Informationsinteressen politisch mit Deutschland verbundener Nationen spiegeln sich (noch) nicht in der Erkenntnislage wider. Öffentlichen Berichten ist zu entnehmen, daß beispielsweise die amerikanische Regierung von ihrem Geheimdienst CIA erwartet, daß er U sie bei Wirtschaftsverhandlungen unterstützt, Q Methoden fremder Länder zur Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen ermittelt und ü Informationen über internationale Finanzmärkte beschafft. Der im Frühjahr 1997 medienwirksam gewordene Fall einer geheimdienstlichen Operation dieses Dienstes gegen einen hohen Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums kann als Indiz dafür gewertet werden, daß auch die Bundesrepublik Deutschland bei der nachrichtendienstlich gesteuerten Informationsbeschaffung durch befreundete Staaten nicht ausgespart wird. Der Erkenntnisstand des Landesamts wird nicht zuletzt durch Hinweise aus Wirtschaft, Verwaltung und Bevölkerung beeinflußt. Der bereits seit einigen Jahren deutlich wahrnehmbare Rückgang des entsprechenden Aufkommens ist in erster Linie auf * die als Folge der Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen ehemals verfeindeten Ländern abnehmende Sensibilität für Gefahren der Spionage, U die zunehmend schwierigere Erkennbarkeit geheimdienstlicher Operationen aufgrund veränderter Beschaffungsstrategien (z. B. verstärkter Einsatz technischer Aufklärungsmittel, immer perfektere Verschleierung der Beschaffungswege) und _) veränderte Meldepflichten beim amtlichen Geheimschutz S p i o n a g e a b w e h r zurückzuführen. In Anbetracht der Tatsache, daß die Wirtschaft in Baden-Württemberg als das Hauptausspähungsziel zu betrachten ist, überrascht das relativ geringe Hinweisaufkommen und das teilweise schwach ausgeprägte Problembewußtsein gerade aus diesem Bereich. Nachrichtendienstliche Aktivitäten in Baden-Württemberg im Jahr 1997 - Hinweisgeber* Nachrichtendienste 89% andere Behörden 3% Wirtschaft Exekutive / 0 Privat 3% 2% Grafik: LfV BW Die statistische Erfassung und Analyse relevanter Sachverhalte wurde im Interesse einer noch differenzierteren Aussage für das Jahr 1997 auf eine neue Basis gestellt (alle im Berichtsjahr bearbeiteten Vorgänge, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte auf eine nachrichtendienstliche Zielrichtung im Jahr 1997 gegen Baden-Württemberg vorlagen). Die Prozentzahlen aller Schaubilder sind deshalb mit denen der Vorjahre nur bedingt zu vergleichen. Auch das Internet gewinnt für fremde Aufklärungsdienste zunehmend an Bedeutung (vgl. Kap. G). Neben Angehörigen von Nachrichtendiensten des Nahen und Mittleren Ostens konnten in letzter Zeit speziell russische ND-Offiziere als intensive Nutzer dieses weltumspannenden Kommunikationsnetzes festgestellt werden. Über die risikolose Beschaffung "offener" - also für jedermann frei zugänglicher - Informationen hinaus eröffnet dieses Medium technisch und finanziell bestens ausgestatteten Nachrichtendiensten auch vielfältige Zugriffsmöglichkeiten auf oftmals nur unzureichend gesicherte firmenoder behördeninterne DV-Systeme mit sensiblen Datenbeständen. Außerdem eignet sich das Internet in idealer Weise für das geheimdienstliche Führungsund Verbindungswesen. Relevante Informationen lassen sich unauffällig in Textverarbeitungs-, Grafikund Klangdateien verbergen und sind so für Außenstehende im Prinzip nicht erkennbar. Vorstehende Sachverhalte belegen den besonderen Stellenwert der verstärktes Informationstechnik als Ziel und Instrument der Geheimdienste. Der Interesse an illegale Zugriff auf Rechnersysteme und KommunikationsverbindunKommunikagen wird für potentielle Angreifer zunehmend attraktiver. Man spricht tionstechnik in diesem Zusammenhang immer häufiger von "Information Warfare". Dieser erst jüngst geprägte und deshalb noch nicht endgültig definierte Begriff bezeichnet die Gesamtheit aller Mittel und Praktiken zur Gewinnung, Nutzung, Manipulation oder Zerstörung von Informationen zur Durchsetzung eigener Interessen. 2.2 Ukrainische Nachrichtendienste Einem mit dem zivilen Nachrichtendienst SBU in Verbindung stehenAuftreten in den Vorstand einer ukrainischen Freizeitorganisation gelang es unter Badendem Vorwand, Beziehungen zu vergleichbaren Einrichtungen im WeWürttemberg sten herstellen zu wollen, Kontakte nach Baden-Württemberg zu knüpfen. In der Folgezeit kam es zu gegenseitigen Besuchen unter den Mitgliedern. Dabei kristallisierten sich sehr bald wechselseitige geschäftliche Interessen zwischen einem Ukrainer und einem Angehörigen des baden-württembergischen Partnervereins heraus. Das von diesen beiden Personen gegründete Handelsunternehmen erleichterte dem ukrainischen Staatsangehörigen die regelmäßige Einreise ins 202 Spionageabwehr Bundesgebiet und eröffnete ihm weitreichende Möglichkeiten für nachrichtendienstliche Aktivitäten. Spätaussiedler sind nach wie vor als relevante Zielpersonen zu betrachten. Neben den ukrainischen treten vor allem die russischen und kasachischen Geheimdienste bei der Anwerbung dieses Personenkreises in Erscheinung. Es bestehen Anzeichen dafür, daß sie Dateien über ausgereiste Deutschstämmige unterhalten, die mit dem Ziel einer nachrichtendienstlichen Anbahnung kontaktiert werden, sobald sie eine interessante berufliche Perspektive aufweisen. Die Ukraine verfügt neben dem zivilen Nachrichtendienst SBU über den militärischen Aufklärungsdienst HUR. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß sie in Zusammenarbeit mit anderen GUS-Geheimdiensten gegen die Wirtschaft westlicher Länder gerichtete Aufklärungsaktivitäten entfalten. 2.3 Chinesische Nachrichtendienste Der Betreiber eines China-Restaurants in Baden-Württemberg hat eigenen Angaben zufolge im Juni 1989 an den Demonstrationen auf dem "Platz des Himmlischen Friedens" in Peking teilgenommen und will sich seiner bevorstehenden Festnahme seitens chinesischer Sicherheitsorgane durch die Flucht ins Ausland entzogen haben. Es besteht der dringende Verdacht, daß die "Flucht" vom dortigen Staatssicherheitsdienst initiiert wurde, um ihn mit einer glaubwürdigen Legende im Hinblick auf die Ausspähung chinesischer Emigrantenorganisationen in Baden-Württemberg auszustatten. Zudem wird diese Person verdächtigt, an der massenhaften Einschleusung chinesischer Staatsbürger nach Deutschland beteiligt zu sein. Die Gesamtumstände des Falles deuten daraufhin, daß sich die chinesischen Nachrichtendienste auch auf diesem gemeinhin der Organisierten Kriminalität zuzurechnenden Sektor steuernd oder unterstützend betätigen. Offensichtlich bestehen in China - ähnlich wie in Rußland - zwischen beiden Bereichen enge Verknüpfungen. 2.4 Iranische Nachrichtendienste Vertreter einer in die Beschaffungsaktivitäten der einschlägig bekannten "Defence Industries Organization" (DIO) eingebundenen iranischen Firma führten im Auftrag des dortigen Verteidigungsministeriums Geschäftsverhandlungen mit einem in Baden-Württemberg ansässigen und europaweit führenden Maschinenbauunternehmen. Ziel war der Erwerb von Automaten zur Herstellung militärisch nutzbarer Produkte. Die iranische Delegation gab keine hinreichende Auskunft über den Verwendungszweck. Sie erklärte lediglich die Absicht, das Produkt zivil einsetzen zu wollen. Eine andere Geschäftsdelegation nahm in Vertretung der militärischen Beschaffungsorganisation "State Purchasing Organization" (SPÖ) und der dem DIO-Komplex zuzurechnenden "Central Industry Group" (CIG) Kontakt zu einem baden-württembergischen Unternehmen der Telekommunikationsbranche auf, um sich über Produktpalette und Liefermöglichkeiten infomieren zu lassen. Dabei wurde die Absicht bekundet, entsprechende Kaufabschlüsse zu tätigen. Über den endgültigen Verwendungszweck wurde trotz gezielter Nachfrage keine Erklärung abgegeben. Der Verdacht der Nutzung im militärischen Bereich erscheint auch in diesem Fall aufgrund der Verhaltensweisen der Delegationsmitglieder naheliegend. Ähnliche Beschaffungsaktionen wurden auch bei anderen Unternehmen in Baden-Württemberg festgestellt. In der Vorgehensweise der iranischen Gesprächspartner ist jeweils auffällig, daß sie den eigentlichen Verwendungszweck der Güter verschleiern. Für die deutsche Seite ist damit nicht immer eindeutig erkennbar, wer sich tatsächlich hinter den Geschäftspartnern verbirgt. Die Beschaffung embargogeschützter Güter stößt durch die verschärfte Anwendung von Exportbeschränkungen und als Folge der exekuUmgehung tiven Maßnahmen gegen das DIO-Kontaktbüro in Düsseldorf zunehvon mend auf Schwierigkeiten. Dies führt zwangsläufig zu veränderten EmbargoVorgehensweisen. Mittlerweile wird der Warentransfer immer häufimaßnahmen ger aus dem Iran selbst und/oder aus Ländern des benachbarten Auslands gesteuert, bei denen die Restriktionen hinsichtlich