II VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT BADEN-WÜRTTEMBERG 1995 Rechtsextremismus * Linksextremismus * Ausländerextremismus Terrorismus * Spionageabwehr i " "..* SS 9 Herausgeber: Innenministerium B aden-Württemberg Dorotheenstraße 6, 70173 Stuttgart Mai 1996 Gestaltung, Satz und Repro: Held & Rieger, Esslinger Straße 75, 70736 Fellbach in Zusammenarbeit mit Fotosatz Fritz, Ringstraße 36, 70736 Fellbach Druck: Schwäbische Druckerei Rotenwaldstraße 158, 70197 Stuttgart Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers ISSN 0720-3381 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier VORWORT Der vorliegende Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1995 soll den Bürgerinnen und Bürgern, wie in den vergangenen Jahren, einen Überblick über Bestrebungen geben, die sich gegen unsere Verfassung richten. So wichtig zur Abwehr extremistischer Entwicklungen konsequente staatliche Maßnahmen in Form von Vereinsund Parteiverboten, Strafund Indizierungsverfahren sind, so wenig läßt sich damit allein das Gesamtproblem bewältigen. Eine extremistische Einstellung kann man weder verbieten noch auf andere Weise durch staatliche Zwangsmaßnahmen unterbinden. Daher sind alle demokratischen, politischen und gesellschaftlichen Kräfte dazu aufgerufen, vor allem die argumentative Auseinandersetzung mit dem Extremismus zu suchen - und zwar in allen Lebensbereichen. Jeder von uns ist gefordert, denn es sind unsere Rechte und Freiheiten, die auf dem Spiel stehen. Vergessen wir nicht: Die Demokratie ist letztlich nur stark durch kritische und couragierte Bürgerinnen und Bürger. Als Orientierungshilfe soll ihnen der Verfassungsschutzbericht eine geistig-politische Auseinandersetzung mit Gegnern unserer Verfassung erleichtern. Im vergangenen Jahr war erfreulicherweise ein weiterer Rückgang rechtsextremistisch und fremdenfeindlich motivierter Straftaten zu verzeichnen. Es besteht jedoch weiterhin kein Anlaß, von einem Ende rechtsextremistischer Bedrohung zu sprechen. Auch ist die Gefahr durch rechtsextremistische Gewalttäter nicht zu unterschätzen, wie dies die Serie von Briefbombenattentaten gezeigt hat, die seit 1993 das Nachbarland Osterreich erschüttert und nun auch in Deutschland erste Opfer forderte. Ferner belegen die im August 1995 von einem Rechtsterroristen offengelegten umfangreichen Waffenund Sprengstoffdepots in Hessen und Niedersachsen das hohe Gefahrenpotential. Die bei weitem gefährlichste Gruppierung im linksextremistischen Spektrum, die "Antiimperialistische Zelle" (AIZ), setzte ihre seit Ende 1992 begonnene Anschlagserie auch im Jahr 1995 fort. So wurden erneut mehrere Sprengstoffattentate auf Politiker und den Düsseldorfer Honorarkonsul für Peru verübt. Ausländische Extremisten machten im vergangenen Jahr vor allem durch eine hohe Zahl von Brandanschlägen auf sich aufmerksam. Anschlagziele waren zumeist von Ausländern geführte Vereine, Moscheen, Geschäfte und soziale Treffpunkte. Die Mehrzahl der Anschläge geht nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden auf Anhänger der verbotenen PKK sowie der ebenfalls verbotenen "Devrimci Sol" und von ihr abgespaltenen Gruppierungen zurück. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz haben auch im vergangenen Jahr - insbesondere durch eine engagierte Öffentlichkeitsarbeit - dazu beigetragen, daß den Gefährdungen für die freiheitliche demokratische Grundordnung angemessen begegnet werden konnte. Ihnen gilt mein besonderer Dank. Frieder Birzele, MdL Innenminister des Landes Baden-Württemberg INHALTSVERZEICHNIS SEITE PS VERFASSUNGSSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG 8 1. Gesetzliche Grundlagen 8 2. Aufbau und Organisation 8 *?;....Ä^ss!?i?.n.^.Y?!di?^?M?.?!?ftst?.^? ?. 4. Methoden des Verfassungsschutzes 11 5. ...Kontroile 12 6. Verfassungsschutz durch Aufklärung 12 | RECHTSEXTREMISMUS 16 1. Allgemeiner Überblick 16 2. Gewalttaten mit erwiesenem oder vermutetem rechteextrenustisf^ejm Hintergrund 20 Häufigkeit und Zielrichtung rechtsextremistisch beeinflußter Gewalt 20 Größe und Zuordnung der rechtsextremistisch beeinflußten Gewaltszene 29 Rechtsextremistische Skinheads 29 Rechtsextremistischer Terrorismus 37 3. Neonationalsozialistische Organisationen und Einzelaktivisten 40 Bundesweit operierende neonationalsozialistische Gruppen 42 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 42 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) 43 Neonationalsozialistische Personenzusammenschlüsse und Einzelaktivisten in Baden-Württemberg 43 4. Rechtsextremistische Parteien 47 "Die Republikaner" (REP) 47 "Deutsche Volksunion" (DVU) 58 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 63 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 71 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) 74 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 74 5. "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) 79 6. Organisationsunabhängige rechtsextremistische Verlage in Baden-Württemberg 81 7. Mailbox-System THULE-Netz 82 8. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus 85 9. "Revisionisten" 87 10. Erscheinungsformen der sogenannten Neuen Rechten 90 C | LINKSEXTREMISMUS 92 1. Allgemeiner Überblick 92 2. Straftaten mit erwiesenem oder vermutetem linksextremistischem Hintergrund 96 3. Linksextremistischer Terrorismus 98 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 99 RAF-Kommandoebene 99 RAF-Inhaftierte 100 RAF-Unterstützerbereich in Baden-Württemberg 102 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 103 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 103 4. Autonome und sonstige Anarchisten 106 Autonome Gruppen 106 Anarchistische Gruppen 110 5. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 111 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld 111 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 115 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 118 Sonstige Organisationen 119 D.| SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 124 1. Allgemeiner Überblick 124 2. Kurden 125 Allgemeines 125 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 126 3. Türken (ohne Kurden) 135 Allgemeines 135 Linksextremisten 136 Türkische islamistische Vereinigungen 140 Extrem-nationalistische Organisationen 142 4. Araber 143 Palästinenser 143 Arabische Islamisten 144 5. Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien 146 6. Iraner 149 7""'sfkhs " " ZZZZZZZZZZZZJM '^Z^i^^ZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZMi E. SPIONAGEABWEHR 154 1. Allgemeiner Überblick 154 2. Einzelerkenntnisse 156 Nachrichtendienste der russischen Föderation 156 FAPSI 159 FSB 160 Andere östliche Nachrichtendienste 161 Chinesische Nachrichtendienste 161 MSS 162 "2. Abteilung des Generalstabs der Volksbefreiungsarmee" 163 Nachrichtendienste der "Kommunistischen Partei Chinas" (KPCh) 163 Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens 164 VEVAK/MOIS 165 "GHODS-Streitmacht" 166 Militärischer Nachrichtendienst "J 2" 166 Andere Nachrichtendienste 166 * ANHANG 168 Gruppenund Organisationsregister 168 Personen Verzeichnis 172 Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) 174 A. VERFASSUNGSSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen. Er informiert die politisch Verantwortlichen frühzeitig über davon ausgehende Gefahren. Hierdurch versetzt er die zuständigen staatlichen Stellen in die Lage, verfassungsfeindliche Kräfte rechtzeitig und angemessen zu bekämpfen. 1. Gesetzliche Grundlagen Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich genau festgelegt. Das (Bundes-)"Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz" ist Rechtsgrundlage für das Bundesamt für Verfassungsschutz und zugleich für die Tätigkeit der Landesbehörden für Verfassungsschutz. Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Gesetz das Mindestmaß der von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben umschrieben. Seit 30. Dezember 1990 gilt eine Neufassung des Bundesverfassungsschutzgesetzes (G. v. 20. Dezember 1990, BGB1.I S. 2970). Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Bundesländern eigene Verfassungsschutzgesetze, in denen Aufgaben und Befugnisse der jeweiligen Landesbehörde gesetzlich geregelt sind. Für Baden-Württemberg gilt das "Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg", das am 1. Januar 1992 in einer Neufassung (G.v. 22. Oktober 1991, GBl. S. 639) in Kraft getreten ist. Darüber hinaus finden sich in zahlreichen Bundesund Landesgesetzen Rechtsvorschriften, die die Verfassungsschutzbehörden zu beachten haben. 2.Aufbau und..Organisation Entsprechend dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland hat jedes Bundesland eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Als Zentralstelle fungiert das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Das Bundesamt hat gegenüber den Landesbehörden zwar kein allgemeines Weisungsrecht, arbeitet mit ihnen jedoch eng zusammen. Das Landes- 8 P R Ä S I D E N T | 1 Zentral- 1 Nachrichten- 1 Nachrichten- 1 SpionageZentrale abteilung beschaffung auswertung 1 abwehr Dienste Verwaltung 1 Geheim- 1 J : Grundsatz- | und Sabotage- " ; : *'.'.' / * . *: fragen schutz jMiiiiiiiiim^ -* "**PT- 1 wmmvvmm^&m mmti amt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg in Stuttgart wird von einem Präsidenten geleitet. Es gliedert sich in fünf Abteilungen. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ist dem Innenministerium unmittelbar unterstellt; ihm obliegt die Aufsicht über die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung. Zudem hat das Innenministerium über den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb zu wachen (Dienstaufsicht). Der Personalbestand des Landesamts für Verfassungsschutz BadenWürttemberg ist im Haushaltsplan des Landes öffentlich ausgewiesen. Danach sind dem Amt für das Jahr 1995 insgesamt 345 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter zugewiesen (1994: 345 Stellen). An Mitteln standen dem Landesamt im Jahr 1995 rd. 28,3 (1994: 29,8) Millionen DM zur Verfügung. 3. Aufgaben des_ Verfassungsschutzes Die Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg sind im Landesverfassungsschutzgesetz (LVSG) geregelt. Danach hat die Behörde im wesentlichen den Auftrag, bestimmte als "Bestrebungen" bezeichnete Verhaltensweisen zu beobachten. Hierbei geht es dem Verfassungsschutz in erster Linie um Aktivitäten von Organisationen. Dabei müssen allerdings zwangsläufig auch die handelnden Personen, die Mitglieder dieser Organisationen sind oder deren Aktivitäten unterstützen, erfaßt werden. Der Begriff der verfassungsfeindlichen "Bestrebung" bedeutet, daß ein aktives zielgerichtetes Handeln gegen 9 unsere Verfassung oder gegen auswärtige Belange erkennbar sein muß. Eine wertneutrale oder kritische Haltung dem Staat gegenüber kann niemals Gegenstand der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden sein. Im einzelnen sind folgende Aufgabenfelder zu unterscheiden: Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind Bei tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht, daß eine Organisation unsere Staatsordnung durch ein linksoder rechtsextremistisches Staatsgebilde ersetzen oder durch terroristische Gewalt beseitigen will, übernimmt der Verfassungsschutz die Beobachtung dieser Vereinigung. Er gibt seine Erkenntnisse an die Regierung und an andere staatliche Stellen weiter. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden Eine Gefährdung auswärtiger Belange liegt beispielsweise vor, wenn linksoder rechtsextremistische Ausländerorganisationen ihr Heimatland von deutschem Boden aus mit Gewalt bekämpfen und dadurch unseren Staat möglicherweise in außenpolitische Konflikte und Zwangssituationen manövrieren. I Weiter ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht zu erkennen (Spionageabwehr). Die strafrechtliche Verfolgung der Spionage obliegt der Justiz und der Polizei. H Eine bloß mitwirkende Funktion hat das Landesamt für Verfassungsschutz beim vorbeugenden personellen und materiellen Geheimschutz. Der Verfassungsschutz unterstützt hierbei Behörden und außerbehördliche Stellen bei der Überprüfung von Geheimnisträgern und Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind und berät sie, wie Verschlußsachen durch technische oder organisatorische Sicherheitsmaßnahmen geschützt werden können. 10 4. MethodendesVerfassungsschutzes Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz darauf angewiesen, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil offen beschafft, also so, wie sie jeder andere auch sammeln könnte. Die Mitarbeiter der Behörde werten Zeitungen und Zeitschriften, Flugblätter, Programme, Broschüren und sonstiges Material extremistischer Organisationen aus und besuchen auch deren öffentliche Veranstaltungen. Teilweise reichen die auf diese Art und Weise erlangten Erkenntnisse jedoch nicht aus, um einen objektiven und vollständigen Überblick über verfassungsfeindliche Aktivitäten oder das Tätigwerden gegnerischer Nachrichtendienste zu erhalten. Um auch an solche "Bestrebungen" heranzukommen, bedient sich der Verfassungsschutz nachrichtendienstlicher Mittel. Hierzu ist er nach dem Landesverfassungsschutzgesetz ausdrücklich befugt. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln gehören: 1 das Anwerben und Führen von Vertrauensleuten (V-Leuten) die Observation verdächtiger Personen 1 das geheime Fotografieren sowie I sonstige Maßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, daß der Verfassungsschutz Beobachtungen vornimmt (Tarnmittel). Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz ausnahmsweise und nur unter ganz engen, gesetzlich normierten Voraussetzungen den Brief-, Postund Fernmeldeverkehr überwachen (Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses - G 10-). Polizeiliche Befugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu. Verfassungsschutz und Polizeibehörden sind in der Bundesrepublik Deutschland voneinander getrennt. Deshalb dürfen die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes keinerlei II Zwangsmaßnahmen (Festnahmen, Vorladungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen) durchführen. Verfassungsschutzbehörden dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Diese organisatorische Trennung von Polizei und Verfassungsschutz soll sicherstellen, daß sich der Verfassungsschutz auch nicht ersatzweise polizeilicher Möglichkeiten bedient, um eigene Aufgaben wahrzunehmen. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein polizeiliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Polizeidienststelle von den Beobachtungen unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. Diese bewährte Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten muß auch künftig so beibehalten werden. 5. Kontrolle Um sicherzustellen, daß die Verfassungsschutzbehörden den ihnen vorgegebenen gesetzlichen Rahmen beachten, wurde eine vielschichtige Kontrolle eingerichtet. Diese Kontrolle wird - neben entsprechenden innerbehördlichen Maßnahmen und der Rechtsund Fachaufsicht durch das Innenministerium - in erster Linie vom Parlament, aber auch von den Gerichten, der Landesbeauftragten für den Datenschutz und der Öffentlichkeit ausgeübt. Die parlamentarische Kontrolle obliegt nach SS 16 Landesverfassungsschutzgesetz dem Ständigen Ausschuß des Landtags von Baden-Württemberg, dem Mitglieder aller Fraktionen angehören. Ihm ist halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß zu berichten. Für die Wahrnehmung der spezifischen parlamentarischen Kontrolle über die Durchführung des "Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" (G 10) ist ein Gremium bestellt, das aus fünf Abgeordneten des Landtags besteht. Über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen entscheidet eine unabhängige Kommission, die aus drei ebenfalls vom Landtag bestellten Persönlichkeiten besteht. 6. Verfassungsschutz.durchAufklärung Der Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann 12 dauerhaft nur durch eine geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus gesichert werden. Dem Verfassungsschutz kommt dabei wesentliche Bedeutung zu. Seine Tätigkeit gewährleistet, daß Regierung und Parlament, aber auch die Bürger über Aktivitäten und Absichten verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen informiert werden. In Baden-Württemberg werden die Aufgaben des Verfassungsschutzes durch Aufklärung vom Landesamt für Verfassungsschutz mit Unterstützung des Referats "Verfassungsschutz" im Innenministerium wahrgenommen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit können kostenlos Informationsbroschüren zur Verfügung gestellt werden (bitte beiliegende Postkarte ausfüllen) und nach Einzelabsprache auch Referenten zu Vorträgen und Diskussionen über Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes angefordert werden. Im Rahmen der vom Innenministerium und Landesamt für Verfassungsschutz gestalteten Wanderaus- - von Februar 1994 bis März stellung mit 1996 in 42 Städten des Lan50.000 Besudes gezeigten - Wanderauschern stellung "Biedermänner und Brandstifter - Gewalt von rechts in Baden-Württemberg" wurde über die Hintergründe des Rechtsextremismus aufgeklärt und dazu ermutigt, sich frühzeitig allen Ansätzen von Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit entgegenzustellen. Durch visuelle Eindrücke wurde den insgesamt über 50.000 13 Besuchern verdeutlicht, daß rechtsextremistische Ideologie und Propaganda in vielen Fällen den Nährboden für fremdenfeindliche Gewalt bereitet haben. Gerade junge Menschen, die Hauptzielgruppe der Ausstellung, beurteilten deren Konzeption überwiegend positiv. Dies zeigten die vielen zustimmenden Aussagen auf den angebotenen Meinungskarten. Vor allem Schulklassen und Jugendgruppen nahmen oft das Angebot des Landesamts für Verfassungsschutz, sachkundige Führungen zu organisieren, wahr. Höhepunkte waren die Präsentationen am 10. Juni 1994 beim Europarat in Straßburg anläßlich der Eröffnung der "Europäischen Jugendkampagne gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" sowie vom 22. - 27. Juni 1995 in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg in Bonn. Dort nahmen zahlreiche Repräsentanten aus Politik, Verwaltung, verschiedenen Verbänden und den Medien an der Eröffnungsveranstaltung unter dem Motto "Miteinander von Deutschen und Ausländern - Möglichkeiten und Verantwortung des Staates" teil. Unter dem Slogan "FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß" beteiligten sich das Innenministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz auch 1995 intensiv an der gemeinsamen Kampagne von Bund und Ländern gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. Im Rahmen der Aufklärungskampagne wurden in Baden-Württemberg u.a. das Jugendmagazin "basta - Nein zur Gewalt" und das Computerspiel "Dunkle Schatten" kostenlos verteilt. Kontaktanschriften für Informationen zum Thema Landesamt für Verfassungsschutz Innenministerium Baden-Württemberg Baden-Württemberg "Öffentlichkeitsarbeit" Referat "Verfassungsschutz" Postfach 50 07 00 Postfach 10 24 43 70337 Stuttgart 70020 Stuttgart Tel. 0711/95 44 00 Tel. 0711/231-3542 oder3544 14 "FAIRSTÄNDNISKAMPAGNE" 15 XTREMiSMUS B. RECHTSEXTREMISMUS 1^...4!!|g!?.(tm)!?M^.ÜjS>e^blick_l Wesentliche Zum typischen Erscheinungsbild des Rechtsextremismus gehören tradiMerkmale des tionell folgende wesentliche Merkmale: Rechtsextre- I ein übersteigerter Nationalismus, für den nur die deutschen Interessen als Richtschnur gelten, I eine Volksgemeinschaft auf rassischer Grundlage, die die Rechte des einzelnen beliebig einschränkt und pluralistische Strukturen beseitigt, 1 eine aggressive Fremdenfeindlichkeit als Ergebnis eines wiederbelebten Rassismus und Antisemitismus, i die mangelnde Distanz zum "Dritten Reich", die von Verharmlosung bis zur Verherrlichung des Nationalsozialismus reicht, und I die Diffamierung der demokratischen Institutionen und ihrer Repräsentanten. Diese Kriterien bestimmten die Ziele und das Handeln rechtsextremistischer Gruppen auch im Jahre 1995. 16 Rechtsextremismus Im Bereich der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten hat sich im Bund die statistisch positive Entwicklung der letzten Jahre weiter Bundesweiter fortgesetzt. Die latent vorhandene Gefahr durch rechtsextremistische Anstieg Gewalttäter dokumentiert sich aber unverändert in dem neuerlichen gewaltbereiter Anstieg des rechtsextremistischen Gewaltpotentials: Im Bundesgebiet Rechtsextrestieg die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten von 5.400 im Jahre misten 1994 auf nunmehr 6.200 an. Noch positiver als auf Bundesebene stellt sich die Situation bei den rechtsextremistisch motivierten Strafund Gewalttaten in Baden-Württemberg dar. Nach den vorläufigen Zahlen des Landeskriminalamts Baden-Württemberg ist bei den rechtsextremistisch und fremdenfeindlich motivierten Straftaten ein Rückgang von rund einem Drittel, bei den Gewalttaten sogar um zwei Drittel zu registrieren. Diese positive Entwicklung ist unstreitig ein Erfolg der konsequenten Abwehrbemühungen aller Sicherheitsbehörden, sie ist aber beileibe kein Signal, jetzt nachzulassen, denn trotz dieses erfreulichen Rückgangs der Gewalttatenzahlen in Baden-Württemberg ist auch im Land ein Anstieg des gewaltbereiten Potentials von 400 im Jahr 1994 auf jetzt 450 Personen zu verzeichnen. Dies resultiert aus der Zunahme rechtsextremistischer Skinheads, die 1995 auch wieder vermehrt durch Aktivitäten - Konzerte und erstmals die Gründung eines Vereins im Allgäu - auffielen. Die Serie von Briefbombenattentaten, die seit 1993 das Nachbarland Österreich erschüttert, forderte auch in Deutschland erste Opfer. Bei Anschlägen im Juni 1995 in München und Lübeck wurden zwei Personen schwer verletzt. Der Niedergang der rechtsextremistischen Parteien hält an. Die MitglieRückläufige derzahlen insgesamt sind weiter rückläufig, bemerkenswerte WahlerfolMitgliederentge konnten auch 1995 nicht errungen werden. Der Versuch der "DeutWicklung sehen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), die "Zersplitterung der rechbei rechtsexten Kräfte" durch "Runde Tische" und "gemeinsame Erklärungen" zu tremistischen überwinden, war nur mäßig erfolgreich. Während die "Republikaner" Parteien ihre internen Schwierigkeiten - Flügelkämpfe verschiedener Lager innerhalb der Partei - mit dem disziplinierenden Hinweis auf die bevor17 stehende "Schicksalswahl" am 24. März 1996 in Baden-Württemberg noch mühsam überdecken konnten, wurde der Bundesvorsitzende der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) im September 1995 vorübergehend entmachtet. Die anschließenden heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern dieser Maßnahme stürzte die Partei in eine existentielle Krise. Ergebnisse rechtsextremistischer Parteien/Organisationen bei Wahlen im Jahr 1995 1 "Die Republika-1 "Deutsche Volks"Nationaldemo"Unabhängige "Die Nationalen" ner" (REP) union" (DVU) kretische Partei j Arbeiter-Partei Deutschlands" (Deutsche Sozia(NPD) listen) e.V." Hessen - Landtagswahl 54.775 Stimmen 7.795 Stimmen am 19. Februar 1995 = 2,0% = 0,3% Nordrhein-Westfalen 65.509 Stimmen 152 Stimmen - Landtagswahl am = 0,8% = 0,0% 14. Mai 1995 Bremen - Wahl zur 945 Stimmen 8.503 Stimmen 324 Stimmen Bremischen Bürgerschaft = 0,3% = 2,5% = 0,2% am 14. Mai 1995 Bremerhaven - Wahl 2.674 Stimmen 112 Stimmen zur Stadtverordneten- = 5,7% * = 0,2% versammlung am 24. September 1995 Berlin - Wahl zum 45.462 Stimmen 176 Erststimmen Abgeordnetenhaus = 2,7% = 0,0% am 22. Oktober 1995 Berlin - Wahlen zu 50.323 Stimmen den Bezirksverordneten- = 3,0% versammlungen am 22. Oktober 1995 mmmmmmmmmm*Die DVU errang 3 Sitze. Bei der Wahl 1991 hatte die Partei 6.354 Stimmen = 10,1% und 5 Sitze erhalten Verbote 1995 wurden weitere neonationalsozialistische Organisationen verboten. Nach der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und der "Nationalen Liste" (NL) im Februar wurde am 5. Mai die "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) - eine aus dem "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) hervorgegangene Gruppierung - in Brandenburg verboten. Direktes Ergebnis hiervon sowie diverser Strafverfahren 18 *Hi Rechtsextremismus wegen Fortführung verbotener Vereinigungen war die Neuorientierung und Neuformierung der Neonaziszene nach dem Prinzip "Organisierung ohne Organisation". Dies wird erleichtert durch vielfältige persönliche Kontakte und personelle Verflechtungen sowie die technische Vernetzung mittels moderner Kommunikationsmittel. Ein Erfolg im Kampf gegen den Rechtsextremismus war die Inhaftierung des "Leiters der Auslandszentrale der NSDAP/AO", Gary Rex Inhaftierung LAUCK, in Dänemark und seine Auslieferung an Deutschland. Gegen von LAUCK LAUCK, der insbesondere die deutsche Neonaziszene mit NS-Propagandamaterial versorgte, erhob inzwischen die Staatsanwaltschaft Hamburg Anklage u. a. wegen Volksverhetzung sowie Verbreitung von Propagandamaterial und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Organisationen in Deutschland und Baden-Württemberg im Zeitraum 1993 -1995 1993 1994 1995 Land Bund Land Bund Land Bund Rechtsextremistische Skinheads und sonstige 400 5.600 400 5.400 450 6.200 gewaltbereite Zirkel Neonationalsozialistische Parteien/Organisationen und 255 2.450 340" 3.740 340 2.480 Einzelpersonen hiervon: HVD" 50 FAP" 10 430 15 430 41 Rechtsextremistische 6.310 55.140 5.600 45.550 4.900" 35.900 Parteien hiervon DVU 2.900 26.000 2.700 20.000 2.200 15.000 REP 2.500 23.000 2.100 20.000 2.000 16.000 NPD 750-800 5.000 600 4.500 550 4.000 DLVH 150 900 170 900 130 900 Sonstige rechtsextremistische 150 3.200 140 2.780" 110 2.66051 Organisationen Summe der Mitgliedschaften 7.115 66.390 6.480 57.470 5.800 47.240 Tatsächliche Mitgliederzahl 7.040 65.490 6.350 56.600 5.635 46.100 nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften mM i 1 einschließlich der am 10.11.1994 verbotenen "Wiking Jugend" (WJ),2) Auftreten nur in BadenWürttemberg; wurde 1993 verboten, " am 24.02.1995 verboten,4I einschließlich JN und NHB, ? einschließlich Studentenund Jugendorganisationen 19 Trotz gewisser Auflösungserscheinungen der "rechten Szene", bedingt durch weiter sinkende Mitgliederzahlen bei den Parteien sowie ausbleibende Wahlerfolge (außer bei den "Republikanern") und konsequente Strafverfolgung, hat sich ein nicht unerhebliches rechtsextremistisches Potential unterschiedlicher Provenienz fest etabliert. 2. Gewalttaten mit erwiesenem oder vermutetem rechtsextremistischem Hintergrund 2.1 Häufigkeit und Zielrichtung rechtsextremistisch beeinflußter Gewalt anhauender Der seit 1993 zu beobachtende Abwärtstrend bei den rechtsextremiAbwärtstrend stisch und fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten hielt auch im Jahr 1995 an. Im Vergleich zum Vorjahr wurden bundesweit insgesamt Entwicklung der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation in Deutschland im Zeitraum 1984 -1995 3000 2639 gesamt 2500 fremdenfeindlich 2277 2232 2000 1609 1483 1489 1500 1255 1000 -860"837 540 500 264 295 189 195 193 123 " 117 146 152 5,1 98 103 36 50 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 20 Rechtsextremismus ca. 44 % weniger Delikte verzeichnet, wobei die fremdenfeindlichen Gewalttaten um ca. 37 % zurückgingen. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Wurden 1994 im Bundesgebiet noch 1.489 Gewalttaten wie Tötungsdelikte, Brandund Sprengstoffanschläge, Landfriedensbrüche, Körperverletzungen und schwere Sachbeschädigungen verübt (davon 860 mit fremdenfeindlichem Hintergrund), so sind 1995 noch 837 derartige Vorfälle registriert worden (davon 540 mit fremdenfeindlicher Motivation). In Baden-Württemberg verlief die Entwicklung noch positiver: 93 Entwicklung rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten (davon 61 fremdenfeindliin Badenchen) im Jahr 1994 stehen 32 (davon 23 fremdenfeindliche) im Jahr Württemberg 1995 gegenüber. Das entspricht einem Rückgang von ca. 66 %. Glücklinoch positiver cherweise wurden 1995 keine rechtsextremistisch motivierten Tötungsdelikte in Baden-Württemberg begangen. Fremdenfeindliche und rechtsextremistische Straftaten in Deutschland und Baden-Württemberg im Jahr 1995 Rechtsextremismus fremdenfeindliche Straftaten I sonstige rechtsextremistische ) Straftaten (einschließlich Taten ; mit antisemitischer Zielsetzung) 1995 (1994) 1995 (1994) Baden-Württemberg 215 (351) 445 (605) Bund 2468(3491) 5428"(4461) 11 Ob und inwieweit dieser Anstieg auf ein gestiegenes Anzeigeverhalten und Mehrfachstraftaten zurückzuführen ist, bleibt offen. Trotz dieser insgesamt positiven Entwicklung muß darauf hingewiesen Ursachen für werden, daß die Gewalttaten noch immer erheblich über dem Stand der Rückgang der 80er Jahre liegen und somit bisher lediglich einen Rückgang der 1991 Straftaten und 1992 explosionsartig angestiegenen Zahl der Gewaltaktionen - vor allem gegen Ausländer - bedeuten. Ursächlich für die Verringerung der Straftaten dürften der massive Verfolgungsdruck, verbunden mit einer konsequenten Strafverfolgung, die Entschärfung der Asylproblematik sowie die breite gesellschaftliche Ächtung von Gewalt gegen Ausländer sein. 21 Fremdenfeindliche Straftaten in Baden-Württemberg im Zeitraum 1991 -1995* Jan 91 Mär 91 Mai 91 Jul91 Sep91 Hoyerswerda 18.9.91 N0V91 Jan 92 Mär 92 Mai 92 Rostock 21.722.8.92 Jul92 Sep92 Mölln 23.11.92 Nov92 Jan 93 Mär 93 Mai 93 Jul 93 Sep93 Solingen 29.5.93 Nov93 Jan 94 Mär 94 Mai 94 Jul 94 Sep94 1991 =381 Nov94 1992 = 822 Jan 95 1993 = 848 Mär 95 1994 = 346 Mai 95 1995 = 215 Jul 95 Sep95 Nov95 " Zahlen des LKA Baden-Württemberg; Stand: 13.2.1996 22 Rechtsextremismus Arten der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation in Deutschland und in Baden-Württemberg" im Jahr 1995 509 * Deutschland gesamt Baden-Württemberg 225 4b 10 8 |PS 19 4 0 1 Tötungsdelikte2i Brand-und Landfriedensbrüche Körperverletzungen Sachbeschädigungen Sprengstoffanschläge n Zahlen des LKA Baden-Württemberg,2t Die Zahl beinhaltet alle vollendeten und versuchten Tötungsdelikte (im Bundesgebiet 10 versuchte Tötungsdelikte) Die Tatarten im einzelnen: * Tötungsdelikte 1995 kam es in Baden-Württemberg zu keinem rechtsextremistisch motivierten Tötungsdelikt. Im Vorjahr war ein versuchter Mord registriert worden. Im Bundesgebiet waren 1995 - wie schon 1994 - 10 versuchte Tötungsdelikte zu verzeichnen. * Brandund Sprengstoffanschläge Landesweit gab es 1995 8 Brandanschläge, die alle fremdenfeindlich motiviert waren. Im Jahre 1994 lag die Zahl noch bei 17, wovon 15 einen fremdenfeindlichen Hintergrund hatten. 23 Bundesweit wurden 1995 45 Brandund Sprengstoffanschläge registriert (1994: IOI), davon 37 mit fremdenfeindlicher Zielrichtung. * Beispiele aus Baden-Württemberg Am 13. August 1995 entzündeten in Freiamt/Kreis Emmendingen unbekannte Täter an der Eingangstür des Asylbewerberwohnheims Papier und Pappe. Das Feuer konnte von den Bewohnern gelöscht werden. Anschläge Am 17. August 1995 warfen unbekannte Täter drei Brandsätze über den aufAsylbeZaun der Asylbewerberunterkunft in Mannheim-Schönau. Einer davon werberuntertraf das Gebäude. Es gelang, die drei kleinen Brandherde sofort zu künfte löschen, so daß kein Sachschaden entstand. Von einem fremdenfeindlichen Tathintergrund ist auszugehen. Ein unbekannter Täter entzündete in der Nacht zum 19. Oktober 1995 den Holzboden des Aufenthaltsraums eines Asylbewerberwohnheims in Vaihingen an der Enz. Zur Tatzeit befand sich niemand in diesem Raum. Der Brand wurde unmittelbar nach Ausbruch von Heimbewohnern entdeckt und gelöscht, so daß nur geringer Sachschaden entstand. * Landfriedensbruch Während 1994 noch 5 solche Gewalttaten von Neonazis verübt wurden, kam es 1995 in Baden-Württemberg nur zu einem derartigen Delikt. Im Verlauf einer "Hocketse" einer Pfadfinderschaft bei Fellbach-Öffingen wurden die Gäste am Abend des 30. April 1995 ständig durch eine Gruppe Skinheads provoziert. Sie skandierten antisemitische und rechtsextremistische Parolen und verwickelten unbeteiligte Gäste in Schlägereien. Als eine Gruppe von Festbesuchern auf dem Nachhauseweg von mehreren "Skins" tätlich angegriffen wurde, entstand eine Massenschlägerei, die erst durch die hinzugerufene Polizei beendet werden konnte. Drei der Täter wurden mittlerweile zu Jugendstrafen zwischen sechs und acht Monaten auf Bewährung, fünf weitere zu Geldstrafen zwischen 600.DM und 1800.DM verurteilt. 24 Rechtsextremismus Im Bundesgebiet ging die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Landfriedensbrüche geringfügig von 49 im Jahr 1994 auf 48 im Jahr 1995 zurück. In Baden-Württemberg ereignete sich ein gravierender Fall von Landfriedensbruch zu Beginn des Jahres 1996: Am 1. Januar 1996 gegen 0.15 Uhr wurde von 28 Skinheads, die in einer Gaststätte in Unterjettingen/Kreis Böblingen eine Silvesterparty feierten, das neue Jahr "angeschossen". In deren Verlauf wurde eine etwa 30 Meter entfernt stehende Gruppe von acht dort wohnenden Türken und ihren Gästen gezielt mit Feuerwerkskörpern beschossen. Dabei wurde ein jugendlicher Türke von einem aus einer Schreckschußwaffe abgefeuerten Böller getroffen und verletzt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart erließ das Amtsgericht Stuttgart Durchsuchungsund Beschlagnahmeverfügungen gegen alle Mitglieder der Skinheadgruppe wegen Verdachts, an einem besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung beteiligt gewesen zu sein. Bei der Durchsuchungsaktion am 16. Januar 1996, die sich gegen 29 Wohnungen in verschiedenen Landkreisen richtete, wurden eine Maschinenpistole und zahlreiche andere Waffen sowie Munition sichergestellt. Körperverletzung Während 1994 in Baden-Württemberg 41 Körperverletzungen mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation begangen wurden, sank die Zahl 1995 auf 19 derartige Delikte. Der Rückgang im Bundesgebiet beläuft sich von 625 im Vorjahr auf 509 im Jahr 1995. Beispiele aus Baden-Württemberg Am 8. Januar 1995 zeigten zwei Gäste einer Geburtstagsfeier in Allmersbach im Tal/Rems-Murr-Kreis zweimal den Hitlergruß. Als sie frühmorgens angetrunken die Party verließen, stießen sie auf einen Zeitungsausträger, den sie fragten, ob er Jude sei. Sie lobten die Konzentrationslager im "Dritten Reich", zerrten den Geschädigten an seiner Klei25 düng und stießen ihn herum. Unvermittelt wurde er mit der Faust ins Gesicht geschlagen, so daß er zu Boden fiel. Einer der Täter wurde inzwischen zu einer Woche Dauerarrest verurteilt, der andere erhielt eine Geldbuße von 40 Tagessätzen zu je DM 50,wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen; die Körperverletzung war ihm nicht nachzuweisen. Am 25. März 1995 kam es gegen 0.30 Uhr in Sigmaringen zwischen einem türkischen Staatsangehörigen und zwei Deutschen zu einer verbalen Auseinandersetzung, die schließlich in Handgreiflichkeiten endete. Der erwerbsunfähige und sichtbar behinderte Geschädigte wurde niedergeschlagen und mehrfach getreten. Im Verlaufe der Auseinandersetzung beleidigten ihn beide Täter wiederholt mit ausländerfeindlichen Ausdrücken. Gegen die Täter wurde Anklage erhoben; ein Urteil ist noch nicht ergangen. In der Nacht zum 17. April 1995 wurde an einer Bushaltestelle am Bahnhof Fellbach ein Farbiger von einer Gruppe Skinheads angegriffen. Zuerst wurde er angepöbelt und beleidigt. Im weiteren Verlauf wurde er plötzlich durch einen Fußtritt attackiert, so daß er zu Boden ging. Die Täter konnten ermittelt werden. Das eingeleitete Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Nach einer Feier in Geislingen am 6. Mai 1995 begaben sich vier Teilnehmer spätnachts zum örtlichen Asylbewerberheim. Nach Klingeln und Klopfen am Rolladen öffnete ein Bewohner die Haustür. Die Täter ergriffen ihn sofort, zerrten ihn ins Freie und schlugen mit Fäusten und einem Baseballschläger auf ihn ein. Als andere Hausbewohner dies bemerkten, flüchteten die Angreifer. Das Opfer mußte im Krankenhaus stationär behandelt werden. Zwei der Täter wurden inzwischen zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt, die beiden anderen mit einer Geldauflage verwarnt. Drei erheblich angetrunkene junge Männer gingen am Abend des 21. August 1995 nach ihrem Gaststättenbesuch in Rottenburg zum nahegelegenen Asylbewerberheim. Sowohl unterwegs als auch beim Heim 26 Rechtsextremismus grölten sie fremdenfeindliche Parolen. Sie umrundeten das Gebäude mehrmals, klingelten dann Sturm und betraten durch die nicht verschlossene Türe das Haus. Einer der Täter versuchte auf eine im Gebäude angetroffene junge Frau mit einem Messer einzustechen, verfehlte Überfalle auf sie jedoch glücklicherweise. Als die drei Männer das Heim wieder verAusländer lassen hatten, belästigten sie noch von außen durch ein geöffnetes Fenster eine andere Asylbewerberfamilie. Bevor sie endgültig abzogen, zertrümmerte einer die Glasscheibe der Eingangstür. Es wurde Anzeige erstattet; das Verfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Ein farbiger Student wurde am 24. August 1995 in Heidelberg von einem Mann mehrfach beleidigt. Auf Nachfrage des Studenten, was er getan habe, schlug ihm der Täter ins Gesicht. Im Weggehen setzte der Täter, dessen Identität ermittelt werden konnte, seine Beleidigungen fort. Der Täter erhielt inzwischen einen Strafbefehl über 100 Tagessätze zujeDM50,-. Am 3. November 1995 schlug ein betrunkener Fahrgast in einer Straßenbahn in Karlsruhe einem anderen Fahrgast mit dunkler Hautfarbe so ins Gesicht, daß dieser eine Platzwunde erlitt. Dem Vorfall war ein verbaler Schlagabtausch vorausgegangen, in dessen Verlauf der Täter fremdenfeindliche Aussagen gemacht hatte. Der Täter erhielt mittlerweile einen Strafbefehl über 95 Tagessätze zu je DM 50,-. In der Nacht vom 20. zum 21. Januar 1996 fand in Überlingen auf Einladung der örtlichen Skinhead-Szene ein überregionales Treffen statt, an dem etwa 30 "Skins" aus Ravensburg, Wangen, Karlsruhe und aus Rheinland-Pfalz teilnahmen. Nach erheblichem Alkoholgenuß gerieten die Skinheads mit einer Gruppe junger Ausländer in einen Streit, aus dem sich eine heftige Schlägerei entwickelte. Dabei wurden mehrere Personen beider Seiten zum Teil erheblich verletzt. Die Polizei stellte eine Schreckschußpistole sowie ein Fahrtenmesser sicher und nahm mehrere "Skins" in Ausnüchterungsgewahrsam. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet. 27 Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung In diesem Bereich war ein Rückgang von landesweit 29 (1994) auf 4 (1995) zu verzeichnen. Auch die bundesweite Entwicklung bestätigte mit 225 Sachbeschädigungen im Jahre 1995 gegenüber 704 im Vorjahr diesen rückläufigen Trend. II Beispiele aus Baden-Württemberg In der Nacht zum 7. April 1995 demolierten unbekannte Täter einen PKW, der auf einer Straße in Illingen abgestellt war. Unter anderem wurden mehrere Hakenkreuze in den Lack geritzt. Am 12. und 13. November 1995 wurde eine ausländische Jugendliche Aktion gegen in Nufringen/Kreis Böblingen telefonisch von einem anonymen AnruAusländer fer beleidigt und bedroht. Kurz nach dem dritten Anruf am 13. November 1995 wurde die Fensterscheibe ihres Zimmers durch einen Stein mit einem aufgemalten Hakenkreuz eingeworfen. Beispiele für rechtsextremistische Farbschmierereien in Schopfheim und Göppingen im Oktober/November 1995 28 Rechtsextremismus 2.2 Größe und Zuordnung der rechtsextremistisch beeinflußten Gewaltszene Während die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten in BadenWürttemberg auch 1995 - ähnlich wie im Bundesdurchschnitt - weiter zurückgingen, übertraf die Zahl militanter Rechtsextremisten mit 450 Personen das Vorjahresniveau. Jedoch hat sich die Zusammensetzung dieses Gewaltpotentials deutlich verändert. Der weitaus größte Teil ist mit 390 Personen der rechtsextremistischen Skinheadszene zuzurechnen (1994:280). Die im Vergleich zum Vorjahr in Baden-Württemberg stark angestiegeAnteil von ne Zahl der rechtsextremistischen Skinheads zeigt, daß die AnziehungsSkinheads in kraft dieser gewaltbereiten "Szene" eher noch zugenommen hat und rechtsextremikeinesfalls Anlaß zur Entwarnung besteht. stischer Gewaltszene Bundesweit stieg die Zahl militanter Rechtsextremisten von 5.400 im weiter gestieJahr 1994 auf nunmehr sogar 6.200. Auch hier gehört ein Großteil des gen Potentials der rechtsextremistischen Skinheadszene an. 2.3 Rechtsextremistische Skinheads Geschätzte Personenzahl: Baden-Württemberg 390 (1994: 280) Im Jahr 1995 konnte eine starke Fluktuation innerhalb der rechtsextrestarke Flukmistischen Skinheadszene beobachtet werden. So verließen 1995 ca. tuation in 125 Skinheads die "Szene". Etwa 235 dem Landesamt für Verfassungsder Skinheadschütz namentlich bekannte "Skins" schlossen sich 1995 der rechtsexszene tremistischen Skinheadszene an. Skinheads stellen nach wie vor einen erheblichen Teil des rechtsextremistischen bzw. neonationalsozialistischen Gewaltpotentials dar. Etwa 100 von den derzeit 390 in Baden-Württemberg aktiven Skinheads sind während ihrer zum Teil mehrjährigen Zugehörigkeit zur Skinheadszene als rechtsextremistisch motivierte Gewalttäter in Erscheinung getreten. 1995 waren in Baden-Württemberg insgesamt 30 "Skins" an rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten beteiligt. 1994 waren es noch 90. 29 Diese - trotz der Zunahme des Gesamtpotentials rechtsextremistischer Skinheads - rückläufige Tendenz dürfte vor allem auf die erhöhten Anstrengungen der Sicherheitsbehörden, die konsequente Strafverfolgung sowie die breite Ächtung rechtsextremistischer Gewalt durch die Bevölkerung zurückzuführen sein. Altersstruktur der rechtsextremistischen Skinheadszene in Baden-Württemberg im Jahr 1995 18-20 Jahre = 35% 21-25 Jahre = 42% unter 18 Jahre = 8% 26-30 Jahre = 14% 31-36 Jahre = 1% Grafik: LfV BW Skinhead-Musikgruppen Dem bundesweiten Trend entsprechend hat 1995 auch in Baden-Württemberg die Zahl der Skinhead-Musikveranstaltungen wieder zugenommen. Inzwischen spielen die Skinbands bei ihren Auftritten nur nicht indizierte Titel. Zudem werden die Texte bereits bei der Produktion von Tonträgern einer juristischen Prüfung unterzogen, um einer späteren 30 Rechtsextremismus Indizierung sowie strafrechtlicher Verfolgung vorzubeugen. Unverändert vorhandenes rechtsextremistisches Gedankengut wird nicht mehr offen formuliert, sondern in harmlos erscheinende, für Szenenangehörige jedoch leicht zu entschlüsselnde Parolen verpackt. Dies belegen Texte aus der Mitte 1995 erschienenen CD der Musikgruppe "TRIEBTÄTER" und aus der ebenfalls 1995 erschienenen CD der Gruppe "FOIERSTOß": "Verschließt nicht die Augen, schließt Euch uns an. Wir kämpfen für die Reinheit des deutschen Vaterlands. Von Stunde zu Stunde werden wir mehr, mutig und kampfbereit setzen wir uns zur Wehr. Refrain: Deutsche Patrioten im Kampf um unser Land. Deutsche Patrioten, denn wir haben noch Verstand. Deutsche Patrioten, denn wir lieben unser Land. Deutsche Patrioten Hand in Hand." (aus dem Lied "Deutsche Patrioten" der CD "Zeichen der Zeit", TRIEBTATER) "In Deutschland wollen sie leben - Skinheads. Fürs Vaterland ihr Leben geben - Skinheads. Treue Deutsche, kahlgeschoren, Skinheads sind fürs Vaterland geboren. Skinheads steh 'n zum Vaterland, auch wenn die Gesellschaft sie dafür verbannt. Wir wollen doch nur für Deutschland leben, warum könnt Ihr uns denn nicht versteh 'n. Refrain: Skinheads sind stolze Deutsche. Skinheads fürs Vaterland. Skinheads sind stolze Deutsche. Skinheads zeigen sich als solche." (aus dem Lied "Skinheads" der CD "Gefallen als Helden", FOIERSTOß) Im März 1994 verurteilte das Landgericht Stuttgart die Mitglieder der Verurteilunrechtsextremistischen Musikgruppe "TRIEBTÄTER" aus Mutlangen gen zu Geldsowie Freiheitsstrafen auf Bewährung. Die Band tritt dennoch weiterhin regelmäßig zusammen mit anderen Skinhead-Bands im gesamten Bundesgebiet auf. Auch die 1994 gegründete Band "FOIERSTOß" aus Gernsbach ist sowohl in Baden-Württemberg als im übrigen Bundesgebiet sehr aktiv. Die seit 1987 bestehende Gruppe "NOIE WERTE" aus Leonberg gab 31 1995 wieder einige Konzerte. Ihre Auftritte finden häufig im Zusammenhang mit Veranstaltungen der "Jungen Nationaldemokraten" (JN - Jugendorganisation der NPD) statt. * Versandhandel und Publikationen Indizierung Im Juni 1994 wurde der "ESV (Endsieg-Verlag) - Der etwas andere Versand", Bruchsal, gemäß Bewährungsauflage des Landgerichts Karlsruhe geschlossen. Die Nachfolge übernahm einen Monat später der "Verlag V 88", in der "Szene" auch "Vergeltung (V) Heil HITLER" (8. Buchstabe im Alphabet ist H) genannt. Der Betreiber ist ebenfalls Angehöriger der Skinheadszene. Der erste Hauptkatalog dieses Verlags ist nach einem Hinweis des Landesamts für Verfassungsschutz BadenWürttemberg wegen des ausländerfeindlichen und gewaltverherrlichenden Inhalts im Juli 1995 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert worden. Ende 1995 erschien die erste Ausgabe des Fanzines "Doitsche Offensi32 Rechtsextremismus ve - Deutsches Skinheadmagazin". Herausgeber dürften rechtsextremistische Skinheads aus dem Raum Mannheim sein. Somit verfügt die Skinheadszene im Lande erstmals seit fast zwei Jahren wieder über ein in Baden-Württemberg hergestelltes Infoblatt. Die wenigen noch von SKULL-RECORDS, Versandhandel in Bad Überkingen, herausgegebenen Bestellkataloge haben nach der Verurteilung der Betreiber im Jahr 1994 keinen extremistischen Inhalt mehr. * Organisationsgrad Der überwiegende Teil der Skinheadszene besteht nach wie vor aus nahezu strukturund organisationslosen örtlichen Zirkeln, losen Personenzusammenschlüssen und Einzelpersonen. Unverändert sind Skinheads in ihrer Grundhaltung weitgehend nicht bereit, sich in Organisationen einbinden zu lassen. In einigen Bereichen der Skinheadszene gibt es jedoch Bestrebungen, sich enger zusammenzuschließen. So gründeten am 23. September 1995 43 Skinheads, darunter 12 weibliSkinheads che (sogenannte Renees), in Mindelheim/Bayern den Verein gründen Ver,,Skinheads Allgäu e.V." mit Sitz in Pfronten. Rund drei Viertel der ein Gründungsmitglieder, darunter sechs aus Baden-Württemberg, sind bislang als politisch motivierte Strafbzw. Gewalttäter in Erscheinung getreten. In der Gründungseinladung wurde eindringlich darauf hingewiesen, keine Waffen mitzubringen. Der Verein zählt mittlerweile 60 Mitglieder. Zweck des Vereins ist laut Satzung die Pflege der Kameradschaft und Geselligkeit, das Abhalten gemeinsamer Musikabende, die Durchführung von Versammlungen, Vorträgen und Konzerten, die Übernahme von Anwaltskosten bei polizeilichen Ermittlungsverfahren sowie die Gewährung von Darlehen für in Not geratene Mitglieder. Das Landratsamt Ostallgäu hat am 26. Oktober 1995 beim Amtsgericht Kaufbeuren Einspruch gegen die Eintragung des Vereins "Skinheads Allgäu e.V." erhoben, da er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung ( SS 3 Abs. 1 Vereinsgesetz i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz) richte. 33 Skinheads waren stets Ziel von Werbeversuchen des gesamten organisierten "rechten Lagers". Sie sind in den vergangenen Jahren von rechtsextremistischen Parteien und Organisationen regelmäßig zu Hilfsdiensten wie Kleben von Wahlplakaten sowie als Wahlhelfer und SaalWerbungsverordner herangezogen worden. Bei solchen Kontakten ergaben sich vielsuche durch fach Gelegenheiten, Skinheads anzusprechen und sie gegebenenfalls andere auch als Mitglied zu werben. Allerdings stellen solche Fälle nach wie Rechtsextrevor eine Ausnahme dar. Erfolgreicher waren die Versuche insbesondere misten neonazistischer Zirkel, Kontakte zu Skinheads bei deren "Szene"-Veranstaltungen und privaten Festen zu knüpfen, wo sie diese in Diskussionen und mit Werbematerial direkt ansprechen. Etwa 80 der 390 rechtsextremistischen Skinheads traten bislang in Parteien und Organisationen, manche in mehrere gleichzeitig, ein. Andere pflegen enge Kontakte zu ihnen, lehnen eine Bindung in Form der Mitgliedschaft und eine etwaige Übernahme von Aufgaben aber grundsätzlich ab. Tatsächlich gewinnt das organisierte "rechte" Spektrum durch diese lockere Form der Annäherung gewisse steuernde Einflüsse auf die Skinheadszene. * Besondere Merkmale Äußere Kennzeichen der Skinheads waren früher durchgängig Glatze, Verzicht auf Doc-Martens-Schnürstiefel, Bomberjacke, T-Shirt (möglichst mit Sze"szene" - typinemotiven bedruckt) und breite Hosenträger. Diese Merkmale werden sches Outfit jedoch von vielen Skinheads in der Öffentlichkeit nicht mehr gezeigt, da sie Repressalien fürchten. Hohe Gewaltbereitschaft, exzessiver Alkoholkonsum (sogenanntes Komasaufen oder "Saufen bis der Doktor kommt") und spontanes Handeln sind jedoch signifikante Merkmale der (nicht nur "rechten") Skinheadszene geblieben. * Kommunikationsformen Durch Besuche von nationalen und internationalen Skinhead-Musikveranstaltungen und die Verbreitung von Szenepublikationen entstand in der Vergangenheit ein Netz persönlicher Verbindungen, über das Informationen bis ins benachbarte Ausland weitergegeben werden können. Um Maßnahmen der Behörden zu umgehen, werden in Einladungen zu 34 Rechtsextremismus Szeneveranstaltungen lediglich der Anlaß, der Zeitpunkt der Veranstaltung und eine Info-Telefonnummer mitgeteilt, durch welche die Skinheads den Treffort erfahren, von dem sie dann zum eigentlichen Veranstaltungsort gelotst werden. Wichtigster Grundsatz für die Weitergabe vertraulicher Informationen ist, daß deren Empfänger persönlich bekannt und vertrauenswürdig sein sowie darüber hinaus der Skinheadszene angehören muß. Übersicht über rechtsextremistische Skinhead-Musikgruppen, Versandhandel und Fanzines in Baden-Württemberg 35 Schwerpunkte hohe MobiIn einigen Gebieten des Landes Baden-Württemberg war im Vergleich lität zu anderen Regionen ein verstärktes Aufkommen von Skinheads (in * "szene"-typischen Trefflokalen, bei Konzerten und anderen Veranstaltungen sowie bei sonstigen Aktivitäten) festzustellen. Charakteristisch ist dabei die hohe Mobilität der "Skins", d. h. sie entfalten ihre Aktivitäten nicht unbedingt am Heimatort. Von der festgestellten - gelegentlich recht kleinen - Zahl ortsansässiger Skinheads können deshalb keine direkten Rückschlüsse auf die Intensität der Aktivitäten vor Ort gezogen werden. Als Treffpunkt der Skinheadszene schlechthin galt lange Zeit der Landgasthof "Löwen" in Laichingen-Feldstetten. Dort wurden im ersten Halbjahr 1995 nahezu an jedem Wochenende Konzerte, Parties, Feste und Trinkgelage durchgeführt, an denen bis zu 250 "Skins" und junge Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland teilnahmen. Dabei konnte die Verknüpfung der Skinheadszene mit Angehörigen des organisierten rechtsextremistischen Lagers festgestellt werden. Die Gaststätte "Löwen" wurde im Juli 1995 durch Verfügung des Landratsamts Alb-Donau-Kreis geschlossen. In Biberach kam es Anfang 1995 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und Autonomen bzw. Ausländern. Deeskalationsmaßnahmen der Polizei und der Stadtverwaltung verhinderten Schlimmeres. Im Raum Friedrichshafen entbrannte im Juni 1995 Streit zwischen Skinheads und zugewanderten Rußlanddeutschen, in dessen Verlauf es zu Schlägereien kam und einzelne Personen leicht verletzt wurden. Weitere Auseinandersetzungen zwischen diesen Gruppen waren die Folge. InternationaWie auch in den Vorjahren veranstalteten die "Schweizer Hammerles Skinheadskins" im Sommer 1995 in Aarau/Schweiz ihre "Hammer-Skin-Party", treffen zu der ca. 200 Skinheads aus der Schweiz, Österreich, Frankreich und insbesondere aus ganz Deutschland anreisten. In den mittels Flugblättern hierzu ergangenen Einladungen war der Sammelort Bahnhof Aarau bekanntgegeben worden. Von dort wurden die Teilnehmer zum eigentlichen Veranstaltungsort gelotst. Sie skandierten Parolen und sangen 36 *HB Rechtsextremismus Lieder mit antisemitischen und ausländerfeindlichen Texten. Ein vermutlich aus Baden-Württemberg stammender Skinhead trug eine SAUniform. 2.4 Rechtsextremistischer Terrorismus Die zwei folgenschwersten Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund im Jahre 1995 ereigneten sich in München und Lübeck. Am 9. Juni 1995 explodierte eine Briefbombe im Sekretariat eines Fernsehsenders in München-Unterföhring und verletzte eine Angestellte. Die Postsendung hatte einer farbigen TV-Moderatorin gegolten. Wenige Tage später, am 13. Juni 1995, verletzte eine Briefbombe im Rathaus von Lübeck den Geschäftsführer der dortigen SPD-Fraktion schwer. Adressat des Sprengsatzes war der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Lübeck, Dietrich SZAMEIT Dieser hatte die Urteile gegen die Täter des im März 1994 auf die Lübecker Synagoge verübten Brandanschlags öffentlich als zu milde kritisiert. Briefbombenattentate Beide Briefbomben waren in Österreich aufgegeben worden. Urheber dieser und anderer brutaler und heimtückischer Sprengfallen ist eine "Salzburger Eidgenossenschaft - Bajuwarische Befreiungsarmee", die unter wechselnden "Kampftrupp"-Bezeichnungen ("Graf Rüdiger von Starhemberg", "Herzog Oadilo von Bayern", "Regent Andreas Hofer von Tirol", "Friedrich II der Streitbare, Herzog von Österreich, Steiermark und Vierburgenland") seit Winter 1993 verschiedene Anschlagserien in Österreich verübte. Auch die Attentate von München und Lübeck waren von einer dritten Sprengfalle der "Bajuwarischen Befreiungsarmee" in Linz/Österreich begleitet. Dort explodierte ebenfalls am 9. Juni 1995 im Büro eines auf Ausländerinnen spezialisierten Partnervermittlungsinstituts eine Briefbombe, die die Ehefrau des Betreibers schwer verletzte. Die "Bajuwarische Befreiungsarmee" geht besonders skrupellos vor und nimmt auch den Tod und Verletzungen Unbeteiligter in Kauf: Am 24. August 1994 war eine Rohrbombe vor einer deutsch-slowenischen Volksschule in Klagenfurt/Österreich abgelegt worden. Drei Polizeibeamte, die die Bombe untersuchen wollten, wurden zum Teil 37 lebensgefährlich verletzt. I In der Nacht zum 5. Februar 1995 explodierte in Oberwart/Österreich auf der Zufahrtsstraße zu einer Roma-Siedlung ein als Sprengfalle präpariertes Verkehrszeichen mit der beschmierten Aufforderung "Roma zurück nach Indien". Vier Bewohner der Roma-Siedlung, die das Schild beseitigen wollten, fanden bei der Explosion den Tod. I Am 6. Februar 1995 detonierte in Stinatz/Österreich bei einem Müllcontainer eine Spraydose, die als Sprengfalle benutzt worden war. Ein Arbeiter der Müllabfuhr wurde schwer verletzt. H Am Morgen des 11. Dezember 1995 explodierten im Briefkasten des Postamts in Graz-Gösting/Österreich zwei Briefbomben. Eine Passantin wurde leicht verletzt. Unter den verbliebenen Postsendungen im Briefkasten befanden sich zwei weitere Briefbomben, die zunächst unversehrt sichergestellt werden konnten, beim Abtransport jedoch detonierten. Die Tatbekennungen zeigen ein äußerst abstruses Weltbild der Täter. abstruses Mit weit in die Siedlungsgeschichte Österreichs zurückreichenden Weltbild der Argumenten werden die Verbrechen vor allem ethnisch und kulturell Täter begründet. Zum Feindbild zählen neben Minderheiten vor allem diejenigen Österreicher, deren Name auf Vorfahren aus dem slawischen Raum schließen läßt. Die Anschläge von München und Lübeck belegen, daß Ländergrenzen für die Täter kein Hinderungsgrund sind, so daß zu befürchten ist, daß sich solche Attentate auch in Deutschland jederzeit wiederholen können. Seit Anfang der 90er Jahre wird in rechtsextremistischen Kreisen die Schriftreihe "Eine Bewegung in Waffen" verbreitet, die Anleitungen für den Untergrundkampf liefert. Neben propagandistischen und strategischen Hinweisen enthalten die Veröffentlichungen auch genaue Anleitungen zur Herstellung von Brandund Sprengsätzen. Gegen die mutmaßlichen Verfasser läuft ein Ermittlungsverfahren nach SS 129a StGB (Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung), das noch andauert. 38 Rechtsextremismus Bislang gibt es jedoch keine Hinweise, die darauf schließen lassen, daß sich im Bundesgebiet eine rechtsterroristische Gruppierung formiert bisher keine hat. Allerdings darf die Möglichkeit nicht außer acht gelassen werden, Hinweise auf daß militante Neonazis in den Untergrund gehen könnten, um aus der rechtsterroIllegalität heraus mit Waffengewalt ihre politischen Ziele zu verfolgen. ristische In diesem Zusammenhang ist unverändert besondere Aufmerksamkeit Gruppierung geboten. Stärkere Beachtung verdienen auch diejenigen Rechtsextremisten, die als Söldner am Krieg im ehemaligen Jugoslawien teilgenommen haben. Die dort erfolgte Waffenschulung und die Kriegserlebnisse könnten die Hemmschwelle, neonationalsozialistisch motivierte Terrorakte in Deutschland zu begehen, herabgesetzt haben. Kriegswaffen, die von diesem Personenkreis ins Bundesgebiet geschmuggelt wurden, dienten nach bisherigem Erkenntnisstand jedoch weniger der logistischen Unterstützung eines Untergrundkampfs als vielmehr der persönlichen Bereicherung durch den Verkauf der Waffen. Wie umfangreich das bei einigen Rechtsextremisten angesammelte Waffenund Sprengmaterial ist, zeigen zwei Beispiele eindrucksvoll: H Am 3. Mai 1995 wurde im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollund Waffengesetz, Verbreitens von Propagandamitteln sowie Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen die Wohnung eines Rechtsextremisten im Raum Sinsheim durchsucht, wobei zahlreiche Waffen bzw. Waffenteile, Munition und umfangreiches Nazipropagandamaterial gefunden wurden. I In der Zeit vom 15.-30. August 1995 enttarnte der militante Neonazi Peter NAUMANN aus Wiesbaden, teilweise im Beisein eines FernWaffendepots sehteams, zehn Erddepots, die größtenteils Anfang der 80er Jahre angelegt worden waren. Darin befanden sich Waffen, Munition, Sprengstoff und Zündmaterial. Ein kleiner Teil der Waffen stammte angeblich aus dem Kriegsgebiet des ehemaligen Jugoslawien. NAUMANN begründete sein Vorgehen in einer "Erklärung der kämpferischen Gewaltfreiheit" damit, daß er eine Gewalteskalation der "rechten Szene" befürchte und 39 deshalb ein "Zeichen ... zum Verzicht auf Gewaltanwendung im politischen Kampf setzen wolle. An die "politisch Verantwortlichen" appellierte er, den Verfolgungsdruck zu mindern, um "nicht weiter der Gewalt den Boden zu bereiten". Die Gesinnungsgenossen forderte er auf, sich nicht provozieren zu lassen. Wie sehr sein Gewaltverzicht taktisch motiviert ist, dokumentierte NAUMANN mit der Bemerkung, es sei "feindliche Strategie, zur Unzeit zu einem Kampf zu provozieren, der von Anfang an darauf angelegt ist, daß wir ihn verlieren". Gegen NAUMANN wurde ein Ermittlungsverfahren nach SS129a StGB (Gründung einer terroristischen Vereinigung) eingeleitet. 3. Neonationalsozialistische Organisationen und Einzelaktivisten Seit 1992 wurden in der Bundesrepublik Deutschland von den Innenministern des Bundes und der Länder insgesamt elf neonationalsozialistische Organisationen verboten: (siehe nächste Seite) Neben diesen Organisationsverboten haben insbesondere auch die andeVerurteilunren staatlichen Repressionsmaßnahmen Wirkung in der neonationalsogen zialistischen "Szene" hinterlassen. So wurden mehrere führende Neonazis wegen einschlägiger Straftaten rechtskräftig verurteilt. Der bekannte Aktivist Bela Ewald ALTHANS verbüßt in Berlin wegen seiner Aussagen im Film "Beruf Neonazi" eine 42-monatige Freiheitsstrafe; einbezogen wurde eine 18-monatige Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung, zu der er im Dezember 1994 vom Landgericht München verurteilt worden war. Weiter zu erwähnen sind noch die Verurteilungen im sogenannten Bewegungsprozeß vor dem Landgericht Stuttgart. In diesem Verfahren wurden bislang neun führende Neonazis zu Bewährungsstrafen zwischen zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sie wurden für schuldig befunden, die 1983 verbotene "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) fortgeführt zu haben. Gründer der ANS/NA war der inzwischen verstorbene Michael KÜHNEN, auf dessen Initiative hin auch die "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF), die aus der verbotenen ANS/NA hervorging, gegründet wurde. Die GdNF wurde seit dem Tod von Michael KÜHNEN im Jahr 1991 bis zuletzt faktisch vom Hamburger 40 Rechtsextremismus Neonazi Christian WORCH geführt. In den letzten Jahren trat die Organisation nur noch als anonymes Redaktionskollektiv, das über eine Kontaktanschrift in den Niederlanden die Publikation "Die Neue Front" vertrieb, in Erscheinung. Seit 1992 verbotene Organisationen Organisation verboten am/durch bundesweit Baden(zuletzt Mitglieder) Württemberg (zuletzt Mitglieder) "Nationalistische Front" (NF) ; 27. November 1992 ca. 160 ca. 20 Bundesminister des Innern "Deutsche Alternative" (DA) 10. Dezember 1992 ca. 340 keine Bundesminister des Innern "Deutscher Kameradschafts- \ 21. Dezember 1992 ca. 30 keine bund (DKB) Wilhelmshaven" 1 Innenminister von Niedersachsen (nur Niedersachsen) I "Nationale Offensive" (NO) 22. Dezember 1992 ca. 140 ca. 10 Bundesminister des Innern "Nationaler Block" (NB) IL Juni 1993 ca. 30 keine Innenminister von Bayern (nur Bayern) I "Heimattreue Vereinigung H.Juli 1993 ca. 50 [ ca. 50 Deutschlands" (HVD) Innenminister von Baden-Württemberg | (nur Baden-Württemberg) "Freundeskreis Freiheit für 2. September 1993 Funktionärsgruppe keine Deutschland" (FFD) Innenminister von Nordrhein-Westfalen 1 "Wiking-Jugend" (WJ) 10. November 1994 ca. 400 ca. 60 Bundesminister des Innern "Freiheitliche Deutsche 24. Februar 1995 ca. 430 ca. 15 Arbeiterpartei" (FAP) Bundesminister des Innern "Nationale Liste" (NL) 24. Februar 1995 ca. 30 keine Innensenator von Hamburg (nur Hamburg) "Direkte Aktion/ 5. Mai 1995 ca. 130 * keine Mitteldeutschland" (JF) Innenminister von Brandenburg (nur Brandenburg) lI ! MmmmMWmwm<""mim<'mif**lM":M I I 41 3.1 Bundesweit operierende neonationalsozialistische Gruppen 3.1.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Gründung: 1979 Sitz: Frankfurt am Main Mitglieder: ca. 50 Baden-Württemberg (1994: ca. 50) ca. 300 Bund (1994: ca. 340) Publikation: "Nachrichten der HNG" Nach den Verboten der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und der "Wiking-Jugend" (WJ) ist die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) die mitgliederstärkste bundesweit operierende neonationalsozialistische Organisation. Sie versteht sich als Sammelbecken und Solidargemeinschaft sowie zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Die HNG stellt derzeit das einzig nennenswerte organisationsübergreifende Bindeglied zwischen den einzelnen neonationalsozialistischen Gruppen und Einzelpersonen dar. Die Mitglieder in der HNG gehören in der Regel einer weiteren Neonaziorganisation oder einem organisationsunabhängigen Personenzusammenschluß an. Laut Satzung betreut die HNG "nationale politische Gefangene" und ist bestrebt, aus der Haft entlassene Gesinnungsgenossen wieder in die neonationalsozialistische "Szene" einzugliedern. Dabei liegt die Bedeutung für die "Szene" weniger in der eigentlichen Tätigkeit der HNG, der Gefangenenhilfe, sondern vielmehr in ihrer Funktion als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen, die in dieser Gruppierung - über die ansonsten bestehenden Organisationsgrenzen hinweg - zusammenarbeiten können. In ihrer monatlich erscheinenden Publikation "Nachrichten der HNG", die der Unterrichtung der Mitglieder und der "politischen Gefangenen" dient, veröffentlicht die HNG regelmäßig eine Liste von inhaftierten Rechtsextremisten. 42 Recht sextremismus 3.1.2 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) Gründung: 1987 Sitz: Ludwigshafen am Rhein Mitglieder: wenige Einzelmitglieder Baden-Württemberg (1994: ca. 10) wenige Einzelmitglieder Bund (1994: ca. 20) Publikation: "IHV e.V. für Recht und Wahrheit" (1995 nicht mehr erschienen) Das "Internationale Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) sieht seine Hauptaufgabe - ähnlich wie die Konkurrenzorganisation HNG - in der "Betreuung von inhaftierten Nationalisten". 1995 geriet der Verein durch den Rücktritt des Gründers und Vorsitzenden Ernst TAG aus Ludwigshafen am Rhein in eine schwere Krise. Es bleibt abzuwarten, ob die Organisation, die in der Neonazi-"Szene" auch 1995 nur von einem kleinen Personenkreis anerkannt wurde und ganz auf ihren ehemaligen "Führer" ausgerichtet war, diese Schwierigkeiten überwinden wird. Die mit dem IHV personell eng verbundene "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) bestand in Baden-Württemberg Ende 1995 faktisch nur noch auf dem Papier. Der letzte noch verbliebene Aktivist und Herausgeber der ASD-Publikation "Der Schulungsbrief" verbüßte bis Oktober 1995 eine 10-wöchige Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung. "Der Schulungsbrief' erschien Anfang 1995 nur noch mit einer Ausgabe. 3.2 Neonationalsozialistische Personenzusammenschlüsse und Einzelaktivisten in Baden-Württemberg Wie Ende 1994, so lag auch Ende 1995 die Zahl der unorganisierten Neonazis in Baden-Württemberg bei etwa 250 Personen. Die Mehrzahl der insgesamt 340 Neonazis war somit nicht mehr Mitglied in einer 43 neonationalsozialistischen Organisation. Auf die Verbote von Neonaziorganisationen und andere staatliche Repressionsmaßnahmen reagierte die "Szene" mit einem Umstrukturierungsund Neuformierungsprozeß. An die Stelle von Organisationen traten autonome Personenzusammenschlüsse - sogenannte Kameradschaften und Freundeskreise - deren rascher Informationsaustausch und Koordination von Aktivitäten durch moderne technische Hilfsmittel wie Mailboxen, "Nationale Info-Telefone" sowie Mobilfunktelefone gewährleistet wird Egoistische Einzelund Gruppeninteressen sowie bestehende Animositäten und Unvereinbarkeitsbeschlüsse werden - zumindest in Teilbereichen - zurückgestellt und immer stärker dem Aufbau einer integrierenden "nationalen Bewegung" untergeordnet. Mit dieser Strategie verfolgt die neonationalsozialistische "Szene" das Ziel, dem Staat weniger Anhaltspunkte für Gegenmaßnahmen zu bieten. Dadurch sollen I die bisher vollzogenen und künftigen Organisationsbzw. Parteiverbote unterlaufen, I die bisherige Zersplitterung im Interesse einer größeren politischen und medienbezogenen Wirksamkeit überwunden und I die Vernetzung durch Organisierung ohne Organisation nach dem Vorbild der linksextremistischen autonomen "Szene" vorangetrieben werden. Hierbei spielen Führer und Funktionäre verbotener oder vom Verbot bedrohter Organisationen, die auf Regionalund Bundesebene in Führungszirkeln zusammenarbeiten, eine wesentliche Rolle. Ende 1995 waren in der Bundesrepublik Deutschland sechs "Nationale Info-Telefone" (NIT) in Betrieb: NIT Berlin NIT Hamburg NIT Franken in Pommersfelden NIT Rheinland in Düsseldorf 44 Rechtsextremismus I NIT Schleswig-Holstein in Halstenbek I NIT Westfalen in Oer-Erkenschwick Von einem installierten Anrufbeantworter können regelmäßig aktualisierte Ansagetexte abgerufen werden. Die Themenpalette der abrufbaren rechtsextremistischen Informationen erstreckt sich auf Nachrichten über aktuelle Entwicklungen, staatliche Maßnahmen (Prozesse, Verurteilungen, Verbote etc.), vorgesehene Veranstaltungen, sonstige Termine sowie Hinweise auf "Szene"-Publikationen. Den NIT-Betreibern ist dabei bewußt, daß durch diese Vorgehensweise auch Sicherheitsbehörden und politische Gegner mitinformiert werden. Über die "Nationalen Info-Telefone" sind deshalb nur solche Hinweise abrufbar, die keine strafbaren Inhalte und keine internen Details enthalten. Neuerdings werden über die NIT - insbesondere in der Vorbereitungsphase von Veranstaltungen - auch Informationen zur planmäßigen Desinformation der Sicherheitsbehörden und des politischen Gegners verbreitet. Veranstaltungen, die den Sicherheitsbehörden verborgen bleiben sollen, Mobilfunktewerden u. a. über Mobilfunktelefone besprochen. Die Organisatoren der lefone Demonstrationen anläßlich des Todestags des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS arbeiten seit 1993 verstärkt mit diesem modernen Kommunikationsmittel. Während zu den Veranstaltungen in Fulda 1993 und Luxemburg 1994 zum Teil noch über "Info-Telefone" mobilisiert wurde, ist der Gedenkmarsch am 19. August 1995 in Schneverdingen/Niedersachsen ausschließlich über Mobilfunktelefone organisiert worden. Die alljährlich stattfindenden "Rudolf-HESS-Gedenkveranstaltungen" dienen in erster Linie dem Zusammenhalt und der stärkeren Verflechtung der Neonationalsozialisten im gesamten Bundesgebiet. Weiteres Ziel der Aktionen, an denen regelmäßig auch Personen aus BadenWürttemberg teilnehmen, ist eine erhöhte Medienpräsenz. Im Rahmen der Neuformierung der Neonazis nach den Verbotsmaßnahmen der letzten Jahre wurde insbesondere in Baden-Württemberg konsequent auf die Gründung neuer Organisationen verzichtet. Statt dessen sammelten sich die Aktivisten in organisationsunabhängigen "Kameradschaften", "Neonazikreisen" und "Freundeskreisen", deren 45 jeweilige Größe - u. a. bedingt durch eine teilweise hohe Fluktuation - starken Schwankungen unterliegt. Als Beispiel hierfür kann die "Kamerad"Kameradschaft Stuttgart" gelten. Nachdem bereits am 5. November schaftsaben1994 die geplante Gründung einer "Kameradschaft" in Stuttgartde"im Weilimdorf durch einen massiven Polizeieinsatz verhindert worden Großraum war, gelang es dem Initiator dieser Veranstaltung, einem führenden Stuttgart Aktivisten aus Tübingen, Anfang 1995 regelmäßige "Kameradschaftsabende" im Großraum Stuttgart zu etablieren. An diesen 14-tägigen Treffen beteiligte sich im ersten Halbjahr 1995 ein Kreis von insgesamt etwa 50 Personen, hauptsächlich aus Stuttgart bzw. den Landkreisen Esslingen und Waiblingen. Als jedoch regelmäßige polizeiliche Kontrollen der Veranstaltungen erfolgten, ging die Zahl der Teilnehmer kontinuierlich auf unter 20 zurück. größte Die zahlenmäßig stärkste "Kameradschaft" besteht seit Ende 1993 im "KameradRaum Karlsruhe. Dieser Gruppierung gehören ca. 40 bis 50 Personen schaft" in an. Ihre Führungsaktivisten unterhalten Kontakte zu verschiedenen Baden-WürtNeonaziorganisationen und Einzelaktivisten in der Bundesrepublik temberg Deutschland. Ins Blickfeld der Öffentlichkeit rückte die "Kameradschaft Karlsruhe" besonders durch ihre Beteiligung an den "Rudolf-HESS-Gedenkmärschen". Während am 13. August 1994 noch etliche ihrer Angehörigen in Luxemburg an einer solchen - durch die Polizei schließlich unterbundenen - Aktion mitwirkten, konnte ihre Teilnahme am 19. August 1995 in Schneverdingen schon im Vorfeld der Veranstaltung verhindert werden. Von immerhin regionaler Bedeutung ist auch der aus der Skinheadbewegung hervorgegangene "STAUFER-STURM-Göppingen" (SSG). Zum engeren Kreis dieser Gruppierung sind etwa 10, zum Umfeld zwischen 30 und 40 überwiegend noch sehr junge Personen zu rechnen. Öffentlichkeitswirksame Aktionen des SSG wurden 1995 nicht bekannt. Der Leiter der Gruppe fungierte zeitweise auch als Bezirksführer des "Internationalen Hilfskomitees für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) für Nordwürttemberg. 46 Rechtsextremismus 4. Rechtsextremistische Parteien 4.1 "Die Republikaner" (REP) Gründung: 1983 Sitz: Berlin Mitglieder: ca. 2.000 Baden-Württemberg, (1994: 2.100) ca. 16.000 Bund (1994: ca. 20.000) Publikation: "DER REPUBLIKANER" (erschien 1995 als 4-seitige Notausgabe) - Gründung Im November 1983 wurde die Partei "Die Republikaner" von zwei ehemaligen CSU-Bundestagsabgeordneten und dem Publizisten und langjährigen Bundesvorsitzenden Franz SCHÖNHUBER gegründet. Organisation Zwar ist die Partei in allen Bundesländern durch Landesverbände verStagnation treten, allerdings gibt es immer noch erhebliche Unterschiede hinsichtin den neuen lich deren Aktivitäten. Der ohnehin in den neuen Bundesländern eher Bundeslänschleppend vorangegangene Aufbau stagniert nunmehr gänzlich. dern Nicht zuletzt deswegen konnte der Landesverband Baden-Württemberg seine spätestens seit dem Wahlerfolg bei der Landtagswahl 1992 eingenommene Vormachtstellung weiter behaupten. Mitursächlich hierfür ist zudem die Ämterbündelung von Dr. Rolf SCHLIERER, der neben dem Parteivorsitz auch den Vorsitz in der baden-württembergischen Landtagsfraktion der REP innehat. Neben den Kreisverbänden in sämtlichen Landkreisen Baden-Württembergs verfügt der hiesige Landesverband noch über einige intakte Ortsverbände, deren Zahl sich 1995 nicht wesentlich verändert hat. Sowohl auf Landesals auch auf Bundesebene sind die MitgliederzahMitgliederlen der REP weiter rückläufig und werden in der Partei unterschiedlich schwund hoch angegeben. Damit einher geht eine deutlich nachlassende Unterstützung der Partei durch ihre Anhänger. Immer häufiger ist sogar aus 47 Funktionärskreisen der Vorwurf der "Selbstbedienungsmentalität" hinsichtlich der Parteifinanzierung zu hören. Durch die Wahl eines neuen Landesvorstands auf dem Mannheimer Landesparteitag am 13. Mai 1995 ergaben sich keine gravierenden Änderungen. KÄS wurde in seinem Amt als Landesvorsitzender bestätigt. Neben Dr. SCHLIERER gilt er unverändert als wichtiger Führungsfunktionär der Partei, auch über die baden-württembergischen Landesgrenzen hinaus. keine Von der Jugendorganisation der REP, der "Republikanischen Jugend" wesentlichen (RJ), gingen 1995 wieder keine wesentlichen Aktivitäten aus. Sie Aktivitäten kommt über die Aufbauphase, in der sie sich immer noch zu befinden der Jugendscheint, offenbar nicht hinaus. Allerdings gelang es dem "Arbeitskreis Organisation Republikanische Jugend in Baden-Württemberg", nach 1993 eine zweite Ausgabe der Publikation "jetzt" mit einer Auflagenstärke von 5.000 Stück herauszugeben. Als eine "Vereinigung innerhalb der Bundespartei" existiert ein als Berufsverband gegründeter "Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB). Diese Einrichtung, die bundesweit über ca. 150 Mitglieder verfügen soll, strebt nach ihrer Satzung u. a. an, Mitglieder bei "beruflicher Benachteiligung" wegen ihrer Parteizugehörigkeit zu unterstützen. Das Parteiorgan der REP, "DER REPUBLIKANER", erschien aufgrund erheblicher finanzieller Probleme im Jahr 1995 lediglich alle zwei Monate - bis Ende 1994 erschien es noch monatlich - in einer nur vier Seiten umfassenden Ausgabe. Über die Auflagenzahl hat sich die Partei offiziell bislang nicht geäußert. Es ist allerdings davon auszugehen, daß die Zeitung in erheblich geringerer Auflage erscheint, als es bis Ende 1994 mit ca. 100.000 Exemplaren der Fall war. * Politischer Kurs Auch nach dem Wechsel an der Führungsspitze ist die antidemokratische Einstellung der Partei unverkennbar, wenngleich der Bundesvor48 Rechtsextremismus sitzende Dr. SCHLIERER auf dem Parteitag des Landesverbandes Baden-Württemberg im Mai 1995 zur programmatischen Ausrichtung der Partei behauptete, daß es mit ihm weder eine Annäherung nach "Rechtsaußen" noch einen "Schwenk zur Mitte" geben werde. Seite 3: - Inquisition - Hexenjagd auf die "Neue Rechte" REPUBLIKANER 3-4/95 März / April 1995 Preis: 1,00 DM Offizielles Organ der Bundespartei 12. Jahrgang Z 11263 E 8. Mai 1945 Tag der Trauer und des Gedenkens Fünf Jahrzehnte nach dem Kriegsende wird die deutsche Vergangenheit erneut bewältigt. Zum Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte sind "Befreiungsfeiern" geplant. Oer 8. Mai wird zum Freudentag um funktioniert. Die vernichtende Niederlage Deutschlands und der Beginn von Vertreibungsterror und neuer Unterdrückung im Osten werden verschwiegen, Dieser Geschichtskiitterung müssen wir entgegentreten. Dies erfordert schon die Achtung vor den ungezählten deutschen Opfern, die ihr Leben nicht nur vor dem 8. Mai, sondern auch noch danach verloren haben. In diesem Sinne hat das Bundespräsidium der Republikaner Anfang April in Berlin folgende Stellungnahme verabschiedet: Nach wie vor versuchen die REP, sich als Sammlungsbewegung demokratischer Patrioten darzustellen und weisen rechtsextremistische Tendenzen weit von sich. Allerdings lassen sich aufgrund politischer Verlautbarungen der REP die für eine Organisation des rechtsextremistischen Spektrums typischen Agitationsfelder wiederfinden. Ein wichtiges Thema der Partei ist immer noch die Ausländerund einseitige Asylpolitik. In den von Fremdenfeindlichkeit geprägten Aussagen verSchuldzuweiknüpft sie damit in vereinfachender Weise Umweltfragen, Kriminalität, sung Arbeitslosigkeit, Steuerbelastung, Wohnungsnot und macht so Ausländer und Asylbewerber für eine Vielzahl sozialer und wirtschaftlicher Probleme verantwortlich: 49 "... Ich scheue mich nicht, die gegenwärtige Entwicklung, geprägt durch Masseneinwanderung, als den Versuch der systematischen Überfremdung darzustellen. Ich spreche dies ganz offen an, wenn ich sage, hier wird der Genozid am deutschen Volk vorbereitet... ... Flankiert wird das Ganze durch eine gigantische Plünderung unserer