BadenWürttemberg Herausgeber: Innenministerium Baden-Württemberg Dorotheenstraße 6, 70173 Stuttgart Juli 1995 Gestaltung Satz und Repro: TRIANGLE * Designsozietät Kreuzstraße 21, 70794 Filderstadt Druck: Schwäbische Druckerei Rotenwaldstraße 158, 70197 Stuttgart Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers ISSN 07020-3381 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier BadenWürttemberg INNENMINISTERIUM VERFASSUNGSSCHUTZ BERICHT 19 94 BADEN-WÜRTTEMBERG VORWORT Nationalismus, Rechtsextremismus und Gewalt stellen immer noch eine ernstzunehmende Bedrohung für den Frieden in Europa dar und gehören auch in Deutschland nach wie vor zu den größten Herausforderungen unserer Demokratie. Obwohl im Jahre 1994 ein Rückgang der fremdenfeindlichen Gewalt zu verzeichnen war, ist es noch zu früh, um von einer nachhaltigen Lageverbesserung zu sprechen. Die vergangenen Jahre haben immer wieder gezeigt, daß es mitunter nur einer spektakulären Gewalttat bedarf, um zahllose Nachahmer auf den Plan zu rufen und die Zahl der Gewalttaten wieder in die Höhe zu treiben. Im Bereich neonationalsozialistischer Bestrebungen ist neben einer Zunahme der Aktivitäten ein immer noch anhaltender Strukturwandel zu verzeichnen. An die Stelle der teilweise verbotenen, teilweise auch selbst aufgelösten neonazistischen Vereinigungen sind zunehmend lose strukturierte "Kameradschaften" und "Freundeskreise" getreten, die untereinander vielfach durch moderne Kommunikationsmittel Kontakt halten. Hier gilt es, auch in Zukunft aufmerksam zu bleiben und mit allen zu Gebote stehenden rechtsstaatlichen Mitteln diesen Bestrebungen Einhalt zu gebieten Im linksextremistischen Spektrum ist eine verstärkte Gewaltbereitschaft zu erkennen. Hierzu trug maßgeblich die Terrorgruppe "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) bei, die - insofern anknüpfend an die frühe Phase der "Roten Armee Fraktion" (RAF) - durch Sprengstoffanschläge auf Politiker und Einrichtungen politischer Parteien auf sich aufmerksam machte. Die Sicherheitsgefährdungen durch ausländische Extremisten haben auch 1994 weiter zugenommen. Allen voran sind hier insbesondere die teilweise radikalen und brutalen Aktionen der verbotenen kurdischen PKK und der türkischen TKP/ML zu nennen, Spendengelderpressungen gegenüber eigenen Landsleuten zurückschrecken. Die Erhaltung des demokratischen Rechtsstaats kann nicht allein von staatlichen Behörden geleistet werden. Dies ist vielmehr Aufgabe aller Bürger. Die Bereitschaft, sich mit unserer Verfassung zu identifizieren, an ihrer Bewahrung aktiv mitzuwirken und den Gegnern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entschlossen entgegenzutreten, ist der beste und wirksamste Verfassungsschutz. Einen wichtigen Beitrag zur Unterrichtung der Öffentlichkeit leistet der vorliegende aktuelle Verfassungsschutzbericht. Er soll dabei helfen, sich ein Urteil über die Gefahren zu bilden, die unserem Rechtsstaat durch verfassungsfeindliche Kräfte drohen. Er verdeutlicht aber auch erneut, wie wichtig und notwendig die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden ist. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz danke ich für die Erfüllung ihrer schwierigen und verantwortungsvollen Tätigkeit. Ihre Arbeit verdient besondere Anerkennung. Frieder Birzele, MdL Innenminister des Landes Baden-Württemberg INHALTSVERZEICHNIS Seite A. VERFASSUNGSSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG 8 1. Gesetzliche Grundlagen 8 2. Aufbau und Organisation 8 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 9 4. Methoden des Verfassungsschutzes 11 5. Kontrolle 12 6. Verfassungsschutz durch Aufklärung 12 B. RECHTSEXTREMISMUS 14 1. Allgemeiner Überblick 14 2. Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 17 Häufigkeit und Zielrichtung rechtsextremistisch beeinflußter Gewalt 17 Größe und Zuordnung der rechtsextremistisch beeinflußten Gewaltszene 24 Rechtsextremistische Skinheads 25 3. Neonationalsozialistische Parteien/Organisationen und Einzelaktivisten 31 Bundesweit operierende neonationalsozialistische Gruppen 31 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) 31 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 32 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) 34 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e. V" (IHV) 35 "Wiking Jugend e.V." (WJ) 36 Neonationalsozialistische Personenzusammenschlüsse und Einzelaktivisten in Baden-Württemberg 38 4. Rechtsextremistische Parteien 41 "Die Republikaner" (REP) 41 "Deutsche Volksunion" (DVU) 52 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 56 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 61 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) 63 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 63 5. Organisationsunabhängige rechtsextremistische Verlage in Baden-Württemberg 66 6. Mailbox-System THULE-Netz 67 7. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus 70 8. "Revisionismus"-Kampagne 72 9. Erscheinungsformen der sogenannten Neuen Rechten 75 C. LINKSEXTREMISMUS 78 1. Allgemeiner Überblick 78 2. Linksextremistischer Terrorismus 81 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 82 RAF-Kommandoebene 82 RAF-Inhaftierte 83 RAF-Unterstützerbereich in Baden-Württemberg 84 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 85 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 86 3. Autonome und sonstige Anarchisten 87 Autonome Gruppen 87 Straftaten mit erwiesenem und vermutetem linksextremistischem Hintergrund 90 Anarchistische Gruppen 92 4. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten . 93 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld 93 Linksextremistische Positionen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 96 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 98 Sonstige Organisationen 100 D. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 102 1. Allgemeiner Überblick 102 2. Kurden 103 Allgemeines 103 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 104 3. Türken (ohne Kurden) 112 Allgemeines 112 Linksextremisten 113 Türkische islamistische Vereinigungen 116 Extrem-nationalistische Organisationen 118 4. Araber 119 Palästinenser 119 Arabische Islamisten 121 5. Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien 122 6. Iraner 125 7. Sikhs . 126 8. Tamilen 127 E. SPIONAGEABWEHR 130 1. Allgemeiner Überblick 130 2. Einzelerkenntnisse 132 Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 132 Nachrichtendienste der Russischen Föderation 132 Kasachstan ! 134 Nachrichtendienste anderer ehemaliger Ostblockstaaten 134 Polen 134 Rumänien 135 Staaten des Nahen und Mittleren Ostens 136 Iran 136 Irak 137 Libyen 137 Syrien 137 Volksrepublik China 137 ANHANG 140 Gruppenund Organisationsregister 140 Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) 146 A. VERFASSUNGSSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen. Er informiert die politisch Verantwortlichen frühzeitig über davon ausgehende Gefahren. Hierdurch versetzt er die zuständigen staatlichen Stellen in die Lage, verfassungsfeindliche Kräfte rechtzeitig und angemessen zu bekämpfen. 1. Gesetzliche Grundlagen Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich genau festgelegt. Das (Bundes-)"Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz" ist Rechtsgrundlage für das Bundesamt für Verfassungsschutz und zugleich für die Tätigkeit der Landesbehörden für Verfassungsschutz. Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Gesetz das Mindestmaß der von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben umschrieben. Seit 30. Dezember 1990 gilt eine Neufassung des Bundesverfassungsschutzgesetzes (G. v. 20. Dezember 1990, BGB1.I S. 2970). Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Bundesländern eigene Verfassungsschutzgesetze, in denen Aufgaben und Befugnisse der jeweiligen Landesbehörde gesetzlich geregelt sind. Für Baden-Württemberg gilt das "Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg", das am 1. Januar 1992 in einer Neufassung (G. v. 22. Oktober 1991, GBl. S. 639) in Kraft getreten ist. Darüber hinaus finden sich in zahlreichen Bundesund Landesgesetzen Rechtsvorschriften, die die Verfassungsschutzbehörden zu beachten haben. 2. Aufbau und Organisation Entsprechend dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland hat jedes Bundesland eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Als Zentralstelle fungiert das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Das Bundesamt hat gegenüber den Landesbehörden zwar kein allgemeines Weisungsrecht, arbeitet 8 mit ihnen jedoch eng zusammen. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg in Stuttgart wird von einem Präsidenten geleitet. Es gliedert sich in fünf Abteilungen. Präsident Zentralabteilung NachrichtenNachrichtenSpionageabwehr Zentrale Verwaltung beschaffung auswertung Geheimund Dienste Grundsatzfragen Sabotageschutz Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ist dem Innenministerium unmittelbar unterstellt; ihm obliegt die Aufsicht über die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung. Zudem hat das Innenministerium über den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb zu wachen (Dienstaufsicht). Der Personalbestand des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ist im Haushaltsplan das Landes öffentlich ausgewiesen. Danach sind dem Amt für das Jahr 1994 insgesamt 345 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter zugewiesen (1993: 345 Stellen). An Mitteln standen dem Landesamt im Jahr 1994 rd. 29,8 (1993: 29,3) Millionen DM zur Verfügung. 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes Die Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz BadenWürttemberg sind im Landesverfassungsschutzgesetz (LVSG) geregelt. Danach hat die Behörde im wesentlichen den Auftrag, bestimmte als "Bestrebungen" bezeichnete Verhaltensweisen zu beobachten. Hierbei geht es dem Verfassungsschutz in erster Linie um Aktivitäten von Organisationen. Dabei müssen allerdings zwangsläufig auch die handelnden Personen, die Mitglieder dieser Organisationen sind oder deren Aktivitäten unterstützen, erfaßt werden. Der Begriff der verfassungsfeindlichen "Bestrebung" bedeutet, daß ein aktives zielgerichtetes Handeln gegen unsere Verfassung oder gegen auswärtige Belange erkennbar sein muß. Eine wertneutrale oder kritische Haltung dem Staat gegenüber kann niemals Gegenstand der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden sein. Im einzelnen sind folgende Aufgabenfelder zu unterscheiden: * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind Bei tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht, daß eine Organisation unsere Staatsordnung durch ein linksoder rechtsextremes Staatsgebilde ersetzen oder durch terroristische Gewalt beseitigen will, übernimmt der Verfassungsschutz die Beobachtung dieser Vereinigung. Er gibt seine Erkenntnisse an die Regierung und an andere staatliche Stellen weiter. i Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden Eine Gefährdung auswärtiger Belange liegt beispielsweise vor, wenn linksoder rechtsextremistische Ausländerorganisationen ihr Heimatland von deutschem Boden aus mit Gewalt bekämpfen und dadurch unseren Staat möglicherweise in außenpolitische Konflikte und Zwangssituationen manövrieren. * Weiter ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht zu erkennen (Spionageabwehr). Die strafrechtliche Verfolgung der Spionage obliegt der Justiz und der Polizei. I Eine bloß mitwirkende Funktion hat das Landesamt für Verfassungsschutz beim vorbeugenden personellen und materiellen Geheimschutz. Der Verfassungsschutz unterstützt hierbei Behörden und außerbehördliche Stellen bei der Überprüfung von Geheimnisträgern und Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind und berät sie, wie Verschlußsachen durch technische oder organisatorische Sicherheitsmaßnahmen geschützt werden können. 10 4. Methoden des Verfassungsschutzes Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz darauf angewiesen, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil offen beschafft, also so, wie sie jeder andere auch sammeln könnte. Die Mitarbeiter der Behörde werten Zeitungen und Zeitschriften, Flugblätter, Programme, Broschüren und sonstiges Material extremistischer Organisationen aus und besuchen auch deren öffentliche Veranstaltungen. Teilweise reichen die auf diese Art und Weise erlangten Erkenntnisse jedoch nicht aus, um einen objektiven und vollständigen Überblick über verfassungsfeindliche Aktivitäten oder das Tätigwerden gegnerischer Nachrichtendienste zu erhalten. Um auch an solche "Bestrebungen" heranzukommen, bedient sich der Verfassungsschutz nachrichtendienstlicher Mittel. Hierzu ist er nach dem Landesverfassungsschutzgesetz ausdrücklich befugt. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln gehören: * das Anwerben und Führen von Vertrauensleuten (V-Leuten) I die Observation verdächtiger Personen I das geheime Fotografieren sowie I sonstige Maßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, daß der Verfassungsschutz Beobachtungen vornimmt (Tarnmittel) Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz ausnahmsweise und nur unter ganz engen, gesetzlich normierten Voraussetzungen den Brief-, Postund Fernmeldeverkehr überwachen (Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses - G 10 -). Polizeiliche Befugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu. Verfassungsschutz und Polizeibehörden sind in der Bundesrepublik Deutschland voneinander getrennt. Deshalb dürfen die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes keinerlei Zwangsmaßnahmen (Festnahmen, Vorladungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen) durchführen. Verfassungsschutzbehörden dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. 11 Diese organisatorische Trennung von Polizei und Verfassungsschutz soll sicherstellen, daß sich der Verfassungsschutz auch nicht ersatzweise polizeilicher Möglichkeiten bedient, um eigene Aufgaben wahrzunehmen. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein polizeiliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Polizeidienststelle von den Beobachtungen unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. Diese bewährte Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten muß auch künftig so beibehalten werden. 5. Kontrolle Um sicherzustellen, daß die Verfassungsschutzbehörden den ihnen vorgegebenen gesetzlichen Rahmen beachten, wurde eine vielschichtige Kontrolle eingerichtet. Diese Kontrolle wird - neben entsprechenden innerbehördlichen Maßnahmen und der Rechtsund Fachaufsicht durch das Innenministerium - in erster Linie vom Parlament, aber auch von den Gerichten, der Landesbeauftragten für den Datenschutz und der Öffentlichkeit ausgeübt. Die parlamentarische Kontrolle obliegt nach SS 16 Landesverfassungsschutzgesetz dem Ständigen Ausschuß des Landtags von Baden-Württemberg, dem Mitglieder aller Fraktionen angehören. Ihm ist halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß zu berichten.Für die Wahrnehmung der spezifischen parlamentarischen Kontrolle über die Durchführung des "Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" (G 10) ist ein Gremium bestellt, das aus fünf Abgeordneten des Landtags besteht. Über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen entscheidet eine unabhängige Kommission, die aus drei ebenfalls vom Landtag bestellten Persönlichkeiten besteht. 6. Verfassungsschutz durch Aufklärung Der Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann dauerhaft nur durch eine geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus gesichert werden. Dem Verfassungsschutz kommt dabei wesentliche Bedeutung zu. Seine Tätigkeit gewährleistet, daß Regierung und Parlament, aber auch 12 die Bürger über Aktivitäten und Absichten verfassungsteindhcher Parteien und Organisationen informiert werden. In Baden-Württemberg werden die Aufgaben des Verfassungsschutzes durch Aufklärung vom Landesamt für Verfassungsschutz mit Unterstützung des Referats "Verfassungsschutz" im Innenministerium wahrgenommen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit können kostenlos Informationsbroschüren zur Verfügung gestellt (bitte beiliegende Postkarte ausfüllen) und nach Einzelabsprache auch Referenten zu Vorträgen und Diskussionen über Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes angefordert werden. Seit 1994 zeigt das Innenministerium gemeinsam mit dem Landesamt für Verfassungsschutz an wechselnden Standorten in BadenWürttemberg eine Wanderausstellung mit dem Titel "Biedermänner und Brandstifter - Gewalt von rechts in Baden-Württemberg". Die Ausstellung, die von Mitarbeitern des Landesamts für Verfassungsschutz betreut wird, will Ursachen und Zusammenhänge des Wanderausstellung Rechtsextremismus aufzeigen und zugleich zum Nachdenken anregen. Mit der gewählten Art der Umsetzung dieses Themas soll vor allem das Interesse junger Menschen geweckt werden. Für Gruppen organisiert das Landesamt für Verfassungsschutz auf Wunsch Führungen. Die einzelnen Ausstellungsorte und -termine werden rechtzeitig in der örtlichen Presse bekanntgegeben. Unter dem Motto "FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - "FAIRSTÄNDNISGegen Fremdenhaß" beteiligten sich das Innenministerium und das KAMPAGNE" Landesamt für Verfassungsschutz auch 1994 intensiv an der gemeinsamen Kampagne der Innenminister von Bund und Ländern gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. Im Rahmen der Aufklärungskampagne wurden in Baden-Württemberg im Jahr 1994 u.a. das Jugendmagazin "basta - Nein zur Gewalt" und das Computerspiel "Dunkle Schatten" kostenlos verteilt. Kontaktanschriften für Informationen zum Thema Verfassungsschutz: Landesamt für Verfassungsschutz Innenministerium Baden-Württemberg Baden-Württemberg - Öffentlichkeitsarbeit - Referat "Verfassungsschutz" Postfach 50 07 00 Postfach 10 24 43 70337 Stuttgart 70020 Stuttgart Tel.: 0711/95 44 00 Tel.: 0711/231-3542 oder -3544 13 B. RECHTSEXTREMISMUS 1. Allgemeiner Überblick wesentliche Zum typischen Erscheinungsbild des Rechtsextremismus gehören Merkmale des traditionell folgende wesentliche Merkmale: Rechtsextremismus * ein übersteigerter Nationalismus, für den nur die deutschen Interessen als Richtschnur gelten, f eine Volksgemeinschaft auf rassischer Grundlage, die die Rechte des einzelnen beliebig einschränkt und pluralistische Strukturen beseitigt, * eine aggressive Fremdenfeindlichkeit als Ergebnis eines wiederbelebten Rassismus und Antisemitismus, * die mangelnde Distanz zum "Dritten Reich", die von Verharmlosung bis zur Verherrlichung des Nationalsozialismus reicht, und E. die Diffamierung der demokratischen Institutionen und ihrer Repräsentanten. 14 Diese Kriterien bestimmten die Ziele und das Handeln rechtsextremistischer Gruppen auch im Jahre 1994. Insgesamt ist die aktuelle Situation durch zwei unterschiedliche Entwicklungslinien gekennzeichnet. Entspannungsmomenten stehen lageverschärfende Aspekte gegenüber, die auch in der Zukunft höchste Aufmerksamkeit erforderlich machen. Positiv ist für das Jahr 1994 festzustellen 1 der spürbare Rückgang rechtsextremistisch motivierter Abnahme von StrafStrafund Gewalttaten. Nach der drastischen Zunahme in den und Gewalttaten Jahren 1991 und 1992 hat sich 1994 der bereits im Vorjahr erkennbar gewordene fallende Trend weiter verfestigt. Inzwischen ist in etwa wieder der zahlenmäßige Stand des Jahres 1991 erreicht. Das ist freilich - etwa im Vergleich zur Situation in den achtziger Jahren - noch immer ein unerträglich hohes Niveau; I der vergleichbare Rückgang auch in der Mitgliederentsinkende wicklung. Nach einem jahrelangen kontinuierlichen Anstieg der Mitgliederzahlen Gesamtmitgliederzahl in rechtsextremistischen Organisationen ist 1994 erstmals ein deutlicher Rückgang festzustellen (1994: 56.600 gegenüber 65.490 im Vorjahr). Das resultiert vor allem aus den Verlusten fast aller rechtsextremistischen Parteien, voran die "Deutsche Volksunion" (DVU) und die "Republikaner" (REP). Allerdings unterstreicht die wachsende Zahl häufig militant auftretender Neonazis (1994: 3.740 gegenüber 2.450 im Vorjahr) die anhaltende Gefährdung; * die Abfuhr, die die Wähler rechtsextremistischen Parteien Wahlniederlagen im "Superwahljahr" 1994 erteilt haben. Weder bei der Mehrzahl von Landtagswahlen noch bei der Bundestagswahl und der Wahl zum Europäischen Parlament ist es einer rechtsextremistischen Partei gelungen, auch nur in die Nähe der 5%-Hürde zu gelangen. Das hat insbesondere die "Republikaner" erkennbar zurückgeworfen und sie weitgehend auf ihr Stammwählerpotential reduziert. Trotz dieser Entspannungsmomente haben sich auch lageverschärfende Aspekte ergeben. Dies trifft vorrangig für den Bereich neonationalsozialistischer Bestrebungen zu. Hier ist neben einem zahlenmäßigen Anwachsen insbesondere der noch andauernde Strukturwandel zu nennen. An die Stelle der teilweise 15 verbotenen, teilweise selbst aufgelösten neonazistischen Vereinigungen sind zunehmend lose strukturierte "Kameradschaften" und "Freundeskreise" getreten, die sich als autonome Rechte oder als nationale Autonome verstehen. Das Prinzip der Organisierung ohne Organisation wird ergänzt durch eine zunehmende Vernettechnischinformazung der "Szene" bei verstärkter Konspiration. Vertiefte persönlitionelle Vernetzung che Beziehungen der Neonazis bei gleichzeitigem Zurückstellen anstelle festgefügter früherer Rivalitäten finden ihre Entsprechung im Einsatz vielfältiStrukturen ger logistischer Möglichkeiten: "Nationale Info-Telefone" (NIT), Mobilfunk-Telefone, Mailbox-Ausbau ("Thule-Netz") verknüpfen die lose strukturierte Neonazi-Szene und erhöhen ihren Wirkungsgrad. Insofern deutet sich hier eine Qualitätsveränderung an, die alle Aufmerksamkeit erfordert. Die Fortsetzung staatlicher Bekämpfungsmaßnahmen auch im Jahre 1994 war deshalb nur konsequent. Lageangepaßte exekutive Maßnahmen der Polizei, Veranstaltungsverbote und Razzien dämpften die Aktivitäten der rechtsextremistischen "Szene", förderten allerdings auch konspirative Vorgehensweisen. Neben den beim Bundesverfassungsgericht seit 1993 anhängigen Anträgen der Bundesregierung nach Art. 18 GG (Verwirkung Verbote von Grundrechten) gegen zwei Neonazis fanden die in den Jahren 1992 und 1993 vollzogenen Verbote neonationalsozialistischer Organisationen 1994 ihre Fortsetzung mit dem Verbot einer der ältesten rechtsextremistischen Organisationen in Deutschland, der "Wiking-Jugend e.V." (WJ), und 1995 mit den Verboten der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und der auf Hamburg begrenzten "Nationalen Liste" (NL). Im Zuge der Neustrukturierung der Neonaziszene bzw. um möglichen exekutiven Maßnahmen zuvorzukommen, hat sich 1994 in Baden-Württemberg die "Nordische Jugend" (NJ) selbst aufgelöst, während die "Deutsche Sozialistische Aktionsgemeinschaft" (DSA) ihre Aktivitäten einstellte. 16 Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Orgamsationen in Deutschland und Baden-Württemberg im Zeitraum 1992 -1994 1992 1993 1994 Land Bund Land Bund Land Bund Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Zirkel 460 6.400 400 5.600 400 5.400 Neonationalsozialistische Parteien/ 220 2.200 255 2.450 3401> 3.740 Organisationen und Einzelpersonen hiervon: HVD2> 80 50 FAP3) 10 220 10 430 15 430 Rechtsextremistische Parteien 3.815 32.050 6.310 55.140 5.600 4 ) 45.550 hiervon: DVU 2.900 26.000 2.900 26.000 2.700 20.000 REP 2.500 23.000 2.100 20.000 NPD 750 5.000 750-800 5.000 600 4.500 DLVH 150 800 150 900 170 900 Sonstige rechtsextremistische 100 3.200 150 3.200 140 2.780=5) Organisationen Summe der Mitgliedschaften 4.610 43.900 7.115 66.390 6.480 57.470 1 Tatsächliche Mitgliederzahl nach 4.560 42.700 7.040 65.490 6.350 56.600 1 Abzug der Mehrfachmitgliedschaften 1 einschließlich der am 10.11.1994 verbotenen WJ 2 Auftreten nur in Baden-Württemberg; wurde 1993 verboten 3 am 24.02.1995 verboten 4 einschließlich JN und NHB 5 einschließlich Studentenund Jugendorganisationen (260) 2. Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 2.1 Häufigkeit und Zielrichtung rechtsextremistisch beeinflußter Gewalt Der 1991 und 1992 bundesweit zu verzeichnende sprunghafte Anstieg von Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation scheint zumindest vorläufig beendet zu sein. Konnte 1993 im Bundesgebiet ein verhältnismäßig verhaltener Rückgang um 15 % gegenüber dem Vorjahr festgestellt werden, waren es 1994 bereits rund 33 % weniger 17 gegenüber dem Jahre 1993. Damals waren noch 2.232 Gewalttaten, davon 1.609 fremdenfeindliche, registriert worden, 1994 sank die Zahl auf 1.489* (860 mit fremdenfeindlichem Hintergrund). Insbesondere haben die schweren Gewalttaten abgenommen. Entwicklung der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation in Deutschland im Zeitraum 1983 -1994 In Baden-Württemberg wurden 1994 insgesamt 93 rechtsextreRückgang der mistisch motivierte Gewalttaten (davon 61 fremdenfeindliche) Gewalttaten festgestellt (1993: 193, hiervon 166 fremdenfeindliche). Das entspricht - den bundesweiten Trend übertreffend - einem Rückgang von rund 52 %. Die breite gesellschaftliche Ächtung von Gewalt gegen Ausländer, eine konsequente Strafverfolgung und die Entschärfung der Asylproblematik dürften hierfür ursächlich sein. Dabei fällt auf, daß der Rückgang allein auf die Abnahme der fremdenfeindlichen Gewalt zurückzuführen ist, wohingegen die Zahl sonstiger rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten sogar geringfügig angestiegen ist. 18 Bearbeitungsstand: 31. März 1995 Das einzige versuchte Tötungsdelikt 1994 in Baden-Württemberg richtete sich gegen die Bewohner einer Asylbewerberunterkunft in Murg (Kreis Waldshut). 1994 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 351 fremdenRückgang der feindliche Straftaten* verübt (1993: 848). fremdenfeindlichen Bei sonstigen rechtsextremistischen Straftaten, eingeschlossen Straftaten solche mit antisemitischer Zielsetzung, war ein leichter Anstieg auf 605 zu verzeichnen (1993: 576). Bundesweit wurden insgesamt 3.491 fremdenfeindliche und 4.461 rechtsextremistische Straftaten verübt. Fremdenfeindliche und rechtsextremistische Straftaten in Deutschland und Baden-Württemberg im Jahr 1994 sonstige rechtsextremifremdenfeindliche stische Straftaten Straftaten (einschl. Taten mit antisemitischer Zielsetzung) 1994 (1993) 1994 (1993) BadenWürttemberg 351 (848) 605 (576) Bund 3491 (6721) 4461 (3840) 1994 kam es in Baden-Württemberg zu insgesamt 16 Straftaten (1993: 11) gegen jüdische Einrichtungen und KZ-Gedenkstätten. Diese Zahl umfaßt auch Fälle von Vandalismus. Sämtliche im Bericht enthaltene Zahlen über Straftaten in Baden-Württemberg beruhen auf statistischen Angaben des Landeskriminalamts (LKA). Entsprechende Zahlen, die sich auf das Bundesgebiet beziehen, wurden vom Bundesamt für Verfassungsschutz übernommen. Sie basieren auf dem Jahreslagebericht 1994 des Bundeskriminalamts (BKA). Als fremdenfeindliche Straftaten werden alle Delikte mit einer fremdenfeindlichen Zielrichtung erfaßt, unabhängig davon, ob sie aus einer rechtsextremistischen oder "nur" fremdenfeindlichen Motivation heraus begangen werden. 19 Fremdenfeindliche Straftaten in Baden-Württemberg im Zeitraum Januar 1991 - Dezember 1994* 20 * Zahlen des LKA Baden-Württemberg; Stand 1.3.1995 Arten der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation in Deutschland und in Baden-Württemberg* im Jahr 1994 TötungsBrandund LandfriedensKörperverSachbeschä delikte** Sprengstoffbrüche letzungen digungen anschläge * Zahlen des LKA Baden-Württemberg " Die Zahl beinhaltet alle vollendeten und versuchten Tötungsdelikte (in Baden-Württemberg ein versuchtes Tötungsdelikt, im Bundesgebiet 10 versuchte Tötungsdelikte) Die Tatarten im einzelnen I Tötungsdelikte 1994 war in Baden-Württemberg ein versuchtes Tötungsdelikt (1993: 5) zu verzeichnen. Bundesweit wurden insgesamt 10 versuchte Tötungsdelikte registriert (1993: 3 vollendete und 20 versuchte). Beispiel aus Baden-Württemberg * Am 15. April 1994 warfen sechs junge Männer im Alter von 15 bis 25 Jahren kurz vor Mitternacht mehrere Brandsätze gegen zwei von Asylbewerbern bewohnte Gebäude in Murg (Kreis Waldshut). Zunächst versuchten zwei der Täter, mit Benzin gefüllte Bierflaschen in die Fenster eines der Gebäude zu schleu21 dem, in dem sich zur Tatzeit eine Asylbewerberfamilie aufhielt. Danach warfen alle sechs gemeinsam Brandsätze gegen das von neun Personen bewohnte zweite Gebäude. Personenund Sachschäden entstanden nicht. Als Motiv gaben die Täter an, eine Abneigung gegen "Asylanten" zu haben. Das Landgericht Waldshut verurteilte am 2. Februar 1995 eine Person wegen versuchter schwerer Brandstiftung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten und fünf Personen wegen derselben Delikte zu Jugendstrafen zwischen 15 Monaten und 2 Jahren. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. I Brandund Sprengstoffanschläge Landesweit gingen die Brandund Sprengstoffanschläge gegenüber dem Vorjahr von 47 auf 17 zurück. Hiervon waren 15 Anschläge fremdenfeindlich motiviert. Im Bundesgebiet lag die Zahl bei 101 (1993: 314). Eine fremdenfeindliche Zielrichtung war bei 72 Fällen feststellbar. Beispiel aus Baden-Württemberg Brandanschlag * In der Nacht zum 12. Oktober 1994 versuchten unbekannte auf Asvlbewerber! Täter eines von sechs Holzhäusern im Industriegebiet von unterkunft Philippsburg, in denen Asylbewerber untergebracht sind, mittels Benzin in Brand zu setzen. Das Feuer erlosch von selbst, es entstand ein Schaden von 1.000,-DM. Zur Tatzeit hatte sich in der Unterkunft eine sechsköpfige Familie aufgehalten. * Landfriedensbruch Sowohl 1993 als auch 1994 waren hierzulande 5 Landfriedensbrüche zu verzeichnen. Bundesweit kam es 1994 zu 49 derartigen Vorfällen (1993: 93). Beispiel aus Baden-Württemberg I Anläßlich einer Polizeirazzia am 5. November 1994 in Stuttgart-Weilimdorf im Zusammenhang mit einer überregionalen Veranstaltung von Rechtsextremisten, bei der eine sogenannte Stuttgarter Kameradschaft gegründet werden sollte, kam es zu 22 Ausschreitungen. Die Einsatzkräfte wurden von Veranstaltungsteilnehmern mit Flaschen und Biergläsern beworfen. Ein Polizeibeamter wurde mit einem Messer verletzt. * Körperverletzung In Baden-Württemberg sind 1994 insgesamt 41 Körperverletzungen mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation bekanntgeworden (1993: 63). Im Bundesgebiet wurden 625 Körperverletzungsdelikte registriert (1993: 899). Beispiel aus Baden-Württemberg * Auf dem Heimweg von einer Tanzveranstaltung wurde Überfall auf ein 24j ähriger Algerier am 20. November 1994 in VillingenAusländer Schwenningen von zwei unbekannten Männern niedergeschlagen. Zuvor hatten sie ihrem Opfer "Scheiß Ausländer" zugerufen. Der Geschädigte mußte zu einer mehrtägigen stationären Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Beispiel für rechtsextremistische Schmierereien (Tatort: Weinheim am 26. März 1994) 23 * Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung Bundesweit gingen die rechtsextremistisch motivierten Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung zurück: 903 solcher Fälle im Jahre 1993 standen 704 im Jahr 1994 gegenüber. Dieser rückläufige Trend bestätigte sich auch in Baden-Württemberg. Die Zahl sank von 71 (1993) auf 29. Beispiel aus Baden-Württemberg Friedhofsschändung Mitarbeiter des Städtischen Gartenund Friedhofsamts Pforzheim stellten am 19. Oktober 1994 auf dem jüdischen Teil des Friedhofs fest, daß insgesamt 10 Grabmale umgeworfen worden waren. Mögliche Gründe für die seit 1992 rückläufige Entwicklung der Gewalttaten mit erwiesener bzw. zu vermutender rechtsextremistischer Motivation sind präventive Maßnahmen wie zahlreiche Veranstaltungsverbote einerseits sowie der verstärkte Fahndungsdruck der Polizei und die daraus resultierenden exekutiven Zugriffe andererseits. Weitere Ursachen sind die seit 1992 ausgesprochenen Verbote von neonazistischen Organisationen, die konsequente Verurteilung von rechtsextremistischen Gewalttätern und nicht zuletzt die zunehmende Ächtung solcher Gewalttaten durch die Gesellschaft. 2.2 Größe und Zuordnung der rechtsextremistisch beeinflußten Gewaltszene hoher Anteil von Obgleich die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten im Skinheads in der Jahre 1994 deutlich zurückgingen, blieb das Potential der rechtsextremistiGewalttäter in Baden-Württemberg praktisch auf demselben schen Gewaltszene Niveau wie im Vorjahr. Nach wie vor ist - trotz erheblicher Fluktuation - von etwa 400 militanten Rechtsextremisten im Land auszugehen, wovon 280 der rechtsextremistischen Skinheadszene zuzurechnen sind. Bundesweit sank die Zahl militanter Rechtsextremisten von etwa 5.600 im Jahr 1993 auf jetzt 5.400, wovon der größte Teil ebenfalls zur rechtsextremistischen Skinheadszene gehört. 