proliferationsrelevanter Güter weniger ausgeprägt sind. 204 Spionageabwehr Außerdem werden die Beschaffungsaktivitäten erkanntermaßen auf solche iranische Forschungseinrichtungen und Unternehmen verlagert, bei denen eine Verbindung mit staatlichen Organen nicht von vornherein zu erkennen ist. Rüstungsbeschaffungen werden überdies in scheinbar unverdächtige kleinere Drittstaaten verlegt, in denen bereits entsprechende Beschaffungsorganisationen vorhanden sind und deren politische Führung durch den Iran beeinflußbar ist. Auch der Mitte 1997 vollzogene Regierungswechsel und die personelle Umbesetzung an der Spitze des Geheimdienstministeriums - beim neuen Leiter Ghorban Ali DORI-NADJAFABADI handelt es sich um einen Vertreter des konservativen Flügels - dürften keine wesentlichen Auswirkungen auf die Aktivitäten der Geheimdienste zur Folge haben. Ein iranischer Staatsbürger, der an einer baden-württembergischen Universität ein Aufbaustudium im Fachbereich Chemie aufgenommen hat, absolvierte bereits zuvor an einer Hochschule seines Heimatlandes, die nach hiesiger Einschätzung in die proliferationsrelevanten Beschaffungsstrukturen des Iran eingebunden ist, ein erfolgreiches Grundstudium dieser Fachrichtung. Aufgrund seiner qualifizierten Vorbildung steht ihm in Deutschland der Zugang zu neuesten Erkenntnissen und Forschungsergebnissen - auch aus der gewerblichen Wirtschaft - offen. Das Phänomen "Proliferation" beschränkt sich mittlerweile nicht mehr allein auf die Weiterverbreitung von Technologien oder von Materialien zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen. In letzter Zeit verdichten sich die Hinweise, daß die Regime der Krisenländer ihre Nachrichtendienste zusätzlich mit der gezielten Beschaffung wissenschaftlichen Know-hows - z.B. in Form spezieller Forschungsergebnisse oder Verfahrenstechniken - beauftragt haben. Beim sogenannten Wissenstransfer obliegt den involvierten Nachrichtendiensten die Betreuung der angeworbenen Studenten/Wissenschaftler im Operationsgebiet. Sie stellen sicher, daß das hier erlangte Know-how möglichst nahtlos in die Realisierung von Programmen zum Bau von Massenvernichtungswaffen/Trägersystemen in den Heimatländern einfließen kann. Internationale wissenschaftliche Kooperationen - die zweifellos auch im wirtschaftlichen und politischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland stehen - sollen durch Maßnahmen des Verfassungsschutzes grundsätzlich nicht behindert bzw. kontrolliert werden. Wenn allerdings staatliche Organisationen in den Krisenländern den freien Austausch technologisch-wissenschaftlicher Informationen mißbrauchen, sind die Verfassungsschutzbehörden verpflichtet, entsprechende Aktivitäten zu beachten und unter nachrichtendienstlichen Aspekten auszuwerten. Neben einzelnen iranischen Studenten und Wissenschaftlern, die aufgefordert werden, im Ausland Erkenntnisse zu sammeln, fühlt sich auch der "Verband Iranischer Hochschullehrer und Akademiker" in Deutschland (VIHA) der Stärkung des wissenschaftlich-technischen Potentials im Iran in besonderer Weise verpflichtet. 3. Prävention 3.1 Aktuelle Bedeutung Eigentlich sollte es - angesichts der in unserem Land für dringend erforderlich gehaltenen Innovationsoffensive und einer sich global verschärfenden Konkurrenzsituation - eine Selbstverständlichlichkeit darstellen, sich gegen den illegalen Abfluß des eigenen Wissens und gegen dessen rechtswidrige Nutzung durch fremde Staaten zu schützen. Nur professionell betriebene Prävention bietet die Gewähr dafür, materielle und immaterielle Schäden zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren. Gesellschaftliche Veränderungen und verfeinerte Methoden der illegalen Informationsbeschaffung erfordern auch neue Formen der Vorsorge.44 Absoluten Schutz gegen jegliche Form unfreiwilliger Informationsverluste gibt es zwar nicht, jedoch können konzeptionelle Maßnahmen mit Breitenwirkung Ein Konzept zum Schutz von Informationen bietet das Landesamt mit seiner Veröffentlichung "Schutz vor Spionage - Ein praktischer Leitfaden für die gewerbliche Wirtschaft" vom Juli 1997 an. Spionageabwehr U den Verrat in allen relevanten Bereichen erschweren, Q den vom Angreifer zu betreibenden Aufwand erheblich steigern und U das Risiko der Entdeckung unkalkulierbar machen. Die gewünschte Wirkung kann allerdings nur dann eintreten, wenn die Einsicht in ihre Erforderlichkeit möglichst weit verbreitet ist und auch entsprechend gehandelt wird. Eine gemeinsame Sicherheitsverantwortung in Behörden und Wirtschaftsunternehmen ist erforderlich. Das Landesamt hat den gesetzlichen Auftrag, sowohl im Wirtschaftsais auch im Behördenbereich an Präventivmaßnahmen mitzuwirken. Sicherheitsüberprüfungen von (zukünftigen) Geheimnisträgern (Personeller Geheimschutz) sowie technische und organisatorische Sicherheitsvorkehrungen (Materieller Geheimschutz) haben den Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen (Verschlußsachen) gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte zum Ziel. Auch behördliche oder privatwirtschaftliche Einrichtungen, die nicht dem amtlichen Geheimschutz unterliegen, werden im Rahmen einer offensiv betriebenen Öffentlichkeitsarbeit über die aktuelle Bedrohungslage auf dem Spionagesektor unterrichtet und mit geeigneten Schutzmaßnahmen vertraut gemacht. Die vom Landesamt erarbeitete Konzeption Wirtschaftsschutz sieht darüber hinaus die Intensivierung der Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und potentiellen Zielbereichen im Geiste einer effizienten Sicherheitspartnerschaft vor. 3.2 Gewerbliche Wirtschaft Begünstigt durch die vorteilhafte Marktsituation expandierte ein in Baden-Württemberg ansässiges mittelständisches Unternehmen über Jahre hinweg weit überdurchschnittlich. Weltweit - u. a. in China - wurden Fabrikationsanlagen zur Herstellung von Komponenten für alle Bereiche der industriellen Elektronik sowie Vertriebsbüros errichAuswirkungen tet. Mit dem raschen Geschäftserfolg wurden Sicherheitsmangelnder gesichtspunkte auf dem Gebiet des Informationsschutzes weitgehend Sicherheit vernachlässigt bzw. als lästige Kostenfaktoren angesehen, denen kein meßbarer Nutzen gegenübersteht. Erst das erkannte Eindringen in sensible Bereiche der Firmenzentrale und plötzlich auftretende Schwierigkeiten bei Geschäftsabwicklungen in Rußland - z. B. Schutzgelderpressungsversuche - machten die Firmenleitung auf das Risiko eines nachrichtendienstlich gesteuerten Informationsverlustes aufmerksam. Es wurde zwischenzeitlich erkannt, daß der geschäftliche Aufwärtstrend in der global verschärften Konkurrenzsituation keine Selbstverständlichkeit ist und durch umfassende Sicherheitsmaßnahmen verteidigt werden muß. Die Beratung durch das Landesamt für Verfassungsschutz in personeller, organisatorischer, baulicher und technischer Hinsicht flöß in eine zukunftsorientierte innerbetriebliche Sicherheitskonzeption ein. Die Analyse von Spionagefällen in Baden-Württemberg zeigt, daß sich Ausspähungsaktivitäten nicht nur auf einzelne Zielobjekte beziehen. Vielmehr bietet die weitverbreitete Arbeitsteilung (Stichwort: Outsourcing) Gelegenheit, besonders schutzbedürftige Firmeninterna auch auf dem Weg über Zulieferbetriebe und Dienstleistungsunternehmen zu erlangen. In gleicher Weise eröffnet die zunehmend enger werdende Zusammenarbeit zwischen staatlichen Forschungseinrichtungen und der Industrie erweiterte Ansatzmöglichkeiten für illegalen Know-howund Technologietransfer. Sensible Informationen und Gegenstände von strategischer Bedeutung für das einzelne Unternehmen und für die Volkswirtschaft müssen über alle Phasen des Produktzyklus hinweg in Maßnahmen des Geheimund Informationsschutzes eingebunden werden. Vor allem der Einsatz von Massenkommunikationsmitteln (Telefon, Telefax, Mobilfunk, Internet) sowie der Datenverarbeitung bedarf einer eingehenden Risikoanalyse. Nutzer solcher Techniken sollten über die damit verbundenen Sicherheitsaspekte informiert werden. 208 Spionageabwehr 4. Ausblick Die derzeitige Lage verdeutlicht, daß auf dem Sektor der Spionage keine Entwarnung gegeben werden kann. Dies gilt um so mehr, als eine hohe Dunkelziffer unterstellt werden muß. Künftige Entwicklungen dürften vor allem durch das nach wie vor existierende wirtschaftliche und soziale Gefalle im internationalen Vergleich beeinflußt werden. Aus diesem Spannungsfeld entwickeln sich zwangsläufig staatliche Interessen, die ggf. auch unter Einsatz der jeweiligen Nachrichtendienste verfolgt werden. Es ist zu erwarten, daß sich die Rahmenbedingungen für die Spionageabwehr in der Zukunft kontinuierlich schwieriger gestalten. Einerseits begünstigt die immer weiter um sich greifende Globalisierung in fast allen Lebensbereichen den "legalen" Zugriff auf fremde Informationen, zum anderen erschweren der verstärkte Einsatz ständig perfekter werdender technischer Aufklärungsmittel die Erkennbarkeit von Spionageangriffen ganz erheblich. Das vielfach ungenügend ausgeprägte Sicherheitsbewußtsein wirkt sich zudem nachteilig aus. Angesichts dieser Konstellation kommt der präventiven Spionagebekämpfung ein steigender Stellenwert zu. Auch in der Zukunft ist die Spionageabwehr auf eine wirksame Unterstützung durch Politik, Wirtschaft und Bevölkerung dringend angewiesen. Hinweise werden auf Wunsch vertraulich behandelt. Selbstverständlich bietet das Landesamt auch denjenigen Bürgern seine Hilfe an, die bereits mit fremden Nachrichtendiensten in Kontakt geraten sind und sich aus einer eventuellen Verstrickung lösen wollen. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung: Für den Verfassungsschutz gilt das Opportunitätsprinzip. Bekanntgewordene Sachverhalte müssen nicht zwangsläufig an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden. Sie können sich deshalb vertrauensvoll an die Spionageabwehr des Landesamts wenden, die wie folgt für Sie erreichbar ist: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Taubenheimstraße 85 A 70372 Stuttgart Tel.: 0711/95 44 300 / Fax: 0711/9544444 G. NUTZUNG MODERNER INFORMATIONSTECHNIK DURCH POLITISCHE EXTREMISTEN, SCIENTOLOGY-ORGANISATION (SO) UND FREMDE NACHRICHTENDIENSTE 1. Mailboxen 1.1 Rechtsextremismus * "THULE-Netz" Das "THULE-Netz" besteht seit 1993 als rechtsextremistischer Mailboxverbund. In den folgenden Jahren gehörten ihm etwa 30 Boxen in wechselnder Besetzung an, wobei einige aus unterschiedlichen Gründen (persönliche Differenzen/Strafverfahren) wieder ausschieden. So wurde zuletzt im Februar 1997 bei einem Sysoptreffen45 der Ausschluß der "ELIAS BBS" und "ASGARD BBS" aus dem "THULE"-Mailboxverbund einstimmig gefaßt. Den Betreibern wurden Verfehlungen vorgeworfen, die zuvor auch öffentlich im Netz diskutiert und angeprangert worden waren. Am 5. März 1997 gab der "THULE-Netz"-Gründer (Sysop der "WIDERSTAND BBS") in einer Netzmitteilung allen Teilnehmern den Ausschluß der beiden Boxen bekannt und vollzog die Trennung. Das "THULE-Netz" bestand 1997 aus folgenden Boxen: * "WIDERSTAND BBS", Erlangen * "JANUS BBS", München * "PROPAGANDA BBS", Karlsruhe * "KRAFTWERK BBS", Weißenburg/Bayern ü "OSGILIATH BBS", Frankfurt am Main * "HEIMATLAND BBS", Weimar Von den im Internet auf der "THULE"-Übersichtskarte außerdem genannten ausländischen Boxen "DISSIDENT BBS", "WEERWOLF Sysop = Betreiber einer Mailbox Nutzung moderner Informationstechnik BBS" und "MOTSTAND BBS" konnten keine Aktivitäten festgestellt werden. Die Diskussionen im Netz drehen sich hauptsächlich um das politische Tagesgeschehen mit Schwerpunkten bei der Ausländerpolitik und dem angeblichen jüdischen Einfluß auf politische Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland. In einer besonderen Rubrik werden Skinkonzerte und Neuerscheinungen von Musikerzeugnissen der Skinund Oi-Musik mit Bezugsadressen veröffentlicht. Besondere Beachtung findet dabei der als "nationaler Barde" bezeichnete Frank RENNICKE, der von rechtsextremistischen Parteien und Organisationen im gesamten Bundesgebiet zu Veranstaltungen eingeladen wird. Daneben werden Beiträge aus rechtsextremistischen Publikationen verbreitet und kommentiert sowie Veranstaltungshinweise bekanntgegeben. Dazu gehörte auch der Demonstrationsaufruf der NPD zum 1. Mai 1997 in Leipzig unter dem Motto: "Die Wut auf die Straße tragen - Arbeitsplätze zuerst für Deutsche". Größere Diskussionen und Kommentierungen unter den Teilnehmern verursachten 1997 die "Hetendorfer Tagungswochen" unter Leitung des rechtsextremistischen Hamburger Rechtsanwalts Jürgen RIEGER sowie die "Rudolf-Heß-Aktionswochen" im August 1997. Dabei wurden - neben dem Aufruf zur Teilnahme - die Rundbriefe des "Aktionskomitees Rudolf Heß" veröffentlicht und über den Ablauf der Kampagne berichtet. Das "THULE-Netz" verfügt über ein "Online"-Angebot im Internet. Erhältlich sind dort Übersichten, Informationen zu den einzelnen Boxen, "THULE"-Berichte und eine eMail-Adresse, unter der mit den verschiedenen Betreibern Verbindung aufgenommen werden kann. Im Herbst 1997 führten Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei der "JANUS BBS" und der "KRAFTWERK BBS" zu einer weiteren Schwächung des Netzes. Die "GERMANIA BBS", Bonn, stellte am 24. November 1997 den Betrieb ein. Deren Betreiber begründete seinen Entschluß mit der Sorge um seine Familie nach einem Buttersäureanschlag "linker Chaoten" auf sein Haus. Gleichzeitig ging die Zahl der eingestellten Diskussionsbeiträge und Informationen spürbar zurück. Die "OSGILIATH BBS" und die "HEIMATLAND BBS" zeigten 1997 keine Aktivitäten. Als Folge davon waren zum Jahresende lediglich noch zwei Boxen ("WIDERSTAND BBS" und "PROPAGANDA BBS") aktiv. * "Nordland-Netz" Die ab März 1997 vom "THULE-Netz" ausgeschlossenen Boxen "ASGARD BBS" und "ELIAS BBS" führten danach zunächst ein eigenes Netz mit "THULE"-identischen Strukturen weiter. Der nach einem Umzug wieder aktive Sysop der "STÖRTEBECKER BBS" neuer schloß sich ebenfalls diesem neuen rechtsextremistischen Mailboxrechtsextreverbund an, der seit Juni 1997 die Bezeichnung "Nordland-Netz" mistischer führt. Dieser Datenverbund, dessen Inhalte mit denen des "THULEMailboxverNetzes" vergleichbar sind, wird zusätzlich von Horst ZABOROWSbund KI genutzt, der den rechtsextremistischen "Bund für Gesamtdeutschland" führt. ZABAROWSKI tritt dabei als einer der wenigen mit Klarnamen auf. In der Regel handelt es sich bei den Usernamen 46 um Pseudonyme, während die Identität zumeist nur dem jeweiligen Sysop bekannt ist. Für Außenstehende ist daher eine Zuordnung zu real existierenden Personen kaum möglich. Stagnierende Teilnehmerzahlen sowie ein Rückgang des Mailaufkommens beim "THULE-Netz" ließen den Ruf nach einer Wiedervereinigung mit dem "Nordland-Netz" laut werden. Hauptbetreiber der Einigungsbemühungen ist seit Herbst 1997 die Redaktion der "Berlin-Brandenburger - Zeitung der nationalen Erneuerung" (BBZ), die in beiden Netzen Zugänge (Points) unterhält und so erheblich zum Nachrichtenaufkommen beiträgt. Um die Vereinigung voranzutreiben, wurden ein "Nationaler Medienverband" proklamiert sowie ein "Arbeitskreis vernetzte Medien" gegründet. Dem "Nationalen Medienverband" sollen verschiedene "nationale" Zeitungen, "Nationale Info-Telefone" (NIT), Mailbox-Verbundsysteme sowie die Pressestellen von "rechten" Parteien und Organisationen angehören. Während es noch bis Anfang Dezember 1997 Anzeichen für eine bevorstehende Wiedervereinigung von "Nordland"und "THULENetz" gegeben hatte, erklärte die "Nordland-Netz"-Mailbox "ASGARD BSS" in einer Mitteilung vom 17. Dezember 1997 die Abkehr vom "THULE-Netz" wegen angeblicher unterschiedlicher politischer Zielsetzungen der beiden Netze. 46 User = Nutzer einer Mailbox 212 Nutzung moderner Informationstechnik * "REP-Netz" Das seit 1995 aktive "REP-Netz" der "Republikaner" wurde fast ausschließlich von der "FILDER BBS" betrieben. Die Aktivitäten der Box beschränkten sich im wesentlichen auf ihren Betreiber. Außer einem sehr geringen Mailaufkommen wurden hauptsächlich Pressemitteilungen der REP veröffentlicht. Insgesamt kam diesem Netz nur eine geringe Bedeutung zu. Die "FILDER BBS" stellte ihren Betrieb zum Jahresende 1997 ein. Betrieb Begründet wurde der Entschluß in einer Mitteilung vom 15. Deeingestellt zember 1997 mit dem Vormarsch des Internet sowie hohen Kosten. 1.2 Linksextremismus L) "CL-Netz"-Nutzung durch Linksextremisten Um eine elektronische Vernetzung von "linken" politischen Gruppen und Organisationen zu verwirklichen, wurde 1987 der Verein "Kommunikation und Neue Medien e.V." gegründet zur Finanzierung und Organisation eines Mailboxbetriebs, der zunächst mit zehn Mailboxen startete. Zur Anbindung an die internationale Netzwerkorganisation "Association for Progressive Communication" (APC) konstituierte sich 1992 der Verein "Com-Link e.V.". Daraus entstand das sogenannte CL-Netz, das den Namen "Computernetzwerk Linksysteme" führt. Das "CL-Netz" unterhält heute in Deutschland mehr als 200 Mailboxen mit über 20.000 registrierten Nutzern. Zusätzlich bestehen angeschlossene Mailboxen in Österreich, Kroatien, Italien und in der Schweiz. Außerdem ist dieser Datenverbund mit eigenen Nachrichten im Internet eingebunden und somit weltweit verfügbar. Das Mailboxnetz wird sowohl von Parteien, Vereinigungen und Einzelpersonen des "bürgerlichen linken Lagers" als auch von linksexNutzung tremistischen Parteien wie DKP und PDS genutzt. Zudem dienen durch DKP die Diskussionsforen CL/GRUPPEN/DKP bzw. CL/GRUPPEN/PDS und PDS Mitgliedern, aber auch anderen Nutzern dazu, sich über diese Parteien auszutauschen. 