Kassen... ... Allein mehrere Milliarden Mark werden zur Integration Jahr für Jahr hier nach Deutschland einwandernder Menschen benötigt... ... Ich finde es immer wieder demütigend, wenn wir feststellen müssen, daß wir Deutsche uns im eigenen Lande hinten anzustellen haben. Daß wir immer diejenigen sind, die den kürzeren ziehen ... ... Es ist eine unglaubliche Entwicklung im Gange, meine Damen und Herren. Realität ist, daß man uns offensichtlich zu Deppen im eigenen Lande zu machen bereit ist." (Landesvorsitzender Christian KÄS auf dem Landesparteitag in Mannheim am 13. Mai 1995) Schüren von Durch Darstellung der Deutschen als Opfer einer multikulturellen Neid und Gesellschaft wecken die REP überdies Neid und Unzufriedenheit und Unzufriedenfördern eine fremdenfeindliche Haltung in der Bevölkerung: heit " Wir wollen nicht mehr der Schauplatz sein für die multiethnischen Phantasien unserer Regierungen, wir wollen nicht mehr die Opfer steigender ausländischer und antideutscher Gewalt sein, wir stehen nicht 50 Rechtsextremismus mehr zur Verfügung als Tummelplatz, aller Rassen und Völker dieser Welt und deshalb wiederholen wir den alten Ruf nach dem Ende der Massenzuwanderung so laut und ungebrochen, daß es auch im letzten Negerkral in Afrika klar sein muß: Deutschland will sie nicht, Deutschland will sie nicht, Deutschland will sie nicht. " (Christian KÄS auf dem "Republikanertag" am 3. Oktober 1995 in Stuttgart) "Ohne die steigende Zahl von ausländischen Schulkindern sowie Kindern von Aussiedlern hätten wir in Deutschland und Baden-Württemberg ideale Schulverhältnisse." (Pressemitteilung Nr. 221/95 der "Republikaner" im Landtag von Baden-Württemberg vom 20. November 1995) "Das Schlagwort von der 'multikulturellen Gesellschaft' entpuppt sich bei Betrachtung der zuletzt geschilderten Zustände allzurasch als hohle Floskel. Deutschland würde sich dabei nicht als heiter-exotisches Nebeneinander von Chinarestaurants, Pizzerias, islamischen Moscheen oder Kebap-Buden präsentieren, sondern - zumindest in besonders exponierten Großstädten - als Nebeneinander von rassisch und religiös streng separierten Ghettos, deren Atmosphäre keineswegs von Folklore, sondern vielmehr von Rassenkrawallen nach dem Muster Los Angeles geprägt wäre." ("jetzt", 2/95 - Informationsschrift des "Arbeitskreises Republikanische Jugend in Baden-Württemberg") Nachdem die REP in ihrem Parteiorgan die Befürchtung zum Ausdruck brachten, nach der Bundestagswahl 1994 nicht mehr "Herr im eigenen Haus" zu sein ("DER REPUBLIKANER", 10/94), äußerte sich auch der Landesvorsitzende Christian KÄS in einer Pressemitteilung vom 18. Juli 1995 unter der Vorbehalte gegen ein Ausländerwahlrecht schürenden Überschrift "REPUBLIKANER lehnen Ausländerbürgermeister & Co. ab" wie folgt: "Mit diesem Gesetz sind die Deutschen in Baden-Württemberg nicht mehr Herr in ihrem Haus." Unter dem Titel "Mulitkulturelles - Multi-Kulti-Tumulti" wurde 1995 in der Informationsschrift "jetzt" des "Arbeitskreises Republikanische 51 Jugend in Baden-Württemberg" ausgeführt: " Wer sagt eigentlich, daß das Rentenproblem nur durch neue Einzahler aus anderen Ländern und Kulturen gelöst werden kann? Wenn die Grenze für eine wilde Massenzuwanderung fällt... Solche Einwanderer brauchen eine vom Staat finanzierte Ausbildung. Da kann dann gleich das Geld ... in die Rentenkasse fließen. Zudem ist eine Erhöhung der Rentenversicherung eher tragbar als ein Rassenkonflikt vor der eigenen Wohnungstür." Daneben offenbart die - das tolerierbare Maß der politischen Auseinandersetzung weit übersteigende - DifDiffamierung famierung demokratischer Institutiodemokratinen und Personen eine Ablehnung scher Institudes Mehrparteienwahlsystems und tionen und des Grundsatzes der ChancenPersonen gleichheit der Parteien. Die REP scheuen sich dabei nicht, den demokratischen Rechtsstaat auf eine Stufe mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime zu i stellen. Bewußt wird versucht, die Bevölkerung pauschal gegen die Vertreter der demokratischen Parteien aufzuhetzen, indem diese in verunglimpfender Weise als unfähig, korrupt und unehrlich dargestellt werden, die gegen die Interessen des eigenen Volkes handelten. Ein Nachlassen dieser seit Jahren anhaltenden aggressiven Agitation zugunsten einer sachlichen, argumentativ geführten Auseinandersetzung ist unverändert nicht festzustellen. Dies wird durch folgende Äußerungen unterstrichen: " SPD-CDU-Koalition hält nur, weil SPD-Minister sich wegen Pension an die Ministersessel klammern ... Nur noch die Geldgier (Pensionen) der SPD-Minister hat der neuen Kultusministerin SCHAVAN am 19. Juli die Mehrheit im Landtag gesichert." ("LudwigsburgerNotizen", erschienen 1995) 52 Rechtsextremismus "... korrupten Politikern der Altparteien zeigen, wo der Ausgang ist." (KÄS auf dem "Republikanertag" am 3. Oktober 1995 in Stuttgart-Bad Cannstatt) "Zur verzweifelten Rettung der Pfründe wird einfach ignoriert, daß bereits seit Jahren bekannt ist, wer hinter Hakenkreuzschmierereien, Anschlägen und Drohbriefen meist wirklich steckt: die Stasi... ...Politik wird aber in Deutschland längst nicht mehr für das Volk schlechthin betrieben, sondern zur Sicherung der eigenen Karriere." (REP-Broschüre "Die Spitze des Eisbergs", erschienen 1995) Insbesondere der baden-württembergische Innenminister war Ziel einer Diffamierungskampagne der REP: "... Nicht wir sind die Verfassungsfeinde, sondern Herr BIRZELE tut alles, um die Verfassung hinter dem Rücken der Öffentlichkeit zu demontieren. Herr BIRZELE ist der Verfassungsfeind." (KÄS auf dem Landesparteitag am 13. Mai 1995 in Mannheim) "Herr BIRZELE, ich halte Sie für einen Verräter eigener Ideale, einen eiskalten Schreibtischtäter, der diesem Land und seinen Menschen mehr Schaden zugefügt hat, als es Jahre alliierten Bombenterrors je vermocht hätten. " (KÄS auf dem "Republikanertag" am 3. Oktober 1995) Trotz aller Bemühungen, den vorhandenen Antisemitismus in der Partei nicht nach außen dringen zu lassen, gelang dies den REP nicht gänzlich. Dies zeigte sich in der Vergangenheit insbesondere an den öffentlichen Äußerungen des früheren Bundesvorsitzenden Franz SCHÖNHUBER, der ohne innerparteiliche Konsequenzen vor allem den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz BUBIS, angriff: "... Ich weiche keinen Zentimeter davon, Herrn BUBIS als einen der schlimmsten Volksverhetzer Deutschlands zu bezeichnen ... Die Volksverhetzer sind Herr BUBIS, Herr FRIEDMANN und andere." (aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 9. April 1994, veröffentlicht 1995 in der REP-Broschüre "Spitze des Eisbergs") 53 Das Verhältnis zum "Dritten Reich" stellt ebenfalls ein Indiz für die Beurteilung der Haltung einer Partei zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung dar. Für rechtsextremistische Organisationen und ParVerharmloteien ist es kennzeichnend, daß sie die Verbrechen der NS-Diktatur sung der leugnen, verharmlosen oder verdrängen, zumindest aber dieses Kapitel nationalsoziader Geschichte als abgeschlossen und somit als erledigt betrachten wollistischen Verlen. Nach Überzeugung der REP unterliegt das deutsche Volk seit 1945 gangenheit einer "Umerziehung": "Bei einer rechten Partei kommt in Deutschland auch immer noch die Aufgabe der Überwindung der Nachkriegsumerziehung dazu." (Rundbrief von Christian KÄS vom 27. April 1995) Das Bundesverwaltungsgericht stellte 1980 fest, daß die Bezeichnung "Umerziehung" für die Wiederbegründung der deutschen Demokratie unter dem Einfluß der westalliierten Besatzungsmächte den Schluß nahelegt, daß der Verwender dieses Begriffs mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarende Ziele verfolgt. * Kontakte zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen Unübersehbar sind inzwischen die offen gehegten Sympathien von Parteimitgliedern für andere rechtsextremistische Gruppierungen. Prominentestes Beispiel war der frühere Bundes Vorsitzende SCHÖNHUBER. Schien im August 1994 seine Kontaktaufnahme mit dem Parteivorsitzenden der "Deutschen Volksunion" (DVU), Dr. Gerhard FREY, noch ein einmaliger Exkurs zu sein, so belegten seine Äußerungen im Jahr 1995, daß er und viele hinter ihm stehende Parteimitglieder eine "Vereinigte Rechte" anstreben und von Abgrenzungen gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen nichts mehr halten. Er bekannte sich dazu sowohl in den Parteiorganen der DVU, der Beteiligung "Deutschen Wochenzeitung" (DWZ) und der "Deutschen National-Zeian "runden tung" (DNZ), als auch in der rechtsextremistischen Publikation "NATITischen" ON & EUROPA - Deutsche Rundschau". In deren Ausgabe 7-8/95 wurde auch vom REP-Landesverband Thüringen ein "Runder Tisch" über die Zukunft der "deutschen Rechten" vorgeschlagen. Führende 54 Rechtsextremismus Funktionäre "rechter" Parteien nahmen schließlich hieran teil. Als Ergebnis wurde das "Eisenacher Signal - Ein Modell für alle Patrioten" verabschiedet. Die Bundesführung der REP distanzierte sich zwar nach außen von einer Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten und drohte erwartungsgemäß mit Konsequenzen. Tatsächlich aber ist SCHÖNHUBER sogar zum Ehrenmitglied des Landesverbands Thüringen und - in Anwesenheit seines Nachfolgers als Parteichef, Dr. Rolf SCHLIERER - zum Ehrenvorsitzenden des Landesverbands Sachsen gekürt worden. Ein von den REP für die baden-württembergische Landtagswahl als Zweitkandidat des Wahlkreises 68 (Wangen) nominierter Parteifunktionär hat Ende September 1995 an der alljährlich in Passau stattfindenden Großveranstaltung der "Deutschen Volksunion" (DVU) teilgenommen. Auch die ansonsten bedeutungslos gebliebene Jugendorganisation der Partei, die "Republikanische Jugend" (RJ), fiel einzig im ZusammenKontakte zu hang mit ihren Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen OrganiNeonazis sationen auf. Anläßlich eines Grillfests im September 1995, zu dem der baden-württembergische REP-Landesvorsitzende KÄS eingeladen und bei dem der Vorsitzende der RJ im Raum Karlsruhe als Ansprechpartner und Organisator fungiert hatte, erschienen etliche Teilnehmer aus der neonationalsozialistischen "Kameradschaft Karlsruhe" und dem übrigen rechtsextremistischen Umfeld. Nach dem öffentlichen Bekanntwerden dieser Kontakte der REP zu anderen Rechtsextremisten durch eine Pressemitteilung des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 22. November 1995 wies die Partei erwartungsgemäß die Vorwürfe im wesentlichen zurück. Angesichts der vorliegenden gesicherten Erkenntnisse stellte die Gegendarstellung der REP allerdings lediglich ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver dar. Am 15. Februar 1996 fand in Kusterdingen bei Tübingen eine Vortragsveranstaltung des Rechtsextremisten Dr. Hans-Heinrich EBNER aus Tübingen statt, an der neben einigen Neonazis und anderen Rechtsextremisten auch der damalige Landtagsabgeordnete der REP, KarlAugust SCHAAL, teilnahm. Bei diesem Treffen bat SCHAAL die Anwesenden ausdrücklich darum, ihn im Wahlkampf aktiv zu unterstüt55 zen, zum Beispiel durch das Verteilen von Flugblättern und das Kleben von Wahlplakaten. Bei der Veranstaltung war auch der bekannte Neonazi Alois HOGH anwesend, der früher erster stellvertretender Landesvorsitzender der mittlerweile verbotenen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) war und als Mitangeklagter im sogenannten "Bewegungsprozeß" am 16. Mai 1995 vom Landgericht Stuttgart wegen Weiterführung der bereits 1983 verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. HOGH war im März 1996 im Kreis Tübingen mit dem Fahrzeug von SCHAAL unterwegs, um gemeinsam mit anderen, darunter der stellvertretende Tübinger REP-Kreisvorsitzende, Wahlplakate für die "Republikaner" zu kleben. * Beobachtung der Partei durch die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern Beobachtung Die Partei "Die Republikaner" wird von den Verfassungsschutzbehörin allen den aller Bundesländer und vom Bundesamt für Verfassungsschutz Bundeslänbeobachtet; dabei kommen überwiegend auch nachrichtendienstliche dem Mittel in unterschiedlicher Prägung zum Einsatz. Mit Ausnahme von Niedersachsen, das seinerzeit eine abweichende Rechtslage aufwies, wurde das Vorgehen der Verfassungsschutzbehörden - zumeist in Eilverfahren - durch die Gerichte bestätigt. Trotz mehrfacher Ankündigung wurde von den "Republikanern" in Baden-Württemberg bisher keine Klage in der Hauptsache erhoben. * Aktivitäten 1995 fanden im Land lediglich zwei REP-Veranstaltungen mit erwähLandesparteinenswerter Bedeutung statt. tag in MannIm Rahmen des Landesparteitags am 13. Mai in Mannheim erfolgte die heim Neuwahl des baden-württembergischen Landes Vorstands. Der Parteitag verlief ohne größeres öffentliches Aufsehen. Des weiteren fand am 3. Oktober in Stuttgart die "Traditionelle Veranstaltung zum 3. Oktober" statt. Während dieser nichtöffentlichen Versammlung wurde der Entwurf des neuen Landeswahlprogramms des 56 Rechtsextremismus Landesverbands Baden-Württemberg gebilligt. Wahlen Der negative Trend im "Superwahljahr" 1994 setzte sich für die REP 1995 fort. Die Partei scheiterte überall, wo sie sich zur Wahl stellte, an der 5 %-Sperrklausel (Landtagsbzw. Kommunalwahlen in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Berlin). Bereits im Frühjahr 1995 hatte sich die Parteiführung - vermutlich aus finanziellen Erwägungen und um nicht noch eine weitere Wahlniederlage hinnehmen zu müssen - dazu entschlossen, auf die Teilnahme an der Landtagswahl in Schleswig-Holstein im März 1996 zu verzichten. Zentrale Bedeutung für die Zukunft der Partei wurde der Landtagswahl erfolgreiches in Baden-Württemberg am 24. März 1996 beigemessen. Die "RepubliAbschneiden kaner" erhielten bei der Wahl 9,1% der abgegebenen Stimmen. Dies bei Landtagsbedeutet zwar gegenüber der Landtagswahl 1992 einen Rückgang um wahl in 1,8%. Dennoch sind sie mit 14 Abgeordneten wieder im Landtag von Baden-WürtBaden-Württemberg vertreten. temberg Machtkämpfe innerhalb der Partei Die schon auf dem Bundesparteitag im Dezember 1994 deutlich gewordene schwierige Situation der REP setzte sich 1995 fort. Der mit lediglich 56 % der Delegiertenstimmen gewählte Bundesvorsitzende Dr. SCHLIERER hatte mehr denn je mit seinem Vorgänger und dessen Anhängern in der Partei zu kämpfen. SCHÖNHUBER, der insbesondere bei den "Republikanern" in den neuen Bundesländern hohes Ansehen genoß und dort großen Einfluß besaß, kritisierte mehrfach öffentlich die neue Parteiführung außerordentlich scharf. Daneben trat er - entgegen anderslautender Beschlüsse der Partei - für eine Öffnung gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen ein, verurteilte seine damaligen Abgrenzungen zu ihnen und verteidigte seine Kontaktaufnahme mit dem Vorsitzenden der DVU im August 1994. Trotzdem wurden ihm verschiedene Ehrenämter in der Partei zuerkannt. Der Parteiaustritt SCHÖNHUBERS im November 1995 kam dann für 57 die gesamte Partei völlig unerwartet und aus taktischen Gesichtspunkten für die REP zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Offenbar befürchtete die REP-Spitze im Falle eines Rückzugs SCHÖNHUBERS aus der ParParteiaustritt tei existentielle Konsequenzen für die REP: deren vorzeitige Spaltung SCHONund ein endgültiges Abrutschen in die politische Bedeutungslosigkeit. HUBERS Diese Folge blieb zwar aufgrund des für die REP positiven Landtagswahlergebnisses in Baden-Württemberg am 24. März 1996 aus. Ob dies jedoch gleichzeitig ein Ende der parteiinternen Flügelkämpfe bedeutet, ist weiterhin offen. Die zukünftige Entwicklung bleibt abzuwarten. 4.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als politische Partei Sitz: München Mitglieder: ca. 2.200 Baden-Württemberg (1994: ca. 2.700) ca. 15.000 Bund (1994: ca. 20.000)' Publikationen: "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ) 1 Dr. Frey gibt höhere Zahlen an Organisation Die DVU verfügt zwar in allen Bundesländern über Landesverbände, autoritärer deren Organisationsgrad jedoch sehr unterschiedlich entwickelt und vor Führungsstil allem in den neuen Bundesländern eher schwach ausgeprägt ist. Ein maßgeblicher Grund hierfür ist der zentralistische und autoritäre Führungsstil des Parteivorsitzenden. In Baden-Württemberg existieren Kreisverbände in Stuttgart, Ludwigsburg, Esslingen, Göppingen, Böblingen, Rems-Murr-Kreis, Heilbronn und Konstanz, die jedoch alle weitgehend inaktiv sind. * Aktuelle Situation Die "Deutsche Volksunion" (DVU) hat 1995 - anders als im Vorjahr, in dem sie sich nicht dem Votum der Wähler gestellt hatte - am 14. Mai an 58 Rechtsextremismus den Bürgerschafts wählen in Bremen teilgenommen. Nachdem sie 1991 noch 6,18 % der Stimmen (= 6 Mandate) erzielt hatte, reichten ihr 1995 lediglich 2,47 % der Stimmen nicht zum Wiedereinzug in die Bremische Bürgerschaft. Hingegen konnte sie sich am 24. September bei der Wahl zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung trotz deutlicher Verluste mit immerhin 5,7 % knapp behaupten. Die bekanntermaßen engen persönlichen und politischen Kontakte zwischen dem Bundesvorsitzenden der DVU, Dr. FREY, und dem Vorsitenge Kontakte zenden der nationalistischen "Liberaldemokratischen Partei Rußlands" zu russischem (LDPR), Wladimir SCHIRINOWSKIS wurden weiter gepflegt. NationalistenGemeinsam hatten sie bereits 1994 in der fünf Punkte führer umfassenden "Moskauer Erklärung" die Freundschaft zwischen Russen und Deutschen bekräftigt. Diese Erklärung wurde durch eine "Entschließung" vom 12. Juli 1995 um vier Punkte erweitert; so sind beispielsweise regelmäßige Beratungen der beiden Parteivorsitzenden vereinbart worden. SCHIRINOWSKI! steht für eine aggressive, großrussische Politik nach außen und ein praktisch diktatorisches Regime nach innen. Seine politischen Bekenntnisse zeugen von Selbstund Sendungsbewußtsein und dem festen Glauben, 1996 russischer Präsident zu werden. Darüber hinaus wird seine Absicht deutlich, die NATO aus Europa zu verdrängen und die bestehende Kräftekonstellation durch eine russisch-deutsche Hegemonialachse zu ersetzen. Mit 22,9 % der Stimmen war der Exzentriker SCHIRINOWSKI! 1993 Überraschungssieger bei den Wahlen zur russischen Staatsduma. 1995 hat sich seine Anhängerschaft auf die Hälfte (11,1 %) reduziert. Damit büßte die LDPR ihre bisherige Spitzenstellung unter den russischen Parteien ein. Nachdem es im August 1994 überraschend zu einem "Meinungsaus59 tausch" zwischen Dr. FREY und dem seinerzeitigen Bundesvorsitzenden der Partei "Die Republikaner" (REP), Franz SCHÖNHUBER, gekommen war, gab es 1995 weitere Berührungspunkte zwischen SCHÖNihnen. In der "Deutschen Wochen-Zeitung" (DWZ), einem der SprachHUBER agiröhre von Dr. FREY, wurde im Juli 1995 nicht nur auf das jüngste Buch tiert in der SCHÖNHUBERS hingewiesen, der ehemalige REP-Bundesvorsitzende DWZ gegen gab der DWZ auch ein Interview, in dem er die Parteiführung der REP die REP stark angriff: "Deshalb werde ich mit schonungsloser Deutlichkeit auf Vorgehensweisen von REP-Funktionären hinweisen, die für die Talfahrt der Republikaner verantwortlich sind ... Nicht das Treffen (mit Dr. FREY) hat geschadet, sondern die bewußt in die Welt gesetzten Fehlinterpretationen von karrieresüchtigen Ehrgeizlingen ... Wenn aber zwei Deutsche sich aus Sorge um unser Land treffen, heult die ganze Medienkamarilla auf und ein Teil der REP-Putschisten vom LI0.1994 mit." (Franz SCHÖNHUBER in der DWZ, Nr. 28/95 vom 7. Juli 1995) B Politischer Kurs Die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung der DVU offenbart sich vor allem in den Publikationen DWZ und DNZ. Trotz aller Lippenbekenntnisse zum Grundgesetz setzt die DVU unbeirrt ihre verfassungsfeindliche Agitation fort. Beide im Verlag von Dr. FREY erscheinenden Blätter greifen regelmäßig tagespolitische Themen auf, die sie traditionellen rechtsextremitraditionelle stischen Feindbildern zuordnen. Dabei wird hauptsächlich gegen Ausrechtsextremiländer gehetzt. Eine eventuelle weitere Zuwanderung würde zu einem stische Feindexistentiellen Problem der deutschen Nation. Der damit verbundene disbilder kriminierende Unterton muß als Angriff auf die im Grundgesetz garantierte Menschenwürde gewertet werden: ,, Wird Deutschland türkisch? Die immer noch viel zu hohen Einwanderungszahlen werden in Deutschland für einen gesellschaftlichen Sprengstoff sorgen, dessen Detonationskraft heute noch kaum abzusehen ist 60 Rechtsextremismus V^iiegroßeUte e "Befreiung - " , ? " * % c s über-ens. W -^4. deUteSSJE"=BS9 Was verhe.* ""SfllTlfi ^Ä!*^: KZ-Lügen m~%skSi wirklich g e * - -- Sau" 8. Wia" 1 mörderische DerSieger Wie Beut^ deg f t f*Ä,,TUBUND w IBTSCHArr_ """""" ef.B HAtlOHW-l ja-Jort Ist das unser " . , . i ! i < f l -- artet ßnwa Bonn erw ... Die realexistierende multikulturelle Gesellschaft der USA gibt uns aber ebenso einen Vorgeschmack auf Kommendes, wie die beginnenden Stellvertreterkriege islamischer Extremisten auf deutschem Boden ... 61 Auch wer sich von drogendealenden, in öffentlichen Parks hammelschlachtenden Ausländern ebensowenig angezogen fühlt, wie von Männern, die ihre Frauen unter Kopftücher zwingen und zu Arbeit antreiben, ..." (DWZ, Nr. 50/95 vom 8. Dezember 1995) "Immer mehr Banditen aus dem Ausland - Das wahre Ausmaß der Gefahr" (DNZ, Nr. 28/95 vom 7. Juli 1995) In den Wochenzeitungen Dr. FREYs ist es üblich, den Holocaust durch Gegenüberstellung mit Verbrechen anderer Völker zu relativieren und zu verharmlosen. Dieses Thema war gerade hinsichtlich des 50. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa für Dr. FREY von besonderer Bedeutung. Er ließ deshalb keine Gelegenheit aus, den 8. Mai 1945 als Tag der Niederlage Deutschlands gegen die angeblich Verantwortung für zahlreiche Übergriffe an deutschen Frauen, Kindern und Zivilisten tragenden Alliierten darzustellen. * Aktivitäten GroßkundHöhepunkte der insgesamt wenig auffälligen DVU-Aktivitäten bildeten gebung in 1995 der Bundesparteitag am 15. Juli in München, der am selben Tag Passau wie der bayerische Landesparteitag stattfand, sowie die alljährliche Großkundgebung am 30. September in der Passauer Nibelungenhalle. Auf dem Bundesparteitag wurden erwartungsgemäß die von Dr. FREY vorgeschlagenen Kandidaten gewählt bzw. in ihren Ämtern bestätigt, darunter als Stellvertreter des Bundesvorsitzenden der baden-württembergische Landesvorsitzende Peter JÜRGENSEN. SCHIRINOWSKI den Dr. FREY kurz vorher in Moskau getroffen hatte, sandte ein Grußwort. Die von ca. 2.500 Personen besuchte DVU-Großveranstaltung am 30. September 1995 verlief störungsfrei. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Recht und Freiheit für Deutschland". Aufgrund eines bestehenden Einreiseverbots konnte SCHIRINOWSKIJ an ihr nicht teilnehmen. Nachdem im Jahre 1994 noch regelmäßige Treffen der nur in BadenWürttemberg existierenden "Jungen Deutschen in der DVU" zu registrieren waren, konnten diese 1995 nicht mehr festgestellt werden. 62 Rechtsextremismus Die politische Arbeit der DVU beschränkte sich 1995 in Baden-Württemberg auf interne Zusammenkünfte, die ohne Außenwirkung blieben. 4.3 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Stuttgart Mitglieder: ca. 550 Baden-Württemberg (1994: ca. 600) ca. 4.000 Bund (1994: ca. 4.500) Publikation: "Deutsche Stimme" (DS) Organisation Die Partei ist in allen Bundesländern mit Landesund teilweise mit Bezirksund Kreisverbänden vertreten. Die Mitgliederzahl ging weiter zurück. In Baden-Württemberg existieren derzeit 18 Kreisverbände. Die nur spärlich vorhandenen Finanzmittel - die NPD muß noch ca. 1,2 Mio. DM für Wahlkampfkosten Vorauszahlungen an Bund und Land desolate zurückzahlen - erschweren eine öffentlichkeitswirksame Parteiarbeit. finanzielle Vor allem eine der NPD Anfang 1994 zugefallene großzügige Erbschaft Lage in Erlingen unter Achalm/Kreis Reutlingen - u. a. eine alte Villa mit Garten im Wert von ca. 2 Mio. DM - läßt die Partei jedoch auf bessere finanzielle Zeiten hoffen. Aktuelle Situation Die seit Juli 1991 von dem ehemaligen Oberstudienrat Günter DECKERT, Weinheim, geführte "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) geriet durch dessen überraschende Entmachtung im Herbst 1995 in eine existenzgefährdende Situation. Das Parteipräsidium hatte ihn am 30. September 1995 mit sofortiger Wirkung von seinen Ämtern enthoben, "da durch rasches Handeln eine Schädigung der NPD verhindert werden mußte". Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Verdacht, daß er mit Parteigeldern unsachgemäß umgegangen sei. Angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Nachlaßverwaltung aus einer Erbschaft der NPD in Eningen unter Achalm/Kreis Reutlingen 63 sollen hierfür genauso ausschlaggebend gewesen sein wie ein offenbar unkorrekter Umgang mit Spendengeldern. Auch DECKERTs offen geäußerte antijüdische Haltung und sein "chaotischer Führungsstil" boten Anlaß zur massiven Kritik an ihm. Bei einer Eilsitzung des Parteivorstands am 8. Oktober 1995 wurde ein Antrag DECKERTs auf Aufhebung der gegen ihn gerichteten Maßnahme abgelehnt. AuseinanderSowohl das Landesschiedsgericht Baden-Württemberg als zuständige setzungen um Instanz auf Landesebene als auch das daraufhin vom amtierenden ParDECKERT teivorstand angerufene Bundesschiedsgericht entsprachen dann jedoch dem Antrag DECKERTs auf Zurückweisung des Amtsenthebungsbeschlusses. Daraufhin beschloß der amtierende Parteivorstand am 14. Januar 1996, den in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal einsitzenden DECKERT wieder in sein Amt als NPD-Vorsitzender einzusetzen. Die beiden stellvertretenden Parteivorsitzenden sollten bis zur Neuwahl des ust Holoca ~ gesamten Bundesvorstandes Warum der auf einem außerordentlichen Parteitag "in gegenseitiger Abstimmung die Vertretung der Partei nach innen und außen" wahrnehmen. In einer gleichzeitig herausgegebenen Pressemitteilung der NPD wurde DECKERT allerdings "wegen der satzungswidrigen Handlungen und Unterlassungen" in scharfer Form gerügt. Bei dem dann schließlich am 23. und 24. SSSg*?"***- i ...i^htia ist März 1996 in Bad Durkheim (Rheinland-Pfalz) durchgeführten SSrtü-i-22, Rev"si außerordentlichen Bundesparteitag konnte sich der bayerische NPDneuer NPDLandesvorsitzende Udo VOIGT mit 5 Stimmen Mehrheit als neuer ParVorsitzender teivorsitzender gegen DECKERT durchsetzen. DECKERT selbst wurde mit großer Mehrheit zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. 64 Rechtsextremismus * Politischer Kurs Unter DECKERTs Führung waren die politischen Aussagen der NPD oft "revisionistischer" Natur (Leugnung der Judenvernichtung im "Dritten Reich") und gegen Juden - insbesondere gegen den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz BUBIS - gerichtet. In einer Pressemitteilung der NPD vom 1. August 1995 nahm die Partei die Vorgänge um ein Geiseldrama am 28. Juli 1995 in Köln, bei dem ein in Rußland geborener Jude mehrere Menschen getötet bzw. verletzt hatte, zum Anlaß, die in Deutschland lebenden Juden zu verunglimpfen: "... Diese unmenschliche Tat wäre möglicherweise nicht geschehen, wenn Verantwortungsbewußte deutsche Politiker dem Treiben der Kreise um BUBIS/FRIEDMANN sowie der deutschfeindlichen Medien entgegengetreten wären, anstatt wie in diesem Jahr noch laufend Öl ins Feuer zu gießen wie bei den Geschichtsklitterungs'Feiern' am 8. Mai. Der Parteivorsitzende Günter DECKERT erklärte dazu: '... Man stelle sich einmal den umgekehrten Fall vor: Ein einziger, bundesweiter, öffentlicher Aufschrei, ein Ge-Lichter-Meer über das ganze Land hinweg, Schuldzuweisungen nach rechts, Abund Fürbitt-Gottesdienste, öffentliche Trauerbeflaggung, Entschuldigung über Entschuldigung und politische Wallfahrten mit großen Schecks in der Tasche.'" Die Pressemitteilung Schloß mit der Ankündi- p gung, DECKERT werde in "'Offenen Briefen' an r KOHL/SÜSSMUTH und 1 BUBIS/FRIEDMANN sowie an die Israelische Botschaft seinen Standpunkt verdeutlichen und die Erwartung aussprechen, daß man zu Gedenkund Mahnveranstaltungen" aufrufe. Vom israelischen Botschafter und vom Zentralrat der Juden in 65 Deutschland erwarte man eine Entschuldigung, die Teilnahme an den Beerdigungsfeierlichkeiten für die Opfer sowie die materielle Wiedergutmachung im "Rahmen des Erforderlichen". Trotz verbaler Bekundungen zu den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung lassen 1 die rassistisch geprägten Forderungen nach einer "nationalen Volksverfassungsgemeinschaft", feindliche II die aggressive Agitation gegen Ausländer und Asylbewerber sowie Zielsetzung H die sich in der vehementen Ablehnung des "Bonner Systems" der NPD widerspiegelnde antiparlamentarische Grundhaltung deutlich die verfassungsfeindliche Zielsetzung der NPD erkennen. In der "Deutschen Stimme" (DS), Ausgabe 3/95, hieß es unter der Überschrift "Auch Deutsche haben Anspruch auf Freiheit und Menschenrechte!": "... Günter DECKERT zeigt auf, daß Deutschland immer noch nicht souverän ist, daß es auch heute noch fremdbestimmt ist von Mächten, denen die inneren Angelegenheiten Deutschlands nicht das geringste angehen. Mit seinen friedlichen, politischen Aktionen zog er sich den alttestamentarischen Haß jener zu, die hinter einer pseudodemokratischen Fassade ihre dunklen machtpolitischen Spiele zum Schaden der Bürger austragen. Wir Nationaldemokraten sagen es ganz offen: Wir wollen wieder Herr im eigenen Land sein. Wir wollen keine hinter einer demokratischen Fassade getarnte Meinungsdiktatur. Wir wollen eine objektive Geschichtsschreibung und nicht die Fortführung alliierter Kriegspropaganda in deutschen Medien und Geschichtsbüchern." In der DS, Ausgabe 7/8 1995, wurde unter der Überschrift "Deutschland muß überleben!" u.a. ausgeführt: "Ein Volk, bei dem die Erhaltung der ethnischen und kulturellen Identität kein erstrebenswertes politisches Ziel mehr ist und der Multikultu66 Rechtsextremismus rismus der Jugend als erstrebenswert dargestellt wird, versinkt mit den aufgezwungenen Fremdprogrammen in einem gesichtslosen Kultureinheitstopfund wird von neuen, selbstbewußten Völkern unterworfen. Die Fremdprogramme, die Deutschland steuern und die mit ihrer Umerziehungsund Sühnepolitik die Zugänge der deutschen Jugend zur Geschichte abschneiden, machen die Jugend wurzellos und führen zum Identitätsverlust als Deutsche. Die Einwanderungsund Zuzugspolitik von Menschen, vowiegend aus Agitation Vorderasien und Afrika, die von der deutschen Industrie zum Teil als gegen AuslänArbeitskräfte angeworben wurden, sind infolge fehlender Rückwändeder rungsverpflichtungen in Deutschland geblieben. Sie belasten nicht nur den deutschen Arbeitsund Wohnungsmarkt, sondern verfremden die deutsche Kultur und Sprache ... Bevölkerungswissenschaftler konnten hochrechnen, daß im Jahre 2020 nur noch jedes vierte Kind Eltern haben wird, die beide Teile deutscher Abstammung sind. Wenn wir verhindern wollen, daß viele Kinder als Halbasiaten in Deutschland aufwachsen, muß die Politik der Umvolkung Deutschlands zwingend geändert werden. Wir Nationaldemokraten fordern deshalb: 1. Wohnraum bevorzugt für deutsche Familien, 2. Arbeitsplätze bevorzugt für Deutsche, 3. Kindergeldzahlungen und Familiendarlehen nur an deutsche Familien, 4. Einführung des Familienwahlrechts Die deutsche Industrie, die für das Ausländerdesaster in unserem Land erhebliche Verantwortung trägt, muß zur Entsorgung des Ausländerproblems in unserem Ijind beitragen ..." In der gleichen Ausgabe sagte DECKERT in seinen "Zwischenrufen - Anmerkungen zur Zeit": " Während andere Parteien aus Parteitagen glanzvolle Mittelpunkte der Selbstdarstellung, auch für die Medien, machen können, müssen wir uns praktisch verstecken, auf daß nicht Chaoten und System gemeinsam polizeiliche Notstände herbeiführen, um einen Verbotsgrund zu haben. Ansonsten macht der politische Unterdrückungsmechanismus des Bon67 ner Systems in Zusammenarbeit mit der politisch auf Vorder)rau/auf Vordermann gebrachten Justiz weitere Fortschritte." In der Ausgabe 10/1995 der DS schrieb Günter DECKERT in seiner Rubrik "Zwischenrufe - Anmerkungen zur Zeit": "Das Grundgesetz gilt für Deutsche. Neger sind keine Deutsche!... In den Berichten, die mir zur Verfügung standen, wurde nie die Frage aufgeworfen, wieso die Deutsche Post in Thüringen, einem Bundesland mit hohen Arbeitslosenzahlen, überhaupt Nicht-Deutsche beschäftigt, wobei es unerheblich ist, ob Neger, Türke, Jude oder 'Fidschi'." 11 Aktivitäten Am 10. Februar 1995 erteilte der Stiftungsdirektor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald DECKERT und eventuellen Begleitpersonen für das gesamte Gelände Hausverbot. DECKERT und Teile seiner Gefolgschaft hatten in der Vergangenheit mehrfach versucht, im Rahmen sogenannter "politischer Spaziergänge" mittels Flugschriften die Gedenkstättenbesucher "aufzuklären". 68 Rechtsextremismus Eine vom NPD-Parteivorstand für den 11. Februar 1995 geplante "Mahnund Gedenkveranstaltung" in Dresden aus Anlaß des 50. Jahrestages der Zerstörung der Stadt durch alliierte Luftangriffe wurde von der Stadt Dresden verboten. DECKERT, der auf der Veranstaltung als Redner auftreten wollte, wurde bei einer Autobahnraststätte im Raum Dresden in polizeilichen Gewahrsam genommen. Die Polizei beschlagnahmte Propagandamaterial, das er offenbar in der Stadt verteilen wollte. Insgesamt wurden rund 20 Personen in Vorbeugegewahrsam genommen, darunter mindestens neun weitere NPD-Mitglieder. Der 30. ordentliche Landesparteitag fand am 19. März 1995 in Karlsruhe statt und verlief ohne besondere Höhepunkte. Es nahmen ca. 60 LandesparteiPersonen teil. Vorstandswahlen wurden nicht durchgeführt. tag in KarlsDas Landgericht Karlsruhe verurteilte am 21. April 1995 DECKERT ruhe u. a. wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Das Urteil erging in einem erneut aufgerollten Verfahren, nachdem der Bundesgerichtshof am 15. Dezember 1994 auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin die Verurteilung DECKERTs zu einer einjährigen Freiheitsstrafe durch das Landgericht Mannheim vom 22. Juni 1994 aufgehoben hatte. Gegenstand des Verfahrens waren Äußerungen DECKERTs, mit denen er im November 1991 die Vergasung von Juden im "Dritten Reich" geleugnet hatte. In einer Pressemitteilung der NPD - "Stimmen zum DECKERT-Urteil" - vom 22. April 1995 hieß es, daß "... nun die Welt wohl wieder in Ordnung sei. Die Karlsruher Damenriege habe das Ansehen der Justiz gerettet, das Mannheimer Schandurteil (MA II) berichtigt und bewege sich vorschriftsmäßig, wie von allen Seiten (politisch wie medienmäßig) eingefordert, auf dem Weg in den erwünschten Systemrichterstaat weiter. DECKERT wörtlich: BENJAMIN und FREISLER hätten ihre wahre Freude! Mit dem Karlsruher Urteil werde ein weiteres Stück Meinungsfreiheit, Redeund Forschungsfreiheit, alles heilige Kühe des Grundgesetzes, zu Grabe getragen. Der angebliche Rechtsstaat werde immer deutlicher ein 'Gesinnungsterrorstaat'..." 69 Am 27. Oktober 1995 wies der Bundesgerichtshof DECKERTs Revision gegen das Urteil zurück. Am 8. November 1995 wurde DECKERT bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub auf dem Flughafen Frankfurt am Main festgenommen. In der Justizvollzugsanstalt Bruchsal verbüßt er seine zweijährige Haftstrafe. StrafverfahIn einem weiteren Verfahren wurde DECKERT am 7. Juli 1995 vom ren gegen Amtsgericht Reutlingen wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in DECKERT Höhe von 3.150 DM verurteilt. Er hatte in einem Flugblatt mit den Überschriften "Warum der Holocaust-Revisionismus berechtigt ist" und "Warum der Holocaust-Revisionismus wichtig ist" die Massenvernichtung der Juden durch das NS-Regime nachhaltig in Frage gestellt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da Revision eingelegt wurde. BundesAm 10./11. Juni 1995 führte die NPD in Neukirchen/Kreis Rottal-Inn Parteitag in (Bayern) ihren 26. ordentlichen Bundesparteitag unter dem Motto Neukirchen "Deutschland wird leben" durch. DECKERT wurde damals mit knapp 93 % der Delegiertenstimmen als Bundesvorsitzender wiedergewählt. Gegenkandidaten waren nicht aufgestellt worden. Eine Auseinandersetzung mit DECKERTs zunehmender "revisionistischer" und antisemitischer Agitation fand zu diesem Zeitpunkt nicht statt. Der NPD-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Hartmut HILDEBRANDT, wurde erneut in den Bundesvorstand gewählt. Das traditionelle Deutschlandtreffen der NPD konnte 1995 - nachdem es in den beiden Jahren zuvor verboten worden war - am 3. Oktober in Karlstadt (Bayern) stattfinden. Die rund 150 Parteianhänger waren nicht in der Lage, den Redebeiträgen der Funktionäre zu folgen, da etwa 300 Gegendemonstranten die Kundgebung massiv störten. DECKERT durfte wegen einer mit der Veranstaltungsgenehmigung versehenen Auflage keine Rede halten. * Wahlen WahlDie NPD hat 1995 an den Landtagswahlen in Hessen und in Bremen niederlagen teilgenommen. Sie erreichte jeweils nicht einmal annähernd 1 % der Stimmen. Günter DECKERT hat auch 1995 ohne Erfolg bei verschiede - 70 Rechtsextremismus nen Bürgermeisterund Oberbürgermeisterwahlen kandidiert. Die ursprünglich geplante Teilnahme der NPD an der baden-württembergischen Landtagswahl am 24. März 1996 wurde vom Bundespräsidium der Partei wegen "Aussichtslosigkeit" abgelehnt. DECKERT selbst nahm jedoch trotzdem teil. Er war als Einzelbewerber im Wahlkreis Weinheim zugelassen. Dort konnte er nur 412 Stimmen (0,6%) erringen. Bei der Landtagswahl 1992 hatte DECKERT als NPD-Kandidat noch 1940 Stimmen (2,6%) erhalten. 4.3.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Stolberg Mitglieder: ca. 20 Baden-Württemberg (1994: ca. 25) ca. 150 Bund (1994: ca. 150) Publikation: " Der Aktivist" (ehemals "Einheit und Kampf) Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN), die Jugendorganisation der NPD und derzeit größter und aktivster Zusammenschluß jüngerer Rechtsextremisten, verstehen sich als "weltanschaulich geschlossene Bildung von Jugendbewegung neuen Typs mit revolutionärer Ausrichtung und strenWiderstandsger innerorganisatorischer Disziplin". Ihr Ziel ist es, "so viele Widerzellen angestandszellen wie möglich zu bilden". Sie lehnen die politischen und strebt gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland ab und kämpfen "für ein neues soziales und politisches System, für die Errichtung eines nationalistischen Volksstaates". Die JN bekennen sich zur Ideologie, zur Zielsetzung und zum Programm der Mutterpartei, artikulieren sich aber wesentlich aggressiver: "... Totale Zerstörung des Bundeskonsumsystems. Verweigert Euch diesem System. Klärt das Volk über verbrecherische Machenschaften in Politik und Wirtschaft auf! Zerrt die Systemlinge und ihre üblen Methoden an das Licht der Öffentlichkeit! Nennt die Feinde des Volkes beim 71 Namen! Der Alltag muß für diese Schreibtischtäter zum Alptraum werden. " ("Einheit und Kampf", Ausgabe Okt.