24 Eine Untersuchung des Landeskriminalamts Baden-Württemberg über die Hintergründe fremdenfeindlicher Straftaten für die Jahre 1991 bis 1994 brachte folgendes Ergebnis: Nach wie vor ist der Anteil von weiblichen Straftätern mit rund 5 % gering. Etwa 63 % der Täter gehörten der Altersgruppe der unter 20jährigen an. Rund 45 % standen bei Begehung der Tat unter Alkoholeinfluß und immerhin 30 % der Täter waren schon einmal mit rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Delikten in Erscheinung getreten. Ca. 70 % der Straftäter verfügten über einen Hauptschulabschluß, aber nur 15 % waren zum Zeitpunkt der Tatausführung ohne Arbeit. Als Motiv wurde überwiegend (ca. 60 %) eine allgemeine Abneigung gegen Ausländer und Asylbewerber genannt. Rechtsextremistischer Einfluß war immerhin für 25 % der überführten Straftäter Grand für eine Straftat. Lediglich 3 % der Täter konnte eine Einbindung in rechtsextremistische Organisationen nachgewiesen werden, aber 25 % waren der rechtsextremistischen Skinheadszene bzw. den "Hooligans" zuzuordnen. 2.3 Rechtsextremistische Skinheads Geschätzte Personenzahl: Baden-Württemberg 280 (1993: 280) Skinheads stellen nach wie vor einen erheblichen Teil des rechtsstarke Fluktuation extremistischen bzw. neonationalsozialistischen Gewaltpotentials in der dar. Im Jahr 1994 war eine starke Fluktuation innerhalb der Skinheadszene Skinheadszene zu beobachten. Den rund 130 Abgängen aus der rechtsextremistischen "Szene" stand eine etwa gleich hohe Zahl an Neuzugängen gegenüber. Der Anteil der weiblichen Skinheads, in der "Szene" Renees genannt, ist zwischenzeitlich von einigen wenigen auf ca. 40 angestiegen. Renees nehmen immer häufiger und aktiver am Geschehen teil. Vereinzelte Versuche, sich als weibliche Skinheadverbindung zu organisieren, waren bislang freilich wenig erfolgreich. In Baden-Württemberg konnten in den Jahren 1992 und 1993 insgesamt ca. 100 Skinheads als Täter bei politisch motivierten Gewalttaten festgestellt werden. Soweit bekannt, haben sich weibliche Skinheads bisher nicht an Gewalttaten beteiligt. 25 Altersstruktur der rechtsextremistischen Skinhead-Szene in Baden-Württemberg im Jahr 1994 21-25 Jahre 42,2% 26-30 Jahre 10,5% 31-35 Jahre 1,5% 18-20 Jahre 30,3% unter 18 Jahre 15,4% Die bundesweiten Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden haben auch 1994 Wirkung gezeigt: Auswirkungen der I Die im Dezember 1993 vom Landgericht Mannheim wegen Strafverfolgu ngs - Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß u.a. verurteilte maßnahmen Musikgruppe "TONSTÖRUNG" hat sich aufgelöst. I Am 14. März 1994 wurde die rechtsextremistische Musikgruppe "TRIEBTÄTER" vom Landgericht Stuttgart wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß u.a. zu Geldund Freiheitsstrafen, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Mit ihren nicht indizierten Liedern tritt die Band auch weiterhin im gesamten Bundesgebiet auf. * Im Mai 1994 wurde der Betreiber des "ESV (Endsieg Verlag) - der etwas andere Versand", Bruchsal, vom Landgericht Karlsruhe zu einer Haftstrafe von 6 Monaten - ausgesetzt zur Bewährung - und der Auflage, den ESV-Versandhandel einzustellen, rechtskräftig verurteilt. Die Auflage wurde eingehalten. 26 Unmittelbarer Nachfolger des ESV-Versandhandels ist laut eigener Werbung seit Herbst 1994 der Verlag V 88, in der "Szene" auch "Vergeltung (V) Heil HITLER" (H ist der 8. Buchstabe im Alphabet) genannt. * Am 3. Februar 1994 wurden die beiden 21 und 28 Jahre alten Inhaber der Firma "SKULL-RECORDS Deutscher Tonträger-Vertrieb" vom Amtsgericht Göppingen wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß und Handel mit indizierten Skinhead-Materialien verurteilt. Schon am 24. März 1994 durchsuchte die Polizei deren Wohnund Geschäftsräume erneut wegen des Verdachts von Tonträgern mit rechtsextremistischem Inhalt. Sie beschlagnahmte mehrere hundert LPs, CDs und Disketten. Am 22. August 1994 fand vor dem Landgericht Ulm die Berufungsverhandlung statt. Das inzwischen rechtskräftige Urteil lautete auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bzw. acht Monaten auf Bewährung. Die 1991 gegründete Organisation "Kreuzritter für Deutschland" (KfD) bestand bis Ende 1993 zu einem erheblichen Teil aus Angehörigen der rechtsextremistischen Skinheadszene und hatte ihren Sitz im Raum Stuttgart. Durch das eigenwillige und rücksichtslose Auftreten der Gruppe bei Veranstaltungen anderer Skinheadzirkel machten sie sich jedoch in der "Szene" zusehends unbeliebt. Nach einer kurzen, höchst kriminellen Karriere des "Vorsitzenden" und einiger anderer Aktivisten (schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigungen etc.) befinden sich diese Personen seit Anfang 1994 in Haft. Seitdem sind keine Aktivitäten der KfD mehr festzustellen. Im Februar 1994 wurde das "Fanzine" (zusammengesetzt neue Skinheadaus den englischen Worten Fan und Magazine) "Staufer Sturm" gruppe im Raum im Raum Göppingen erstmals veröffentlicht. Herausgeber ist der Göppingen Anführer einer Gruppe von ca. 40 Skinheads, die sich selbst den Namen "Staufer Sturm" gegeben hat. Das Fanzine wurde im August 1994 wegen seines gewaltverherrlichenden, antisemitischen, ausländerfeindlichen und nationalsozialistischen Inhalts von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert. In der Skinheadszene wurden 1994 nur noch wenige Bestellkataloge herausgegeben. Sie haben zwischenzeitlich keinen über 27 ihre eigentliche Funktion als Katalog hinausgehenden Inhalt mehr. Im Sortiment werden mit Szenemotiven bedruckte T-Shirts, szenetypische Bekleidung und Ausrüstung sowie "Fanzines" und Tonträger angeboten. In Liedtexten und Schriften wird rechtsextremistisches Gedankengut nicht mehr offen formuliert, sondern in harmlos erscheinende, für Szeneangehörige jedoch leicht zu entschlüsselnde Parolen "verpackt". Wollt ihr freie DEUTSCHE sein laßt keine PARASITEN rein! I Skinheadkonzerte In Baden-Württemberg wurden 1994 zehn Skinheadkonzerte durchgeführt. Die Teilnehmerzahl bewegte sich zwischen ca. 30 und 300 Personen. Dabei traten neben deutschen Skinbands auch Gruppen aus dem Ausland auf. Im Gegensatz zu den Vorjahren wurden keine indizierten oder strafrechtlich relevanten Lieder mehr gespielt. Bei einigen Konzerten fielen Besucher durch "Sieg Heil"-Rufe und Zeigen des "Hitlergrußes" auf. Abtarnung von Die Organisatoren haben die 1993 begonnenen konspirativen Skinheadkonzerten Verhaltensweisen beibehalten. So werden Konzerte als "private Feten" getarnt und die Besucher erst von eigens festgelegten Treffpunkten zum wirklichen Veranstaltungsort geleitet. Skinheadkonzerte wurden immer öfter in den neuen Bundesländern oder im Ausland veranstaltet, da die Teilnehmer dort weniger repressive staatliche Maßnahmen erwarteten. 28 Beziehungen von Skinheads zu rechtsextremistischen Parteien und Organisationen Das im Jahr 1993 aufgrund vielfältiger staatlicher Maßnahmen begonnene engere Zusammenrücken der Skinheadszene setzte sich 1994 fort Skinheads sind bereits in den vergangenen Jahren von rechtsextremistischen Parteien und Organisationen zu Hilfsdiensten wie Kleben von Wahlplakaten oder als Saalordner und Helfer im weitesten Sinn herangezogen worden. Bei solchen Kontakten ergab sich auch die Gelegenheit, sie im Einzelfall als Mitglied anzuwerben. Neonazistische Zirkel knüpfen zunehmend erfolgreicher Kontakte verstärkte zu Skinheads bei deren "Szene"-Veranstaltungen und privaten Kontakte zu Festen. Etwa 80 der rechtsextremistischen Skinheads in Neonazis Baden-Württemberg sind heute rechtsextremistischen Parteien, Organisationen sowie neonazistischen Zirkeln zuzurechnen. Andere pflegen zwar enge Kontakte zum organisierten Bereich, lehnen aber eine Bindung in Form einer Mitgliedschaft und die etwaige Übernahme von Aufgaben grundsätzlich ab. * Besondere Merkmale Äußere Kennzeichen der sehr häufig aus einfachen Bevölkerungsschichten stammenden Skinheads sind nach wie vor Glatze, Doc-Martens-Schnürstiefel, Bomberjacke, T-Shirt (möglichst mit Szenemotiven bedruckt) und breite Hosenträger. Spontane Gewaltbereitschaft sowie exzessiver Alkoholkonsum sind signifikante Merkmale für die gesamte (nicht nur rechtsextremistische) Skinheadszene. I Kommumkationsformen War bislang davon auszugehen, daß die Kommunikation innerhalb Einbindung in der "Szene" nahezu ausschließlich durch persönliche Kontakte in rechtsextremistische einschlägigen Lokalen, bei Skinheadveranstaltungen (Konzerte, KommunikaFeste, "Komasaufen") oder durch Szenepublikationen erfolgt, tionswege nimmt ein immerhin nennenswerter Teil der Skinheads zwischenzeitlich am Informationsfluß rechtsextremistischer Organisationen teil. Als wichtigster Grundsatz für die Weitergabe vertraulicher Informationen gilt, daß der Empfänger als vertrauenswürdiger Szeneangehöriger persönlich bekannt sein muß. 29 Übersicht über rechtsextremistische Skinhead-Musikgruppen, Versandhandel und Fanzines in Baden-Württemberg Stand: Dezember 1994 Zusätzlich entstand im Laufe der Zeit bei Besuchen von nationalen und internationalen Skinhead-Musikveranstaltungen ein Netz von Verbindungen, über das Informationen bis ins benachbarte Ausland fließen. 30 3. Neonationalsozialistische Parteien/ Organisationen und Einzelaktivisten 3.1 Bundesweit operierende neonationalsozialistische Gruppen 3.1.1 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) Als Ende 1983 die von Michael KÜHNEN geführte "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) verboten wurde, versuchte ein Teil der Anhängerschaft, die Vereinigung fortzuführen, ihren Zusammenhalt in zunächst losen Organisationsstrukturen (Leserkreise, Gesinnungsgemeinschaften) zu bewahren oder bereits bestehende Organisationen zu unterwandern. Ergebnis des 1986 entbrannten Linienstreits zwischen Jürgen informeller MOSLER und Michael KÜHNEN wegen dessen Homosexualität Zusammenschluß war eine Spaltung der neonationalsozialistischen "Szene". Während der sogenannte MOSLER-Flügel vorrangig die bereits 1984 begonnene Unterwanderung der bis zum damaligen Zeitpunkt völlig unbedeutenden "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) forcierte, fanden sich die Anhänger KÜHNENs (KÜHNEN-Flügel) in der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) zusammen. Nach dem Tod von KÜHNEN im Jahr 1991 übernahm faktisch Christian WORCH aus Hamburg dessen Nachfolge. Die Aktivitäten dieses Personenkreises ließen mit der Zeit jedoch merklich nach. Die in den späten 80er und frühen 90er Jahren aus der GdNF heraus auf Landesebene gegründeten Organisationen haben sich zum Großteil entweder aufgelöst (Baden-Württemberg: "Nationalfreiheitliche Alternative" - NFA -, "Volkstreue Liste" - VL -) oder wurden verboten. Die GdNF ist heute nur noch ein anonymes Redaktionskollektiv der Publikation "Die Neue Front" (NF), die über eine Kontaktanschrift in den Niederlanden vertrieben wird. 31 Die Redakteure bekennen sich in der Schritt zum Nationalsozialismus und verherrlichen das "Dritte Reich": "Nur der ist Nationalsozialist, der Adolf HITLER verehrt und ihn allein als Führer begreift!" Weitere Themen der ausländerfeindlich und antisemitisch geprägten Publikation sind "Anti-Antifa-Nachrichten", Anleitungen zum Bau von Brandbomben und damit verbunden der Versuch der Einschüchterung politischer Gegner und staatlicher Organe ("Herr Generalbundesanwalt, herzlich willkommen an der Front!"). 3.1.2 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Gründung: 1979 Sitz: München Mitglieder: ca.15 Baden-Württemberg (1993: ca.10) ca. 430 Bund (1993: ca. 430) Publikationen: "Aufbruch" "Neue Nation" "Standarte" verboten durch den Bundesminister des Innern am 24. Februar 1995 Die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) wurde 1979 von einem Einzelaktivisten aus Stuttgart gegründet. In den ersten Jahren blieb sie völlig unbedeutend und erlangte erst ab 1984 eine gewisse Bedeutung, als Mitglieder der verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) die FAP als legale Plattform für weitere Aktivitäten auswählten. Hatte die FAP Anfang der 90er Jahre noch einen Mitgliederschwund hinzunehmen, so gelang es ihr ab 1992 vor allem durch den Aufbau von regionalen Strukturen in den neuen Bundesländern ihre Mitgliederzahlen wieder zu erhöhen. Sie war 1994 die mitgliederstärkste neonationalsozialistische Organisation in Deutschland. Die Ausrichtung am "Dritten Reich" und die Vorbildfunktion der NSDAP für die FAP waren daran zu erkennen, daß abgewandelte Symbole und Zeichen des Nationalsozialismus verwendet wurden, 32 FAP-Angehörige SA-ähnliche Uniformen trugen und führende Bekenntnis zum Funktionäre in ihren Äußerungen Formulierungen der Nationalsozialismus Nationalsozialisten übernahmen. Insbesondere die rigorose Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, ihrer Institutionen und Repräsentanten waren charakteristisch für die Partei. So erklärte sie vor der Europawahl am 12. Juni 1994: "Mit ihrer Teilnahme an der Europawahl will die FAP nicht etwa das Europäische Parlament legitimieren, sondern in der Öffentlichkeit darauf hinweisen, daß es auch in Deutschland noch Widerstand gegen die Volksverderber in Bonn und Brüssel gibt." Zur Teilnahme an der Wahl kam es jedoch nicht, da es der Partei nicht gelang, die erforderlichen 4.000 Unterstützungsunterschriften beizubringen. Ebensowenig trat sie zur Bundestagswahl am 16. Oktober 1994 an. * SCHLUSS MIT DER 1 WACHSENDEN ÜBERFREMDUNG FREIHEITLICHE DEUTSCHE ARBEITERPARTEI LandesgeschättssteteNRW * PostSach 140836 - 53058Bonn DEUTSCHE ARBEITERPARTEI nn-Mi"! Lantlesgl'schättsMeHc NRW Posffacb 14 "3 36 5.MI5S Bonn Teilnahme an Am 13. August 1994 waren FAP-Mitglieder - wie bereits 1993 in Demonstrationen Fulda - maßgeblich beim Aufmarsch von Neonazis in Luxemburg zum Gedenken an den Todestag von Rudolf HESS beteiligt. Außerdem traten FAP-Angehörige bei weiteren Demonstrationen im Ausland publikumswirksam in Erscheinung, so am 16. Juli 1994 in Venlo/Niederlande, am 1. Oktober 1994 in Maastricht/ Niederlande und am 20. November 1994 in Madrid/Spanien anläßlich des Todestags des spanischen Diktators FRANCO. 33 Der FAP-Bundesvorsitzende Friedhelm BUSSE, der im sogenannten "Bewegungsprozeß" (Verdacht der Fortführung einer verbotenen neonationalsozialistischen Organisation) vor dem Landgericht Stuttgart mitangeklagt war, wurde am 26. Januar 1994 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Am 5. November 1994 wurde BUSSE am Stuttgarter Hauptbahnhof vorläufig festgenommen. Er sollte an diesem Tag bei einer Neonazi-Veranstaltung in Stuttgart-Weilimdorf als Redner auftreten. In seinem Gepäck wurden 15 Exemplare des Hitler-Buchs "Mein Kampf gefunden. In Baden-Württemberg erlangte die FAP auch 1994 keine Bedeutung. Der 1986 gegründete FAP-Landesverband blieb wie bereits in den Vorjahren inaktiv. Es gelang der Partei lediglich, einen "FAP-Freundeskreis Rhein-Neckar" aufzubauen, so daß es zu einem unbedeutenden Anstieg der Mitgliederzahl in BadenWürttemberg kam. 3.1.3 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Gründung: 1979 Sitz: Frankfurt am Main Mitglieder: ca. 50 Baden-Württemberg (1993: ca. 40) ca. 340 Bund (1993: ca. 220) Publikation: "Nachrichten der HNG" Die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) versteht sich als Sammelbecken und Solidargemeinschaft sowie zentrale Kontaktstelle für Neonationalsozialisten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Neben der "Anti-Antifa-Kampagne" stellt die HNG derzeit das einzig nennenswerte organisationsübergreiSammelbecken für fende Bindeglied zwischen den einzelnen neonationalsozialistiNeonazis schen Gruppen dar. Charakteristisch für die HNG ist, daß ihre Mitglieder überwiegend auch Mitglied in einer anderen Neonaziorganisation sind oder neuerdings einem autonomen organisationsunabhängigen neonazistischen Personenzusammenschluß angehören. 34 Ihre politische Arbeit beschreibt die Gruppierung selbst wie folgt: "Die HNG unterstützt und betreut politische Gefangene und solche, die aus ihrer politischen Gesinnung heraus Straftaten begangen haben." Die monatlich erscheinenden "Nachrichten der HNG" dienen zur Unterrichtung der Mitglieder und der Gefangenen. Sie stellen ein wichtiges Kommunikationsmittel zwischen den "Kameraden in Gefangenschaft und draußen, aber auch zwischen den Gefangenen untereinander" dar und dienen somit deren Zusammenhalt. 3.1.4 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) Gründung: 1987 Sitz: Ludwigshafen am Rhein Mitglieder: ca. 10 Baden-Württemberg ca. 20 Bund Publikation: "IHV e.V. für Recht und Wahrheit" Das "Internationale Hilfskomitee für nationale politische nicht von allen Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) wurde 1987 als Rechtsextremisten Konkurrenzorganisation zur HNG gegründet. Im Gegensatz zur anerkannt HNG wird das IHV nur von einem Teil der neonationalsozialistischen "Szene" anerkannt. Die Organisation will "weltweit für die Unterstützung nationaler politischer Verfolgter eintreten". Die "Betreuung der inhaftierten Nationalisten" obliegt in den jeweiligen Bundesländern den sogenannten Bezirksführern, wobei für Baden-Württemberg zwei zuständig sind. Als einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit sieht das IHV "die Betreuung noch nicht inhaftierter Mitglieder, um durch Rechtsberatung und Empfehlung guter Rechtsanwälte zu vermeiden, daß ein Kamerad überhaupt in Haft gerät". Die monatlich erscheinenden IHV-Mitteilungen "IHV e.V. für Recht und Wahrheit" dienen wie bei der HNG zur Unterrichtung der Mitglieder und der Gefangenen. 35 Bei dem IHV-Bezirksführer für Baden-Württemberg-Süd handelt es sich um den bekannten Neonazi Christoph BAUER. Er ist auch Herausgeber des "zentralen Schulungsblattes" der "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD), "Der Schulungsbrief', einer in geringer Auflagenhöhe erscheinenden Publikation. Die ASD wurde 1986 gegründet und trat bislang nur in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in Erscheinung. In Baden-Württemberg hat die Gruppe nur wenige Mitglieder, die 1994 keine nennenswerten Aktivitäten entwickelten. 3.1.5 "Wiking-Jugend e.V." (WJ) Gründung: 1952 Sitz: Stolberg und Berlin Mitglieder: ca. 60 Baden-Württemberg (1993: ca. 60) ca. 400 Bund (1993: ca. 400) Publikation: "Wikinger" verboten durch den Bundesminister des Innern am 10. Nov. 1994 Die 1952 gegründete "Wiking-Jugend" (WJ) zählte zu den ältesten rechtsextremistischen Organisationen in der Bundesrepublik Führerprinzip Deutschland. Sie war in Gaue und Horste gegliedert und wurde nach dem elitären Führerprinzip geleitet. Die WJ huldigte einer rassistisch geprägten "Nordland-Ideologie" und stellte die Gemeinschaft über den einzelnen. Jegliche "Rassenmischung" wurde von ihr abgelehnt. In einem Vorwort des WJ-Bundesführers Wolfram NAHRATH zum "Wiking-Jugend Fahrtenplan 1994" wird die rassistische Grundhaltung der WJ besonders deutlich: "Nach dem Zusammenbruch ... begann fremder Ungeist, undeutsches Denken und ungeartetes Verhalten seine schmutzigen Kübel in die Indoktrinierung von Hirne unserer Väter und Großväter zu gießen." Jugendlichen Ihr Hauptaugenmerk richtete die WJ auf die Durchführung von Lagern, Freizeiten, Wanderungen sowie auf Erntedankund "Heldengedenkfeiern", bei denen sie den Kindern und Jugendlichen das rechtsextremistische Gedankengut vermittelte. 36 Am 10. November 1994 wurde die WJ durch den Bundesminister des Innern mu verboten sowie deren Vermögen beschlagnahmt und eingezogen. Im Zuge dieser Maßnahme sind in zehn Bundesländern zahlreiche Wohnungen und Geschäftsräume von Funktionären und Mitgliedern der WJ durchsucht worden. In Baden-Württemberg erfolgten die Exekutivmaßnahmen in Schorndorf, Ludwigsburg, DitzingenHeimerdingen und HohensteinEglingen/ Kreis Reutlingen. Dabei wurden umfangreiche schriftliche Unterlagen, Kassenbelege und -bücher, Kontoauszüge, Teilnehmerlisten, Zelte, Fahnen sowie Bargeld sichergestellt. Begründet wurde das Verbot der WJ damit, daß sie in Programm und Vorstellungswelt eine Wesensverwandtschaft mit der früheren "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) und ihrer Teilorganisation "Hitlerjugend" (HJ) aufwies. Im einzelnen heißt es dazu in der Verbotsverfügung: l Programmatische Übereinstimmung mit der HJ und der NSDAP; Propagieren der Überwindung des abgelehnten "staatlichen Systems" l Orientierung am nationalsozialistischen Sprachgebrauch und an den äußeren Formen der NSDAP, insbesondere der HJ I Propagieren von nationalsozialistischem Rassismus und Antisemitismus I Bekenntnis zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus B Aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung Das Verbot wurde am 21. April 1995 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. 37 3.2 Neonationalsozialistische Personenzusammenschlüsse und Einzelaktivisten in Baden-Württemberg Die Zahl unorganisierter Neonazis in Baden-Württemberg hat sich weiter erhöht und lag Ende 1994 bei etwa 190 Personen. Dies ist nicht zuletzt auch die Folge eines Umstrukturierungsund Neuformierungsprozesses der neonationalsozialistischen "Szene". Als Reaktion auf die Verbote mehrerer Neonaziorganisationen und andere staatliche Repressionsmaßnahmen bildeten sich zahlreiche organisationsunabhängige, autonome Personenzusammenschlüsse, sogenannte Kameradschaften und Freundeskreise, die Umstrukturierung regional bzw. bundesweit durch Mailboxen, Info-Telefone und und Neuformierung Mobilfunktelefone miteinander vernetzt wurden. Im sicheren Wissen, daß verfestigte organisatorische Strukturen vom Staat zerschlagen werden, wichen Neonazis immer häufiger auf die lockere Struktur von "Kameradschaften" aus. Egoistische Einzelund Gruppeninteressen wurden zunehmend dem Aufbau einer integrierten "nationalen Bewegung" untergeordnet. Mit dieser neuen Strategie verfolgt die neonationalsozialistische "Szene" das Ziel, dem Staat weniger Gelegenheit für Gegenmaßnahmen zu bieten: * Die bisher vollzogenen und möglicherweise noch zu erwartenden Organisationsbzw. Parteiverbote sollen unterlaufen werden * Die frühere Zersplitterung der "Szene" soll im Interesse einer größeren politischen und medienwirksamen Durchschlagskraft überwunden werden Die Vernetzung durch Organisierung ohne Organisation nach dem Vorbild der linksextremistischen autonomen "Szene" soll weiter vorangebracht werden Um möglichen Defiziten, die durch die losen Organisationsstrukpersonelle und turen entstehen können, gegenzusteuern, wird die personelle und informationelle informationelle Vernetzung der neonationalsozialistischen "Szene" Vernetzung verstärkt vorangetrieben. Während einerseits einzelne Führer und Funktionäre verbotener oder vom Verbot bedrohter Organisationen auf Regionalund Bundesebene in Führungszirkeln zusammenarbeiten, wird andererseits mit Hilfe von Mailboxen, 38 "Nationalen Info-Telefonen" und Mobilfunktelefonen die Kommunikation innerhalb der "Szene" aufrechterhalten, ohne neue Strukturen aufzubauen, die staatlichen Stellen Eingriffsmöglichkeiten bieten würden. Ende 1994 waren in der Bundesrepublik Deutschland sechs "Nationale Info-Telefone" in Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen in Betrieb. Von einem installierten Anrufbeantworter können regelmäßig aktualisierte Ansagetexte abgerufen werden. Diese Ansagetexte enthalten Nachrichten über aktuelle Entwicklungen, bevorstehende bzw. laufende staatliche Maßnahmen (Prozesse, Verurteilun"Nationale gen, Verbote etc.), vorgesehene Veranstaltungen und sonstige Info-Telefone" Termine sowie Hinweise auf "Szene"-Publikationen. Da den Betreibern dieser Telefone bekannt ist, daß auch staatliche Stellen und politische Gegner sich die verbreiteten Informationen zunutze machen, sind über die "Nationalen Info-Telefone" nur noch solche Hinweise abrufbar, die erstens keine strafbaren Inhalte und zweitens keine internen Details enthalten. Informationen, die den Sicherheitsbehörden oder den politischen Gegnern verborgen bleiben sollen, werden, wie verschiedene Veranstaltungen gezeigt haben, bevorzugt über Mobilfunktelefone bekanntgemacht. Inzwischen sind Mobilfunktelefone in der Mobilfunktelefone rechtsextremistischen "Szene" weit verbreitet und werden vielfältig eingesetzt. Mit Hilfe dieser modernen Kommunikationsmittel konnten beispielsweise die Demonstrationen zum Gedenken an Rudolf HESS am 14. August 1993 in Fulda und am 13. August 1994 vor der deutschen Botschaft in Luxemburg durchgeführt werden. Nur durch den Einsatz der "Nationalen Info-Telefone" und von Mobilfunktelefonen gelang es den Organisatoren, den eigentlichen Veranstaltungsort möglichst lang geheim zu halten und die Teilnehmer zielgenau zu dirigieren. Im Rahmen der Neuformierung der neonationalsozialistischen versuchte Gründung "Szene" wurden auch in Baden-Württemberg bereits mehrere einer Stuttgarter organisationsunabhängige "Kameradschaften", "Neonazikreise" ..Kameradschaft" und "Freundeskreise" gegründet. Daß diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, zeigte eine am 5. November 1994 in Stuttgart-Weilinidorf geplante Veranstaltung. Nur durch 39 massiven Polizeieinsatz konnte die Gründung einer Stuttgarter "Kameradschaft" verhindert werden. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung wurde der ebenfalls angereiste FAP-Bundesvorsitzende Friedhelm BUSSE festgenommen. In seinem Gepäck befanden sich 15 Exemplare des Hitler-Buchs "Mein Kampf. Initiator der Gründungsveranstaltung war ein führender Aktivist der neonationalsozialistischen "Szene" aus Tübingen, der bereits im August 1994 maßgeblich an der Organisierung der "HESSGedenkkundgebung" in Luxemburg beteiligt war. Aus dem ganzen Bundesgebiet und dem Ausland reisten über 160 Einzelaktivisten und Vertreter verschiedener rechtsextremistischer Organisationen an. Im Verlauf der Auflösung der Veranstaltung durch die Polizei kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen 8 Polizeibeamte verletzt wurden. Bislang wurden zwei Teilnehmer wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu je einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Ein besonders aktiver Zirkel besteht seit Ende 1993 in Karlsruhe. In das Blickfeld der Öffentlichkeit rückte dieser Personenzusammenschluß besonders durch die Teilnahme am "Rudolf-HESSGedenkmarsch" am 13. August 1994 in Luxemburg. Aktivitäten im Die zahlenmäßig relativ starke "Szene" in Karlsruhe und Raum Karlsruhe Umgebung ist charakteristisch für die derzeitige Situation im Bereich des Neonazismus. Obwohl keine verfestigten Strukturen mehr bestehen, ist durchaus ein Zulauf zu der sich "Nationale Kameraden" nennenden losen Gruppierung festzustellen. Diesem informellen Zusammenschluß gehören inzwischen etwa 40 - 50 Personen an, er kennt keine formale Mitgliedschaft und wird von anerkannten Führungsfiguren geleitet. Daß ehemalige Funktionäre und Mitglieder verbotener oder aufgelöster Organisationen weiterhin aktiv sind, zeigte u.a. die Teilnahme früherer Angehöriger der im Jahr 1993 verbotenen "Heimattreuen Vereinigung Deutschlands" (HVD) an den Feierlichkeiten zum Todestag des spanischen Diktators FRANCO im November 1994 in Madrid. 40 4. Rechtsextremistische Parteien 4.1 "Die Republikaner" (REP) Gründung: 1983 Sitz: Berlin Mitglieder: ca. 2.100 Baden-Württemberg (1993: ca. 2.500) ca. 20.000 Bund (1993: ca. 23.000) Publikation "DER REPUBLIKANER" (erscheint seit 1995 als Notausgabe) * Gründung Die Gründung der Partei "Die Republikaner" (REP) erfolgte am 27. November 1983 durch zwei Bundestagsabgeordnete sowie den Publizisten und langjährigen Bundesvorsitzenden SCHÖNHUBER. * Politischer Kurs Bei den politischen Verlautbarungen der REP finden sich die für eine Partei des rechtsextremistischen Spektrums typischen Agitationsfelder wieder. Plakative Parolen, die eine feindselige Haltung gegen Ausländer und Asylbewerber vermitteln, indem bestehende Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung verstärkt werden, sind weiterhin festzustellen. Die Schuldzuweisung an Ausländer und Asylbewerber, die nach Meinung der REP die öffentlichen Haushalte Agitation gegen in der finanziell ohnehin angespannten Lage unerträglich belasten, Ausländer ist mittlerweile ein von ihnen wiederholt gebrauchtes Argumentationsmuster. Für gesellschaftliche Probleme werden in vereinfachender Weise häufig Ausländer verantwortlich gemacht. In einer Wahlkampfzeitung zur Bundestagswahl 1994 schürte die Partei erneut die Furcht vor "Überfremdung" und behauptete, nach der Wahl würden "die Dämme brechen". An anderer Stelle befürchteten die REP, nach der Wahl wären die Deutschen nicht mehr "Herr im eigenen Haus" ("DER REPUBLIKANER", 10/94). In einer Sonderausgabe des Parteiorgans für den Wahlkampf 1994 wurde der Zuzug von Ausländern in die Bundesrepublik 41 einseitige Deutschland sogar zum "Ökologieproblem Einwanderung" erklärt Schuldzuweisung und behauptet, "ein weiterer ungehemmter Massenzuzug muß nicht nur zu chaotischen sozialen, sondern ebenso zu verheerenden umweltbelastenden Verhältnissen" in Deutschland führen. Kein Wahlrecht für R E Ausländer1. Der damalige Parteivorsitzende Franz SCHÖNHUBER warnte vor einer "Kreuzbergisierung" Deutschlands (Rede bei einer REP-Veranstaltung am 16. Februar 1994 in Osterhofen). Bei anderer Gelegenheit beklagte er in diesem Zusammenhang den Einfluß Amerikas: die deutschen Politiker sind zahnlos geworden. Die Furcht vor den Medien, insbesondere vor jenen, die von der amerikanischen Ostküste ferngesteuert werden, hat sie mit einem Frühwarnsystem ausgestattet. Und Bußübungen sind angesagt. Vorbeter ist im Zweifelsfall unser Bundespräsident von WEIZSÄCKER... Es ist aber unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, jenen in den Arm zufallen, die uns z.um 51. amerikanischen Bundesstaat machen wollen... Wir wollen keine Harlemisierung Deutschlands." ("DERREPUBLIKANER", 5/94) Der Landesverband Baden-Württemberg der Partei vertrat in einem Flugblatt, welches auch zur Europawahl 1994 verteilt wurde, die Forderung, Deutschland dürfe "nicht weiterhin das Sozialamt der ganzen Welt" sein. Unterschwellige Fremdenfeindlichkeit wird bei den REP auch immer wieder deutlich, wenn es um Europa geht: "Maastricht ist für Deutschland wie Versailles ohne Krieg"(Flugblatt des Landesverbands Baden-Württemberg 1994). 42 Mit der abnehmenden Bedeutung der Asylbewerberproblematik im Laufe des Jahres 1994 war eine auffallende Häufung antisemitischer Äußerungen festzustellen, die sich hauptsächlich gegen den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Verharmlosung der BUBIS, richteten. Nachdem dieser im Zusammenhang mit fremnationalsozialistidenfeindlicher und antisemitischer Gewalt kritische Worte an die schen Vergangenheit Adresse der REP gerichtet hatte, wurde er vom damaligen Parteivorsitzenden SCHÖNHUBER als "Volksverhetzer" bezeichnet; ergänzend erklärte SCHÖNHUBER in einer Pressemitteilung vom 4. März 1994: "Der verachtenswerte Antisemitismus in Deutschland hat einen Namen: Ignatz BUBIS... Die Deutschen haben es satt, von Herrn BUBIS unentwegt geschul- * Zum meistert zu werden. Hat dieser selbsternannte SittenAgitationsthema richter wirklich eine so weiße Weste, daß sie ihn für "Umerziehung" hat diese Aufgabe qualifiziert? Zweifel sind angebracht." das Bundesverwaltungsgericht Auch im Jahre 1994 kam der verharmlosende und relativierende Um(BVerwGE 61.194. gang der REP mit der nationalsozialistischen Vergangenheit immer 198) festgestellt, daß wieder deutlich zum Ausdruck, wobei das Thema der "Umerziehung"* unter anderem die in der Agitation der Partei bis heute eine wichtige Rolle spielt: Verwendung dieses Begriffs ßr die "Die neuere Geschichtsforschung hat natürlich längst Wiederbegründung festgestellt, daß die UdSSR maßgeblich an dem der deutschen Verlauf und der Eskalation des Zweiten Weltkriegs Demokratie unter schuldig war. "("DER REPUBLIKANER", 7/94) dem Einfluß der westalliierten "Schluß damit! Nicht mehr büßen und zahlen für Besatzungsmächte HITLER. "(Flugblatt aus Bayern) nach 1945 zu einem Verhalten gehört, das "...junge Menschen... geben sich auch nicht mehr mit zeigt, daß der einem von den Stiefeln der Sieger festgetretenen GeVerwender nicht mit schichtsbild zufrieden. "("DERREPUBLIKANER", 4/94) der freiheitlichen demokratischen "...wir Deutsche, die wir nur ein Verbrechen begangen Grundordnung zu haben... vor der Weltgeschichte, daß wir 2 Weltkriege vereinbarende Ziele verloren haben. Wir beugen uns nicht mehr unter der verfolgt. Allmacht der Sieger. 