213 0*ni Soartxstofl Steigen PS*rte ijnwmehen Qptoiwn JfeaeiefcrW E*wta M*" ["TTfe] f(r)1 * ls"]äl"l B tvia/'www" cor** de/1 Ntuigkwtft | I w l w m i a l M ) Hindiwich j hnKmat Such" j Hwfct""m*cl ivwraMctmitj Sott"*"e WW.COMLINK.DE LÄ^S" X Der gemeinsame Server von: *T/^-gVeie" lelekominnßikatioiisrentnim Hamknars i-TNESTRA - HttsburtiM Fnumiuiiailbox Nadir Infasyttein "t~LÄjÜ Dokument UbUftwKett Internet-Homepage des Comlink-Netzes Seit etwa zwei Jahren betreiben DKP und PDS zusätzlich Netze mit eigenen Brettstrukturen, d. h. mit eigenen Themenbereichen. Beide sind aber jeweils über Mailboxen des "CL-Netzes" zu beziehen. Während die DKP in ihrem Datenverbund - derzeit von etwa 10 Mailboxen (davon 1 in Baden-Württemberg) angeboten - hauptsächlich das Parteiorgan "Unsere Zeit" (UZ) mit ausgewählten Artikeln präsentiert, nutzt die PDS ihr Netz - von derzeit etwa 50 Mailboxen (davon 4 in Baden-Württemberg) bereitgestellt - überwiegend zur öffentlichkeitswirksamen Darstellung ihrer parlamentarischen Arbeit im Bundestag bzw. in den Landtagen. Beide Parteien verfolgen das Ziel, ihre ideologischen Vorstellungen innerhalb eines großen Leserkreises zu verbreiten. Aus diesem Grund werden auch zahlreiche Zeitschriften und Publikationen aus dem übrigen linksextremistischen Spektrum auf elektronischem Weg weitergeleitet. * "BAWUE-NET" Das "BAWUE-NET"47 ist dem "CL-Netz" angeschlossen, wird aber ausschließlich von den derzeit 10 CL-Mailboxen im Land sowie einer Box in der Schweiz angeboten. Diskussionsthemen und Verannicht identisch mit dem BaWue-Net-Verein Stuttgart Nutzung moderner Informationstechnik staltungshinweise sind regional bezogen. Dafür stehen folgende Beispiele: * Presseerklärung zur Räumung der "Wagenburgen" am 5. Juni 1997 in Freiburg ü Veröffentlichung von Terminen der trotzkistischen Vereinigung "Sozialistische Alternative VORAN" (SAV) in Stuttgart im August und September 1997 U Berichte und Presseerklärungen zu den Ereignissen um die Räumung bzw. den Umzug eines von Autonomen besetzten Hauses ("Steffi") in Karlsruhe * Aufruf zur "Antinationalen Großdemonstration" am 3. Oktober 1997 anläßlich der Feierlichkeiten zum "Tag der deutschen Einheit" in Stuttgart. 2. Internet 2.1 Allgemeines Mit dem Internet und hierbei besonders mit dem "World Wide Web" (WWW)48steht seit Mitte der neunziger Jahre ein neuartiges und vielfältig einsetzbares Kommunikationsmedium zur Verfügung. Die Ausbreitung dieses internationalen Datennetzes als weltweites Massenkommunikationsmedium führt dabei auch zu einer zunehmenden Nutzung durch politische Extremisten. Zahlreiche extremistische Vereinigungen und Parteien setzen es bereits für die Verbreitung ihrer Propaganda ein, andere beginnen mit der ersten Homepage49 zur Selbstdarstellung. Über eine Vielzahl von sogenannten Links50 wird der Zugang zu Websites von politisch nahestehenden Gruppen und damit eine informelle Vernetzung mit diesen ermöglicht. In einigen Bereichen des politischen Extremismus sind 48 Das WWW stellt einen von mehreren Teilbereichen des Internet dar. 49 Titelseite eines Anbieters im Internet. Sie bietet die Möglichkeit, im WWW eigene Texte, Bilder, Tonund Videosequenzen bereitzustellen. 50 automatisierte Weiterleitung zu weiteren Datenfundstellen inzwischen Zeitschriften entstanden, die nur "online" über das Internet zugänglich sind. Weitere Publikationen sind mit ergänzenden Ausgaben zur Printversion im WWW vertreten. Im Bereich der individuellen Kommunikation wird den Benutzern (Usern), die sich per eMail an Parteien und Organisationen wenden wollen, bereits vielfach die Verwendung des international kostenlos Verschlüsseverbreiteten - durch Dritte nicht zu entschlüsselnden - Kryptierungslung Programms PGP (="Pretty Good Privacy") nahegelegt, um sicher zu kommunizieren. 2.2 Rechtsextremismus Die rechtsextremistische "Szene" im Bundesgebiet hat mittlerweile das Internet ebenfalls entdeckt und insbesondere 1997 die ihr damit zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Propaganda und Kommunikation per Datenfernübertragung ausgebaut. Dabei wurden Anfang 1997 - wie schon im Jahr zuvor - erneut in einigen wenigen Fällen Websites verschiedener rechtsextremistischer Gruppen und Einzelpersonen von im Bundesgebiet ansässigen Providern (Anbieter von Internetzugängen) wegen des Vorwurfs der Verbreitung strafrechtlich Auszug aus der Website der . . " WhitepowerBewegung" relevanter oder indizierter Inhalte gesperrt. Die Folge war, daß die betroffenen Websites auf andere oder ausländische Server51 abwanderten, oder daß Sperrungen zum Teil von den Providern selbst wieder aufgehoben wurden wie im Fall des rechtsextremistischen Liedermachers RENNICKE. Die Sperrung seiner Homepage durch den Internetanbieter "America Online" (AOL) am 24. März 1997 wegen des Vorwurfs der "Werbung für indizierte Tonträger" wurde bereits am 26. März 1997 wieder zurückgenommen, weil die von ihm verbreiteten Texte auf seiner Homepage nicht indiziert waren. Im November 1997 verlegte RENNICKE seine Website endgültig auf einen ausländischen Server. In der Regel war das Informationsangebot nach Sperrungen in westellt Speicherplatz für Websites zur Verfügung 216 Nutzung moderner Informationstechnik nigen Tagen wieder im Netz. In Deutschland wohnhafte Extremisten vermeiden zudem aufgrund der deutschen Rechtslage strafrechtlich relevante Aussagen auf ihren Websites. Vor allem im Umfeld der NPD wurde schnell und zielsicher auf Entwicklungen im Internet und dabei insbesondere auf Sperrungsversuche von Providern reagiert. So tritt die NPD inzwischen - als erste rechtsextremistische Partei - über eine eigene Internetdomain52 "NPD.net" als kommerzieller Anbieter auf, d.h. sie bietet Speicherplatz für Inhalte und einen eigenen Zugangsservice in das Internet an. Dabei versteht sie sich betont als der "Nationale Provider Deutschlands". Durch dieses Angebot ist die "nationale Szene" in Deutschland unabhängig von den bislang genutzten kommerziellen Providerunternehmen und vor Sperrungen sicher. Auf den Seiten des "NPD.net" finden sich NPD, JN sowie die NPD-eigene "Deutsche Stimme-Verlagsgesellschaft mbH". Im übrigen verfügt der JNLandesverband Baden-Württemberg seit April 1997 als erster Landesverband der JN über eine eigene Homepage im Internet, über die Informationen der JN abgerufen werden können. Die Homepage des seit Juli 1996 in dem Datennetz vertretenen "THULE-Netzes" ist neben dem "NPD.net" der Hauptanlaufpunkt für Informationen aus der gesamten Bandbreite der "rechten Szene". Hier sind - neben einem umfangreichen Textangebot - eine große Anzahl von "Links" zu allen in Deutschland bekannten "Online"Angeboten deutscher Rechtsextremisten sowie eine Vielzahl weiterer zu ausländischen Gesinnungsgenossen, insbesondere aus den USA, zu finden. Vertreten sind mit eigenen Angeboten aber auch Rechtsextremisten wie der in Kanada lebende Revisionist ZÜNDEL, ferner Organisationsbereiche der "Republikaner", darunter auch die REP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, sowie eine große Anzahl weiterer rechtsextremistischer Vereinigungen und Einzelpersonen. Zudem hat sich der Bereich deutschsprachiger revisionistischer Publikationen mittlerweile weitgehend in das Internet verlagert. Insbesondere auf den in den USA abgelegten Websites bekannter Revisionisten kann die gesamte Palette volksverhetzender und rassistischer Literatur teilweise in mehreren Sprachen heruntergeladen 52 Namensadresse im Internet, unter der mehrere Homepages von Teilnehmern im WWW betrieben werden können. zunehmende werden. Darunter finden sich auch die wegen Leugnung des Nutzung von Holocaust in der Bundesrepublik Deutschland gerichtlich eingezoServern in genen Pseudogutachten "Leuchter-Report", "RUDOLF-Gutachten" den USA und und "Grundlagen zur Zeitgeschichte". Die in den letzten Jahren erin Kanada folgreiche Eindämmung derartiger Publikationen durch die deutdurch deutsehe Justiz wird durch die Möglichkeiten des Internet somit vollsche ^ÄSSSIS^^ - *^(tm)(tm)"(tm)(tm)(tm)ll ständig unterlaufen. Rechts^^g*~^^^^^^~^^^^ Deutsche Rechtsextremisten, darunter viele extre- I Skinheads, nutzen mittlerweile zunehmend misten | | und in der Regel unter der Verwendung von Pseudonymen Server in den USA und in Kanada zur Einstellung volksverhetzender und Adolf Hitlers rassistischer Texte in das WWW, um der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung durch m die deutsche Justiz zu entgehen. So lautet eine der Begründungen: Hass Seiten "... Endlich sind wir auch im Internet vertreten. Warum??? Der Grund ist ganz einfach. Als Deutscher hat man am besten die Schnauze zu halten. Das bedeutet kein Haß gegen Nigger Juden, Asylanten, Kommunisten und andere Außerirdische. Der Deutsche Staat will diese Schädlinge schützen und schaufelt sich sein eigenes Grab!... Damit muß endlich Schluß sein! Wir wollen aufstehen und uns der Krankheiten, die unser Land befallen entledigen. ... Wir hätten keine Chance gehabt, diese Seiten auf einem deutschen Server zu piazieren, deshalb haben wir Kameraden in USA um Hilfe gebeten, die uns auch prompt zuteil wurde! ..." (Fehler im Original) Die "Adolf-Hitler-Hass-Seiten", die auf dem 218 Nutzung moderner Informationstechnik kostenlosen US-Server "GeoCities" abgelegt sind, verbreiten u.a. "Die Kanaken Hass Seite", "Witze für Deutsche gegen minderwertige Ausländer" sowie ein antisemitisches Computerspiel mit folgenden menschenverachtenden Spielregeln: "Ein Sonderzug nach Auschwitz ist entgleist. Dabei sind viele der Juden entkommen und haben sich bewaffnet. Ihre schwere Aufgabe ist es nun, als Einzelkämpfer der SS, die entflohenen Juden zu liquidieren. Es werden keine Gefangenen gemacht. Und wenn Sie schon mal dabei sind, erschiessen Sie auch gleich die Kinder der Juden!" 