-Nov.-Dez, 1995) In einem Infoblatt der JN stellen sie sich mit ihren Schwerpunkten und Zielen umfassend dar. In einem Artikel mit dem Thema "JUNGE NATIONALDEMOKRATEN - WER SIND WIR?" hieß es dazu: "... Wir JN leben die Volksgemeinschaft, die wir in einer neuen nationalistischen Ordnung verwirklichen wollen, bereits heute in den eigenen Reihen vor. Wir wissen: Nationale Identität und nationale Solidarität sind die Pfeiler des sich erneuernden deutschen Volkes - Wir sind die Vorhut dieses anderen Deutschlands. Eines Deutschlands, welches ein auf der Solidargemeinschaft der deutschen Stämme begründetes neues Reich sein wird." (Infoblatt der JN, 1995) Bindeglied zu Über ihre Rolle als Jugendorganisation der NPD hinaus sind die JN ein Neonazis potentielles Bindeglied zwischen Neonationalsozialisten und rechtsextremistischen Parteien. Ohne Zweifel haben vor allem die JN aufgrund einiger Übertritte von ehemaligen Mitgliedern der verbotenen "Wiking72 Rechtsextremismus Jugend" (WJ) und der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) nicht nur eine organisatorische Stärkung, sondern einen Motivationsschub erhalten. Den 50. Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht (8. Mai 1945) nutzten die JN zur rechtsextremistischen Agitation gegen die "herrschenden BRD-Machtstrukturen". Unter dem Motto "Wir feiern nicht - Schluß mit der Befreiungslüge" wurde umfangreiches "Protestmaterial" (Plakate, Aufkleber, Flugblätter) von der JN-Bundesgeschäftsstelle angeboten. An einem von den JN veranstalteten "Trauermarsch" am 20. Mai 1995 in Coburg beteiligten sich rund 100 Rechtsextremisten, überwiegend Neonationalsozialisten und JN-Mitglieder. Der JN-Bundesvorstand hatte mit einem Aufruf an "alle nationalen Kräfte in Deutschland" zu dem Marsch mobilisiert, mit dem an einen Jugendlichen erinnert werden sollte, der bei Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der "rechten" und "linken Szene" ums Leben gekommen war. Des weiteren nahmen JN-Mitglieder im August 1995 gemeinsam mit Neonazis an den Gedenkfeiern zum 8. Todestag des ehemaligen HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS teil. An der sogenannten "Yser-Wallfahrt", dem jährlichen Treffen flämischer Nationalisten am 26727. August 1995 in Diksmuide/Belgien, waren ebenfalls Anhänger der JN vertreten. Am 16. Dezember 1995 veranstaltete die JN in Bayern den "2. Europäischen Kongreß der Jugend", an dem etwa 250 Personen teilnahmen. Neben zahlreichen JN/NPD-Funktionären waren Referenten aus Irland, Kroatien, Spanien, Rumänien und Griechenland angereist. Ein wichtiges Thema des Kongresses war der Aufbau einer starken und selbstbewußten europäischen nationalistischen Jugend. Die angestrebte Erneuerung des JN-Landesverbands Baden-WürttemJN-Veranstalberg, der nur noch über wenige funktionstüchtige Stützpunkte verfügt, tungen machte 1995 nur geringe Fortschritte. Geplante Demonstrationen gegen Feierlichkeiten zum 8. Mai wurden von der Stadt Stuttgart ebenso verboten wie eine angekündigte Mahnwache des JN-Landesverbands unter dem Motto "Der deutsche Soldat: Ehrlich, anständig, treu. Schluß mit 73 den Propagandalügen der Sieger und ihrer deutschen Statthalter!" Der JN-Landeskongreß fand am 17. Dezember 1995 in Anwesenheit von ca. 50 Personen in Leingarten-Schluchten/Kreis Heilbronn statt. Bei den durchgeführten Landesvorstandswahlen wurde der bisherige JN-Vorsitzende Michael WENDLAND, Leonberg, der außerdem der Skinband "NOIE WERTE" sowie dem JN-Bundesvorstand angehört, in seinem Amt bestätigt. 4.3.2 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Gründung: 1967 Sitz: Nürnberg Mitglieder: Baden-Württemberg: keine Bund: ca. 50 (1994: ca. 50) Publikation: "Vorderste Front - Zeitschrift für politische Theorie und Strategie" Der "Nationaldemokratische Hochschulbund" (NHB), der Studentenverband der NPD, entfaltet schon seit Jahren in Baden-Württemberg keine Aktivitäten mehr. Versuche, über eine "neurechte" Ideologie ein breiteres Publikum an den Universitäten anzusprechen, schlugen bisher fehl. In seiner seit Oktober 1990 herausgegebenen Publikation "Vorderste Front - Zeitschrift für politische Theorie und Strategie" dokumentiert der NHB seine rechtsextremistischen Vorstellungen und Ansichten. 4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Gründung: 1991 Sitz: Berlin Mitglieder: ca. 130 Baden-Württemberg (1994: ca. 170) ca. 900 Bund (1994: ca. 900) 74 Rechtsextremismus Organisation Die von der Parteiführung schon seit längerem angestrebte personelle keine Konsound damit auch finanzielle Konsolidierung konnte bisher nicht erreicht lidierung der werden. Aufgrund der weiter rückläufigen Mitgliederzahlen sind einige Partei der insgesamt acht Landesverbände weitgehend inaktiv. Örtlicher Schwerpunkt der Parteiarbeit in Baden-Württemberg ist unverändert der Kreisverband Schwarzwald-Baar. Die Funktion des geschäftsführenden Landesvorsitzenden wurde auch im Jahr 1995 von dem ehemaligen NPD-Bundesgeschäftsführer Jürgen SCHÜTZINGER, Villingen-Schwenningen, wahrgenommen, der dem Sprecherrat der DLVH auf Bundesebene angehört. Aktuelle Situation Die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH), 1991 aus der Vereinigung "Deutsche Allianz/Vereinigte Rechte" hervorgegangen, konnte auch im Jahr 1995 die "Zersplitterung der rechten Kräfte" nicht überwinden. Ihrem Selbstverständnis als "Sammlungspartei der nationalen Rechten" entsprechend versucht die DLVH, "die Rechten geeint und offensiv-lustvoll aus dem Tal der tiefen Zerrissenheit und des unerträglichen Mißerfolgs" zu führen. Unverändert - jedoch bislang ohne erkennbaren Erfolg - strebt sie eine "Vereinigung aller vernünftigen volkstreuen Kräfte" an: "... Die Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) grenzt nicht aus, sondern ist angetreten, zusammenzuführen, was zusammengehört. Hierbei wächst jedem Einigungswilligen eine hohe Verantwortung zu. Entgegen der oftmals schroffen Behandlung seitens gewisser Parteiegoisten aus den Funktionärsebenen alter Rechtsparteien, erweist sich die DLVH als ein zuverlässiger Hort nationalpolitischer Verantwortungsträger und zukunftsweisender Aktiv-Denker ..." (Rundschreiben des DLVH-Landesverbands Baden-Württemberg vom 25. Januar 1995) Bereits Mitte Februar 1995 mahnte die DLVH mit der "Ingolstädter Erklärung" die Bildung einer gemeinsamen Wahlpartei aller "deutschen 75 Patrioten" an. Unter dem Motto "Ein Modell für alle Patrioten" fand dann auf Einladung des Landespräsidiums Thüringen der REP im Juni 1995 in Eisenach ein "1. Runder Tisch" über die "Zukunft der deutschen Rechten" statt. Die Teilnehmer, darunter auch führende Funktionäre der DLVH, waren sich darüber einig, daß in Zukunft nur ein geschlossenes Auftreten zum parlamentarischen Durchbruch verhelfen könne. nur mäßige Nach dem "Eisenacher Signal" bemühte sich die Partei mit einem Erfolge bei "Rheinischen Appell" - ebenfalls im Juni 1995 - um die "Einheit aller EinigungsbePatrioten" und mit der Einberufung sogenannter "Runder Tische" um strebungen die "Sammlung der demokratischen Rechten". aller "rechIdeologische und strategische Differenzen, internes Machtgerangel und ten" Parteien persönliche Animositäten ließen bisher jedoch keine konkreten Bündnisaussagen mit tragfähigem Inhalt zu. Politischer Kurs Der politische Kurs der DLVH unterscheidet sich - abgesehen von den Vereinigungsbestrebungen - nicht von dem anderer rechtsextremistischer Parteien. Ausländer und Asylbewerber werden ausschließlich negativ dargestellt und für Betrügereien, Erschleichung von Leistungen sowie wachsende Kriminalität in Deutschland verantwortlich gemacht. Das formale Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen "*""*""* 76 Rechtsextremismus Grundordnung kann nicht über die zum Teil rassistischen Inhalte parteiinterner, aber auch offizieller Äußerungen sowie über die demokratiefeindliche, überaus polemische Agitation gegen das "Bonner Parteienkartell" hinwegtäuschen. * Publikationen Auch wenn die DLVH derzeit keine offizielle Parteizeitung besitzt, kann die Zeitschrift "NATION & EUROPA - Deutsche Rundschau" als ihr Sprachrohr betrachtet werden. Die Publikation wird vom Bundesvorstandsmitglied der DLVH, Peter DEHOUST und von einem der Bundessprecher der DLVH, Harald NEUBAUER, im Verlag "NATION EUROPA Verlag GmbH" in Coburg herausgegeben. In einem Artikel äußerte sich NEUBAUER über den "Standort Deutschland": "... Wie der Hund seinen Stammbaum, so hat der Deutsche einen Standort, einen zufälligen Platz, an dem er seine Geschäfte verrichtet. Der angebliche Begriff paßt ins sprachliche Umfeld. Wo das Volk zur Gesellschaft Überfremmutierte, wo die Identität nicht mehr national, sondern 'multikulturell' dung zu sein hat, da ist ein 'Standorf die richtige Umschreibung für das, was Deutschlands früher Heimstatt und Lebensraum war... angeprangert ... Der 'Aufbau Ost' hätte des sogenannten Solidaritätszuschlags nicht bedurft. Es sind die Kosten der Überfremdung und des internationalen Engagements, die an den Kräften des deutschen Steuerzahlers zehren. Diese Lasten nehmen täglich zu. Auf Straßen und Plätzen in Deutschland springt das Ausmaß fremder Kostgängerei in die Augen ..."(NATION & EUROPA - Deutsche Rundschau", Heft 9, September 1995) In Baden-Württemberg hat die Partei - nach Einstellung des Faltblattes "BLITZ-SCHLAG" - seit Anfang 1995 die Möglichkeit, in der Zeitung "Freiheit durch Wahrheit" (FW) - neben anderen rechtsextremistischen Organisationen - ihre Artikel zu publizieren. So schrieb das Bundesvorstandsmitglied Kurt NIEWIEM in der Ausgabe 1/1995 der FW unter der Überschrift "Einheit der deutschen 'Rechten'": "Nun haben ja sicher die in vielen Jahren eingeübten und lustvoll inszenierten Eiertänze um die Befreiungsfeierlichkeiten zum 08. Mai 1995 in 11 manchem, der bis dahin das fremdgesteuerte Kasperltheater nur vom Rande her verfolgt hat, den Wunsch nach Einheit der deutschen Rechten wach werden lassen, um den Erosionsprozess am Volkskörper aufhalten zu können." Weiter forderte er: "Entschiedenes, gemeinsames Entgegentreten aller Patrioten gegen jegliche globalen Schuldzuweisungen an das deutsche Volk. Schluß mit der weiteren, fast schon kriminell vollzogenen Verschuldung des gesamten Volkskörpers, für welche unsere Kinder einmal Fronarbeit leisten müssen, weil kaum noch rückzahlbare Schulden gemacht werden." In der Ausgabe 2/1995 der FW beklagte NIEWIEM die "harte Realität" in Pforzheim: "Nach Drogendealern, gewalttätigen ausländischen Jugendbanden, Taschen-, Wohnungsund Kaufhausdieben beleben nunmehr auch Messerstecher und achtfache Mafiamörder das Stadtbild. Sie alle tragen dazu bei, daß sich die Nichtwählerquote wohl bald auf 50 vH erhöhen wird. VerunglimpDies alles scheint aber den offenbar auch träumenden deutschen fung von AusMichel mit seiner Zipfelmützen-Trägheit überhaupt nicht zu stören. Erst ländern wenn ihn im Supermarkt ein mit Sozialamtsgutscheinen einkaufender Asylbetrüger als 'Nazi' beschimpft, weil er ihn an der Kasse nicht vorlassen wollte, kommt Michel kurz ins Grübeln." Aktivitäten Die Parteiarbeit beschränkte sich 1995 auf die "Sammlung der demokratischen Rechten". Es wurde in allen Bundesländern der Versuch unternommen, den Diskussionsprozeß zu verstärken, um - als Reaktion auf die Wahlniederlagen "rechter" Parteien - eine Bündelung der Kräfte zu erreichen. BundesAuch beim 3. ordentlichen Bundesparteitag der DLVH am 14. Oktober parteitag 1995 in Pommersfelden-Stolzenroth (Bayern) wurde der Aufschwung des "rechten Lagers" beschworen. Bei der auch als "Wahlparteitag" 78 Rechtsextremismus bezeichneten Veranstaltung sind die bisherigen Vorsitzenden des Sprecherrats in ihren Ämtern bestätigt worden. Außerdem konnten zwei weitere Mitglieder des Landesverbands Baden-Württemberg Mandate im Bundesvorstand erringen. In Baden-Württemberg organisierte die DLVH vermehrt Vortragsveranstaltungen mit bekannten rechtsextremistischen Referenten. Die bedeutsamste Veranstaltung des Landesverbandes war der Landesparteitag am 2. Juli 1995 in Lahr-Reichenbach. Bei den durchgeführten Neuwahlen wurde erstmals eine Frau in den dreiköpfigen Sprecherrat gewählt. * Wahlen 1995 hat sich die DLVH nicht dem Wähler gestellt. Auch an der badenkeine Wahlwürttembergischen Landtagswahl am 24. März 1996 hat die DLVH aufteilnähme grund fehlender finanzieller und logistischer Mittel nicht teilgenommen. 5. "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) Gründung: 1960 Sitz: München, Sekretariat in Oberboihingen, Kreis Esslingen Mitglieder: ca. 30 in Baden-Württemberg, bundesweit rund 400 Publikation: "Das Freie Forum" Die "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) ist seit ihrer Gründung mitgliederein Podium für rechtsextremistisch orientierte Schriftsteller, Publizisten stärkste und Verleger. Nicht zuletzt aufgrund der starken Überalterung ihrer Mitrechtsextremiglieder hat sie in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung stische Kulverloren. Mit ihren bundesweit knapp 400 Mitgliedern ist sie allerdings turvereininach wie vor die mitgliederstärkste rechtsextremistische Kulturvereinigung gung. Seit 1991 wird sie von dem ehemaligen NPD-"Chefideologen" Dr. Rolf KOSIEK, Nürtingen, geleitet. Ihren politischen Standort hat die GFP nach wie vor in der Nähe der NPD, wenngleich auch Bezüge zu anderen rechtsextremistischen Parteien bestehen. 79 Die Aktivitäten der GFP beschränken sich weitgehend auf die alljährliche Durchführung eines "Gesamtdeutschen Kongresses", bei dem auch Redner aus dem rechtsextremistischen Lager auftreten. So referierten beim "6. Gesamtdeutschen Kongreß", der vom 5. bis 7. Mai 1995 in Aalen durchgeführt wurde, der ehemalige Europaabgeordnete der "Republikaner" und heutige Bundessprecher der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), Harald NEUBAUER, sowie der Mitbegründer der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und ehemalige Parteivorsitzende, Adolf von THADDEN. In bekannter Weise wurde gegen die Bundesrepublik Deutschland agitiert: " Früher war es der Hexenwahn mit Folter und Scheiterhaufen, heute ist es "Political Correctness", politische Korrektheit, mit Gesinnungsschnüffelei, Zensur, Rufmord und Existenzvernichtung. Historische Diskussionen werden unter Strafrecht gestellt, abweichende Meinungen totgeschwiegen oder geächtet, Wahlergebnisse unter totalitärem Gesinnungszwang herbeimanipuliert. Diese Republik - ich sage es klar und deutlich - ist nicht der freie ste Staat deutscher Geschichte." ("KONGRESS-Protokoll 1995", S. 12) Eine Korrektur der Ausländerpolitik wird für dringend erforderlich gehalten: "...Wenn ein Volk nicht mehr Ausländer auf seinem Territorium haben will, dann stehen einem solchen Volk auch die legalen Instrumente zur Verfügung, etwas dagegen zu unternehmen; das ist ein organisatorisches Problem, nichts weiter. ...Wenn ein Volk aber so komplett umerzogen ist, daß es über diesen völkischen Überlebenswillen nicht mehr verfügt, dann ist das keine politische, sondern eine geistige, eine ideologische Frage, und hier wird die Hauptlast unserer Anstrengungen liegen müssen. Wir werden in den nächsten Jahren, mehr als bisher noch, jeder von uns, ein Apostel der nationalen Idee sein müssen, und wir werden das Gegengift dieser nationalen Idee wieder in den Blutkreislauf dieses Volkes hineintragen müssen." ("KONGRESS-Protokoll 1995", S. 41) 80 Rechtsextremismus 6. Organisationsunabhängige rechtsextremistische Verlage in Baden-Württemberg * Buchverlage Der in Tübingen ansässige und von Wigbert GRABERT geführte Publizierung "GRABERT-Verlag" betreibt ein umfangreiches Sortiment rechtsex"revisionistitremistischer Literatur, darunter insbesondere Bücher mit "revisionistischer" Theschen" Inhalten. 1995 wurden die Verlagsräume mehrmals durchsucht men und rechtsextremistische Publikationen sichergestellt. Unter den beschlagnahmten Büchern befand sich auch der unter dem Pseudonym Ernst GAUSS von dem "Revisionisten" Germar SCHEERER geb. RUDOLF mitverfaßte und herausgegebene Sammelband "Grundlagen zur Zeitgeschichte". Nach wie vor gibt der GRABERT-Verlag die Vierteljahresschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" (DGG) sowie das verlagseigene Blatt "Eurokurier" heraus. GRABERT ist darüber hinaus Geschäftsführer des Mitte der achtziger Jahre gegründeten Tochterunternehmens "Hohenrain-Verlag", Tübingen, zu dessen Standardprogramm ebenfalls Literatur mit rechtsextremistischem Inhalt gehört. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Tübingen hat das Amtsgericht Tübingen durch Beschluß am 14. Dezember 1995 die allgemeine Beschlagnahmung der im "Hohenrain-Verlag" erschienenen Druckschrift "In Sachen Deutschland: Insiderprotokoll über die Liquidation einer Nation" wegen des Verdachts der Volksverhetzung angeordnet. In dieser Sache hat die Staatsanwaltschaft Tübingen inzwischen Anklage gegen GRABERT erhoben. * Zeitschriftenverlage Das ehemals von Ekkehard FRANKE-GRICKSCH im "Verlag Diagnosen", Leonberg, herausgegebene Monatsmagazin "CODE" erschien zwischenzeitlich unter dem Titel "Das andere deutsche Nachrichtenmagazin" und befaßte sich zuletzt mit abstrusen Verschwörungstheorien. Die Zeitschrift wurde Ende des Jahres 1995 eingestellt. 81 7. Mailbox-System THULE-Netz bundesweites Auch 1995 ging der Ausbau des seit Herbst 1992 im Aufbau befindliInformationschen Mailboxsystems THULE-Netz zunächst weiter. Bis Mitte 1995 netz gab es bundesweit 14 Mailboxen, davon vorübergehend vier in BadenWürttemberg. Erstmals wurde auch eine Box im Ausland (Niederlande) eingerichtet. Zum Jahresende schieden zwei Boxen aus dem Netz wieder aus, u. a. die in Winnenden ansässige "EMPIRE.BBS". Der unter dem Pseudonym "Alfred Tetzlaff' firmierende Betreiber der "WIDERSTAND.BBS" organisiert, steuert und koordiniert von Erlangen aus die ans Netz angeschlossenen Mailboxen. Im THULE-Netzwerk besteht die Mailboxeinheit aus einem Computer, einem Modem und der Kommunikationssoftware. Jeder Betreiber einer Mailbox ist ein sogenannter Systemoperator (kurz: Sysop). Er ist über das öffentliche Fernsprechnetz meist rund um die Uhr für die Benutzer (User) und Gast-User erreichbar. Sie können somit jederzeit Informationen aus "ihrer" Box abrufen oder dort einstellen. Die einzelnen Mailboxen sind wiederum untereinander vernetzt und verfügen über dieselbe Struktur sowie gleichartige Mailboxsoftware. Sie tauschen ihre Nachrichten automatisch aus, so daß die Inhalte einer Box auch in den anderen enthalten sind. Aufbau In jeder Mailbox werden unterschiedliche Themenbereiche, sogenannte des THULEBretter, angeboten, die sich mit Themen wie Anti-Antifa, europäischer Netzes Nationalismus, Zeitgeschichte, aber auch ganz alltäglichen Dingen befassen. Darüber hinaus gibt es Bretter zu den "Republikanern", der NPD, der DVU usw., die allerdings nicht von den Parteien selbst mit Informationen versorgt werden, sondern in denen Meldungen über sie zu lesen sind. Grundsätzlich sind zwei Arten zu unterscheiden: I persönliche Bretter oder "Postfächer", die ausschließlich ihren Besitzern zugänglich sind, I öffentliche, meist thematisch gegliederte Bretter, auf die alle User einer Box Leseund/oder Schreibzugriff haben. Wer sich an einer Mailbox beteiligen möchte, muß sich als Benutzer registrieren lassen. Der Sysop entscheidet nach den unterschiedlichsten Gesichtspunkten über eine Beteiligung eines neuen Users. Vertrauens82 Rechtsextremismus Würdigkeit und die Aktivität im Netz sind entscheidend dafür, wie umfangreich die Zugänge innerhalb der Box gestattet und wohin die eigenen Beiträge des Users weitergeleitet werden. Neben dem üblichen Paßwortschutz sind die Zugangsberechtigungen zu den Datenbeständen der Mailbox durch Zugriffsebenen geregelt. Nur wer über entsprechen83 de Kontakte verfügt und sich zusätzlich aktiv beteiligt, kann seinen Zugriffsbereich erweitern. Die dazu erforderliche Berechtigung verschafft ihm der Sysop. Zur weiteren Absicherung wird ein digitales VerZugriffsbeschlüsselungsprogramm in den privaten Brettern verwendet. Nur wer schränkung den entsprechenden Schlüssel besitzt, kann die Nachricht lesen. Außerdem bestehen persönliche Kontakte über sogenannte Sysopund Usertreffen, die in unregelmäßigen Abständen stattfinden. Ziel des THULE-Netzes ist die Schaffung einer "Gegenöffentlichkeit - politisch, national". In jedem Ballungsraum will man mit mindestens einer THULE-Mailbox präsent sein. Die rechtsextremistische Ausrichtung des THULE-Netzes zeigt sich insbesondere in der Beteiligung bundesweit bekannter Rechtsextremisten, z. B. als Sysop einer Mailbox. Die Betreiber der einzelnen Boxen sind jedoch darauf bedacht, keine Angriffspunkte für staatliche Maßnahmen zu liefern. Dennoch sind 1994 erste Exekutivmaßnahmen gegen Betreiber von drei Mailboxen aufgrund des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Volksverhetzung und der Anleitung zu Straftaten durchgeführt worden. Während das Ermittlungsverfahren gegen einen der betroffenen Sysops noch andauert und ein weiteres 1995 eingestellt wurde, erhob die Staatsanwaltschaft Mannheim am 30. Oktober 1995 gegen den Sysop der in Oftersheim ansässigen Mailbox "ELIAS.BBS" Anklage beim Amtsgericht Schwetzingen. Sie warf ihm als verantwortlichem Betreiber vor, Dritten den Zugriff auf Nachrichten zum Teil rechtsextremistischen und antisemitiVerurteilung schen Inhalts ermöglicht zu haben. Er wurde am 8. Februar 1996 vom Amtsgericht Schwetzingen wegen Beihilfe zur Volksverhetzung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie zu einer Geldbuße in Höhe von DM 2.700,-verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Zugang zum Seit Sommer 1995 steht dem THULE-Netz ein Zugang zum Internet, Internet das weltweit mehr als 30 Millionen Benutzer hat und über 8.000 verschiedene Bretter anbietet, zur Verfügung. Man findet darin ein breites Spektrum an Zeitungen und Zeitschriften, Organisationen, Firmen sowie Privatnutzer. Im THULE-Netz werden davon nur wenige, ausgewählte Bretter angeboten. Bei der Übernahme von Internet-Nachrichten S4 Rechtsextremismus ins Netz wird streng darauf geachtet, nur rechtlich unbedenkliche Texte zu übernehmen. So werden zwar derzeit einzelne Beiträge aus dem Brett "Zundelsite" im "World-Wide-Web" des in Kanada lebenden deutschen "Revisionisten" Ernst ZÜNDEL ins THULE-Netz eingestellt, gleichzeitig wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Nachrichten, die den Holocaust leugnen, nicht angeboten würden. 8. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus Die internationale Verflechtung deutscher Rechtsextremisten mit ausländischen Gesinnungsgenossen wurde auch 1995 bei diversen internationalen Treffen weiter ausgebaut und gepflegt. Anläßlich der Rudolf-HESS-Aktionen in der Bundesrepublik Deutschland fand am 19. August 1995 in Roskilde/Dänemark ein von den dortigen Behörden genehmigter "HESS-Gedenkmarsch" statt. Von den anwesenden 150 Rechtsextremisten stammten rund 25 aus Deutschland. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit 400 bis 500 ebenfalls angereisten Angehörigen der "linken" bzw. "autonomen Szene" sowie der Polizei. Das zentrale Großereignis war auch im Jahre 1995 die sogenannte "Yser-Wallfahrt" am 26. und 27. August 1995 in Diksmuide/Belgien. Ca. 500 Rechtsextremisten aus Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland nutzten die jährliche Veranstaltung zum Gedenken an die flämischen Opfer des Ersten Weltkriegs erneut zu einem internationalen Treffen. Unter den rund 250 deutschen Teilnehmern befanden sich Treffen in unter anderem der ehemalige Vorsitzende der verbotenen "FreiheitliDänemark, chen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), Friedhelm BUSSE, der damalige Belgien und Vorsitzende der NPD, Günter DECKERT, sowie der Vorsitzende der Spanien NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), Holger APFEL. Im Verlauf des Treffens am 26. August 1995 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und Einsatzkräften der Polizei, die bis in den späten Abend andauerten. Rund 200 Personen wurden festgenommen, darunter 140 deutsche Rechtsextremisten (11 aus Baden-Württemberg), die am 27. August nach Deutschland abgeschoben wurden. 85 Ein weiteres alljährliches Treffen europäischer Rechtsextremisten fand auch 1995 anläßlich der Feierlichkeiten zum Todestag des spanischen Diktators FRANCO vom 18. bis 20. November 1995 in Madrid statt. An diesem Treffen nahmen erneut deutsche Aktivisten verschiedener rechtsextremistischer, überwiegend neonationalsozialistischer Organisationen, darunter auch Aktivisten aus Baden-Württemberg, teil. Der selbsternannte "Propagandaleiter" der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO), der US-Amerikaner Gary Rex LAUCK aus Lincoln/Nebraska, der jahrelang bundesdeutsche Gesinnungsgenossen mit Hetzund Propagandamaterial versorgt hatte, wurde - nachdem er am 20. März 1995 in Dänemark festgenommen worden war - am 6. September an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. LAUCK hatte zuvor zwei Asylanträge in Danemark gestellt, die jedoch als offenkundig unbegründet abgewiesen wurden. Die Staatsanwaltschaft Ham86 Rechtsextremismus bürg hat inzwischen Anklage gegen LAUCK erhoben. Sie wirft ihm insgesamt 38 Straftaten vor, u. a. Volksverhetzung sowie Verbreitung Anklage von Propagandamitteln und Verwendung von Kennzeichen verfassungsgegen widriger Organisationen. Der Tatverdacht der Bildung einer kriminellen LAUCK Vereinigung konnte - so die Anklageschrift - nicht hinreichend erhärtet werden. Das von LAUCK in den USA herausgegebene Publikationsorgan "NS-Kampfruf erschien trotz dessen Verhaftung weiter und wurde sogar über das weltweite Datenverbundsystem Internet auch in Deutschland verbreitet. Der neue Herausgeberkreis ist bislang unbekannt. Kontakte bundesdeutscher Rechtsextremisten und Parteien zu osteuropäischen Gesinnungsgenossen stagnieren aufgrund erkennbarer Unstimmigkeiten auf beiden Seiten. Einzige Ausnahme bilden immer noch die guten Kontakte des DVU-Vorsitzenden Dr. FREY zu dem Vorsitzenden der "Liberaldemokratischen Partei Rußlands" (LDPR), SCHIRINOWSKI!, die weiter ausgebaut wurden. Darüber hinaus kämpften 1995 etwa 50 deutsche Rechtsextremisten, darunter auch einige aus Baden-Württemberg, als Söldner an verschiedenen Fronten innerhalb des ehemaligen Jugoslawien. 9. "Revisionisten" Unter der selbstgewählten Bezeichnung "Revisionisten" versuchen inVersuch der und ausländische Rechtsextremisten Tatsache und Umfang des millioRehabilitienenfachen Mordes an Juden in der Zeit des Nationalsozialismus sowie rung des die Schuld Deutschlands am "Zweiten Weltkrieg" zu vertuschen, zu Nationalleugnen oder wenigstens zu mindern. Mit Hilfe pseudowissenschaftlisozialismus cher Gutachten soll dabei die These untermauert werden, eine Vergasung von Menschen sei in Auschwitz schon allein aus technischen Gründen gar nicht möglich gewesen. Ziel des "Revisionismus", der mittlerweile eines der wichtigsten rechtsextremistischen Agitationsfelder darstellt, ist die Rehabilitierung des Nationalsozialismus, um ihn wieder "salonfähig" zu machen. An dieser Kampagne sind sowohl deutsche wie auch ausländische Rechtsextremisten beteiligt. 87 1995 haben die Sicherheitsbehörden den deutschen "Revisionisten" erneut einen schweren Schlag zugefügt. Der Diplom-Chemiker Germar SCHEERER geb. RUDOLF aus Steinenbronn wurde am 23. Juni 1995 vom Landgericht Stuttgart zu einer Haftstrafe von 14 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Die Strafkammer sah es als erwiesen an, daß der Angeklagte die Straftatbestände der Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener sowie Beleidigung durch die Erstellung und Versendung von mindestens 1.000 sogenannter "RUDOLF-Gutachten" verwirklicht hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch bei dem Strafprozeß gegen SCHEERER konnte im übrigen wieder festgestellt werden, daß Rechtsextremisten Gerichtsverhandlungen als Treffpunkte nutzen. SCHEERER, der unter dem Pseudonym Ernst GAUSS bereits zwei Bücher "revisionistischen" Inhalts beim Tübinger GRABERT-Verlag publizierte, gilt als eine zentrale Figur der Revisionistenbewegung. Bei einer Durchsuchung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen Hersteller und Verbreiter der von ihm herausgegebenen "Grundlagen zur Zeitgeschichte" sind am 28. März 1995 1.100 Exemplare dieses Buches beschlagnahmt worden. Im März 1995 wurden bundesweit mehrere hundert Exemplare der antisemitisch-"revisionistischen" Hetzschrift "Deutsches Manifest" - u. a. an Repräsentanten des öffentlichen Lebens in Baden-Württemberg - verschickt. Darin riefen die Verfasser anläßlich des 50. Gedenktags des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai zum "heiligen Volkskrieg zur Befreiung Deutschlands" auf: "... Deutsche Männer und Frauen! Der Volkskrieg zur Befreiung unseres Landes beginnt am 9. Mai 1995 null Uhr. Nehmt von diesem Tage an den bewaffneten Kampf auf. Bedient Euch jeder Art Waffe: Benzin und Streichhölzer etc. Vollstreckt die Urteile der Volksgerichte an Verrätern und Volksfeinden. Die Tötung von Feinden und Verrätern im Kriege ist heilige, patriotische Pflichterfüllung. Seid großmütig und gewährt denen Gnade, die sich ergeben und Deutschland verlassen - sonst niemandem. " 88 Rechtsextremismus Gegen eine Gruppe von Verdächtigen aus dem Ruhrgebiet wird ermittelt. Die beiden österreichischen "Revisionisten" Walter OCHENSBERGER und Gerd HONSIK versenden nach wie vor rechtsextremistisches Schriftmaterial an deutsche Gesinnungsgenossen. HONSIK vertreibt seine Publikation "HALT" aus Barcelona, OCHENSBERGER - am 20. Februar 1995 aus der Haft entlassen - seine Zeitschrift "TOP SECRET" führende u. a. aus Marokko. "Revisionisten" Die "GERMANIA"-Rundbriefe des in Kanada lebenden deutschen "Revisionisten" Ernst ZÜNDEL sind weiterhin an Rechtsextremisten in Deutschland versandt worden. Von dem gesundheitlich angeschlagenen, 89 seit Sommer 1995 in der Schweiz lebenden deutschen "Revisionisten" Thies CHRISTOPHERSEN übernahm ZÜNDEL dessen Publikation "Die Bauernschaft", die er ebenfalls an seine Gesinnungsgenossen in Deutschland weiterleitet. Durch einen Brandanschlag im Frühjahr 1995 ist ZÜNDELs Zentrale in Toronto fast vollständig zerstört worden. CHRISTOPHERSEN mußte die Schweiz aufgrund einer Ausweisungsverfügung der dortigen Behörden bis zum 31. Dezember 1995 verlassen. Sein Aufenthaltsort ist derzeit unbekannt. 10. Erscheinungsformen der sogenannten Neuen Rechten Der Begriff der "Neuen Rechten" steht bereits seit mehreren Jahrzehnten für eine diffuse und uneinheitliche Bewegung "rechter" Theoretiker und ihrer Anhänger, die sich ursprünglich aus einer ab 1968 in Frankreich auftretenden Denkschule unter ihrem damaligen Hauptakteur Alain de BENOIST zu einem europaweiten Phänomen entwickelt hatte. Inzwischen wird der Begriff der "Neuen Rechten" relativ wahllos als Sammelbegriff aller nur denkbaren Ausprägungen eines "rechten" bis rechtsradikalen/rechtsextremistischen Intellektualismus verwandt, der seine eigentliche Definition längst verloren hat. Die ursprüngliche "Neue Rechte" (Nouvelle Droite) fristet heute ein kümmerliches Dasein. Die Idee der sogenannten Neuen Rechten versteht sich insgesamt als ein Zusammenspiel von unterschiedlichsten "rechten", gelegentlich auch rechtsextremistischen Gruppierungen und Einzelperkeine eigensonen, die sich oft auf quasi-intellektuellem Niveau inhaltlich austauständige sehen, ohne selbst als eigenständige Organisaton in Erscheinung zu treOrganisation ten. Sichtbar werden diese Gedanken inzwischen in einer kaum mehr überschaubaren Vielfalt von Zeitschriften, Magazinen wie zum Beispiel "NATION & EUROPA", "JUNGE FREIHEIT" "CRITICON" u. a., Büchern und den Aussagen von Theoriezirkeln und Gesprächskreisen. Trotz unterschiedlichster Ausprägung und ohne klar umrissene Strukturen werden dabei intensive personelle und ideologische Kontakte untereinander, gelegentlich aber auch zu Vertretern demokratischer Parteien und Institutionen, gepflegt. Kristallisationspunkt ist dabei unter anderem der Antiliberalismus der "Konservativen Revolution" und ihrer Vertreter aus der Zeit der Weimarer Republik, darunter Carl SCHMITT, Arthur MOELLER VAN DEN BRÜCK und Edgar Julius JUNG. 90 Rechtsextremismus Diese intellektuellen "Rechten" verstehen sich als Vorreiter einer neuen Gegenrevolution innerhalb einer geistigen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit den Ereignissen und Entwicklungen der Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahr 1968. Anstatt auf Aktionismus und Parteipolitik setzen die Vertreter der "Neuen Rechten" auf das Piazieren von Stichworten und die Verankerung der damit verbundenen "neurechten" Gedanken im Beziehungsgefüge Staat - Gesellschaft. Träger sind dabei die bereits genannten Printmedien. Dabei werden "linke" Theoriekonstrukte wie der Begriff der "Kulturellen Hegemonie" des italienischen Marxisten GRAMSCI übernommen und den eigenen Bedürfnissen angepaßt, um eine "geistige Vorherrschaft" in allen Gesellschaftsbereichen zu erreichen. Von besonderer Bedeutung für das "neurechte" Weltbild ist das Konzept des "Ethnopluralismus", mit dem Begriffe wie Volk und Rasse bisheriger "rechter" Theorien elegant umgangen werden. Im Jahre 1995 versuchten verschiedene Kreise der "Neuen Rechten" die 50. Wiederkehr des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai als Beginn der Vertreibung von Deutschen aus den Ostgebieten zu interpretieren und damit die deutsche Verantwortung an der eigentlichen Ursache hierfür zu relativieren. Die antiliberale Grundhaltung verschiedener "neurechter" Gruppierungen und ihre Versuche, den demokratischen Verfassungsstaat intellektuell zu delegitimieren, sind zwar bedenklich, sie bewegen sich jedoch zumeist noch unterhalb der Schwelle zum politischen Extremismus. Allerdings gilt es auch hier, die weitere Entwicklung aufmerksam zu beobachten. Insgesamt werden die Ideen der sogenannten Neuen Rechten in unterschiedlichster Weise von politischen Extremisten aufgenommen und umgesetzt. Eine direkte Einflußnahme oder gar Steuerung und Führung durch Vertreter der "Neuen Rechten" im Bereich des Rechtsextremismus, aber auch innerhalb der Gesellschaft, ist - wenn überhaupt - nur marginal erkennbar. Die Trennlinie zwischen "klassischen" Rechtsextremisten und der "Neuen Rechten" wird aber zunehmend brüchiger. 91 C. LINKSEXTREMISMUS 1. Allgemeiner Überblick AIZ setzte Die "Rote Armee Fraktion" (RAF) ist auch 1995 nicht zu terroristialten RAFschen Aktionen zurückgekehrt. Hingegen hat die "Antiimperialistische Kursfort Zelle" (AIZ) an ihrer von Anfang an bekundeten Absicht, in Anknüpfung an den alten RAF-Kurs "bewaffnete Interventionen" durchzuführen, unverändert festgehalten. Wichtiges Agitationsthema ist weiterhin die Freilassung der Inhaftierten aus RAF und "Widerstand". Zwar haben mehrere vorzeitige Haftentlassungen zu einer Entspannung der Lage beigetragen, andererseits fühlte sich die linksextremistische/-terroristische "Szene" durch die Gerichtsverhandlungen gegen Birgit HOGEFELD und Sieglinde HOFMANN in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Staat erneut bestärkt. ExekutivmaßEine bundesweite Durchsuchungsaktion am 13. Juni 1995 vor dem Hinnahmen tergrund der Ermittlungen gegen mutmaßliche Angehörige von AIZ, der terroristischen Gruppierung "Das K.O.M.I.T.E.E.", RAF und gegen die Hersteller und Vertreiber der Untergrundzeitschrift "radikal", in deren Verlauf es auch zu Festnahmen kam, fand erhebliche Resonanz in der "Szene" und bewirkte einen zusätzlichen Solidarisierungseffekt. In diesem Zusammenhang ist auch eine Ausweitung des in diesem Spektrum gebräuchlichen Begriffs der "politischen Gefangenen" über die RAFAngehörigen hinaus auf andere Linksextremisten und in Haft befindli92 Linksextremismus che Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) festzustellen. Die Unterstützung des kurdischen "Befreiungskampfs", insbesondere Themender in Deutschland inhaftierten Kurden, ist einzuordnen in den übergreischwerpunkte fenden Komplex des "Antifaschismus" und "Antirassismus", der auch im vergangenen Jahr das vorrangige Betätigungsfeld deutscher Linksextremisten geblieben ist. Dabei kam es zu einer Vielzahl regionaler, landesund bundesweiter Aktionen gegen das derzeit gültige Asylverfahren und insbesondere gegen die Abschiebung nicht anerkannter Asylbewerber. Die bundesweite Kampagne gegen die Vollstreckung der Todesstrafe an dem in den USA inhaftierten Farbigen und ehemaligen Angehörigen der "Black-Panther-Bewegung", Mumia ABU-JAMAL, hat wie selten zuvor eine breite Mobilisierung des gesamten linksextremistischen Spektrums in Baden-Württemberg bewirken können. Eine ähnlich aktive Unterumfassende Solidarisierung besteht auch mit den in Deutschland aktistützung der ven Unterstützern der PKK. PKK Verstärkt thematisiert wurden zudem die Rolle der Bundesrepublik Deutschland als "Kriegspartei" und die angebliche Neuauflage deutscher Großmachtpolitik u. a. im Zusammenhang mit Waffenlieferungen an die Türkei sowie dem Einsatz der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien. Verhältnismäßig spät haben sich Linksextremisten an Aktionen in Aktionen Baden-Württemberg im Zusammenhang mit den sogenannten gegen CASTOR-Transporten beteiligt. Erst in den letzten Monaten des Jahres CASTOR1995 kam es auch in unserem Bundesland verstärkt zu Anschlägen auf Transporte Gleisanlagen der Deutschen Bahn AG. Die Zahl militanter Autonomer in Baden-Württemberg hat sich gegenüber dem Vorjahr mit 450 leicht erhöht (1994: 440). Bei den Gewalttaten mit tatsächlicher oder vermuteter linksextremistischer Motivation war hingegen ein weiterer deutlicher Rückgang zu verzeichnen (1995: 24; 1994: 41; Bund: 1995: 565, 1994: 666). Dies gilt insbe93 sondere auch für militante Aktionen gegen den politischen Gegner von "rechts" (Baden-Württemberg: 6, 1994: 15; Bund: 80, 1994: 199). Die erneute Abnahme der Gewaltaktionen ist zwar in Verbindung mit einem gleichzeitigen Nachlassen rechtsextremistischer Aktivitäten zu sehen, sie resultiert aber auch aus einer anhaltenden Lethargie und vielfach mangelnden Bereitschaft der "Szene" zu einem politischen Engagement. Zudem ist der Rückgang linksextremistischer Gewalt nicht zuletzt auf die Wirkung staatlicher Exekutivmaßnahmen sowie der nach wie vor hohen polizeilichen Präsenz bei öffentlichen Aktionen von Linksextremisten zurückzuführen. Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem/-terroristischem Hintergrund in Deutschland im Zeitraum 1994 -1995 - Monatsvergleich - 150 1994 121 120 1995 97 87 90 73 59 58 59 60 W 50 46 46 48 46 47 44 40 39 34 35 31 29 31 31 28 30 0 Jiin 1 ) Feb Mär Ap r 2) |yiai Jun JU|3) Aug S SP Okt |V > 2 Dez 1 Geplanter Bau der Mercedes-Teststrecke in Papenburg, Emsland. - Castor-Transport (geplant November 1994, durchgeführt am 24V25. April 1995) '' Tod des türkischen Staatsangehörigen Halim Dener am 30. Juni 1994 in Hannover; Durchsuchungen am 5./6. Juli 1994 bei mutmaßlichen Angehörigen der "Autonomen Antifa (M)" in Göttingen; geplanter Castor-Transport 44 Linksextremismus Bei den meisten linksextremistischen Parteien und Organisationen war 1995 eine vermehrte Hinwendung zur "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) als politischer Hoffnungsträgerin zu erkennen. Dagegen ist die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die in Baden-Württemberg ihren Mitgliederbestand zumindest halten konnte (1995: ca. 700; 1994: ca. 700), weiterhin auf Distanz zu ihr bedacht. Auch die Mitgliederzahl der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) bewegt sich in unserem Land in etwa auf dem Niveau des Vorjahrs (1995: ca. 600; 1994: ca. 600). Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem/-terroristischem Hintergrund in Deutschland im Zeitraum 1994 -1995 - Tatartenvergleich - " Umfaßt Brandstiftungen und alle Sachbeschädigungen unter Einsatz von Brandmitteln 21 1994 = 54 Fälle mit Körperverletzung; 1995 = 45 Fälle mit Körperverletzung 95 Mitgliedschaften in linksextremistischen Organisationen in Deutschland und Baden-Württemberg im Zeitraum 1993 -1995 Linksextremismus 1993 1994 1995 | i _ j Land Bund Land Bund Land Bund Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Kernorganisationen'' 1.5)0 21.800 1.630 22.000 1.680 23.100 hiervon: DKP 600 6.000 600 6.000 600 6.000 MLPD 700 2.000 700 2.300 700 2.300 . ! 15 Nebenorganisationen 15 800 400 15 200 beeinflußte 2.130 16.300 1.820 15.800 1.770 15.600 Organisationen2' Anarchisten und sonstige11 ! 440" 6.700 5404' 6.700 550" über 7.000 Sozialrevolutionäre Mitgliedschaften ins1.965 ca. 29.300 2.185 ca. 29.100 2.245 ca. 30.300 gesamt5' Mitglieder6' 1.915 ca. 28.800 2.135 ca. 28.700 2.200 ca. 29.900 (Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften und \ j Kinderorganisationen) 1 Die mehrere tausend Personen zählende Anhängerschaft der "Kommunistischen Plattform" (KPF) in der PDS ist in der Übersicht nicht berücksichtigt -' Einschließlich nichtkommunistischer Mitglieder " Das Mobilisierungspotential der "Szene" umfaßt zusätzlich mehrere tausend Personen 4) Gewaltbereite Autonome sowie RAF-Umfeldangehörige und Anhänger anarchistischer Organisationen " Ohne Mitglieder beeinflußter Organisationen <" ohne die Mitglieder der PDS (Land: 200, 1994: 180; Bund: 120.000, 1994: 124.000) 2. Straftaten mit erwiesenem oder vermutetem linksextremistischem Hintergrund rückläufige 1995 sind in Baden-Württemberg 238 Straftaten mit linksextremistiTendenz schem bzw. vermutetem linksextremistischem Hintergrund bekanntgeworden. Insgesamt zeichnet sich eine weiterhin rückläufige Tendenz ab. Motiv für eine Vielzahl von Delikten bildete auch im vergangenen Jahr in nicht wenigen Fällen der "Antifaschismus" und "Antirassismus". Folgende Beispiele aus Baden-Württemberg seien herausgegriffen: 96 Linksextremismus I Am 24. Februar 1995 wurden die Fahrzeuge einer Autofirma in Stuttgart beschädigt. Eine dabei begangene Farbschmiererei richtete sich gegen den Bau der Fahrzeug-Teststrecke von Mercedes-Benz im niedersächsischen Papenburg. Der Sachschaden belief sich auf rund 30.000 DM. I Am 23. März 1995 konnten in Karlsruhe Farbschmierereien festgestellt werden, die sich gegen die geplante Hinrichtung des wegen Mordes verurteilten ABU-JAMAL in den USA richteten. Der Schaden betrug ca. 5.000 DM. I Am 24. April 1995 verursachten in die Oberleitung der Bahnstrecke Heidelberg - Bruchsal gehängte Hakenkrallen einen Sachschaden von etwa 20.000 DM. Die Tat stand vermutlich im Zusammenhang mit dem Transport abgebrannter Brennelemente des Kernkraftwerks Philippsburg nach Gorleben. I In der Nacht zum 8. Mai 1995 wurde in Karlsruhe ein KriegerehBeispiele renmal schwer beschädigt. Eine in der Nähe angebrachte Farbschmiererei lautete: "1914 - 1939 - 1955/Ohne Armee kein Krieg/8. Mai gegen deutschen Nationalismus". I In Bietigheim-Bissingen wurden am 22. Mai 1995 die Schaufensterscheiben eines Antiquitätengeschäfts durch Steinwürfe beschädigt. Die Täter sprühten außerdem die Parole "Kampf dem Faschismus". In einer Erklärung begründeten "Revolutionäre Bakterien" die Tat damit, daß in dem Geschäft NS-Embleme verkauft würden. Der Schaden lag bei ca. 11.000 DM. I Auf rund 30.000 DM belief sich der Sachschaden zum Nachteil eines Autohauses in Tübingen, dessen Schaufensterscheiben am 30. Juli 1995 durch Steinwürfe beschädigt wurden. Eine neben der Eingangstür aufgesprühte Parole lautete "Keine Hinrichtung von Mumia ABU-JAMAL". I Bei einem Brandanschlag auf die Standortverwaltung der Bundeswehr in Karlsruhe in der Nacht zum 8. September 1995 wurden ein 97 Verwaltungsgebäude und zwei Fahrzeuge beschädigt (Sachschaden: ca. 20.000 DM). Die Täter hinterließen mehrere Flugblätter mit dem Text: "1.9.1939 Deutsche Wehrmacht überfällt Polen 1.9.1995 Deutsche Bundeswehr im Kriegseinsat:, in Jugoslawien Greift die Kriegstreiber an überall Sabotiert die Kriegsmaschinerie" I In Kämpfelbach/Enzkreis stürzten unbekannte Täter am 12. November 1995 einen 30 Meter hohen Strommast um. Der Schaden belief sich auf ca. 120.000 DM. Am 13./14. Dezember 1995 wurden in Karlsruhe durch das Einwerfen von Fensterscheiben und Farbschmierereien Sachbeschädigungen an mehreren Banken, Polizeidienststellen und einer Kirche verübt. Den Hintergrund hierfür bildete offenbar die am 12. Dezember 1995 vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) angeordnete Beugehaft gegen mehrere Personen im Zusammenhang mit Ermittlungen zu dem Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt am 27. März 1993. Es entstand ein Schaden von insgesamt 30.000 DM. Am 18. Dezember 1995 wurden in Heidelberg und Mannheim vor dem Hintergrund des "CASTOR"-Transports Anschläge auf Oberleitungen der Deutschen Bahn AG verübt, die einen Gesamtschaden von über 10.000 DM verursachten. 3. Linksextremistischer Terrorismus Die "Rote Armee Fraktion" (RAF) ist 1995 völlig im Hintergrund geblieben und weder mit Aktionen noch Erklärungen an die Öffentlichkeit getreten. Anzeichen für eine gelungene Neuorientierung der linksextremistischen/-terroristischen "Szene", wie sie von der RAF gefordert worden war, sind weiterhin nicht erkennbar. 98 Linksextremi s mus Die Gefährdungslage blieb 1995 im wesentlichen unverändert, zumal von der RAF keine konkrete Bedrohung ausging und die "Revolutionären Zellen" (RZ) mit ihrer Frauengruppe "Rote Zora" in diesem Zeitraum weniger Aktivitäten entwickelten als im Jahr zuvor. Im Vordergrund steht nach wie vor die Terrorgruppe "Antiimperialistische größte BedroZelle" (AIZ), die - wie schon 1994 - mit mehreren Anschlägen und hung durch umfangreichen schriftlichen Verlautbarungen auf sich aufmerksam die AIZ machte. 3.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 3.1.1 RAF-Kommandoebene Die Entscheidung der RAF von 1992 zur Aussetzung des bewaffneten Kampfs und die Suche nach einer grundsätzlichen Neubestimmung #T ihrer Strategie prägten auch 1995 den Diskussionsprozeß. Die Trennung anhaltende zwischen Gegnern und Befürwortern der neuen RAF-Linie blieb besteStrategiehen. Die dadurch entstandenen Unsicherheiten und Konfrontationen im diskussionen gesamten Gefüge der RAF sind bis heute nicht überwunden. Zuletzt hat die RAF im März 1994 mit einer Erklärung in die Debatte eingegriffen und sich seither nicht mehr zu Wort gemeldet. Dies hängt vermutlich damit zusammen, daß bei dem angestrebten Aufbau einer "Gegenmacht von unten" bisher kaum Fortschritte zu verzeichnen waren. Als Äußerungen einer Vertreterin des neuen RAF-Kurses aus jüngster Zeit können die Erklärungen von Birgit HOGEFELD seit Beginn ihres Prozesses am 15. November 1994 in Frankfurt am Main gewertet werden. Ihre "Prozeßerklärung" vom 21. Juli 1995 endete mit der Aussage: "Es wird hier keine relevante Gegenmacht gehen, wenn wir - und damit meine ich nicht nur die RAF - uns weiterhin weigern, unsere eigene Geschichte zu begreifen. Wir brauchen für die Bestimmung zukünftiger Kämpfe nicht nur eine genaue Analyse der aktuellen Situation und Entwicklung, wir brauchen dafür auch die Erfahrungen und die Erkenntnisse aus den letzten 25 Jahren. " 99 Im linksextremistischen/-terroristischen Spektrum wird insofern erwartet, daß die RAF zumindest zum Ende dieses Prozesses eine richtungsweisende Erklärung abgibt, um überhaupt noch als ernstzunehmender Faktor gelten zu können. 3.1.2 RAF-Inhaftierte Auch 1995 kam es zu weiteren Entlassungen von Inhaftierten der RAF, die in der "Szene" mit Erleichterung und Genugtuung aufgenommen wurden. Die Hauptverhandlung gegen Birgit HOGEFELD und der vom 29. August bis 26. September 1995 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart neue Strafgeführte Prozeß gegen Sieglinde HOFMANN wurden auch in Badenverfahren Württemberg von Teilen des linksextremistischen/-terroristischen Umfelds als Beweis für die "Unnachgiebigkeit" und den unverändert feststehenden "Vernichtungswillen" des Staates gegenüber "politischen Gefangenen" gewertet. 100 Linksextremismus Vom 1. bis 3. August 1995 nahmen die RAF-Inhaftierten im Rahmen der Solidaritätskampagne "Freiheit für Mumia ABU-JAMAL" an einem Hungerstreiks dreitägigen Hungerstreik teil. Christian KLAR (Justizvollzugsanstalt Bruchsal) trat vom 1. September bis 4. Oktober 1995 in einen Hungerstreik, mit dem er eine Verbesserung seiner Haftbedingungen erzwingen wollte, allerdings ohne das erhoffte Maß an Resonanz zu erzielen. Dabei war er vorübergehend in das Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg eingeliefert worden. Mit Datum vom 19. September 1995 hatte eine "Freiburger Gruppe für die Freiheit der politischen Gefangenen" einen offenen Brief an den Innenminister und den Justizminister BadenWürttembergs sowie den Leiter der Justizvollzugsanstalt Bruchsal gerichtet, in dem sie die Forderungen KLARs unterstützte. In dem offenen Brief hieß es u.a.: "Die gegen Herrn KLAR verhängten Restriktionen erscheinen uns daher eher als schikanöse Maßnahmen, um ihn zu einer öffentlichen Absage an den bewaffneten Kampf und seine politische Geschichte zu zwingen. Ihm und allen anderen isolierten politischen Gefangenen wird der politische Kommunikationszusammenhang entzogen." Von den Inhaftierten wird nach wie vor die Forderung nach Zusammenlegung und "Freilassung aller politischen Gefangenen" erhoben. IOI 3.1.3 RAF-Unterstützerbereich in Baden-Württemberg Der Richtungsstreit zwischen Gegnern und Befürwortern der neuen RAF-Strategie bestimmte auch im zurückliegenden Jahr maßgeblich die internen Diskussionsprozesse im linksextremistischen/-terroristischen interne AusUmfeld. Ein weiterer gravierender Streitpunkt entwickelte sich bezügeinandersetlieh des Stellenwerts des "bewaffneten Kampfs", den ein Teil der Zungen "Szene" in der Auseinandersetzung mit dem Staat nach wie vor für unverzichtbar hält. Der Aufbau einer "Gegenmacht" bleibt weiterhin das übergreifende Ziel, obwohl hierbei bisher kaum Erfolge zu verzeichnen waren. Als besonders geeignet zur Mobilisierung und Bündelung aller Kräfte wurden von der "Szene" selbst die Themenbereiche 1 Unterstützung kurdischer Gruppierungen und der Inhaftierten aus diesem Bereich sowie die Kampagne zur Freilassung von Mumia ABU-JAMAL angesehen. Hierzu engagierte sich das linksextremistische/-terroristische Umfeld in Baden-Württemberg in besonders starkem Maße, wobei es erstmals seit langer Zeit wieder gelang, alle zerstrittenen "Fraktionen" auf ein gemeinsames Vorgehen auszurichten. Es kam zu zahlreichen Demonstrationen, Aktionen und Kundgebungen, die von Angehörigen der "Szene" organisiert und unterstützt wurden. ExekutivmaßNach den auf Anordnung des Generalbundesanwalts am 13. Juni 1995 nahmen in verschiedenen Bundesländern durchgeführten Exekutivmaßnahmen, denen Ermittlungsverfahren gegen die terroristischen Vereinigungen AIZ, "Das K.O.M.I.T.E.E." und RAF sowie gegen Herausgeber und Verbreiter der Untergrundzeitschrift "radikal" zugrunde lagen, kam es auch in Baden-Württemberg zu mehreren Solidaritätskundgebungen des linksextremistischen/-terroristischen Spektrums. 1995 waren unverändert ca. 60 Personen diesem Unterstützerbereich zuzurechnen. Veränderungen in der Struktur ergaben sich dahingehend, daß es innerhalb des baden-württembergischen RAF-Umfelds zu einer Stärkung von primär "antiimperialistisch" ausgerichteten Gruppierun102 Linksextremismus gen kam. Zu einer Schwächung kam es hingegen bei rein auf die "Gefangenenfrage" sowie Sozialrevolutionäre Themenbereiche fixierten Gruppen. 3.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Nachdem die RZ-Gruppierungen "Revolutionäre Zellen" (RZ) sowie die Frauengruppe "Rote Zora" 1994 noch mehrere Sprengstoffund Brandanschläge im Zusammenhang mit der Asylund Flüchtlingsproblematik verübt hatten, kam es 1995 nur zu vereinzelten Aktionen. Dazu gehörte ein Sprengstoffanschlag der "Roten Zora" am 24. Juni 1995 auf die Lürssen-Werft GmbH in Lemwerder bei Bremen, der mit deren Lieferungen von Rüstungsgütern an die Türkei begründet wurde. In Baden-Württemberg waren 1995 keine Anschläge der RZ zu verzeichnen. Das Organisationsmodell der "Revolutionären Zellen" mit der Bildung eigenständiger Kleingruppen, deren Mitglieder aus dem normakeine len bürgerlichen Leben (Beruf, Studium) heraus Anschläge planen und Anschläge in ausführen, ist gleichwohl nach wie vor aktuell, wie sich am Beispiel der Baden-Würt"Antiimperialistischen Zelle" (AIZ) zeigt. temberg 3.3 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Die "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) setzte ihre seit Ende 1992 begonnene Anschlagsserie 1995 unbeirrt fort. Die Gruppe, die von Anfang an das Aussetzen militanter Aktionen durch die RAF kritisiert hatte, ist offenbar weiterhin entschlossen, die entstandene Lücke durch eigene Angriffe zu schließen. 1995 verübte sie folgende Sprengstoffanschläge: * 21. Januar 1995 auf das Wohnhaus des früheren CDU-Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Staatssekretärs im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Volkmar KÖHLER, in Wolfsburg * 23. April 1995 auf das Wohnhaus des CDU-Bundestagsabgeordneten und Mitglied des 103 Bundestagsinnenausschusses, Dr. Josef Theodor BLANK, in Düsseldorf-Erkrath * 17. September 1995 Sprengstoffauf das Wohnhaus des CDU-Bundestagsabgeordneten und verteidianschläge gungspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion, Dr. Paul BREUER, in Siegen * 23. Dezember 1995 auf den Firmensitz des Baukonzerns HEITKAMP GmbH in Düsseldorf, dessen Geschäftsführer zugleich Honorarkonsul für Peru ist. Nach Ansicht der AIZ stellt der dabei praktizierte "Angriffstypus" eine "effiziente Eingriffsmöglichkeit" dar, " weil die potentielle bedrohung dort, wo die eilten wohnen/arbeiten, für diese eilten eine unerträgliche Situation zur folge hat. auf diese weise wird antiimperialistische politik schwacher kräfte zur militanten gegenmacht". Kreis Um einen möglichst großen Verunsicherungseffekt zu erreichen, bezieht potentieller die AIZ in den Kreis potentieller Anschlagsopfer "einige tausend" EntAnschlagsscheidungsträger ein, "die in der brd die politik/die Wirtschaft bestimopfer erweimen". Die Bekennungen zu den bisherigen Anschlägen zeigen, daß die tert AIZ oft jahrelang zurückliegende Aussagen und Texte auswertet und zitiert. In ihren bisherigen Erklärungen thematisierte die AIZ insbesondere die weltweiten Auswirkungen von Imperialismus, Kapitalismus sowie Rassismus und definierte hieraus auch ihre sogenannten Interventionsfelder. Diese reichen nach ihrer Ansicht von der "fortschreitenden Verarmung in der bundesrepublik", "formierung großdeutschlands und der eu", "Unterstützung der türkei durch die brd im krieg gegen die kurden" bis hin zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und der Benachteiligung anderer - vorwiegend islamischer - Staaten durch den "imperialistischen block" (USA, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich u. a.). Daher spricht sich die AIZ für den "antiimperialistischen kämpf auf nationa104 Linksextremismus ler und internationaler Ebene aus, den sie gegen die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft führen will. Die Grundlage hierfür bildet das "konzept stadtguerilla", das als "die revolutionäre interventionsmethode von insgesamt schwachen revolutionären kräften " bezeichnet wird. Andere "antiimperialistisch" ausgerichtete Gruppierungen werden aufgefordert, sich an diesem Kampf zu beteiligen, der nach den Vorstellungen der AIZ - ähnlich der RZ-Konzeption - von einer Vielzahl unabhängig operierender Gruppen im Rahmen einer gemeinsamen Strategie geführt werden soll. Trotz massiver Kritik aus dem linksextremistischen/-terroristischen nur verhalteSpektrum wegen der wiederholt für "Unbeteiligte" riskanten Tatausne Solidarität führung setzte die AIZ ihre Anschlagserie fort. Zunehmend wird jedoch mit der AIZ die Gruppierung auch von Teilen der baden-württembergischen "Szene" als ernstzunehmender Faktor im Kampf gegen Imperialismus und Staat betrachtet. Aus der starken Betonung der internationalen Aspekte des "antiimperialistischen kampfs" wird deutlich, daß die AIZ den Schulterschluß mit ausländischen Gruppierungen sucht. Am 25. Februar 1996 wurden zwei mutmaßliche AIZ-Angehörige in Festnahme Witzhave (Schleswig-Holstein) festgenommen. Sie hatten etwa 14 Tage von Verdächzuvor im Berliner Umland in Flaschen verfülltes Schwarzpulver in tigen Erddepots eingelagert. Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erließ am 26. Februar 1996 Haftbefehl gegen die beiden aus Mönchengladbach und Reilingen stammenden Physikstudenten wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des versuchten Mordes, des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und anderer Straftaten. 105 4. Autonome und sonstige Anarchisten 4.1 Autonome Gruppen Haß gegen Auch im Jahr 1995 hat die von unverhohlenem Haß gegen den Staat den Staat geprägte autonome "Szene" mit militanten Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Der Kampf gegen jegliche staatliche und gesellschaftliche Nonnen eint ein breitgefächertes, schwer eingrenzbares Protestpotential, das sonst kaum über einheitliche ideologische Grundlagen verfügt. Ein diffuses, tendenziell anarchistisch ausgerichtetes Weltbild, vor allem jedoch das Bestreben, "selbstbestimmt" zu leben, bildet für Autonome die Basis für den Widerstand gegen das "System". In einem aus Anlaß der Veranstaltungen zum 50. Jahrestag des Kriegsendes im Mai 1995 verbreiteten Flugblatt der "Antifa Karlsruhe" hieß es: " Unser Ziel kann es nicht sein, einen Staat, der kapitalistisch und faschistoid aufgebaut ist, zu verbessern, sondern zu bekämpfen und durch eine herrschaftsfreie Gesellschaftsform zu ersetzen. " Gewalt als Die Anwendung von Gewalt ist dabei allenfalls eine taktische Frage. So Mittel zum stellte beispielsweise eine Gruppierung aus Berlin in der autonomen Zweck "Szene"-Publikation "INTERIM", Nr. 326 vom 6. April 1995, fest: "Militanz ist für uns nicht nur Aktionsform, sondern eine grundsätzliche Haltung, die quer zu den herrschenden Verhältnissen steht." Autonomes Handeln orientiert sich in erster Linie an aktuellen und vermittelbaren Themen. Schwerpunkt autonomer Aktivitäten ist nach wie vor die "Antifaschismusarbeit". Im engeren Sinne konzentriert sich diese auf den "Anti-Nazi-Kampf", d. h. ein gezieltes Vorgehen gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Darüber hinaus besitzt der "Antifaschismus" - nach dem Verständnis von Linksextremisten - einen weiterreichenden, grundsätzlich gegen den Staat gerichteten politisch-ideologischen Hintergrund. Hierzu äußerte sich die "Antifa Karlsruhe" folgendermaßen: "Antifaschismus bedeutet für uns ..., die verantwortlichen Personen und 106 Linksextremismus staatlichen Strukturen, die diese Entwicklung vorantreiben, zu benennen und anzugreifen. Denn eine Antifabewegung, die nicht die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge aufdeckt und erkennt, wer die Profiteure von Rassismus, Krieg und Unterdrückung sind, sondern beim Kampf gegen Stiefelfaschistinnen stehenbleibt, verkommt zur reinen Antinazibewegung." Auch in Baden-Württemberg beschäftigen sich vielerorts autonome Personenzusammenschlüsse nahezu ausschließlich mit dem Thema "Antifaschismus". In verschiedenen Schriften wurden detaillierte "Szene"Recherchen über "rechte" Organisationen und deren Angehörige veröffentlicht, oftmals mit der mehr oder weniger verklausulierten Aufforderung zum - auch gewaltsamen - Handeln. In einer von der "Autonomen Antifa Göppingen-Kirchheim/Teck" herausgegebenen "Dokumentation zur Neonazistischen Szene im Landkreis Göppingen" hieß es etwa: "Es gilt .... aktiv den Neonazis entgegenzutreten, ihre Propaganda zu verhindern und sie letzten Endes zu besiegen. Kampf dem Faschismus. " In diesem Zusammenhang sorgten beispielsweise militante "Antifaschisten" am 25. März 1995 in Leimen für schwere Ausschreitungen. Hinter einer dort geplanten privaten Feier eines der Partei "Die Republika107 ner" angehörenden Stadtrats hatten die teilweise vermummt auftretenden "Antifas" ein getarntes Treffen von Rechtsextremisten vermutet. Gegen 38 Personen wurde wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs ermittelt. In Eilingen unter Achalm/Kreis Reutlingen kam es zu mehrfachen Protesten zahlreicher Bürger und demokratischer Gruppierungen gegen die befürchtete Einrichtung eines "rechten" Treffund Schulungszentrums in einem durch eine Erbschaft der NPD zugefallenen Gebäude. Später beteiligten sich daran auch autonome Kreise. Schwerpunkte Mit hohem Aufwand wurde im linksextremistischen Spektrum bundesvon Aktionen weit zu einer Demonstration am 24. September 1995 gegen das "Studienzentrum Weikersheim" mobilisiert, das in ähnlicher Weise als angeblicher Hort "rechter" Tendenzen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt worden war. 108 Linksextremi smus Fortgesetzt wurde ferner die Kampagne "Stoppt Nazi-Zeitungen", in deren Rahmen Zeitschriftenhändler genötigt werden, kein "rechtes" Schriftgut mehr zu vertreiben. Insgesamt ist jedoch die Zahl der gegen "Rechte" gerichteten Gewalttaten in Baden-Württemberg mit 6 (Bund: 80) gegenüber 16 im Jahr 1994 (Bund: 199) weiter deutlich zurückgegangen. In enger Wechselbeziehung zur "Antifaschismusarbeit" steht der von Autonomen ebenfalls intensiv thematisierte "Antirassismus". Die von ihnen betriebene Agitation sowie mehrere Anschläge im Bundesgebiet waren vor allem gegen Regelungen des Asylverfahrens gerichtet. Im Aufruf zu einer Aktionswoche im Juli 1995, mit der gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber protestiert wurde, hieß es: " 'Sand ins Getriebe der Abschiebemaschinerie' zu streuen, heißt für uns, diese Institutionen und Verantwortlichen rassistischer Gewalt nicht in Ruhe zu lassen." Die Solidarität mit der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Solidarität mit führte zu einer - teilweise maßgeblichen - Beteiligung deutscher Linksder PKK extremisten an Aktivitäten von Kurden. Der Bundesregierung wurde dabei vorgeworfen, "Kriegspartei" zu sein. In ihrem seit Jahren andauernden Bemühen um ein gewisses Maß an Organisierung kommt die - vom Selbstverständnis her eigentlich organisationsfeindliche - autonome "Szene" nur mühsam voran. Gerade über gemeinsame "Antifaschismusarbeit" sind jedoch immerhin - weniger in Baden-Württemberg als vor allem in einigen anderen Bundesländern - inzwischen einige gruppenübergreifende Strukturen entstanden. Daneben spielen bei der Kommunikation und Vernetzung der "Szene" - neben persönlichen Kontakten - vor allem Publikationen, "Info-Telefone" und Mailboxen nach wie vor eine entscheidende Rolle. Vom 14. bis 17. April 1995 fand in Berlin ein seit langem vorbereiteter "Autonomie"Autonomie-Kongreß" statt, an dem sich rund 2.000 Personen beteiligKongreß" ten. Die Veranstaltung, die der Standortbestimmung und Stärkung des 109 Zusammenhalts der (autonomen) "Linken" dienen sollte, fand - auch wenn sich keine grundsätzlichen neuen Zukunftsperspektiven ergaben - eine überwiegend positive Resonanz. Potential der Das Gesamtpotential des gewaltbereiten autonomen Spektrums wird im Autonomen Bundesgebiet auf über 6.000 Personen geschätzt. In Baden-Württemberg wird von etwa 450 Angehörigen dieser "Szene" ausgegangen, die in einen nicht konkret eingrenzbaren, jederzeit mobilisierbaren Kreis weiterer Linksextremisten eingebunden sind. Örtliche Schwerpunkte sind die Städte Freiburg, Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart sowie der Raum Tübingen/Reutlingen. 4.2 Anarchistische Gruppen geringe Die Bedeutung der verschiedenen anarchistischen Gruppierungen im Bedeutung Bundesgebiet ist nach wie vor gering. Die anarcho-syndikalistische "Freie Arbeiterinnen Union" (FAU) propagiert eine "herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung gegründete Gesellschaft", die mit sogenannten direkten Aktionen wie Streiks, Boykottmaßnahmen, Fabrikbesetzungen und Sabotage erkämpft werden soll. Sie unterhält in Baden-Württemberg Kontaktstellen in Göppingen, Ludwigsburg, Tübingen und Ulm. Mit großer verbaler Militanz tritt die "Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei" (FAU/AP) einschließlich ihrer Nebenorganisationen "Freie Arbeiter Union-Studenten" (FAUST) und "Schwarze Garde" auf. Sie fordert die gewaltsame Zerschlagung des Staates und gibt Anleitungen zum "revolutionären Kampf. Der örtliche Schwerpunkt dieses Zirkels liegt in Heidelberg. 110 UHU Linksextremismus 5. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 5.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld Gründung: 1968 333 Sitz: Essen Mitglieder: ca. 600 Baden-Württemberg (1994: ca. 600) ca. 6.000 Bund (1994: ca. 6.000) Publikation: "Unsere Zeit" (UZ) Nach den Mitgliederverlusten Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre Konsolidiebefindet sich die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) in einer rung anhaltenden Konsolidierungsphase. Bereits in den "Thesen zur programmatischen Orientierung", die anläßlich des 12. Parteitags am 16./17.1.1993 in Mannheim beschlossen worden waren, hatte die DKP selbst eingeräumt, momentan "in einer Phase ihrer Reorganisation und Erneuerung" zu sein. Der erhoffte und gelegentlich beschworene Aufschwung blieb jedoch auch im Jahr 1995 aus, so daß sich die Zahl der Mitglieder im Land weiterhin nahezu unverändert bei knapp 600 bewegt, wovon allerdings lediglich ca. 10 - 20 % als Aktivisten bezeichnet werden können. Ideologisch hält die Partei unverändert an der bisherigen Zielsetzung unveränderte fest. Dabei betont sie ihre Rolle als "Klassenpartei", die eine "konseZielsetzung quent antikapitalistische" Politik verfolge und "im Klassenkampf die zentrale Triebkraft der Geschichte" sehe. Einen Großteil ihres Kräftepotentials und ihrer Energie verwandte die DKP in Baden-Württemberg auf parteiinterne Fragen und Themen. So nahmen Planung und Vorbereitung für die Teilnahme der LandesBezirksorganisation am "UZ-Pressefest" vom 1. bis 3. September 1995 in Dortmund breiten Raum ein. Für diese Veranstaltung war im Vorfeld wiederholt um Spenden geworben worden. 111 Im übrigen versuchte die DKP bereits seit längerem, über Spendenaufrufe und Werbemaßnahmen im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen die Existenz ihres Zentralorgans "Unsere Zeit" (UZ) zu sichern - offenbar mit Erfolg. So wurde auf dem 13. Parteitag am 3./4. Februar 1996 in Dortmund beschlossen, die Zeitung, die derzeit in 14täglichem Turnus mit einer Auflage von 10.500 Exemplaren erscheint, ab 1. Juli 1996 wieder wöchentlich herauszugeben. Seit dem Zusammenbruch des "real existierenden Sozialismus" zählt die "Kuba-Solidaritätsarbeit" zu den schon traditionellen Betätigungsfeldern und Schwerpunkten der Parteiarbeit. In Baden-Württemberg beschäftigte sich die DKP zudem seit Mitte des Jahres mit der Frage einer Kandidatur zu den Landtagswahlen am 24. März 1996. Letztlich wurden jedoch nur in 7 (von 70) Wahlkreisen Bewerber aufgestellt. Die DKP erzielte dort zwischen 0,1% und 0,8% der Stimmen - ein sicherlich für die Partei wenig zufriedenstellendes Ergebnis. gemeinsame Darüber hinaus boten 1995 verschiedene aktuelle politische Anlässe Aktionen mit und markante historische Jahrestage der DKP die Gelegenheit zur anderen Durchführung von Aktionen in Zusammenarbeit mit anderen LinksexLinkstremisten, an denen anlaßund themenbezogen teilweise auch demokraextremisten tische Vereinigungen beteiligt waren. Derartige Aufhänger waren insbesondere der Krieg auf dem Balkan, die Kurdenproblematik in der Türkei, die französischen Atomtests auf dem Mururoa-Atoll sowie der 50. Jahrestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa und der 50. Jahrestag der amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Mit Verspätung beteiligte sich die DKP an der Kampagne gegen die drohende Hinrichtung des in den USA zum Tode verurteilten Farbigen Mumia ABU-JAMAL, eine Thematik, deren Publizität die Partei offenbar zunächst unterschätzt hatte. Inzwischen scheint die DKP mit der Beteiligung an den genannten Aktionen sowie der Durchführung ihrer internen Aktivitäten - unter Berücksichtigung des ihr zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Potentials - an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu stehen. Ohne die Erschließung neuer Ressourcen wird die Partei auch 112 Linksextremi smus künftig nicht mehr zu ihrer früheren Stärke zurückfinden können. Den Bemühungen der DKP zur Gewinnung vor allem jüngerer Mitglieder war jedoch auch im vergangenen Jahr kein Erfolg beschieden. Das zunehmend die Existenz und den Erhalt der Organisation bedrohende Problem der Mitgliederüberalterung ist von den Funktionären zwar erkannt, ein erfolgversprechendes Lösungskonzept bisher jedoch nicht gefunden worden. Weiterhin ungeklärt ist auch das Verhältnis der DKP zur "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Der Erfolg der Annäherungsbemühungen hält sich - durch nach wie vor bestehende ideologische Differenzen - in Grenzen. Andererseits dürfte es für die im Vergleich zur PDS im Landesbereich zwar mitgliederstärkere, bundesweit hingegen vergleichsweise unbedeutende DKP keine andere erfolgversprechende politische Alternative geben, um "linke Politik" mitzugestalten. Die Partei sieht sich dabei mit dem Problem konfrontiert, einen Annäherungskurs zu steuern, ohne gleichzeitig in den Sog der größeren PDS zu geraten und dabei ihre Identität und die eigenen Positionen aufzugeben. Überaus unbefriedigend für die DKP ist gleichfalls die Entwicklung ihrer Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), der in Baden-Württemberg auch 1995 keine Reorganisation gelang. Sie verfügt weiterhin nicht über funktionsfähige Strukturen. Damit einher geht - wie bereits seit Jahren - ein weitgehender Verlust der Aktionsfähigkeit. Die Hoffnungen der "Mutterpartei" DKP, über die SDAJ als Kaderreserve neue Parteimitglieder rekrutieren und damit ihre Nachwuchsprobleme lösen zu können, dürften zumindest mittelfristig als gescheitert anzusehen sein. Die Kinderorganisation der DKP, die "Roten Peperoni" (früher: "Junge Pioniere"), zeigte im vergangenen Jahr - abgesehen von der Durchführung der obligatorischen Pfingstund Sommerferienlager - keinerlei politische Aktivitäten. Bei der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) hat sich der linksextremistische Einfluß 113 auf Kreisund Ortsebene auch 1995 weiter verringert. In den Kreisvereinigungen hat das politische Gewicht demokratischer Kräfte zugenommen. linksextrem^ Während die Vereinigung bis Ende der 80er Jahre als Vorfeldorganisastische Beeintion der DKP anzusehen war, gewannen im Zuge des zurückgehenden flussung DKP-Einflusses zumindest an der Basis der VVN-BdA vermehrt demokratische Positionen an Raum, was in der Folge zu einer zunehmenden Distanzierung gegenüber linksextremistischen Ideologien oder gelegentlich gar zu deren Ausgrenzung führte. Im Gegensatz zu der landesweit zu beobachtenden Tendenz auf Kreisund Ortsebene nehmen die beiden Kreisvereinigungen Karlsruhe und Offenburg derzeit eine Sonderstellung ein. Dort haben die anhaltenden Kontakte der überwiegend jungen Mitglieder einer "VVN-BdA/Jugendteilweise antifa" zum linksextremistischen autonomen Spektrum zu einer MilitanzbeRadikalisierung bis hin zur Militanzbereitschaft geführt, die in der reitschaft Durchführung gemeinsamer "antifaschistischer Aktionen" ihren Niederschlag findet. Ob sich die Landesvereinigung der VVN-BdA von diesem gewaltbereiten Mitgliederpotential distanzieren wird, oder ob es in der Folge zu einer Abspaltung dieses Personenkreises kommt, bleibt abzuwarten. Die überwiegende Zahl der VVN-BdA-Kreisvereinigungen trat ansonsten durch sporadische gemeinsame Veranstaltungen und Aktionen mit anderen Vereinigungen in Erscheinung. Das innerhalb dieser "örtlichen Bündnisse" vertretene Spektrum wird von der VVN-BdA, die im übrigen vom Finanzamt Stuttgart als gemeinnützig anerkannt ist, selbst als von "demokratischen Organisationen bis zu autonomen Gruppierungen" reichend charakterisiert. Die Erinnerung an den 50. Jahrestag des Endes der nationalsozialistischen Herrschaft und die Befreiung der Konzentrationslager bildete 1995 naturgemäß den Schwerpunkt der Arbeit der VVN-BdA. Daneben wurden jedoch auch aktuelle tagespolitische Themen (Krieg im ehemaligen Jugoslawien, Kurdenproblematik) aufgegriffen. 114 Linksextremi smu s 5.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Gründung: 1989 Sitz: Mitglieder: Berlin ca. 200 Baden-Württemberg (1994: ca. 180) flEJ ca. 120.000 Bund (1994: ca. 123.000) Publikation: "Neues Deutschland" (ND) Der bundesweite Abstimmungsprozeß über die Behandlung der "Partei linksextremides Demokratischen Sozialismus" (PDS) ist noch nicht abgeschlossen. stische AusJedoch gehen seit Sommer/Herbst 1995 die Verfassungsschutzbehörden richtung des Bundes und der Länder zunehmend dazu über, die PDS zu beobachten. Baden-Württemberg hat sich Ende 1995 dieser Praxis angeschlossen und die PDS zum Beobachtungsobjekt erhoben, da die vorausgegangene mehrjährige Prüfphase tatsächliche Anhaltspunkte für die linksextremistische Ausrichtung der Partei in Baden-Württemberg ergeben hat. Mit rund 200 Mitgliedern hat der Landesverband Baden-Württemberg nach wie vor nur einen verschwindend geringen Anteil am Gesamtmitgliederbestand (ca. 0,16%). Die PDS versucht einerseits - als Konsequenz aus der Aufarbeitung der Vergangenheit -, sich als eine neuartige Partei zu präsentieren. Hierzu gehört - wie in Programm und Statut definiert - die erklärte Abkehr vom Aufbauprinzip der alten "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED). Statt dessen propagiert die PDS ihre Absicht, innerparteiliche Transparenz und Demokratie, Meinungspluralismus sowie Offenheit nach außen zu schaffen. Die PDS will außerdem auf das von sozialistischen Parteien traditionell in Anspruch genommene "Monopol der Wahrheit" und die Rolle der Partei als "Avantgarde" der Arbeiterklasse verzichten. Andererseits versteht sich die PDS als Sammelbecken "linker" StröSammelmungen im umfassenden Sinne und von Menschen unterschiedlichster hecken Herkunft, aus allen sozialen Schichten und Klassen. Sie strebt eine "linker" Zusammenarbeit mit möglichst vielen "demokratischen, sozialen und Strömungen politischen Bewegungen" an, um in einem "Ensemble gesellschaftlicher 115 Kräfte" die "Bewegungen Betroffener zu wirksamen Gegenmächten gegen Kapital, Markt und Staat werden" zu lassen. Eingeladen zur politischen Mitwirkung in der PDS sind ausdrücklich "... sowohl Menschen ..., die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen wollen und die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu verändern und schrittweise zu überwinden. " In solch weit gefaßten Formulierungen wird das Bestreben der PDS deutlich, eine möglichst breite Palette von Adressaten zu erreichen. Die in diesem Zusammenhang auch in Baden-Württemberg zu beobachtende Tendenz der Öffnung gegenüber anderen "linken" Kräften weist auf die primär im Westen gegebene Notwendigkeit hin, sich ein eigenes Mitgliederbzw. Sympathisantenpotential zu schaffen. Denn während im Osten die Anknüpfungsmöglichkeiten - sowohl in organisatorischer als in personeller Hinsicht - an intakte Strukturen und finanzielle Ressourcen der Vorgängerpartei SED genutzt werden konnten, war im Westen ein vollständiger Neuanfang erforderlich. Dem inzwischen deutlichen Einfluß der DKP, aber auch anderer linksextremistischer Organisationen auf den PDS-Landesverband Baden-Württemberg hat dieser dabei sowohl durch die Zulassung von Doppelmitgliedschaften als auch durch das Praktizieren sogenannter offener Listen bei den Wahlen der Jahre 1990 und 1994 selbst den Weg bereitet. Welcher Vielfalt an linksextremistischen Strömungen die PDS inzwischen eine politische Heimat bietet, zeigte auch das Aufgehen des Landesverbands Baden-Württemberg des "Bundes Westdeutscher Kommunisten" in einer "Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS". Die im ArbeitsgeFebruar 1995 etablierte "Ökologische Plattform bei der PDS/LL meinschaften Baden-Württemberg" hat sich zur Aufgabe gesetzt, "Reformforderunund gen zu entwickeln, die an die Grenzen des Systems heranführen und Plattformen über sie hinausweisen". Die Initiatoren der am 13. November 1994 in Creglingen-Niederrimbach (Main-Tauber-Kreis) gegründeten baden-württembergischen Lan116 Linksextremismus desgruppe "Anarchistische Plattform in und bei der PDS" sehen sich selbst den "Ideen, Idealen und Theoretikerinnen des freiheitlichen Sozialismus, Anarchosyndikalismus und Anarchismus" verbunden. Sie wollen innerhalb der PDS "antiautoritäre und anarchistische Kritik an den herrschenden Verhältnissen und alternative Vorstellungen von einem befreiten Lehen verbreiten. Uns geht es dabei um die Veränderung der PDS selbst von einer parlamentarischen Partei zu einer radikal systemoppositionellen Bewegung, die ... eine umfassende Befreiung der Menschen von den Übeln des Kapitalismus, der autoritären Gesellschaftsstrukturen und des bürokratischen Monstrums Staat in Angriff nimmt... ... Der Staat ist, egal welcher Ausprägung, ein Übel, dessen Abschaffung das Ziel aller Linken, das heißt emanzipierten Kräfte sein muß." ("Landes-Info", Nr. 2 vom Mai 1995) Die schon 1994 zu beobachtenden Spannungen zwischen den Vertretern der unterschiedlichen linksextremistischen Strömungen innerhalb der Landesorganisation halten unvermindert an. Dessen ungeachtet ist die PDS in Baden-Württemberg zu den aktivsten Landesverbänden in Westdeutschland zu zählen. Die deutlichsten Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen bietet seit Jahren der in der PDS etablierte, marxistisch-leninistisch ausgerichtete Zusammenschluß der "Kommunistischen Plattform" (KPF). Ihr erklärtes Ziel ist es, kommunistische Positionen in die Ideologie und Politik der PDS einzubringen. Außerdem versteht sie sich als Brücke zu anderen marxistischen Gruppierungen. Mangelnde Distanz gegenüber politisch motivierter Gewalt läßt vornehmlich die "Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS" erkennen. Während in Baden-Württemberg derzeit noch keine "Kommunistische Plattform" besteht, hat sich jedoch bereits Mitte 1994 eine "Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen Rhein-Neckar in und bei der PDS" gegründet mit örtlichen Schwerpunkten in Heidelberg, Weinheim und inzwischen auch Reutlingen. 117 5.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen (seit Anfang 1995) Mitglieder: ca. 700 Baden-Württemberg (1994: ca. 700) ca. 2.300 Bund (1994: ca. 2.300) Publikationen: "Rote Fahne", "Lernen und kämpfen", "Rebell" Seit ihrer Gründung 1982 bekannte sich die MLPD uneingeschränkt zu den Lehren von MARX, ENGELS, LENIN, STALIN und MAO TSETUNG, jedoch werden seit Herbst 1994 ENGELS und STALIN nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Gleichbleibendes Ziel der MLPD ist "der revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Die Politik der ehemaligen DDR wurde stets als Verrat am Sozialismus abgelehnt. Statt dessen kämpft die MLPD für den "echten Sozialismus". Aufgrund ihres dogmatischen Standpunkts und ihrer unversöhnlichen weitgehende Haltung gegenüber anderen marxistisch-leninistischen Gruppierungen Isolierung ist die MLPD im linksextremistischen Lager nach wie vor weitgehend isoliert. Organisatorisch ist die Partei in Landesund Bezirksbzw. Kreisverbände sowie Orts-, Wohngebietsund Betriebsgruppen untergliedert, die einer Zentralleitung unterliegen. Als Parteiorgan erscheint wöchentlich die "Rote Fahne" mit einer Gesamtauflage von 7.500 Exemplaren. Monatlich wird die Schrift "Lernen und kämpfen" (Luk) mit etwa 1.000 Exemplaren herausgegeben. Hinzu kommen diverse Stadtund Betriebszeitungen sowie zweimonatlich das Jugendmagazin "Rebell" des gleichnamigen Jugendverbands der MLPD. Starken Einfluß übt die MLPD auf den nach außen als 118 Linksextremismus Für den echten Sozialismus! erethrtertigt" Moo Tsetung Mach mjl! ^Wlippkebe" unabhängig auftretenden Frauenverband "COURAGE" aus, dem die Partei auch künftig eine herausragende Bedeutung zumißt. Im Jahr 1995 befaßte sich die MLPD mit der Aufbereitung tagespolitischer und aktueller Themen wie etwa der "Tarifrunde 95" oder dem "Weltklimagipfel" in Berlin. Breiten Raum nahm das am 3./4. Juni 1995 in Gelsenkirchen abgehaltene "7. Pfingstjugendtreffen" ein. Nach eigenen Angaben sollen etwa 21.000 Personen daran teilgenommen haben. Tatsächlich lag die Zahl der Besucher bei ca. 4.000. 5.4 Sonstige Organisationen Dem revolutionär-marxistischen Spektrum ist noch eine ganze Reihe weiterer linksextremistischer Organisationen zuzurechnen, von denen allerdings nur eine Minderzahl nennenswerte politische Aktivitäten entfaltete: Der "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) zog 1995 mit einiger Verspätung die Konsequenzen aus dem Verlust seines Parteienstatus (Mitte 1993). Bislang in Landesund Bezirksverbände untergliedert, beschloß die Organisation auf der Bundesdelegiertenkonferenz Anfang März 1995 in Köln ihre Auflösung als politische Partei. Obwohl der 119 BWK unter der Bezeichnung "Bund Westdeutscher Kommunisten - Anbindung Bundeskonferenz" auch künftig fortbestehen will, sind inzwischen an die PDS nahezu alle Landesverbände - so auch der Landesverband Baden-Württemberg mit seinen ca. 70 Mitgliedern - als "AG BWK bei der PDS" in dieser Partei aufgegangen. Der GNN"-Verlag als "Medienfirma" dürfte auch weiterhin unter BWK-Kontrolle stehen, obwohl bereits mehrere Gesellschafter und Geschäftsführer (z. B. einer GNN-Niederlassung bei Leipzig) der PDS angehören. Die BWK-Vorfeldorganisation "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT) verlor weiter an Bedeutung. Auf einer Sitzung des "Zentralen Vorstands" im März 1995 in Köln wurde neben einer neuen Satzung die Umwandlung der VOLKSFRONT in einen Verein beschlossen, dessen Name jedoch noch nicht feststeht. MG weiterhin Auch im vierten Jahr nach der angeblichen Auflösung (Mai 1991) der funktions"Marxistischen Gruppe" (MG) weisen Anhaltspunkte darauf hin, daß fähig die Organisation nach wie vor über funktionsfähige Strukturen verfügt, ihre Aktivitäten keineswegs völlig eingestellt hat und noch immer in der Lage ist, ihr weiterhin vorhandenes erhebliches Anhänger-Potential zu mobilisieren. Erkennbar wird dies anhand der unverändert bestehenden Wohngemeinschaften, der mehr oder weniger konspirativ abgehaltenen Veranstaltungen, aber auch der publizistischen Aktivitäten von ehemaligen führenden MG-Funktionären. So sind im Impressum der mit einer Auflage von rund 7.000 Exemplaren erscheinenden "Politischen Vierteljahreszeitschrift 'GEGENSTANDPUNKT'" genannte Personen sowie die Gesellschafter der gleichnamigen Verlagsgesellschaft in München als ehemals führende MG-Funktionäre bekannt. Ansonsten werden in der Publikation direkte Hinweise auf die MG vermieden. 11 "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung mbH" mit Sitz in Köln 120 Linksextremismus Die "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) entstand im November 1986 aus einem Zusammenschluß der ehemaligen "Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" und der früheren trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) unter ihrer ursprünglichen Bezeichnung als "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP). Auf der Delegiertenkonferenz im Juni 1995 in Köln wurde die UmbeUmbenennennung der Organisation in "Vereinigung für Sozialistische Politik" nung der VSP (VSP) unter Beibehaltung der bisherigen Abkürzung VSP beschlossen. Presseorgan der VSP ist unverändert die "Sozialistische Zeitung" (SoZ), die zweiwöchentlich mit einer Auflage von nur noch 1.600 Exemplaren erscheint. Nach eigenen Angaben verfügt die VSP heute über deutlich weniger als 200 Mitglieder, wobei der Rückgang im wesentlichen auf die Abspaltung des 1994 gegründeten "Revolutionär-Sozialistischen Bundes" (RSB) zurückzuführen ist. Darüber hinaus bestehen innerhalb der Organisation Tendenzen in Richtung einer engen Verbindung zur PDS. Über eine Kandidatur als Spitzenkandidat der PDS auf der Landesliste Baden-Württemberg gelang dem VSP-Funktionär Dr. Winfried WOLF bei den Bundestagswahlen von 1994 der Einzug in den Bundestag. * Trotzkistische Vereinigungen Etwa die Hälfte der gegenwärtig mehr als ein Dutzend trotzkistischen Organisationen in Deutschland - die zu verschiedenen miteinander konkurrierenden Dachverbänden gehören - tritt auch in Baden-Württemberg in Erscheinung. Zu nennen sind insbesondere der "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA), die "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) und deren Abspaltung "Internationale Sozialistische Organisation" (ISO), der aus der ehemaligen "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) hervorgegangene "Revolutionär-Sozialistische Bund" (RSB), die "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) sowie die "Sozialistische Alternative VORAN" (SAV) mit der von ihr initiierten "Jugend gegen Rassismus in Europa" (JRE). 121 Als Hauptbetätigungsfeld sehen alle der häufig durch Spaltungen, Abspaltungen, Neugründungen oder auch Umbenennüngen entstandenen trotzkistischen Organisationen die Themen "Antifaschismus" und "Antirassismus" sowie teilweise die Bekämpfung der europäischen Einheit. Der 1994 bei einzelnen Vereinigungen noch zu beobachtende Aufwärtstrend hat im Jahr 1995 deutlich nachgelassen. Dies gilt vor allem für die JRE, aus der inzwischen einige Gruppen, darunter aus Offenburg, Stuttgart und Karlsruhe, ausgetreten sind. Als Gründe wurden neben fehlender Basisdemokratie und völlig unkontrollierter Verwendung der Mitgliedsbeiträge (bei einem utopischen Budget des Bundesbüros) vor allem die ständige Bevormundung durch SAV-Kader genannt. Die deutlich gewordene politische Einflußnahme und Steuerung durch die SAV, auf die auch die Gründung der Jugendorganisation zurückgeht, stößt bei Mitgliedern, die ohne eigene extremistische Ausrichtung zur JRE gekommen waren, zunehmend auf Ablehnung. 122 Linksextremismus " 3 ^.t""r Zeitung - ' * " Sri" " ' ' 1Ä ; : S ^ " ^ - *" "* f 1 ^ n f w b e r " t e " - _ 1 ginnenBund*1!'0?1 v"" "* "'TS.""(tm)" *' '*C"C]' " "en " * * * hl " *** i " Sign*1 (tm) m 123 0 EXTREMISMUS D. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 1. Allgemeiner Überblick Anschlagserie Im Jahr 1995 waren von den in Baden-Württemberg lebenden ca. durch türki1.265.000 Ausländern (Stand: 31.12.1994) mit 8.405 weniger als ein sche LinksexProzent dem Kreis politischer Extremisten und Gewalttäter zuzurechtremisten nen. Dennoch ist die Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch ausländische Extremisten nicht zu unterschätzen, wie Serien von Brandanschlägen bis in die jüngste Vergangenheit zeigten. Anschlagsziele waren zumeist von Ausländern geführte Vereine, Moscheen, Geschäfte und soziale Treffpunkte. Die mutmaßlichen Täter sind mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Reihen der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) sowie türkischer Linksextremisten zu suchen, die ihre Auseinandersetzungen im Heimatland innerhalb der deutschen Grenzen fortsetzen. Alle Vorkommnisse unterstreichen, daß die Täter auf Menschenleben wenig Rücksicht nehmen. Zudem bleibt festzuhalten, daß bei einigen extremistischen Ausländerorganisationen die psychologische Hemmschwelle hinsichtlich der Anwendung von Gewalt sinkt. In unserem Zunahme von Bundesland wurden 1995 607 (1994: 460)" politisch motivierte StraftaStraftaten ten von Ausländern bekannt. Dies bedeutet eine Steigerung von 32 %. ' Zahlen des LKA Baden-Württemberg; Bearbeitungsstand: 20.2.1996 124 Ausländerextremismus Anhänger extremistischer bzw. extremistisch beeinflußter Ausländerorganisationen sowie sonstiges Gefährderpotential in Baden-Württemberg 1994 und 1995 ARABER I IRANER 1 i^HS?(tm) I KURDEN I TÜRKEN I SONSTIGE I GESAMT li $ L A W E.lN f 1995 1994 I 1995 1994 I 1995 1994 I 1995 1994 I 1995 1994 I 1995 1994 I 1995 1994 wmmiM i-vMMB^mmwW'iM w-mm^mmwm^^^i m^mimm^^M^m. ^^wimwm^^mmw-.^ *=rr-.^ = ^;~ ?": link" 1 1 1 i 1 1 1 1 I ". - * , 165 175 I 140 140 1 40 40 I 790 740 I 920 885 I 50 50 12.105 2.030| extremistisch I I I rechtsextremistisch I 1 1 - - 1 50 40 1* 1 1.800 i 1.7001 - - 1 1.850 1.7401 * religiös- 1 nationalistisch! 1 320 330 1| 30 30 I - 3.700 3.5501 100 90 14.150 4.000 I I I M v : sonst. Gefähr-1 - 1 - - I 300 300 I - . ,1 - *. - ( - ' - I 300 300 ' derpotential J"E :=s;! rrd^l (tm)m(tm)m"x*"wmn>'-:*ii HHMMli H: ; sH =si * "=* ^^fii ä"" J!l!! 3|!' s" : j p -1 ?^ss:::!ä-:S;;is;i^^fts;"I:: ä|=J=|S= = E-?E i"sä ? ?r?=-:"rI-5SH ? =s== ==ii - ?=PS -: ?j?.=i f- Gesamt | 485 505 I 170 170 I 390 380 I 790 740 16.420 6.135 | 150 140 I 8.405 8.0701 * B M i n J -- m j -- -- J mmm,M i .1 i I ""*."*IMI.I.IIMDJII I ^ -- I I I M -- i 'iivT.".,r,..iiri"J 2. Kurden 2.1 Allgemeines Die 20 Millionen Kurden als das größte Volk im Nahen Osten ohne eigenen Staat verteilen sich als Minderheiten über mehrere Länder. Fast die Hälfte lebt in der Türkei, der Rest überwiegend im Irak, im Iran, in Syrien sowie in Armenien. In keinem dieser Länder werden ihnen gesicherte Minderheitenrechte zugestanden. Daher strebt ein breites Spektrum kurdischer Organisationen teils mit rein propagandistischen, teils mit gewaltsamen bis hin zu terroristischen oder militärischen Mitteln nach einer Verbesserung der rechtlichen und sozialen Lage. Die anvisierten Ziele reichen von einem Autonomiestatus in ihrem jeweiligen Siedlungsgebiet bis hin zur Errichtung eines unabhängigen Kurdenstaats. 125 2.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ist mit ca. 650 Anhängern in Baden-Württemberg (Bund: ca. 8.900) seit Jahren die aktivste und zugleich militanteste Vereinigung extremistischer Kurden. Von ihrem Kern her eine marxistisch-leninistische Kaderpartei, wird diese Ideologie jedoch in der täglichen Agitation weitgehend überlagert vom "revolutionären Kampf für ein freies Kurdistan mittels ihrer Guerillaorganisation, der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK). Obgleich der Generalsekretär der PKK, Abdullah ÖCALAN, seine 1978 aufgestellte Forderung nach der "Schaffung eines unabhängigen und demokratischen Kurdistan" bereits 1988 abschwächte, indem er hervorhob, "keine territorialen Ansprüche an die Türkei" zu stellen, hält die Partei doch weiterhin an ihrem Ziel, der "Befreiung des kurdischen Volkes durch die Revolution", fest. Die in den letzten Jahren des öfteren publizierten Äußerungen ÖCALANs, man beabsichtige die Gründung einer Föderation oder Konföderation, stellen lediglich dem Zeitgeist angepaßte, taktisch motivierte Angebote dar. So betonte die PKK auf ihrem vom 8. bis 27. Januar 1995 an einem unbekannten Ort abgehaltenen 5. Parteikongreß erneut die Notwendigkeit des "revolutionären Kampfes" und erkannte der militärischen Disziplin sowie der kriegerischen Linie der Vereinigung eine besonders wichtige Rolle zu. Das zeigt, daß die PKK trotz ihrer vordergründig inzwischen gemäßigt erscheinenden Forderungen und der stets von ihr proklamierten Dialogbereitschaft ihre ursprünglichen Ziele sowie ihre innere Haltung keineswegs aufgegeben hat. Im Rahmen dieser von der Partei weiterhin verfolgten Doppelstrategie kündigte der Vorsitzende der PKK, ÖCALAN, am 18. September 1995 in einem Interview mit dem kurdischen Fernsehsender MED-TV erneut einen einseitigen Waffenstillstand an, der in Kürze der Öffentlichkeit mitgeteilt werden sollte. Aufgrund einer mit Neuwahlen verbundenen Regierungskrise in der Türkei wurde dieses Vorhaben zunächst aufgeschoben, bis schließlich am 12. Dezember 1995 eine kurdische Nachrichtenagentur eine Erklärung des PKK-Generalsekretärs verbreitete, in der dieser den türkischen Streitkräften anbot, alle Militäraktionen bis zur Bildung einer neuen Regierung auszusetzen. Ein Sprecher erläuterte, dies sei nicht als 126 Ausländerextremismus Ausrufung einer einseitigen Waffenruhe zu verstehen. Angriffe der Armee würden weiterhin militärisch beantwortet. Am 15. Februar 1995 veröffentlichte das Parteiorgan "Berxwedan" (Widerstand) einen Bericht zum 5. Parteikongreß. Darin hieß es, die Versammlung sei eine Veranstaltung des Sieges und der Machtergreifung gewesen. Der dort vorgelegte Kriegsplan werde unerbittlich erfüllt. Es müsse öffentlich gemacht werden, daß die militärische Auseinandersetzung ein "totaler Krieg" sei, der den Widerstand des ganzen Volkes umfasse. Daher sei erforderlich, die politische, nationale und militärische Organisation des Volkes auf allen Ebenen auszuweiten. Das Volk habe die Pflicht, die Last des Krieges gemeinsam mit der Armee zu übernehmen. Jeder befinde sich jetzt im Krieg und müsse an der Verwirklichung der Machtübernahme mitwirken. Abschließend heißt es: "Laßt uns alles, was wir haben, einsetzen und den Krieg gewinnen." Einer vom "Kurdistan-Rundbrief am 24. Februar 1995 wiedergegebenen Erklärung des Zentralkomitees der PKK zufolge habe der Kongreß auch einer Erneuerung und Reform der Partei den Weg bereitet. Reichlich spät reagierte damit die Parteiführung auf den Zerfall kommunistischer Systeme und die dadurch stark gesunkene Popularität streng marxistisch-leninistischer Parteien. Nach dieser Verlautbarung seien Programm und Satzung überarbeitet worden, um der Ausrichtung der Partei als einer breiten Bewegung Rechnung zu tragen. Allerdings ist die Partei weiterhin nach dem für kommunistische Parteien typischen Prinzip des "Demokratischen Zentralismus" organisiert. Im Vorwort zum neuen Programm heißt es, die PKK habe die konstrukunveränderte tive und wissenschaftliche Seite des Sozialismus zur Grundlage genomZielsetzung men und überschreite mit diesem Ideologieverständnis die Formen des Sozialismus in der übrigen Welt. Die Partei bezeichnet sich als undogmatisch. Sie kenne keine Grenzen. Sie stelle sich als eine sich selbst verändernde und gleichzeitig andere verändernde Bewegung dar. Die Überarbeitung von Programm und Satzung sei notwendig geworden, um dem eigenen Wachstum und den Veränderungen in Kurdistan und in der ganzen Welt Rechnung zu tragen sowie die Grundlagen des revolutionär-militanten Lebens zu veranschaulichen. Zu den Pflichten eines 127 Parteimitglieds wird im einzelnen ausgeführt: "Es muß sich mit unbegrenzter Opferbereitschaft, mit Begeisterung und fester Entschlossenheit um die Umsetzung der durch das Programm definierten Parteilinie und der Ziele der Partei bemühen. " "Es muß die von der Generalführung und dem Zentralkomitee festgelegte Parteipolitik und die Parteitaktik in die Tat umsetzen. " "Es muß jede Art von Parteibefehlen und -direktiven befolgen. " Diese Vorgaben nicht zu befolgen, gelte als ein "Verbrechen an der Organisation" und werde entsprechend bestraft. Schließlich beschreibt die Satzung das neue Emblem der PKK. Die PKK greift in letzter Zeit vermehrt auf Kennzeichen der kurdischen Mythologie zurück. Bereits die Januarausgabe des Parteiorgans "Serxwebun" (Unabhängigkeit) enthielt wiederholt die Begriffe "Sonne" und "Feuer". Kurdistan wird als "Sonnenland" bezeichnet, militärische Einheiten als "Feuer". DoppelBei ihren Aktivitäten bedient sich die PKK nach wie vor einer Doppelstrategie Strategie. Zum einen wirbt sie auf weitgehend gewaltfreie Weise für ihre Ziele, wobei sie bemüht ist, von den westeuropäischen Staaten als Ansprechpartner für die Kurdenfrage akzeptiert zu werden. Zum anderen aber demonstriert sie mit gewaltsamen Aktionen ihre Handlungs128 Ausländerextremismus fähigkeit und Schlagkraft als Organisation. In einer Anfang Januar 1995 veröffentlichten "Neujahrsbotschaft" ÖCALANs kündigte dieser für das Jahr 1995 erneut Vorbereitungen zur Bildung eines "Kurdischen Exilparlaments" in Europa an. Dieser zweite Anlauf zur Gründung eines "Kurdenparlaments" nach 1992 stellt den erneuten Versuch der PKK dar, eine scheinbar legale Basis für ihre politischen Aktivitäten zu installieren, die von einer breiten Öffentlichkeit als Ansprechund Verhandlungspartner für die Kufdenfrage akzeptiert werden soll. Indes handelt es sich bei dem "Parlament" - trotz der Präsentation als Vertreter aller Kurden - um eine von der PKK initiierte und gesteuerte Einrichtung. Am 12. April 1995 wurde nach mehrwöchigen Vorbereitungen schließlich in Den Haag dieses 65 "Abgeordnete" ,Kurdisches umfassende "Kurdische Exilparlament" gegründet. Es wird keinen Exilparlafesten Sitz unterhalten und soll je nach aktueller Lage kurzfristig ment11 zusammentreten. gegründet Wie in den Vorjahren propagierte die PKK auch 1995 wieder einen Tourismusboykott, um durch ein Ausbleiben der Urlauber die türkische Wirtschaft und den türkischen Staat zu schwächen. In einer Mitte Januar 1995 in Europa verteilten Erklärung der ARGK hieß es: "... Jede Reise in die Türkei bringt Devisen für den schmutzigen Krieg. Die eingenommenen Devisen werden für die Kugeln gegen die Kurden verwendet. Wir warnen die europäische Öffentlichkeit, die Menschen, die ihren Urlaub in der Türkei verbringen wollen. Ferien können an einem Kriegsschauplatz nicht stattfinden ... Wer sich daran nicht hält... begibt sich ... in Lebensgefahr ..." Am 17. Februar 1995 starteten Anhänger der Partei schwerpunktmäßig Anschlagin Deutschland, vereinzelt auch im übrigen Europa, eine fast welle gegen ausschließlich gegen türkische Reisebüros gerichtete Welle von türkische ReiAnschlägen. In deren Verlauf wurden in zahlreichen Orten - darunter sebüros Stuttgart (28. Februar) und Göppingen (3. Mai) - die Schaufensterscheiben von Touristikunternehmen eingeschlagen und in vielen Fällen versucht, die Räumlichkeiten mit Brandsätzen zu entzünden. Dabei hinterließen die Täter in mehreren Fällen Kopien handgeschriebener Texte, in denen zum Tourismusboykott aufgerufen wurde. Unterzeichnet 129 waren einige dieser Aufrufe mit "Die Kinder des Landes des Feuers und der Sonne". Am Tatort in Stuttgart wurde ein Flugblatt der verbotenen PKK-Propagandaorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) zurückgelassen, das einen Hinweis auf die von der ARGK im Januar 1995 verbreitete Verlautbarung gegen den Türkei-Tourismus enthielt. Bis zum 3. März 1995 wurden 38 Anschläge (34 gegen Reisebüros, 4 gegen sonstige Ziele) gezählt. Danach ebbte die Anschlagserie zunächst ab und setzte sich dann ab dem 13. März 1995 mit zunehmend anderer Zielrichtung fort. weitere Der Ausbruch gewaltsamer Proteste alevitischer, teils kurdischer EinAnschläge wohner von Istanbul gegen Übergriffe islamischer sunnitischer Kräfte am 12. März 1995 muß als maßgeblicher Auslöser für die zweite Anschlagserie gesehen werden, bei der nunmehr als Angriffsobjekte neben Reisebüros vor allem Begegnungsstätten "staatstreuer" Türken sowie sunnitische Gebetsstätten im Vordergrund standen. Offensichtlich bestand hinsichtlich der - gegenüber der ersten Anschlagswelle - erheblich ausgeweiteten Zahl der Anschlagsziele und der Beteiligung anderer Tätergruppen ein ursächlicher Zusammenhang mit der über den Tourismusboykott hinausgehenden Thematik. Neben Anhängern der PKK kamen als Täter vereinzelt nun auch Mitglieder der in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Dev Sol - Revolutionäre Linke) sowie der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) in Betracht. Im Zusammenhang mit den Unruhen in Istanbul verbreitete der neue Europavertreter der ERNK, Ali GARZAN, am 13. März 1995 eine 130 Ausländerextremismus Erklärung zu den Vorfällen. Darin hieß es unter anderem: "Nach dem Angriff ist unser Volk auf die Straße gegangen und hat seinen Protest zum Ausdruck gebracht. Wir unterstützen die Bildung selbständiger Verteidigungseinheiten des Volkes und die Stärkung der antifaschistischen Front. Ebenso stehen wir hinter dem Kampf unseres Volkes gegen die Faschisten und Konter-Guerilla. Diejenigen, die das Massaker in Sivas und Maras angerichtet, die die Dörfer in Dersim, Kocgiri und Kurdistan zerstört und die Morde begangen haben, werden wir zur Rechenschaft ziehen. Wir werden Rache für die Massaker an den Aleviten, Demokraten und Patrioten nehmen. " Im Rahmen der Anfang April 1995 auslaufenden Aktionswelle konnten bundesweit nahezu 100 Gewalttaten (davon 36 gegen türkische Reisebüros) verzeichnet werden. In Baden-Württemberg waren Objekte in Freiburg, Gengenbach/Ortenaukreis, Ulm, Lahr, Villingen-Schwenningen, Mannheim, Rheinfelden, Göppingen, Geislingen, Singen, Stuttgart, Herrenberg, Heidelberg und Biberach betroffen. Anläßlich des kurdischen Neujahrsfests "Newroz" (21. März) fanden - wie in den Vorjahren - ab dem 18. März 1995 bundesweit zahlreiche von der PKK organisierte oder beeinflußte, friedlich verlaufene Kundgebungen und sonstige demonstrative Aktionen statt. In Stuttgart versammelten sich am 25. März über 10.000 Sympathisanten der PKK aus ganz Süddeutschland zu einer "Newroz"-Feier, zu der auch Parteianhänger aus Hessen, Saarbrücken, Rheinland-Pfalz und Bayern angereist waren. Im Zusammenhang mit einem anhängigen Ermittlungsverfahren wegen DurchsuVerstoßes gegen das Vereinsgesetz durchsuchte die Polizei am 1. Juni chungsmaß1995 den "Agri-Verlag" in Köln. Sie stellte dabei große Mengen von nähme PKK-Propagandamaterial (Broschüren, Bücher, Zeitungen, Videokassetten, Fahnen, Poster etc.) und Blanko-Spendenquittungen der ERNK sicher. Daraufhin wurde eine sofort vollziehbare Gewerbeuntersagung ausgesprochen und die Räumlichkeiten versiegelt. Hiergegen protestierten am 2. und 3. Juni PKK-Anhänger bundesweit vor Parteiund Pressebüros (u. a. in Freiburg, Stuttgart und Ulm) sowie am 7. Juni vor 131 deutschen diplomatischen Vertretungen in Amsterdam, Brüssel, London und Wien. In einer dabei verbreiteten Erklärung der ERNK, die sich u. a. mit den andauernden "Angriffen" deutscher Polizeibehörden auf kurdische Einrichtungen und Vereine sowie den "Friedensangeboten" ÖCALANs befaßte, hieß es dazu: "... Der mit deutscher Unterstützung durchgeführte türkische Staatsterror kostet tagtäglich immer mehr Menschenleben ... ist Kurdistan zu einem Arsenal deutscher Waffen geworden, mit denen Zivilisten ermordet und unsere Dörfer in Schutt und Asche gelegt werden. Als ob das nicht ausreichen würde, erklärt der deutsche Staat den hier lebenden Kurden den Krieg ... alles kurdische wird durch deutsche Polizeibeamte überfallen und verboten ..." Bezüglich eines "Friedensangebots" ÖCALANs vom 22. Mai 1995 wurde erklärt, in der deutschen Regierung gebe es "widersprüchliche Annäherung an das Problem". Fakt sei aber, daß "... die pro-türkische und für die gewaltsame Lösung der Frage eintretenden ... Kräfte die Oberhand gewonnen haben. Die Fortsetzung dieser Haltung bedeutet die Aufhetzung des kurdischen Volkes. Die Verantwortung für die Folgen dieser Haltung tragen diejenigen, die in dieser Haltung beharren." In diesen Zusammenhang sind offenbar auch die in der Nacht zum 9. Juni 1995 verübten Anschläge mutmaßlicher PKK-Anhänger gegen Gebäude sowie Streifenfahrzeuge der Polizei in Stuttgart, Ludwigshafen, Nürnberg und Kiel einzuordnen. BrandIn Stuttgart wurden annähernd zeitgleich Molotowcocktails gegen anschlage zwei an verschiedenen Örtlichkeiten abgestellte Funkstreifenwagen gegen Polizeigeschleudert. In einem Fall brannte das Fahrzeug völlig aus. Insgesamt fahrzeuge entstand an den beiden Fahrzeugen ein Sachschaden von etwa und -einrich30.000 DM. Im Rahmen verstärkter präventiver Folgemaßnahmen der tungen Polizei konnten an drei anderen Stellen in Stuttgart insgesamt fünf weitere gebrauchsfertige Molotowcocktails aufgefunden werden. Am 30. Juni (Denkendorf/Kreis Esslingen) sowie am 3. Juli 1995 132 Ausländerextremismus (Freiburg und Konstanz) verübten Unbekannte erneut Anschläge auf Polizeidienststellen in Baden-Württemberg. Dabei warfen die Täter in Konstanz mehrere Brandsätze gegen eine Fahrzeughalle der Polizei. Der entstandene Sachschaden belief sich auf etwa 100.000 DM. In Freiburg, wo vier Molotowcocktails gegen eine Polizeidienststelle geschleudert wurden, entstand nur geringer Schaden. Als Demonstration ihrer ungebrochenen Verbundenheit mit dem kurdischen Volk in Europa führte die PKK am 17. Juni 1995 in Bonn unter dem Motto "Für eine politische Lösung in Kurdistan" eine Großkundgebung durch, an der sich etwa 70.000 Personen, überwiegend Kurden aus Deutschland und den westeuropäischen Nachbarländern, beteiligten. Aus Protest gegen die "repressiven Maßnahmen deutscher Polizeibehörden gegen kurdische Vereine" schlossen ab dem 4. Juni 1995 bundesweit zahlreiche Kurdenvereine für eine Woche ihre Pforten und brachten schwarze Transparente an den Eingängen der Vereinsobjekte an. Daran waren in Baden-Württemberg Vereine in Göppingen, Stuttgart, Heilbronn, Freiburg, Ulm und Mannheim beteiligt. Darüber hinaus wurde zur Beteiligung an zentralen Hungerstreikaktionen in Bonn, Frankfurt am Main und Berlin aufgerufen. In Frankfurt am Main und Berlin kam es am 24. Juli beim Versuch der Polizei, im Verlauf des Hungerstreiks Propagandamaterial sicherzustellen, zu gewalttätigen HungerstreikAuseinandersetzungen mit Sympathisanten der PKK. Im Verlauf der aktionen Hungerstreikaktion in Berlin verstarb am 27. Juli eine herzkranke PKKAnhängerin. Deren Tod führte die ERNK ausschließlich auf die "Angriffe und Hindernisse" der deutschen Polizei zurück. In diesem Zusammenhang sprach sie von barbarischen und gnadenlosen Angriffen der Polizeikräfte auf die Hungerstreikenden und zog Parallelen zu den 133 Methoden des türkischen Staats. Zudem stehe die Bundesrepublik Deutschland durch die "faschistische und chauvinistische Politik" der Bundesregierung gegenüber der "Befreiungsbewegung des kurdischen Volkes" nunmehr "als Zweite Türkische Republik unserem Volk gegenüber". Die in Europa lebenden Kurden würden auch künftig vor keiner Gewalt zurückweichen und "nunmehr mit aller Kraft ihr Recht auf Verteidigung in Anspruch nehmen". begleitende Gleichzeitig mit den Hungerstreikaktionen begann in der Nacht vom 24. Gewaltwelle zum 25. Juli in Baden-Württemberg eine neue Welle von Brandanschlägen mutmaßlicher Anhänger der PKK gegen türkische Reisebüros, Geschäfte, Gaststätten und Vereinsgebäude, die sich an den folgenden Tagen auf das übrige Bundesgebiet ausweitete. In Baden-Württemberg waren die Städte Nürtingen, Tübingen, Friedrichshafen, Brackenheim/Kreis Heilbronn, Freiburg, Singen, Überlingen, Ludwigsburg, Schramberg/Kreis Rottweil, Villingen-Schwenningen, Stuttgart, Baden-Baden, Waldshut-Tiengen, Karlsruhe, Oberhausen-Rheinhausen/Kreis Karlsruhe und Ulm betroffen. Wie bei früheren Brandanschlagserien zerstörten die Täter zumeist die Fensterscheiben von Gebäuden und schleuderten Molotowcocktails in das Innere. Erst Anfang August flauten die Anschläge ab. In zwei Beiträgen des kurdischen Fernsehsenders MED-TV vom 25. und 28. Januar 1996 zur aktuellen Kurdenpolitik Deutschlands sowie zur Lage seiner Partei im Bundesgebiet verschärfte ÖCALAN die Lage wieder. Seine Ausführungen enthielten neben den bekannten Vorwürfen der Unterstützung türkischer Behörden durch die Bundesregierung bei aggressive der Bekämpfung der PKK in der Türkei sowie des zwischen den RegieDrohungen rungen beider Länder abgestimmten Vorgehens gegen die Partei erstiegen mals wieder aggressive Drohungen gegen Deutschland. So wurden Deutschland "unangenehme Aktionen" und "unkontrollierte Ausschreitungen" für den Fall angekündigt, daß die "Unterdrückung der Kurden", die zwischenzeitlich "unerträglich" geworden sei, weiter anhalte. Die Kurden seien "... nahe daran, zu explodieren. Deutschland wird es erleben. Wenn der Waffenstillstand keine positive Antwort erfahren sollte, wird es in Euro134 Ausländerextremismus pa eine Massenerhebung geben, in der ersten Linie in Deutschland. Es werden dabei Hunderte von Menschen sterben. Dafür werde ich keine Verantwortung tragen ... Ein Volk, das von einer Macht dergestalt in die Enge getrieben wird, bevorzugt den Tod... die kommenden Tage werden gefährlich. Ich sage dies besonders bewußt ...Wenn morgen 50 deutsche Touristenleichen in Deutschland ankommen, dürfen die Verantwortlichen nicht überrascht sein ..." 3. Türken (ohne Kurden) 3.1 Allgemeines Ende 1995 waren den extremistischen türkischen Gruppen in BadenWürttemberg ca. 6.240 Anhänger (1994: ca. 6.135) zuzurechnen. Die Anteile der verschiedenen politischen Strömungen haben sich gegenüber dem Vorjahr weiter zugunsten extrem-nationalistischer Gruppen verschoben. Eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit geht unverändert von den erhebliche kleineren revolutionär-marxistischen Vereinigungen aus. Auch 1995 Sicherheitsgehaben sie wiederholt bewiesen, daß sie zur Erreichung ihrer Ziele von fährdung terroristischen Gewalttaten nicht abweichen wollen. In dem Kampf durch revolugegen den "Imperialismus" und der Zerschlagung des türkischen Staats tionär-marxisehen sie weiterhin ihre Hauptaufgabe. Für die Bundesrepublik stische VereiDeutschland bedeutet dies, daß diese Gruppen versuchen, dort aktiv zu nigungen werden, wo sich ideologische Anknüpfungspunkte bieten. Dazu zählen die bundesdeutsche Wirtschaftsund Militärhilfe für die Türkei, aber auch die Ausländerpolitik der deutschen Verfassungsorgane, die immer wieder zum Ziel der Polemik wird. Türkisch-islamistische Vereinigungen sind nicht nur wegen ihrer relativ starken Anhängerschaft in Deutschland von Bedeutung. Das zunehmende Gewicht der islamistischen Bewegung in der Türkei und deren Wahlerfolge auf kommunaler und nationaler Ebene stärken auch das Selbstbewußtsein hier organisierter Islamisten. Im Zentrum ihrer Agitation stehen nicht nur die politischen Probleme in der Türkei, sondern auch die Frage der Akzeptanz "des Islam" in der Bundesrepublik 135 Deutschland. Die Krise im ehemaligen Jugoslawien bildet weiterhin ein wichtiges Agitationsthema, für Bosnien-Herzegowina sucht man Unterstützung bei den türkischen Landsleuten. Im Zusammenhang mit der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage in der Türkei nahm der Einfluß extrem-nationalistischer türkischer Kräfte zu. Die bis zu der Parlamentswahl (24. Dezember 1995) stetige politische Stärkung im Heimatland hatte auch Auswirkungen auf die hiesigen "Stellvertreter". Offenbar wird versucht, in breiterem Rahmen aktiv zu werden. Dies hat allerdings zur Folge, daß die linksextremen Gruppierungen unter Einschluß der PKK versuchen, die Aktivitäten der von ihnen als "Faschisten" bezeichneten "rechten" Türken durch Gewalttaten einzuschränken. Mögliche Folgen dieser Entwicklung sind noch nicht abzusehen. 3.2 Linksextremisten Seit Jahren stellt sich die türkische "Neue Linke" vielfach gespalten und zersplittert dar. Als die beiden aktivsten und auffälligsten AusländerorganiDEVR1MICI SOL sationen in diesem Bereich zeigten sich - wie bereits in den Ä Jahren zuvor - die revolutionärmarxistischen Gruppen "Devrimci Sol" (Dev Sol - Revolutionäre Linke) und die TÜRKISCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI/ MARXISTEN-LENINISTEN (TKP/M-L) "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML). Flügelkämpfe Die Anhänger der bereits 1983 vom in der Dev Sol Bundesminister des Innern verbote"SEHVTTSTÖUÜMSOZDÜB" nen und seit 1993 in zwei Flügel gespaltenen Dev Sol streben weiter- T H g P ^ DKVBlMCI S0fi..Ähin die Errichtung einer kommunisti sehen Gesellschaftsordnung in der Türkei an. Der langjährige Leiter der 136 Ausländerextremismus Organisation, Dursun KARATAS, der seit dem 9. September 1994 in Frankreich inhaftiert war, wurde Ende Januar 1995 freigelassen und ist seitdem untergetaucht. Die Anhänger des KARATAS-Flügels verwenden seit Oktober 1994 die Bezeichnung "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP/-C) mit ihrem militärischen Flügel "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC). Die spaltungsbedingten internen gewalttätigen Übergriffe sind derzeit zum Erliegen gekommen. Die Organisation verübte auch 1995 im Bundesgebiet zahlreiche Anschläge Anschläge auf verschiedene türkische Einrichtungen. In Baden-Württemberg wurden am 17. April 1995 Vereine in Backnang und Ditzingen/Kreis Ludwigsburg mit Brandsätzen angegriffen. In der Nähe der Tatorte wurden rote Stoffahnen mit der Aufschrift "DHKC" aufgefunden. Am 21. März 1995 konnten zwei Aktivisten der Dev Sol aus dem Raum Stuttgart in Singen festgenommen werden. Sie hielten sich mit ihrem Fahrzeug vor einem türkischen Verein auf und führten Gegenstände mit sich, die zur Herstellung von Brandsätzen geeignet waren. Am selben Tag wurden bundesweit sieben weitere Brandanschläge auf türkische Einrichtungen verübt, bei denen die unbekannten Täter zum Teil Taterklärungen der Dev Sol hinterließen. Am 24. Mai 1995 besetzten Mitglieder der DHKC, nachdem sie zuvor eine Sprengstoffattrappe aufgehängt hatten, eine türkische Bank in Stuttgart, um gegen die Vorgehensweise der türkischen Sicherheitskräfte und die "faschistischen Methoden" des türkischen Staats zu protestieren. Die im Vorjahr aufgebrochene Spaltung der mitgliederstärksten Gruppe Auseinanderim Spektrum der türkischen revolutionären Marxisten, der "Türkischen Setzungen in Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML), blieb besteder TKP/ML hen. Eine Annäherung der verschiedenen Absplitterungen zeichnet sich nicht ab. Im Rahmen der zur Finanzierung des bewaffneten Kampfs in der Türkei alljährlich durchgeführten Spendenkampagne der TKP/ML kam es in der Nacht vom 31. Dezember 1994 auf den 1. Januar 1995 zu einem folgenschweren Vorfall. Vier Aktivisten der Organisation, darunter drei 137 in Baden-Württemberg wohnhaft, verübten einen Raubüberfall auf gewaltsame einen illegalen türkischen Spielsalon in Germersheim (RheinlandSpendeneinPfalz). Dabei wurden drei Täter von einem Gast erschossen, der vierte treibung konnte festgenommen werden. Ein Polizist erlitt schwere Verletzungen. Anläßlich der Trauerfeier für die Getöteten am 5. Januar 1995 in Wiesloch wurden u. a. Plakate mit folgender verleumderischer Aufschrift gezeigt: "Sie wurden am 31.12.1994 in Germersheim von der deutschen Polizei hingerichtet. Sie werden in unserem Kampf gegen Imperialismus, Faschismus und jegliche Reaktion weiterleben. " Verantwortlich dafür zeichnete ein "Komitee gegen Hinrichtung ohne Gerichtsbarkeit", das im Bundesgebiet noch weitere Gedenkfeiern für die Getöteten durchführte. Der festgenommene TKP/ML-Aktivist, dem ein weiteres Erpressungsdelikt im Dezember 1994 in Heidelberg zur Last gelegt worden war, wurde am 28. August 1995 vom Landgericht Landau zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Im März 1995 wurden die Räume des von der TKP/ML gesteuerten Vereins in Mannheim sowie drei Wohnungen von Aktivisten der Vereinigung in Mannheim und in weiteren Städten von der Polizei durchsucht. Anlaß hierfür war der Verdacht, daß in diesen Räumlichkeiten scharfe Waffen und Brandsätze für Anschläge gegen türkische Einrichtungen deponiert seien. Bei den Durchsuchungsmaßnahmen wurden funktionsfähige Waffen, Munition sowie Materialien für die Herstellung von Brandsätzen beschlagnahmt. Nach der Verhaftung eines TKP/ML-Funktionärs in der Türkei demonstrierten Anhänger der Organisation am 17. Juni 1995 auf dem Flughafen in Stuttgart-Echterdingen vor dem Schalter der Turkish Airlines. Dabei forderten sie von der türkischen Polizei die Bestätigung der Festnahme des Funktionärs , um ihn vor einem "spurlosen Verschwindenlassen" zu bewahren. Im übrigen organisierte die TKP/ML zusammen mit ihren Basisorgani138 Ausländerextremismus sationen "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) und "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa e.V." (ATIK) sowie deren Unterorganisationen verschiedene Veranstaltungen auch in Baden-Württemberg, darunter in Mannheim und Ulm. Verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit trat 1995 die im letzten Jahr durch einen Zusammenschluß der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (Bewegung)" (TKP/ML-Hareketi) mit der "Türkischen Kommunistischen Arbeiterbewegung" (TKIH) entstandene "Marxistisch-Leninistische Kommunistische AbspalterPartei-Gründung" (MLKP-K). So wurde bei einem Brandanschlag gruppen der auf ein türkisches Reisebüro am 24. Mai 1995 in Esslingen eine TaterTKP/ML klärung der MLKP-K zurückgelassen. Der inhaftierte Tatverdächtige bekennt offen seine Zugehörigkeit zur MLKP-K. TKP(M-i) YtÖ-MLKP-K BIRLESTi YtpSIN MLKP!. :-j"t. MARKSiST LENINIST KOMUNJST PARTI Eine weitere Abspaltergruppe der TKP/ML, die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (Bolsevik)" (TKP/ML-Bolsevik) tritt inzwischen unter der Bezeichnung "Bolschewistische Par139 tei/Nordkurdistan-Türkei" (BP/KK-T) auf. Die BP/KK-T führte mehrere Veranstaltungen unter anderem in Horb, Stuttgart, Böblingen und Villingen-Schwenningen durch, die sich vor allem mit der Kurdenproblematik sowie den Themen "Menschenrechtsverletzungen in der Türkei" sowie "Vermißte und verschwundene Personen in der Türkei" befaßten. Die Aktivitäten der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP) und ihrer Basisorganisation "Föderation der Demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (DIDF) beschränkten sich 1995 auf demonstrative Protestaktionen und Versammlungen. Im März 1995 führte die DIDF in Baden-Württemberg aus Protest gegen "Massaker" in der Türkei Demonstrationen in Mannheim, Stuttgart und Karlsruhe durch. 3.3 Türkische islamistische Vereinigungen ^*30t A|U|/ I T Bis z u m Mai 1995 bestand die "Vereinigung der neuen Weitsicht in k^="(tm)"" * Europa e.V." (AMGT) als mitgliederstärkstes Sammelbecken für türkische Islamisten in Deutschland. Zu dieser Zeit löste sich die AMGT auf. Ihre Aktivitäten teilen sich nunmehr zwei neue, juristisch selbständige UmbenenOrganisationen. Es entstanden die "Islamische Gemeinschaft - Nationung nale Sicht" (IGMG) und die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG). Die IGMG hat die Aufgabe, sich der religiösen, sozialen und kulturellen Belange der vormaligen AMGT-Anhänger anzunehmen. Der EMUG ist ausschließlich die Verwaltung des umfassenden Immobilienbesitzes der aufgelösten Vereinigung übertragen. In beiden Organisationen sind in den Spitzenpositionen führende Vertreter der Vorläuferorganisation tätig; auch haben sich die Verbindungen zur Mutterorganisation in der Türkei, der "Wohlfahrtspartei" (RP) unter Necmettin ERBAKAN, nicht abgeschwächt. Durch die Neugründung von Zweigstellen konnte die IGMG die herausgehobene Stellung der früheren AMGT innerhalb des türkischen Islamismus ausbauen. In Baden-Württemberg sind diesem Spektrum etwa 50 Vereinigungen mit einem Mitgliederpotential von nahezu 3.000 Personen (1994: ca. 2.850) zuzurechnen. 140 Ausländerextremismus Einen Antrag, den die Islamisten noch namens der AMGT gestellt hatten, der Freien und Hansestadt Hamburg durch einstweilige Anordnung die Erwähnung in deren Verfassungsschutzbericht 1994 zu untersagen, lehnte das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluß vom 27. April 1995 ab. Darin wird auf Äußerungen der Organisation hingewiesen, die mit der Achtung der Menschenwürde nicht vereinbar sind und gegen das Verbot der Rassendiskriminierung und den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz verstoßen, womit fundamentale Menschenrechte Mißachtung mißachtet werden. Nach Ansicht des Gerichts bedeutet dies, "daß die fundamentaÄußerungen als tatsächliche Anhaltspunkte dafür gewertet werden müsler Mensen, daß Bestrebungen und Tätigkeiten der Antragstellerin gegen die schenrechte freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind ..." An öffentlichen Großveranstaltungen der Mitgliedsvereinigungen der AMGT-Nachfolgeorganisationen in Baden-Württemberg nahmen 1995 jeweils mehrere hundert, in Einzelfällen bis zu 5.000 Personen teil. Obwohl sich die Vereinigung nach außen hin moderat gibt und sich stärker denn je als eine Organisation darstellt, die für Toleranz zwischen den Konfessionen und "wohlverstandene Integration" von Muslimen in Deutschland eintrete, unterstützt sie doch weiterhin ihre Mutterorganisation in der Türkei, die RP, die für die Beseitigung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei eintritt und für die Errichtung eines islamistischen Staats kämpft. Im übrigen ist ihre Haltung gegenüber Demokraten und Christen weiterhin ambivalent, während die Juden ohne jegliche Einschränkung als Feinde gelten. IGMG und EMUG unterstützten die RP in ihrem Wahlkampf. So kandidierten mehrere hochrangige AMGT-Funktionäre auf Listen der RP, die bei der türkischen Parlamentswahl am 24. Dezember 1995 21,3 % der Stimmen erringen konnte und stärkste Partei wurde. Ein Mandat konnten erringen * Osman Y U M A K O G U L L A R I , IGMG-Vorsitzender, gewählt in Erringung Istanbul türkischer M Sevki YILMAZ, Leiter der IGMG-Informationsabteilung, gewählt Abgeordin Rize netenmandate * Abdullah GENCER, IGMG-Mitglied, gewählt in Konya Nicht gewählt wurden: 141 * Ali YÜKSEL, EMUG-Leiter, Scheich ul-Islam, Kandidat in Antalya Eyüp FATSA, Bereichsleiter Raum Stuttgart, Kandidat in Orda S ! Recep CINAR, IGMG-Funktionär, Kandidat in Edirne. Neben der IGMG und der EMUG ist der in Köln beheimatete "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB), dem derzeit in Baden-Württemberg einschließlich seiner Abspaltergruppen etwa zwanzig Vereine mit etwa 700 Mitgliedern zugerechnet werden können, der wichtigste türkische islamistische Dachverband. Mit dem Tod des langjährigen ICCB-Führers Cemaleddin KAPLAN im Mai 1995 verlor der 1984 gegründete ICCB seinen dominierenden und richtungsweisenden Ideologen. Der Hauptfeind bestand für KAPLAN in dem von Kemal ATATÜRK geschaffenen türkischen Staat. Daneben attackierte er in dem Verbandsorgan "Ümmet-i Muhammed" (Die Gemeinde Mohammeds) vor allem die Demokratie und die diese tragenden Parteien sowie den Kapitalismus und Säkularismus, die von ihm als verderbliche Instrumente "des luden" angesehen wurden. Sein Anspruch, "Kalif und Nachfolger des Propheten" zu sein, führte 1994 zur Spaltung des ICCB. Nachfolger KAPLANS wurde sein durch den Verbandsrat bereits bestätigter und seit längerer Zeit zum Führungskader gehörender Sohn Metin KAPLAN. Ob dieser jedoch von den ICCB-Anhängern akzeptiert wird und damit die Chance erhält, das Erbe seines Vaters in dessen Sinne fortzuführen, bleibt abzuwarten. Die verbliebenen Organisationsstrukturen werden sicherlich als Sammelbecken antidemokratischer Strömungen auch weiterhin die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden erfordern. 3.4 Extrem-nationalistische Organisationen Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF) stellt das Sammelbecken der türkischen extremen Rechten dar. Ideologisch und organisatorisch ist sie mit der "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) des Alparslan TÜRKES verbunden, deren Mitglieder im eingängigen Sprachgebrauch 142 Ausländerextremismus zumeist als "Graue Wölfe" bezeichnet werden. Im Jahr 1995 verstärkten sich die Hinweise auf zunehmende Aktivitäten zunehmende der ADÜTDF im Bundesgebiet. Sie spiegelten die Lage der MHP in der Aktivitäten Türkei wider. Allerdings blieb diese bei der Parlamentswahl am 24. der ADÜTDF Dezember 1995 entgegen ihrer eigenen Erwartung mit 8,2 % der abgegebenen Stimmen unterhalb der 10 %-Sperrklausel und ist im Parlament nicht mehr vertreten. Inwieweit dieser Rückschlag in der Türkei wie im Bundesgebiet dämpfend wirken wird, bleibt abzuwarten. Anläßlich kultureller Veranstaltungen traten ADÜTDF-Sympathisanten offen mit dem Emblem der "Grauen Wölfe" (Wolf im Halbmond) auf. Parolen an Mauern von Schulen in Baden-Württemberg zeigen, daß die Organisation insbesondere Jugendliche an sich binden will. Die Verbreitung einer Teilübersetzung aus HITLERs "Mein Kampf", die sich gegen "Kommunisten und Weltjudentum" richtete, geht mutmaßlich auf ADÜTDF-Anhänger zurück. Die Hintergründe von Anschlägen und Drohungen gegen Zweigstellen der ADÜTDF in Baden-Württemberg blieben zumeist im dunkeln. Es bestehen Gründe zu der Annahme, daß die meisten der gegen die ADÜTDF - als Vertreterin eines türkischen Chauvinismus - gerichteten militanten Aktionen von türkischen ideologischen Gegnern verübt wurden. Derzeit gehören der Vereinigung in Baden-Württemberg etwa 1.800 Mitglieder an. Der Jahreskongreß, der 1994 in Sindelfingen stattfand, wurde 1995 in Frankfurt am Main (4. November) mit über 20.000 Teilnehmern durchgeführt. 4. Araber 4.1 Palästinenser Die in Baden-Württemberg auftretenden palästinensischen Widerstandsgruppen hielten auch 1995 an ihrer ablehnenden Haltung zum israelisch-palästinensischen Friedensprozeß fest. Ihr Widerstand gegen das von Israel und der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) 143 paraphierte Ghaza-Jericho-Abkommen ist ungebrochen. Vor allem im Rahmen ihrer zahlreichen internen Versammlungen wurde immer wieder die Politik des PLO-Vorsitzenden ARAFAT massiv kritisiert. Infolge der Einbindung großer Teile von ARAFATS "AL FATAH" und der PLO in den Friedensprozeß im Nahen Osten sowie der gestiegenen Bedeutung religiös-ideologischer Vereinigungen spielten die säkularradikalen palästinensischen Extremistengruppen im Vergleich zu früher nur noch eine marginale Rolle. Die revolutionär-marxistischen Organisationen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) und "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) bilden nach wie vor zusammen mit der islamistischen "HAMAS" sowie dem palästinensischen "Islamischen "AblehnungsDjihad" (PIJ) den wohl zahlenmäßig größten und einflußreichsten front" gegen Block innerhalb der insgesamt zehn Organisationen umfassenden Ghaza"Ablehnungsfront". Durch zahlreiche Gewaltaktionen in Israel und den Jerichovon Israel besetzten Gebieten versuchte die "Ablehnungsfront" auch Abkommen 1995, den israelisch-palästinensischen Friedensprozeß zu torpedieren. Die regen internen Aktivitäten, zumeist in Form von Mitgliederund Sympathisantentreffen, teilweise auch Versammlungen in konspirativen Zirkeln, hielten sowohl bei der DFLP als auch bei der PFLP in BadenWürttemberg an. Großangelegte öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entfalteten beide Organisationen 1995 jedoch nicht. 4.2 Arabische Islamisten Von arabischen und nordafrikanischen islamistischen Gruppen gehen neuerdings auch hierzulande aufgrund ihrer hohen Bereitschaft zu Militanz und Radikalität besondere Sicherheitsrisiken aus. Namentlich zu erwähnen sind hierbei die sunnitische islamistische ,,Moslembruderschaft"(MB) mit ihren unterschiedlichen Länderorganisationen, die palästinensische sunnitische "HAMAS" (Bewegung des Islamischen Widerstands), die algerische "Islamische Heilsfront" (FIS) mit ihrem bewaffneten Arm "Islamische Armee des Heils" (AIS) sowie die terroristische Splittergruppe "Islamische Bewaffnete Gruppe" (GIA). Bedeutung kommt auch der schiitischen islamisti144 Ausländerextremismus sehen "Hizb Allah" (Partei Gottes) aus dem Libanon zu. Wenn auch unterschiedlicher nationaler und konfessioneller Herkunft, so ist doch allen Gruppen eine islamistische Ideologie gemeinsam. Gegenüber den Islam als säkularen arabischen Extremistenorganisationen haben sie in den letzten politische Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Ideologie In Baden-Württemberg sind islamistische Organisationen aus den unterschiedlichsten arabischen und nordafrikanischen Regionen präsent. Ihre Aktivitäten entfalten sie größtenteils bei Treffen meist kleiner, nach außen abgeschütteter Zirkel. In Deutschland lebende bzw. aus den jeweiligen Heimatländern angereiste Führungskader schwören dabei die Feindbild Anhänger auf ihre vor allem gegen Israel und die Juden, aber auch Israel gegen demokratische Wertvorstellungen gerichtete Linie ein. Unter den Anhängern zirkulieren Publikationen wie das "Hizb Allah"-Organ "AlAhd" (Die Verpflichtung) oder andere, hierzulande publizierte Broschüren. Sie dienen als Grundlage zur Indoktrinierung und Propaganda. In einer "Al-Ahd"-Ausgabe vom Juli 1995 heißt es beispielsweise: "Die Alternative zum Widerstand ist die Kapitulation ... Wir verlangen von jedem Araber und von jedem Muslim, daß er Israel ablehnt (bzw.) sich diesem widersetzt mit dem Gewehr an erster Stelle, und (erst) 145 danach mit der Stimme und dem Herzen und mit allen Mitteln, die diesem Gebilde die Existenz im Gebiet des Nahen Ostens verwehren. " Bereits zum dritten Mal in Folge führte der "Islamische Bund Palästina" (IBP), der Vertreter der terroristischen "HAMAS" in Deutschland, im Mai 1995 in Heilbronn zusammen mit Vertretern befreundeter islamistischer Organisationen aus dem Inund Ausland seinen Jahreskongreß durch. Dem Bericht einer islamistischen Zeitschrift zufolge wurde im Rahmen der Veranstaltung auch ein Telefongespräch mit dem Sprecher der "HAMAS" im Ghazastreifen geführt, in dem dieser u. a. geäußert habe, die Gewalt sei das einzige Mittel, das von einem Aggressor verstanden werde. Die "HAMAS" sei fest entschlossen, ihr Recht zu verteidigen und ihr Land zurückzugewinnen. Neben diesen auf das Heimatland zielenden Aktionen werden die Anstrengungen hier lebender Muslime um kulturelle Identität für islamistische Bemühungen benutzt. Kritik an den Auswüchsen islamistischer politischer Bewegungen prangert man durchweg als "Krieg gegen den Islam" an, so auch am Beispiel der Menschenrechtsorganisation "amnesty international", die als "Werkzeug des Kolonialismus" bezeichnet wird. Solche Darstellungen zeigen deutlich das gebrochene Verhältnis dieser Gruppen zur Meinungsund Pressefreiheit westlicher Demokratien. 5. Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien Die 1995 zur Jahresmitte eskalierenden und im Herbst infolge internationaler Friedensbemühungen abflachenden Kämpfe in weiten Teilen des ehemaligen Jugoslawien haben sich kaum auf die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden ca. 1.350.000' (in Baden-Württemberg etwa 310.000 einschließlich Bürgerkriegsflüchtlinge) Serben, Kroaten, Bosnier und Kosovo-Albaner ausgewirkt. Die teilweisen Spannungen der vergangenen Jahre unter den verschiedenen Nationalitätengruppen haben eher sogar nachgelassen. Für viele von ihnen ist unser Land, wo sich die meisten eine sichere Existenz geschaffen haben, eine Art 1 Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 31.12.95 146 Ausländerextremismus "Ruheraum", der ihnen die Möglichkeit bietet, Familienangehörige und Freunde in der Heimat wirksam zu unterstützen. Die Kundgebungen und Demonstrationen der einzelnen Volksgruppen in Baden-Württemberg verliefen friedlich. Folgende Veranstaltung ist beispielhaft zu nennen: B Am 23. September 1995 demonstrierten in Stuttgart etwa 700 Serben unter dem Motto: "Frieden jetzt! Die NATO-Bomben tragen nicht dazu bei." Die Kundgebungsteilnehmer skandierten Parolen wie "USA, NATO und UN bringen unschuldige serbische Kinder um", "Tod der Serben erwünscht, empfohlen und erlaubt" und "Deutsche Soldaten töten Serben zum dritten Mal in unserem Jahrhundert - 1914, 1941, 1995". Bei der Kundgebung wurde ein Plakat mit der Aufschrift "NATO" und einem darunter piazierten Hakenkreuz gezeigt. Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der jeweiligen Nationalitätengruppen setzten sich zwar fort, allerdings mit geringerer Intensität als in den Vorjahren (1992: 95, 1993: 72, 1994: 40, 1995: 33)". Die Zahl der Sachbeschädigungen und Bedrohungen nahm deutlich ab; nur noch in Einzelfällen wurden schwerwiegendere Straftaten verübt. M Am 3. April 1995 kam es in der "Kroatischen Katholischen Mission" in Schwäbisch Gmünd zu einer versuchten Brandstiftung, als Unbekannte ein Bündel Zeitungen anzündeten. Es entstand geringer Sachschaden. H Am 14. Juli 1995 versuchten unbekannte Täter zwei mit einer brennbaren Flüssigkeit gefüllte Flaschen durch ein geschlossenes Fenster der Vereinsräume des "Clubs der Jugoslawen" in Heilbronn, der von Serben besucht wird, zu werfen. Die Molotowcocktails zerbarsten an der Außenwand, ohne Schaden anzurichten. I Am 21. Juli 1995 versuchten unbekannte Personen erneut, das Vereinslokal mit einem Molotowcocktail in Brand zu setzen. Es entstand "Stand: Dezember 1995 147 Sachschaden in Höhe von ca. 2.000 DM. Erpressung Weiterhin wurden in mehreren Fällen Bürger aus dem ehemaligen von Spenden Jugoslawien unter der Androhung von Repressalien zu Spenden für die in der Heimat vertriebenen Landsleute und zur Unterstützung der dort kämpfenden Einheiten genötigt. Der seit dem Zerfall des Vielvölkerstaats Jugoslawien erkennbare Trend, daß die jeweiligen Nationalitätengruppen eigenständige Vereine gründen, setzte sich auch 1995 fort. So konnten allein in Baden-Württemberg 46 Neugründungen" registriert werden. Die Vereine grenzen sich strikt von denen anderer Nationalitäten ab. Ihre Hauptaktivitäten liegen in der Durchführung von Folklore-Veranstaltungen und Spendensammlungen, mit deren Einnahmen überwiegend humanitäre Hilfe in der Heimat finanziert wird. Die in der Vergangenheit sehr aktiven kroatischen Emigrantenvereinigungen haben ihre Tätigkeit eingestellt, ohne daß deren formelle Auflösung bekannt wurde. Offenbar wollen diese Organisationen zunächst die weitere Entwicklung in Kroatien abwarten. geringe AktiDie kosovo-albanischen Emigrantenorganisationen wie die extremvitäten von nationalistische "Nationaldemokratische Liga der Albanischen extremistiTreue" (B.K.D.SH)"' mit Sitz in Donzdorf/Kreis Göppingen und die sehen kosovolinksextremistische "Volksbewegung von Kosovo" (LPK) entwickelalbanischen ten 1995 nur geringe Aktivitäten. Diese dienten überwiegend der VerGruppiebreiterung ihrer Basis und der Zusammenarbeit mit anderen kosovorungen albanischen Organisationen sowie der Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen. So beteiligten sich beispielsweise an einer von der LPK organisierten Demonstration am 25. März 1995 in Bonn unter dem Motto "Der serbischen Gewalt und Willkür der Belgrader Regierung im Kosovo soll ein Ende gemacht werden" die B.K.D.SH und weitere Vereinigungen. In Deutschland gibt es nach wie vor keine Hinweise auf geplante Gewaltaktionen mit politischem Hintergrund. Nicht zu unter- " Stand: Dezember 1995 21 Die Organisation selbst verwendet die Abkürzung B. K. D. SH. Die früher angegebene Abkürzung N. D. SH. ist aus der deutschen Bezeichnung abgeleitet. 148 Ausländerextremismus schätzen ist jedoch ein etwa 300 Personen zählendes, gewaltbereites Potential, das fanatische Einzelaktivisten aus den verschiedenen Nationalitätengruppen umfaßt, die situationsbedingt bereit und in der Lage sein dürften, Gewaltaktionen gegen "jugoslawische" Einrichtungen in Deutschland oder gegen Angehörige verfeindeter Nationalitätengruppen zu verüben. Letztlich ist auch eine Rückkehr ehemaliger jugoslawischer Emigranten ins Bundesgebiet mit sicherheitsgefährdenden Auswirkungen nicht auszuschließen. 6. Iraner Die Aktivitäten iranischer Organisationen in Baden-Württemberg blieben 1995 ohne größere Außenwirkung. Aus einer Vielzahl oppositioneller Gruppierungen, deren einziges gemeinsames Merkmal in der Ablehnung des derzeitigen iranischen Regimes besteht, ragt als aktivste Organisation der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) hervor. Der NWRI präsentiert sich selbst als "Parlament des Iranischen Widerstandes" und "demokratische Alternative" zum iranischen "Mullah-System". Mit dem Hinweis, daß der NWRI aus verschiedenen politisch orientierten Gruppierungen bestehe, soll die Tatsache verschleiert werden, daß der "Widerstandsrat" in Wirklichkeit von der "Organisation der Volksmodjahedin Iran" (PMOI) dominiert wird. Die PMOI - mit dem Ehepaar Maryam und Masoud RADJAWI an der Spitze - vertritt nach eigenen Angaben eine "islamische Ideologie, die auf Demokratie, dem Volkswillen, der Toleranz und Mäßigung basiert". Nachdrücklich wird bestritten, daß die Ideologie der PMOI auch auf marxistischen Lehren beruhe; die Bezeichnung "islamische Marxisten" sei der Organisation ohnehin von ihren Gegnern angehängt worden. Trotz der Rechtfertigungsversuche der PMOI ist unverkennbar, daß deren Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Von demokratischen Strukturen innerhalb der Organisation oder Rückhalt in der iranischen Bevölkerung kann bei der in der Vergangenheit auch terroristisch operierenden Organisation nicht die Rede sein. Masoud RADJA149 WI als "Führer des iranischen Widerstands" fungiert gleichzeitig als Oberkommandierender der "Nationalen Befreiungsarmee" (NLA), Opposition die nur mit Unterstützung des Diktators Saddam HUSSEIN im Irak einlegen die iragerichtet werden konnte. Begleitet von einer weltweiten Propagandaaknische Staatstion wurde Maryam RADJAWI im August 1993 zur designierten Präsiführung dentin Irans erklärt. Nachdem ihre Teilnahme an einer Veranstaltung des NWRI am 16. Juni 1995 in Dortmund angekündigt worden war, erließ der Bundesminister des Innern im Juni 1995 ein Einreiseverbot gegen Frau RADJAWI. Auch in Baden-Württemberg versuchen PMOI-Anhänger hier lebende Iraner in ihrem Sinne zu beeinflussen. Trat man bisher im organisatorischen Rahmen der "Iranischen Moslemischen Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V." (IMSV) auf, so sucht man in jüngster Zeit die propagandistischen Ziele mittels Vereinigungen zu erreichen, die vorgeben, in erster Linie humanitäre und kulturelle Projekte zu betreiben. In Baden-Württemberg konzentrieren sich die Aktivitäten der PMOI auf Heidelberg, Karlsruhe und Stuttgart, wobei einzelne hier in Baden-Württemberg angesiedelte Organisationen ihre Tätigkeiten auch in anderen Bundesländern entfalten. Dazu gehören vor allem Spendenkampagnen, in deren Verlauf es zu Unregelmäßigkeiten kam. Daher hat das baden-württembergische Sozialministerium am 1. Dezember 1995 einen bereits 1992 herausgegebenen Erlaß an die Regierungspräsidien, wonach der "Flüchtlingshilfe Iran e.V." keine Sammlungserlaubnisse mehr erteilt werden sollen, auf weitere von der PMOI gesteuerte Organisationen erstreckt. Die Aktionen der PMOI werden offensichtlich von der Regierung in Teheran mißtrauisch beobachtet. Sympathisanten der iranischen Regierung fanden bislang in der "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) einen organisatorischen Rahmen. Die Aktivitäten dieser Vereinigung konzentrieren sich indes auf die Regionen im Norden und Westen der Bundesrepublik Deutschland. 7.Sikhs In Indien verübten extremistische Sikhs - trotz Fahndungserfolgen der 150 Ausländerextremismus Polizei und verschärfter ideologischer Streitigkeiten untereinander - auch im Jahr 1995 Terroranschläge. Dadurch wollen sie ihrer Forderung Zieleines nach Gründung eines unabhängigen Sikh-Staats Khalistan (Land der unabhängiReinen) Nachdruck verleihen. gen SikhStaates Bevorzugte Exilländer der Sikhs sind Kanada, USA, Großbritannien und Frankreich. In Deutschland leben derzeit ca. 12.000 Angehörige dieser Volksgruppe, von denen ca. 600 in extremistischen Gruppierungen wie der "Babbai-khalsa International" (BK) und der in mehrere Flügel gespaltenen "International Sikh Youth Federation" (ISYF) organisiert sind. Dieser Personenkreis unterhält engste Kontakte zu Gesinnungsfreunden in aller Welt und unterstützt die Kämpfer in der Heimat hauptsächlich mit finanziellen Mitteln. Kultureller, religiöser, aber auch politischer Mittelpunkt der Sikhs in Deutschland sind ihre Tempel (Gurdwaras) in Frankfurt am Main, Köln, Duisburg, Leipzig, Stuttgart und Mannheim. Funktionäre der einzelnen extremistischen Gruppierungen versuchen zunehmend ihren Einfluß, vor allem in den Tempelkomitees, auszuweiten. Bei sogenannten Märtyrerfeiern wird - neben den religiösen Zeremonien - regelmäßig der von indischen Sicherheitskräften getöteten Kämpfer gedacht. Dabei ergeht auch die Aufforderung zu großzügigen Geldspenden zur Unterstützung der Kämpfer und Hinterbliebenen in der Heimat. In Baden-Württemberg sind ca. 100 Sikhs in extremistischen Zirkeln der BK und der ISYF organisiert. Ihre Hauptaktivitäten beschränkten sich im Jahre 1995 auf Spendensammlungen bei Landsleuten zur Unterstützung ihres Kampfs im Heimatland sowie der Teilnahme an Protestkundgebungen, so am 15. August 1995 in Frankfurt am Main anläßlich des indischen Unabhängigkeitstags. An einer von der ISYF organisierten Gedenkveranstaltung vom 16. bis 18. Juni 1995 in Gomaringen/Kreis Reutlingen nahmen ca. 300 Sikhs aus dem Inund Ausland teil. 8. Tamilen Die linksextremistische separatistische Organisation "Liberation 151 Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) setzte auch 1995 ihren bewaffneten Ziel eines Kampf für einen eigenen sozialistischen Tamilenstaat im Nordosten Sri unabhängiLankas mit unverminderter Heftigkeit fort. Zum Jahresanfang 1995 aufgen sozialistikeimende Hoffnungen auf einen Waffenstillstand und den Beginn eines sehen Staates Friedensprozesses wurden schon zur Jahresmitte wieder zunichte gemacht, als die Kämpfe mit den überwiegend singhalesischen Regierungstruppen erneut aufflammten. Durch die massiven Angriffe der singhalesischen Armee Ende 1995 und deren offensichtliche Erfolge ist die LTTE unter starken Druck geraten. Dies könnte eine Zunahme ihrer Aktivitäten in Europa und ihrer Anhängerzahl zur Folge haben. Im Rahmen der Beschaffung dringend benötigter Geldmittel zur Finanzierung des "Befreiungskampfs" in ihrem Heimatland erhob die deutsche Sektion der LTTE von den im Bundesgebiet lebenden Tamilen monatlich festgelegte, einkommensabhängige Spenden, die ins Heimatland abgeführt wurden. Als weitere Einnahmequellen dienten Spenden152 Ausländerextremismus aktionen und Erlöse aus dem Verkauf von Propagandamaterial, beispielsweise während Musikund Polittourneen, sowie bei Feiern zu sogenannten Heldengedenktagen, an denen regelmäßig hochrangige Funktionäre der Organisation anwesend waren. In Baden-Württemberg führte die LTTE am 15. April 1995 eine Gedenkfeier in Kirchheim/Teck durch, an der ca. 700 Personen teilnahmen. Anläßlich der Großoffensive der Regierungstruppen im überwiegend von Tamilen bewohnten Landesteil Sri Lankas demonstrierten am 11. November 1995 in Stuttgart ca. 400 Tamilen gegen "Völkermord, Tourismus und für die Anerkennung von Tamil Eelam". Die hier lebenden ca. 50 LTTE-Mitglieder sind überwiegend in den Räumen Stuttgart und Ludwigsburg organisiert. 153 E. SPIONAGEABWEHR 1. Allgemeiner Überblick Die grundlegenden Trends der Vorjahre - etwa hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Auftraggeber oder der Zielrichtung der gegnerischen Spionage - haben sich weiter verstärkt. Derzeit befaßt sich die Spionageabwehr schwerpunktmäßig mit Aufklärungsaktivitäten aus Osteuropa, Nahund Mittelost sowie Ostasien. Für die Mehrzahl der aktuellen Verdachtsfälle sind die Nachrichtendienste Rußlands, Chinas und des Iran verantwortlich. Die vielfältigen politischen und insbesondere ökonomischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den betreffenden Staaten hindern diese offensichtlich nicht daran, ihre gegen deutsche Interessen gerichtete Spionage fortzusetzen. Nicht einmal die konkretere Formen annehmende Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Diensten bei der Bekämpfung des weltweiten Nuklearund Drogenhandels, des internationalen Terrorismus und der "Organisierten Kriminalität" ist geeignet, die Russische Föderation von ihren intensiven Aufklärungsbemühungen gegen die Bundesrepublik Deutschland abzuhalten. Wie schnell auch mehr als fünf Jahre nach Wegfall der Ost-West-Konfrontation scheinbar überkommenes Blockdenken wieder aufleben kann, wie brüchig die Stabilität Europas immer noch ist, haben die russischen Reaktionen auf die NATO-Kampfeinsätze in Bosnien und im Zusammenhang mit der Diskussion um die NATO-Osterweiterung deut154 Spionageabwehr lieh werden lassen. Insofern dürfte die politische und militärische Spionage auch weiterhin einen gewissen Stellenwert behalten. Im Mittelpunkt fremder Ausspähungsinteressen standen allerdings auch 1995 einAusdeutig die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. So ergab forschungseine Auswertung der Fallzahlen 1995 für Baden-Württemberg folgende Schwerpunkte Anteile: Zielrichtung Anteil Wirtschaft/Wissenschaft 81% Politik 11 % Militär 8% Im Berichtsjahr wurden in Baden-Württemberg 5 Personen wegen Landesverrats oder geheimdienstlicher Agententätigkeit rechtskräftig verurteilt. Spionageangriffe auf die deutsche Wirtschaft richten sich vor allem gegen forschungsintensive Industriebereiche. Dazu gehören u. a. Mikroelektronik, Optronik, Informationsund Kommunikationstechnik, Luftund Raumfahrttechnik, Kerntechnologie, Lasertechnik, Biotechnologie, Materialtechnik und Anlagenbau. Betroffen sind Großkonzerne ebenso wie innovative Mittelstandsbetriebe. Die Gründe für den Einsatz von Agenten in der Wirtschaft liegen auf der Hand: Ausländische Staaten und Unternehmen sind bestrebt, Entwicklungskosten zu sparen und frühzeitig mit kostengünstigen Konkurrenzerzeugnissen auf dem Markt zu erscheinen. Die Liste der interessierenden Herstellungsverfahren und Produkte hängt insofern ganz wesentlich vom technologischen Rückstand der Forschung und Entwicklung des jeweiligen Landes ab. Einen weiteren Schwerpunkt stellt der nachrichtendienstlich gesteuerte Technologietransfer dar. Insbesondere für Krisenländer außerhalb der NATO, die ohne eigenen Entwicklungsaufwand illegal in den Besitz wichtiger Güter kommen wollen, ist die deutsche Wirtschaft von hohem Interesse. Dabei spielt im Bereich der sensitiven Exporte die "DualUse-Eigenschaft" der sowohl militärisch als auch zivil nutzbaren Produkte eine besondere Rolle. 155 2. Einzelerkenntnisse 2.1 Nachrichtendienste der Russischen Föderation Die stärksten Aufklärungsbemühungen unter den osteuropäischen stärkste Nachrichtendiensten sind 1995 erneut von denen der Russischen FödeBedrohung ration ausgegangen. Zum aktuellen Stellenwert der Spionage bemerkte durch der damalige Leiter der russischen Auslandsaufklärung, Jewgeni PRIrussische MAKOW, im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der mehrbändiNachrichtengen "Skizzen über die Geschichte des russischen Geheimdienstes" in dienste einem Zeitungsbeitrag: "Die wichtigste Aufgabe des Geheimdienstes war und wird aber sein Beitrag zur Erhöhung des Verteidigungspotentials und zur Beschleunigung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Rußlands bleiben. " (aus "Wostok", 3/1995) Im Januar 1996 wurde PRIMAKOW zum russischen Außenminister berufen. Für die russischen Dienste war 1995 vor allem ein Jahr der Konsolidierung. Nach dem im August 1994 beendeten Abzug der auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stationierten russischen Truppen und dem damit auch verbundenen Wegfall von nachrichtendienstlichen Stützpunkten wurde in der Folgezeit das nachrichtendienstliche Führungsund Verbindungswesen neu organisiert. Die Agentensteuerung erfolgt nunmehr in erster Linie unmittelbar vom Territorium der Russischen Föderation aus; dabei kommt dem Agentenfunk eine besondere Rolle zu. Die Vielzahl der Funklinien und die Intensität von Funkausbildungsaktivitäten sind bezeichnend. zunehmend Die "Standortverlagerung" hat andererseits aber auch dazu geführt, daß aggressivere von den noch verbleibenden offiziellen russischen Stellen im BundesgeVorgehensbiet in vermehrtem Umfang nachrichtendienstliche Aktivitäten ausgeweise hen. Nachdem diese Tätigkeit in den letzten Jahren zunächst von besonderer Vorsicht und Zurückhaltung geprägt war, bestehen inzwischen eine Reihe von Anhaltspunkten, die für eine zunehmend aggressivere 156 Spionageabwehr Vorgehensweise sprechen. So werben Angehörige der "Legalresidenturen" beispielsweise direkt aus der russischen Botschaft heraus Agenten an. Auch ein Teil der Vertreter der mittlerweile überwiegend privatisierten russischen Medien ist wie zu Zeiten des "Kalten Kriegs" in vermehrtem Umfang in die Auslandsspionage eingebunden. AUFSPALTUNG DES KGB Mai 1991 Gündung russisches KGB sowjetisches KGB Oktober 1991 Telefonabhördienst militärische Einheiten ] - Armee externe Überwachung Auflösung übrige Dienststellen r 1. Hauptverwaltung ~1 November 1991 I MSB SWRR/VRR FAPSI Umbennung KGB in AFB InterAuslandsFöderale AFB republikanischer aufklärungsdienst Agentur für Sicherheitsagentur der Sicherheitsdienst der Russischen RegierungsverRussischen Föderation Föderation bindung und Dezember 1991 T Information beim Präsidenten Verschmelzung von MB WD AFB und Innenministerium Ministerium für Sicherheit und Innere Dezember 1991 Angelegenheiten Anschluß des MSB an T das AFB AFB/MBWD - Januar 1992 T Trennung von AFB AFB und Innenministerium Januar 1992 Umbenennung AFB in MBR MBR Ministerium für Dezember 1993 Sicherheit t t SWR FAPSI Umbenennung MBR FSK in FSK Föderaler Dienst für Spionageabwehr April 1995 Umbenennung FSK in FSB FSB Föderaler Sicherheitsdienst 157 Von den derzeit insgesamt sieben russischen Nachrichtenund Sicherheitsdiensten befassen sich zwei vorrangig mit der Auslandsaufklärung. An erster Stelle steht der zivile Aufklärungsdienst SWR. Diese Organisation ist in allen klassischen Spionagefeldem (Politik, Streitkräfte, Wirtschaft) aktiv. Nachrichtendienste der Russischen Föderation mit Aufklärungsaufgaben Name I SWR FSB GRU FAPSI Ursprung I. HV* des KGB 2. und 3. HV* des Sowjetischer GRU 8. HV* und 16. Abtei- : * - ; KGB lung der 1. HV des KGB Aufgaben Ziviler AuslandsnachZivile und militärische militärischer AuslandsSchutz und Unterhalt richtendienst Abwehr, Aufklärung nachrichtendienst der staatstragenden und Gegenspionage sowie Aufklärung in KommunikationseinWirtschaft, Wissenrichtungen der russ. schaft und Technik Föderation sowie weit weite Aufklärung ausländischer Kommunikationskanäle Zahl der Mitarbeiter ca. 13.000 ca. 100.000 ca. 12.000 100.000120.000 (einschließlich Fernmeldetruppen) I Leiter (bis 9.1.1996) Michail Fedor Alexander Jewgenij PRIMAKOW f BARSUKOW LADYGIN STAROWOYTOW (neuer Leiter) Wjatscheslaw TRUBNIKOV ^>mmm"^!mwmmmw : Hauptverwaltung, Stand: März 1996 Primär für die Informationsbeschaffung aus dem militärischen Bereich ist der "Auslandsaufklärungsdienst des Generalstabes beim Verteimilitärische digungsministerium der Russischen Föderation" (GRU) zuständig. und zivile Tatsächlich beschränkt er seine Tätigkeit jedoch keineswegs auf Ausforschung militärische Ausforschungsziele, sondern ist auch auf dem Feld der zivilen Wirtschaftsaufklärung tätig. Bemerkenswerterweise trägt sich der GRU in finanzieller Hinsicht zu einem nicht unerheblichen Teil selbst, indem er über Tarnfirmen am westlichen Wirtschaftsleben teilnimmt und die von ihm beschafften Erkenntnisse an russische Unternehmen verkauft. Von den weiteren russischen Diensten verdienen vor allem der Funk158 Spionageabwehr und Fernmeldeaufklärungsdienst FAPSI sowie der Abwehrdienst FSB besondere Erwähnung. Beide sind sowohl im Inwie im Ausland aktiv und verfügen mittlerweile über eine mit dem früheren KGB vergleichbare Machtfülle. 2.1.1 FAPSI Der "Föderalen Agentur für Regierungsfernmeldewesen und Inforstrategische mation beim Präsidenten der Russischen Föderation" (FAPSI) Fernmeldeobliegen diverse Aufgaben auf dem Gebiet der elektronischen Aufaußclärung klärung sowie im Bereich des Funkund Fernmeldewesens. So ist dieser Dienst insbesondere zuständig für die strategische Aufklärung, was die aktive Erfassung ausländischer Fernmeldeund Datennetze ebenso einschließt wie das Eindringen in sicherheitsempfindliche Bereiche geschützter Objekte. Nach Entschlüsselung und Auswertung der "aufgefangenen" Informationen unterrichtet FAPSI den russischen Präsidenten unmittelbar über wichtige Erkenntnisse. Wichtigste Aufgabe von FAPSI bildet die Bereitstellung und Unterhaltung sicherer Kommunikationsverbindungen des russischen Präsidenten, der Regierung, der Armee, der Sicherheitsdienste und nicht zuletzt wichtiger Wirtschaftsbetriebe. In diesem Zusammenhang ist FAPSI auch für das Chiffrierwesen zuständig. Aufgrund eines aktuellen Präsidialerlasses gehört ferner die Lizenzierung elektronischer Übertragungsmittel in der russischen Wirtschaft zu den Tätigkeitsfeldern von FAPSI. Durch formellen Akt ist damit der Zugang zu allen innerstaatlichen Geschäftsinformationen gewährleistet. Das Zertifizierungsmonopol bedeutet im übrigen eine beträchtliche Einnahmequelle. Schließlich agiert FAPSIauf dem russischen Inlandsmarkt als Anbieter von Kommunikationsinfrastruktur und wendet sich dabei insbesondere an ausländische Firmenniederlassungen. Westlichen Kunden ist oft nicht bewußt, daß sie Vertragspartner eines Nachrichtendienstes sind. Nicht zuletzt dieses Engagement hat dazu beigetragen, daß FAPSI mittmaßgeblicher lerweile auch einen wirtschaftlichen Machtfaktor in Rußland darstellt. Einfluß auf deutsche Unter der Abdeckung als Wirtschaftsunternehmen tritt FAPSI auch im Firmen Bundesgebiet als Geschäftspartner auf, um sich hier aktuell mit den 159 neuesten technischen Gerätschaften zu versorgen. Im übrigen bestehen Anhaltspunkte dafür, daß sich FAPSI in deutsche Firmen "eingekauft" hat und teilweise sogar die Kapitalmehrheit besitzt. 2.1.2 FSB Einer erneuten Umstrukturierung wurde der - aus dem ehemaligen Sicherheitsministerium hervorgegangene - erst Ende Dezember 1993 begründete "Föderale Dienst für Gegenspionage" (FSK) unterworfen. Als "Föderaler Sicherheitsdienst" (FSB) ist er im April 1995 mit erheblich erweiterten Kompetenzen ausgestattet worden. Sein neuer Leiter Michail BARSUKOW gilt als enger Vertrauter von Präsident JELZIN, dessen engerem Umfeld er entstammt. Während sich die Kompetenzen des FSK vorrangig auf das Inland bezogen hatten, ist in dem neu geschaffenen FSB-Gesetz ausdrücklich die Befugnis für die Auslandsaufklärung sowie die Zielrichtung "Wirtschaft" festgehalten: "Die Aufklärungsarbeit wird von den Organen des FSB innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit und in Zusammenarbeit mit den Organen der Auslandsaufklärung der Russischen Föderation mit dem Ziel durchgeführt, Informationen über mögliche Gefahren für die Sicherheit der Russischen Föderation zu gewinnen. Die Organe des FSB sind verpflichtet ... im Interesse der Sicherheit der Russischen Föderation und zur Erhöhung ihres wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen und Verteidigungspotentials Aufklärungsarbeit zur Gewinnung von Informationen zu betreiben." Aufgrund eines von Präsident JELZIN persönlich unterzeichneten Erlasses sind alle Mitarbeiter des FSB und des Innenministeriums gehalten, einen schriftlichen Bericht über jedes Gespräch mit einem nichtrussischen Staatsbürger anzufertigen. Es ist deshalb davon auszugehen, daß bei Geschäftsverhandlungen mit ausländischen Firmen mittlerweile immer ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes anwesend ist. Allzuständigkeit wie eheAußerdem sind dem FSB gesetzliche Möglichkeiten zugestanden, ohne maliges KGB weitere richterliche Genehmigung schon auf bloßen Verdacht gegen Privatunternehmen - auch ausländische - vorzugehen. Dazu gehören die 160 Spionageabwehr Durchsuchung von Geschäftsgebäuden und Privatunterkünften ebenso wie die Beschlagnahme von (Geschäfts-) Unterlagen. Die Mitwirkung des FSB bei der Einreise von Ausländern eröffnet vielfältige Möglichkeiten, nachrichtendienstlich relevante Zielpersonen auszuwählen. In letzter Zeit häufen sich zudem Erkenntnisse zu Überwachungsaktivitäten des FSB in russischen Hotels; von Telefonüberwachungsmaßnahmen muß inzwischen selbst in der Provinz wieder ausgegangen werden. Angesichts des erheblichen Machtzuwachses, der Möglichkeit des Einsatzes von militärischem Personal sowie der Zuordnung von SPETSNAZ-Truppen ("Truppen besonderer Bestimmung", u. a. zuständig für Diversionstätigkeiten im Inund Ausland) zum FSB, erscheint die von der liberalen Zeitschrift "ISWESTIJA" getroffene Wertung "Neuer Deckmantel für das alte KGB" als durchaus zutreffend. 2.2 Andere östliche Nachrichtendienste Ungeachtet des fortschreitenden - teilweise aber auch von Rückschlägen begleiteten - Demokratisierungsprozesses in den ehemaligen Satellitenstaaten Ostund Südosteuropas und im Widerspruch zu dem dringenden Wunsch dieser Länder, sobald wie möglich vollwertig in NATO und Europäischer Gemeinschaft (EU) integriert zu werden, bildet vor allem die deutsche Wirtschaft nach wie vor ein bevorzugtes Ausforschungsziel insbesondere der rumänischen, bulgarischen und polnischen Nachrichtendienste. Ein wichtiger Gradmesser für die Glaubwürdigkeit von Ankündigungen dieser Staaten, künftig keine Agenten mehr gegen deutsche Interessen einzusetzen, wird die weitere personelle Entwicklung an ihren Legalresidenturen in der Bundesrepublik Deutschland sein. 2.3 Chinesische Nachrichtendienste Eine auch nur annähernd zuverlässige Prognose über die mittelfristige Entwicklung Chinas abzugeben ist schwierig. Dies liegt vor allem in der Widersprüchlichkeit zwischen dem starren Festhalten am Kommu161 nismus einerseits und dem fortschreitenden wirtschaftlichen Wachstum - verbunden mit einer "Verwestlichung" der Wirtschaft - andererseits. Hinzu kommt die massiv betriebene Aufrüstungspolitik, die den Schluß nahelegt, China strebe eine militärische Vormachtstellung an. Beide Bereiche - das weitere Wirtschaftswachstum und die militärischen Ambitionen - betreibt China mit großer Vehemenz und unter Einsatz sämtlicher Mittel. In diesem Zusammenhang spielen auch die zahlreichen chinesischen Inund Auslandsnachrichtendienste eine bedeutsame Rolle. Es kann davon ausgegangen werden, daß nahezu alle Auslandsvertretungen Chinas mit nachrichtendienstlichem Personal durchsetzt sind. Sie bilden insbesondere im westlichen Ausland das Rückgrat der chinesischen Aufklärung. Im Mittelpunkt der Vorgehensweisen chinesischer Agenten steht allerdings noch immer die offene "Abschöpfung". Es liegen Erkenntnisse vor, daß die im Bundesgebiet lebenden Studenten, Praktikanten und Wissenschaftler chinesischer Staatszugehörigkeit intensiv "betreut" und bei regelmäßigen Vorladungen "abgeschöpft" werden. Dabei wird der Auskunftsbereitschaft in Einzelfällen auch mit der Androhung einer vorzeitigen Beendigung des Auslandsaufenthalts Nachdruck verliehen. Daneben sind Mitarbeiter der chinesischen Botschaft stets bemüht, auch zu Bundesbürgern, die wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft bekleiden, feste Kontakte herzustellen und zu pflegen. zunehmende In letzter Zeit hat sich zudem eine Reihe von Anhaltspunkten ergeben, Operationen die darauf hindeuten, daß die chinesischen Dienste im Bundesgebiet im Bundesvermehrt operativ tätig werden. Von illegalen "Residenturen" - beigebiet spielsweise abgetarnt als China-Restaurants - gesteuert, werden die Emigrantenszene beobachtet, aber auch Informationen zu militärischen Anlagen und zur wissenschaftlichen Forschung gesammelt. Verantwortlich für derartige Aufklärungsmaßnahmen sind die nachfolgend dargestellten chinesischen Nachrichtendienste: weltweit größ2.3.1 MSS ter GeheimDas chinesische "Ministerium für Staatssicherheit" (MSS) mit seidienst nem Personalbestand von mittlerweile 800.000 Mitarbeitern dürfte weltweit der größte Geheimdienst sein. Ihm obliegen sowohl Abwehr162 Spionageabwehr wie auch Aufklärungsaufgaben. Im Bereich der Auslandsspionage stehen Wissenschaft und Technik eindeutig im Mittelpunkt des Interesses. Als maßgebliches Instrument zur Gewährleistung der inneren Sicherheit hat das MSS nahezu unbegrenzte Befugnisse. Ausländische Besucher unterliegen als "potentielle Unruhestifter" der besonderen Überwachung. Hotels und Konferenzräume werden grundsätzlich abgehört. 2.3.2 "2. Abteilung des Generalstabs der Volksbefreiungsarmee" Als militärischer Nachrichtendienst Chinas fungiert die "2. Abteilung des Generalstabs der Volksbefreiungsarmee". Die im Auslandseinsatz tätigen Agenten sind vielfach bei den Militärattachestäben der chinesischen Botschaften angesiedelt. Dort obliegt ihnen die offene, halboffene und gelegentlich auch konspirative Informationsgewinnung aus Wirtschaft und (Militär-) Technik sowie über Strategie und Taktik fremder Streitkräfte. Ferner existieren Hinweise, daß die Angehörigen des militärischen Nachrichtendienstes auch in Aktionen zur Beschaffung von Embargogütern eingebunden sind. 2.3.3 Nachrichtendienste der "Kommunistischen Partei Chinas''(KPCh) Neben den beiden vorgenannten Einrichtungen wirken auch Parteigliederungen der KPCh an der verdeckten Nachrichtenbeschaffung aus dem Ausland mit. Hier sind zu nennen: die "Abteilung für internationale Verbindungen des Zentralkomitees der KPCh" (International Liaison Department/ILD) und die "Abteilung für die Einheitsfront der Arbeit des Zentralkomitees der KPCh" (United Front Work Department/UFWD). Die UFWD soll primär im Inland durch das Einwirken auf die Massen zur Stabilisierung des Regimes beitragen, aber auch mittelbar auf Gemeinden von Auslandschinesen Einfluß nehmen. EinflußnahDie ILD - der eigentliche "Auslandsnachrichtendienst" der Partei - ist me auf Auszuständig für die weltweite Kontaktpflege zu ausländischen kommunilandschinesen stischen und sozialistischen Parteien und zu sog. Befreiungsbewegungen. Weiterhin ist der ILD die Infiltrierung und Kontrolle ausländischer Freundschaftsgesellschaften sowie der Auslandschinesen und Dissiden163 tenkreise übertragen. Bei der Wahrnehmung ihrer Auslandsbeziehungen ist beiden Organisationen auferlegt, die Beschaffung nachrichtendienstlich relevanter Informationen zu unterstützen. 2.4 Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens Von wachsender Bedeutung für die Spionageabwehr der Bundesrepublik Deutschland sind in den letzten Jahren die Nachrichtendienste einiger Krisenländer des Nahen und Mittleren Ostens geworden. Hier sind insbesondere die Nachrichtendienste von Libyen und Syrien, dem Irak und dem Iran zu nennen. Typisch ist dabei die Komplexität der Vorgehensweise der Geheimdienste dieser Staaten. Entsprechend dem breit breites Aufgagefächerten Aufgabenspektrum seiner Auftraggeber deckt oftmals ein benspektrum und derselbe Agent die unterschiedlichsten Felder ab, indem er sich von Agenten gleichermaßen der Bespitzelung der Emigrantenszene, Vorbereitungshandlungen für terroristische Aktionen und Geschäften des illegalen Technologietransfers annimmt. Im seltensten Falle läßt sich eine Verdachtsperson zweifelsfrei einem bestimmten Nachrichtendienst des jeweiligen Landes zuordnen. Denn teilweise tritt der mutmaßliche Agent als Vertreter einer "neutralen" Behörde des betreffenden Staates auf, vielfach agiert er aber auch als Firmenangehöriger, wobei häufig nicht nachvollziehbar ist, ob er ein staatliches oder ein "rein privates" Unternehmen repräsentiert. Gerade im Falle des Iran, für den Deutschland noch immer einer der wichtigsten Handelspartner ist, werden diese Schwierigkeiten besonders deutlich. Neben einer Vielzahl legaler Geschäftsbeziehungen kommt es immer wieder zu vereinzelten unlauteren Kontakten. Besonders diffizil ist dabei, daß iranische Stellen wie das in Düsseldorf unterhaltene offizielle Verbindungsbüro der "Defence Industries Organization" (DIO) als Vertragspartner deutscher Firmen fungieren. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ferner, daß in der Bundesrepublik Deutschland eine Vielzahl iranischer Staatsangehöriger lebt. Derzeit haben rund 100.000 Iraner - darunter etwa 10.000 Studenten - ihren (vorübergehenden) Wohnsitz im Bundesgebiet. Es mehren sich die Hinweise, daß offizielle iranische Stellen zum beschleunigten Abbau wissenschaftlich-technischer Defizite um die Zusammenarbeit mit im westlichen Ausland tätigen iranischen Wissenschaftlern und Stu164 Spionageabwehr denten bemüht sind. Ebenso konnte die Einbindung proiranischer Studenten in nachrichtendienstliche Machenschaften im Zusammenhang mit der Ausforschung der iranischen Emigrantenszene in Deutschland beobachtet werden. Hauptträger der nachrichtendienstlichen Aktivitäten des Iran im Ausland sind die folgenden Dienste: .?:i:LY.E.YAK/MOIS Der größte iranische Geheimdienst ist das "Ministerium für Nachrichtenwesen und Sicherheit" (VEVAK, international-englische Abkürzung: MOIS), das wie alle anderen Dienste dem von Präsident RAFSANDJANI geführten "Nationalen Sicherheitsrat" untersteht. Derzeitiger Leiter des VEVAK ist Minister Ali FALLAHIAN, der sich schon verschiedentlich im Bundesgebiet aufgehalten hat. Die Bundesanwaltschaft hat im Dezember 1995 gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mordes eingeleitet. Er wird beschuldigt, für das Massaker an vier iranischen Exilpolitikern am 17. September 1992 im Berliner Lokal "Mykonos" verantwortlich zu sein. Am 14. März 1996 erließ der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof einen Haftbefehl gegen FALLAHIAN. Neben diversen Inlandsaufgaben (u. a. Überwachung von ausländischen Besuchern) ist VEVAK auch die Auslandsaufklärung übertragen. Zu diesem Zweck wird - ebenso wie an anderen Missionen im westlichen Ausland - an der iranischen Botschaft in Bonn eine stark besetzte Legalresidentur unterhalten. Darüber hinaus existieren Hinweise, daß im gesamten Bundesgebiet ein Netz illegaler nachrichtendienstlicher Stützpunkte - vielfach unter Firmenabdeckung - aufgebaut worden ist. Enge Verbindungen bestehen zu der regierungstreuen "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.), die an verschiedenen Hochschulstandorten vertreten ist. Die Mitglieder dieser Vereinigung sind auch in die Informationssammlung im technisch-wissenschaftlichen Bereich eingebunden. 165 2.4.2 "GHODS-Streitmacht" Die "GHODS-Streitmacht" bildet den Nachrichtendienst der "Revolutionären Garden". Als Teil der besonders regimetreuen Pasdaran-VerTerrorbände ist sie in den inländischen Sicherheitsapparat integriert. Ihre Ausoperationen landszuständigkeit umfaßt die Durchführung von Terroroperationen im Ausland ebenso wie die Mitwirkung beim illegalen Technologietransfer. 2.4.3 Militärischer Nachrichtendienst "J2" Der beim Generalstab des Verteidigungsministeriums angesiedelte militärische Nachrichtendienst ist in erster Linie für die Sicherheit bei der Truppe verantwortlich. Daneben wirkt er aber auch bei der iranischen Auslandsaufklärung mit. Sein vorrangiges Ziel ist die Beschaffung von Informationen über gegnerische Streitkräfte, aber auch unmittelbar von Rüstungsgütern bzw. militärisch nutzbaren Produkten. "J2"Agenten sind den Militärattachestäben der Botschaften zuzurechnen. 2.5 Andere Nachrichtendienste Immer wieder finden sich in der Tagespresse Berichte über nachrichtendienstliche Operationen zwischen befreundeten Staaten. Besondere Beachtung hat im Februar 1995 ein Spionagefall in Frankreich gefunden, bei dem französische Stellen die Abberufung von fünf der Industriespionage verdächtigen Amerikanern - unter ihnen vier mit Diplomatenstatus, einer von ihnen der Chef der "Central Intelligence Agency" (CIA) in Paris - durchgesetzt haben. Gerade Frankreich und die USA haben sich in den vergangenen Jahren wiederholt der gegenseitigen nachrichtendienstlichen Ausforschung bezichtigt. Aus den USA sind in letzter Zeit wiederholt Überlegungen bekanntgeworden, die CIA solle sich nach dem Ende des "Kalten Kriegs" in vermehrtem Umfang dem schärfer werdenden Konkurrenzkampf zwischen den Wirtschaftsblöcken Westeuropa, Nordamerika und Japan widmen. Bereits 1993 hatte der damalige CIA-Direktor James WOOLSEY befürwortet, daß die USA dem Beispiel anderer Länder folgen sollten, die ihre Informationsdienste zum Nutzen ihrer Wirtschaft einsetzen. 166 Spionageabwehr Anhaltspunkte für eine zwischenzeitlich erfolgte Umsetzung dieser Vorstellungen ergeben sich aus amerikanischen Presseberichten, wonach die CIA und die Abhörexperten der "National Security Agency" (NSA) während des amerikanisch-japanischen Handelsstreits im Frühjahr 1995 die japanische Verhandlungsdelegation ausspioniert hätten. Die Möglichkeit der Spionage durch befreundete - gar militärisch verbündete - Staaten sollte also nicht von vornherein gänzlich ausgeschlossen werden. Konkrete Erkenntnisse in Baden-Württemberg haben sich im Jahre 1995 jedoch nicht ergeben. 167 ANHANG Gruppenund Organisationsregister Bezeichnung Seite/n Arbeitsgemeinschaft (AG) Junge Genossinnen in und bei der PDS 117 Arbeitsgemeinschaft (AG) Junge Genossinnen Rhein-Neckar in und bei der PDS 117 Arbeitsgemeinschaft (AG) BWK bei der PDS 116,120 Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) 40, 56 Aktion Sauberes Deutschland (ASD) 43 AL FATAH 144 Anarchistische Plattform in und bei der PDS 117 Antiimperialistische Zelle (AIZ) 92, 99, 102,103ff. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 93, 109, 124,126ff., 136 Autonome 85, 93f., 96, 106ff., 114 Babbar-Khalsa International (BK) 151 Bolschewistische Partei/Nordkurdistan-Türkei (BP/KK-T) 139f. Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) 121 Bund Westdeutscher Kommunisten-Bundeskonferenz (BWK) .116,119f. COURAGE 119 Das KO.M.I.T.E.E 92, 102 Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) 144 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 95f., lllff., 116 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 17, 19, 74ff., 80 Deutsche Volksunion (DVU) 18f., 54f., 57, 58ff., 82, 87 Devrimci Sol (Dev Sol - Revolutionäre Linke) 130,136f. Die Republikaner (REP) 17ff., 47ff., 60, 76, 80, 82, 107f. Direkte Aktion/Mitteldeutschland (JF) 18, 41 Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V. (EMUG) 140ff. Flüchtlingshilfe Iran e.V. 150 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) ..139 168 Föderation der Demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (DIDF) 140 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) 142f. Freie Arbeiterinnen Union (FAU) 110 Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei (FAU/AP) 110 Freie Arbeiter Union-Studenten (FAUST) 110 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 18f., 41f., 56, 73, 85 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 79f. Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) 40f. HAMAS 144, 146 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 42f. Hizb Allah 145f. Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation (ISA) 121 Internationale Sozialistische Organisation (ISO) 121 Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V. (IHV) 43, 46 International Sikh Youth Federation (ISYF) 151 Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung 150 Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV) Islamische Armee des Heils (AIS) 144 Islamische Bewaffnete Gruppe (GIA) 144 Islamische Gemeinschaft - Nationale Sicht (IGMG) 140ff. Islamische Heilsfront (FIS) 144 Islamischer Bund Palästina (IBP) 146 Islamischer Djihad (PU) 144 Junge Deutsche in der DVU 62 Junge Nationaldemokraten (JN) 19, 32, 71ff., 85 Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) 12lf. Kameradschaften 44ff., 55 Kommunistische Plattform (KPF) 96, 117 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa e.V. (ATIK) .. 139 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 151 ff. Marxistische Gruppe (MG) 120 169 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei-Gründung (MLKP-K) 139 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 95f., 118f. Moslembruderschaft (MB) 144 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 18f., 63ff., 75, 79f., 82, 85, 108 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 19, 74 Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue (B.K.D.SH) . . . 148 Nationale Befreiungsarmee (NLA) 150 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 130ff. Nationale Liste (NL) 18, 41 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 149f. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) 19, 86f. Neue Rechte 90f. Ökologische Plattform bei der PDS/LL Baden-Württemberg 116 Organisation der Volksmodjahedin Iran (PMOI) 149f. Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 143f. Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) . . .95f., 113,115ff., 121 Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) 142f. Rebell 118 Republikanische Jugend (RJ) 48, 51f., 55 Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten (RepBB) 48 Revisionisten 81, 85, 87ff. Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei (TDKP) 140 Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKC) 137 Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (DHKP/-C) 137 Revolutionäre Zellen (RZ) 99, 103, 105 Revolutionär-Sozialistischer Bund (RSB) 121 Rote Armee Fraktion (RAF) 92, 96, 98ff. Rote Peperoni (früher Junge Pioniere) 113 Rote Zora 99,103 Schwarze Garde 110 Skinheads 17, 24ff., 29ff., 46, 74 Skinheads Allgäu e.V. 33 Sozialistische Alternative VORAN (SAV) 121 f. Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 121 170 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 113 STAUFER-STURM Göppingen (SSG) 46 Türkische Kommunistische Arbeiterbewegung (TKIH) 139 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 130,136ff. Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (Bewegung) (TKP/ML Hareketi) 139 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (Bolsevik) (TKP/ML-Bolsevik) 139f. Union Islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) . . . .150, 165 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB) 142 Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) 140ff. Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 121 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 113f. Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 126, 129 Volksbewegung von Kosovo (LPK) 148 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 144 Volksfront gegen Reaktion Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) 120 Wiking-Jugend e.V. (WJ) 19, 411, 72 Wohlfahrtspartei (RP) 140ff. 171 * PERSONENVERZEICHNIS Abu-Jamal, Mumia 93, 97, 101f., 112 Althans, Bela Ewald 40 Apfel, Holger 85 Barsukow, Michail 160 Busse, Friedhelm 85 Christophersen, Thies 90 Cinar, Recep 142 Deckert, Günter 63ff., 85 Dehoust, Peter 77 Ebner, Hans-Heinrich, Dr 55 Erbakan, Necmettin 140 Fallahian, Ali 165 Fatsa, Eyüp 142 Franke-Griksch, Ekkehard 81 Frey, Gerhard, Dr 54, 58ff., 87 Garzan, Ali 130 Gencer, Abdullah 141 Grabert, Wigbert 81 Hildebrandt, Hartmut 70 Hofmann, Sieglinde 92, 100 Hogefeld, Birgit 92, 99f. Hogh, Alois 56 Honsik, Gerd 89 Jürgensen, Peter 62 Kaplan, Cemaleddin 142 Kaplan, Metin 142 Karatas, Dursun 137 Käs, Christian 48, 50f. 53ff. Klar, Christian 101 Kosiek, Rolf, Dr 79 Kühnen, Michael 40 Lauck, Gary Rex 19, 86f. Naumann, Peter 39f. Neubauer, Harald 77, 80 Niewiem, Kurt 77f. 172 Öcalan, Abdullah 126, 129, 132, 134 Ochensberger, Walter 89 Primakow, Jewgeni 156 Radjawi, Maryam 149f. Radjawi, Masoud 149f. Schaal, Karl-August 55f. Scheerer geb. Rudolf, Germar 81, 88 Schirinowski], Wladimir 59f., 62, 87 Schlierer, Rolf, Dr 47ff., 55, 57 Schönhuber, Franz 47, 54f., 57f., 60 Schützinger, Jürgen 75 Tag, Ernst 43 von Thadden, Adolf 80 Türkes, Alparslan 142 Voigt, Udo 64 Wendland, Michael 74 Wolf, Winfried, Dr 121 Worch, Christian 41 Yilmaz, Sevki 141 Yüksel, Ali 142 Yumakogullari, Osman 141 Zündel, Ernst 85, 89f. 173 GESETZ ÜBER DEN VERFASSUNGSSCHUTZ IN BADEN-WÜRTTEMBERG (LANDESVERFASSUNGSSCHUTZGESETZ - LVSG) VOM 22. OKTOBER 1991 SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. SS 2 Organisation, Zuständigkeit (1) Zur Wahrnehmung der Aufgaben des Verfassungsschutzes unterhält das Land ein Landesamt für Verfassungsschutz. Das Amt hat seinen Sitz in Stuttgart und untersteht dem Innenministerium. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer Polizeidienststelle nicht angegliedert werden. SS 3 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz, Voraussetzungen für die Mitwirkung an Überprüfungsverfahren (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder frühzeitig zu erkennen und den zuständigen Stellen zu ermöglichen, diese Gefahren abzuwenden. (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen über 174 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben. 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und wertet sie aus. Sammlung und Auswertung von Informationen nach Satz 1 setzen im Einzelfall voraus, daß für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Satz 1 Nummern 1 bis 3 tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Sicherheitsprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. auf Anforderungen der Einstellungsbehörde bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie auf Anforderung der Beschäftigungsbehörde bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei denen der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, daß sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, 5. bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Einbürgerungsbewerbern, 6. bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen nach SS 12 b des Atomgesetzes, 175 7. bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Personen, die zu sicherheitsempfindlichen Bereichen von Flughäfen Zutritt haben, nach SS 29 c des Luftverkehrsgesetzes, 8. bei sonstigen Überprüfungen, soweit dies im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder für Zwecke der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Näheres wird durch Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums bestimmt. Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Satz 1 erfolgt in der Weise, daß es eigenes Wissen oder bereits vorhandenes Wissen der für die Überprüfung zuständigen Behörde oder sonstiger öffentlicher Stellen auswertet. In den Fällen des Satzes 1 Nummern 1 und 2 führt das Landesamt für Verfassungsschutz weitergehende Ermittlungen durch, wenn die für die Überprüfung zuständige Behörde dies beantragt. (4) Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Absatz 3 setzt im Einzelfall voraus, daß der Betroffene und andere in die Überprüfung einbezogene Personen über Zweck und Verfahren der Überprüfung einschließlich der Verarbeitung der erhobenen Daten durch die beteiligten Dienststellen unterrichtet werden. Darüber hinaus ist im Falle der Einbeziehung anderer Personen in die Überprüfung deren Einwilligung und im Falle weitergehender Ermittlungen nach Absatz 3 Satz 3 die Einwilligung des Betroffenen erforderlich. Die Sätze 1 und 2 gelten nur, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. SS 4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes 176 solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckgerichtet unterstützt, Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bundung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. 177 SS 5 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 erforderlichen Informationen verarbeiten. Die Verarbeitung personenbezogener Daten richtet sich insoweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes und, soweit dort keine Regelungen getroffen sind, nach den Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes mit Ausnahme SSSS 8 und 11 Abs. 2 bis 5 sowie SSSS 12 bis 20 des Landesdatenschutzgesetzes. (2) Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben und bei einer Sicherheitsprüfung nach SS 3 Abs. 3 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (4) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat das Landesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS 6 Erhebung personenbezogener Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden (nachrichtendienstliche Mittel). Diese sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift bedarf der Zustim178 mung des Innenministeriums, das den Ständigen Ausschuß des Landtags unterrichtet. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten und sonstige Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. (3) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur dann heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist und geeignete und polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Satz 1 gilt entsprechend für den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in Wohnungen. (4) Die Erhebung nach den Vorschriften der Absätze 2 und 3 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Informationen durch Auskunft nach SS 9 Abs. 4 gewonnen werden können. Die Anwendung des nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) Bei Erhebungen nach Absatz 3 und solchen nach Absatz 2, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, zu denen insbesondere das Abhören 179 und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit dem verdeckten Einsatz technischer Mittel gehören, ist der Eingriff nach seiner Beendigung der betroffenen Person mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilung an den Betroffenen bedarf es nicht, wenn sich auch nach fünf Jahren noch nicht abschließend beurteilen läßt, ob diese Voraussetzung vorliegt. Die durch solche Maßnahmen erhobenen Informationen dürfen nur nach Maßgabe des SS 7 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGB1.I S. 949) verwendet werden. SS 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. Mai 1969 (GBl. S. 79) findet entsprechende Anwendung. (6) Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz nach dem Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz bleiben unberührt. SS 7 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 erforderlich ist oder 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS Abs. 3 tätig wird. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 3 Abs. 3 dürfen vorbehaltlich des Satzes 2 in automatisierten Dateien nur Daten über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. Zur Erledigung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Nr. 4 dürfen in automatisierten Dateien nur Daten solcher Personen erfaßt werden, über die bereits Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 2 vorliegen. Bei der Speicherung in Dateien muß erkennbar sein, welcher der in SS 3 Abs. 2 und 3 genannten Personengruppen der Betroffene zugeordnet ist. 180 (3) Die nach Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 2 gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen nur für die dort genannten Zwecke sowie für Zwecke verwendet werden, die der Wahrnehmung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr. 2 oder der Beobachtung von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind, dienen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke und hiermit in Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. SS 8 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 7 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, nur speichern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Minderjährige eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. In Dateien ist eine Speicherung von Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres nicht zulässig. (2) Sind Daten über Minderjährige in Dateien oder in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, gespeichert, ist nach zwei Jahren die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 2 angefallen sind. Satz 1 gilt nicht, wenn das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 3 tätig wird. 181 SS 9 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes und die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie die Gerichte des Landes übermitteln von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihnen bekanntgewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Informationen zur Wahrnehmung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr. 2 oder Beobachtung von Bestrebungen erforderlich sind, die durch Anwendung von Gewalt darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeidienststellen dürfen darüber hinaus von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz auch alle anderen bekanntgewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 2 übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. (3) Soweit nicht schon bundesrechtlich geregelt, können die zuständigen Stellen in den Fällen des SS 3 Abs. 3 das Landesamt für Verfassungsschutz um Auskunft ersuchen, ob Erkenntnisse über den Betroffenen oder über eine Person, die in die Überprüfung mit einbezogen werden darf, vorliegen. Dabei dürfen die erforderlichen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen an das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt werden. Im Falle einer Überprüfung nach SS 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 ist das Ersuchen über das Innenministerium zu leiten. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann vorbehaltlich der in SS 11 getroffenen Regelung von jeder öffentlichen Stelle nach den Absätzen 1 und 2 verlangen, daß sie ihm die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen übermittelt, wenn die Daten und Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur 182 durch eine den Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. Die Ersuchen sind aktenkundig zu machen. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Akten anderer öffentlicher Stellen und amtliche Register unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 und vorbehaltlich der in SS 11 getroffenen Regelung einsehen, soweit dies 1. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 2. zur Beobachtung von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 genannten Schutzgüter gerichtet sind, 3. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 3 oder 4. zum Schutz der Mitarbeiter und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen Gefahren für Leib und Leben erforderlich ist und die sonstige Übermittlung von Informationen aus den Akten oder den Registern den Zweck der Maßnahmen gefährden oder das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Über die Einsichtnahme nach Satz 1 hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten und sonstiger Informationen, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1, 2 und 4 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Satz 1 übermittelten Unterlagen findet SS 7 Abs. 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwendung. 183 SS 10 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie an die Gerichte des Landes übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt der Staatsanwaltschaft und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeidienststellen des Landes von sich aus die ihm bekanntgewordenen personenbezogenen Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in SSSS 74 a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die Artikel 73 Nr. 10 Buchst, b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGB. 1961 II S. 1183) übermitteln. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. 184 tSSK (4) Personenbezogene Daten dürfen an andere als öffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht erforderlich ist und der Innenminister oder sein ständiger Vertreter die Zustimmung erteilt hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl gleichartiger Fälle vorweg erteilt werden. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung aktenkundig zu machen. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, daß das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an öffentlichen Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, Belange der Länder oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung zu bitten. SS 11 Übermittlungsverbote (1) Die Übermittlung von Informationen nach SSSS 5, 9 und 10 unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung 185 überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen oder überwiegende Belange der Strafverfolgung dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. (2) Informationen über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 12 Unterrichtung der Öffentlichkeit Das Innenministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit periodisch oder aus gegebenem Anlaß im Einzelfall über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2. Dabei dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhangs oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Informationsinteressen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. SS 13 Auskunft an den Betroffenen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt den Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Es ist nicht verpflichtet, über die Herkunft der Daten, die Empfänger von Übermittlungen und den Zweck der Speicherung Auskunft zu erteilen. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder 186 durch die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft der Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der AuskunftsVerweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß er sich an den Landesbeauftragen für den Datenschutz wenden kann. SS 14 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Akten oder Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten ist dies zu vermerken. Wird die Richtigkeit der Daten von dem Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob 187 in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 sind spätestens 10 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter oder sein Vertreter stellt im Einzelfall fest, daß die weitere Speicherung zur Aufgabenerfüllung oder aus dem in Absatz 2 Satz 2 genannten Grunde erforderlich ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Akten gespeicherten personenbezogenen Daten zu sperren, wenn es im Einzelfall feststellt, daß die Speicherung unzulässig war. Dasselbe gilt, wenn es im Einzelfall feststellt, daß ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden und die Daten für seine künftige Aufgabenerfüllung voraussichtlich nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Die Sperrung kann wieder aufgehoben werden, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen sind. Akten, in denen personenbezogene Daten gespeichert sind, sind zu vernichten, wenn die gesamte Akte zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt wird. SS 15 Besondere Pflichten des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft unverzüglich, ob die ihm nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich sind, hat es die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, in diesem Fall sind die Daten zu sperren. (2) Erweisen sich personenbezogene Daten, nachdem sie durch das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt worden sind, als unvollständig oder unrichtig, sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, es sei denn, daß dies für die Beurteilung eines Sachverhalts ohne Bedeutung ist. 188 SS 16 Parlamentarische Kontrolle (1) Das Innenministerium unterrichtet den Ständigen Ausschuß des Landtags über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß. (2) Art und Umfang der Unterrichtung des Ständigen Ausschusses werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzuganges durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt. (3) Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes im Ständigen Ausschuß bekanntgeworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ständigen Ausschuß oder aus dem Landtag. (4) Die Unterrichtung umfaßt nicht Angelegenheiten, über die das Innenministerium das Gremium nach Artikel 10 des Grundgesetzes zu unterrichten hat. SS 17 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 18 Erlaß von Verwaltungs Vorschriften Das Innenministerium kann zur Ausführung des Gesetzes allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen. SS 19 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1992 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) vom 17. Oktober 1978 (GBl. S. 553) außer Kraft. 189 * VERTEILERHINWEIS Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahl veranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemitel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, daß dies als Parteinahme der Herausgeberin zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist jedoch den Parteien, die Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden. 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