50 Jahre sind genug." (SCHÖNHUBER auf einer Aschermittwoch-Veranstaltung der REP am 16. Februar 1994 in Osterhofen) 43 Ein anderes, die Partei weithin beherrschendes Agitationsthema Diffamierung ist die rüde Auseinandersetzung mit den Repräsentanten der Demokratischer Bundesrepublik Deutschland sowie demokratischen Politikern Parteien und und Parteien. Entgegen allen Beteuerungen, zur freiheitlichen Politiker demokratischen Grundordnung zu stehen, offenbart sich durch die häufig diffamierende Art der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner eine antidemokratische Grundeinstellung. Ziel dieser Diffamierungsund Verunglimpfungskampagne ist es, das Vertrauen der Bürger in das demokratische Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern. "Sagen wir es offen: Das Blut der verletzten Polizisten und Versammlungsteilnehmer klebt an den Händen der SPD-Innenminister SCHNOOR, BIRZELE, ZIEL und anderer. Ihre Kriminalisierungskampagnen liefern den Gewalttätern die 'moralische' Rechtfertigung, uns zu verletzen oder vielleicht sogar zu töten." (SCHÖNHUBER in "DER REPUBLIKANER", 3/94 unter Bezug auf gewalttätige Ausschreitungen bei REPVeranstaltungen) "Die etablierte politische Klasse hat sich weit von Menschlichkeit entfernt, Praktiken diktatorischer Systeme übernommen und kennt nur ein Ziel: das Überleben um jeden Preis, selbst um den des Unterganges des eigenen Volkes:... nach uns die Sintflut!"("DER REPUBLIKANER", 1/94) 44 Bezeichnend für diese Agitation war auch eine Äußerung SCHÖNHUBERS anläßlich einer Europa-Kundgebung der REP in Würzburg am 4. Juni 1994, bei der er die Bundesrepublik Deutschland als einen "UnrechtsStaat ohne Konzentrationslager und physische Vernichtung" bezeichnete. Das gegen SCHÖNHUBER wegen dieser Äußerung eingeleitete Strafverfahren wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Würzburg am 15. März 1995 eingestellt, nachdem der damalige Parteivorsitzende der Auflage des Gerichts nachgekommen war, einen Betrag von DM 9.800 zu zahlen. * Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppierungen Im Laufe des Jahres 1994 wurden verschiedene Kontakte von Mitgliedern und Funktionären der REP zu maßgeblichen Personen (anderer) rechtsextremistischer Organisationen bekannt. Dabei handelte es sich nicht nur um einfache Parteimitglieder, sondern auch um Funktionsträger der Partei, teilweise sogar um Abgeord-nete der Landtagsfraktion der Partei. So hatte z. B. bereits im April 1993 ein Landtagsabgeordneter der "Republikaner", damals noch Beisitzer im Landesvorstand der Partei und Vorsitzender eines Kreisverbands, neben anderen bekannten Rechtsextremisten an einer Jahreshauptversammlung des "FORUM 90" teilgenommen, wobei er vom Vorsitzenden dieser Gruppierung ausdrücklich und offiziell begrüßt wurde. Das "FORUM 90", das sich selbst als "nationale elitäre Intellektuellengruppe an den Hochschulen" verstand und inzwischen aufgelöst hat, unterlag seinerzeit der nachrichtendienstlichen Beobachtung durch den Verfassungs-schutz. Später stellte sich heraus, daß der Landtagsabgeordnete der "Republikaner" den "FORUM 90"-Vorsitzenden im Rahmen seiner politischen Tätigkeit sogar als Hilfskraft angestellt hatte. Das prominenteste Beispiel für die immer wieder aufflackernden Treffen zwischen Bemühungen maßgeblicher Parteifunktionäre, das "rechte Lager" SCHÖNHUBER zu einen, war im Jahre 1994 das Treffen zwischen dem REPund Dr. Frey Bundesvorsitzenden Franz SCHÖNHUBER und dem Vorsitzenden der "Deutschen Volksunion" (DVU), Dr. Gerhard FREY, am 22. August 1994, das die Partei in eine tiefgreifende Zerreißprobe führte. 45 * Beobachtung der Partei durch die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern Die Partei "DIE REPUBLIKANER" ist mittlerweile Beobachtungsobjekt bei den Verfassungsschutzbehörden aller Bundesländer und des Bundesamtes für Verfassungsschutz; dabei kommen ganz überwiegend auch nachrichtendienstliche Mittel in unterschiedlicher Prägung zum Einsatz. Mit Ausnahme von Niedersachsen, das seinerzeit eine abweichende Rechtslage aufwies, wurde das Vorgehen der Verfassungsschutzbehörden durch die Gerichte bestätigt. Bezogen auf Baden-Württemberg wurde die Beobachtung der Partei durch das Landesamt für Verfassungsschutz, welche schon das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluß vom 4. August 1993 als rechtmäßig erachtet hatte, auch durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Verdacht verfasBeschluß vom 11. März 1994 (10 S 2386/93) bestätigt. Auch der sungsfeindlicher VGH kam in diesem Eilverfahren zu dem Ergebnis, daß sich konBestrebungen krete Anhaltspunkte für Bestrebungen der "Republikaner" gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ergeben. Die durch den Verfassungsschutz dokumentierte "Vielzahl ausländerverachtender Äußerungen aus verschiedenen Parteiebenen" spräche dagegen, daß es sich hierbei nur um "unerhebliche Entgleisungen einzelner Personen" handle; vielmehr seien die Äußerungen in der Gesamtschau als repräsentativ auch dem Landesverband der Partei zuzurechnen. Sie stellten polemisch verfälschend und pauschal den Zuzug von Ausländern als Ursache eines Großteils aktueller Probleme dar; Ausländer und insbesondere Asylbewerber würden - so die Feststellungen des VGH - grob verzerrend und herabsetzend als Schmarotzer der Arbeit deutscher Bürger und des deutschen Sozialsystems sowie als Kriminelle dargestellt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zog hieraus die folgende Schlußfolgerung: "In ihrer Gesamtheit dürften die Verlautbarungen derzeit tatsächliche Anhaltspunkte dafür begründen, daß der Antragsteller als Personenzusammenschluß im Bereich der Ausländerpolitik Ziele verfolgt, bei deren Verwirklichung die Geltung der Gebote, die Menschenwürde zu schützen (Artikel 1 Abs. 1 GG) und niemanden wegen seiner Herkunft, Rasse und Religion ZU benachteiligen (Artikel 3 Abs. 3 GG), für große 46 Gruppen von Ausländern nicht mehr gewährleistet wäre. Zugleich ergeben sich Anzeichen für die Bereitschaft des Antragstellers, die staatliche Verpflichtung zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit bei bestimmten Gruppen von Ausländern, insbesondere Asylbewerbern, zu relativieren." Der VGH Baden-Württemberg ist damit zu einem ähnlichen * Ergebnis gekommen wie bereits zuvor der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 7. Oktober 1993 und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluß vom 13. Januar 1994. Lediglich in Niedersachsen hat das OVO Lüneburg durch Beschluß vom 21. September 1993 die Beobachtung des Landesverbands Niedersachsen der Partei "Die Republikaner" wegen der engeren Eingriffsregelung im niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz für nicht rechtmäßig erachtet. Die o. g. Entscheidungen sind im Eilverfahren getroffen worden. Gegen die nachrichtendienstliche Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg hat der Landesverband der Partei im Hauptsacheverfahren übrigens bishef noch keine Klage erhoben. * Organisation Wenngleich die REP in allen Bundesländern Landesverbände Strukturen gegründet haben, unterscheiden sich diese doch zum Teil erhebin den neuen lich in ihren Aktivitäten. Gerade in den neuen Bundesländern Bundesländern scheint der Aufbau weiterer Untergliederungen nur sehr schlepschwach ausgeprägt pend voranzugehen. Der Landesverband Baden-Württemberg zählt aufgrund der Wahlerfolge der Vergangenheit - nur dort sind die REP in einem Landesparlament vertreten - zu den einflußreichsten der Partei. Neben Kreisverbänden in sämtlichen Landkreisen BadenWürttembergs verfügt der hiesige Landesverband noch über einige intakte Ortsverbände, deren Zahl im Jahr 1994 nochmals leicht anstieg. Nicht überraschend ist allerdings der Mitgliederschwund im Jahre Mitgliederschwund 1994 sowohl auf Landeswie auf Bundesebene, was offensichtlich auch auf die Wahlniederlagen 1994 und die parteiinternen Querelen zurückzuführen ist. 47 Wie im Vorjahr stand auch 1994 Christian KÄS dem hiesigen Landesverband der Partei vor und gehörte mit dem Fraktionsvorsitzenden im baden-württembergischen Landtag, Dr. Rolf SCHLIERER, zu den wichtigsten Funktionären. KÄS wurde beim Bundesparteitag am 17./18. Dezember 1994 in Sindelfingen in seinem Amt als stellvertretender Bundesvorsitzender bestätigt, Dr. SCHLIERER übernahm als Nachfolger von Franz SCHÖNHUBER den Parteivorsitz. Hinsichtlich der programmatischen Ausrichtung der Partei stellte keine politische Dr. SCHLIERER am 13. Mai 1995 während des Landesparteitags Kursänderung in Mannheim fest, mit ihm als Bundesvorsitzenden werde es weder eine Annäherung an "Rechtsaußen" noch einen "Schwenk zur Mitte" geben. Die Jugendorganisation der REP, die "Republikanische Jugend" (RJ), scheint aus ihrer Aufbauphase nicht herauszukommen. NachwuchsAnstelle einer Weiterentwicklung und Ausdehnung ist vielmehr organisation eine Stagnation festzustellen. Wesentliche Aktivitäten gingen von stagniert der Nachwuchsorganisation nicht aus. Als eine "Vereinigung innerhalb der Bundespartei" existiert ein als Berufsverband gegründeter "Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB). Diese Einrichtung, die bundesweit über ca. 150 Mitglieder verfügen soll, soll nach ihrer Satzung u.a. Mitglieder bei "beruflicher Benachteiligung" wegen ihrer Parteimitgliedschaft unterstützen. Dies steht im Zusammenhang mit den Bemühungen einiger Bundesländer, die Vereinbarkeit der Mitgliedschaft öffentlich Bediensteter, insbesondere Beamter, in einer rechtsextremistischen Partei mit deren dienstlichen Pflichten zu prüfen. Die Auflagenzahl des monatlich erschienenen Parteiorgans "DER Parteiorgan REPUBLIKANER" sank von monatlich 135.000 im August 1993 erscheint jetzt als auf rund 100.000 im Juni 1994. Seit 1995 wird das Parteiorgan Notausgabe nur noch alle zwei Monate als Notausgabe mit reduziertem Umfang herausgegeben. Als Publikation des Landesverbands Baden-Württemberg erschien im Jahre 1994 einmalig eine Broschüre unter dem Titel "STIMME des Volkes". 48 Machtkämpfe innerhalb der Partei Bereits der Austritt zweier führender REP-Funktionäre, der Bundesschriftführerin Martina ROSENBERGER und des BuncfrsAustritte von organisationsleiters Udo BOSCH, im ersten Halbjahr 1994 führte Funktionsträgern zu einer ernsten Krise in der Partei und verursachte zusammen mit den Wahlniederlagen erhebliche interne Spannungen bei den REP. Gleichermaßen überraschend für die Parteibasis wie auch für führende Funktionäre kam das Treffen zwischen dem damaligen Bundes Vorsitzenden der REP, Franz SCHÖNHUBER, und dem Bundesvorsitzenden der DVU, Dr. Gerhard FREY, Ende August 1994, das zu einer öffentlichen Auseinandersetzung über den weiteren Kurs der Partei führte. In der hierzu veröffentlichten Presseerklärung SCHÖNHUBERs hieß es u.a., daß der "linken Volksfront" eine "rechte Abwehrkraft" entgegengesetzt werden müsse, während er Anfang 1994 einer "Vereinigung aller Rechten" noch eine klare Absage erteilt hatte. Die Reaktion der Partei ! ^...acjieii Franz Schönhuber und Dr. Gerhard Frey Auseinander war gespalten, verschie Alarmiert durch Nachrichten, daß nun auch die CDU auf die Linie setzungen über der doppelten Staatsbürgerschaft einschwenkt, das dene Landesverbände, Abstanununggprinzip aufweichen will und somit Deutschland als Land der Deutschen in Frage gestellt wird, trafen die Kurs der Partei Vorsitzenden der DVU und der Republikaner, Dr. Gerhard Frey und darunter Baden-Württem Franz Schönhuber, zu einem Meinungsaustausch zusammen. Franz Schönhuber und Dr. Frey wenden sich mit aller Schärfe berg, wollten der neu ein gegen die zunehmende Kriminalisierung und Terrorisierung der demokratischen Rechten. Sie weisen hierauf gerichtete rechtswidrige Machenschaften, etwa des bayerischen Innenministers Dr. Beckstein sowie der SPD-Innenminister Schnoor geschlagenen Linie ihres und Dr. Birsele, auf das entschiedenste zurück. In einer 2eit, in der Gespräche zwischen1 *Sregor7, liysi und"Edzard Bundesvorsitzenden nicht Reuter als normal registriert, Ex-Kommunisten von den Medien hochgepäppelt werden und die rote Volksfront die Bundesrepublik umzukrempeln droht, wollen die beiden Parteivorsitzenden ein folgen. Eine ähnliche Beide Vorsitzende sind sich darin einig, daß der linken Resonanz an der Basis Volksfront eine rechte fibwehrkraft entgegengesetzt werden muß, zu der die CDU/CSU mit Exponenten wie Süßmuth, Geißler, Blüm, Pfliiger und Glück weder willens noch in der Lage ist. führte schließlich zu ver Einig waren sich die etablierten Parteien in der Anwendung des Prinzips divide et impera uns gegenüber. Deshalb wollen die mehrten Parteiaustritten. beiden Partaivorsitzenden unter Beachtung bestehender und verbindlicher Parteibeschlüsse ihren Parteien empfehlen, Auseinandersetzungen einzustellen und zu einem Verhältnis zu gelangen, das insbesondere bei Wahlen eine Selbstblockade verhindert. Dr. Frey und Franz Schönhuber verurteilen bedingungslos jede Der Landtagsabgeordne Mißachtung der Recntsordung - insbesondere die immer mehr um sich greifende Gewalt - als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Sie warnen weiter vor den auf der te, Landesschriftführer sogenannten rechten Szene herumvag aburid i er enden Kleinstgruppierungen, Ligen und Vereinigungen, die nach bestehenden Erkenntnissen nichts anderes als die trojanischen und stellvertretende Esel der sogenannten Verfassungsschutzämter darstellen. Über die zukünftigen Formen des Verhältnisses der beiden Bundesschriftführer Parteien entscheiden jedoch nicht die Vorsitzenden. Dies ist Sache der jeweiligen Parteibasis und wird bei den kommenden Parteitagen zur Diskussion gestellt und entschieden werden. Bernhard AMANN ver Wenn es wie jetzt um entscheidende Weichenstellungen für unser Land geht, muß es in Kauf genommen werden, daß die Gegner jeglicher Form des Patriotismus auf diesen Meinungsaustausch mit ließ im Oktober 1994 Unterstellungen und Verdrehungen reagieren werden. Die CSU sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß ihrer früheren Parteispitze die engen Beziehungen zwischen führenden CSUzunächst die Fraktion Politikern wie dem einstigen Innenminister Dr. Seidl sowie dem Kultusminister Professor Maunz und Dr. Frey durchaus bekannt und erklärte kurz darauf öffentlich seinen Austritt Franz Schonhuber) (Dr. Gerhard Freyj aus der Partei. Dieser 49 Schritt AMANNs erfolgte nicht aus Zustimmung zu SCHONHUBERs Annäherung an die DVU, sondern als mißbilligende Reaktion auf die Art und Weise der Amtsenthebung des ehemaligen Bundesvorsitzenden. SCHONHUBER war aufgrund eines Beschlusses des Bundesvorstands vom 1. Oktober 1994 abgesetzt worden. Diesen Beschluß hat das von SCHONHUBER angerufene Landgericht Berlin in seiner einstweiligen Anordnung vom 13. Oktober 1994 für unwirksam erklärt, da eine solche Maßnahme nur von der Mitgliederversammlung vorgenommen werden könne. Der Bundesparteitag Mitte Dezember 1994 in Sindelfingen verlief jedoch wider Erwarten völlig unspektakulär. SCHONHUBER verzichtete kurzfristig auf eine erneute Kandidatur. Daraufhin neuer wurde der bis dato stellvertretende Bundesvorsitzende und Bundesvorsitzender Vorsitzende der baden-württembergischen Landtagsfraktion der REP, Dr. Rolf SCHLIERER, zum neuen Bundes Vorsitzenden gewählt. Er mußte sich jedoch mit knapp 56 % der abgegebenen Delegiertenstimmen zufriedengeben. Dies ist ein Indiz dafür, daß die Zwistigkeiten innerhalb der Partei noch nicht beigelegt sind. * Aktivitäten Neben den alles beherrschenden Wahlkämpfen 1994 erregten nur die Veranstaltungen, an denen führende Parteifunktionäre teilnahmen (u.a. Landesparteitag am 31. Januar 1994 in Ulm und Bundesparteitag in Bundesparteitag am 17./18. Dezember 1994 in Sindelfingen) Sindelfingen größeres öffentliches Aufsehen. In erster Linie war dies jedoch auf massive Proteste und Gegendemonstrationen zurückzuführen. Zur Verbesserung des Informationsangebots gegenüber den Mitgliedern und Interessenten der Partei richteten die REP InfoTelefone ein. Offenbar konnten oder wollten Landesund Kreisverbände diese Möglichkeit jedoch nur eingeschränkt nutzen. Die wenigen Kommunikationseinrichtungen dieser Art wurden zum Teil bald wieder abgeschaltet. * Wahlen In Baden-Württemberg standen neben der Europaund der Bundestagswahl vor allem die Kommunalwahlen im Mittelpunkt der Parteiaktivitäten. 50 Der Wahlkampf der REP beschränkte sich erwartungsgemäß auf die bekannten Schwerpunktthemen "steigende Kriminalität", insbesondere von Ausländern verursachte, "Asylproblematik" in Verbindung mit dem Thema "Ausländer" allgemein sowie Kritik an den Verträgen von Maastricht im Rahmen des Themenschwerpunkts "Europa". Die Ergebnisse konnten die mit hohen Erwartungen bei den jeweiligen Wahlen angetretenen REP allerdings nicht zufriedenstellen, weil sie an frühere Erfolge nicht anknüpfen konnten. Wahlniederlagen Bei der Europawahl im Juni 1994 wurde ebenso wie bei der Bundestagswahl im Oktober 1994 der Einzug in die jeweilige parlamentarische Vertretung verpaßt, wenn die Partei auch in BadenWürttemberg überdurchschnittlich abschnitt: Wahlergebnisse Bund Badender "Republikaner" Württemberg Europawahl 1994 3,9 % 5,9 % Europawahl 1989 7,1 % 8,7 % Bundestagswahl 1994 - Erststimmen 1,7% 3,2 % - Zweitstimmen 1,9% 3.1 % Bundestagswahl 1990 2,1 % 3.2 % Entgegen eigener Hoffnung zu Beginn des "SuperWahljahres" 1994 scheiterten die "Republikaner" bei allen Landtagswahlen des Jahres 1994 an der 5 %-Sperrklausel. Bei den baden-württembergischen Kommunalwahlen schnitten die REP unterschiedlich ab. So konnte bei der Wahl zur Regional-versammlung des Verbands Region Stuttgart die Partei 7,3 % der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen. Bei den Kreistagswahlen erzielten sie lediglich 1,7 %, konnten allerdings immerhin 41 Mandate - 6 mehr als 1989 - erringen. Bei den GemeinderatsMandatsverluste wahlen war ein starker Rückgang der von den REP gewonnenen Mandate von 72 (1989) auf 49 zu verzeichnen. Überdies hat die Partei zwischenzeitlich auf kommunaler Ebene durch Parteiaustritte weitere 3 Mandate verloren. 51 4.2 Deutsche Volksunion (DVU) />Vu Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als politische Partei Sitz: München * Dr. Frey gibt Mitglieder: ca. 2.700 Baden-Württemberg (1993: ca. 2.900) höhere Zahlen an ca. 20.000 Bund (1993: ca. 26.000)* Publikationen: "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ) Aktuelle Situation Die "Deutsche Volksunion" (DVU) hat sich im Wahljahr 1994 dem Votum der Wähler nicht gestellt. Dabei dürften sowohl takti sche als auch finanzielle Erwägungen eine Rolle gespielt haben. Da sich diese Wahlenthaltung angesichts sinkender Mitglieder zahlen offensichtlich negativ ausgewirkt hat, nahm die DVU - allerdings mit wenig Erfolg - an den Bürgerschafts wählen in Bremen im Mai 1995 teil. enge Kontakte Auffallend enge persönliche und politische Kontakte bestanden zu russischem weiterhin zwischen Dr. FREY und dem Vorsitzenden der "Liberal Nationalisten demokratischen Partei MOSKAUER ERKLÄRUNG führer Rußlands", Wladimir SCHIRINOWSKI], der als Vertreter nationalistischer Thesen bei den Parlaments wahlen in Rußland im Dezember 1993 einen großen Wahlerfolg verbu chen konnte. SCHIRI NOWSKI! und Dr. FREY haben in ihrer fünf Punkte umfassenden "Moskauer Erklärung" vom 29. Juni 1994 neben der Bekräfti gung der Freundschaft zwischen Russen und Deutschen auch nationali stischen Forderungen wtatflmlr fcii l rf nowsklj Gerhard ff-rt* Ausdruck verliehen. 52 Völlig unerwartet kam es im August 1994 zu einem "Meinungsaustausch" zwischen Dr. FREY und dem seinerzeitigen Vorsitzenden der Partei "Die Republikaner", Franz SCHÖNHUBER. Beide hatten sich in einer gemeinsamen Presseerklärung vom 22. August 1994 darauf verständigt, "daß der linken Volksfront eine rechte Abwehrkraft entgegengesetzt werden muß". Daher sollten die Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteien beigelegt und eine "Selbstblockade" bei Wahlen künftig verhindert werden. Aus Sicht der DVU wurde dieses Treffen mit SCHÖNHUBER als Erfolg gewertet. * Politischer Kurs Der Kurs der DVU richtet sich trotz aller Lippenbekenntnisse zur Verfassung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Ihre Grundhaltung offenbart sich vor allem in Äußerungen führender Parteifunktionäre sowie dem Inhalt der DVU-Sprachrohre "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ). Wie in den Vorjahren hat sich auch 1994 in diesen Artikulationsorganen der Partei die verfassungsfeindliche Agitationskampagne fortgesetzt, die insbesondere durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist: I Rassismus Die herabsetzende Art und Weise, in der gegen Nichtdeutsche gehetzt wird, insbesondere der diskriminierende Unterton, ist als Angriff auf das im Grundgesetz verankerte Gleichheitsrecht sowie auf die ebenfalls grundgesetzlich garantierte Menschenwürde zu werten. I Antisemitismus Die antisemitischen Tendenzen in der Berichterstattung haben traditionelle deutlich zugenommen. rechtsextremistische Feindbilder i Diffamierung demokratischer Institutionen Angriffsziele der DVU sind auch die Repräsentanten und Institutionen des demokratischen Rechtsstaats. Die Attacken zeichnen sich jedoch durch erhebliche Begründungsdefizite und unsachliche Kritik aus. 53 I Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus Einen besonderen Stellenwert nimmt die Verharmlosung der Verbrechen des "Dritten Reichs" ein. Die Judenverfolgung und die Schuld am Ausbruch des "Zweiten Weltkriegs" werden stets durch die Gegenüberstellung und Aufrechnung mit den Verbrechen anderer kriegführender Völker relativiert. 54 I Organisation Die DVU verfügt zwar in allen Bundesländern über Landesverbände, deren Organisationsgrad ist jedoch aufgrund des zentralistischen und autoritären Führungsstils des Bundesvorsitzenden autoritärer nur schwach ausgeprägt. In Baden-Württemberg existieren die Führungsstil DVU-Kreisverbände Stuttgart, Ludwigsburg, Esslingen, Göppingen, Böblingen, Rems-Murr-Kreis, Heilbronn und Konstanz. Lediglich die "Jungen Deutschen in der DVU", deren Existenz erstmals 1993 bekannt wurde, bilden eine Ausnahme des ansonsten durch weitgehende Inaktivität geprägten Landesverbands. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluß junger Mitglieder der DVU aus dem Großraum Stuttgart mit einem Durchschnittsalter zwischen 20 und 25 Jahren, die sich zu sogenannten "Kameradschaftsabenden" zusammenfinden. Ob die Aktivitäten dieses Zirkels nach dem Tod eines ihn anleitenden Funktionärs des Landesverbands Baden-Württemberg Ende 1994 fortgesetzt werden, bleibt abzuwarten. I Aktivitäten Die Aktivitäten der DVU in Baden-Württemberg beschränkten sich überwiegend auf interne Zusammenkünfte ohne Außenwirkung. Im übrigen fand - abgesehen von Vorstandswahlen - ein wie in demokratischen Parteien übliches "Parteileben" kaum statt. An der alljährlich stattfindenden Großkundgebung nahmen am 24. September 1994 in der Passauer Nibelungenhalle rund 2.000 Großkundgebung in Personen teil. In der DNZ/DWZ wurde dagegen von 6.000 Passau "Deutschdenkenden" berichtet, die Dr. FREY "einen begeisternden Empfang bereiteten". Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Deutsche und Russen - Freunde für immer!" und "Gerechtigkeit für Deutschland". Beim Landesparteitag in Stettfeld bei Bruchsal am 22. Oktober 1994 wurde der bisherige Landesund stellvertretende Bundesvorsitzende Peter JÜRGENSEN in seinem Amt bestätigt. 55 4.3 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Stuttgart Mitglieder: ca.600 Baden-Württemberg (1993: ca.750-800) ca. 4.500 Bund (1993 ca. 5.000) Publikation: "Deutsche Stimme" (DS) * Politischer Kurs Der politische Kurs der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) ist unter dem Vorsitz von Günter DECKERT 1994 unverändert aggressiv geblieben. Nach Feststellung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1975 darf die NPD als "Partei unverändert mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung und Betätigung" bezeichaggressiver Kurs net werden. Die antiparlamentarische Grundhaltung der Partei der Partei sowie die rassistischen, deutschtümelnden Forderungen nach einer "nationalen Volksgemeinschaft" kommen insbesondere und sehr prononciert in den Äußerungen von DECKERT zum Ausdruck, der die "Unterdrückungsmechanismen des 'Bonner Systems'" durch die "Idee der Volksgemeinschaft, der Nationalen Solidargemeinschaft der Deutschen" ablösen will. In Ablehnung der wesentlichen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sieht sich die NPD als grundsätzliche Alternative zum gegenwärtigen Parteienspektrum. Sie sei "nicht eine Partei neben den Bonner Parteien, sondern gegen sie!". Die ständige Agitation gegen Ausländer und insbesondere gegen Asylbewerber bildet einen thematischen Schwerpunkt in den Veröffentlichungen der Partei. In ihren "Nationaldemokratischen Forderungen und Thesen zur Asylund Ausländerpolitik" setzt sie "Multi-Kulturell" mit "Multi-Kriminell" gleich. Eine "Eingliederung (Integration) politisch-rechtlicher Art" wird strikt abgelehnt. ^HJJEJ JD 3 | U T S C H Ferner fordert sie eine "Verschär""W unser Land fung der Asylbedingungen, um den ständig anschwellenden fcftfeit Strom von Afrikanern, Asiaten, Osteuropäern/Ostjuden usw. einzudämmen". NPD: NPD DIEDEim 56 NPD Im Europawahljahr richtete sich die Agitation der NPD vehement gegen die europäische Einigung. In den von DECKERT verantworteten "Europa-Leitsätzen der NPD" heißt es: "Die schädliche Ideologie eines 'einheitlichen Europas' gefährdet die Identität der Völker und schafft nationale Spannungen.... Die Vermischung sehr unterschiedlicher Völker führt zu dauerhaften Konflikten oder gar zur Zerstörung der vorhandenen Völker..." Seinen erneuten Versuch, das rechtsextremistische Lager zu vereinen, konkretisiert DECKERT in der "Deutschen Stimme", 10/11 1994: "... laden die Nationaldemokraten edle zum Handeln entschlossenen nationalen Kräfte, seien es Republikaner, DVU-Anhänger, Mitglieder von jugendlichen Aktionsgruppen oder einfach unabhängige Individualisten, dazu ein, mit ihnen über eine neue nationale Fundamentalopposition und über die Gründung zielgerichteter Aktionsgemeinschaften im Rahmen von einem 'Bündnis Deutschland' nachzudenken und zu diskutieren." Solche Bestrebungen einer "Nationalen Sammlung" gab es in der Vergangenheit immer wieder, allerdings blieb der Erfolg aus. 57 I Organisation Die NPD hat in allen Bundesländern Landesverbände und teilweise Bezirksund Kreisverbände. Aufgrund der weiter rückläufigen Mitgliederzahlen sind allerdings viele Kreisverbände in BadenWürttemberg inaktiv. Die Finanzlage der NPD ist nach wie vor angespannt. Die Partei muß insgesamt rund 1,2 Mio. DM an Wahlkampfkostenvorauszahlungen an Bund und Land zurückerstatten. Allerdings desolate hinterließ Anfang des Jahres 1994 in Eningen, Kreis Reutlingen, finanzielle Lage eine langjährige Sympathisantin der NPD in ihrer testamentarischen Verfügung der Partei eine alte Villa mit Garten (Wert ca. 2 Mio. DM), die Mitgliedern der NPD und dieser Partei nahestehenden Personen als "Begegnungsstätte" dienen soll. Über die Nutzung des Anwesens durch die NPD hat sich vor Ort inzwischen eine heftige Diskussion entzündet. I Aktivitäten Landesparteitag in Am 27. März 1994 fand in Leonberg der 29. ordentliche LandesLeonberg parteitag statt. Bei den Neuwahlen zum Landesvorstand wurde der Vorsitzende Hartmut HILDEBRANDT, Bruchsal, in seinem Amt bestätigt. Das traditionelle Deutschlandtreffen der NPD, das am 1. Oktober 1994 in Boizenburg/Hagenow (Mecklenburg-Vorpommern) stattfinden sollte, wurde durch Verbotsverfügungen der zuständigen Behörden untersagt. Durch eine Reihe von medienwirksam inszenierten Auftritten gelang es DECKERT, sich selbst und die NPD der Öffentlichkeit zu präsentieren und eine Bedeutung vorzutäuschen, die der Realität keineswegs entspricht. Gestärkt durch das große Medieninteresse konzentrieren sich Aktivitäten und Außenwirkung der Partei immer mehr auf die Person des Bundesvorsitzenden. So wurde DECKERT am 20. November 1994 im Bereich der KZGedenkstätte Buchenwald bei Weimar von der Polizei angehalten und in Unterbindungsgewahrsam genommen. Er hatte die Gedenkstätte im Rahmen "politischer Spaziergänge" in Thüringen 58 aufsuchen wollen, obwohl die Direktion der Gedenkstätte vorab ein Hausverbot gegen ihn verhängt hatte. Unverändert bekennt sich die NPD und in besonderer Weise ihr Vorsitzender zu dem den "Holocaust" leugnenden "Revisionis"revisionistische" mus". Bereits am 13. November 1992 war DECKERT vom Ansichten Landgericht Mannheim wegen Volksverhetzung, übler Nachrede, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Aufstachelung zum Rassenhaß zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 10.000 DM verurteilt worden. Dieses Urteil wurde durch den Bundesgerichtshof (BGH) am 15. März 1994 aufgehoben und zur Neuverhandlung ans Landgericht Mannheim zurückverwiesen. In einer im Parteiorgan "Deutsche Stimme", Ausgabe 4/94, veröffentlichten Presseerklärung DECKERTs heißt es zur Entscheidung des BGH vom 15. März 1994: ,,... Ich bin froh darüber, daß es mir vergönnt ist, für eine objektive, wahrheitsgetreue Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung an einer solch historischen Entscheidung mitwirken zu dürfen... Der naturwissenschaftliche Widerspruch im Zusammenhang mit den gezeigten Gaskammern zur Vernichtung der Juden ist von nun an nicht mehr automatisch mit dem Straftatbestand der Volksverhetzung sowie der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verbunden ... Mit dieser BGH-Entscheidung wird es nunmehr möglich sein, die Wahrheit über das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz wissenschaftlich zu erforschen, bislang wurde jede Art Forschung seitens kompetenter Wissenschaftler von der Strafjustiz Staatsanwälten zugetrieben." Am 22. Juni 1994 wurde DECKERT vom Landgericht Mannheim in derselben Angelegenheit wieder zu einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie einer Geldstrafe in Höhe von 10.000 DM verurteilt. Das Gericht befand DECKERT der Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Beleidigung für schuldig. 59 Urteil gegen Für Aufsehen sorgte jedoch die Urteilsbegründung der Deckert Mannheimer Richter, die DECKERT als "charakterstarke, verantwortungsbewußte Persönlichkeit mit klaren Grundsätzen" bezeichneten. In einer erneuten Revisionsverhandlung hob der BGH am 15. Dezember 1994 auch dieses Urteil des Mannheimer Landgerichts auf und erklärte die Entscheidung teilweise für ungültig. Der Fall wurde zur Neuverhandlung an das Landgericht Karlsruhe verwiesen, das DECKERT am 21. April 1995 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilte. I Wahlen Im "Superwahljahr 1994" beteiligte sich die NPD sowohl an der Europawahl am 12. Juni als auch an den am gleichen Tag in Baden-Württemberg durchgeführten Kommunalwahlen. In Baden-Württemberg erzielte die NPD bei der Wahl des "Europäischen Parlaments" insgesamt 10.396 = 0,2 % der Stimmen und erreichte damit das gleiche Ergebnis wie im Bundesdurchschnitt. Ein Anrecht auf Wahlkampfkostenerstattung erwarb sie dadurch nicht. Bei den Kreistagsund Gemeinderatswahlen in BadenWürttemberg errang die NPD nur einzelne Erfolge. DECKERT konnte sowohl in Weinheim als auch im Rhein-Neckar-Kreis seine Mandate verteidigen. Nach einem Beschluß des "Kleinen Parteitags" am 26. Juni ] 994 in Penig bei Leipzig nahm die Partei wegen mangelnder Erfolgsaussichten an der Bundestagswahl erst gar nicht teil. Kandidaturen DECKERT kandidierte wie bereits in den vergangenen Jahren bei bei Bürgermeisterverschiedenen Bürgermeisterund Oberbürgermeisterwahlen in wahlen Baden-Württemberg, um bei Kandidatenvorstellungen für seine Ziele Propaganda zu machen. Erfolge waren dabei nicht zu verzeichnen. Vielmehr führte dieser "Aktionismus" zu parteiinterner Kritik. 60 4.3.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Stolberg Mitglieder: ca. 25 Baden-Württemberg (1993: ca. 15) ca. 150 Bund (1993: ca. 190) Publikation: "Einheit und Kampf Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN), die Jugendorganisation der NPD, verstehen sich als ein "politischer Aktionsverband, bei dem nicht lange gelabert, sondern gehandelt wird". Sie appellieren an die "geistige und volksbewußte Zusammengehörigkeit aller Deutschen" und fordern die "Einheit des Reiches". Die rechtsextremistische Grundhaltung der NPD-Jugend verdeutlicht u.a. ein den Rechtsstaat verunglimpfender Leitartikel in der Ausgabe 2-3/94 der JN-Publikation "Einheit und Kampf", in dem Handlungsperspektiven für junge "revolutionäre Nationalisten" aufgezeigt werden: "Der Terrorstaat reißt sich die Maske vom Gesicht. Hinter der Fassade von Menschenrechten, Selbstbestimmungsrecht und Wohlstand tritt die Fratze der Unterdrückung und Manipulation in all ihrer Verlogenheit hervor. Demokratische 61 Kontakte zu Die JN unterhielten auch 1994 Kontakte zu NeonationalsoziahsNeonazis ten und durchbrachen damit die offiziellen Abgrenzungsbe-schlüsse der NPD. So wurden beispielsweise bei der Gründungs-veran staltung einer neuen Kameradschaft in Stuttgart-Weilimdorf, die am 5. November 1994 von der Polizei vorzeitig aufgelöst wurde, auch JN-Mitglieder festgestellt. Daß die Betreiber des "Nationalen Info-Telefons" Franken JN-Funktionäre sind, ist ein weiterer Beweis für die enge Verzahnung beider Bereiche. Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang auch, daß 1994 die JN-Bundesgeschäftsstelle von Wuppertal nach Stolberg unter die Anschrift des ehemaligen Vorsitzenden der verbotenen "WikingJugend" (WJ), Wolfgang NAHRATH, verlegt wurde. Auch der von den JN initiierte "Europäische Kongreß der Jugend 1994" am 10. Dezember 1994 in Klingenberg (Bayern), an dem etwa 200 Rechtsextremisten aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Kroatien und den Niederlanden teilnahmen, läßt Rückschlüsse auf eine bundesund europaweite Vernetzung der "rechten Szene" zu. Auf dem Bundeskongreß am 3. September 1994 in Aßlar (Hessen) wurde mit Holger APFEL, Niedersachsen, ein neuer Bundesvorsitzender gewählt. Baden-Württemberg ist durch Michael WENDLAND, Leonberg, im JN-Bundesvorstand vertre ten, der im übrigen der Skinheadband "Noie Werte", Stuttgart, angehört. WENDLAND war auch Vorsitzender der neonazisti schen "Deutschen Sozialistischen Aktionsgemeinschaft" (DSA), die sich aufgelöst hat. ..Neugründung" des Der neuerliche Versuch einer organisatorischen Konsolidierung Landesverbands der JN Baden-Württemberg scheint erfolgreicher zu verlaufen als in der Vergangenheit. Nach mehreren Jahren der Inaktivität bemühten sich einige jüngere NPD-Mitglieder um eine Reaktivie rung ihrer Jugendorganisation. Die "Neugründung" des JN-Landesverbands fand am 27. August 1994 in Stuttgart statt. Michael WENDLAND wurde in den siebenköpfigen Sprecherrat gewählt. Der Hang der JN zu militanteren Verhaltensformen und das Wiedererstarken des Landesverbands Baden-Württemberg zeigte sich auch bei der Störung einer Veranstaltung anläßlich des "Tags der Heimat" des "Bundes der Vertriebenen" (BdV) am 62 11. September 1994 auf dem Stuttgarter Killesberg. Mitglieder der JN drangen in die Halle ein und enthüllten Transparente mit der Aufschrift "Verzicht ist Verrat". Daraufhin wurden sie von Ordnern aus dem Saal gedrängt und erhielten einen Platzverweis. 4.3.2 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Gründung: 1967 Sitz: Nürnberg Mitglieder: wenige Einzelmitglieder in Baden-Württemberg ca. 50 Bund (1993: 50) Publikation: "Vorderste Front" Der "Nationaldemokratische Hochschulbund" (NHB), die Studentenorganisation der NPD, ist in Baden-Württemberg seit Jahren völlig bedeutungslos. Lediglich in anderen Bundesländern können noch wenige Aktivitäten - wie Bundesschulungen - registriert werden. An der rechtsextremistischen Haltung der Vereinigung hat sich indes nichts geändert. Sie dokumentiert sich vor allem in Veröffentlichungen im Verbandsorgan "Vorderste Front". 4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Gründung: 1991 Sitz: Berlin Mitglieder: ca. 170 Baden-Württemberg (1993: ca. 150) ca. 900 Bund (1993: ca. 900) * Gründung Die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) entstand im Oktober 1991 aus der Vereinigung "Deutsche Allianz/Vereinigte Rechte" in Villingen-Schwenningen. Initiatoren dieser Parteigründung waren NPD-Funktionäre sowie einige ehemalige Mitglieder der DVU und der REP. Neben der Partei existiert weiterhin der "Förderverein Vereinigte Rechte". 63 Politischer Kurs Ihrem Selbstverständnis als "rechte" Einigungspartei entspre chend versucht die DLVH, "alle aufrechten Deutschen ungeachtet ihrer gegenwärtigen Parteizugehörigkeit zu einer Bewegung Bemühungen um zusammenzuschließen". Allerdings kam es 1994 nur zu vereinzel Einigung des ten Gesprächen mit anderen rechtsextremistischen Parteien und ..rechten" Lagers Organisationen - auch im europäischen Ausland. Konkrete Vereinbarungen wurden nicht getroffen. Die DLVH begrüßte die gemeinsame Erklärung von Dr. Gerhard FREY (DVU) und Franz SCHÖNHUBER (REP), gemeinsam der "linken Volksfront eine rechte Abwehrkraft" gegenüberstellen zu wollen und stellte sie als Erfolg eigener Bemühungen dar. Ihre verfassungsfeindlichen Aktivitäten hat die DLVH fortgesetzt. Zwar hat sie in ihrem Programm ein formales Bekenntnis zur frei heitlichen demokratischen Grundordnung abgelegt, jedoch ist die ses Bekenntnis angesichts interner Erklärungen und publizisti scher Äußerungen wenig glaubhaft. Danach strebt die Partei viel mehr eine politische und gesellschaftliche Ordnung an, die ihrer Struktur nach völkisch betont und biologisch begründet ist und rassistische Merkmale aufweist. Ihre fortgesetzte, überaus polemi sche Agitation gegen das "Bonner Parteienkartell", gegen demo kratische Politiker und staatliche Institutionen legt die Vermutung nahe, daß sie ein "System" errichten will, das den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten nur noch eine untergeordnete Rolle einräumt. DEUTSCHLAND! VEREINIGT liebe~es j EUCH! r L ODER Zkt"V*ß 1 verlassenes ge^ea^*0 INITIATIVE ZUH VEREINIGUNG DER RECHTEN AUS LlCBE ZUR HCMAT ^ DLVH CA 64 I Organisation Der DLVH gelang es auch 1994 nicht, ihren Parteiaufbau voranzutreiben. Die Gründung weiterer Landesverbände (derzeit insgesamt 9) unterblieb. Örtliche Schwerpunkte der Parteiarbeit sind schleppender weiterhin Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Parteiaußau mittlerweile auch Rheinland-Pfalz. l Publikation Vermutlich wegen finanzieller Schwierigkeiten stellte das offizielle Sprachrohr der DLVH, die "Deutsche Rundschau", das Erscheinen ein. Seit der Fusion mit der von Peter DEHOUST - Mitglied im Bundesvorstand der DLVH - herausgegebenen Monatsschrift "Nation und Europa"erscheinen beide Zeitschriften unter dem Titel "Nation und Europa - Deutsche Rundschau" seit April 1994 gemeinsam im Verlag "Nation Europa Coburg". I Aktivitäten Die Parteiarbeit beschränkte sich 1994 - neben der Beteiligung an verschiedenen Wahlen - auf wenige, insgesamt kaum beachtete Landesparteitag in Veranstaltungen. Dazu gehörte u.a. der 4. ordentliche LandesparEngen-Anselfingen teitag am 3. Juli 1994 in Engen-Anseifingen. Der geplante Bundesparteitag am 2. Oktober 1994 in Köln wurde durch den Polizeipräsidenten der Stadt Köln wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verboten. Der DLVH-Bundesvorstand reagierte in einem Rundschreiben an die Mitglieder auf das gegen die DLVH ergangene polizeiliche Veranstaltungsverbot so: Die Versammlungsfreiheit sei außer Kraft gesetzt, mit staatlicher Unterdrükkung auf "demokratische Herausforderungen" reagiert worden. Das Verbot sei "per Federstrich 'im freiheitlichsten Rechtsstaat, den es jemals auf deutschem Boden gab'", erfolgt. Alle Mitglieder wurden gebeten, "auf diesen Willkürakt gelassen zu reagieren". Wörtlich hieß es: " Wieder einmal ist unsere Demokratie von jenen geschändet worden, die sich so gern auf sie berufen ... Kein Terror wird uns beugen, kein Rechtsbruch unsere politische Position verändern." 65 Wahlen Im "Superwahljahr" 1994 kandidierte die DLVH weder bei der Europanoch bei der Bundestagswahl. Statt-dessen wurde eine Wahlempfehlung zugunsten der "Republikaner" abgegeben. Mandate in In Baden-Württemberg nahm die DLVH an den GemeinderatsKommunalund Kreistagswahlen am 12. Juni 1994 in drei Städten und parlamenten Gemeinden sowie in zwei Landkreisen mit eigenen Listen teil. Erwartungsgemäß errang sie in ihren Hochburgen Tuttlingen und Villingen-Schwenningen überdurchschnittliche Stimmenanteile. In Tuttlingen wurde der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende und jetzige Beisitzer im Bundesvorstand der DLVH, Martin MUßGNUG, wieder in den Gemeinderat gewählt. Das derzeitige Mitglied im Sprecherrat der DLVH, Jürgen SCHÜTZINGER, konnte in seiner Heimatgemeinde VillingenSchwenningen gleich zwei Erfolge verbuchen. Zum einen wurde er in den Gemeinderat der Stadt gewählt, zum anderen konnte er im Schwarzwald-Baar-Kreis ein Kreistagsmandat erringen. 5. Organisationsunabhängige rechtsextremistische Verlage in Baden-Württemberg Buchverlage Das Angebot des in Tübingen ansässigen und von Wigbert GRABERT geführten "Grabert-Verlags" umfaßt schwerpunktmäßig Bücher mit "revisionistischen" Inhalten. Daneben gibt dieser Verlag unter anderem die Vierteljahresschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" (DGG) heraus, die ebenfalls Zweifel am "Holocaust" publiziert. So heißt es dort in der "Besprechung" eines im Grabert-Verlag erscheinenden Buches, in welchem auch auf den "LEUCHTER-Report" Bezug genommen wird: "... Die Zeugen, welche die Vergasungen wo und wie auch immer gesehen haben, müssen sich irren. Keine einzige der vielen Zeugenbeschreibungen hält einer chemotechnischen Überprüfung stand." (DGG 3/94, S. 26) Wigbert GRABERT ist darüber hinaus Geschäftsführer des Mitte der achtziger Jahre gegründeten Tübinger "Hohenrain-Verlags". 66 Hierbei handelt es sich um ein Tochterunternehmen des "GrabertVerlags", zu dessen Standardprogramm Literatur mit rechtsextremistischem Inhalt gehört. * Zeitungsverlage Der von Ekkehard FRANKE-GRICKSCH geleitete "Verlag Publizierung Diagnosen" mit Sitz in Leonberg gibt das Monatsmagazin "revisionistischer" "CODE" heraus. In dieser Schrift werden neben Berichten zu Themen Politik und Wirtschaft auch "revisionistische" und ausländerfeindliche Beiträge veröffentlicht. So werden beispielsweise steigende Ausländerzahlen für das bewußte Schüren von Ängsten in der Bevölkerung genutzt: "Aber plötzlich, wie bei einer chemischen Reaktion, kann es passieren, daß sich die verschiedenen Gruppen ihrer unterschiedlichen Herkunft besinnen und aufeinander losgehen." ("CODE", 02/94, S. 14) 6. Mailbox-System THULE-Netz 1994 wurde das seit Herbst 1992 im Aufbau befindliche Mailboxbundesweites System THULE-Netz auf bundesweit 10 Mailboxen, die alle Informationsnetz untereinander vernetzt sind, erweitert. Drei von ihnen sind in Baden-Württemberg eingerichtet. Im THULE-Netz besteht die Mailboxeinheit (computergestütztes Mitteilungssystem mit Zwischenspeicherungsverfahren) aus einem Computer (meist einem Personal-Computer), einem Modem und der Kommunikationssoftware. Der Betreiber einer Mailbox (Systemoperator = Sysop) ist über das öffentliche Fernsprechnetz rund um die Uhr für die Benutzer (User) und Gast-User, die ebenfalls über PC, Modem und Software verfügen müssen, erreichbar. Das heißt, die User können jederzeit Informationen aus "ihrer" Box abrufen oder dort einstellen. Die einzelnen Mailboxen sind wiederum untereinander vernetzt und verfügen über dieselbe Struktur sowie gleichartige Mailboxsoftware. Sie tauschen ihre Nachrichten automatisch aus, so daß die Inhalte einer Box auch in den anderen Boxen des Netzes enthalten sind. 67 THULE-Netz Jede Mailbox ist in einzelne Themenbereiche, sogenannte Bretter untergliedert. Grundsätzlich sind hierbei zwei Arten zu unterscheiden: I persönliche "Bretter" oder "Postfächer", die ausschließlich ihren Besitzern zugänglich sind l öffentliche, meist thematisch gegliederte "Bretter", auf die alle User einer Box Leseund/oder Schreibzugriff haben Die Betreiber der THULE-Mailboxen streben nach eigenem Bekunden die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit mit folgenden Zielen an: 68 * Herstellung und Verfestigung der Kontakte zwischen "nationalen Gruppen" I Entwicklung einer Datenbank mit Informationen für "nationale Aktivisten" l Minderung des Verfolgungsdrucks durch das "System" durch die Bereitstellung von Kommunikationsmöglichkeiten, die nicht oder nur mit erheblichem technischen Aufwand ausgespäht werden können Gerade auf die Sicherheit des Netzes wird besonderer Wert gelegt. Wer sich an einer der Mailboxen beteiligen, das heißt, nicht nur als Gast die allen zugänglichen Informationen "mitlesen" möchte, muß sich als Benutzer registrieren lassen. Der Sysop entscheidet nach unterschiedlichen Gesichtspunkten über die Aufnahme eines neuen Users. Nur wer über entsprechende Kontakte verfügt und sich zusätzlich aktiv beteiligt, kann seinen Zugriffsbereich erweitern. Darüber hinaus wird für den Datenverkehr in den privaten "Brettern" ein konspirativer digitales Verschlüsselungsprogramm angewandt. Nur wer den entNachrichtensprechenden Schlüssel besitzt, kann die Nachrichten lesen. austausch Die rechtsextremistische Ausrichtung des THULE-Netzes zeigt sich insbesondere an der Beteiligung bundesweit bekannter Rechtsextremisten, z. B. als Sysop einer Mailbox. Die Betreiber der einzelnen Boxen sind allerdings darauf bedacht, keine Angriffspunkte für staatliche Maßnahmen zu liefern, insbesondere keine strafrechtlich relevanten Texte zu übermitteln. Dennoch wurden im Oktober 1994 erste Exekutivmaßnahmen gegen Betreiber von Mailboxen des THULE-Netzes durchgeführt. In Oftersheim, Kassel und Frankfurt am Main durchsuchten ExekutivPolizei und Staatsanwaltschaft die Wohnungen verschiedener maßnahmen Mailboxbetreiber und beschlagnahmten Hardund Software. Die Hausdurchsuchungen gründeten sich auf den Verdacht des Verstoßes gegen SS 130 a StGB (Anleitung zu Straftaten), SS 86 a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen), SS 130 StGB (Volksverhetzung) und gegen das Gesetz über jugendgefährdende Schriften (GjS). Die Beschuldigten hatten in ihren Boxen u.a. indizierte Computerspiele bzw. Tonträger mit indizierter Skinmusik angeboten. 69 7. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus Die internationale Verflechtung deutscher Rechtsextremisten und ausländischer Gesinnungsgenossen hat sich 1994 weiter verfestigt. Moderne Kommunikationsmittel wie Computermailboxen und die sogenannten Nationalen Info-Telefone leisten einen wichtigen Beitrag zur logistischen Vorbereitung von gemeinsamen Aktionen inund ausländischer Rechtsextremisten. Ein zentrales Großereignis war die sogenannte "Yser-Wallfahrt" am 27. und 28. August 1994 in Diksmuide/Belgien, das jährliche Treffen flämischer Nationalisten, bei dem sich regelmäßig auch rechtsextremistische Aktivisten aus fast allen europäischen Ländern zusammenfinden. Die Veranstaltung hatte in diesem Jahr einen weit geringeren Zulauf als in den Vorjahren. Aus Deutschland nahmen Anhänger der "Jungen Nationaldemokraten" (JN), der inzwischen verbotenen Organisationen "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) und "Wiking Jugend" (WJ) sowie unorganisierte Skinheads und weitere Rechtsextremisten teil. Treffen in Belgien, Bereits am 16. Juli 1994 hatten rund 60 deutsche und niederländiden Niederlanden sche Rechtsextremisten mit Parolen wie "Hoch die internationale und Spanien Solidarität" und "Nieder mit dem Systemterror" vor dem Bahnhof in Venlo/Niederlande demonstriert. Aus Protest gegen das harte Vorgehen der luxemburgischen Polizei anläßlich der "Rudolf-HESS-Gedenkkundgebung" vor der deutschen Botschaft in Luxemburg am 13. August 1994 demonstrierten ca. 40 Personen, darunter Mitglieder der FAP und niederländische Gesinnungsgenossen, am 1. Oktober 1994 in der Innenstadt von Maastricht/Niederlande. Eine Demonstration vor der luxemburgischen Vertretung in Den Haag war zuvor von den niederländischen Behörden verboten worden. Ein weiteres Treffen europäischer Rechtsextremisten fand anläßlich der Feierlichkeiten zum Todestag des spanischen Diktators FRANCO vom 18.-21. November 1994 in Madrid statt. An diesem Treffen nahmen wiederum Anhänger verschiedener rechtsextremistischer, vornehmlich neonationalsozialistischer Organisationen aus der Bundesrepublik Deutschland, darunter auch ehemalige Mitglieder der verbotenen "Heimattreuen Vereinigung Deutschlands" (HVD), teil. 70 1994 wurden insbesondere aus Kanada, Spanien, Großbritannien, Dänemark, der Schweiz, Österreich und den USA eine ganze Anzahl rechtsextremistischer Bücher, Zeitungen und Flugblätter überwiegend "revisionistischen" Inhalts in das Bundesgebiet eingeschleust. Die am widerwärtigsten agitierende ausländische Publikation war auch 1994 die Zeitung "NS-Kampfruf' der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslandsund AuflbauPropagandaorganisation" (NSDAP/AO) aus Lincoln/Nebraska (USA). material aus dem Zusammen mit zahlreichen Hakenkreuzaufklebern wird sie konspiAusland rativ aus den USA nach Deutschland verbracht, um hier von "Zellen" und Einzelaktivisten weiterverteilt zu werden. Derartiges Propagandamaterial, das häufig bei Schmierund Klebeaktionen verwendet wird, kann in den USA straffrei produziert werden. Über die wahren Absichten der NSDAP/AO wird kein Hehl gemacht: "Endziel unseres Strebens ist die Schaffung eines nationalsozialistischen Staates in einem freien, souveränen und neuvereinigten Großdeutschen Reich und die Errichtung einer Neuen Ordnung auf einer rassischen Grundlage in der ganzen arischen Welt." (NS-Kampfruf, Nr. 110/94) 71 Gegen den Leiter der NSDAP/AO, den US-Staatsbürger Gary Rex LAUCK, ist seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung u.a. bei der Staatsanwaltschaft Hamburg anhängig. LAUCK wurde am 20. März 1995 in Dänemark festgenommen und befindet sich seitdem in Auslieferungshaft. Kontakte bundesdeutscher Rechtsextremisten und Parteien zu Kontakte zu osteuropäischen Gesinnungsgenossen wurden 1994 weiter ausgeosteuropäischen baut. Sie haben jedoch aufgrund vielfältiger Dissonanzen zwiGesinnungsschen einzelnen Gruppen noch zu keinen erkennbaren Erfolgen genossen geführt. Eine Ausnahme bilden dabei die offensichtlich zielstrebigeren Kontakte des DVU-Vorsitzenden Dr. FREY mit dem Vorsitzenden der "Liberaldemokratischen Partei Rußlands", SCHIRINOWSKIJ. Außerdem kämpften im letzten Jahr etwa 30 deutsche Rechtsextremisten, darunter auch einige aus BadenWürttemberg, als Söldner an verschiedenen Fronten innerhalb des ehemaligen Jugoslawien. 8. "Revisionismus"-Kampagne Unter der selbstgewählten Bezeichnung "Revisionisten" versuchen inund ausländische Rechtsextremisten, Tatsache und Umfang des millionenfachen Mordes an Juden in der Zeit des Nationalsozialismus sowie die Schuld Deutschlands am "Zweiten Weltkrieg" zu vertuschen, zu leugnen oder wenigstens zu mindern. Mit Hilfe pseudowissenschaftlicher Gutachten soll dabei die These untermauert werden, eine Vergasung von Menschen sei in Auschwitz schon allein aus technischen Gründen gar nicht möglich gewesen. Ziel des "Revisionismus", der mittlerweile eines der wichtigsten Versuch der rechtsextremistischen Agitationsfelder darstellt, ist die RehabiliRehabilitierung des tierung des Nationalsozialismus, um ihn wieder "salonfähig" zu Nationalsozialismus machen. An dieser Kampagne sind sowohl deutsche wie auch ausländische Rechtsextremisten beteiligt. Im Verlauf des Jahres 1994 erlitt die Bewegung der "Revisionisten" allerdings einige Rückschläge. So zog es der US-Bürger Fred LEUCHTER vor, zu seinem für den 14. September 1994 festgesetzten Prozeßtermin in Mannheim nicht zu erscheinen. 72 Er war u.a. wegen Volksverhetzung angeklagt worden. Der durch seinen "LEUCHTER-Report" bekanntgewordene Amerikaner trat danach nicht mehr in Erscheinung. Der in Kanada lebende deutsche "Revisionist" Ernst ZÜNDEL hatte im Vorfeld bereits versucht, seine Anhänger zur Unterstützung LEUCHTERs zu mobilisieren. ZÜNDEL gehört seit Jahren zu den weltweit aktivsten "Revisionisten", seine GERMANIARundbriefe werden auch an bundesdeutsche Gesinnungsgenossen versandt. Der Bundes Vorsitzende der NPD, Günter DECKERT, der einen Vortrag von LEUCHTER auf einer Veranstaltung in Weinheim am 10. November 1991 übersetzt hatte, wurde am 13. November 1992 vom Landgericht Mannheim zu einem Jahr Haft zur Bewährung und einer Geldstrafe von 10.000 DM verurteilt. Aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft hob der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am 15.März 1994 das Urteil auf und verwies den Fall zur Neuverhandlung an das Landgericht Mannheim zurück. Dessen gleichlautendes Urteil vom 22. Juni 1994 sorgte wegen seiner wohlwollenden Begründung, die Sympathie für den Angeklagten erkennen ließ, bundesweit für Aufsehen. Am 15. Dezember 1994 wurde dieses Urteil durch den BGH teilweise für ungültig erklärt und an das Landgericht Karlsruhe zur Neuverhandlung weiterverwiesen. Aktivitäten des "revisionistischen" britischen Schriftstellers David IRVING, der noch 1993 als Vortragsredner innerhalb der bundesdeutschen "rechten Szene" aufgetreten war, wurden seit seiner Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland am 9. November 1993 im Bundesgebiet nicht mehr bekannt. Auch die beiden österreichischen "Revisionisten" Walter OCHENSBERGER und Gerd HONSIK konnten 1994 keine nachhaltigen Aktivitäten entwickeln. Beide waren 1992 nach Spanien geflüchtet. OCHENSBERGER wurde am 3. April 1993 nach Österreich abgeschoben, nachdem er in Kiel am 19. Februar 1993 festgenommen worden war. Nach Verbüßung einer zweijährigen Freiheitsstrafe wurde er am 20. Februar 1995 aus der Haft entlassen. HONSIK vertreibt aus Spanien weiter "revisionistische" Literatur u.a. nach Deutschland. 73 ..RUDOLFAus Großbritannien versendet ein bislang unbekannter HerausGutachten" geberkreis das sogenannte "RUDOLF-Gutachten" sowie die monatlich erscheinende antisemitische Hetzpostille "DEUTSCHLAND-Report". Die bis Anfang 1993 von Generalmajor a. D. Otto-Ernst REMER und danach von oben genanntem Personenkreis publizierte "REMER-Depesche" wurde eingestellt. REMER war wegen Leugnung des Holocaust durch das Landgericht Schweinfurt im Oktober 1992 zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt worden. Er entzog sich dem Haftantritt im März 1994 durch Flucht nach Spanien. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Schweinfurt hat einen Vollstreckungshaftbefehl mit der Bitte um Auslieferung international ausgeschrieben. Der in Dänemark lebende "Revisionist" Thies CHRISTOPHERSEN versandte auch 1994 rechtsextremistische Publikationen nach Deutschland. Am 20. September 1994 wurde eine Quartalsausgabe der Schriftenreihe "Die Bauernschaft" beschlagnahmt. Nach Pressemeldungen beabsichtigt CHRISTOPHERSEN, sich 1995 den bundesdeutschen Behörden zu stellen, was bisher noch nicht erfolgt ist. 74 9. Erscheinungsformen der sogenannten Neuen Rechten Der Begriff der "Neuen Rechten" steht bereits seit mehreren Jahrzehnten für eine diffuse und uneinheitliche Bewegung "rechter" Theoretiker und ihrer Anhänger, die sich ursprünglich aus einer ab 1968 in Frankreich auftretenden Denkschule unter ihrem damaligen Hauptakteur Alain de BENOIST zu einem europaweiten Phänomen entwickelt hatte. Inzwischen wird der Begriff der "Neuen Rechten" relativ wahllos als Sammelbegriff aller nur denkbaren Ausprägungen eines "rechten" bis rechtsradikalen Intellektualismus verwandt, der seine eigentliche Definition längst verloren hat. Die ursprüngliche "Neue Rechte" (Nouvelle Droite) fristet heute ein kümmerliches Dasein. Die Idee der sogenannten Neuen Rechten versteht sich heute insgesamt als ein Zusammenspiel von unterschiedlichsten "rechten", gelegentlich auch rechtsextremistischen Gruppierungen und Einzelpersonen, die sich oft auf quasi-intellektuellem Niveau inhaltlich austauschen, ohne selbst als eigenständige Organisation in Erscheinung zu treten. Sichtbar werden diese Gedanken inzwischen in einer kaum mehr überschaubaren Vielfalt von Zeitschriften, keine eigenständige Magazinen wie z. B. "NATION EUROPA", "JUNGE FREIHEIT", Organisation "CRITICON" u. a" Büchern und den Aussagen von Theoriezirkeln und Gesprächskreisen. Trotz unterschiedlichster Ausprägung und ohne klar umrissene Strukturen werden dabei intensive personelle und ideologische Kontakte untereinander, gelegentlich aber auch zu Vertretern demokratischer Parteien und Institutionen, gepflegt. Kristallisationspunkt ist dabei unter anderem der Antiliberalismus der "Konservativen Revolution" und ihrer Vertreter aus der Zeit der Weimarer Republik, darunter Carl SCHMITT, Arthur MOELLER VAN DEN BRÜCK und Edgar Julius JUNG. Diese intellektuellen "Rechten" verstehen sich als Vorreiter einer neuen Gegenrevolution innerhalb einer geistigen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit den Ereignissen und Entwicklungen der Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahr 1968. Anstatt auf Aktionismus und Parteipolitik setzen die Vertreter der "Neuen Rechten" auf das Plazieren von Stichworten und die Verankerung der damit verbundenen "neurechten" Gedanken im Beziehungsgefüge Staat - Gesellschaft. Träger sind dabei die bereits genannten Printmedien. 75 Dabei werden "linke" Theoriekonstrukte wie der Begriff der "Kulturellen Hegemonie" des italienischen Marxisten GRAMSCI übernommen und den eigenen Bedürfnissen angepaßt, um eine "geistige Vorherrschaft" in allen Gesellschaftsbereichen zu erreichen. Von besonderer Bedeutung für das "neurechte" Weltbild ist das Konzept des "Ethnopluralismus", mit dem Begriffe wie Volk und Rasse bisheriger rechter Theorien elegant umgangen werden. Insgesamt werden die Ideen der sogenannten Neuen Rechten in unterschiedlichster Weise von politischen Extremisten aufgenommen und umgesetzt. Eine direkte Einflußnahme oder gar Steuerung und Führung durch Vertreter der "Neuen Rechten" im Bereich des Rechtsextremismus, aber auch innerhalb der Gesellschaft, ist - wenn überhaupt - nur marginal erkennbar. Die Trennlinie zwischen "klassischen" Rechtsextremisten und der "Neuen Rechten" wird aber zunehmend brüchiger. Die antiliberale Grundhaltung verschiedener "rechter" Gruppierungen und ihre Versuche, den demokratischen Verfassungsstaat intellektuell zu delegitimieren, sind zwar bedenklich, sie bewegen sich jedoch noch unterhalb der Schwelle zum politischen Extremismus. Allerdings gilt es auch hier, die weitere Entwicklung aufmerksam zu beobachten. 76 Gewalt ist die falsche Wahl! Du hast die Wahl. Du mußt Dich enfscfieiden. Denn hinterläßt Wunden und führt wieder zu Gewali, Probleme kann man auf Dauer nicht durch Schläge Verständigung ist Deine Starke, Denn Worte sind lösen, Gewalt gegen Schwächere, Minderheiten, starker als die Gewalt. Und echte freundschaft gibt Ausländer und Randgruppen sind kein Zeichen von Dir me.hr als sogenannte Kameradschaft. Starke. Gewalt bringt Dich nicht weiter Gewall Verständnis und Fairneß müssen die Wahl sein. D i e Innenminister v o n B u n d u n d Ländern Weiteres .'nfo-Mater-fa,fearnifegirnBen öe$m histeri um des Ir.iern, Pcsifach ". 70? 90, 5310g Bann, angekraöi 4 * 77 C. LINKSEXTREMISMUS 1. Allgemeiner Überblick Die "Rote Armee Fraktion" (RAF) hat auch 1994 auf terroristische Aktionen verzichtet im Hinblick auf den von ihr angestoßanhaltende Krise enen Neuorientierungsprozeß. Die bereits im April 1992 verkünder RAF dete Zäsur dürfte längerfristig zu tiefgreifenden Veränderungen des RAF-Gefüges führen. Schon 1993 hatten sich das Unterstützerpotential und auch der Bereich der Inhaftierten in zwei - den neuen RAF-Kurs ablehnende bzw. befürwortende - Lager gespalten. Zusätzlich dürfte der ausdrückliche Verzicht der RAF auf die frühere Avantgarderolle und ihre freiwillige Einordnung als Teil einer zu schaffenden "Gegenmacht von unten" eine Auflösung bis dahin gültiger hierarchischer Strukturen zur Folge haben. Während sich die RAF noch immer in einer Neuorientierungsneue Terrorgruppe phase befindet, deutet sich eine Gefährdungsverlagerung auf eine seit 1992 auftretende terroristische Gruppierung an, die unter der Bezeichnung "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) nach eigenem Bekunden entschlossen ist, den alten, bis 1991 gültigen RAFKurs "bewaffneter Interventionen" fortzusetzen. 78 Mit 440 Personen (1993: 360) agitiert in Baden-Württemberg ein erheblicher Teil der bundesweit unverändert über 5.000 militanten leichter Rückgang Autonomen. Mit 41* linksextremistisch motivierten Gewalttaten linksextremistiwurden 1994 im Land kaum weniger registriert als im Vorjahr scher Gewalttaten (1993: 45). Dies entspricht nicht der bundesweit deutlich rückläuim Land figen Tendenz: Gegenüber 1.120 Gewalttaten im Jahr 1993 sank die Zahl 1994 auf 656*. Dies bedeutet einen Rückgang um 41,5 %. Fast gleichgeblieben ist im Land auch die Zahl der gegen "Rechte" gerichteten Gewaltaktionen: 16 (1993: 15). Bundesweit war hingegen ein Rückgang von 360 im Jahr 1993 auf 201* im Jahr 1994 zu verzeichnen. Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistisch-terroristischem Hintergrund in Deutschland im Zeitraum 1993 -1994 - Monatsvergleich - JAN FEB MRZ APR MAI3' JUN3' JUL4' AUG SEP5' OKT NOV DEZ " Die im Jahresbericht 1993 angegebenen Zahlen haben sich aufgrund von Nachmeldungen im Jahr 1994 erhöht 2 > Bearbeitungsstand: 31.12.1994 3 > Änderung des Artikels 16 GG; Brandanschlag am 29.5.1993 auf ein von türkischen Staatsangehörigen bewohntes Mehrfamilienhaus in Solingen 4 > Tod des türkischen Staatsangehörigen Halim Dener am 30.6.1994 in Hannover; Durchsuchung am 5./6.7.1994 bei mutmaßlichen Angehörigen der "Autonomen Antifa (M)" in Göttingen; Castor Transport 5) Entscheidung am 23.9.1993 über den Austragungsort der Olympischen Spiele im Jahr 2000 * Bearbeitungsstand: 2. März 1995 79 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistisch-terroristischem Hintergrund in Deutschland im Zeitraum 1993 -1994 - Tatartenvergleich " Die im Jahresbericht 1993 angegebenen Zahlen haben sich aufgrund von Nachmeldungen im Jahr 1994 erhöht z > Bearbeitungsstand: 31.12.1994 3 > 1993 = 1 vollendetes Tötungsdelikt 4 > Umfaßt Brandstiftung und alle Sachbeschädigungen unter Einsatz von Brandmitteln 5 > 1993 = 83 Fälle mit Körperverletzungen, 1994 = 50 Fälle mit Körperverletzungen Die deutliche Abnahme linksextremistisch motivierter Gewalttaten dürfte auf einen Mangel an "Reizthemen", den Rückgang der von Rechtsextremisten inszenierten Gewalt, eine deutliche Polizeipräsenz bei Demonstrationen, aber auch auf ein in der "Szene" verbreitetes Ohnmachtsgefühl bzw. eine gewisse Frustration zurückzuführen sein. Konsolidierung Die linksextremistischen Parteien haben sich 1994 konsolidiert. von DKP und Sowohl der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) als MLPD auch der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) ist es in Baden-Württemberg gelungen, ihren Mitgliederbestand etwa auf dem Niveau des Vorjahres zu halten (DKP: 600; MLPD: 700). 80 Mitgliedschaften in linksextremistischen Organisationen in Deutschland und Baden-Württemberg im Zeitraum 1992 -1994 1992 1993 1994 LINKS ExIran, ismus Land Bund Land Bund Land Bund Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Kernorganisationen1' 1.520 21.900 1.510 21.800 1.630 22.000 hiervon: DKP 650 ca. 7.000 600 6.000 600 6.000 MLPD ca. 700 1.700 700 2.000 700 2.300 Nebenorganisationen ca. 100 800 15 800 15 400 2 beeinfl. Organisationen ) 2.200 16.400 2.130 16.300 1.820 15.800 3 Anarchisten und sonstige ) ca. 250") 6.800 440 5) 6.700 540=) 6.700 Sozialrevolutionäre Mitgliedschaften insgesamt6) ca. 1.850 ca.29.000 1.965 ca. 29.300 2.185 29.100 M i t g l i e d e r Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften und Kinderorganisationen ca. 1.450 ca.28.500 1.915 ca.28.800 2.135 28.700 " Die mehrere tausend Personen zählende Anhängerschaft der "Kommunistischen Plattform" (KPF) in der PDS ist in dieser Übersicht nicht berücksichtigt 2) Einschließlich nichtkommunistischer Mitglieder " Das Mobilisierungspotential der "Szene" umfaßt zusätzlich mehrere tausend Personen 41 Gewaltbereite Autonome 5 > Gewaltbereite Autonome sowie RAF-Umfeldangehörige und Anhänger anarchistischer Organisationen 6 > ohne Mitglieder beeinflußter Organisationen 2. Linksextremistischer Terrorismus Die "Rote Armee Fraktion" (RAF) hat auch 1994 an ihrer im April 1992 angekündigten Aussetzung des "bewaffneten Kampfes" festgehalten. Sie ist im vergangenen Jahr lediglich mit einer weiteren Erklärung öffentlich in Erscheinung getreten in der Absicht, den von ihr angestoßenen Diskussionsprozeß um den Aufbau einer "Gegenmacht von unten" voranzutreiben. Während von der RAF 1994 keine konkrete Bedrohung ausging, vermehrte meldeten sich die "Revolutionären Zellen" (RZ) und ihre Aktivitäten der RZ Frauenorganisation "Rote Zora" im zurückliegenden Jahr mit militanten Aktionen zu Wort. Fest etabliert hat sich inzwischen die neue Terrorgruppe "Antiimperialistische Zelle" (AIZ). 81 2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 2.1.1 RAF-Kommandoebene Die von der "Roten Armee Fraktion" (RAF) 1992 in Gang gesetzte Strategiediskussion erbrachte bisher keine entscheidenden Fortschritte. Vor dem Hintergrund der bereits am 27. Juni 1993 Strategieerfolgten Festnahme von Birgit HOGEFELD sowie dem Bekanntdiskussion werden des Vordringens eines Informanten des Verfassungsschutzes bis zur RAF-Kommandoebene, das innerhalb des RAFUnterstützerbereichs eine tiefe Verunsicherung und nachhaltige Diskussionen ausgelöst hatte, sah sich die RAF veranlaßt, am 6. März 1994 mit einer weiteren Erklärung in die Debatte einzugreifen. Das 18seitige Schreiben war als Stellungnahme zu den seit der Verlautbarung vom 10. April 1992 zutage getretenen Widersprüchen und Irritationen im RAF-Umfeld, bei den Inhaftierten und der linksextremistischen "Szene" schon lange erwartet worden. In diesem Papier bezeichnete die RAF die Ereignisse "Kontakt zu dem VS-Bullen STEINMETZ, Ermordung von Wolfgang GRAMS und Verhaftung von Birgit HOGEFELD, Spaltung zwischen uns und einem Teil der Gefangenen aus der RAF" als Schwächung, Katastrophe und Folge auch eigener Fehler. Gleichzeitig machte sie deutlich, daß sie diese krisenhafte Entwicklung abzuschließen gedenke, "um überhaupt wieder den Blick nach vorne freizubekommen". Sie forderte erneut den Aufbau einer "Gegenmacht von unten" und eine "Neubestimmung auf gemeinsamer Basis". Hierbei bot sie an, "ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen". Seither hat sich die RAF nicht mehr zu Wort gemeldet. Es bleibt abzuwarten, wie die Illegalen der RAF die nach dem Richtungsstreit erfolgte Spaltung verarbeiten, und welche Konsequenzen sie letztendlich daraus ziehen. Die letzte Äußerung einer Vertreterin des neuen RAF-Kurses seit April 1992 stammt von Birgit HOGEFELD. In einer Erklärung zum Beginn ihres Prozesses am 15. November 1994 in Frankfurt am Main setzte sie sich weiter für den Aufbau einer "sozialen Gegenmacht" ein. Am Schluß dieser Erklärung hieß es: "Die, die denken, sie hätten uns in der Sackgasse, sollten sich nicht zu früh freuen. Sie sollten wissen, daß wir um uns selbst kämpfen werden. 82 Es wird keine Rückkehr zur alten Strategie als politisches Konzept geben, aber wir haben unser Recht auf Selbstverteidigung." 2.1.2 RAF-Inhaftierte Die Entlassung mehrerer Inhaftierter der RAF im Jahr 1994 wurde von allen Teilen des linksterroristischen Unterstützerspektrums in Baden-Württemberg mit Freude und Genugtuung aufgenommen. In besonderer Weise traf dies auf die Freilassung von Irmgard MÖLLER am 1. Dezember 1994 zu, die in erster Linie als Erfolg der jahrelangen Bemühungen des Unterstützerbereichs gewertet wurde. Einige Vertreter des hiesigen RAF-Umfelds sind jedoch der Ansicht, daß hier die "taktische Vorgehensweise" des Staats besonders deutlich werde. Einerseits entlasse er von Zeit zu Zeit einzelne Inhaftierte, andererseits gehe er weiterhin mit unverminderter Härte gegen Personen aus dem "politischen Widerstand" vor. Deutlich wird dies nach Ansicht der "Szene" an den Urteilen neue gegen Eva HAULE (28. April 1994) und Adelheid SCHULZ (5. Strafverfahren September 1994), sowie dem am 15. November 1994 eröffneten Prozeß gegen Birgit HOGEFELD. 83 2.1.3 RAF-Unterstützerbereich in Baden-Württemberg Nach der bereits 1993 im Rahmen des Richtungsstreits erfolgten Spaltung in zwei Lager gingen die teilweise heftigen internen Auseinandersetzungen in der "Szene" über die künftige Politik und den geforderten Aufbau einer "Gegenmacht von unten" auch 1994 weiter. Eine deutliche Polarisierung gab es bei Problemfeldern wie dem Vorgehen bei der Lösung der "Gefangenenfrage" sowie dem Stellenwert des "bewaffneten Kampfes" in der Auseinandersetzung mit "Imperialismus, Kapitalismus und dem Staat". Ein sogenannter Hardlinerflügel halt den "bewaffneten Kampf Auseinanderweiterhin für unabdingbar, während ein anderer Teil des Untersetzungen stützerbereichs Veränderungen auf politischem Wege für möglich erachtet. Gegen Ende des Jahres wurde deutlich, daß sich beide Lager bemühten, die bisher in aller Schärfe ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten zu versachlichen. Insgesamt war der baden-württembergische RAF-Unterstützerbereich 1994 in der Diskussion um die eigene Vergangenheit und insbesondere durch die "Aufarbeitung des Falls STEINMETZ" weitgehend mit sich selbst beschäftigt und führte nur wenige nach außen gerichtete Aktivitäten durch. Gemeinsam setzte man sich für die Belange der kurdischen PKK verbundener Gruppierungen und die "Freilassung der politischen Gefangenen" ein. In diesem Zusammenhang kam es am 10. Juni 1994 im Rahmen einer von RAF-Umfeldangehörigen bundesweit durchgeführten sogenannten Aktionskette "Freiheit für die politischen Gefangenen" auch zu einer spektakulären Demonstration vor der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim. 1994 waren ca. 60 Personen in Baden-Württemberg dem linksextremistischen/-terroristischen Unterstützerpotential zuzuordnen. Die regionalen Schwerpunkte liegen weiterhin in Stuttgart, Freiburg, Tübingen, Heidelberg und Karlsruhe. Innerhalb der Struktur dieses Personenkreises ergaben sich jedoch Veränderungen. So stellten z. B. einige langjährige Unterstützer ihre nach außen gerichteten Aktivitäten fast völlig ein, während andererseits neue Personen hinzukamen, die zum sogenannten Hardlinerbereich tendieren. 84 Daneben besteht noch ein nur schwer eingrenzbarer Personenkreis, der spontan und anlaßbezogen bereit ist, insbesondere Sozialrevolutionäre Forderungen terroristischer Gruppierungen zu unterstützen. 2.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Mit einer 38seitigen Broschüre vom Dezember 1993 unter dem Titel "Milis Tanz auf dem Eis" trat die Frauengruppe in den "Revolutionären Zellen" (RZ) - die "Rote Zora" - nach über fünf Jahren erstmals wieder in Erscheinung. In dieser Anfang 1994 auch in Baden-Württemberg verbreiteten Schrift bezeichnete sie ausdrücklich eine "illegale militante Organisierung" und eine "militante Politik" weiterhin als notwendig. Im Rahmen dieser Zielsetzung beschädigte die "Rote Zora" in der Nacht zum 13. Juni 1994 Fahrzeuge eines Lebensmittel-/Versorgungsunternehmens für Asylbewerberheime in Nürnberg und Anschläge Meilitz/Gera durch Sprengstoffund Brandanschläge. Die "Revolutionären Zellen" (RZ) befaßten sich in ihren Erklärungen und ihrer militanten Praxis auch weiterhin mit "Sozialrevolutionären Themenbereichen". Darunter verstehen sie neben der Abschaffung "imperialistischer" (patriarchaler) Machtstrukturen u. a. die Gebiete Gen-/ Biotechnologie, Atomwirtschaft, Rassismus, Asylund Flüchtlingsproblematik sowie den Bereich "Faschismus". In diesem Zusammenhang verübten RZ-Gruppierungen am 26. Oktober 1994 in Leipzig einen Brandanschlag auf zwei Lastkraftwagen eines Versorgungsunternehmens für Asylbewerberheime, bei dem Sachschaden in Höhe von ca. 250.000 DM entstand. Baden-Württemberg war 1994 von Gewaltaktionen der RZ nicht betroffen, obwohl auch im hiesigen linksextremistischen Spektrum ein der RZ-Ideologie nahestehender militanter Personenkreis existiert. So knüpfte die Taterklärung zu einem Brandanschlag auf zwei Lastkraftwagen einer Firma in Reutlingen vom 23724. Dezember 1994, bei dem ein Schaden von ca. 80.000 DM entstand, an die wieder verstärkte Kampagne der RZ gegen die Asylund Flüchtlingspolitik an. Dennoch kann dieser Anschlag den RZ nicht direkt zugeordnet werden. 85 2.3 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Die "Antiimperialistische Zelle" (AIZ), anfangs aufgetreten unter dem Namen "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia SHEHADA" (AIWZ), entwickelte sich inzwischen zu einer eigenständigen terroristischen Gruppierung. Sie setzte ihre Ende 1992 begonnene Anschlagsserie auch im vergangenen Jahr fort und bekannte sich zu dem Sprengstoffanschlag am 5. Juni 1994 auf die Kreisgeschäftsstelle der CDU in Düsseldorf sowie zu dem versuchten Sprengstoffanschlag am 26. September 1994 auf die Verschärfung der Landesgeschäftsstelle der F.D.P. in Bremen; dieser Sprengsatz Gefährdungslage konnte rechtzeitig entdeckt werden. Am 22. Januar 1995 verübte die AIZ in Wolfsburg einen Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Volkmar KÖHLER; dabei entstand Sachschaden im Eingangsbereich. In einer Erklärung wurde die Tat mit der früheren Funktion Dr. KÖHLERs als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wissenschaftliche Zusammenarbeit und seinem heutigen Amt als Vorsitzender der "Deutsch-Marokkanischen Gesellschaft" begründet. Zugleich wurde eine Verbindung hergestellt zu den Repressionen marokkanischer Behörden gegen die dortige "Fundamentalopposition" sowie gegen die aufständischen Sahrauis in der Westsahara. In ihren Erklärungen machte die AIZ, die "seit dem 22. April 1992 für einen militanten antiimperialistischen Aufbruch des Widerstands in der BRD kämpft", mehrfach deutlich, daß sie die von der RAF bis 1991 verfolgte Strategie - einschließlich Angriffe auf Personen - nach wie vor für richtig hält. In ihrem "Positionspapier" vom 6. November 1994 betonte sie, daß sie sich weiter dahingehend orientiere, "dort militant/bewaffnet anzugreifen, wo die brd-eliten ihre arbeitsplätz.e bzw. ihren Wohnsitz haben." In einer weiteren Erklärung vom 13. Februar 1995 ging die AIZ auf den Anschlag auf Dr. KÖHLER sowie die angebliche Rolle Deutschlands bei der Unterstützung der marokkanischen Führung in ihrem Kampf gegen oppositionelle Kräfte, insbesondere in der Westsahara, ein. Außerdem wurden Aussagen zum "militanten/ bewaffneten Widerstand" und "antiimperialistischen Kampf 86 gemacht sowie die Probleme von Kurden, islamischen Fundamentalisten und "Palästinensern", aber auch der "Gefangenen aus der RAF" thematisiert. Abschließend betonte die AIZ, an ihrer gewaltbereiten Linie - auch gegen Personen - festzuhalten: " wir finden es gut, wie sich seit september/oktober Ankündigung 1994 autonomer widerstand in der brd in verschiedenen weiterer aktionsformen konkretisiert hat. für relevante WiderstandsGewalttaten politik ist es notwendig, daß unterschiedliche aktionsformen einander ergänzen, es ist von uns bewußt gesetzt, daß zur erzeugung von politischem druck an den orten, an denen wir aktionen durchführen, räumlich und zeitlich begrenzt eine potentielle tödliche bedrohung entsteht." Aufgrund der sich zunehmend steigernden militanten Praxis und der neuerlichen Aussagen ist weiterhin mit objektund personenbezogenen Anschlägen der AIZ insbesondere gegen die Bereiche Politik und Wirtschaft zu rechnen. Im übrigen befaßte sich die Terrorgruppe u. a. mit den Themenbereichen Ausbau der Europäischen Union (EU), "menschenverachtende Politik gegenüber Migrantinnen und Flüchtlingen", "BRD auf dem Sprung zur militärischen/politischen Supermacht" sowie mit "sozialen Problemfeldern". Das Aufgreifen dieser Themen durch die AIZ wurde auch von Teilen des linksextremistischenAterroristischen Umfelds in Baden-Württemberg begrüßt. 3. Autonome und sonstige Anarchisten 3.1 Autonome Gruppen Mit zahlreichen Gewaltaktionen unterstrich die autonome "Szene" gewalttätige ihre unverändert kompromißlose Ablehnung des demokratischen FundamentalRechtsstaats. Autonome wollen ohne feste organisatorische opposition Zusammenhänge und ohne starre ideologische Vorstellungen "selbstbestimmt" leben und handeln. Da sie die Normen der Gesellschaft und jegliche Reglementierung durch den Staat ablehnen, kommen sie bewußt und gewollt immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Der alle Autonomen verbindende Haß gegen 87 das "System" findet in vielfältigen Aktionsformen, zu denen u. a. militante Demonstrationen, Sachbeschädigungen und Anschläge gehören, seinen Ausdruck. Nach Aussagen aus dieser "Szene" ist "Militanz ...für uns unverzichtbar, um radikale Inhalte und Forderungen durchzusetzen. Ohne militanten und bewaffneten Kampf wird es keine wesentlichen Veränderungen geben."("Radikal", Nr. 150, Juli 1994) Angriffsziele autonomer Militanz ergeben sich aus aktuellen politischen Problemfeldern. Unveränderter Schwerpunkt ist seit Jahren der Bereich "Antifaschismus". Im Rahmen der sogenannten antifaschistischen Selbsthilfe richten sich militante Aktionen in erster Linie gegen den politischen Gegner, gegen tatsächliche oder vermeintliche "Nazis", implizit aber gleichzeitig auch gegen den Staat. Nach Auffassung der Linksextremisten bringt das "herrschende System" zwangsläufig den "Faschismus" hervor. Daher müsse, wer den "Faschismus" bekämpfen wolle, auch dessen Ursachen bekämpfen: ..antifaschistische "Für uns ist Faschismus nur eine bestimmte Spielart des Selbsthilfe" imperialistischen Machtapparates ...Gegen Faschismus zu kämpfen, heißt also,das System zu bekämpfen, das eigentlich dahintersteht... "(aus dem Buch "Antifa") Ähnlich äußerte sich die Stuttgarter Gruppierung der "Antifa Jugendfront" in einem im Mai 1994 verbreiteten Flugblatt: " ... Daher darf sich antifaschistische Politik nicht nur gegen die Faschos auf der Straße richten, sie muß auch darauf hinarbeiten, die bestehenden Machtverhältnisse, die den Faschismus erzeugen, zu überwinden ..." Konkrete Anlässe für die von Autonomen so bezeichnete "antifaschistische Selbsthilfe" sind oftmals Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen und Parteien. Auch die Kandidatur von Parteimitgliedern der "Republikaner" bei den Bundestags-, Landtags-, Europasowie bei einigen Kommunalwahlen mobilisierte linksextremistische Gruppen. Es kam zu teilweise erhebli88 chen Störungen von Wahlveranstaltungen und zahlreichen Sachbeschädigungen durch Farbschmierereien und zerstörte Wahlplakate. In einer Kampagne "Stoppt Nazizeitungen" wurde versucht, den Verkauf "faschistischer" Zeitschriften in Buchhandlungen und an Kiosken zu unterbinden. In einigen Fällen richteten sich Aktionen aber auch gegen einzelne "Faschos" persönlich. Ein im Juni 1994 in Karlsruhe verbreitetes Flugblatt forderte: "Faschisten und Faschistinnen angreifen !! Für ein herrschaftsfreies Leben !!" Insgesamt ist es in Baden-Württemberg 1994 zu 16 (1993: 15) Gewalttaten gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten gekommen, im Bundesgebiet waren es 201 (1993: 360). Zu den Aktionsfeldern Autonomer gehören auch Themen regiona ler Relevanz. So kam es in Freiburg wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei sowie zu zahlreichen Sachbeschädigungen. Anlässe waren etwa das Richtfest für das Konzerthaus am 28. April 1994 sowie die Räumung eines 89 besetzten Hauses am 7. Juli 1994. Hintergrund dieser und anderer immer wieder aufkommender gewaltsamer Proteste ist die von der dortigen "Szene" seit Jahren erhobene Forderung nach einem "Autonomen Zentrum". Linksextremistische Gruppierungen, darunter auch gewaltbereite Autonome, solidarisierten sich außerdem vermehrt mit Unterstützern der in der Bundesrepublik Deutschland verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und beteiligten sich - teilweise maßgeblich - an Aktivitäten von Kurden. Der Bundesregierung wurde dabei "Beteiligung am Krieg in Kurdistan" vorgeworfen. Im übrigen widmete die autonome "Szene" der Ausländerund Asylverfahrensproblematik einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit. Für die Mobilisierung zu Aktionen von überregionaler Bedeutung werden persönliche Kontakte, Publikationen und sogenannte Infotelefone sowie elektronische Kommunikationsmedien (Mailboxen) genutzt. Letztere sollen außerdem zu einer stärkeren Vernetzung innerhalb der "Szene" beitragen. Das Gesamtpotential des gewaltbereiten autonomen Spektrums wurde 1994 in Baden-Württemberg auf etwa 440 (1993: ca. 360), im Bundesgebiet auf mehr als 5.000 (1993: über 5.000) Personen Potential der geschätzt. Zusätzlich ist anlaßbezogen ein nicht konkret einschätzAutonomen barer Kreis weiterer Linksextremisten jederzeit mobilisierbar. Örtliche Schwerpunkte in unserem Bundesland bilden Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und der Raum Tübingen/ Reutlingen. 3.2 Straftaten mit erwiesenem oder vermutetem linksextremistischem Hintergrund Im Jahr 1994 wurden in Baden-Württemberg 575 Straftaten mit linksextremistischem bzw. vermutetem linksextremistischem Hintergrund bekannt. Insgesamt zeigt sich eine deutlich rückläufige 90 Tendenz. Eine Vielzahl von Delikten wies nach wie vor einen "antihäufig "antifaschifaschistischen" und "antirassistischen" Hintergrund auf. Folgende stische.. Motivation Vorfälle in Baden-Württemberg sind beispielhaft zu nennen: I Am 6. Januar 1994 wurde eine Gaststätte in Hockenheim beschädigt (Schadenshöhe ca. 40.000 DM). Die Gewaltaktion war offenkundig aus Protest gegen eine dort geplante Vorstellung des NPD-Vorsitzenden DECKERT als Kandidat für die bevorstehende Bürgermeisterwahl begangen worden. I In der Nacht zum 16. Januar 1994 kam es in Mannheim zu schweren Krawallen, bei denen ein Sachschaden von rund 500.000 DM entstand. 38 Randalierer wurden vorläufig festgenommen. Vorausgegangen war ein Solidaritätskonzert zur Deckung der Prozeßkosten im Zusammenhang mit einer Hausbesetzung in Mannheim vom Mai 1993. I In der Nacht zum 5. Februar 1994 wurden auf dem Betriebsgelände einer Lebensmittel-Service-Firma in Schwäbisch Gmünd mehrere LKW beschädigt. Der Sachschaden belief sich auf ca. 8.000 DM. Am 7. Februar 1994 wurden ferner das SPD-Büro in Tübingen sowie ein Dienstgebäude der Polizei in Reutlingen beschädigt. Die drei Aktionen waren offenbar koordiniert worden. Ein "PROJEKT SOZIALE BEFREIUNG" übernahm die Verantwortung für diese gegen die "rassistische Flüchtlingspolitik" gerichteten Taten. * Am 20. Februar 1994 kam es in Ulm im Rahmen einer zunächst friedlich verlaufenen Demonstration gegen den Landesparteitag der "Republikaner" zu Ausschreitungen. Acht Personen wurden vorläufig festgenommen. I Am 26. Februar 1994 verübten unbekannte Täter in Tübingen einen Brandanschlag auf das Fahrzeug eines ehemaligen Kriminaldirektors. Der Schaden belief sich auf ca. 35.000 DM. Eine mehrseitige Erklärung nannte als Tatmotiv die NSVergangenheit des Betroffenen und forderte: "Bekämpft alte und neue Nazis! Schaut nicht weg! Greift ein!" * Am 18.März 1994 kam es in Stuttgart anläßlich einer Jubiläumsveranstaltung der "Republikaner" zu schweren 91 Ausschreitungen durch etwa 200 teils vermummte "Antifaschisten". Dabei wurden 15 Polizeibeamte verletzt, der Sachschaden betrug über 80.000 DM. 84 Personen wurden vorläufig festbzw. in Gewahrsam genommen. * Am 7. und 8. Juli 1994 entstand bei Ausschreitungen anläßlich der Räumung eines besetzten Hauses in Freiburg ein Sachschaden von ca. 20.000 DM. Mehrere Personen wurden vorläufig festgenommen. I In der Nacht zum 24. Dezember 1994 setzten unbekannte Täter zwei LKW einer Firma in Reutlingen in Brand, wodurch ein Schaden von etwa 80.000 DM entstand. In einer Taterklärung wurde der Anschlag damit begründet, daß die betroffene Firma als Sicherheitsunternehmen u. a. den "Abschiebeknast Rottenburg" bewache. Im Zusammenhang mit der im Mittelpunkt der Erklärung stehenden Verschärfung der Asylgesetzgebung wurde auch die Bezirksstelle für Asyl in Reutlingen genannt. Die Aktion - so hieß es - sei ein "Sandkorn im Getriebe der staatlich betriebenen Abschiebemaschinerie und ihrer Nutznießer". Die Taterklärung schloß mit der Parole: "Feuer und Flamme den Abschiebebehörden und denen, die davon profitieren". 3.3 Anarchistische Gruppen Der Agitation diverser anarchistischer Zirkel kommt nach wie vor nur geringe sicherheitsmäßige Bedeutung zu. Die anarcho-syndikalistische "Freie Arbeiterinnen Union" (FAU) propagiert geringe Bedeutung "direkte Aktionen" in Form von Besetzungen, Boykotts und Streiks, mit denen sie eine "herrschaftsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft" erreichen will. Die FAU unterhält in Baden-Württemberg Kontaktstellen in Göppingen, Kirchheim/Teck, Ludwigsburg, Stuttgart, Tübingen und Ulm. Die "Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei" (FAU/AP) und ihre Nebenorganisationen "Freie Arbeiter Union - Studenten" (FAUST) und "Schwarze Garde" treten verbal sehr militant auf, ihr Wirkungsgrad bleibt dennoch gering. Regionaler Schwerpunkt dieser nur von wenigen Aktivisten getragenen Gruppierung ist Heidelberg. 92 4. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder: ca. 600 Baden-Württemberg (1993: ca. 600) ca. 6.000 Bund (1993: 6.500) Publikation: "Unsere Zeit" (UZ) Die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) hat sich nach den schweren Mitgliederverlusten der letzten Jahre nunmehr auf einen "harten Kern" von überzeugten Marxisten reduziert und konnte im abgelaufenen Jahr erstmals ihr Mitgliederpotential auf dem Vorjahres-Niveau halten. Die politische und ideologische Zielsetzung orientiert sich nach unveränderte wie vor an dem anläßlich des 12. Parteitags am 16./17. Januar Zielsetzung 1993 in Mannheim beschlossenen Statut. Demzufolge sieht sich die DKP nach eigenem Verständnis "in der Tradition der marxistischen Arbeiterbewegung" und erstrebt letztendlich die revolutionäre Überwindung des bestehenden politischen Systems. In der Erkenntnis der gegenüber früheren Jahren schwächer gewordenen eigenen Position war die Partei verstärkt bemüht, parteiübergreifende Bündnisse zu initiieren. Dabei war man im Gegensatz zu früher jetzt auch bereit, ideologische Differenzen zurückzustellen, um einen gewissen Einfluß zu gewinnen oder zu erhalten. Im Bereich des "antifaschistischen Kampfes" und im Vorfeld der verschiedenen Wahlen konnte so zumindest zeitweise eine gewisse Annäherung an andere linksextremistische Gruppierungen erreicht werden. Ein - teilweise gegen den Widerstand der eigenen Basis - angeSuche nach strebtes Wahlbündnis mit der "Partei des Demokratischen SoziaBündnispartner lismus" (PDS) kam allerdings aufgrund der ablehnenden Haltung der PDS nicht zustande. Dennoch entschloß sich die DKP, die vorgesehene eigene Liste zu den Europawahlen am 12. Juni 1994 zugunsten der PDS zurückzuziehen, nachdem ein DKP-Mitglied 93 auf Platz 8 der PDS-Bundeshste gesetzt worden war. Obwohl damit keine reelle Chance auf ein Parlamentsmandat verbunden war, wurde diese Kandidatur von der DKP-Führung als Erfolg und zukunftsweisend dargestellt. Bei den gleichzeitig abgehaltenen Kommunalwahlen in BadenWürttemberg verfolgte die DKP verstärkt die Strategie einer Kandidatur mit "offenen" Listen, auf denen neben eigenen Bewerbern Mitglieder anderer linksextremistischer Gruppierungen und Parteilose kandidierten. Trotzdem mußte die DKP im Ergebnis schwere Verluste hinnehmen. So konnten von bis dahin insgesamt 4 Gemeinderatsmandaten lediglich 1 Gemeinderatssitz in HeidenWahlergebnisse heim sowie eines der beiden Mandate in Tübingen verteidigt werden. Das Gemeinderatsmandat in Mannheim ging - wenn auch relativ knapp - verloren. Ein zuvor bestehendes DKP-Kreistagsmandat in Tübingen konnte ebenfalls nicht gehalten werden. Nach dem Vorbild der Europawahlen verzichtete die DKP bei den Bundestagswahlen am 16. Oktober 1994 (bis auf eine Ausnahme im Wahlkreis Aalen-Heidenheim) zugunsten der PDS erneut auf eine eigene Kandidatur. Statt dessen rief sie die eigene Wählerschaft zur Stimmabgabe für die PDS auf, die ihrerseits der DKP einen Platz auf ihrer Landesliste einräumte. Diese Art einer Kooperation mit der PDS wurde dabei als die beste Alternative dargestellt, um "'linke' Politik zu gestalten". Gleichzeitig wurde aber mit Rücksicht auf die kritischen Stimmen in den eigenen Reihen die Eigenständigkeit der DKP weiter betont. Das für die "PDS/Linke Liste" positive Wahlresultat mit bundesweit 4,4 % der abgegebenen Stimmen galt der DKP dabei als Bestätigung für die Richtigkeit ihrer Taktik. Das günstige Ergebnis hat auch innerhalb der Mitgliedschaft zu einer höheren Akzeptanz des Annäherungskurses gegenüber der PDS geführt. Während die DKP im Jahr 1994 den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf die verschiedenen Wahlkämpfe legte, engagierte sie sich darüber hinaus - soweit es die personellen und finanziellen Gegebenheiten zuließen - beispielsweise in Solidaritätsaktionen für Kuba, agitierte zusammen mit anderen Gruppen gegen den Bau des "Jägers 90" sowie gegen UNO-"Blauhelmeinsätze" der Bundeswehr. Daneben beteiligte sie sich in begrenztem Umfang an der "Antifa"und Antirassismusarbeit. 94 Das innerhalb der Parteiorganisation drängendste Problem der Überalterung der Mitglieder konnte nach wie vor nicht gelöst werden. Insbesondere unter den Funktionären und Aktivisten sind noch immer relativ wenig Jüngere vertreten. Erschwerend kommt für die Partei in Baden-Württemberg hinzu, daß die Nachwuchsorganisationen "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und "Rote Peperoni" (ehemals "Junge Pioniere") im Land nicht mehr über flächendeckende funktionsfähige Strukturen verfügen. Des weiteren stellt sich für die DKP vermehrt das Problem, daß gerade jüngere Mitglieder offensichtlich in der PDS die attraktivere, reformwilligere, "moderne" und damit auch erfolgversprechendere Alternative sehen, um auch auf parlamentarischer Ebene politisch aktiv zu sein. Die "Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) hat in Baden-Württemberg bezüglich ihrer Mitgliederstärke und Mobilisierungsfähigkeit nach eigenen Angaben den Abwärtstrend der letzten Jahre gestoppt; die Mitgliederzahl hat sich bei derzeit ca. 1.700 stabilisiert (1993: 2.000). Über ihr Engagement in der Antifaschismusarbeit gelingt es ihr, teilweise neue und auch junge Mitglieder zu gewinnen und damit der lange Zeit überalterten Mitgliederstruktur entgegenzuwirken. Dem Aufschwung einzelner VVN-BdA-Kreisvereinigungen steht jedoch eine Schwächung oder Stagnation anderer Kreisvereinigungen gegenüber. Obwohl die VVN-BdA nach wie vor die mitgliederstärkste Organisation mit teilweiser linksextremistischer Beeinflussung in Baden-Württemberg ist, muß die Frage nach Art und Grad der Beeinflussung sehr differenziert betrachtet werden. Zwar ist auf der Führungsebene noch immer eine erhebliche linksextremistische Beeinflussung gegeben. Der Grad der extremistischen linksextremistische Einflußnahme und die daraus resultierenden jeweiligen Aktivitäten Beeinflussung auf Kreisebene und an der Basis stellen sich aber angesichts der Eigenständigkeit der Kreis Vereinigungen sehr unterschiedlich dar. Hinsichtlich des Engagements und der politischen Ausrichtung reicht die Bandbreite innerhalb der VVN-BdA dabei von lokaler Inaktivität über Abgrenzungsbemühungen gegenüber extremistischen Bestrebungen bis hin zur Einflußnahme oder gar Steuerung durch Linksextremisten. 95 Zum Beispiel wurde im August 1993 eine Jugendorganisation "Jugend-VVN" bei der Kreisvereinigung Offenburg gegründet, offensichtlich um dem Nachwuchsproblem zu begegnen und bei der Jugend an Attraktivität zu gewinnen. Am 8. Mai 1994 wurde dann in Karlsruhe mittels eines Werbeund Vorstellungsflugblatts die Gründung einer "VVN-BdA-Jugendantifa" bekanntgegeben, die sich im Vorfeld der Protestaktionen gegen die OB-Kandidatur des NPD-Vorsitzenden Günter DECKERT formiert hatte. Die "Jugendantifa" präsentiert sich hierbei als Organisation ohne hierarchische Strukturen, deren einzige Grundlage der "Antifaschismus" sei. Um eine gewisse Unabhängigkeit von der VVN-BdA zu betonen, soll mit dem Eintritt in die "Jugendantifa" ausdrücklich keine automatische Mitgliedschaft in der VVN-BdA verbunden sein. In den genannten Kreisvereinigungen Offenburg und Karlsruhe ist inzwischen - bedingt durch die jeweilige Gründung von Jugendorganisationen - ein zunehmender Einfluß von Angehörigen des Kontakte zu autonomen linksextremistischen Spektrums festzustellen. Die bisAutonomen her zu beobachtende Dominanz des "klassischen" dogmatischen linksextremistischen Einflusses - überwiegend vertreten durch die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) - ist damit nicht mehr allein vorherrschend. Inwieweit es aufgrund dieser Entwicklung zu Abspaltungen kommt, bleibt abzuwarten. Die Kreisvereinigungen der VVN-BdA sind auch hinsichtlich ihrer politischen Ausrichtung differenziert zu bewerten. Es existieren auch Kreisvereinigungen, die sich gegenüber extremistischen Bestrebungen abzugrenzen versuchen. Dies bestätigt, daß die VVN-BdA, die im übrigen vom Finanzamt Stuttgart als gemeinnützig anerkannt ist, ein Sammelbecken für Menschen ganz unterschiedlicher politischer Herkunft darstellt und daß sich in ihr bis heute zahlreiche Bürger engagieren, die keine Nähe zu kommunistischen Grundpositionen haben. 4.2 Linksextremistische Positionen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Die "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) wurde auch im Jahr 1994 in Baden-Württemberg - wie im Bund und in den anderen Bundesländern (mit Ausnahme Bayerns) - als "Prüffall" 96 behandelt. Die Gewinnung von Erkenntnissen über die Partei, ihre Strukturen sowie über die von ihr vertretenen politischen Positionen und programmatischen Aussagen beschränkt sich demzufolge auf die Auswertung von offen zugänglichem Material (z. B. Publikationen, Flugblätter). Deutliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen Verdacht bietet die innerhalb der PDS etablierte "Kommunistische Plattform" verfassungs(KPF). Eine Bereitschaft der Partei zur Distanzierung von diesem feindlicher marxistisch-leninistisch ausgerichteten Zusammenschluß ist nach Bestrebungen wie vor nicht erkennbar, obwohl sich die KPF offen zum langfristig angestrebten Ziel einer revolutionären Überwindung des bestehenden politischen Systems bekennt. In Baden-Württemberg ist es bislang noch nicht zur Gründung einer "Kommunistischen Plattform" gekommen, wenn sich auch einige Einzelmitglieder zu ihr bekennen. Im Land ist die PDS in jüngster Zeit verstärkt bemüht, durch die Schaffung von "Plattformen" ("Anarchistische Plattform in und bei der PDS", Plattform "Demokratischer Sozialismus") und Arbeitsgemeinschaften ("AG Junge Genossinnen", "AG BWK* bei der PDS") unterschiedliche "linke" und linksextremistische Strömungen einzubinden. Sie übernimmt zusehends die Rolle einer "Sammlungs"oder "Strömungspartei" für die verschiedenen - oft zersplitterten und teilweise konträre Auffassungen vertretenden - Gruppierungen des linksextremistischen Spektrums, indem sie ihnen ein Forum für ihre Positionen und Ideologien bietet. Die PDS nahm 1994 an zwei Wahlen (Europawahl vom 12. Juni 1994, Bundestagswahl vom 16. Oktober 1994) teil. Im Unterschied zur Bundestagswahl von 1990 trat die PDS diesmal auch mit Direktkandidaten in 19 der insgesamt 37 Wahlkreise in BadenWürttemberg an. Im Wahlkampf engagierte sie sich für eine Vielzahl von Themen, darunter Frauenemanzipation, "Sozialabbau", "Demokratieabbau", Ökologie, Bundeswehreinsätze im Ausland, Rassismus, Faschismus, Ausländerfeindlichkeit, Asylrecht. Wahlergebnisse der PDS Bund alte BundesBadenWahlländer (außer Berlin) Württemberg ergebnisse Europawahl 1994 4,7 % 0,59 % 0,51 % Bundestagswahl 1994 4,4 % 0,9 % 0,8 % * "Bund Westdeutscher Kommunisten" 97 Das Ergebnis der Bundestagswahl bedeutete für die PDS in Baden-Württemberg mit 0,8 %, verglichen mit dem Resultat der Bundestagswahl 1990 (0,3 % der Zweitstimmen), eine deutliche Steigerung ihres - wenn auch nach wie vor geringen - Stimmenanteils. Auf Bundesebene vermochte die PDS ihr Wahlergebnis von 2,4 % (1990) auf 4,4 % (1994) zu verbessern. Die Öffnung der Partei gegenüber Extremisten aus dem gesamten "linken" Spektrum spiegelte sich auch in der Kandidatenauswahl für die Landesliste der "PDS/Linke Liste" wider, die anläßlich der Bundestagswahl in Baden-Württemberg aufgestellt wurde. So wurde als Spitzenkandidat das Mitglied der linksextremistischen "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP), Dr. Winfried WOLF aus Köln, nominiert. Dieser erhielt in seinem Wahlkreis Karlsruhe-Stadt zwar nur 0,9 % der Erststimmen, konnte jedoch über die Landesliste in den Bundestag einziehen. Auf Platz 6 der Liste war mit einem langjährigen DKP-Funktionär ein weiteres Mitglied einer linksextremistischen Partei aufgestellt worden. In jüngster Zeit haben die Spannungen in der PDS-Landesorganisation, die mit etwa 180 von bundesweit ca. 123.000 Mitgliedern nur einen äußerst geringen Anteil von ca. 1,5 o/oo Richtungsstreit der Gesamtmitgliederzahl aufweist, erkennbar zugenommen. Insbesondere die Gründung der genannten AGen bzw. Plattformen weist auf einen sich verschärfenden Richtungsstreit zwischen den erstarkten extremistischen und den eher gemäßigten politischen Strömungen hin, die zu einer Zerreißprobe für die Partei führen können. 4.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Essen Mitglieder: ca. 700 Baden-Württemberg (1993: ca. 700) ca. 2.300 Bund (1993: ca. 2.000) Publikationen: "Rote Fahne", "Lernen und kämpfen" Erklärtes Ziel der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) ist seit ihrer Gründung im Jahr 1982 weiterhin der "revolutionäre Sturz der Diktatur der Monopol-kapi98 talisten" und die Errichtung einer "Diktatur des Proletariats". revolutionäre Nach ihrem Grundsatzprogramm bekennt sich die Partei unbeirrt ZielsetzMng zu den Lehren von MARX, ENGELS, LENIN, STALIN und MAO TSE-TUNG Der Schwerpunkt der Parteiaktivitäten liegt im westund im südwestdeutschen Raum. Die Organisation umfaßt Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirke, die einer "Zentralen Leitung" unterstellt sind. Das Zentralorgan der MLPD "Rote Fahne" wird wöchentlich Auf die aufgelegt. Als Anleitungsblatt wird außerdem monatlich die eigene Schrift "Lernen und kämpfen" (Luk) herausgegeben. Hinzu Kraft verkommen etliche Betriebsund Stadtzeitungen sowie das trauen! Jugendmagazin "Rebell" das als Sprachrohr des ansonsten kaum öffentlich in Erscheinung tretenden gleichnamigen Jugendverbands der Partei alle zwei Monate erscheint. Im Jahr 1994 setzte die MLPD ihre im Vorjahr begonnene Kampagne "Arbeitsplätze für Millionen" fort. Gleichzeitig startete sie eine "Offensive für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich". Im Vordergrund der Parteiarbeit stand die Beteiligung an der Bundestagswahl vom 16. Oktober 1994. Die MLPD kandidierte mit einem erheblichen finanziellen Aufwand in allen Bundesländern als "MLPD/Offene Liste". Hierfür wurden von ihr über 100 Kandidaten aufgestellt. Die Partei konnte insgeWahlergebnisse samt aber lediglich 10.254 Zweitstimmen (0.0 %) auf sich vereinigen. In Baden-Württemberg kandidierte die MLPD in 9 der 37 Wahlkreise. Das beste Ergebnis erzielte sie im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen mit 0,4 %. Von der MLPD beeinflußt ist weiterhin der nach außen als unabhängig auftretende Frauenverband "COURAGE". Dieser führte am 29./30. Oktober 1994 in Köln einen "Internationalen Kongreß" durch, der von MLPD-Mitgliedern unterstützt wurde. 99 4.4 Sonstige Organisationen Zu dem sich weiter zersplitternden Spektrum revolutionär-marxistischer Organisationen zählt noch eine Reihe sonstiger linksextremistischer Gruppen, von denen in unserem Lande nennenswerte Aktivitäten jedoch nur noch von folgenden Organisationen ausgingen: * "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK), dessen Anhänger zunehmend in der "Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS" aktiv werden. Von einiger Bedeutung ist unverändert der BWK-nahe GNN*-Verlag, in dessen Publikationen Beiträge eines breiten linksextremistischen Spektrums - vom RAF-Unterstützerbereich bis zu Unterstützergruppen der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) - erscheinen. I "Marxistische Gruppe" (MG), trotz angeblicher deren Organisation trotz der behaupteten Selbstauflösung vom Auflösung intakte Mai 1991 weiterhin funktionsfähig und intakt geblieben ist. Der Strukturen der MG Zusammenhalt der häufig in Wohngemeinschaften konzentrierten MG-Angehörigen besteht fort, mittels teilweise konspirativer Treffen werden die alten Strukturen erhalten. Als wichtiges Organ zur ideologischen Anleitung der Anhänger fungiert die politische Vierteljahresschrift "GEGENSTANDPUNKT". Die Publikation enthält zwar keinen direkten Hinweis auf die MG, sie muß ihr jedoch ohne jeden Zweifel zugerechnet werden. * "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP), deren Wirksamkeit allerdings weiter zurückgegangen ist. Die 1986 durch den Zusammenschluß der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) und der damaligen proalbanischen "Kommunistischen Partei Deutschlands/MarxistenLeninisten" (KPD) entstandene VSP ist nur noch selten in der Lage, sich im linksextremistischen Spektrum zu artikulieren. * verschiedene trotzkistische Vereinigungen Der im Bereich des Trotzkismus zu verzeichnende Aufwärtstrend ist in jüngster Zeit besonders auffällig. Einzelne Gruppierungen konnten sich personell nicht nur behaupten, sondern sogar neue Anhänger hinzugewinnen. 100 * "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung mbH" mit Sitz in Köln Rege Aktivitäten entfaltete die im November 1992 gegründete Aufwärtstrend trotzkistische Organisation "Jugend gegen Rassismus in trotzkistischer Europa" (JRE). Die Initiative zur Gründung war von der trotzkiVereinigungen stischen Gruppe "VORAN zur sozialistischen Demokratie e.V." ausgegangen, die sich im Mai 1994 in "Sozialistische Alternative VORAN" (SAV) umbenannte. Bei der JRE handelt es sich um eine bundesund darüber hinaus europaweit agierende Vereinigung mit Sitz in Köln. Nach eigenen Angaben arbeitet die JRE inzwischen im Bundesgebiet in mehr als 26 Orten mit etwa 1.000 Mitgliedern. In Baden-Württemberg trat die JRE u. a. in Stuttgart, Esslingen, Ravensburg, Ulm, Konstanz, Freiburg und Karlsruhe mit Flugblattverteilungen, Plakataktionen, Mahnwachen und - gelegentlich auch gewalttätig verlaufenen - Aktionen in Erscheinung. Die SAV versucht über ihre Tarnorganisation JRE, in demokratische Organisationen einzudringen und diese zu unterwandern. Ziel der JRE bleibt, in Deutschland - darunter in BadenWürttemberg - ein umfassendes Netz von Gruppen aufzubauen, in denen sich vorwiegend Jugendliche zu politischer Agitation zusammenfinden sollen. Die JRE wendet sich dabei an Studenten, Ziele junge Arbeiter, Jugendliche in Schulen, Betrieben, Gewerkschaften und Parteien, um sie "gegen Naziterror und Rassismus" zu mobilisieren und zu organisieren. Neben den Hauptaktionsfeldern "Rassismus" und "Faschismus" werden auch sozialpolitische Themen wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Sozialabbau sowie die Ausländerund Asylfrage aufgegriffen. In ihrer Praxis konzentriert sich die JRE auf die direkte Verhinderung "faschistischer" Aktivitäten "mit allen notwendigen Mitteln" sowie auf Selbstverteidigung gegen den "Faschismus auf der Straße", da der Schutz durch die Polizei versage. Die JRE bekennt sich im Zusammenhang mit ihrem Kampf gegen Rassismus und "Faschismus" dazu, eine "linke und antikapitalistische Organisation" zu sein. Sie versteht sich als "politische Gegenkraft", die dazu beitragen will, eine "politische Alternative" zu den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen zu schaffen. In diesem Sinne strebt sie an, mit anderen linksextremistischen, aber auch mit demokratischen Organisationen auf möglichst breiter Grundlage zusammenzuarbeiten. 101 D. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 1. Allgemeiner Überblick Die Bedrohung der inneren Sicherheit Deutschlands durch ausländische Extremisten hält an. Zwar hat sich die Anhängerzahl terroristischer und extremistischer Ausländerorganisationen seit 1990 kaum verändert, indes sind Umfang und Schwere der von ihnen neue verübten Gesetzesverletzungen 1994 erneut gestiegen. Dazu Aktionsformen gehörten unter anderem bisher nicht gekannte neue Aktionsformen wie bundesweite Autobahnblockaden. Der größte Teil dieser Straftaten ist wiederum kurdischen und türkischen Extremisten zuzurechnen, die auch künftig aufgrund ihrer immensen Gewaltbereitschaft besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß Kurden und Türken - wie überhaupt die in Deutschland lebenden Ausländer - in ihrer übergroßen Mehrzahl (99,3 %) gesetzestreue Bürger sind. Von den in BadenGefährderWürttemberg lebenden 1.255.000 Ausländern (Stand: 31.12.1993) potential in Badengehörten 1994 lediglich 8.070 (knapp über 0,6 %) extremistischen Württemberg Ausländerorganisationen an. In unserem Bundesland wurden 1994 421* politisch motivierte Straftaten von Ausländern bekannt. 102 * Bearbeitungsstand: 28. Februar 1995 Anhänger extremistischer bzw. extremistisch beeinflußter Ausländerorganisationen sowie sonstiges Gefährderpotential in Baden-Württemberg 1993 und 1994 ARABER IRANER "JUGOSLAWEN" KURDEN TÜRKEN SONSTIGE GESAMT #si&ita EXTREMISMUS 1994 1994 1994 1994 1993 1993 1993 1993 1993 1994 1993 1994 1993 1994 links160 175 130 140 40 40 740 740 860 885 50 50 1.980 2.030 extremistisch rechtsextremistisch - - - - 40 40 - - 2.000 1.700 - | - 2.040 1.740 religiösnationalistisch 310 330 35 30 - - - - 3.450 3.550 80 90 3.875 4.000 sonstiges Gefährderpotential - - - - 300 300 300 300 Gesamt 470 505 165 170 380 380 740 740 6.310 6.135 130 140 8.195 8.070 2. Kurden 2.1 Allgemeines Die Kurden sind ein Volk ohne eigenen Staat. Obwohl sie eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Kultur verbindet, sind sie bis heute als Minderheiten in mehreren Staaten beheimatet. Annähernd die Hälfte der rund 20 Millionen Kurden lebt in der Türkei, der Rest überwiegend im Iran, Irak und in Syrien. Daneben bestehen kleinere Gruppen auch in Armenien und Aserbeidschan. Einen rechtlich abgesicherten Minderheitenstatus, der es ihnen ermöglichen würde, zumindest ihre kulturelle Identität zu wahren, besitzen sie in keinem dieser Länder. Zahlreiche kurdische Organisationen streben daher - teilweise mit propagandistischen, aber auch mit aggressiven, gewaltsamen bis hin zu terroristischen und militärischen Mitteln - einen Autonomiestatus in ihrem jeweiligen Siedlungsgebiet oder sogar die Gründung eines eigenen Kurdenstaats an. 103 2.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die mit Abstand aktivste und militanteste kurdische Organisation ist die 1978 von Abdullah ÖCALAN gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Als straff organisierte linksextremistische miltanteste Kaderpartei operiert die PKK in der Türkei offen terroristisch. Kurdenvereinigung Ihre Guerillaorganisation, die "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK), forcierte ihre militärischen Angriffe im Südosten der Türkei. Den türkischen Sicherheitskräften ist es trotz intensiver, auch militärischer Bemühungen nicht gelungen, die PKK niederzuwerfen. Vielmehr kontrolliert die PKK inzwischen zeitweilig ganze Teile Südostanatoliens. Das rigorose Vorgehen der Sicherheitskräfte treibt die kurdische Bevölkerung offensichtlich immer stärker in die Arme der Guerilla. Daneben hat die Partei auch im Westen der Türkei Fuß gefaßt und bewiesen, daß sie landesweit zu Terroranschlägen bereit und fähig ist. Diese Anschläge treffen vor allem die Tourismusbranche als Hauptdevisenbringer der Türkei empfindlich. In Europa - insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland - hält die Partei unverändert an ihrem Ziel fest, die Kurdenproblematik notfalls mit Gewalt in das Interesse der Öffentlichkeit zu rücken und sich auf dieser publikumswirksamen Plattform als politischer Gesprächspartner zu empfehlen. gewaltsame Das vor dem Hintergrund mehrerer gewaltsamer Aktionswellen Aktionen am 26. November 1993 in Deutschland vollzogene Verbot der PKK hat den Handlungsspielraum der Partei bisher nicht entscheidend eingegrenzt bzw. beschnitten. Trotz des Verbots ist die militärisch straff organisierte und sich konspirativ verhaltende Vereinigung in der Lage, ihre Politik und ihr Vorgehen in Deutschland mit nahezu uneingeschränkter Intensität fortzuführen. Ihre teilweise geheimen Strukturen wurden zu keiner Zeit nachhaltig gestört, denn bereits vor dem Verbot hatte die PKK die Einrichtung neuer Vereine und Bundesorganisationen für den Verbotsfall angekündigt. Damit demonstrierte die PKK ungeniert, daß sie keinesfalls an Rückzug oder Mäßigung denkt. Ihr offensives, vielfach aggressives und gewaltgeneigtes Auftreten ist ungebrochen, offen signalisiert sie ihre Kampfbereitschaft. 104 Hinsichtlich der vom PKK-Verbot mitbetroffenen Teilbzw. Nebenorganisationen der Partei hob das Bundesverwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 6. und 15. Juni 1994 die vom Bundesminister des Innern angeordnete sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung vom 22. November 1993 gegen die Mitgliedsvereine der "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan) auf. Entscheidender Grund für die Aufhebung des Sofortvollzugs war, daß das Gericht die Eigenschaft der örtlichen Vereine als unselbständige Teilorganisationen des Dachverbands FEYKA-Kurdistan verneinte. Die Mitgliedschaft der Ortsvereine im Dachverband sowie die ihnen in der Satzung auferlegten Pflichten und die dem Dachverband eingeräumten Befugnisse genügten nicht zur Annahme einer organisatorischen Eingliederung im Sinne einer Teilorganisation. Die PKK wertete diese Entscheidungen als Sieg. Das vom Bundesinnenminister ausgesprochene Verbot habe das gewünschte Ziel nicht erreicht. Die PKK sei durch das Verbot nicht schwächer, sondern stärker geworden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verbots gegen die FEYKA-Kurdistan als Nebenorganisation der PKK wurde hingegen bestätigt. Auch der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen das Verbot des "Kurdistan-Komitees e.V." war erfolglos. Das Gericht erklärte, beide Organisationen hätten die PKK und die ebenfalls verbotene PKK-Propagandaorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) tatkräftig unterstützt und sich mit deren Verbote Gewaltaktionen in Deutschland solidarisiert. Kein Staat müsse gerichtlich sich gewalttätige Auseinandersetzungen von Ausländern auf seibestätigt nem Territorium gefallen lassen. Da PKK und ERNK keine Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt haben, sind diese Verbote inzwischen rechtskräftig geworden. Obgleich die PKK als verbotene Organisation nunmehr mit einem Veranstaltungsverbot belegt ist, führte sie - weitgehend unter Tarnung durch andere Organisationen - auch 1994 Feiern und Aufzüge anläßlich des traditionellen "NEWROZ-Festes" (21. März) durch. Außerdem fand vom 21. - 28.März 1994 eine von der Parteiführung beschlossene "Aktionswoche" statt, in der die PKK in bislang nicht dagewesener Intensität und mit neuen Aktionsformen die "Kurdenfrage" in den Blickpunkt der deutEXTREMISMUS schen und internationalen Öffentlichkeit zu rücken versuchte. 105 AutobahnNeben Großveranstaltungen und Fackelzügen kam es dabei am blockaden 22. März 1994 bundesweit zu Autobahnblockaden, von denen auch Baden-Württemberg betroffen war. Bei diesen zentral gesteuerten, etwa zeitgleich durchgeführten Protestaktionen war teilweise ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft festzustellen. Durch intensive Vorkontrollen, dem verstärkten Einsatz beweissichernder Maßnahmen sowie konsequenter Strafverfolgungsmaßnahmen gelang es der Polizei, mehrere kurdische Gewalttäter festzunehmen. Die Selbstverbrennung von zwei Parteiaktivistinnen auf einer Mannheimer Neckarinsel aus Anlaß der NEWROZ-Feierlichkeiten nutzte die Partei propagandistisch geschickt aus und stilisierte sie zu Märtyrerinnen. Eine daraufhin für den 27. März 1994 in Großkundgebung Mannheim geplante europaweite Großkundgebung der Partei, zu in Mannheim der bis zu 50.000 Teilnehmer erwartet wurden, verbot die Stadt wegen der zu erwartenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Trotz intensiver polizeilicher Vorkontrollen gelang es jedoch nahezu 10.000 Kurden, sich überwiegend friedlich in der Mannheimer Innenstadt zu versammeln. Grundsätzlich rechtfertigte die PKK ihre Vorgehens weise in Deutschland als legitime Reaktion auch auf die Politik der deutschen Regierung. Kani YILMAZ, der Europavertreter der ERNK, bot Deutschland in .einem Fernsehinterview im Namen ÖCALANs eine Vermittlerrolle an. Gleichzeitig erklärte er aber, Deutschland müsse aufhören, das kurdische Volk an der Ausübung seiner Rechte (Demonstrationen, Kundgebungen etc.) zu behindern, da andernfalls die Aktionen weitergingen. 106 Die der PKK nahestehende türkischsprachige Tageszeitung "Özgür Ülke" (Freie Heimat) veröffentlichte am 9. Juni 1994 eine Erklärung der Europavertretung der ERNK, in der die "deutsche Regierung" beschuldigt wurde, dem kurdischen Volk gegenüber feindlich gesinnt zu sein. Die Bundesregierung, deren Haltung als "Kriegserklärung" Agitation gegen die ausgelegt wurde, werde deshalb im Inund Ausland "passende" Bundesregierung Antworten erhalten, wenn sie von dieser Haltung nicht abgehe. Dies müsse als sehr ernste Warnung verstanden werden. Die Feindseligkeit der deutschen Regierung komme einer direkten Beteiligung am Völkermord gleich, den der türkische Staat betreibe. Wörtlich hieß es: " Wir haben Deutschland seit langem gemahnt und aufgerufen, von dieser Haltung abzusehen ...Deutschland hat kein Recht auf seine Feindseligkeit, und vor allem hat es kein Recht, dem kurdischen Volk zu sagen, was es vorziehen soll ...Wenn Deutschland Freundschaft will, dann gelangen wir zur Freundschaft. Wenn es andernfalls beharrlich daran denkt, uns den Krieg zu erklären, dann akzeptieren wir diesen Krieg und werden im Jn-und Ausland reagieren. Und wenn Deutschland glaubt, daß es uns mit diesen Methoden in die Hand bekommen wird, dann irrt es. Wir sind stark genug, um auch in Deutschland 1.000 Märtyrer zu opfern." Abschließend erklärte die ERNK, das kurdische Volk und die PKK würden ihr Recht auf Verteidigung nutzen. Die PKK wiederhole ihren Aufruf zum Dialog, erkläre aber auch ihre Entschlossenheit, den von ihr geführten "nationalen Befreiungskampf zu verstärken, koste es, was es wolle. Als Demonstration ihrer ungebrochenen Verbundenheit mit dem kurdischen Volk in Europa führte die Partei am 25. Juni 1994 in Frankfurt am Main eine Großkundgebung durch, an der sich nach Schätzung der Polizei etwa 50.000 Personen, überwiegend Kurden EXTREMISMUS aus Deutschland und benachbarten europäischen Staaten, beteiligten. 107 Offenbar als Reaktion auf den Tod eines jungen Kurden während einer polizeilichen Personenkontrolle am 30. Juni 1994 in Anschlagserie Hannover setzte in der Folgezeit - neben einer Serie von Demonstrationen und Kundgebungen - eine Welle von Anschlägen auf Polizeieinrichtungen und Einsatzfahrzeuge im gesamten Bundesgebiet ein, wobei es aber lediglich zu leichten Sachschäden kam. Gravierender ist hingegen eine Anfang 1994 begonnene und noch andauernde Serie von Brandanschlägen gegen türkische Lokale und Vereinsräume, deren Urheberschaft dem PKK-Spektrum zuzurechnen ist. Hintergrund dürfte die von der Partei verstärkt angeprangerte Beteiligung nationalistischer und islamistischer Kräfte in der Türkei als Element der dortigen staatlichen Repressionsmaßnahmen sein. Diese Gewaltwelle aufgreifend forderte ÖCALAN im August 1994 schließlich in der PKK-Monatszeitung "Serxwebun" (Unabhängigkeit) offen den Kampf gegen den "türkischen Faschismus". Dort hieß es u. a.: "Ist es schwierig, etwas Sprengstoff'in eine Fabrik zu werfen? Ist es schwierig, den Laden eines Faschisten, den Verein eines Faschisten, eines Nachts niederzubrennen? Wenn sich drei Jugendliche zusammentun, können sie ganz sicher einen Faschisten niederstrecken, ganz sicher einen Laden oder eine Fabrik niederbrennen, an hundert Stellen Waldbrände legen." 108 Im Zusammenhang mit dem Vorgehen des türkischen Militärs gegen die kurdische Zivilbevölkerung versuchte die PKK, vom 18. bis 27. August 1994 eine demonstrative Fahrradtour von Bonn nach Genf zu organisieren, wo zu dieser Zeit eine Tagung der Menschenrechtskommission der UN zum Thema "Selbstbestimmungsrecht der Völker" stattfand. Bereits anläßlich einer unter Auflagen genehmigten Auftaktkundgebung am 18. August in Bonn kam es zu Ausschreitungen durch die Teilnehmer. Nachdem etwa 30 PKK-Anhänger auf T-Shirts aufgedruckte Symbole der verbotenen ERNK gezeigt hatten, löste die Polizei die Versammgewalttätige lung auf und untersagte die Aktion. Im Zuge beweissichernder Ausschreitungen Maßnahmen kam es anschließend zu gewalttätigen Auseinanderanläßlich einer setzungen, in deren Verlauf mehrere Polizeibeamte und eine FahrraddemonDemonstrantin Verletzungen erlitten. Die Polizei nahm etwa 30 stration jugendliche Kurden in Gewahrsam. Annähernd 40 mutmaßliche Anhänger der PKK besetzten wenig später die Bonner Hauptpost. Bei der Räumung des Gebäudes wurden 97 Personen festgenommen. Daraufhin wurde die Fahrraddemonstration von den jeweils betroffenen Bundesländerndarunter Baden-Württemberg - verboten. Aus Anlaß des fehlgeschlagenen Aufzugs initiierte die Partei schließlich für den 23. August in Freiburg eine unter Auflagen genehmigte Kundgebung, bei der PKK-Parolen skandiert sowie ERNK-Fahnen gezeigt wurden. Nach Ende der Versammlung stellten sich die Fahnenträger demonstrativ an die Spitze der Personengruppe. Als die Einsatzkräfte versuchten, die Fahnen zu beschlagnahmen, wurden sie von Demonstranten mit Eisenstangen, Würgehölzern und Stahlkugeln angegriffen sowie mit Stühlen eines nahegelegenen Cafes beworfen. Zehn Polizeibeamte erlitten Verletzungen. Als alljährlicher "Höhepunkt" der PKK-Massenveranstaltungen "Kurdistan - fand am 24. September 1994 im niederländischen Landgraaf das Festival" "3. Internationale Kurdistan-Festival" statt, an dem sich etwa 50.000 Personen beteiligten. Als Hauptredner trat der ERNKFunktionär YILMAZ auf. Darüber hinaus wurde eine Ansprache ÖCALANs per Video über einen Großbildschirm eingespielt. Das Festival verlief insgesamt störungsfrei. Zu schweren Ausschreitungen kam es dagegen am 26. September 1994 in Mannheim, als trotz Verbots etwa 600 kurdische 109 Demonstranten versuchten, die Auftaktkundgebung für einen Solidaritätsmarsch kurdischer Frauen zum Europäischen Parlament (EP) in Straßburg zu erzwingen. Als Polizeibeamte einschritten, wurden sie sofort aus der Menge heraus mit Brandsätzen und Steinen beworfen. Demonstrationsteilnehmer schwenkten Fahnen mit ERNK-Symbolen und zeigten Bilder von ÖCALAN. Im Zuge der Auseinandersetzungen wurden vier Polizeibeamte von Demonstranten mit Benzin bespritzt, ein weiterer sollte angezündet werden. Die Polizei nahm insgesamt 340 Demonstranten in Gewahrsam. brutales Vorgehen Am folgenden Tag demonstrierten erneut mehr als 200 Personen gegen die Polizei vor dem Mannheimer Rathaus. Eine Gruppe drang in das Gebäude ein und forderte die Aufhebung der Verbotsverfügung, um den Marsch nach Straßburg doch noch durchführen zu können. Im weiteren Verlauf entriß ein Demonstrant einem Polizisten die Dienstwaffe und wollte auf den Beamten schießen, verletzte jedoch einen anderen Kurden. Die Polizei nahm den Täter fest. Er wurde Mitte Februar 1995 vom Landgericht Mannheim zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Zudem stellte die Polizei fünf Pkw mit Brandmitteln, Schlaghölzern und PKKbzw. ERNK-Symbolen sicher. Erneut wurden etwa 200 Personen festgenommen. Nach langen Verhandlungen mit Behördenvertretern wurden am 29. September 1994 250 Kurdinnen in bereitgestellten Bussen über Achern nach Kehl gebracht und reisten anschließend nach Frankreich aus. 110 Deutlich erhöht hat sich 1994 die Zahl bekanntgewordener Fälle von Spendengelderpressungen. In diesem Zusammenhang konnten durch die Einrichtung eines "anonymen Telefons" beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg und die koordinierende Arbeit der dortigen "Sonderkommission PKK" mehrere Personen identifiziert und festgenommen werden. Erstmals sind nun auch höhere Funktionäre in die Ermittlungen einbezogen. So kam es im Zeitraum Dezember 1994 bis März 1995 zu Festnahmen von drei Gebietsverantwortlichen für die Bereiche Mannheim, Stuttgart und Ulm durch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg Festnahme von wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen PKK-Funktionären Vereinigung (SS 129 a). Dennoch ist hier noch immer von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Die Verhaftung des ERNK-Funktionärs YILMAZ am 26. Oktober 1994 in London war Auslöser für neuerliche Aufzüge im gesamten Bundesgebiet, die größtenteils in Kreuzungsblockaden endeten. Am 20. November 1994 verbreitete die der PKK nahestehende "Kurdisch-Deutsche Presseagentur" (KURD-A) eine Erklärung von YILMAZ an das kurdische Volk, in der er seine Verhaftung als ein internationales Komplott bezeichnete, das "gegen das kurdische Volk, seinen politischen Führer und seine Bewegung gerichtet ist". Seine Aufgabe sei es nunmehr, dieses Vorhaben ohne einen Kompromiß bloßzustellen und zu vereiteln. Die in Europa lebenden Kurden rief er in diesem Zusammenhang dazu auf, "ihre Pflicht gegenüber dieser Ungerechtigkeit" wahrzunehmen. Weiter hieß es: "England und andere Staaten müssen dieses Problem lösen, bevor sie die Wut der kurdischen Nation auf sich ziehen." Ferner ermahnte YILMAZ Deutschland, das inzwischen seine Auslieferung beantragt habe, gerade in einer so kritischen Phase zur "Vernunft". Gleichzeitig forderte er einen politischen Dialog über den Kurdistankonflikt. Potential in BadenWürttemberg In Baden-Württemberg stützt sich die PKK auf einen harten Kern von derzeit mindestens 600 Personen. Darüber hinaus verfügt sie über ein stets mobilisierbares Sympathisantenpotential von mehreren tausend Kurden. Über zentrale Anlaufstellen in Freiburg, 111 Mannheim und Stuttgart sowie zahlreiche regionale Unterkomitees betreut sie ihre Anhängerschaft im Land. 3. Türken (ohne Kurden) 3.1 Allgemeines Ende 1994 verfügten die extremistischen türkischen Gruppen in Baden-Württemberg über eine Anhängerzahl von etwa 6.135 Personen (1993: ca. 6.300). Die Anteile der verschiedenen politischen Lager haben sich gegenüber dem Vorjahr erkennbar verschoben. Weiterhin geht von den im Heimatland terroristisch operierenden erhebliche Sicherrevolutionär-marxistischen Vereinigungen eine erhebliche heitsgefährdung Sicherheitsgefährdung aus. Sie sind aufgrund ihrer Gewaltbereitdurch revolutionärschaft und der zahlreichen ihnen zur Verfügung stehenden Waffen marxistische auch im Bundesgebiet von besonderer Brisanz. Daneben gingen Vereinigungen von ihnen auch die stärksten öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten aus. Bevorzugte Agitationsthemen bildeten die Forderung nach Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges, der Kampf gegen den "Imperialismus" sowie - auf Deutschland bezogen - die Ausländerpolitik, die Wirtschaftsund Militärhilfe an die Türkei und die angebliche Ausländerfeindlichkeit der deutschen Gesellschaft. Die islamistischen Türkenorganisationen als zahlenmäßig bedeutsamste Gruppe engagierten sich wie im Vorjahr vor allem für die Unterstützung der Muslime in Bosnien. Daneben spielt die Forderung nach Beseitigung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei weiterhin eine bedeutsame Rolle in der Agitation dieser Kreise. Die seit Jahren an Gewicht verlierenden extrem-nationalistischen Türken entfalteten 1994 nur noch geringe öffentliche Aktivitäten. Durch ihre propagandistische Unterstützung der türkischen Regierung im Kampf gegen die PKK entwickelten sie sich jedoch zu einem neuen Feindbild insbesondere kurdischer Separatisten. 112 3.2 Linksextremisten Die türkische "Neue Linke" präsentierte sich - wie schon in den vergangenen Jahren - vielfach gespalten und zersplittert. Die revo DEVRIMCI SOL lutionär-marxistischen Gruppen "Devrimci Sol" (Dev SolRevolutionäre Linke) und "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) zählten auch 1994 (neben der PKK) zu den militantesten Ausländerorganisationen. Beide setzen den bewaffneten Kampf in ihrem Heimatland zur Beseitigung der gegenwärtigen Staatsstruktur und zur Errichtung einer marxisti TÜRKISCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI/ MARXISTEN-LENINISTEN (IKP/M-L) schen Gesellschaftsordnung fort. Obwohl die Dev Sol bereits 1983 vom Bundesminister des Innern verboten wurde, zeigten ihre Anhänger - auch in BadenFlügelkämpfe Württemberg - konspirative Aktivitäten. Geschwächt durch erbit in der Dev Sol terte Flügelkämpfe gelang der Organisation jedoch kein nennens werter "Kampferfolg" zur Durchsetzung ihres Revolutionsziels. Vielmehr zerbrach die Dev Sol in zwei sich unversöhnlich gegen überstehende Lager. Die Festnahme und anschließende Inhaftie rung des langjährigen Führers der Dev Sol, Dursun KARATAS, am 9. September 1994 an der italienisch-französischen Grenze hatte bundesund landesweit zahlreiche Plakataktionen und kleinere Demonstrationen zur Folge, mit denen eine Auslieferung des Festgenommenen an die Türkei verhindert werden sollte. Die bereits im Jahr 1993 ausgebrochenen Kontroversen innerhalb der Dev Sol, die sich an der Person von KARATAS ent zündet hatten, setzten sich im Laufe des Jahres 1994 unverändert fort. Ein Ende dieser parteiinternen, auch bewaffnet ausgetragenen Auseinan dersetzungen ist nicht abzusehen. So Liberte pour wurde im Verlauf von Streitigkeiten Dursun Karatas zwischen Anhängern der beiden *-'idenospeuples Fraktionen am 6. November 1994 in Bergisch Gladbach (Nordrhein-Westfalen) DHKP-C erneut ein Dev Sol-Aktivist getötet, nachdem bereits im Mai 1993 in Berlin ein Angehöriger der Organisation erschossen worden war. 113 Neben den Bezeichnungen "Avrupa'da Dev Gene" (Revolutionäre Jugend in Europa), "Devrimci Sol Gücler" (Revolutionäre Linke Kräfte) sowie "Türkische Volksbefreiungspartei/ Front (THKP/-C) verwendet der KARATAS-Flügel seit der im Oktober 1994 erfolgten Umwandlung der Organisation in eine "Partei" mittlerweile auch den Namen "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/ Front" (DHKP/-C). Auch innerhalb der TKP/ML als der mitgliederstärksten OrganisaAuseinandertion der türkischen revolutionär-marxistischen Gruppierungen setzungen in der vollzog sich 1994 erneut eine Aufspaltung in zwei Lager. Anlaß TKP/ML waren kontrovers bewertete Vorwürfe gegen mehrere ZK-Mitglieder. Sie sollen in Rauschgiftgeschäfte mit der türkischen Mafia verwickelt gewesen sein. Selbst wenn die erzielten Gewinne zur Finanzierung des bewaffneten Kampfs herangezogen wurden, wurde dies doch überwiegend als Verstoß gegen die offizielle Parteilinie aufgefaßt. Als Folge der Festnahme eines Funktionärs der TKP/ML in der Türkei waren türkische Einrichtungen im Bundesgebiet im Dezember 1994 wieder Ziel von Anschlägen der Gruppe. In Baden-Württemberg wurden in diesem Zusammenhang Brandanschläge auf türkische Reisebüros in Ulm und Ludwigsburg verübt. Auch im abgelaufenen Jahr führte die Partei wieder ihre alljährliche Spen28. 05. 1994 C denkampagne durch. Dabei wurden offenbar mehrere Überfälle auf türkische Gaststätten und illegale Spielclubs verübt. Bei einem besonders gewaltsame spektakulären Angriff auf eine Gaststätte in Germersheim (Rheinland * SpendeneinPfalz) am 31. Dezember 1994 wurden drei der vier Täter, darunter treibuneen zwei in Baden-Württemberg wohnhaft, von einem Gast getötet. Im übrigen organisierte die TKP/ML zusammen mit ihren Basisorganisationen "Föderation der Arbeiter aus der Türkei 114 in Europa e.V." (ATIF) und "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa e.V." (ATIK) sowie deren Unterorganisationen mehrere Veranstaltungen in Baden-Württemberg, unter anderem in Mannheim und Heidelberg. Der ATIF und ATIK, die verstärkt bemüht waren, der ihnen zugedachten Vorfeldund Propagandafunktion gerecht zu werden, gelang es, zu einer Gedenkveranstaltung für den verstorbenen türkischen Schriftsteller Yilmaz GÜNEY am 11. September 1994 in der Universität in Tübingen etwa 5.000 Personen - darunter zahlreiche Sympathisanten der ATIK und ATIF sowie auch Anhänger anderer revolutionär-marxistischer Organisationen - zu mobilisieren. Unter den verschiedenen TKP/MLAbspaltungen besitzt die "Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten (Bewegung)" (TKP/MLHareketi) unter Sicherheitsaspekten die größte Bedeutung. Sie schloß sich im September 1994 mit einer weiteren türkischen Gruppierung zur "Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei-Gründung" (MLKP-K) zusammen. Das politische Programm der neugegründeten Partei betont die herausragende Rolle der "Avantgarde der Arbeiterklasse" und die "antiimperialistische" Zielsetzung. Die MLKP-K wird daher auch weiterhin die marxistisch-leninistische Linie der TKP/MLHareketi vertreten. Wie schon in den vergangenen Jahren engagierten sich auch 1994 die Anhänger der "Föderation der Türkischen Demokratischen VorfeldArbeitervereine in Deutschland e.V." (DIDF), der Vorfeldorgaorganisation nisation der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP), für die rechtliche Gleichstellung von Ausländern mit deutschen Staatsbürgern. Um diese Forderung durchzusetzen, veranstalteten beide Organisationen bundesweit Aktionstage. In diesem Rahmen führte die neugegründete, maßgeblich von der DIDF beeinflußte "Initiative für Demokratie und gleiche 115 Rechte" ihre ersten öffentlichen Aktivitäten durch. Dazu gehörten eine Saalveranstaltung am 28. Mai 1994 in Mannheim mit etwa 5.000 Personen sowie eine Kundgebung zum Thema "Ausländerwahlrecht" im Juni 1994 in Kehl. Ein Zusammenrücken der vielfältig aufgesplitterten linksextremistischen türkischen Organisationen ist zunehmend bei gemeinsamen Aktionen gegen das Vorgehen des türkischen Militärs in den kurdischen Gebieten um Tunceli (früher: Dersim) zu erkennen. Im Oktober 1994 protestierte eine geschlossene Front türkischer Linksextremisten und Kurden unter der Bezeichnung "Dersim Solidaritätskomitee" im Rahmen einer bundesweiten Kampagne mit Plakatund Sprühaktionen, Hungerstreiks sowie Demonverstärktes strationen - unter anderem auch in Stuttgart - gegen die Zusammenrücken "Vernichtung der Stadt Dersim durch den türkischen Staat". verschiedener Ferner führten verschiedene linksextremistische und kurdische Organisationen Gruppen unter Führung der Basisorganisationen der TKP/ML-H und der "Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V." (AGIF) mehrere Veranstaltungen durch, darunter eine große "Maifeier" in Mannheim, an der etwa 5.000 zumeist jugendliche Türken und Kurden aus dem gesamten Bundesgebiet und aus Westeuropa teilnahmen. 3.3 Türkische islamistische Vereinigungen Die islamistischen türkischen Extremistenorganisationen teilen mit ihren Gesinnungsgenossen aus anderen Staaten die ÜberzeuZiel eines gung, daß der säkulare und in religiöser Hinsicht pluralistische islamischen Staat von Übel sei. Als zentrales Anliegen gilt ihnen die AbschafStaates fung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei sowie die Einführung einer von ihnen definierten islamischen Rechtsordnung (shari'a). Da sie ihr Staatskonzept durch eine Religion mit universalem Anspruch legitimieren, sind auch ihre Vorstellungen einer zukünftigen Weltordnung universal. Daher kann diese Ordnung nur eine am "Islam" ausgerichtete sein. Zweifellos ist der "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) unter Führung des sich als "Stellvertreter des Propheten (Kalif)" verstehenden Cemaleddin KAPLAN* (Köln) der bekannteste Vertreter derart ausgerichteter Organisationen in EXTREMISMUS Deutschland. KAPLANS Versuch, sich zum "Beherrscher der 116 * am 15. Mai 1995 verstorben Gläubigen" zu küren, führte indes zur Spaltung innerhalb des Verbands. Die Dissidenten sind jedoch nicht weniger demokratiefeindlich als ihre Ursprungsorganisation, die sich nicht scheut, in - in deutscher Sprache verfaßten - Schriften zu erklären, daß "das demokratische Regime in der Wurzel, im Fundament und in seinen Folgen ... dem Islam in höchstem Maße zuwider" laufe. Zwar wurde KAPLAN durch Ordnungsverfügungen der Stadt Köln die politische Betätigung wiederholt untersagt. Dessen ungeachtet propagierte er im ICCB-Organ "Ümmet-i Muhammed" und verschiedenen Schriften in türkischer und deutscher Sprache die Ziele des von ihm ausgerufenen und präsidierten imaginären "Föderativen Islamstaats Anatolien" (AFID). Mitte des Jahres 1994 trat KAPLAN auch in einer Moschee in Stuttgart auf. In seiner Rede diffamierte er den Parlamentarismus antidemokratische als dem Islam widersprechende "Vielgötterei" und als ein Überzeugungen "ungläubiges System", zu dem die "Soldaten Gottes", also die "wahren Muslime", "Nein" zu sagen hätten. Die in über 20 Ortsvereinen in Baden-Württemberg organisierten Anhänger sind allerdings nach der Kalifatsproklamation in der Mehrzahl auf Distanz zu KAPLAN gegangen. In Baden-Württemberg dürften dem ICCB und seinen Abspaltungen etwa 700, bundesweit ca. 3.800 Personen angehören. Von ihrer Mitgliederzahl her ist die "Vereinigung der neuen Weltsicht e.V." (AMGT) die bedeutendste Islamisten-OrganisaE5AMGT tion in Deutschland. In ihren deutschsprachigen Verlautbarungen zahlenmäßig gibt sie sich nicht nur moderater als der ICCB, sondern beschreibt größte islamistisich selbst als Repräsentant eines liberalen und gemäßigten Islam. sche Vereinisung Bei verschiedenen Anlässen wird jedoch deutlich, daß sich die Vereinigung durchaus dem militanten islamistischen Lager verbunden fühlt und dessen Idee eines "religiös legitimierten Kampfes" (Djihad) gegen den "zionistischen Feind", den Staat EXTREMISMUS Israel, teilt. Gleichfalls fällt es den Propagandisten der AMGT 117 schwer, ihre Sympathien für die äußerst militanten Islamisten in Algerien zu verbergen. Ebenso unterstrich die Vereinigung durch ihre Präsenz beim Welt-Jerusalemtag am 12. März 1994 in Hamburg ihre Solidarität mit der libanesischen "Hizb Allah", die dem iranischen Regime verbunden ist und von diesem unterstützt wird. Zum Repertoire der AMGT gehört auch, ihre engen organisatorischen Verbindungen zu der türkischen islamistischen "Wohlfahrtspartei" (RP) unter deren Vorsitzenden Necmettin ERBAKAN zu leugnen. Jedoch tritt ERBAKAN immer wieder bei Großveranstaltungen der AMGT auf, so bei der Generalversammlung am 11. Juni 1994 in Antwerpen. Die Agitation der Feindbild Israel Vereinigung ist im übrigen geprägt von einer unverändert aggressiven und haßerfüllten Einstellung gegenüber den Juden und dem Staat Israel. Dafür stehen Aussagen im AMGT-Sprachrohr "Milli Gazette" wie diese, wonach "Juden die Quellen der bösen Taten" seien, "die sich nicht nur gegen das Volk Palästinas, sondern auch gegen die Menschheit richten". Christen und Juden dächten "ausschließlich über Pläne nach, durch die islamische Völker gegeneinander aufgehetzt werden sollen". Eigenen - vermutlich überhöhten - Angaben zufolge gehören der AMGT bundesweit etwa 30.000 Mitglieder an. In BadenWürttemberg dürfte sie über ca. 2.850 Mitglieder verfügen. 3.4 Extrem-nationalistische Organisationen Höhepunkt der Aktivitäten der Anhänger der extrem-nationalistischen "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF), die auch als "Graue Wölfe" bekannt sind, war 1994 der Jahreskongreß der Organisation am 26. November in Sindelfingen. Ansonsten trat die ADÜTDF im Lande kaum mehr öffentlich in Erscheinung. Zum Besuch des Kongresses konnten bundesund europaweit Jahreskongreß über 10.000 ADÜTDF-Anhänger und Sympathisanten mobilisiert werden. Neben einer Vielzahl von führenden Kadern befreundeter Organisationen war aus der Türkei auch der Vorsitzende der "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP), Alparslan TÜRKES, angereist. Während der Veranstaltung griff TURKES in scharfer Form die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) an und sprach sich für ein hartes und konsequentes Vorgehen gegen sie 118 aus. Auch gegen ERBAKAN und seine islamistische "Wohlfahrtspartei" (RP) polemisierte er ungewöhnlich heftig. Der aus Sicht der Vereinigung überaus positive Verlauf des Kongresses hat das Selbstbewußtsein der Organisation spürbar gestärkt. Nach Angaben des Generalsekretärs haben sich der Föderation seit dem letzten Kongreß europaweit weitere 41 neue Vereine angeschlossen, davon 24 in Deutschland. Mehrere Vereinsobjekte der ADÜTDF waren 1994 - insbesondere in den Sommermonaten - Ziel von Brandanschlägen, deren Hintergrund meist ungeklärt ist. So wurde beispielsweise das Gebäude des Mitgliedsvereins in Sindelfingen stark beschädigt. Eine mögliche Ursache könnte in der verschärften Konfrontation mit der PKK gesehen werden. Der ADÜTDF dürften in Baden-Württemberg etwa 1.700 Personen angehören. 4. Araber 4.1 Palästinenser Die in Baden-Württemberg auftretenden radikalen palästinensischen Widerstandsgruppen beharren auf ihrer Ablehnung des am 13. September 1993 zwischen Israel und der "Palästinensischen Befreiungsfront" (PLO) unterzeichneten Ghaza-Jericho-Abkommens und des Friedensprozesses im Nahen Osten. Auf zahlreiWiderstand gegen chen internen und öffentlichen Veranstaltungen wurden die Ghaza-JerichoPositionen von ARAFAT und seiner "AL FATAH" heftig kritiAbkommen siert. ARAFAT selbst wurden Verrat an der "palästinensischen Sache" und ein Ausverkauf palästinensischer Interessen vorgeworfen. Dagegen wird sein Vorgehen nur von einer kleinen Gruppe politisch gemäßigter Palästinenser befürwortet. Anläßlich des Massakers von Hebron am 25. Februar 1994, bei dem nach israelischen Angaben 29 Araber von einem jüdischen Fundamentalisten getötet wurden, führten linksextremistische Palästinenserorganisationen, teilweise zusammen mit Anhängern der "Moslembruderschaft" (MB) und ihres palästinensischen Ablegers "HAMAS", in Stuttgart Mahnwachen und eine 119 Großkundgebung durch. Unterstützt wurden sie dabei von Gesinnungsgenossen aus dem türkischen islamistischen Lager. Die revolutionär-marxistischen Organisationen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) und "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) bilden zusammen mit der islamistischen "HAMAS" sowie dem palästinensischen "Islamischen Djihad" (PIJ) den wohl zahlenmäßig größten und einflußreichsten Block innerhalb der insgesamt zehn Organisationen umfassenden "Ablehnungsfront". Durch zahlreiTerroraktionen che Gewaltaktionen in Israel und den von Israel besetzten Gebieten versuchte die "Ablehnungsfront", den israelisch-palästinensischen Friedensprozeß zu torpedieren. Sowohl die PFLP als auch DFLP entwickelten hierzulande wie in den Vorjahren rege interne Aktivitäten, hauptsächlich in Form regelmäßiger Mitgliederund Sympathisantentreffen oder Versammlungen in kleinen, zum Teil konspirativen Zirkeln. Sie dienten größtenteils der Indoktrinierung und Schulung der Parteianhänger. Mittels Verbreitung von Propagandamaterialien und Vorträgen der Führungskader bemühte man sich mit viel Engagement um Akzeptanz und Verbreiterung der Anhängerschaft. In diesem Rahmen beschworen die DFLP und PFLP in einem gemeinsam verbreiteten Programm die Fortsetzung des Kampfes um nationale Befreiung und ein Festhalten an der Option des Volksaufstands. Sämtlichen Formen der Normalisierung mit dem "zionistischen Feind" - sei es politisch, wirtschaftlich oder kulturell - solle Widerstand entgegengesetzt werden. In zahlreichen unter den Anhängern der radikalen, in der "Ablehnungsfront" zusammengeschlossenen Palästinenserorganisationen wurden wiederholt die Fortsetzung und Steigerung des bewaffneten Widerstands und die Fortführung des Volksaufstands (Intifada) auf der Basis eines erneuerten Kampfprogramms propagiert. In diesem Sinne äußerten sich auch DFLP-Parteifunktionäre, indem sie etwa z.T. öffentlich die Notwendigkeit betonten, den bewaffneten Kampf gegen Israel fortzusetzen, die Intifada von Deutschland aus finanziell zu unterstützen und alles zu tun, um den "Verräter ARAFAT" zu stürzen. 120 Protagonisten der PFLP machten in Baden-Württemberg gleichermaßen gegenüber der Parteibasis deutlich, daß die Organisation an ihrer unnachgiebigen Haltung gegenüber Israel unbeirrt festhält und auf ihren Maximalzielen eines palästinensischen Staats - mit Jerusalem als Hauptstadt - beharrt. Der Kampf gegen Imperialismus und Zionismus müsse fortgesetzt werden, eine Normalisierung der israelisch-arabischen Beziehungen dürfe es nicht geben. Die von den Leitern von PFLP und DFLP ergangenen Anweisungen zur Kooperation sind im Bundesgebiet offenbar schwerer durchsetzbar als im Nahen Osten, wo inzwischen eine "Zentrale vereinigte Führung der Demokratischen Front und der Volksfront" installiert wurde. 4.2 Arabische Islamisten Islamistische Organisationen aus unterschiedlichen arabischen Islam als Ländern sind auch in Baden-Württemberg vertreten. Gemeinsam politische Ideologie ist ihnen die Vorstellung der universalen Bestimmung "des Islam", der für sie vor allem als politische Ideologie auf alle drängenden Fragen in dieser Welt eine Lösung bieten soll. In örtlichen oder beruflich orientierten Zirkeln, wie z. B. in Studentenvereinigungen, agieren Vertreter der libanesischen schiitischen "Hizb Allah" (Partei Gottes) sowie der palästinensischen sunnitischen "HAMAS" (Bewegung des Islamischen Widerstands), die zur ebenfalls sunnitischen "Moslembruderschaft" (MB) gehört. Daneben existieren weitere MBGruppierungen aus verschiedenen Staaten. Es liegen Hinweise vor, wonach Vertreter der algerischen "Islamischen Heilsfront" (FIS) Unterstützung durch ihre Gesinnungsgenossen erhalten. Einig sind sich alle diese Organisationen in ihrer Verachtung und Abneigung gegen Ablehnung dessen, was sie als die Werte der westlichen Welt den "Westen" erachten. Einen bevorzugten Gegner sehen sie im Staat Israel, den sie als "Stellvertreter der USA" und Speerspitze in einem "neuen Kreuzzug des Westens" gegen die islamische Welt betrachten. Diesem Feindbild entsprechend werden friedliche Lösungen für den Nahen Osten verworfen, das Ghaza-Jericho-Abkommen und die Folgeverträge konsequent abgelehnt. Israel wird mit einem 121 "bösartigen Krebsgeschwür" verglichen, das nicht zu kurieren sei, sondern "vollständig auszumerzen ist". Integrationsbemühungen des Gastlandes werden in diesen Kreisen als - die islamische Identität bedrohende - Assimilationsversuche verdächtigt. Man rät, entsprechende Distanz zu wahren, da der "Ungläubige" neben "Exkrementen", "Hunden" und "Schweinen" eine Quelle der Verunreinigung darstelle. Federführend zeigte sich die "Hizb Allah" am 12. März 1994 bei der Demonstration anläßlich des Welt-Jerusalemtags (11. März 1994) in Hamburg. Dabei lehnte ein Funktionär aus BadenWürttemberg in seiner Rede - unter Berufung auf KHOMEINI - den Frieden zwischen PLO und Israel strikt ab. Anlaß zur Agitation bot den Aktivisten von MB und "HAMAS" der durch einen israelischen Extremisten begangene Massenmord an betenden Muslimen in der Moschee von Hebron. Anfang März 1994 kam es deshalb in Stuttgart zu einer Mahn wache sowie einer Demonstration und Kundgebung, an der sich etwa 200 Personen beteiligten. Jahreskongreß Vertreter und Sympathisanten von "HAMAS" trafen sich vom 17, von ..Hamas"bis 19. Juni 1994 in Heilbronn zum Jahreskongreß des "IslamiSympathisanten schen Bundes Palästina" (IBP), ihres offiziellen Vertreters in Deutschland. 5. Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien Die anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen in BosnienHerzegowina und die übrigen Nationalitätenkonflikte im ehemaligen Jugoslawien haben die in Baden-Württemberg lebenden ca. 240.000 Serben, Kroaten, Bosnier und Kosovo-Albaner nicht unberührt gelassen. Trotzdem haben sie sich 1994 überwiegend unauffällig verhalten. Die Angehörigen der einzelnen Nationalitätengruppen gehen sich nach Möglichkeit aus dem Weg. Sie wollen sich nicht der Gefahr aussetzen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder ausgewiesen zu werden. Für viele ist unser Land, wo sich die meisten eine sichere Existenz geschaffen haben, eine Art "Ruheraum", der ihnen die Möglichkeit bietet, Familienangehörige 122 und Freunde in der Heimat wirksam zu unterstützen. Bundesweit organisierte Kundgebungen der einzelnen Volksgruppen verliefen mit Ausnahme von Demonstrationen bosnischer Muslime friedlich: I Am 6. Februar 1994 demonstrierten in Hamburg ca. 600 Personen anläßlich des Artilleriebeschusses von Sarajevo. Vor den Generalkonsulaten der USA und "Rest-Jugoslawiens" kam es zu Ausschreitungen, bei denen Sachschaden entstand und ein Polizeibeamter verletzt wurde. I Bei Gewalttätigkeiten während einer Demonstration (800 Teilnehmer) am 21. April 1994 ebenfalls in Hamburg vor dem Generalkonsulat "Rest-Jugoslawiens" unter dem Motto: "Gorazde muß leben" wurden Polizeibeamte, Dienstfahrzeuge sowie unbeteiligte Passanten mit Steinen beworfen. Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der jeweiligen Rückgang Nationalitätengruppen sind 1994 weiter zurückgegangen (1992: der Auseinander95; 1993: 72; 1994: 40). Trotz dieser rückläufigen Entwicklung setzungen zwischen muß jedoch weiterhin von einem nicht zu unterschätzenden NationalitätenKonfliktpotential ausgegangen werden. Dies belegen beispielhaft gruppen folgende Straftaten: * Am 2. Januar 1994 wurden durch Brandstiftung in der Lagerhalle einer humanitären Organisation in Ulm gesammelte Hilfsgüter für Bosnien-Herzegowina im Wert von 100.000 DM vernichtet. Eine am selben Tag in einer Gaststätte in Neu-Ulm verbreitete Taterklärung enthielt diffamierende Äußerungen über Muslime. * Am 1. Februar 1994 detonierte am Pkw eines in Heilbronn lebenden Kroaten aus Bosnien-Herzegowina ein Sprengsatz, als dieser mit seinem Sohn wegfahren wollte. Beide wurden leicht verletzt. Es entstand Sachschaden in Höhe von 35.000 DM. I Im August 1994 wurde in Weingarten/Kreis Ravensburg am Pkw eines Moslems aus Bosnien-Herzegowina festgestellt, daß die Radmuttern am Vorderrad gelöst waren. Er war durch die Organisierung von Hilfstransporten nach Mostar bekannt geworden und hatte bereits Drohbriefe erhalten, die mit "Kroatische-USTASCHA-Organisation, Dr. Ante PAVELIC *" unterzeichnet waren. * PAVELIC war Führer der "USTASCHA" (Aufständische). Sie war die tragende politische Kraft im "Unabhängigen Staat Kroatien" (1941 - 1945). 123 Der seit dem Zerfall des Vielvölkerstaats Jugoslawien erkennbare Trend, daß die jeweiligen Nationalitätengruppen eigenständige VereinsgrünVereine gründen, setzte sich auch 1994 fort. So konnten allein in dungen Baden-Württemberg 50 Neugründungen registriert werden. Die Vereine grenzen sich strikt von denen anderer Nationalitäten ab. Ihre Hauptaktivitäten liegen in der Durchführung von FolkloreVeranstaltungen und Spendensammlungen, mit deren Erlös überwiegend die humanitäre Hilfe für die jeweilige Nationalitätengruppe in der Heimat finanziert wird. Die kroatischen Emigrantenorganisationen, für die BadenWürttemberg in der Vergangenheit stets einen Aktionsschwerpunkt bildete, haben ihre Aktivitäten praktisch eingestellt. Zu einer offiziellen Auflösung kam es bisher allerdings nicht, da die heute zumeist in Kroatien lebenden Funktionäre offensichtlich die Entwicklung im Heimatland abwarten wollen. Die kosovo-albanischen Emigrantenorganisationen wie die extremgeringe Aktivitäten nationalistische "Nationaldemokratische Liga der Albanischen von extremistiTreue" (N.D.SH.) mit Sitz in Donzdorf/ Kreis Göppingen und schen kosovodie linksextremistische "Volksbewegung von Kosovo" (LPK)* albanischen entwickelten nur noch geringe Aktivitäten. An einer von der LPK Gruppierungen organisierten Kundgebung am 22. Oktober 1994 in Bonn unter dem Motto "Anerkennung Kosovos als unabhängiger Staat" nahmen erstmals seit längerer Zeit auch wieder Vertreter der N.D.SH. und anderer kosovo-albanischer Vereinigungen teil. Trotz der in Baden-Württemberg lebenden großen Zahl von Menschen aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, die vom Krieg in der Heimat alle mehr oder weniger betroffen mögliches sind, liegen derzeit keine Hinweise auf geplante Gewaltaktionen Gewaltpotential mit politischem Hintergrund vor. Nicht zu unterschätzen ist jedoch ein etwa 300 Personen zählendes gewaltbereites Potential, das auch fanatische Einzelaktivisten aus den verschiedenen Nationalitätengruppen umfaßt, die situationsbedingt in der Lage sein dürften, Gewaltaktionen gegen "jugoslawische" Einrichtungen in Deutschland oder gegen Angehörige verfeindeter Nationalitätengruppen zu verüben. Letztendlich muß auch auf eine gewisse Anzahl von Anhängern kroatischer Emigrantenorganisationen hingewiesen werden, die 124 * früher "Volksbewegung für die Republik Kosovo" (LPRK) von der Politik ihres Heimatlands, insbesondere bei der Frage der Sicherung von Gebietsansprüchen Kroatiens in der von den Serben errichteten "Serbischen Republik Krajina", enttäuscht sind. Auch dieser Personenkreis könnte sich durchaus in die Lage versetzt fühlen, durch Gewaltaktionen auf seine Interessen aufmerksam zu machen. Nicht auszuschließen ist letztlich eine Rückkehr ehemaliger kroatischer Emigranten ins Bundesgebiet mit sicherheitsgefährdenden Auswirkungen. Schließlich könnte das in Deutschland geführte Verfahren gegen einen mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher sowie dessen Überstellung an den "Internationalen Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien" in Den Haag die Sicherheitslage beeinträchtigen. 6. Iraner Die Aktivitäten iranischer Organisationen in Baden-Württemberg waren auch 1994 sehr begrenzt. Innerhalb eines vielfältigen Spektrums der iranischen regimefeindlichen Gruppierungen zeigte die "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) die größte Initiative. Die Verfechter einer Ideologie, die eine Synthese schiitischer Islaminterpretation mit marxistischem Gedankengut erreichen soll, bilden die größte iranische Oppositionsorganisation und werden vom Regime in Teheran bekämpft. Bislang stellte die "Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V." (IMSV) ein Sammelbecken von PMOI-Anhängern dar. In jüngster Zeit wird das Bemühen der PMOI deutlich, auch ihr ideologisch distanziert gegenüberstehende Regimegegner unter dem Banner des "Nationalen Widerstandsrates Iran" (NWRI) zu sammeln. Die demonstrative Nominierung von Frau Maryam RAJAWI zur künftigen Präsidentin des Iran und die besondere Opposition gegen Rolle, die den Frauen innerhalb der Organisation zugeschrieben die iranische wird, sollen die Bemühungen der PMOI "um Freiheit und EmanStaatsführung zipation der Frau" betonen - "in scharfem Gegensatz zu der Frauenfeindlichkeit der Mullahs". Im Widerspruch zu dieser Selbstdarstellung stehen aber eine unübersehbare Militanz, ein grotesker Personenkult um das 125 Führungspaar RAJAWI und eine nur scheinbar pluralistische Zusammensetzung des NWRI. PMOI-Mitglieder treten in Baden-Württemberg in Tarnund Nebenorganisationen mit kulturellem Anspruch unter den verschiedensten Bezeichnungen auf, deren eigentliches Ziel jedoch darin besteht, hier lebende Iraner in ihrem Sinne zu beeinflussen. Insbesondere Heidelberg, Karlsruhe und Stuttgart sind als Zentren für derartige Aktivitäten anzusehen. Innerhalb einer weltDemonstration in weit in 16 Städten durchgeführten Aktion demonstrierten einige Bonn tausend PMOI-Sympathisanten am 21. Juli 1994 auch in Bonn. Daneben betrieben Aktivisten der PMOI in verschiedenen Städten Informationsstände oder traten als Straßensammler auf, wobei sie durch aggressives Vorgehen auffielen. Die "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) stellt in Deutschland das Organisationsforum der Befürworter der Islamischen Republik Iran dar. Allerdings ist die Organisation vorwiegend in den nördlicheren Bundesländern aktiv. 7. Sikhs Die Sikh-Bewegung, deren Anhänger seit Jahren einen erbitterten Kampf gegen die im indischen Bundesstaat Punjab eingesetzten Sicherheitstruppen führen, ist in den vergangenen Monaten geschwächt worden. Die Hauptursachen hierfür sind in Fahndungserfolgen der "Punjab-Police" gegen Sikh-Terroristen und ideologischen Differenzen unter den Führern der einzelnen SikhGruppierungen zu suchen. Ungeachtet dieser Schwächung verübten terroristische Sikhs in Indien dennoch zahlreiche SprengstoffZiel eines unabanschläge. Ziel der Sikhs ist die Schaffung eines unabhängigen hängigen SikhStaats Khalistan (Land der Reinen). Staates Bevorzugte Exilländer der Sikhs sind Kanada, USA und Großbritannien. Aber auch in Frankreich und Deutschland bemühten sich Aktivisten der extremistischen Gruppierungen wie der "Babbar-Khalsa International" (BK) und der in mehrere Flügel gespaltenen "International Sikh Youth Federation" (ISYF) um den Zusammenhalt ihrer Anhängerschaft. Sie hielten dabei enge Kontakte zu ihren Gesinnungsfreunden in aller Welt und unterEXTREMISMUS stützten die Kämpfer in der Heimat vor allem mit finanziellen 126 Mitteln. Hauptversammlungsorte der Sikhs sind die Tempel (Gurdwaras), in denen auch immer wieder "Märtyrerfeiern" für Sikh-Terroristen durchgeführt werden. Die bedeutendsten Zentren für die politisch extremen Betätigungen der Sikhs stellen die Stützpunkte in Tempel in Frankfurt am Main und in Köln dar. Weitere Tempel Badenexistieren in Duisburg, Leipzig, Mannheim und Stuttgart. Württemberg In Baden-Württemberg sind knapp 100, bundesweit ca. 600 Sikhs in Kleingruppen der BK und der ISYF organisiert. 8. Tamilen Mit unverminderter Entschlossenheit setzt die linksextremistische Ziel eines unabseparatistische "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) ihre hängigen sozialiBemühungen fort, einen eigenen unabhängigen sozialistischen stischen Staates Tamilenstaat im Nordosten Sri Lankas zu errichten. Zur Durchsetzung dieses Ziels führt die Organisation einen seit Jahren andauernden erbitterten Guerillakrieg gegen die überwiegend singhalesischen Regierungstruppen. Verhandlungsansätze scheiterten bisher an der fehlenden Kompromißbereitschaft beider Seiten. Um an die dringend benötigten Geldmittel des durch den "Befreiungskampf ständig wachsenden Finanzbedarfs zu gelangen, wurden die in Deutschland lebenden Tamilen von LTTE-Funktionären regelmäßig aufgefordert, den Kampf ihrer Landsleute in der Heimat durch Geldspenden zu unterstützen. Haupteinnahmequellen waren neben den zahlreichen Spendenaktionen auch Kultur-, Propagandaund Gedenkveranstaltungen, bei denen Propagandamaterial (Publikationen, Videokassetten, Schlüsselanhänger etc.) verkauft wurde. An diesen bundesweiten Versammlungen nahmen auch LTTE-Aktivisten aus EXTREMISMUS Baden-Württemberg teil. 127 Um gewalttätige Auseinandersetzungen sowie um die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ging es in einem vom Landgericht Stuttgart im Oktober 1994 gefällten Urteil: Verurteilung von Drei der "Deutschen Sektion" der LTTE zugerechnete Tamilen LTTE-Aktivisten wurden zu Geldstrafen verurteilt. Sie wurden für schuldig befunden, bereits Mitte bis Ende der 80iger Jahre an sogenannten Strafaktionen beteiligt gewesen zu sein. Durch solche Vorgehensweisen sollten die im Bundesgebiet lebenden Tamilen genötigt werden, Geldspenden zu leisten. Wegen vergleichbarer Bestrafungsaktionen hatte das Oberlandesgericht Stuttgart bereits im März 1989 drei LTTE-Funktionäre zu Freiheitsstrafen von 16 Monaten bis zu drei Jahren verurteilt. In Baden-Württemberg betätigen sich ca. 50 LTTE-Aktivisten in kleineren Zirkeln vor allem in den Räumen Stuttgart, Kirchheim/Teck und Ludwigsburg. Bundesweit muß in etwa von 500 Personen ausgegangen werden. 128 'ms ", DEN Vtöb< * Autobahnblockade durch Anhänger der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) am 22. März 1994 (BAB 5, Anschlußstelle Walldorf) 129 E. SPIONAGEABWEHR 1. Allgemeiner Überblick Die anhaltende politische Instabilität Rußlands, das "Comeback" der ehemaligen Kommunisten in mehreren Staaten Osteuropas sowie der zunehmende Gegensatz zwischen dem christlich-abendländischen Kulturkreis und einem z. T. militanten Islamismus Deutschland verdeutlichen, daß auch 1994 keine Konsolidierung der sich seit weiterhin Objekt Jahren in einem gravierenden Umbruch befindlichen Weltlage einvon Nachrichtengetreten ist. Auch nach dem Fortfall der Spionagebedrohung, die diensten aus dem ideologisch begründeten Ost-West-Gegensatz resultierte, besteht weiterhin das Bedürfnis vieler - auch osteuropäischer - Staaten nach umfassender Information. Die Bundesre-publik Deutschland sieht sich mittlerweile einer ständig wachsenden Zahl fremder Geheimdienste gegenüber, da die in den letzten Jahren entstandenen Staaten Osteuropas eigene Nachrichtendienste mit gegen das Ausland gerichteter Aufklärung ebenfalls als unverzichtbaren Bestandteil ihrer Souveränität betrachten. Die aktuelle Bedrohung unseres Gemeinwesens ist immer weniger auf politisch-ideologische als vielmehr auf wirtschaftliche und ethnisch-religiöse Ursachen zurückzuführen, die sich teilweise mit militärischen Aspekten vermischen. Die 1994 in BadenWürttemberg bearbeiteten Vorgänge der Spionageabwehr hatten folgende Zielrichtungen: Wirtschaft/Wissenschaft 43% Militär 25% Politik 18% vorbereitende/unterstützende Tätigkeiten _ 14% 130 Der Trend der Vorjahre, wonach die Ausforschung der Wirtschaft und Wissenschaft, die Beschaffung von Analysen über ökonomische Entwicklungen und Strategien im Westen sowie das frühzeitige Erkennen und Beeinflussen entsprechender Entscheidungsprozesse im Mittelpunkt der Tätigkeit fremder Nachrichtendienste standen, hat sich also weiter verfestigt. Die Grenzen zwischen staatlich gelenkter Aufklärung und der von inund ausländischen vor allem wirtKonkurrenzunternehmen veranlaßten Industriespionage sowie schaftliche und zwischen aktiver (Einsatz von Agenten) und passiver (Sammlung wissenschaftliche relevanter Informationen auf dem Wege der GesprächsabschöpAusforschung fung) Wirtschaftsspionage sind dabei oftmals nicht eindeutig zu ziehen. Die Ausforschungsbemühungen gehen in erster Linie von den Geheimdiensten der maroden, auf rasche wirtschaftliche Erfolge angewiesenen osteuropäischen Staaten aus. Daneben ist das Bestreben industrieller Schwellenländer, ebenfalls vom Know-how etablierter Industrienationen zu profitieren, nicht zu übersehen. Weil sie weder über die notwendigen finanziellen Mittel noch über ausreichend Zeit für aufwendige Forschungsund Entwicklungsarbeiten verfügen, versuchen sie - offensichtlich erfolgreich - neben der legalen auch die illegale Know-howBeschaffung dazu zu nutzen, den üblichen Entwicklungsprozeß einer Volkswirtschaft.drastisch zu verkürzen. Staaten in zahlreichen Krisengebieten der Erde sind an strategisch bedeutsamen Produkten bzw. an Rüstungsgütern interessiert, die entweder selbst einem Ausfuhrverbot oder deren technische Grundlagen dem Geheimschutz unterliegen. Die erhebliche Veränderung der Bedrohungslage aufgrund des Untergangs der DDR und des Zusammenbruchs des kommunistischen Machtbereichs im Osten Europas hat das Landesamt für Verfassungsschutz veranlaßt, den vorhandenen Datenbestand auf seine weitere Relevanz zu überprüfen. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden die gespeicherten Daten wegen Spionageverdachts für Nachrichtendienste der ehemaligen DDR zu 96 % gelöscht. Die Speicherungen wegen Spionageverdachts für Staaten des früheren Ostblocks konnten um über 90 % reduziert werden. Insgesamt erfolgte im Bereich der Spionageabwehr eine Verringerung des Datenbestands um rund 85 %. 131 2. Einzelerkenntnisse 2.1 Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 2.1.1 Nachrichtendienste der Russischen Föderation Wie bereits in den Vorjahren gingen auch 1994 die gegen BadenSpionageWürttemberg gerichteten Spionageaktivitäten überwiegend von aktivitäten gehen russischen Diensten aus. Wirtschaft und Wissenschaft standen hauptsächlich von dabei im Mittelpunkt ihrer Bemühungen. Beschäftigte eines russischen Zulieferbetriebes in der Metallindustrie sollten beispielsweise für Nachrichtendie Beschaffung von Daten und Materialien aus ihren Arbeitsdiensten aus bereichen bzw. von Informationen über die Kunden ihres Arbeitgebers gewonnen werden. Im Zuge der europäischen Integration bzw. der militärischen und wirtschaftlichen Annäherung von Staaten des ehemaligen Ostblocks an den Westen haben aber auch dessen politische Entscheidungsbereiche einen herausragenden Informationswert. Es ist davon auszugehen, daß die russischen Spionageorganisationen im Bewußtsein des Erfolgs der Nachrichtendienste der ehemaligen DDR deren Erfahrungswissen intensiv nutzen. Nicht zuletzt diese Überlegung war für das Landesamt Anlaß zur Beteiligung an der 1994 abgeschlossenen Aufarbeitung von Operativmaterial der für die Beschaffung und Auswertung geheimer Informationen aus dem westlichen Ausland zuständigen "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des ehemaligen "Ministeriums für Staatssicherheit" (MfS). SWR Der ca. 15.000 Mitarbeiter umfassende zivile Aufklärungsdienst SWR ist weiterhin schwerpunktmäßig für die InformationsbeInfrastruktur vom schaffung aus dem Ausland zuständig. Die vom KGB übernomKGB übernommen mene nachrichtendienstliche Infrastruktur wird verstärkt dazu genutzt, in zukunftsweisenden Bereichen von Wirtschaft und Wissenschaft aktiv zu werden. Anläßlich eines offiziellen Besuchs in der SWR-Zentrale am 27. April 1994 hielt Präsident Boris JELZIN eine bemerkenswerte 132 Rede über die Unverzichtbarkeit und die Aufgabenstellung der russischen Auslandsaufklärung. So könne der SWR zur Gewährleistung der wirtschaftlichen Sicherheit sowie zur Wahrung der Wirtschaftsinteressen Rußlands einen wichtigen Beitrag leisten. Im Bereich der Aufklärung brauche niemand zu befürchten, arbeitslos zu werden. In einer Zeit, in der die Militärausgaben gekürzt werden müßten, seien durch Agenten beschaffte Informationen von besonderer Bedeutung, so daß die Nachrichtenbeschaffung gesteigert werden müsse. Ein neuerer Trend in der Arbeit dieses Dienstes kommt in Stellungnahmen seines Direktors Jewgenij PRIMAKOV zum Ausdruck, der sich zu außenund sicherheitspolitischen Themen - wie z.B. der GUS-Integration oder der Osterweiterung von NATO bzw. Europäischer Union (EU) - äußerte. Demnach gehören insbesondere das Erkennen sicherheitsrelevanter Entwicklungen in Ost und West, machtstrategische Analysen und öffentlichkeitswirksame Interpretationen von Aktivitäten der russischen Regierung zum Aufgabenspektrum des SWR. Dieser entwickelt sich damit in zunehmendem Maße zu einer Institution, welche die Regierung Rußlands in strategischen Fragestellungen maßgeblich berät und auch um die politische Meinungsbildung im Inund Ausland bemüht ist. GRU Das Aufklärungsprofil des ehemals überwiegend an militärischen militärische bzw. militärstrategischen Themen orientierten NachrichtendienAufklärung stes GRU - ca. 12.000 Mitarbeiter - hat seit geraumer Zeit eine Erweiterung in Richtung auf zivile Ausspähungsziele erfahren. Besonderer Wert wird dabei auf die kommerzielle Nutzungsmöglichkeit der im Wege der Spionage gewonnenen Informationen gelegt. FAPSI Die "Föderale Agentur für Regierungsfernmeldewesen und elektronische Information beim Präsidenten der Russischen Föderation" Auslandsaußlärung (FAPSI) mit einem Personalbestand von über 100.000 Mitarbeitern ist originär für die elektronische Aufklärung und Sicherheit der eigenen Kommunikationswege zuständig. In 133 Erfüllung dieser Aufgabe entwickelt und testet sie u. a. Verschlüsselungsverfahren für den Telefonverkehr und EDVEinrichtungen sowie Verfahren für Mobilfunk-, Satellitenund Flugfunkverbindungen. Das ausgeprägte Interesse an neuesten Produkten der Kommunikationsund Sicherheitstechnik sollte vor allem deutsche Firmenniederlassungen in Rußland, denen FAPSI seine Unterstützung als Dienstleistungsunternehmen im Bereich des Kommunikationswesens anbietet, zur Vorsicht mahnen. FSK InlandsnachDer am 21. Dezember 1993 ins Leben gerufene "Föderale Dienst richtendienst für Gegenspionage" (FSK) - ca. 75.000 Mitarbeiter - trat in betreiht auch wesentlichen Bereichen die Nachfolge des aufgelösten "MinisteAuslandsspionage riums für Sicherheit" (MBR) an und ist daher als Abwehrorganisation konzipiert, dürfte sich aber aufgrund der fortbestehenden nachrichtendienstlichen Verbindungen nicht völlig aus der Auslandsaufklärung zurückziehen. Der FSK spielt eine bedeutsame Rolle bei der Sicherung der Interessen staatlicher und nichtstaatlicher russischer Unternehmen. 2.1.2 Kasachstan enge Kontakte Die Auslandsaufklärung des kasachischen "Komitees für zu russischen Nationale Sicherheit" (KNB), das enge Beziehungen zu den Nachrichtenrussischen Nachrichtendiensten unterhält, tangiert auch die diensten Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland. In erster Linie sollen die politischen Aktivitäten von Aussiedlern aus Kasachstan sowie deren Organisationen in Deutschland beobachtet und nachrichtendienstlich genutzt werden. 2.2 Nachrichtendienste anderer ehemaliger Ostblockstaaten 2.2.1 Polen Polen hat in der Vergangenheit der Aufklärung der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Bedeutung zugemessen. In der Zukunft wird zu prüfen sein, ob angesichts der aktuellen polni- sehen Bemühungen um eine rasche Integration in der EU und der NATO kurzfristig eine Veränderung der bisherigen Haltung erfolgt. In diesem Zusammenhang spielt auch die personelle Entwicklung der sowohl vom zivilen "Amt für Staatsschutz" (UOP) als auch vom "Militärischen Informationsdienst" (WSI) an den polnischen Vertretungen im Bundesgebiet unterhaltenen Residenturen als Indikator eine wichtige Rolle. 2.2.2. Rumänien Trotz der Neuorganisation der Dienste in der Zeit nach dem frühere "Securitate" Sturz des Ceaucescu-Regimes sind noch wichtige Funktionen mit - Angehörige Angehörigen der ehemaligen "Securitate" besetzt. Besondere weiterhin aktiv Beachtung verdient der Umstand, daß von Mitarbeitern des zivilen Aufklärungsdienstes SIE enge Verbindungen zu rumänischen Außenhandelsunternehmen und Wirtschaftsrepräsentanten im Ausland gepflegt werden. Zudem legt der SIE großen Wert auf einen hohen Standard bei der ökonomisch/technischen Weiterqualifizierung seiner Mitarbeiter, um sie bedarfsgerecht in Unternehmen und Institutionen plazieren zu können. Ein Zeugnis kontinuierlicher Arbeit des rumänischen Auslandsnachrichtendienstes ist folgender Spionagefall: Der 46 Jahre alte, aus Rumänien stammende DiplomIngenieur Theodor B. wurde nach umfangreichen Vorermittlungen des Landesamts am 11. Juli 1994 festgenommen. Er hatte sich 1975 schriftlich zur Zusammenarbeit mit dem rumänischen Auslandsnachrichtendienst verpflichtet. Nach einer geheimdienstlichen Ausbildung wurde er 1977 - zusammen mit seiner Ehefrau - als Tourist getarnt in die Bundesrepublik Deutschland eingeschleust, wo er sich auftragsgemäß um seine Anerkennung als Deutscher bemühte. 1980 bewarb sich B. mit Erfolg bei einem Automobilhersteller im Großraum Stuttgart. Seine Stellung als Konstrukteur nutzte er von Anfang an, um dem rumänischen Nachrichtendienst auf dessen gezielte Anforderungen hin aus seinem Arbeitsbereich insbesondere firmenintern als vertraulich eingestufte technische Unterlagen zur Motorenentwicklung für Personenkraftwagen zu 135 liefern. Seine Spionagetätigkeit wurde dadurch wesentlich erleichtert, daß er weitgehenden Zugriff auf firmeninterne technische Datensammlungen besaß. Das verfilmte Verratsmaterial (z. B. Versuchsberichte, Detailzeichnungen) übergab er seinen Führungsoffizieren bei den etwa halbjährlich im europäischen Ausland abgehaltenen Treffs. Die Kontaktaufnahme mit seiner Führungsstelle in Bukarest erfolgte im Rahmen von Urlaubsreisen zu seinen Eltern. B. wurde mittlerweile vom Oberlandesgericht Stuttgart zu einer Haftstrafe von 20 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. 2.3 Staaten des Nahen und Mittleren Ostens Die nachrichtendienstlichen Aktivitäten von Libyen, Syrien, Irak und Iran waren auch im Berichtszeitraum auf die Informationsbeschaffung in politischen, militärischen und wirtschaftlichen Nutzung von Bereichen gerichtet. Diese dem sogenannten islamischen Gürtel Legalresidenturen zuzurechnenden Staaten nutzen alle mehr oder weniger intensiv ihre Legalresidenturen für geheimdienstlich gesteuerte Operationen. Auch der Kontakt zu Moslemgemeinden im Ausland sowie zu im Ausland lebenden Studenten und Wissenschaftlern wird immer häufiger mit nachrichtendienstlicher Zielsetzung unterhalten. 2.3.1 Iran starke Starke Aktivitäten entwickeln derzeit die iranischen AufklärungsAufklärungsdienste. Durch die Einschaltung ziviler Lehrund Forschungseinbemühungen richtungen, die nach Auffassung der Sicherheitsbehörden aber dem iranischen Verteidigungsministerium zuzuordnen sind, wird der nachrichtendienstliche Charakter der illegalen Technologiebeschaffung zu verschleiern versucht. Im Bundesgebiet finden die iranischen Dienste angesichts diverser (halb-) staatlicher Einrichtungen, zahlreicher ganz oder teilweise in iranischem Eigentum befindlicher Firmen sowie der hohen Zahl der hier lebenden Austauschwissenschaftler und -Studenten (ebenfalls) beste Ausgangsbedingungen vor. 136 2.3.2 Irak Das Operativnetz der irakischen Nachrichtendienste hat als Folge Interesse an des Golfkriegs eine Schwächung erfahren, die entstandenen militärisch Lücken sollen alsbald wieder geschlossen werden. Im Vordernutzbaren Gütern grund der geheimdienstlichen Bemühungen des Irak in der Bundesrepublik Deutschland steht die Beobachtung von Dissidenten und die Beschaffung militärisch nutzbarer Güter. 2.3.3 Libyen Der zivile Aufklärungsdienst ESO (External Security Organisation) ist der Hauptträger der libyschen Auslandsoperationen. In Deutschland sind die Möglichkeiten zur Nutzung von Legalresidenturen derzeit auf das Libysche Volksbüro (LVB) in Bonn beschränkt. Vor diesem Hintergrund kommt der unter staatlichem Einfluß stehenden Firmenholding "LIBYAN ARAB FOREIGN INVESTMENT COMPANY" (LAFICO) mit Beteiligungsgesellschaften in rund 50 Staaten besondere Bedeutung zu. Es liegt nahe, daß die entsprechenden Firmen auch für die illegale illegale Beschaffung von Embargogütern genutzt werden können. Beschaffung von Außerdem kommen sie als Tarnorganisationen und nachrichtenEmbargogütern dienstliche Stützpunkte in Betracht. 2.3.4 Syrien Primäres Betätigungsfeld der syrischen Nachrichtendienste ist die Beobachtung von Beobachtung von und die Einflußnahme auf in Deutschland in Deutschland lebende Regimegegner. Die konspirative Beschaffung politischer, lebenden wirtschaftlicher und militärischer Informationen spielt eine zunehRegimegegnern mende Rolle. 2.4 Volksrepublik China Die zeitweilige politische Isolation der Volksrepublik China hat zu einem spürbaren Informationsdefizit geführt, das nun im Zuge der veränderten weltpolitischen Lage durch intensivere Aufklärungsarbeit im Ausland ausgeglichen werden soll. Diese Aufgabe obliegt dem mehr als 800.000 Mitarbeiter umfassenden chinesischen "Ministerium für Staatssicherheit" (MSS), das außerdem über Zuständigkeiten auf dem Gebiet der inneren Sicherheit 137 (einschließlich Spionageabwehr) verfugt. Erkennbar ist eine weitgehende Beschränkung auf die insbesondere im Wege einer intensiven Gesprächsabschöpfung erfolgende offene bzw. halboffene Beschaffung. Im sicheren Inland wird dagegen offensiver vorgeWissenschaft gangen. So muß beispielsweise in chinesischen Hotels damit und Technik gerechnet werden, daß (Telefon-) Gespräche abgehört werden. Schwerpunkte des Die im Mittelpunkt des Aufklärungsinteresses stehende AusforAußlärungsschung von Wissenschaft und Technik trägt sicherlich wesentlich interesses zur Beschleunigung der gegenwärtig angestrebten Restrukturierung der chinesischen Wirtschaft bei. 138 Anhang Gruppenund Organisationsregister Bezeichnung Seite/n Arbeitsgemeinschaft (AG) Junge Genossinnen in und bei der PDS 97 Arbeitsgemeinschaft (AG) BWK bei der PDS 97, 100 Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) 3 lf. Aktion Sauberes Deutschland (ASD) 36 ALFATAH 119 Anarchistische Plattform in und bei der PDS 97 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 84, 90, 100,104ff., 112f., 118f. Autonome 79, 81, 87ff., 96 Avrupa' da Dev Gene (Revolutionäre Jugend in Europa) 114 Antiimperialistische Zelle (AIZ) 78, 81, 86f. Babbar-Khalsa International (BK) 126f. Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 97,100 COURAGE 99 Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) 120f. Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 80f., 93ff., 98 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 17, 63ff. Deutsche Sozialistische Aktionsgemeinschaft (DSA) 16, 62 Deutsche Volksunion (DVU) 15,17,45, 52ff., 57, 63f., 72 140 Devrimci Sol (Dev Sol - Revolutionäre Linke) 113 Devrimci Sol Gücler (Revolutionäre Linke Kräfte) 114 Die Republikaner (REP) 15, 17, 41ff., 53, 57, 63f., 66, 88, 91 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. (ATIF) 114f. Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V. (AGIF) 116 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V. (ADÜTDF) 118f. Föderation der Türkisch-Demokratischen Arbeitervereine in Deutschland e. V. (DIDF) 115 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kul tur Vereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (FEYKA-Kurdistan) 105 Förderverein Vereinigte Rechte 63 Freie Arbeiterinnen Union (FAU) 92 Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei (FAU/AP) 92 Freie Arbeiter Union-Studenten (FAUST) 92 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 16, 31, 32ff., 40, 70 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) 31 HAMAS 119f" 121f. Heimattreue Vereinigung Deutschlands (HVD) 40, 70 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG) 34f. Hizb Allah 118,121f. 141 Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e. V. (IHV) 35 International Sikh Youth Federation (ISYF) 126f. Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V. (IMSV) 125 Islamische Heilsfront (FIS) 121 Islamischer Bund Palästina (IBP) 122 Islamischer Djihad (PIJ) 120 Junge Deutsche in der DVU 55 Junge Nationaldemokraten (JN) 17, 61ff., 70 Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) 101 Kameradschaften 38ff., 62 Kommunistische Plattform (KPF) 81, 97 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa e. V. (ATIK) 115 Kreuzritter für Deutschland (KFD) 27 Kurdistan Komitee e. V. 105 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 127f. Marxistische Gruppe (MG) 100 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 80f., 98f. Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei-Gründung (MLKP-K) 115 Moslembruderschaft (MB) , 119,121f. 142 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 17, 56ff., 61ff., 66, 73, 91, 96 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 17,63 Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue 124 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 105ff., 109ff. Nationale Kameraden 40 Nationale Liste (NL) 16 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 125f. Nationalfreiheitliche Alternative (NFA) 31 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) 71 f. Neue Rechte 75f. Nordische Jugend (NJ) 16 Organisation der Volksmojahedin Iran (PMOI) 125f. Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 119, 122 Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) 118 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 93ff., 96ff. Plattform Demokratischer Sozialismus 97 Rebell 99 Republikanische Jugend (RJ) 48 Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten (RepBB) 48 Revisionisten 72ff. Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei (TDKP) 115 143 Revolutionäre Vblksbefreiungspartei/Front (DHKP/-C) 114 Revolutionäre Zellen (RZ) 81, 85 Rote Armee Fraktion (RAF) 78, 81, 82ff., 87, 100 Rote Peperoni (früher Junge Pioniere) 95 Rote Zora 81, 85 Schwarze Garde 92 Skinheads 24ff., 70 Sozialistische Alternative VORAN (SAV) 101 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 95 Staufer Sturm . 27 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 113f. Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (Bewegung) (TKP/ML Hareketi) 115f. Türkische Volksbefreiungspartei/Front (THKP/-C) 114 Union Islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) 126 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V. (ICCB) 116f. Vereinigung der neuen Weltsicht e. V. (AMGT) 117f. Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 98,100 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 95f. Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 104 Volksbewegung von Kosovo (LPK) 124 144 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 120f. Volkstreue Liste (VL) 31 VORAN zur sozialistischen Demokratie e.V. 101 Wiking-Jugend e. V. (WJ) 16f., 36f., 62, 70 Wohlfahrtspartei (RP) 118f. 145 Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) vom 22. Oktober 1991 SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. SS 2 Organisation, Zuständigkeit (1) Zur Wahrnehmung der Aufgaben des Verfassungsschutzes unterhält das Land ein Landesamt für Verfassungsschutz. Das Amt hat seinen Sitz in Stuttgart und untersteht dem Innenministerium. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer Polizeidienststelle nicht angegliedert werden. SS 3 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz, Voraussetzungen für die Mitwirkung an Überprüfungsverfahren (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder frühzeitig zu erkennen und den zuständigen Stellen zu ermöglichen, diese Gefahren abzuwehren. (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 146 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und wertet sie aus. Sammlung und Auswertung von Informationen nach Satz 1 setzen im Einzelfall voraus, daß für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Satz 1 Nummern 1 bis 3 tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. auf Anforderungen der Einstellungsbehörde bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie auf Anforderung der Beschäftigungsbehörde bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei denen der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, daß sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, 5. bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Einbürgerungsbewerbern, 6. bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen nach SS12 b des Atomgesetzes, 7. bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Personen, die zu sicherheitsempfindlichen Bereichen von Flughäfen Zutritt haben, nach SS 29 c des Luftverkehrsgesetzes, 8. bei sonstigen Überprüfungen, soweit dies im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder für Zwecke der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Näheres wird durch Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums bestimmt. 147 Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Satz 1 erfolgt in der Weise, daß es eigenes Wissen oder bereits vorhandenes Wissen der für die Überprüfung zuständigen Behörde oder sonstiger öffentlicher Stellen auswertet. In den Fällen des Satzes 1 Nummern 1 und 2 führt das Landesamt für Verfassungsschutz weitergehende Ermittlungen durch, wenn die für die Überprüfung zuständige Behörde dies beantragt. (4) Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Absatz 3 setzt im Einzelfall voraus, daß der Betroffene und andere in die Überprüfung einbezogene Personen über Zweck und Verfahren der Überprüfung einschließlich der Verarbeitung der erhobenen Daten durch die beteiligten Dienststellen unterrichtet werden. Darüber hinaus ist im Falle der Einbeziehung anderer Personen in die Überprüfung deren Einwilligung und im Falle weitergehender Ermittlungen nach Absatz 3 Satz 3 die Einwilligung des Betroffenen erforderlich. Die Sätze 1 und 2 gelten nur, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. SS 4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckgerichtet unterstützt. 148 Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS 5 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 erforderlichen Informationen verarbeiten, Die Verarbeitung personenbezogener Daten richtet sich insoweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes und, soweit dort keine Regelungen getroffen sind, nach den Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes mit Ausnahme der SSSS 8 und 11 Abs. 2 bis 5 sowie SSSS 12 bis 20 des Landesdatenschutzgesetzes. (2) Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 3 Abs. 3 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. 149 (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (4) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat das Landesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS 6 Erhebung personenbezogener Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden (nachrichtendienstliche Mittel). Diese sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienst-Vorschrift bedarf der Zustimmung des Innenministeriums, das den Ständigen Ausschuß des Landtags unterrichtet. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten und sonstige Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. (3) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur dann heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. 150 Satz 1 gilt entsprechend für den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in Wohnungen. (4) Die Erhebung nach den Vorschriften der Absätze 2 und 3 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Informationen durch Auskunft nach SS 9 Abs. 4 gewonnen werden können. Die Anwendung des nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) Bei Erhebungen nach Absatz 3 und solchen nach Absatz 2, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Post und Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, zu denen insbesondere das Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit dem verdeckten Einsatz technischer Mittel gehören, ist der Eingriff nach seiner Beendigung der betroffenen Person mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilung an den Betroffenen bedarf es nicht, wenn sich auch nach fünf Jahren noch nicht abschließend beurteilen läßt, ob diese Voraussetzung vorliegt. Die durch solche Maßnahmen erhobenen Informationen dürfen nur nach Maßgabe des SS 7 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGB1.I S. 949) verwendet werden. SS 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. Mai 1969 (GBl. S. 79) findet entsprechende Anwendung. (6) Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz nach dem Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz bleiben unberührt. SS 7 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 vorliegen, 151 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 erforderlich ist oder 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 3 tätig wird. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 3 Abs. 3 dürfen vorbehaltlich des Satzes 2 in automatisierten Dateien nur Daten über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. Zur Erledigung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 dürfen in automatisierten Dateien nur Daten solcher Personen erfaßt werden, über die bereits Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 2 vorliegen. Bei der Speicherung in Dateien muß erkennbar sein, welcher der in SS 3 Abs. 2 und 3 genannten Personengruppen der Betroffene zuzuordnen ist. (3) Die nach Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 2 gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen nur für die dort genannten Zwecke sowie für Zwecke verwendet werden, die der Wahrnehmung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr.2 oder der Beobachtung von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind, dienen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke und hiermit in Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. SS 8 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen ( 1 ) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 7 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, nur speichern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Minderjährige eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. In Dateien ist eine Speicherung von Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres nicht zulässig. 152 (2) Sind Daten über Minderjährige in Dateien oder in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, gespeichert, ist nach zwei Jahren die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 2 angefallen sind. Satz 1 gilt nicht, wenn das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 3 tätig wird. SS 9 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes und die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie die Gerichte des Landes übermitteln von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihnen bekanntgewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Informationen zur Wahrnehmung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr. 2 oder zur Beobachtung von Bestrebungen erforderlich sind, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs.2 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeidienststellen dürfen darüber hinaus von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz auch alle anderen bekanntgewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 2 übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. (3) Soweit nicht schon bundesrechtlich geregelt, können die zuständigen Stellen in den Fällen des SS 3 Abs. 3 das Landesamt für Verfassungsschutz um Auskunft ersuchen, ob Erkenntnisse über den Betroffenen oder über eine Person, die in die Überprüfung mit einbezogen werden darf, vorliegen. Dabei dürfen die erforderlichen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen an das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt werden. Im Falle einer Überprüfung nach SS 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 ist das Ersuchen über das Innenministerium zu leiten. 153 (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann vorbehaltlich der in SS 11 getroffenen Regelung von jeder öffentlichen Stelle nach den Absätzen 1 und 2 verlangen, daß sie ihm die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen übermittelt, wenn die Daten und Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur durch eine den Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. Die Ersuchen sind aktenkundig zu machen. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Akten anderer öffentlicher Stellen und amtliche Register unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 und vorbehaltlich der in SS 11 getroffenen Regelung einsehen, soweit dies 1. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 2. zur Beobachtung von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 genannten Schutzgüter gerichtet sind, 3. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 3 oder 4. zum Schutz der Mitarbeiter und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen Gefahren für Leib und Leben erforderlich ist und die sonstige Übermittlung von Informationen aus den Akten oder den Registern den Zweck der Maßnahmen gefährden oder das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Über die Einsichtnahme nach Satz 1 hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten und sonstiger Informationen, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1, 2 und 4 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für Verfassungsschutz nach 154 Satz 1 übermittelten Unterlagen findet SS 7 Abs. 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwendung. SS 10 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie an die Gerichte des Landes übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt der Staatsanwaltschaft und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeidienststellen des Landes von sich aus die ihm bekanntgewordenen personenbezogenen Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in SSSS 74 a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst, b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183) übermitteln. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. 155 (4) Personenbezogene Daten dürfen an andere als öffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht erforderlich ist und der Innenminister oder sein ständiger Vertreter die Zustimmung erteilt hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl gleichartiger Fälle vorweg erteilt werden. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung aktenkundig zu machen. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, daß das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, Belange der Länder oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. SS 11 Übermittlungsverbote (1) Die Übermittlung von Informationen nach den SSSS 5, 9 und 10 unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen oder überwiegende Belange der Strafverfolgung dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungs156 pflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. (2) Informationen über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 12 Unterrichtung der Öffentlichkeit Das Innenministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit periodisch oder aus gegebenem Anlaß im Einzelfall über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2. Dabei dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhangs oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Informationsinteressen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. SS 13 Auskunft an den Betroffenen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Es ist nicht verpflichtet, über die Herkunft der Daten, die Empfänger von Übermittlungen und den Zweck der Speicherung Auskunft zu erteilen. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder durch die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen. 157 Die Entscheidung trifft der Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß er sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. SS 14 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Akten oder Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten ist dies zu vermerken. Wird die Richtigkeit der Daten von dem Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 sind spätestens 10 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter oder sein Vertreter stellt im Einzelfall fest, daß die weitere Speicherung zur Aufgabenerfüllung oder aus dem in Absatz 2 Satz 2 genannten Grunde erforderlich ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Akten gespeicherten personenbezogenen Daten zu sperren, wenn es im Einzelfall feststellt, daß die Speicherung unzulässig war. Dasselbe gilt, 158 wenn es im Einzelfall feststellt, daß ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden und die Daten für seine künftige Aufgabenerfüllung voraussichtlich nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Die Sperrung kann wieder aufgehoben werden, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen sind. Akten, in denen personenbezogene Daten gespeichert sind, sind zu vernichten, wenn die gesamte Akte zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt wird. SS 15 Besondere Pflichten des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft unverzüglich, ob die ihm nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich sind, hat es die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren. (2) Erweisen sich personenbezogene Daten, nachdem sie durch das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt worden sind, als unvollständig oder unrichtig, sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, es sei denn, daß dies für die Beurteilung eines Sachverhalts ohne Bedeutung ist. SS 16 Parlamentarische Kontrolle (1) Das Innenministerium unterrichtet den Ständigen Ausschuß des Landtags über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß. (2) Art und Umfang der Unterrichtung des Ständigen Ausschusses werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzuganges durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt. (3) Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes im Ständigen Ausschuß bekanntgeworden sind. Dies gilt 159 auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ständigen Ausschuß oder aus dem Landtag. (4) Die Unterrichtung umfaßt nicht Angelegenheiten, über die das Innenministerium das Gremium nach Artikel 10 des Grundgesetzes zu unterrichten hat. SS 17 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 18 Erlaß von Verwaltungsvorschriften Das Innenministerium kann zur Ausführung des Gesetzes allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen. SS 19 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1992 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) vom 17. Oktober 1978 (GBl. S. 553) außer Kraft. 160 Verteilerhinweis Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung BadenWürttemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, daß dies als Parteinahme der Herausgeberin zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist es jedoch den Parteien, die Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden . Bildquellennachweis: Umschlagseiten: dpa, S. 23, 129: Polizei, S. 110: Studio Keese, 68159 Mannheim Grafiken und Illustrationen sowie Bild auf S. 109: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg 161 160 Bitte senden Sie uns kostenlos folgendes Informationsmaterial zu: (Zutreffendes bitte ankreuzen und Stückzahl angeben) * Exemplar/e des Verfassungsschutzberichtes 1994 * Exemplar/e des Verfassungsschutzberichtes 1993 Informationen zu den Bereichen Politischer Extremismus/Spionageabwehr sowie über den Verfassungsschutz allgemein D Exemplar/e Rechtsextremismus * Exemplar/e Linkssextremismus D Exemplar/e Ausländerextremismus D Exemplar/e Spionageabwehr D Exemplar/e Verfassungsschutz allgemein Bitte senden Sie uns kostenlos folgendes Informationsmaterial zu: (Zutreffendes bitte ankreuzen und Stückzahl angeben) D Exemplar/e des Verfassungsschutzberichtes 1994 D Exemplar/e des Verfassungsschutzberichtes 1993 Informationen zu den Bereichen Politischer Extremismus/Spionageabwehr sowie über den Verfassungsschutz allgemein D Exemplar/e Rechtsextremismus D Exemplar/e Linkssextremismus D Exemplar/e Ausländerextremismus D Exemplar/e Spionageabwehr D Exemplar/e Verfassungsschutz allgemein Absender: Bitte ausreichend frankieren Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg - Öffentlichkeitsarbeit - Postfach 50 07 00 70337 Stuttgart Absender: Bitte ausreichend frankieren Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg - Öffentlichkeitsarbeit - Postfach 50 07 00 70337 Stuttgart BadenWürttemberg