2.3 Linksextremismus Im Bereich des Linksextremismus verfügen bereits Parteien und Organisationen wie DKP, SDAJ, MLPD, FAU und eine große Anzahl weiterer Gruppen über eigene "Online"-Angebote im Internet, die sie zur Verbreitung ihrer Propaganda und Bekanntgabe von Veranstaltungsterminen nutzen. Daneben sind regionale Gruppen ü ;u*> /\ Deutsche 5 p *" Kommunistische Partei / ^ ^ DKP P&rtewofstand Werd, e Welt verändern will, muß sie erkennen der DKP Wer sich befreien will, braucht Genossen. * Hoffoünijstr Wer Kraft entfalten will, muß ssch organisieren 18 Wer ein freies, menschliches Leben erringen, 45127 Ess&n die Zukunft gewinnen will, muß kämpfen Die Deutsche Kommunistische Partei Tel.: 0331hat sich nicht um ihrer selbst willen gebildet UZ-SoteWättakfoft * S j ^ 4rbe"spiate DKP-Homepage Autonomes Zentrum Heidelberg (r) GEFAW Ausschnitte aus der Internet-Homepage des "Autonomen Zentrums Heidelberg" auch regioin Baden-Württemberg wie das "Autonome Zentrum Heidelberg", nale Grupder Stadtverband der trotzkistischen SAV in Stuttgart und die PDSaus Kreisverbände Schwarzwald-Baar und Weinheim vertreten. FerBadenner können Ausgaben linksextremistischer Szeneschriften wie "SAWürttemberg BOTAGE", "INTERIM" und "Graswurzelrevolution" abgerufen im Internet werden. vertreten Beim Verfahren gegen die ehemalige stellvertretende PDS-Vorsitzende Angela MARQUARDT im Juni 1997 in Berlin wurde erstmals die grundsätzliche Frage gestellt, ob elektronische Querverweise im Internet ("Links") strafbar sind, wenn sie auf strafrechtlich relevante Inhalte, im konkreten Fall auf eine Sabotageanleitung für Bahnanlagen auf der Website der Szenezeitschrift "radikal", verweisen. Eine direkte Antwort darauf gab das Gericht nicht. Frau MARQUARDT wurde am 1. Juli 1997 vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten freigesprochen, weil der "Link" schon geschaltet war, bevor in der im Juni 1996 erschienenen Ausgabe 154 von "radikal" zu Straftaten aufgerufen wurde. Die bloße Weiterexistenz des Querverweises - so das Gericht - könne der Angeklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden. Eine vom Deutschen Forschungsnetz (DFN)53 im April 1997 vorgenommene Sperrung des niederländischen Servers XS4ALL, auf dem die "radikal"-Website abgelegt ist, wurde nach einigen Wochen aufgegeben; die Zeitschrift war inzwischen auf 53 Das DFN stellt u.a. die Internet-Zugänge an deutschen Universitäten bereit. 220 Nutzung moderner Informationstechnik mehr als 50 "mirror-sites"54 über andere Server problemlos zugänglich. Der Server XS4ALL hatte die damalige Einstellung von "radikal" so begründet: "Wir haben zu dieser Aktion beschlossen aus Solidarität mit den verfolgten Personen im sog. Radikal verfahren. Und als Maßnahme die freie und unzensurrierte Austausch zwischen linke Gruppen und Personen zu gewährleisten, ohne dabei vom Deutschen Staat gehindert zu werden. Was wahr ist wird auch in Zukunft geschrieben, gedruckt, verbreitet, gelesen (!) und online gebracht. Lebt und lest radikal. " (XS4ALL, "Why we've put the newspaper online" - Fehler im Original) 2.4. Ausländerextremismus Ausländische Extremisten stellen über Server im europäischen Ausland, besonders aus Großbritannien, Belgien und den Niederlanden, umfangreiche politische Informationen in mehreren Sprachen, darunter auch in Deutsch, in das Internet ein. So verfügt z.B. die türkische linksextremistische Organisation DHKP/-C über ein Informationsangebot in deutscher, niederländischer, ^ Türk Federasyon AVPUPA DEMCKiwnj: 8iK"cüT0mi soüffiKtBü mmmsrarj italienischer, französischer & Vir. & und türkischer Sprache, das auf einem Server in Amsterdam abgelegt ist. Des weiteMMljU' & ren nutzen islamistische Gruppen wie die libanesische "Hizb Allah" oder die ägypAKtnüMan & tische "Muslimbruderschaft" *""tfff (MB) den Datenverbund inHomepage der türkischen rechtsextremistischen Organisation ADÜTDF "gespiegelte", d.h. kopierte Seiten 221 Nutzung des tensiv zur weltweiten Verbreitung ihres Gedankenguts. Außerdem Internet finden sich im Netz weitere türkische Linkssowie Rechtsextremidurch ferrosten, extremistische Sikhs und eine große Anzahl weiterer Grupristische pen. Kurdische Vereinigungen, so beispielsweise einzelne UnterOrganisatiogruppierungen der PKK-Propagandaorganisation ERNK, sind ebennen falls schon seit einiger Zeit vertreten. 2.5. Scientology-Organisation (SO) Die in Los Angeles angesiedelte Zentrale der SO stellt seit einigen Jahren eine umfangreiche, modern und technisch aufwendig gestaltete Website in fünf Sprachen, darunter in Deutsch, in das Internet ein. Hier findet sich ein breites Spektrum der SO-Publikationen, darunter auch Tonund Videosequenzen bekannter Scientologen. Qua BmMat tfmH W"*"*" fraata 2 m a Favoatan J Chwnate 3 E4M VaW k"mm\Smi^mtm Suehm *1 Ufa vom _ Darüber hinaus wird auf Websites weiterer Unterorganisationen wie "Narconon" oder "WISE" ("World Institute of Scientology Enterprises") verwiesen. Für die Auseinandersetzung mit den Maßnahmen deutscher Behörden wurde seit einigen Monaten eine "HATEWATCH Germany 7997"-Site eingerichtet, auf der der Bundesregierung und anderen staatlichen Stellen die Unterdrückung religiöser Minderheiten - insbesondere der SO - in der Bundesrepublik Deutschland vorgeworfen wird. 222 Nutzung moderner Informationstechnik 2.6 Möglichkeiten der Informationsgewinnung durch fremde Nachrichtendienste Neben der propagandistischen Nutzung durch extremistische Gruppen stellt das Internet auch für Nachrichtendienste ein weites Feld Internet als offener oder konspirativer Formen zur Beschaffung von Informationachrichtennen, insbesondere im Bereich der Wirtschaftsspionage, dar. Vor aldienstlicher lem östliche Nachrichtendienste sind damit in der Lage, nachrichInformationstendienstliches Grundwissen weit einfacher und kostengünstiger zu weg beschaffen als in früheren Jahren. Dabei bietet die Möglichkeit einer Kryptierung der Kommunikation zwischen Agent und Nachrichtendienst über eMail-Verbindungen neue Wege und ist über das weltumspannende Netzwerk weit weniger aufwendig - zudem durch Sicherheitsbehörden schwieriger zu überwachen - als konventionelle nachrichtendienstliche Kommunikationswege. 2.7. Fazit und Perspektive Das Internet als Kommunikationsmedium befindet sich in Deutschland in einer ersten Aufbauphase. Die bislang beobachtete Nutzung durch politische Extremisten zeigt aber deutlich, daß mit einem radeutliche piden Zuwachs und einer qualitativen Verbesserung entsprechender Zunahme Websites, insbesondere als Propagandaund Informationsmittel, in extremistiZukunft verstärkt zu rechnen ist. scher AgitatiInsbesondere zahlenmäßig kleine und finanzschwache Gruppen sind on im durch den Datenverbund in der Lage, sich weltweit zu artikulieren. Internet zu Auch in Zukunft werden aufgrund der anarchischen Struktur des befürchten Internet Maßnahmen der deutschen Strafverfolgungsbehörden gegenüber strafrechtlich relevanten politischen Handlungen im Internet das Verhalten von Extremisten im WWW nicht nachhaltig behindern. Da dies von ihnen erkannt wurde, wird die Attraktivität des Netzwerks in Zukunft weiter steigen. Hierbei ist - neben den offen zugänglichen Informationen - auch eine Zunahme des Anteils verschlüsselter, durch Paßwörter oder andere Sicherheitsmechanismen geschützter Verbindungen zu erwarten. 223 ANHANG Gruppenund Organisationregister Bezeichnung Seite/n AG Antifa 122 AG Junge Genossinnen 122 AG Junge Genossinnen Rhein-Neckar 123 Aktion Sauberes Deutschland (ASD) 40 Amal 162ff. Antifa A2 109 Antifa Offenburg 109f. Antifaschistische Aktion/Bundesweite HOf. Organisation (AA/BO) Antifaschistisches Aktionsbündnis Rhein123 Neckar Antiimperialistische Zelle (AIZ) 97,108 Applied Scholastics International 179f., 183 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 16,99,111,123, 131ff., 143,222 Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschis128 mus und Krieg (Volksfront) Association for Better Living and Education 179f. (ABLE) Autonome 97ff., 109ff., 121, 123,215,220 Autonome Antifa (M) Göttingen 121 Autonome Antifa Heidelberg 109,112,121,123 Babbar Khalsa International (BK) 171ff. Befreiungsarmee von Kosovo (UCK) 167f. Bund für Gesamtdeutschland 212 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 122,128 Bundesweites Antifatreffen (BAT) 1 lOf. Church of Scientology International (CSI) 178f. Courage 125f. Criminon 179f., 190 Demokratische Front für die Befreiung 160ff. Palästinas (DFLP) 224 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 96,100,116ff., 120, 122,213f.,219 62, Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 64,84ff., 87 Deutsche Türk Föderation (ATF) 156 ff. Deutsche Volksunion (DVU) 19ff., 64,66ff., 77 Devrimci Sol (Dev Sol - Revolutionäre 141 ff. Linke) Die Freunde im Ausland (DFiA) 91 Die Republikaner (REP) 19f., 54ff., 77, 87,99, 102,213,217 Europäische Moscheebauund 148 Unterstützungsgemeinschaft (EMUG) Flag Command Office 178f. Flüchtlingshilfe Iran e.V. (FHI) 169 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in 145 Deutschland e.V. (ATIF) Föderation der Arbeiter und Immigranten aus 146 der Türkei in Deutschland (AGIF) Föderation der Demokratischen Arbeiter147 vereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (DIDF) Föderation der Türkisch-Demokratischen 156ff. Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) Föderation für demokratische Rechte in 145 Deutschland (ADHF) Föderation kurdischer Vereine in Deutschland 132,137 e.V. (YEK-KOM) Forum kommunistischer Arbeitsgemein128 Schäften Franz-Schönhuber-Freundeskreise 61,64,85 Frauen für Demokratie im Iran e.V. 169 Freedom for Religions in Germany (FRG) 181,192 Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei 116,123,219 (FAU/AP) Freie Arbeiterinnen Union - Internationale 116 Arbeiter Assoziation (FAU-IAA) Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) 63 Freiheitlicher Volks Block (FVB) 40ff., 75 Freundeskreise 50ff. Friedensbewegung Europa - Aktionsbüro Bos181,183 nien-Herzegowina - Verbindungsbüro Front National (FN) 62f, 85 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 59, 85,86f. Gewaltfreie Aktionsgruppen 116 Graue Wölfe 143,156f. HAMAS 162ff. Hammerskins 31 Hilfsorganisation für nationale politische Ge39f. fangene und deren Angehörige e.V. (HNG) Hizb Allah 162ff., 221 Initiative für die Zusammenlegung der politi107f. sehen Gefangenen International Association of Scientologists 178f. (IAS) International Scientology Management 178f. International Sikh Youth Federation (ISYF) 171ff. Internationale Sozialistische Arbeiter129 Organisation (ISA) Internationale Sozialistische Organisation 129 (ISO) Internationales Hilfskomitee für nationale po40 litische Verfolgte und deren Angehörige e.V. (IHV) Islamische Armee des Heils (AIS) 162ff. Islamische Bewaffnete Gruppe (GIA) 162ff. Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. 131,148ff. (IGMG) Islamische Heilsfront (FIS) 162ff. Islamischer Bund Palästina e.V. (IBP) 162ff. Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) 129 Junge Nationialdemokraten (JN) 15,21,35,37,46,48, 52,71,73ff.,77ff., 99,111,217 Kameradschaften 44, 50ff., 75 Kommission für Verstöße der Psychiatrie ge179ff., 183 gen Menschenrechte (KVPM) Kommunalpolitische Vereinigung (KPV) 55 Kommunistische Arbeitsgemeinschaft 122 226 Kommunistische Jugend-Organisation (KGO) 147 Kommunistische Partei/Aufbauorganisation 146f. (KP/IÖ) Kommunistische Plattform (KPF) 122 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in 145 Europa e.V. (ATIK) Konföderation für demokratische Rechte in 145 Europa (ADHK) Konföderation kurdischer Vereine in Europa 139 (KON-KURD) Kontinentale Verbindungs-Büros 178f. Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 173ff. Marxistisch-Leninistische Kommunistische 145ff. Partei (MLKP) Marxistisch-Leninistische Partei Deutsch97,100,121,124ff., lands (MLPD) 219 Mitbürger Unterstützen Toleranz (MUT) 181,183 Muslimbruderschaft (MB) 150,162ff., 221 Narconon 179f., 190,222 Nation-Europa-Freunde e.V. 85 Nationaldemokratische Liga der Albanischen 167f. Treue (B.K.D.SH.) Nationaldemokratische Partei Deutschlands 19ff.,35,52,70ff., 87,99, (NPD) HOf, 211,217 Nationaldemokratischer Hochschulbund 83f. (NHB) Nationale Befreiungsarmee (NLA) 169f. Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 132,135f, 222 Nationaler Medienverband 42ff. Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 168ff. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpar90 tei/Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) Neonazikreise 50ff., 75 Neue Rechte 94f. Office of Special Affairs (OSA) 178f., 193f. Ökologische Plattform 122 Ostanatolisches Gebietskomitee 144f. Palästinensische Gemeinden 161f. Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) 156ff. Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 96,100,117,121ff., 128f.,213f.,219f. Partei für Soziale Gleichheit (PSG) 129 Partizan 144f. Plattform Demokratischer Sozialismus 122 Rebell 125f. Religious Technology Center (RTC) 178f., 192 Republikanische Jugend (RJ) 55 Republikanische Mittelstands Vereinigung 55 (RMV) Republikanischer Bund der Frauen (RBF) 55 Republikanischer Bund der öffentlich Bedien55 steten (RepBB) Republikanischer Hochschulverband (RHV) 55,62,65 Revisionisten 73,88,91ff.,217f. Revolutionär-Sozialistischer Bund/IV. Interna96f, 121,129 tionale (RSB) Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru (MRTA) 100,106 Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front 141ff., 146,221 (DHKP/-C) Revolutionäre Zellen (RZ) 108f. Rote Armee Fraktion (RAF) 97,102ff., 128,161 Rote Hilfe e.V. (RH) 127f. Rote Pepperoni 118 Schwarze Garde 116,121,123 Scientology-Organisation (SO) 15ff.,176ff.,210 SEA-Org 178f. Skinheads 15,19f.,22,26ff., 29ff.,44,53,74f, 83,211,217f. Skinheads Schwaben 31 Solidarität International (SI) 126 Sozialistische Alternative VORAN (SAV) 96,129,215,220 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 129 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 118,219 Türk Föderasyon 158 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten144f Leninisten (TKP/ML) 228 Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revo141 ff. lutionäre Linke (THKP/-C) Union Islamischer Studentenvereine in Euro170 pa (U.I.S.A.) Verband der islamischen Vereine und Gemein153ff. den e.V. (ICCB) Verein zur Eingliederung iranischer Flucht169 ünge e.V. Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa 148,150,153 e.V. (AMGT) Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes 96,119ff., 123 - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 121,129 Vlaams Blök (VB) 63f, 85 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 134ff. Volksbewegung von Kosovo (LPK) 166ff. Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 160ff. Volksmodjahedin Iran (PMOI) 168ff. Watchdog Committee 178f. Wohlfahrtspartei (RP) 149,151f. World Institute of Scientology Enterprises 179ff., 222 (WISE) Zentrum für Individuelles und Effektives Ler179f. nen (ZIEL) Personenverzeichnis Abu-Jamal, Mumia 106 Apfel, Holger 74, 78, 81f. Bahceli, Devlet 156 Busse, Friedhelm 43, 52 Christophersen, Thies 93 Decken, Günter 76f,91 Dietermann, Christoph 84 Dori-Nadjafabadi, Ghorban Ali 205 Eibicht, Josef 89 Erbakan, Necmettin 149 Erbakan, Sabri 149 Erdel, Eike 62 Erdogan, Mehmet 158 Falk, Bernhard 108 Faurisson, Robert 93 Frey, Gerhard, Dr. 66, 68ff. Grabert, Wigbert 88f. Hammer, Michael 32 Hancock, Anthony 91 Hildebrandt, Hartmut 77 Hoffmann, Joachim, Dr. 93 Hogefeld, Birgit 103 f. Irving, David 93 Jürgensen, Peter 66 Kahraman, Güneyt 145 Kaplan, Cemaleddin 154 Kaplan, Metin 154f. Karatas, Dursun 142 Käs, Christian 55, 57, 62f, 65 Kaypakkaya, Ibrahim 144 Klar, Christian 104 Koch, Hartmut 62 Kosiek, Rolf, Dr. 87 Krause, Rudolf, Dr. 59, 87 Lauck, Gary Rex 90f. Lauer, Peter 60 Layer, Mike 83 Le Pen, Jean-Marie 62 Marquardt, Angela 220 Miscavige, David 178 Möller, Irmgard 104 Müller, Ursula 39 Naumann, Peter 60f. Neubauer, Harald 84, 87 Öcalan, Abdullah 131, 133f., 137, 140 Petratschek, Konrad 42 Pohl, Helmut 103AF., 107 Privenau, Markus 80 Radjawi, Maryam 169 Radjawi, Masoud 169f. Remer, Otto-Ernst 93 Rennicke, Frank 41,44, 53f., 211,216 Richter, Karl 87 Rieger, Jürgen 211 Scharf, Thomas 42 Scheerer geb. Rudolf, Germar 92fT., 218 Schickel, Alfred, Dr. 93 Schlierer, Rolf, Dr. 55, 59, 62, 64f. Schönhuber, Franz 61 Schützinger, Jürgen 84, 86f. Schwerdt, Frank 42 Sofu, Yusuf Ibrahim, Dr. 153ff. Stawitz, Ingo 84 Steinau, Michael 108 Taufer, Lutz 108 Türkes, Alparslan 156 Verbeke, Herbert 92 f. Voigt, Udo 21, 71ff., 76 Wagner, Rolf-Clemens 104 Wallner, Ottmar 61 Wendland, Michael 83 Wendt, Christian 42 Yagan, Bedri 142 Zaborowski, Horst 212 Zündel, Ernst 94,217 231 GESETZ ÜBER DEN VERFASSUNGSSCHUTZ IN BADENWÜRTTEMBERG (LANDESVERFASSUNGSSCHUTZGESETZ - LVSG) VOM 22. OKTOBER 1991 SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. SS 2 Organisation, Zuständigkeit (1) Zur Wahrnehmung der Aufgaben des Verfassungsschutzes unterhält das Land ein Landesamt für Verfassungsschutz. Das Amt hat seinen Sitz in Stuttgart und untersteht dem Innenministerium. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer Polizeidienststelle nicht angegliedert werden. SS 3 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz, Voraussetzungen für die Mitwirkung an Überprüfungsverfahren (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder frühzeitig zu erkennen und den zuständigen Stellen zu ermöglichen, diese Gefahren abzuwehren. (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt das Landesamt für Verfassungschutz Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte. Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eine Landes oder ohrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und wertet sie aus. Sammlung und Auswertung von Informationen nach Satz 1 setzen im Einzelfall voraus, daß für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Satz 1 Nummern 1 bis 3 tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, deren im öffentliche Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können. 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen. 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. 4. auf Anforderungen der Einstellungsbehörde bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie auf Anforderung der Beschäftigungsbehörde bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei denen der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, daß sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. 5. bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Einbürgerungsbewerbern, 6. bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen nach SS 12 b des Atomgesetzes, 7. bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Personen, die zu sicherheitsempfindlichen Bereichen von Flughäfen Zutritt haben, nach SS 29 c des Luftverkehrsgesetzes, 8. bei sonstigen Überprüfungen, soweit dies im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder für Zwecke der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Näheres wird durch Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums bestimmt. Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Satz 1 erfolgt in der Weise, daß es eigenes Wissen oder bereits vorhandenes Wissen der für die Überprüfung zuständigen Behörde oder sonstiger öffentlicher Stellen auswertet. In den Fällen des Satzes 1 Nummern 1 und 2 führt das Landesamt für Verfassungsschutz weitergehenden Ermittlung durch, wenn die für die Überprüfung zuständige Behörde dies beantragt. (4) Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Absatz 3 setzt im Einzelfall voraus, daß der Betroffene und andere in die Überprüfung einbezogene Personen über Zweck und Verfahren der Überprüfung einschließlich der Verarbeitung der erhobenen Daten durch die beteiligten Dienststellen unterrichtet werden. Darüber hinaus ist im Falle der Einbeziehung anderer Personen in die Überprüfung deren Einwilligung und im Falle weitergehender Ermittlungen nach Absatz 3 Satz 3 die Einwilligung des Betroffenen erforderlich. Die Sätze 1 und 2 gelten nur, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. SS 4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne des Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der daraufgerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Ländern oder deren Einrichtungen in 234 ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der daraufgerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckgerichtet unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, sind Bestrebungen im Sinnen dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS 5 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 erforderlichen Informationen verarbeiten. Die Verarbeitung personenbezogener Daten richtet sich inso- weit nach den Vorschriften dieses Gesetzes und, soweit dort keine Regelungen getroffen sind, nach den Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes mit Ausnahme der SS SS 8 und 11 Abs. 2 bis 5 sowie SSSS 12 bis 20 des Landesdatenschutzgesetzes. (2) Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 3 Abs. 3 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (4) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat das Landesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS 6 Erhebung personenbezogener Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden (nachrichtendienstliche Mittel). Diese sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffung regelt. Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Innenministeriums, das den Ständigen Ausschuß des Landtags unterrichtet. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten und sonstige Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. (3) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur dann heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder eine gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Satz 1 gilt entsprechend für den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in Wohnungen. (4) Die Erhebung nach den Vorschriften der Absätze 2 und 3 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Informationen durch Auskunft nach SS 9 Abs. 4 gewonnen werden können. Die Anwendung des nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) Bei Erhebungen nach Absatz 3 und solchen nach Absatz 2, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, zu denen insbesondere das Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit dem verdeckten Einsatz technischer Mittel gehören, ist der Eingriff nach seiner Beendigung der betroffenen Person mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilung an den Betroffenen bedarf es nicht, wenn sich auch nach fünf Jahren noch nicht abschließend beurteilen läßt, ob diese Voraussetzung vorliegt. Die durch solche Maßgabe des SS 7 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949) verwendet werden. SS 2 Abs. I des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. Mai 1969 (GBl. S. 79) findet entsprechende Anwendung. (6) Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz nach dem Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz bleiben unberührt. SS 7 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 erforderlich ist oder 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 3 tätig wird. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 3 Abs. 3 dürfen vorbehaltlich das Satzes 2 in automatisierten Dateien nur Daten über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. Zur Erledigung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 dürfen in automatisierten Dateien nur Daten solcher Personen erfaßt werden, über die bereits Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 2 vorliegen. Bei der Speicherung in Dateien muß erkennbar sein, welcher der in SS 3 Abs. 2 und 3 genannten Personengruppen der Betroffene zuzuordnen ist. (3) Die nach Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 2 gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen nur für die dort genannten Zwecke sowie für Zwecke verwendet werden, die der Wahrnehmung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 oder der Beobachtung von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder daraufgerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind, dienen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke und hiermit in Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. SS 8 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 7 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, nur speichern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Minderjährige eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. In Dateien ist eine Speicherung von Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres nicht zulässig. (2) Sind Daten über Minderjährige in Dateien oder in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, gespeichert, ist nach zwei Jahren die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 2 angefallen sind. Satz 1 gilt nicht, wenn das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 3 tätig wird. SS 9 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes und die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie die Gerichte des Landes übermitteln von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihnen bekanntgewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür be- stehen, daß die Informationen zur Wahrnehmung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr. 2 oder zur Beobachtung von Bestrebungen erforderlich sind, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeidienststellen dürfen darüber hinaus von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz auch alle anderen bekanntgewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 2 übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. (3) Soweit nicht schon bundesrechtlich geregelt, können die zuständigen Stellen in den Fällen des SS 3 Abs. 3 das Landesamt für Verfassungsschutz um Auskunft ersuchen, ob Erkenntnisse über den Betroffenen oder über eine Person, die in die Überprüfung mit einbezogen werden darf, vorliegen. Dabei dürfen die erforderlichen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen an das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt werden. Im Falle einer Überprüfung nach SS 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 ist das Ersuchen über das Innenministerium zu leiten. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann vorbehaltlich der in SS 11 getroffenen Regelung von jeder öffentlichen Stelle nach den Absätzen 1 und 2 verlangen, daß sie ihm die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen übermittelt, wenn die Daten und Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur durch eine den Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. Die Ersuchen sind aktenkundig zu machen. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Akten anderer of- fentlicher Stellen und amtliche Register unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 und vorbehaltlich der in SS 11 getroffenen Regelung einsehen, soweit dies 1. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 2. zur Beobachtung von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 genannten Schutzgüter gerichtet sind, 3. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 3 oder 4. zum Schutz der Mitarbeiter und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen Gefahren für Leib und Leben erforderlich ist und die sonstige Übermittlung von Informationen aus den Akten oder den Registern den Zweck der Maßnahmen gefährden oder das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Über die Einsichtnahme nach Satz 1 hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen: die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten und sonstiger Informationen, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1, 2 und 4 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Satz 1 übermittelten Unterlagen findet SS 7 Abs. 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwendung. SS 10 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie an die Gerichte des Landes übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt der Staatsanwaltschaft und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeidienststellen des Landes von sich aus die ihm bekanntgewordenen personenbezogenen Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in SSSS 74 a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst, b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183) übermitteln. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. (4) Personenbezogene Daten dürfen an andere als öffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht erforderlich ist und der Innenminister oder sein stän242 diger Vertreter die Zustimmung erteilt hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl gleichartiger Fälle vorweg erteilt werden. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung aktenkundig zu machen. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, daß das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, Belange der Länder oder überwiegende schutzwürdige Interesse des Betroffenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen, Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. SS 11 Übermittlungsverbote (1) Die Übermittlung von Informationen nach den SSSS 5, 9 und 10 unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteresse oder überwiegende Belange der Strafverfolgung dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. (2) Informationen über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 12 Unterrichtung der Öffentlichkeit Das Innenministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit periodisch oder aus gegebenem Anlaß im Einzelfall über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2. Dabei dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhangs oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Informationsinteressen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. SS 13 Auskunft an den Betroffenen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Es ist nicht verpflichtet, über die Herkunft der Daten, die Empfänger von Übermittlungen und den Zweck der Speicherung Auskunft zu erteilen. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder durch die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl der Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen. 244 (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß er sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. SS 14 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Akten oder Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten ist dies zu vermerken. Wir die Richtigkeit der Daten von dem Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 sind spätestens 10 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter oder sein Vertreter stellt im Einzelfall fest, daß die weitere Speicherung zur Aufgabenerfüllung oder aus dem in Absatz 2 Satz 2 genannten Grunde erforderlich ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Akten gespeicherten personenbezogenen Daten zu sperren, wenn es im Einzel245 fall feststellt, daß die Speicherung unzulässig war. Dasselbe gilt, wenn es im Einzelfall feststellt, daß ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden und die Daten für seine künftige Aufgabenerfüllung voraussichtlich nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Die Sperrung kann wieder aufgehoben werden, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen sind. Akten, in denen personenbezogene Daten gespeichert sind, sind zu vernichten, wenn die gesamte Akte zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt wird. SS 15 Besondere Pflichten des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft unverzüglich, ob die ihm nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich sind, hat es die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren. (2) Erweisen sich personenbezogene Daten, nachdem sie durch das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt worden sind, als unvollständig oder unrichtig, sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, es sei denn, daß dies für die Beurteilung eines Sachverhalts ohne Bedeutung ist. SS 16 Parlamentarische Kontrolle (1) Das Innenministerium unterrichtet den Ständigen Ausschuß des Landtags über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß. (2) Art und Umfang der Unterrichtung des Ständigen Ausschusses werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzuganges durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt. 246 (3) Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes im Ständigen Ausschuß bekanntgeworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ständigen Ausschuß oder aus dem Landtag. (4) Die Unterrichtung umfaßt nicht Angelegenheiten, über die das Innenministerium das Gremium nach Artikel 10 des Grundgesetzes zu unterrichten hat. SS 17 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 18 Erlaß von Verwaltungsvorschriften Das Innenministerium kann zur Ausführung des Gesetzes allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen. SS 19 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt an 1. Januar 1992 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) vom 17. Oktober 1978 (GBl. S. 553) außer Kraft. VERTEILERHINWEIS Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung BadenWürttemberg im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern während eines Wahlkampfes zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zum Zweck der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, daß dies als Parteinahme der Herausgeberin zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist jedoch den Parteien, die Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden. Bildquellennachweis: Fotos: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Grafiken und Illustrationen: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg