BadenWürttemberg INNENMINISTERIUM Herausgeber: Innenministerium Baden-Württemberg Dorotheenstraße 6, 70173 Stuttgart Juni 1994 Gestaltung, Satz & Repro: Otto Gann jr. Art Creative Direction GmbH Kapellenbergstaße 20, 71120 Grafenau (Württ.) Druck: Konradin-Druck GmbH Kohlhammerstraße 1-15, 70771 Leinfelden-Echterdingen Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers ISSN 0720-3381 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier BadenWürttemberg INNENMINISTERIUM VERFASSUNGSSCHUTZ BERICHT 1993 BADEN-WÜRTTEMBERG Vorwort Das zurückliegende Jahr 1993 stand erneut im Zeichen eskalierender rechtsextremistischer Gewalt. Der brutale und hinterhältige Brandanschlag in Solingen, bei dem fünf junge Türkinnen ums Leben kamen, war wohl das schrecklichste Ereignis unter den zahllosen fremdenfeindlichen Gewalttaten. Auch wenn in der zweiten Jahreshälfte ein gewisses Abflauen der Gewalt von rechts festgestellt werden konnte, besteht nicht der geringste Grund, Entwarnung zu geben. Die skrupellosen Auftritte junger und alter Nazis - auch in Baden-Württemberg - mahnen uns, wachsam zu bleiben und alle Möglichkeiten rechtsstaatlicher Gegenmaßnahmen auszuschöpfen. An das Verbot der neonazistischen "Heimattreuen Vereinigung Deutschlands" (HVD) am 14. Juli 1993 ist in diesem Zusammenhang ebenso zu erinnern wie an zahlreiche polizeiliche Razzien, Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Objekten der Neonazi-Szene, die in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr durchgeführt wurden. Entscheidenden Stellenwert im Kampf gegen den Rechtsextremismus hat auch die geistig-politische Auseinandersetzung. Die Ausstellung "Biedermänner und Brandstifter", die in diesem Jahr gemeinsam vom Innenministerium und dem Landesamt für Verfassungsschutz an wechselnden Standorten in Baden-Württemberg gezeigt wird, soll einen kleinen Beitrag hierzu leisten. Sie macht deutlich, daß rechtsextremistische Gewalt oft die Folge geistiger Brandstiftung ist, die vor allem den Ideologen der rechtsextremistischen Organisationen angelastet werden muß. Aus diesem Grund wird seit Dezember 1992 auch die Partei "Die Republikaner" vom Landesamt für Verfassungsschutz nachrichtendienstlich beobachtet. Das Verwaltungsgericht Stuttgart und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg haben dieses Vorgehen ausdrücklich als rechtmäßig bestätigt. Den "Republikanern" wurde von den Gerichten zugleich bescheinigt, daß bei ihnen unverkennbare Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen bestehen. Leider hat gerade das Phänomen des Rechtsextremismus auch den linksextremistischen Kräften im Lande Anlaß gegeben, weiter an der Spirale der Gewalt zu drehen. Unter dem Deckmantel eines diffusen "Antifaschismus" versuchen sie, ihre Gewalttaten gegen politische Gegner, aber auch gegen den Staat zu rechtfertigen. Gewalt aber kann der Staat unter keinen Umständen tolerieren, gleich unter welcher politischen Flagge sie ausgeübt wird. Die Bekämpfung des Extremismus ist eine umfassende Aufgabe, die keine politische "Einäugigkeit" zuläßt. Dies gilt auch für die fortgesetzten Rechtsbrüche der terroristischen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und ihrer Teilund Nebenorganisationen. Der Bundesminister des Innern hat die PKK am 26. November 1993 verboten, nachdem sie wiederholt versucht hatte, den blutigen Konflikt mit dem türkischen Staat auch auf deutschem Boden auszutragen. Die Sicherheitsbehörden des Landes BadenWürttemberg tun alles, um der PKK auch in unserem Land die Basis zu entziehen. Nicht in Vergessenheit geraten darf dabei allerdings die Tatsache, daß die Kurden wie überhaupt die in Deutschland lebenden Ausländer in ihrer weit überwiegenden Mehrzahl friedliebende Bürger sind, denen extremistische Umtriebe völlig fern liegen. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat auch im Jahr 1993 durch seine Erkenntnisse maßgeblich dazu beigetragen, daß der politische Extremismus zu keiner existentiellen Bedrohung des demokratischen Rechtsstaats werden konnte. Die gesetzlich verankerte Trennung zwischen seinem nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag und den exekutiven Aufgaben der Polizei hat sich bewährt. Für die geleistete Arbeit gebührt den Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz besonderer Dank. Frieder Birzele, MdL Innenminister des Landes Baden-Württemberg Inhaltsverzeichnis Seite A. Verfassungsschutz Baden-Württemberg 9 1. Gesetzliche Grundlagen 9 2. Aufbau und Organisation 9 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 10 4. Methoden des Verfassungsschutzes 12 5. Kontrolle 13 6. Verfassungsschutz durch Aufklärung 14 B. Rechtsextremismus 15 1. Allgemeiner Überblick 15 2. Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 18 Häufigkeit und Zielrichtung rechtsextremistisch beeinflußter Gewalt 18 Größe und Zuordnung der rechtsextremistisch beeinflußten Gewaltszene 25 Rechtsextremistische Skinheads 26 "Kreuzritter für Deutschland" (KFD) 31 3. Neonationalsozialistische Parteien/Organisationen und Einzelaktivisten 32 Bundesweit operierende neonationalsozialistischeGruppen 32 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) 32 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 33 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) 35 Neonationalsozialistische Einzelaktivisten 35 Neonationalsozialistische Gruppen und Einzelaktivisten in Baden-Württemberg 36 "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) 36 "Deutsche Sozialistische Aktionsgemeinschaft e.V." (DSA) 37 "Nordische Jugend" (NJ) 38 Neonationalsozialistische Einzelaktivisten in Baden-Württemberg 39 4. Rechtsextremistische Parteien 39 "Deutsche Volksunion" (DVU) 39 "Die Republikaner" (REP) 43 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 53 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 56 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) 58 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 58 5. Sonstige rechtsextremistische Organisationen 61 "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 61 "Die Deutsche Freiheitsbeweg ung e.V." (DDF) 63 6. Vernetzungen im Rechtsextremismus 63 7. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus 66 8. "Revisionismus"-Kampagne 69 C. Linksextremismus 71 1. Allgemeiner Überblick 71 2. Linksextremistischer Terrorismus 74 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 75 RAF-Kommandoebene 75 RAF-Inhaftierte 76 RAF im Umbruch 76 RAF-Unterstützerbereich 76 Neue terroristische Gruppe will RAF-Aktionen fortsetzen 78 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 79 3. Autonome und sonstige Anarchisten 79 Autonome Gruppen 79 Straftaten mit erwiesenem oder vermutetem linksextremistischem Hintergrund 81 Anarchistische Gruppen 82 4. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 83 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld 83 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 85 Sonstige Organisationen 87 D. Sicherheitsgefährdende und extremistische Aktivitäten von Ausländern 88 1. Allgemeiner Überblick 88 2. Kurden 91 Allgemeines 91 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 91 3. Türken (ohne Kurden) 97 Allgemeines 97 Linksextremisten 98 Islamisch-nationalistische Vereinigungen 100 Extrem-nationalistische Organisationen 101 4. Araber 101 Palästinenser 101 Islamisten 103 5. Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien 103 6. Iraner 105 7. Sikhs 106 8. Tamilen 106 E. Spionageabwehr 108 1. Allgemeiner Überblick 108 2. Einzelerkenntnisse 109 Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 109 Nachrichtendienste der Russischen Föderation 109 Nachrichtendienste der übrigen GUS-Staaten 112 Nachrichtendienste anderer ehemaliger Ostblock-Staaten 112 Asiatische Staaten 113 Staaten des Nahen und Mittleren Ostens 114 Nachrichtendienste der ehemaligen DDR 115 Anhang 116 Gruppenund Organisationsregister 116 Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) 122 A. Verfassungsschutz Baden-Württemberg Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen. Er informiert die politisch Verantwortlichen frühzeitig über davon ausgehende Gefahren. Hierdurch versetzt er die zuständigen staatlichen Stellen in die Lage, verfassungsfeindliche Kräfte rechtzeitig und angemessen zu bekämpfen. 1. Gesetzliche Grundlagen Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich genau festgelegt. Das (Bundes-) "Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz" ist Rechtsgrundlage für das Bundesamt für Verfassungsschutz und zugleich für die Tätigkeit der Landesbehörden für Verfassungsschutz. Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Gesetz das Mindestmaß der von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben umschrieben. Seit 30. Dezember 1990 gilt eine Neufassung des Bundesverfassungsschutzgesetzes (G. v. 20.12.1990, BGBl. I S. 2970). Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Bundesländern eigene Verfassungsschutzgesetze, in denen Aufgaben und Befugnisse der jeweiligen Landesbehörde gesetzlich geregelt sind. Für Baden-Württemberg gilt das "Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg", das am 1. Januar 1992 in einer Neufassung (G.v. 22.10.1991, GBl. S. 639) in Kraft getreten ist. Darüber hinaus finden sich in zahlreichen Bundesund Landesgesetzen Rechtsvorschriften, die die Verfassungsschutzbehörden zu beachten haben. 2. Aufbau und Organisation Entsprechend dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland hat jedes Bundesland eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Als Zentralstelle fungiert das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Das Bundesamt hat gegenüber den Landesbehörden zwar kein allgemeines Weisungsrecht, arbeitet mit ihnen jedoch eng zusammen. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg in Stuttgart wird von einem Präsidenten geleitet. Es gliedert sich in fünf Abteilungen. 9 PRÄSIDENT Zentralabteilung Nachrichten! NachrichtenSpionageabwehr Zentrale Verwaltung beschaffung auswertung Geheimund Dienste Grundsatzfragen Sabotageschutz Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ist dem Innenministerium unmittelbar unterstellt; ihm obliegt die Aufsicht über die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung. Zudem hat das Innenministerium über den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb zu wachen (Dienstaufsicht). Der Personalbestand des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ist im Haushaltsplan des Landes öffentlich ausgewiesen. Danach sind dem Amt für das Jahr 1993 insgesamt 345 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter zugewiesen (1992: 345 Stellen). An Mitteln standen dem Landesamt im Jahr 1993 rd. 29,3 (1992: 29,6) Millionen DM zur Verfügung. 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes Die Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz BadenWürttemberg sind im Landesverfassungsschutzgesetz (LVSG) geregelt. Danach hat die Behörde im wesentlichen den Auftrag, bestimmte als "Bestrebungen" bezeichnete Verhaltensweisen zu beobachten. Hierbei geht es dem Verfassungsschutz in erster Linie um Aktivitäten von Organisationen. Dabei müssen allerdings zwangsläufig auch die handelnden Personen, die Mitglieder dieser Organisationen sind oder deren Aktivitäten unterstützen, erfaßt werden. Der Begriff der verfassungsfeindlichen "Bestrebung" bedeutet, daß ein aktives zielgerichtetes Handeln gegen unsere Verfassung oder gegen auswärtige Belange erkennbar sein muß. Eine wertneutrale oder kritische Haltung dem Staat gegenüber kann niemals Gegenstand der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden sein. Im einzelnen sind folgende Aufgabenfelder zu unterscheiden: 10 1 * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind Bei tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht, daß eine Organisation unsere Staatsordnung durch ein linksoder rechtsextremes Staatsgebilde ersetzen oder durch terroristische Gewalt beseitigen will, übernimmt der Verfassungsschutz die Beobachtung dieser Vereinigung. Er gibt seine Erkenntnisse an die Regierung und an andere staatliche Stellen weiter. * Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden Eine Gefährdung auswärtiger Belange liegt beispielsweise vor, wenn linksoder rechtsextremistische Ausländerorganisationen ihr Heimatland von deutschem Boden aus mit Gewalt bekämpfen und dadurch unseren Staat möglicherweise in außenpolitische Konflikte und Zwangssituationen manövrieren. * Weiter ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht zu erkennen (Spionageabwehr). Die strafrechtliche Verfolgung der Spionage obliegt der Justiz und der Polizei. * Eine bloß mitwirkende Funktion hat das Landesamt für Verfassungsschutz beim vorbeugenden personellen und materiellen Geheimschutz. Der Verfassungsschutz unterstützt hierbei Behörden und außerbehördliche Stellen bei der Überprüfung von Geheimnisträgern und Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind und berät sie, wie Verschlußsachen durch technische oder organisatorische Sicherheitsmaßnahmen geschützt werden können. 4. Methoden des Verfassungsschutzes Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz darauf angewiesen, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil offen beschafft, also so, wie sie jeder andere auch sammeln könnte. Die Mitarbeiter der Behörde werten Zeitungen und Zeitschriften, Flugblätter, Programme, Broschüren und sonstiges Material extremistischer Organisationen aus und besuchen auch deren öffentliche Veranstaltungen. Teilweise reichen die auf diese Art und Weise erlangten Erkenntnisse jedoch nicht aus, um einen objektiven und vollständigen Überblick über verfassungsfeindliche Aktivitäten oder das Tätigwerden gegnerischer Nachrichtendienste zu erhalten. Um auch an solche "Bestrebungen" heranzukommen, bedient sich der Verfassungsschutz nachrichtendienstlicher Mittel. Hierzu ist er nach dem Landesverfassungsschutzgesetz ausdrücklich befugt. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln gehören: * das Anwerben und Führen von Vertrauensleuten (V-Leuten) * die Observation verdächtiger Personen * das geheime Fotografieren sowie * sonstige Maßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, daß der Verfassungsschutz Beobachtungen vornimmt (Tarnmittel) Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz ausnahmsweise und nur unter ganz engen, gesetzlich normierten Voraussetzungen den Brief-, Postund Fernmeldeverkehr überwachen (Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses - G 10 -). Polizeiliche Befugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu. Verfassungsschutz und Polizeibehörden sind in der Bundesrepublik Deutschland voneinander getrennt. Deshalb dürfen die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes keinerlei Zwangsmaßnahmen (Festnahmen, Vorladungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen) durchführen. Verfassungsschutzbehör12 den dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Diese organisatorische Trennung von Polizei und Verfassungsschutz soll sicherstellen, daß sich der Verfassungsschutz auch nicht ersatzweise polizeilicher Möglichkeiten bedient, um eigene Aufgaben wahrzunehmen. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein polizeiliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Polizeidienststelle von den Beobachtungen unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. Diese bewährte Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten muß auch künftig so beibehalten werden. 5. Kontrolle Um sicherzustellen, daß die Verfassungsschutzbehörden den ihnen vorgegebenen gesetzlichen Rahmen beachten, wurde eine vielschichtige Kontrolle eingerichtet. Diese Kontrolle wird - neben entsprechenden innerbehördlichen Maßnahmen und der Rechtsund Fachaufsicht durch das Innenministerium - in erster Linie vom Parlament, aber auch von den Gerichten, der Landesbeauftragten für den Datenschutz und der Öffentlichkeit ausgeübt. Die parlamentarische Kontrolle obliegt nach SS 16 Landesverfassungsschutzgesetz dem Ständigen Ausschuß des Landtags von Baden-Württemberg, dem Mitglieder aller Fraktionen angehören. Ihm ist halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß zu berichten. Für die Wahrnehmung der spezifischen parlamentarischen Kontrolle über die Durchführung des "Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" (G 10) ist ein Gremium bestellt, das aus fünf Abgeordneten des Landtags besteht. Über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen entscheidet eine unabhängige Kommission, die aus drei ebenfalls vom Landtag bestellten Persönlichkeiten besteht. 13 6. Verfassungsschutz durch Aufklärung Der Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann dauerhaft nur durch eine geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus gesichert werden. Dem Verfassungsschutz kommt dabei wesentliche Bedeutung zu. Seine Tätigkeit gewährleistet, daß Regierung und Parlament, aber auch die Bürger über Aktivitäten und Absichten verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen informiert werden. In Baden-Württemberg werden die Aufgaben des Verfassungsschutzes durch Aufklärung vom Landesamt für Verfassungsschutz mit Unterstützung des Referats "Verfassungsschutz" im Innenministerium wahrgenommen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit können kostenlos Informationsbroschüren zur Verfügung gestellt (bitte beiliegende Postkarte ausfüllen) und nach Einzelabsprache auch Referenten zu Vorträgen und Diskussionen über Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes angefordert werden. Im Jahr 1994 zeigt das Innenministerium gemeinsam mit dem Landesamt für Verfassungsschutz an wechselnden Standorten in Baden-Württemberg eine Ausstellung mit dem Titel "Biedermänner und Brandstifter - Gewalt von rechts in Baden-Württemberg". Die Ausstellung, die von Mitarbeitern des Landesamts für Verfassungsschutz betreut wird, will Ursachen und Zusammenhänge des Rechtsextremismus aufzeigen und zugleich zum Nachdenken anregen. Mit der gewählten Art der Umsetzung dieses Themas soll vor allem das Interesse junger Menschen geweckt werden. Für Gruppen organisiert das Landesamt für Verfassungsschutz auf Wunsch Führungen. Die einzelnen Ausstellungsorte und -termine werden rechtzeitig in der örtlichen Presse bekanntgegeben. Kontaktanschriften für Informationen zum Thema Verfassungsschutz: Landesamt für Verfassungsschutz Innenministerium Baden-Württemberg B aden-Württemberg - Öffentlichkeitsarbeit - Referat "Verfassungsschutz" Postfach 50 07 00 Postfach 10 24 43 70337 Stuttgart 70020 Stuttgart Tel.: 0711/95 44 00 Tel.: 0711/231-3542 oder-3544 14 B. Rechtsextremismus 1. Allgemeiner Überblick Die in den letzten Jahren bedrohlich angestiegene Zahl rechtsweiterhin extremistischer Gewalttaten ist 1993 im Vergleich zum Vorjahr zahlreiche zurückgegangen, bewegt sich jedoch noch immer auf hohem Niveau. Gewalttaten Die Ursache für den Rückgang der Gewaltakte um rund 15 Prozent dürfte nicht zuletzt in den konsequenten Strafverfolgungsmaßnahmen und beschleunigten Gerichtsverfahren zu sehen sein. Zusätzlich hat die bereits Ende 1992 mit den Verboten der "Nationalistischen Front" (NF), der "Nationalen Offensive" (NO) und der "Deutschen Alternative" (DA) dokumentierte Entschlossenheit des Staates, offensiv gegen rechtsextremistische Bestrebungen vorzugehen, auch 1993 in einer Reihe weiterer und vielfältiger Maßnahmen ihre Fortsetzung gefunden. Hierzu zählen auf Bundesebene Anträge der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht nach Art. 18 GG (Verwirkung von Grundrechten) gegen mehrere Neonationalsozialisten sowie ein Verbotsantrag nach Art. 21 Abs. 2 GG gegen die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP). Auf der Ebene der Länder kam es 1993 zu weiteren Verboten von rechtsex15 Organisationsverbot tremistischen Organisationen nach dem Vereinsgesetz. In BadenWürttemberg wurde durch Verfügung des Innenministeriums mit Wirkung vom 14. Juli 1993 die "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) verboten. Rechtsextremistischen Skinheadbands sowie den Verlegern und Vertreibern von Skinhead-Musiktonträgern galt eine am 3. Februar 1993 bundesweit zeitgleich durchgeführte Aktion. Dabei durchsuchte die Polizei wegen des Verdachts der Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß und Gewaltdarstellung Wohnungen, Übungsund Geschäftsräume von 10 Bands sowie zwei einschlägigen Musikverlagen und stellte umfangreiches Beweismaterial sicher, Durchsuchungs! aber auch Musikinstrumente sowie Waffen und Munition. In Badenmaßnahmen Württemberg waren bereits am 27. Januar 1993 Vertriebsfirmen in Geislingen und Ulm durchsucht worden. Zu ähnlichen Maßnahmen kam es erneut am 6. Mai 1993 gegen die Verantwortlichen des "Endsieg"-Verlags in Bruchsal und des "Walzwerk"-Versandhandels in Ingelfingen. Eine weitere, am 15. Juli 1993 bundesweit durchgeführte Maßnahme richtete sich gegen Herausgeber rechtsextremistischer Skinhead-Fanzines und den Inhaber eines Versandhandels rechtsextremistischer Skinhead-Materialien. Nicht zuletzt durch das massive staatliche Vorgehen hat sich das Bild der in Baden-Württemberg aktiven rechtsextremistischen bzw. neonationalsozialistischen Organisationen gewandelt. Neben der Einstellung der Aktivitäten der HVD infolge ihres Verbots haben Selbstauflösung sich die "Volkstreue Liste" (VL) und die "Nationalfreiheitliche Alternative" (NFA) wegen interner Schwierigkeiten selbst aufgelöst. Andere Selbstauflösungen, wie die der "Aktionspartei Nationalrevolutionärer Kameraden" (ANK), erfolgten in der Absicht, einem staatlichen Verbot zuvorzukommen. Erste Anzeichen deuten darauf hin, daß neonationalsozialistische Vereinigungen zu neuen Agitationsformen übergehen: An die Stelle von Organisationen treten lose, unorganisierte Zusammenschlüsse führender Aktivisten. Darüber hinaus zeigt sich eine neuarVernetzzung tige Vernetzung der "Szene", die vor allem durch eine Vertiefung informeller Kontakte sowie die Verwendung moderner Kommunikationsmittel (sog. Info-Telefone und computergestützte Mailboxen) gekennzeichnet ist. 16 Rechtsextremistische Parteien haben sich offiziell von Neonationalsozialisten abgegrenzt und lehnen eine Zusammenarbeit mit ihnen mehr oder weniger konsequent ab. Selbst in Anbetracht des "Superwahljahres" 1994 ist es den rechtsextremistischen Parteien bislang nicht gelungen, die Zersplitterung des "nationalen Lagers" zu überwinden. Weder die "Deutsche Volksunion" (DVU) noch die Partei "Die Republikaner" (REP), die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) oder die "Deutsche Liga für Volk taktische und Heimat" (DLVH) konnten sich zu einer Kooperation oder zu Überlegungen Wahlabsprachen zusammenfinden. Vor allem die REP lehnen - nicht zuletzt aus taktischen Überlegungen - eine Zusammenarbeit ab. Die Beobachtung der Partei "Die Republikaner" durch den Verfassungsschutz ist bundesweit derzeit noch Gegenstand mehrerer Verwaltungsgerichtsverfahren. Der Antrag des REP-Landesverbands Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Organisationen in Deutschland und Baden-Württemberg im Zeitraum 1991-1993 1991 1992 1993 Land Bund Land Bund Land Bund Rechtsextremistische Skinheads 190 4.200* 460 6.400 400 5.600 und sonstige gewaltbereite Zirkel Neonationalsozialistische 190 2.100 220 2.200 255 2.450 Parteien/Organisationen und Einzelpersonen hiervon: HVD** 45 80 50 hiervon: FAP 5 150 10 220 10 430 Rechtsextremistische Parteien 4.400 31.200 3.815 32.050 6.310 55.140 hiervon: DVU 2.900 24.000 2.900 26.000 2.900 26.000 hiervon: REP 2.500 23.000 hiervon: NPD 1.200 6.100 750 5.000 750 5.000 hiervon: DLVH 180 800 150 800 150 900 Sonstige rechtsextremistische 70 1,50 100 3.200 150 3.200 Organisationen Summe der Mitgliedschaften 4.970 40.950 4.610 43.900 7.115 66.390 Tatsächliche Mitgliederzahl nach 4.875 39.800 4.560 42.700 7.040 65.490 Abzug der Mehrfachmitgliedschaften * Ausschließlich Skinheads ** Auftreten nur in Baden-Württemberg; wurde J 993 verboten 17 Baden-Württemberg auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wurde im August 1993 vom Verwaltungsgericht Stuttgart zurückgewiesen. In der Begründung des Beschlusses stellte das Gericht fest, daß "beim Antragsteller hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen". Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die von den "Republikanern" hiergegen eingelegte Beschwerde durch Beschluß vom 11. März 1994 Verwaltungsgerichte zurückgewiesen und in den Entscheidungsgründen nochmals weisen Anträge der bestätigt, daß sich bei summarischer Prüfung der vorgelegten Unter..Republikaner" lagen "konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen des zurück Antragstellers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" ergeben. Die Beobachtung der "Republikaner" durch das Landesamt für Verfassungsschutz unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist daher weiterhin zulässig. Ein Hauptsacheverfahren in dieser Angelegenheit hat der Landesverband der "Republikaner" in BadenWürttemberg bislang nicht angestrengt. Die Bundespartei hat ihre Organklage beim Bundesverfassungsgericht inzwischen zurückgenommen. 1 Sämtliche im Bericht enthaltenen Zahlen über Straftaten in 2. Gewalttaten mit rechtsextremistischem BadenWürttemberg Hintergrund beruhen auf statistischen Angaben des 2.1 Häufigkeit und Zielrichtung Landeskriminalamts rechtsextremistisch beeinflußter Gewalt (LKA). Entsprechende Zahlen, die sich auf Der seit 1991 zu beobachtende dramatische Anstieg von das Bundesgebiet Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistibeziehen, wurden vom scher Motivation erreichte im Jahr 1992 seinen Höhepunkt. Diese Bundesamt für VerfasEntwicklung hat sich 1993 zwar nicht in gleichem Maße fortgesetzt, sungsschutz (BfV) doch ist die Lage von einer Beruhigung noch weit entfernt. So kam übernommen. Sie es nach dem Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993, bei dem basieren auf dem .Jahfünf Türkinnen qualvoll ums Leben kamen, im Bundesgebiet vorüreslagebericht 1993 bergehend erneut zu einem massiven Anstieg insbesondere fremdendes Bundeskriminalfeindlicher Gewaltaktionen. amts (BKA). 18 Entwicklung der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation in Deutschland im Zeitraum 1982 -1993 2 Als fremdenfeindliche Straftaten werden In Baden-Württemberg waren 1993 - den allgemeinen Trend alle Delikte mit bestätigend - insgesamt 166' rechtsextremistische Gewalttaten zu einer fremden feindliverzeichnen (1992: 281), wobei es im Juni des Jahres zu einem chen Zielrichtung sprunghaften Anstieg insbesondere der Brandund Sprengstoffanerfaßt, unabhängig schläge sowie telefonischer Drohungen kam. Im Bundesgebiet ging davon, ob sie aus einer die Zahl der Gewaltakte von 2.639 (1992) auf 2.232 (1993), entsprerechtsextremistischen chend 15,4 %, zurück. oder "nur" fremdenfeindlichen Motivation Die Gesamtzahl fremdenfeindlicher Straftaten2 in Badenbegangen werden. Württemberg war 1993 nur leicht rückläufig. Sie sank um 7 % auf 805 (1992: 866). Dagegen nahm sie bundesweit um 34,2 % auf 6.721 (1992: 5.008) zu. 19 Fremdenfeindliche Straftaten in Baden-Württemberg im Zeitraum Januar 1992 - Dezember 1993* Solingen 29.5.93 Mölln 23.11..92 Rostock 21./22.8.92 hlanrl! 54 * Organisation/Mitglieder Die von der Parteiführung schon seit längerem angestrebte personelle und finanzielle Konsolidierung konnte nur teilweise erreicht werden. Zwar gelang es, den Mitgliederbestand zu stabilisieren, jedoch hielt die Führungsdiskussion an. Insbesondere der Parteivorsitzende DECKERT sieht sich zunehmender Kritik an seiner Amtsführung ausgesetzt, vor allem wegen seines für einige Mitglieder unverständlichen Aktionismus und seiner fortdauernden offenen finanzielle Sympathien für "revisionistisches" Gedankengut. Die nach wie vor Schwierigkeiten angespannte Finanzlage, die vor allem aus Rückzahlungsverpflichtungen von Wahlkampfkostenerstattungen resultiert, versuchte die Partei mit einer Beitragserhöhung und Spenden in den Griff zu bekommen. * Aktivitäten Die Parteiarbeit beschränkte sich 1993 - neben der Beteiligung an verschiedenen Wahlen - vor allem auf mehrere überregionale Veranstaltungen. Dazu gehörte der ursprünglich in Pocking (Krs. Passau) vorgesehene, allerdings verbotene 25. ordentliche Bundesparteitag, der dann am 18. September 1993 in Coppenbrügge/Niedersachsen abgehalten, nach anhaltenden Protesten aber vorzeitig beendet wurde.Der NPD-Landesparteitag fand am 24. April 1993 in Landesparteitag Bruchsal-Obergrombach statt, ohne daß dabei Vorstandswahlen in Bruchsal abgehalten wurden. Das für den 3. bzw. 31. Oktober 1993 vorgesehene traditionelle "Deutschlandtreffen" konnte infolge Verbotsverfügungen nicht stattfinden. Im Jahr zuvor hatten an der damals in Arnstadt/Thüringen durchgeführten Veranstaltung noch 1.500 - 2.000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teilgenommen. * Wahlen Die NPD beteiligte sich am 7. März 1993 an den Kommunalwahlen in Hessen, wobei sie bei ihrem Wahlkampf auch von zahlreichen Wahlhelfern aus Baden-Württemberg unterstützt wurde. Dabei erlitt die Partei in ihrem Wahlschwerpunkt Frankfurt am Main, wo sie unter dem Motto antrat "Frankfurt muß deutsch bleiben!", mit nur 0,9 % der Stimmen und dem Verlust aller 7 Sitze im Stadtparia55 ment eine herbe Niederlage. Insgesamt konnte die NPD aber die Zahl ihrer Mandate von 29 auf 43 erhöhen und erzielte in Wölfersheim/Wetterau-Kreis mit 20,9 % sogar ein herausragendes Wahlergebnis. In Baden-Württemberg kandidierten NPD-Funktionäre bei verschiedenen Oberbürger-/Bürgermeisterwahlen, jedoch ohne jeden Erfolg. Im Vorfeld der Wahlen hatten sie stereotyp die Forderung erhoben, daß die jeweilige Stadt/Gemeinde "ausländerfrei" sein müsse. 4.3.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Wuppertal Mitglieder: ca. 15 Baden-Württemberg (1992: ca. 15) ca. 190 Bund (1992: ca. 200) Publikation: "Einheit und Kampf Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) befinden sich als Jugendorganisation der NPD in direkter Abhängigkeit von der Partei. Nach ihrem Statut sind sie zur aktiven Mitarbeit in den Parteigremien verpflichtet. Zu ihrem Selbstverständnis erklärte der amtierende Bundes Vorsitzende Andreas STORR, die JN habe nur zwei Aufgaben, "möglichst viele Jugendliche für nationaldemokratische Politik zu mobilisieren und sie politisch zu schulen". Im Mittelpunkt der politischen Arbeit der JN müsse "unbedingt die nationalistische Lebensgestaltung in praktischer Hinsicht stehen". Da den JN im Jahr 1993 politische Erfolge versagt blieben, verlegten sie ihre Aktivitäten auf andere Felder. Dazu gehörte beispielsweise der Auftritt führender JN-Funktionäre als Störer und Eierwerfer bei den Bayreuther Festspielen im Sommer 1993, wobei der frühere sowjetische Staatsund Parteichef GORBATSCHOW direkt betroffen war. zunehmende Für die zunehmende Radikalisierung der JN spricht, daß erstRadikalisierung mals offiziell JN-Funktionäre an dem ursprünglich in Wunsiedel geplanten und dann in Fulda durchgeführten "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" teilnahmen, wo sie zusammen mit Neonationalsozialisten demonstrierten und ausländerfeindliche Parolen skandierten. In diesem Aktionismus zeigt sich ein neues, spürbar aggressiveres Erscheinungsbild der JN. 56 Nennenswerte Aktivitäten der JN in Baden-Württemberg Landesverband waren 1993 nicht erkennbar, zumal der Landesverband offenbar nur inaktiv noch auf dem Papier existiert. Augenscheinlich haben viele ehemalige JN-Angehörige mittlerweile ein neues Betätigungsfeld in anderen rechtsextremistischen Organisationen gefunden. So existiert schon seit 1991 in Heilbronn ein Jugendverband "Junge Deutsche e.V." (JD), der zum Teil aus früheren JN-Mitgliedern besteht. Angehörige dieses Vereins unterhalten Kontakte zur Neonaziund Skinheadszene. 57 WS 4.3.2 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Gründung: 1967 Sitz: Wuppertal Mitglieder: wenige Einzelmitglieder in Baden-Württemberg ca. 50 Bund (1992: 50) Publikation: "Vorderste Front" Der "Nationaldemokratische Hochschulbund" (NHB), der "Studentenverband der NPD", ist im deutschen Hochschulleben ohne jede Bedeutung. Vereinzelt unternahmen NHB-Mitglieder den vergeblichen Versuch, an den Hochschulen Arbeitsgruppen ins Leben zu rufen. In der offiziellen Verbandspublikation "Vorderste Front" kamen auch namhafte Rechtsextremisten als Autoren zu Wort. 4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Gründung: 1991 Sitz: Berlin Mitglieder: ca. 150 Baden-Württemberg (1992: 150) ca. 900 Bund (1992: ca. 800) Publikation: "Deutsche Rundschau" * Gründung Gründung in Die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) konstituVillingen-Schwenningen ierte sich am 3. Oktober 1991 in Villingen-Schwenningen als "Sammlungspartei der nationalen Rechten". Sie ging aus dem Anfang 1991 von aktiven NPD-Funktionären und -Mitgliedern, ehemaligen Angehörigen der DVU und der REP initiierten Verein "Deutsche Allianz/Vereinigte Rechte" hervor. Als verlängerter Arm der Partei besteht daneben der "Förderverein Vereinigte Rechte". * Politischer Kurs Die DLVH betreibt ihre Agitation, die sie auch in ihrem monatlich erscheinenden Sprachrohr "Deutsche Rundschau" artiku58 liert, auf der Basis nationalistischer, rassistischer und völkisch-kollektivistischer Vorstellungen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind. Das auch als "Gründungsmanifest" bezeichnete neue Parteiprogramm lehnt sich sprachlich und Anlehnung an ideologisch an das Programm der NPD an. Formulierungen wie NPD-Parteiprogramm "Schaden am Gemeinschaftsbewußtsein" und "Gruppenegoismen der Parteien und Verbände" deuten auf die kollektivistische Ausrichtung der Partei hin. Agitationsschwerpunkt der DLVH ist eine Ausländerpolitik, "die den berechtigten Schutzinteressen des deutschen Volkes entspricht". Daneben offenbart sie deutliche Tendenzen zur Relativierung der NS-Verbrechen. In der Asylproblematik sowie in der Relativierung von Ablehnung der EU und des Vertrags von Maastricht agitiert die NS-Verbrechen DLVH ähnlich wie die anderen rechtsextremistischen Parteien. Während sie die fortschreitende Einigung Europas mit "Gleichmacherei", "Überfremdung" und "Bevormundung" gleichsetzt, stellt sie die Anwesenheit von "Asylanten" als "zerstörerisch" für das deutsche Volk dar. DEUTSCHE LIGA FÜR VOLK UND HEIMAT Anschrift: Postfach 543,8300 Landshut 1 59 * Organisation Der Parteiaufbau verlief auch 1993 nur schleppend. Es gelang mangels ausreichender personeller Kapazitäten nicht, die Gründung von Landesverbänden in allen Bundesländern spürbar voranzutreiben (derzeit insgesamt 9). Zudem vermochte die DLVH weder ihre Resonanz noch ihren Mitgliederbestand merklich zu erhöhen. Die leichter Anstieg Mitgliederzahl stieg bundesweit leicht auf jetzt rund 900 (1992: ca. der Mitgliederzahlen 800) an. Hingegen stagnierte sie in Baden-Württemberg bei etwa 150 Mitgliedern, die unverändert vor allem in den Kreisverbänden Tuttlingen und Schwarzwald-Baar organisiert sind. Die Funktion des geschäftsführenden Landesvorsitzenden wird weiterhin von dem ehemaligen NPD-Bundesgeschäftsführer Jürgen SCHÜTZINGER, Villingen-Schwenningen, wahrgenommen, der zudem dem Sprecherrat der Partei angehört. Schatzmeister der Partei ist seit November 1993 Kurt NIEW1EM, Neuenbürg/Enzkreis. * Wahlen Die DLVH ist bundesweit in verschiedenen Parlamenten verin mehreren treten, wobei sie die Mandate weitgehend durch Übertritte aus andeParlamenten ren Parteien erlangte. In Baden-Württemberg verfügt sie über 8 vertreten Mandate in den Gemeinderäten von Villingen-Schwenningen und Tuttlingen, die ihr 1991 durch Übertritte von Mandatsträgern der NPD und der "Republikaner" zugefallen waren. In Schleswig-Holstein eröffnete der Beitritt von vier ehemaligen DVU-Abgeordneten zur DLVH eine Chance für die Partei, ihre Politik öffentlichkeitswirksam auch in einem Landesparlament darzustellen. Die vier Parlamentarier haben inzwischen eine DLVH-Fraktion gebildet, die vom ehemaligen DVU-Fraktionschef geführt wird. Mit Harald NEUBAUER, einem weiteren Vorstandssprecher, der sein "Republikaner-Mandat mitnahm, ist die Partei auch im "Europäischen Parlament" vertreten. * Sonstige Aktivitäten Als bedeutsamste Veranstaltung der Partei ist zweifellos der Bundesparteitag am 14. November 1993 in Pfungstadt bei Darmstadt anzusehen, der ursprünglich bereits am 2. Oktober 1993 in Kolkwitz/Kreis Cottbus stattfinden sollte, jedoch verboten worden war. 60 Der Landesparteitag wurde am 29. August 1993 in TuttlingenLandesparteüag Möhringen durchgeführt. in Tuttlingen Die im November 1992 von SCHÜTZINGER in VillingenSchwenningen ins Leben gerufene "Bürgerwehr" trat 1993 kaum mehr in Erscheinung. Die Aktion mußte als durchsichtiger Versuch einer rechtsextremistischen Partei gewertet werden, aktuelle Probleme zu dramatisieren und wegen angeblicher Mängel bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine besondere Schutzfunktion für sich zu reklamieren. 5. Sonstige rechtsextremistische Organisationen Unter diesen Sammelbegriff fallen verschiedene, zumeist kleinere rechtsextremistische Vereinigungen und Weltanschauungsgemeinschaften, die nicht eindeutig bzw. ausschließlich dem neonationalsozialistischen Lager zuzurechnen sind. 5.1 "Wiking-Jugend e.V." (WJ) Gründung: 1952 Sitz: Stolberg Mitglieder: ca. 400 Bund (1992: ca. 400) Publikation: "Wikinger" Die zu den ältesten rechtsextremistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland zählende "Wiking-Jugend" (WJ) wird nach dem Führerprinzip geleitet und ist an einer germanisierenden Nordlandideologie ausgerichtet. Ihre rechtsextremistische Gesinnung Führerprinzip und ihre Verbundenheit insbesondere mit neonationalsozialistischen Gruppierungen offenbarte die WJ deutlich in ihrer Einladung zu der Veranstaltung "39. Tage volkstreuer Jugend in Hetendorf vom 28. Mai bis 1. Juni 1993": "Die Tage volkstreuer Jugend gewinnen in dieser Zeit der Verbote und des Terrors gegen jede volkstreue Regung eine besonders verbindende Bedeutung." 61 Aus diesen Zusammentreffen der Jugend könne "immer wieder Mut und Kraft zum Kampf für den Erhalt unseres Volkes und unserer Art" geschöpft werden. Diejenigen, die die "wachsende volkstreue Besinnung in Deutschland und Europa" ablehnten, seien als "Gesinnungsfeinde und Volkszerstörer" anzusehen, denen "Nordlands Wind um die Ohren" blasen werde. demokratiefeindliche Die demokratiefeindliche Haltung der Organisation zeigte sich Haltung besonders auch im "Wiking-Jugend Fahrtenplan 1993". Darin wurden die Regierungsmitglieder als "willkürliche Machthaber" und "Fanatiker der selbstzerstörerischen Wahnidee einer völkervernichtenden Bastardo-Multi-Kultur" bezeichnet. Indoktrinierung Durch solche Aussagen werden Kinder und Jugendliche, die von Jugendlichen sich hauptsächlich von der erwarteten Kameradschaft, den Sportund Freizeitangeboten sowie der Zeltund Lagerfeuerromantik der Vereinigung angezogen fühlen, mit rechtsextremistischem Gedankengut indoktriniert. 62 5.2 "Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V." (DDF) Gründung: 1983 Sitz: Kaufbeuren Mitglieder: ca. 140 Bund (1992: ca. 150) Publikation: "Recht und Wahrheit" "Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V." (DDF) wurde von dem ehemaligen zweiten Vorsitzenden der 1952 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen rechtsextremistischen "Sozialistischen Reichspartei" (SRP), Generalmajor a.D. Otto-Ernst REMER, in Eberbach/Neckar gegründet. Die Vereinigung, die in Baden-Württemberg nur mit Einzelmitgliedern vertreten ist und 1993 nicht öffentlich in Erscheinung trat, macht immer wieder mit ihrer betont aggressiv gehaltenen Schrift "Recht und Wahrheit" auf sich aufmerksam. Darin verherrlicht der Verein HITLER und glorifiziert das Verherrlichune "Dritte Reich". Der Bundesrepublik Deutschland wird jegliche Legides ..Dritten Reichs" timation abgesprochen, da das "Deutsche Reich" in den Grenzen vom 1. September 1939 fortbestünde. Aufgrund interner Auseinandersetzungen verließ REMER 1989 die DDF. Sie wird seitdem von Georg-Albert BOSSE geführt. Die früher von REMER herausgegebene "revisionistische" Schrift "Remer-Depesche", in der die Verbrechen des "Dritten Reiches" ..Revisionismus" geleugnet werden, erscheint weiterhin, jetzt unter der Anschrift eines britischen Rechtsextremisten. 6. Vernetzungen im Rechtsextremismus Mit dem Anschwellen rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten wurde von staatlicher Seite eine Phase massiver Bekämpfung des Rechtsextremismus eingeleitet. Dazu gehörten neben Organisationsund Veranstaltungsverboten auch zahlreiche Ermittlungsverfahren mit Hausdurchsuchungen, Razzien und Festnahmen, aber auch Indizierungen von Liedtexten und Publikationen. Diese staatlichen Maßnahmen haben in Verbindung mit einer verstärkten und beschleunigten Aufklärung von Straftaten und der Verurteilung der gefaßten Täter ihre Wirkung auf die rechtsextremistische "Szene" nicht verfehlt. Sie dürften in entscheidendem Maße mitverantwortlich sein für den deutlichen Rückgang rechtsextremistisch motivier63 ter Strafund insbesondere Gewalttaten. Insgesamt haben diese Maßnahmen - neben einer spürbaren Verunsicherung des rechtsextremistischen Spektrums - dazu geführt, daß sich Rechtsextremisten kaum noch in größerem Stil öffentlich artikulieren (können). Der anhaltende staatliche Druck hat im rechtsextremistischen Lager zu verstärkten Bemühungen um eine Neuorientierung geführt. Ziel ist dabei, die Schlagkraft des Rechtsextremismus unter den schwieriger werdenden Bedingungen zu erhalten bzw. zu steigern, die "Verfolgung" durch die Behörden mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel zu unterlaufen und dem "linken" politischen Gegner weniger Angriffsflächen zu bieten. In der Praxis hat dies in den vergangenen stärkeres Monaten zu einem stärkeren Zusammenrücken und Zusammenhalt Zusammenrücken insbesondere der neonationalsozialistischen "Szene" geführt, wobei der Neonazi-"'Szene" die Verbindungen in den rechtsextremistischen Parteienbereich intensiviert wurden. Die Tendenz ist unübersehbar, im Interesse übergeordneter Ziele interne Differenzen zugunsten einer verstärkten Kooperation zurückzustellen. In den Vordergrund treten verstärkt Überlegungen, eine gemeinsame Plattform zu finden und zumindest punktuell zu einem einheitlichen, organisationsübergreifenden Vorgehen zu kommen. Auffällig sind dabei zunehmend enger werdende Beziehungen zwischen den Führungspersonen der verschiedenen Gruppen bei gleichzeitigem bewußtem Verzicht auf eine erkennbare organisatorische Verfestigung. Vorbild ist dabei das Vorgehen "linker" Autonomer im Rahmen ihrer gegen Rechtsextremisten gerichteten "Antifa"-Kampagne, bei der sich in unterschiedliche organisatorische Zusammenhänge eingebundene Aktivisten jeweils anlaßbezogen unter einem gemeinsamen "Kampfthema" zu Aktionen zusammenfinden. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Hamburger Neonazi Christian WORCH, der bereits 1992 ein Konzept entwickelte, das unter der Bezeichnung "Anti-Antifa" die gemeinsame Basis für ein offensives Vorgehen des "nationalen Lagers" gegen den politischen Gegner schaffen sollte. organisationsDurch die Bildung organisationsübergreifender Aktionsgemeinschafübergreifende ten, an denen sich Neonationalsozialisten verschiedener Gruppen Aktionsgemeinschaften beteiligen können, werden die Überwindung bestehender Organisationsgrenzen und -strukturen sowie die Schaffung einer breiten Aktionsfront im "rechten" Lager angestrebt ("Volksfront von rechts"). In Flugschriften und Publikationen veröffentlichen bereits bestehende "Anti-Antifa"-Gruppen immer häufiger Informationen über 64 tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner. So wird seit November 1993 über eine dänische Deckadresse eine umfangreiche "Anti-Antifa"-Broschüre mit der Bezeichnung "Der Einblick" vertrieben, in der Namen, Adressen und Anlaufstellen von politischen Gegnern veröffentlicht und 115 Personen - u.a. aus Baden-Württemberg - namentlich genannt werden (vgl. auch 2.1). Eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung neuer Organisationsund Agitationsformen im "nationalen Lager" spielt die zügig fortschreitende Ausrüstung mit einer für kurzfristige und flexible Reaktionen und Handlungsweisen unentbehrlichen Logistik, verbunAufbau eines den mit dem zielstrebigen Aufund Ausbau eines bundesweiten bundesweiten Nachrichtenund Informationsnetzes. Hierzu zählt die Nutzung der Informationsnetzes gesamten Bandbreite der modernen Kommunikationsmittel wie Faxgeräte, BTX, Funkgeräte, sogenannte Nationale Info-Telefone und Mobiltelefone sowie der Aufbau eines bundesweiten elektronischen Datenverbundsystems ("Mailboxen"). Dabei sind die Nutzer von BTX - dazu gehören auch "Die Republikaner" (REP) und die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) - u.a. in der Lage, unabhängig von den Medien ihre politischen Ansichten ungekürzt und unkommentiert zu verbreiten. Über die "Nationalen Info-Telefone" können aktuelle Informationen abgerufen werden wie z.B. staatliche Maßnahmen gegen Rechtsextremisten (Prozesse, Verurteilungen, Verbote etc.), geplante "nationale" Veranstaltungen von regionaler und überregionaler Bedeutung sowie Hinweise auf aktuelle rechtsextremistische Publikationen. Die herausragende Bedeutung der Mobiltelefone besteht vor allem in ihrer Nutzung bei der Planung und Durchführung eigener Veranstaltungen; dadurch wird ein flexibles und kurzfristiges Reagieren auf polizeiliche Maßnahmen oder Gegenaktionen von "Linken" ermöglicht. Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von Verwendung von Mobiltelefonen war die Durchführung des "Rudolf-Heß-GedenkmarMobiltelefonen sches" am 14. August 1993 in Fulda. Zum wichtigen Kommunikatiund ..Mailboxen" onsmittel werden zunehmend auch die "Mailboxen" (elektronische Briefkästen), die im "Thule-Netzwerk" zusammengefaßt sind. Dieses System bietet rechtsextremistischen Organisationen und Personen die Möglichkeit, mit relativ geringem finanziellem und technischem Aufwand umfassend miteinander zu kommunizieren. Dabei können zum Beispiel die unterschiedlichsten Informationen abgesetzt, aber auch politisches Schulungsmaterial weitergegeben und rechtliche Beratungen durchgeführt werden. 65 7. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus Die teilweise intensiven Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu Gesinnungsgenossen im Ausland bestanden auch 1993 unvermindert fort. Persönliche Verbindungen werden ergänzt durch breit gefächerten Publikationenaustausch und internationale Kontakte über moderne Kommunikationsmittel. Noch immer von Bedeutung sind große Treffen auf internationaler Ebene. So fanden vom 12. bis zum 22. Mai 1993 in Kollund/Dänemark sogenannte Nordische Dichtertage statt, die von dem Neonazi Thies CHRISTOPHERSEN organisiert wurden. Daran Treffen in Dänemark. nahmen Gleichgesinnte aus ganz Europa teil. Zu einem weiteren Belgien und Spanien Treffen von Neonazis kam es bei der alljährlich stattfindenden Flandernfahrt "Ijzerbede-Vaart" (27. bis 29. August 1993) nach Diksmuide/Belgien. Auch anläßlich der Feierlichkeiten zum Todestag des spanischen Diktators FRANCO am 20./21. November 1993 versammelten sich Rechtsextremisten aus mehreren Ländern in Madrid. Zu den bekanntesten, gleichzeitig aber auch übelsten Zeitschriften in der deutschen Neonazi-Szene zählt nach wie vor der "NS-Kampfruf' der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) des US-Bürgers Gary Rex LAUCK aus Lincoln/Nebraska (USA). 66 Die NSDAP/AO, die sich selbst als "größte nationalsozialistische Untergrundorganisation im heutigen Deutschland" bezeichnet, kämpft gegen das NS-Verbot und "strebt die Zulassung der NSDAP als Partei in Deutschland an". Sie verfügt im Bundesgebiet über zahlreiche, meist nur aus Einzelaktivisten bestehende Stützpunkte, über die das umfangreiche Propagandamaterial aus den USA verPropagandamaterial breitet wird. aus dem Ausland Daneben wird aber auch seit Jahren rechtsextremistisches Publikationsmaterial aus Kanada, Spanien, England, der Schweiz, Österreich und anderen Ländern in das Bundesgebiet eingeschleust. 67 68 Eine neue Dimension internationaler Kontakte hat sich zu Gesinnungsgenossen in mehreren osteuropäischen Ländern entwickelt. Dazu gehören die Verbindungen des DVU-Vorsitzenden Dr. FREY zum Vorsitzenden der "Liberaldemokratischen Partei Rußlands", Wladimir SCHIRINOWSKIS sowie Kontakte deutscher Neonationalsozialisten zur rechtsextremistischen russischen Organisation "Russische Nationale Einheit" unter Alexander BARKASCHOW. Die NPD, die Beziehungen zu polnischen RechtsextreKontakte zu misten unterhält, konnte auf ihrem Bundesparteitag am 18. Septemrussischen und ber 1993 in Coppenbrügge einige "Kameraden aus Thorn" begrüßen. polnischen In Litauen lassen deutsche Rechtsextremisten Zeitschriften, Bücher Rechtsextremisten und Flugblätter drucken. Ferner kämpfen etwa 25 deutsche Rechtsextremisten, vorwiegend Neonazis, in Kroatien und Bosnien gegen die Serben. 8. "Revisionismus"-Kampagne Obwohl das Thema "Revisionismus" im Jahre 1993 etwas in den Hintergrund getreten ist, erfüllt es noch immer eine wichtige Funktion im rechtsextremistischen Lager: Denn das Hauptfeld der "Revisionisten" ist die Leugnung der Massenvernichtung der Juden im "Dritten Reich". Dabei versuchen sie mit angeblich wissenschaftlichen "Gutachten" nachzuweisen, daß schon aus technischen Gründen das Vergasen Hundertausender von Juden gar nicht möglich gewesen sei. Eine besondere Bedeutung erlangte in diesem Zusammenhang das pseudowissenschaftliche Gutachten des Amerikaners Fred LEUCHTER (der sogenannte Leuchter-Report), das dieser 1988 im Auftrag des in Kanada lebenden deutschen Neonazis und "Revisionisten" Ernst ZÜNDEL erstellt hatte. Da LEUCHTER seine "revisionistischen" Thesen in der Vergangenheit auch in anderen Schriften und bei Vorträgen, u.a. in Baden-Württemberg, vertreten hat, ist bei der Staatsanwaltschaft Mannheim seit 1991 ein Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig. Nachdem er am 28. Oktober 1993 in einem Kölner Fernsehstudio festgenommen worden war, wurde er auf Anordnung des Landgerichts Mannheim nach Zahlung einer Kaution von 20.000 DM am 30. November 1993 wieder auf freien Fuß gesetzt und reiste umgehend in die USA aus. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim hin wurde der Haftbefehl wenig später wieder in Vollzug gesetzt. 69 Ein anderer "Revisionist", der auch 1993 wieder von sich reden mächte, war einmal mehr der britische Staatsangehörige David IRVING. Obwohl er seit März 1990 zur Zurückweisung an der deutschen Grenze ausgeschrieben ist, gelingt es IRVING immer wieder, unerkannt nach Deutschland einzureisen und als Redner bei rechtsextremistischen Veranstaltungen aufzutreten. Am 9. November 1993 wurde IRVING mit einer Ausweisungsverfügung des Kreisverwaltungsreferats der Stadt München aufgefordert, wegen seines ständigen Leugnens des "Holocausts" und der damit verbundenen Verstöße gegen deutsche Strafgesetze das Bundesgebiet bis zum folgenden Tag zu verlassen. IRVING, der im Rahmen einer von zwei Neonazis organisierten Vortragstournee am 10. November 1993 in Niedereschach/Schwarzwald-Baar-Kreis referieren sollte, kam dieser Aufforderung nach. Neben LEUCHTER und IRVING sind hauptsächlich Dr. Max WAHL (Schweiz), Robert FAURISSON (Frankreich), Gerd HONSIK und Walter OCHENSBERGER (beide Österreich) sowie die deutschen Staatsbürger Wilhelm STÄGLICH und Thies CHRISTOPHERSEN (letzterer in Dänemark lebend) als führende Repräsentanten der internationalen "Revisionismus"-Kampagne anzusehen. Im Dezember 1993 konnten in Schleswig-Holstein Tausende von Exemplaren der "revisionistischen" Vierteljahresschrift "Die Bauernschaft" sowie zahlreiche Bücher und Videokassetten - alle von CHRISTOPHERSEN herausgegeben - sichergestellt werden. Darüber hinaus wurden Disketten und ein Personalcomputer beschlagnahmt, die offenbar zur Herstellung dieser Schrift benutzt worden waren. 70 C. Linksextremismus 1. Allgemeiner Überblick Die 1992 begonnene strategische Neuorientierung der "Roten Armee Fraktion" (RAF) sowie die vorübergehende Aussetzung gezielt tödlicher Aktionen wurden auch 1993 weiterverfolgt. Das Ziel einer politischen Lösung für alle Inhaftierten konnte die RAF jedoch nicht erreichen. Vielmehr wurde dieser Neuformierungsprozeß durch interne Probleme belastet: Spaltung des Gefangenenkollektivs, Bruch eines Großteils dieser Inhaftierten mit der RAF, tiefgreifende, Bruch mit der substantielle Kritik an der Gruppe sowie daraus resultierend die EntRAF stehung einer neuen militanten Gruppe, die sich im bewußten Gegensatz zur "alten" RAF sieht. Die Krise der Terrorgruppe spiegelt sich auch in ihrem Unterstützerpotential wider, das 1993 neben einigen wenigen punktuellen, regional bedeutsamen Aktionen keine großen Aktivitäten entwickelte. Zudem ist in Baden-Württemberg ein leichter zahlenmäßiger Rückgang feststellbar. Während in Baden-Württemberg etwa 360 (1992: 250) gewaltbereite Autonome zu verzeichnen waren, blieb das Gewaltpotential bundesweit mit mehr als 5.000 Personen in etwa stabil. In Baden71 Württemberg wurden 1993 noch 45 (1992: 63) Gewalttaten mit linksextremistischem bzw. zu vermutendem linksextremistischem steigende linksHintergrund gezählt, während die Zahl im Bundesgebiet um fast 10 % extremistische auf 1.085 (1992: 980) anstieg. Von den Gewalttaten richteten sich 14 Gewalttaten (1992: 24) gegen "rechts", bundesweit 337 (1992: 390). Gewalttaten mit linksextremistischem und linksextremistischterroristischem Hintergrund in Deutschland im Zeitraum 1992-1993 -MonatsvergleichJAN FEB MÄR APR MAI**JUN**JUL AUG SEP OKT NOV***DEZ * Bearbeitungsstand: 14.1.1994 ** Änderung des Artikels 16 GG - Brandanschlag am 29.5.1993 auf ein von türkischen Staatsangehörigen bewohntes Mehrfamilienhaus in Solingen ***Brandanschlag am 23.11.1992 auf ein von türkischen Staatsangehörigen bewohntes Mehrfamilienhaus in Mölln 72 Gewalttaten mit linksextremistischem und linksextremistisch-terroristischem Hintergrund in Deutschland im Zeitraum 1992 -1993 * -Tatartenvergleich1993 1992 Tötungsdelikte Schußwaffenan ichläge Sprengstoff anschlage Brandanschläge Landfriedensbri iche Körperverletzui igen Widerstandshar dlungen Raubüberfälle / Diebstähle 25 Gefährliche Eir griffe in den Bann-, Luftoder Straßenverkehr Bearbeitungsstand: 14.1.1994 Sachbeschädigungen Umfaßt Brandstiftungen und alle Sachbeschä digungen unter Einsatz von Brandmitteln mit erheblicher Gewaltanwendung "Darunter 83 (1992: 128 Fälle) mit Körperver letzung Die Krise der linksextremistischen Parteien scheint ihren Tief punkt überschritten zu haben. Während die "Deutsche Kommuni stische Partei" (DKP) 1993 im Bundesdurchschnitt nochmals rund 500 Mitglieder im Vergleich zum Vorjahr verloren hat (in BadenWürttemberg etwa 50), konnte die "Marxistisch-Leninistische Par Mitgliederzunahme tei Deutschlands" (MLPD) bereits wieder erste Mitgliederzugänge bei der MLPD verzeichnen. Der Partei gelang es, bundesweit ihren Bestand von 1.700 (1992) auf 2.000 (1993) zu steigern, ein Trend, der sich in Baden-Württemberg mit konstant 700 Mitgliedern noch nicht fest stellen läßt. 73 Mitgliedschaften in linksextremistischen Organisationen in Deutschland und Baden-Württemberg im Zeitraum 1991-1993 1991 1992 1993 Land Bund Land Bund Land Bund Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Kernorganisationen 1.700 21.800 1.520 21.900 1.510 21.800 hiervon: DKP 700 8.000 650 ca.7.000 600 6.000 hiervon: MLPD untei700 1.500 ca.700 1.700 700 2.000 Nebenorganisationen 130 700 ca. 100 800 15 800 beeinfl. Organisationen ' 2.340 20.000 2.200 16.400 2.130 16.300 Anarchisten und 230 2 4.300 ca.2502 6.800 4403 6.700 sonstige Sozialrevolutionäre Mitgliedschaften insgesamt4 2.100 27.300 ca. 1.850 ca29.000 1.965 ca29300 Mitglieder cal.700 ca26500 cal.450 ca2&500 1.915 nach Abzug von MehrfachmitgHedschaften und Kinderorganisationen ' Einschließlich nichtkommunistischer Mitglieder 2 Gewaltbereite Autonome 3 Gewaltbereite Autonome sowie RAF-Umfeldangehörige und Anhänger anarchistischer Organisationen 4 ohne Mitglieder beeinflußter Organisationen 2. Linksextremistischer Terrorismus Für die "Rote Armee Fraktion" (RAF) brachte das Jahr 1993 schwere Krise die bislang wohl größte Krise. Die Terrorgruppe, deren Aktivitäten der RAF über einen Zeitraum von 20 Jahren eine der stärksten Bedrohungen für die innere Sicherheit darstellten, steht nunmehr vor der Existenzfrage. Die "Revolutionären Zellen" (RZ), die 1992 eine selbstkritische Ideologiediskussion geführt hatten, traten 1993 wieder mit punktuell durchgeführten Gewaltaktionen hervor; Baden-Württemberg war davon nicht betroffen. 74 2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 2.1.1 RAF-Kommandoebene An dem bereits 1992 von der RAF-Kommandoebene in mehreren Grundsatzerklärungen proklamierten vorübergehenden Aussetzen des "bewaffneten Kampfes" hat sich im Grundsatz auch 1993 nichts geändert. Allerdings ergaben sich für die RAF die zu erwartenden Probleme mit dem gleichzeitig angestrebten Neuaufbau einer möglichst breiten "radikalen Linken". Schwerer noch wog die Tatsache, daß staatliche Institutionen nicht bereit waren, sich auf die geforderte "politische Lösung" der Inhaftiertenfrage einzulassen. Um den Druck auf das "System" zu erhöhen und zudem die Aktionsfähigkeit und Schlagkraft der RAF zu demonstrieren, sprengte das "RAF-Kommando Katharina HAMMERSCHMIDT" am 27. RAF-Anschlag März 1993 den Neubau der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt (Hessen); dabei entstand Sachschaden in Höhe von ca. 130 Millionen DM. Am 27. Juni 1993 gelang es den Sicherheitsbehörden, in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) die beiden langjährig gesuchten Kommandomitglieder Wolfgang GRAMS und Birgit HOGEFELD zu stellen. GRAMS kam bei dieser Aktion, in deren Verlauf er einen Polizeibeamten getötet hatte, ums Leben, während Birgit HOGEFELD festgenommen werden konnte. Die Kommandoebene kommentierte dieses - auch in der Öffentlichkeit heftig umstrittene - Ereignis in einer Erklärung vom 6. Juli 1993. Daraus ergaben sich allerdings keine Hinweise, welche Konsequenzen die Kommandoebene aus der Aktion ziehen würde, und ob sie darauf mit neuen Mordanschlägen reagieren würde. Sie stellte lediglich fest, daß GRAMS' Tod neue Ausgangsbedingungen geschaffen habe und rief "alle Menschen... dazu auf: Geht nicht zur Tagesordnung über! Nehmt das nicht hin!" 75 2.1.2 RAF-Inhaftierte Im Verlauf des Jahres 1993 wurden weitere Häftlinge aus dem "Widerstand", die früher dem Unterstützerbereich der RAF angehörten, vorzeitig entlassen. Zu einer Freilassung ehemaliger Kommandomitglieder kam es jedoch nicht. Gegen mehrere Gefangene wurden vielneue Strafverfahren mehr neue Verfahren eingeleitet, bedingt durch Aussagen von RAFAussteigern aus der ehemaligen DDR. So wurde vom 24. Mai bis zum 18. Oktober 1993 gegen Ingrid JAKOBSMEIER in Stuttgart-Stammheim verhandelt (Urteil: 15 Jahre Freiheitsstrafe). 2.1.3 RAF im Umbruch Im Sommer 1993 spitzten sich die Widersprüche innerhalb der RAF zu. Die Mehrzahl der Inhaftierten, die die neue RAF-Politik als Abspaltung Verrat ansahen, erklärte zuerst der Häftlingsgruppe in der Justizvollvon der RAF zugsanstalt Celle und schließlich auch der Kommandoebene den endgültigen Bruch. Anlaß war der Versuch der Celler Gefangenen, mit Billigung der Kommandoebene Kontakte zu Prominenten aus Wirtschaft und Gesellschaft herzustellen. Durch deren Einflußnahme auf die Bundesregierung erhoffte sich die RAF eine erfolgreiche Vermittlung bei der Lösung der Inhaftiertenfrage. Die Kommandoebene reagierte ihrerseits am 2. November 1993 mit einer "Trennungserklärung" und bekräftigte nochmals die Notwendigkeit einer Neuformierung. Sogar die Organisation RAF könne zur Disposition gestellt werden, wenn es der effektiven revolutionären Umwälzung des Systems in einer gemeinsamen Anstrengung aller "Linken" diene. Die Option auf "bewaffneten Kampf" bleibe aber unverändert bestehen. 2.1.4 RAF-Unterstützerbereich Der Anschlag in Weiterstadt am 27. März 1993, der im Unterstütvorübergehende zerbereich der RAF überwiegend begeisterte Zustimmung fand, wurde Motivation nach dort zunächst als richtungsweisendes Signal aufgenommen und verstärkte RAF-Anschlag zudem die Kampagne für die Freilassung der RAF-Inhaftierten. Im übrigen motivierte die am 24. Mai 1993 in Stuttgart-Stammheim eröffnete neue Hauptverhandlung gegen die RAF-Inhaftierte Ingrid JAKOBSMEIER das hiesige RAF-Umfeld zu zahlreichen begleitenden Veranstaltungen. 76 Die Festnahmeaktion am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen und der dabei bekanntgewordene Einsatz eines Informanten des Verfassungsschutzes hatten dann aber eine sehr negative Wirkung auf den Unterstützerbereich. Auch in Baden-Württemberg wirkte sich dies überaus dämpfend auf dessen Aktivitäten aus. Der offene Bruch, der sich schließlich in der zweiten Jahreshälfte zwischen Kommandoebene und Inhaftierten einerseits sowie innerhalb der InhaftiertenKrise der RAF gruppe selbst vollzog, führte im Unterstützerbereich zur Bildung wirkt sich auch auf verschiedener Strömungen, so daß außenwirksame Aktivitäten fast deren Umfeld aus gänzlich zum Erliegen kamen. Die Mehrzahl der Aktivisten zog sich völlig demotiviert aus der politischen Arbeit zurück und beschäftigte sich zeitweise nur noch mit internen Problemen. Die zahlenmäßige Stärke des Unterstützerpotentials in BadenWürttemberg war 1993 mit etwa 75 gegenüber ca. 80 im Vorjahr leicht rückläufig. Die regionalen Schwerpunkte liegen auch weiterhin in Stuttgart, Tübingen, Heidelberg, Karlsruhe und Freiburg. 77 2.1.5 Neue terroristische Gruppe will RAF-Aktionen fortsetzen Mittlerweile sind einige Militante - unter ausdrücklicher Abgrenzung von der RAF - dazu übergegangen, "antiimperialistische" Politik mit eigenen Anschlägen fortzuführen: In einer umfangreichen Grundsatzerklärung vom 5. September 1993 bekannte sich Bekennung zu eine "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia SHEHADAH" Brandanschlag nachträglich zu dem Brandanschlag auf das "Rechtshaus" (Juristische Fakultät) der Universität Hamburg am 21. November 1992 und zu einer symbolischen Aktion gegen die frühere Wohnung eines Bundesgrenzschutzbeamten am 18. August 1993 in Solingen. Gleichzeitig wurde zu "revolutionärer Gegengewalt" und zu einer "neuen Etappe militanter Politik hier in der BRD" aufgerufen. Am 17. November 1993 verübte die terroristische Gruppierung einen Schußwaffenanschlag auf das Bürogebäude des "Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall" in Köln. In einem weiteren Positionspapier bekannte sich die "Widerstandszelle" am 13. Dezember 1993 zu der Tat und kündigte für die Zukunft weitere bewaffnete Aktionen an, wobei sie Mordanschläge als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele ausdrücklich einschloß: "wenn der antiimperialistische kämpf in der brd ein relevanter werden soll, werden die kämpfenden zusammenhänge nicht darauf verzichten können, gezielte angriffe auf einzelne funktiAnkündigung weiterer onsträger aus politik und Wirtschaft durchzuführen...SchußwafGewaltaktionen fen... sind ein ausgezeichnetes mittel für gezielte aktionen, mit symbolischer bis tödlicher Wirkung... wir werden in Zukunft militante/bewaffnete aktionen durchführen..." Die Erklärung macht deutlich, daß sich mit der "Antiimperialistischen Widerstandszelle Nadia SHEHADAH" vermutlich neben der RAF eine ernstzunehmende terroristische Gruppierung entwickelt hat, die nach eigenen Angaben inzwischen ausreichende politisch-konzeptionelle Vorstellungen entwickelt hat. 78 2.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Auch 1993 waren Aktivitäten "Revolutionärer Zellen" (RZ) in Baden-Württemberg nicht zu verzeichnen. Die 1992 begonnene selbstkritische Ideologiedebatte innerhalb der RZ wurde nicht weiter selbstkritische fortgesetzt. In dieser Diskussion über Strategie und Taktik hatten Ideologiedebatte RZ-Gruppierungen die "unveränderte Notwendigkeit einer Sozialrefand keine volutionären Guerilla" betont und erklärt, an ihrer bisherigen Praxis Fortsetzung festhalten zu wollen. So verübte eine RZ in der Nacht zum 3. Oktober 1993 Sprengstoffanschläge auf eine Stromversorgungsstation des Grenzschutzamts Frankfurt/Oder (Brandenburg) und auf Dienstfahrzeuge des Bundesgrenzschutzes am Flughafen Rothenburg bei Görlitz (Sachsen), die mit der "Jagd nach Flüchtlingen durch den BGS" begründet wurden. 3. Autonome und sonstige Anarchisten 3.1. Autonome Gruppen Die autonome "Szene" demonstrierte ihren Haß gegen den freiheitlichen Rechtsstaat erneut mit zahlreichen Gewaltakten. Dabei reicht der Aktionsrahmen gewaltbereiter Autonomer von Sachbeschädigungen bis hin zu Brandanschlägen und gezielten Angriffen auf Personen. Dieser ideologisch begründete "Kampf" ist unverändert die einigende Komponente des nach wie vor zersplitterten und nur in Ansätzen organisierten autonomen Spektrums. Denn Autonome verstehen sich als Fundamentalopposition, die jede staatliche gewalttätige Autorität ablehnt und darüber hinaus auch ausgesprochen organisatiFundamentalopposition onsund ideologiefeindlich eingestellt ist. Lockere örtliche, allenfalls regionale Gruppierungen ohne Zwänge und Strukturen und ohne einheitliches politisches Konzept sind die Regel, die Schaffung persönlicher Freiräume in möglichst rechtsfreien Räumen ist das Ziel. Die gewaltsame Auseinandersetzung mit dem Staat ist deshalb vorprogrammiert. Autonome leben von aktuellen und vermittelbaren Aktionsthemen. Waren dies in den 80er Jahren insbesondere Themen wie "Häuserkampf" und "Anti-AKW-Kampf", so ist mit dem Erstarken der rechtsextremistischen Gruppierungen inzwischen der "Antifaschismus-Kampf zum übergreifenden Kampagnenthema geworden. 79 Auch im Jahr 1993 war die sogenannte antifaschistische Selbst hilfe der wichtigste Ansatzpunkt für autonome Militanz, die nach dem Verständnis autonomer Kreise gewalttätiges Vorgehen gegen staatliche Einrichtungen und wirtschaftliche Institutionen als angebliche Verbündete von Rechtsextremisten miteinschließt. Zu den "antifaschistische Schwerpunkten automen Vorgehens zählten in diesem ZusammenSelbsthilfe" hang gerade auch Aktivitäten gegen die Änderung des Asylrechts. Von wachsender Bedeutung ist außerdem die zunehmend planvolle Organisierung der Gewalt gegen den politischen Gegner. Man müsse demonstrieren, so hieß es bereits in einer Göttinger "Szene"Publikation von 1992, daß die Faschisten angreifbar seien. Natürlich sei dabei "nicht auszuschließen, daß jemand auf der Strecke bleibt". Ein gezielter Mord komme "in der jetzigen Situation" nicht in Frage, man könne sich jedoch "nicht für alle Zeiten festlegen". So spähen Autonome seit Jahren Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten systematisch aus und veröffentlichen "Steckbriefe", teilweise verbunden mit der unverhohlenen Aufforderung zu Gewalttätigkeiten: "FASCHISTEN HABEN NAME UND ANSCHRIFT. GREIFT SIE AN.'"(Sprühaktion in Pfinztal/Krs. Karlsruhe, Oktober 1993) 1993 richteten sich in Baden-Württemberg 14 (1992: 26), bundesweit 337 (1992: 390) Gewaltaktionen der Autonomen gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. 80 Das Gesamtpotential des gewaltbereiten autonomen Spektrums umfaßt in Baden-Württemberg etwa 360 (1992: 250), im Bundesgebiet mehr als 5.000 Personen (1992: ca. 5.000). Außerdem kann zu Potential der konkreten Anlässen eine Vielzahl weiterer Linksextremisten mobiliAutonomen siert werden. Örtliche Schwerpunkte in unserem Bundesland sind die Städte Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und der Raum Tübingen/Reutlingen. 3.2 Straftaten mit erwiesenem oder vermutetem linksextremistischem Hintergrund Im Jahr 1993 wurden in Baden-Württemberg 519 Straftaten bekannt (1992: 673), bei denen ein linksextremistischer Hintergrund erwiesen ist oder aufgrund der Tatumstände naheliegt. Ein erheblicher Anteil entfällt unverändert auf Delikte mit "antifaschistischem" häufig "antifaschiund "antirassistischem" Hintergrund. Zu den gravierendsten Vorfälstische" Motivation len in Baden-Württemberg zählen u.a. folgende Ereignisse: * Am 1. Februar 1993 wurde auf mehrere Dienstwagen des Regierungspräsidiums Tübingen ein Brandanschlag verübt, wobei ein Fahrzeug völlig ausbrannte. In einer Erklärung bezeichneten die unbekannten Täter das Regierungspräsidium als "verantwortliche Behörde für das Reutlinger Abschiebelager für Flüchtlinge". Sie prangerten eine "rigorose Abschiebepraxis" an und bekräftigten nachhaltig: "Wir müssen die Flüchtlinge bei ihrem Kampf gegen die rassistischen Angriffe auf allen Ebenen unterstützen." * Am 26727. März 1993 entstand durch Beschädigungen an einem Wohnhaus in Esslingen ein Sachschaden von ca. 15.000 DM. Die Täter waren offensichtlich von der falschen Annahme ausgegangen, daß dort eine Stadtund Kreisrätin der Partei "Die Republikaner" wohne. Angebrachte Farbschmierereien enthielten die Parolen "Tod den Reps, Nazis raus". * An der Gemeindehalle in Tübingen-Pfrondorf entstand am 27728. Juni 1993 durch Sachbeschädigungen ein Schaden von rund 90.000 DM. Farbschmierereien wiesen auf einen Zusammenhang mit einer geplanten Veranstaltung der "Republikaner" am 6. Juni 1993 hin, die auf dem Gelände neben dieser Halle stattfinden sollte. Die Zusage zur Benutzung des Grundstücks war von der Ortsverwaltung jedoch zurückgenommen worden. 81 * Auf ein Vereinsheim im Raum Schriesheim wurde am 8. Juli 1993 ein Brandanschlag verübt, der einen Sachschaden von ca. 20.000 DM verursachte. Die Taterklärung einer "Aktion Flächenbrand" bezog sich auf eine dort geplante Veranstaltung der "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit" (HIAG), einem Traditionsverband ehemaliger Waffen-SS-Angehöriger. * Am 21. Juli 1993 verübten unbekannte Täter in TübingenPfrondorf einen Brandanschlag auf mehrere Fahrzeuge eines Landtagsabgeordneten der "Republikaner". Dabei entstand Sachschaden von ca. 50.000 DM. In der Taterklärung einer "ANTIFASCHISTISCHEN WAGENSPORTLIGA SÜDDEUTSCHLAND, KREISKLASSE TÜBINGEN" wurde der Geschädigte als einer der "ideologischen verantwortlichen des rassistischen terrors" bezeichnet. * Bei Protestaktionen gegen den Bundesparteitag der "Republikaner" in Rastatt kam es am 31. Oktober 1993 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Zahlreiche Waffen und waffenähnliche Gegenstände konnten sichergestellt werden. * Am 20. November 1993 wurden bei Ausschreitungen in Freiburg mehrere Polizeibeamte verletzt und ein Sachschaden von ca. 15.000 DM verursacht. Hintergrund dieser Krawalle war der Protest Freiburger Autonomer gegen den Bau einer "Kulturund Tagungsstätte", verbunden mit der Forderung nach einem "Autonomen Jugendzentrum". 3.3 Anarchistische Gruppen geringer Der Wirkungsgrad der im Bundesgebiet agierenden anarchistiWirkungsgrad schen Gruppen ist weiterhin gering. Die anarcho-syndikalistische "Freie Arbeiterinnen Union" (FAU) strebt eine "herrschaftsfreie, auf Selbstverwaltung gegründete Gesellschaft" an. Sie sieht im "ökonomischen Bereich" den Hauptansatzpunkt für ihren "antikapitalistischen Kampf". Zur Durchsetzung ihrer Ziele propagiert sie sogenannte direkte Aktionen wie Streiks, Boykottmaßnahmen und Besetzungen. Die FAU ist in Baden-Württemberg mit Kontaktstellen in Kirchheim/Teck, Ludwigsburg, Stuttgart, Tübingen und Ulm vertreten. 82 Die "Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei" (FAU/AP) und ihre Nebenorganisationen "Freie Arbeiter Union - Studenten" (FAUST) und "Schwarze Garde" treten - trotz zahlenverbale Militanz mäßiger Schwäche - mit großer verbaler Militanz für die "bewaffnete Zerschlagung des bürgerlichen Staates in der sozialistischen Revolution" ein. Ihr Hauptagitationsfeld liegt in Heidelberg. 4. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder: ca. 600 Baden-Württemberg (1992: ca. 650) ca.6.500 Bund (1992: ca. 7.000) Publikation: "Unsere Zeit" (UZ) Die drastisch geschrumpfte "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) hält auch weiterhin an den Lehren des wissenschaftlichen unveränderte Sozialismus von MARX, ENGELS und LENIN fest. Sie kämpft für Zielsetzung eine Politik, die "konsequent antikapitalistisch" ausgerichtet sein soll und im Klassenkampf die "zentrale Triebkraft der Geschichte" sowie in der Arbeiterklasse die "entscheidende soziale Kraft" sieht. Der Niedergang des "real existierenden Sozialismus" zeigt unverändert Auswirkungen bei der DKP, wenngleich sich ihr Mitgliederschwund nach der großen Austrittswelle in den Jahren 1989 und 1990 inzwischen verlangsamt hat und vereinzelt sogar eine allmähliche gewisse Konsolidierung der Partei erkennbar ist.Aufgrund der nunKonsolidierung mehr fehlenden, früher sehr umfangreichen Finanzhilfe aus der damaligen DDR ist die Kampagnenfähigkeit der DKP nur noch schwach ausgeprägt. Hinzu kommt das Überalterungsproblem, verbunden mit der daraus resultierenden mangelnden Attraktivität und Akzeptanz bei den jüngeren Jahrgängen, das sich immer mehr zum zentralen Hindernis bei der angestrebten Reorganisation der Partei entwickelt. Wenngleich der Vorstand der DKP diese Tendenz erkannt hat, ist bisher nicht einmal ein Lösungsansatz dieses - für die Partei zunehmend existentiellen - Problems erkennbar. 83 Thesen zur programmatischen Orientierung der DKP Das Jahr 1993 stand für die DKP vor allem im Zeichen der Vorbereitungen für die Wahlen 1994. Sie investierte einen Großteil ihrer Parteiarbeit in die Bemühungen zur Schaffung eines "linken" Suche nach Wahlbündnisses unter Einbeziehung weiterer linksextremistischer Bündnispartner Organisationen wie der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP), des "Bundes Westdeutscher Kommunisten" (BWK) und vor allem der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Die Verhandlungen waren indes geprägt von Mißtrauen bzw. Furcht der kleineren Parteien, bei der Besetzung der Listenplätze nicht ausreichend berücksichtigt und von der DKP benachteiligt zu werden. Auch eine Annäherung an die PDS hat sich nicht ergeben. Vielmehr gehen beide Parteien immer stärker auf Distanz. Die PDS wird derzeit vom Landesamt für Verfassungsschutz wie von den meisten anderen Verfassungsschutzbehörden als sogeVerdacht nannter "Prüffall" behandelt, also nur anhand offen zugänglichen Verfassung*feindlicher Materials beobachtet. Verdachtsmomente für verfassungsfeindliche Bestrebungen Bestrebungen bietet insbesondere die innerhalb der Partei bestehende "Kommunistische Plattform" (KPF). Am Marxismus/Leninismus orientiert und als Bestandteil der PDS will die KPF kommunistische Positionen in Ideologie und Politik einbringen. Sie versteht sich zugleich als Brücke zu anderen kommunistischen Gruppierungen innerhalb und außerhalb Deutschlands, zu denen die PDS viel84 fältige Beziehungen unterhält. In Baden-Württemberg blieb die PDS/Linke Liste 1993 zahlenmäßig unverändert schwach, wobei eine Zugehörigkeit dieser Personen zur KPF nicht erkennbar war. Die Nebenorganisationen der DKP - die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und die "Roten Peperoni" (früher Nebenorganisationen "Junge Pioniere") - entfalteten in Baden-Württemberg keine nennenswerten Aktivitäten. Seit ihrer Gründung hat die DKP versucht, ihre Isolation gegenüber den demokratischen politischen Kräften durch "Vorfeldorganisationen" (z.B. "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" - VVN-BdA - und "Deutsche Friedens-Union" - DFU -) zu durchbrechen, die als Sammelbecken Vorfeldorganisationen für Menschen unterschiedlicher politischer Herkunft dienen sollten. Tatsächlich engagieren sich in der VVN-BdA bis heute zahlreiche Bürger, die auf diese Weise etwas gegen den zunehmenden Rechtsextremismus unternehmen wollen und keinerlei Nähe zu kommunistischen Grundpositionen haben. Die Beobachtung der VVN-BdA durch das Landesamt für Verfassungsschutz bezieht sich daher auch nicht auf diese Personen, sondern resultiert im wesentlichen aus den bis heute fortbestehenden Verflechtungen der VVN-BdA mit der DKP. Nach wie vor sind Mitglieder der DKP in den Führungsgremien vertreten, allerdings hat sich der Einfluß dieser Partei auf die VVN-BdA insgesamt verringert. Erkenntnisse über konkrete verfassungsfeindliche Aktivitäten der VVN-BdA in Baden-Württemberg fielen im Jahr 1993 nicht an. Die Mitgliederzahl der VVN-BdA verringerte sich 1993 im Bundesgebiet um etwa 500 auf ca. 8.500 (1992: ca. 9.000), in Baden-Württemberg ging sie auf knapp 2.000 zurück (1992: etwa 2.100). Bereits am 2. Oktober 1974 war die VVN-BdA vom Finanzamt Stuttgart in steuerrechtlicher Hinsicht erstmals als gemeinnützig anerkannt worden. 4.2 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Essen Mitglieder: ca. 700 Baden-Württemberg (1991: ca. 700) ca.2.000 Bund (1992: ca. 1.700) Publikationen: "Rote Fahne", "Lernen und kämpfen" 85 Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) wurde bereits Anfang der 80er Jahre als Nachfolgeorganisation des "Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschlands" (KABD) in Bochum gegründet. Das grundlegende Ziel der sich teilweise konspirativ gebenden Partei besteht unverändert in dem "revolutionären revolutionäre Sturz" der "Diktatur der Monopolkapitalisten" und der Errichtung Zielsetzung einer "Diktatur des Proletariats" für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft. Dieser Zielsetzung entsprechend bekennt sich die Partei in ihrem Grundsatzprogramm zu den Lehren von MARX, ENGELS, LENIN, STALIN und MAO TSE-TUNG. Die MLPD, die 1993 sogar einen Mitgliederzuwachs erzielen konnte, hat ihre Mitglieder in Betriebszellen, Ortsgruppen und Bezirken organisiert, die der "Zentralen Leitung" in Essen unterstehen. Im Berichtszeitraum widmete sich die MLPD vorrangig ihrer Kampagne "Arbeitsplätze für Millionen", mit der sie ihre Betriebsund Gewerkschaftsarbeit noch effektiver gestalten wollte. Dabei wurde die Einführung der 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich in ganz Deutschland propagiert. Berlin: 80000 ehrten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg Sozialismus wird siegen -- trotz alledem! 86 Neben dem wöchentlich erscheinenden Zentralorgan "Rote Fahne" und dem sogenannten Anleitungsblatt "Lernen und kämpfen" (Luk) verbreitet die MLPD in Baden-Württemberg mehrere Betriebsund Stadtzeitungen. Einige publizistische Aktivität entfaltet auch der JugendverNebenorganisation band "Rebell". 4.3 Sonstige Organisationen Das stark zersplitterte Spektrum revolutionär-marxistischer Gruppen umfaßt noch verschiedene kleinere Organisationen wie: * den "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK), * die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD), * die "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) sowie * diverse trotzkistische Vereinigungen. Alle diese Vereinigungen verfolgen das gemeinsame Ziel, den demokratischen Rechtsstaat durch "Klassenkampf und eine "proletarische Revolution" zu zerschlagen. Obwohl die "Marxistische Gruppe" (MG) im Mai 1991 ihre Auflösung erklärte, ist davon auszugehen, daß die seinerzeit mitglie"Auflösung" der derstärkste Organisation der "Neuen Linken" mit bundesweit mehr Marxistischen als 10.000 Anhängern ihre Strukturen aufrechterhalten hat und verGruppe deckte Aktivitäten entfaltet. Als wichtiges Indiz hierfür muß die Herausgabe der politischen Vierteljahresschrift "GEGENSTANDPUNKT" durch langjährige führende MG-Funktionäre gewertet werden. 87 Ausländer Extremismus D. Sicherheitsgefährdende und extremistische Aktivitäten von Ausländern 1. Allgemeiner Überblick Der seit Mitte der achtziger Jahre zu beobachtende Mitgliederschwund bei extremistischen Ausländerorganisationen hat sich 1993 nicht weiter fortgesetzt. Die Zahl der in diesen Vereinigungen orgain Baden-Württemberg nisierten Personen blieb in Baden-Württemberg mit rund 8.200 prakunverändertes tisch konstant - das sind knapp 0,7 % der insgesamt 1.190.785 hier Gefährderpotential lebenden Ausländer (Stand: 31.12.1992). 88 Mitglieder ausländischer Extremistengruppen in Baden-Württemberg im Zeitraum 1983-1993 linksreligiösMitglieder extremistisch nationalistisch Gesamt 20000 15000 10000 .5000 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 89 Während die Zahl der Mitglieder in etwa konstant blieb, hat die Zunahme der Zahl der Gewaltakte indes zugenommen. Hierbei spielen vor allem Gewalttaten kurdische und türkische Extremisten eine wesentliche Rolle. Die zahlreichen Brandanschläge und Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung sind hauptsächlich dem Sympathisantenfeld der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zuzurechnen. Anhänger extremistischer bzw. extremistisch beeinflußter Ausländerorganisationen sowie sonstiges Gefährderpotential in Baden-Württemberg 1992 und 1993 linksextremreligiössonstiges Gesamtzahl extremistisch nationalistisch nationalistisch Gefährderpot. 1993 1992 1993 1992 1993 1992 1993 1992 1993 1992 ARABER 160 180 310 160 470 340 IRANER 130 190 35 35 165 225 "JUGOSLAWEN" 40 90 40 260 300 380 350 KURDEN 740 730 740 730 TURKEN 860 910 2000 2.000 3.450 3.400 6.310 6.310 SONSTIGE 50 50 190 80 130 240 GESAMT 1.980 2.150 2.040 2.450 3.875 3.595 300 8.195 8.195 90 2. Kurden 2.1 Allgemeines Die kurdischen politischen Organisationen verfolgen durchaus unterschiedliche Ziele. So kämpft die in der Türkei terroristisch operierende "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) für die Loslösung aus dem türkischen Staatsverband und die Gründung eines eigenen Kurdenstaates, während andere kurdische Gruppen aus der Türkei, dem Irak oder dem Iran lediglich einen Autonomiestatus anstreben, dem jeweiligen Staat also weiter angeschlossen bleiben wollen. 2.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die PKK, die seit ihrer Gründung im Jahre 1978 von Abdullah ÖCALAN (Syrien) geführt wird, hat sich seit Jahren zur aktivsten militanteste Kurdenund militantesten Kurdenvereinigung entwickelt. Der Guerillakrieg vereinigung ihres militärischen Zweigs in der Türkei, der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK), nimmt immer schärfere Formen an. Offiziellen türkischen Angaben zufolge forderte er bereits weit über tausend Todesopfer. Die militärische Auseinandersetzung im Südosten der Türkei wird auch von den türkischen Sicherheitskräften mit äußerster Härte und ohne Rücksicht auf die dortige Zivilbevölkerung geführt. Die Innenministerkonferenz hat deshalb in ihrer Sitzung am 26. November 1993 an die Bundesregierung appelliert, sich dafür einzusetzen, daß politische Lösungen in der Kurdenfrage wieder in den Mittelpunkt des Handelns in der Türkei gestellt werden. In Europa versuchte die PKK Anfang 1993, zunächst mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen, wieder verstärkt auf das Kurdenproblem aufmerksam zu machen. Nachdem eine vom 24. Januar bis 17. Februar 1993 in Brüssel durchgeführte Hungerstreikaktion ihrer Anhänger bei weitem nicht die von der Führung erhoffte Auföffentlichkeitswirksame merksamkeit in der Öffentlichkeit erlangt und zu heftiger Kritik an Aktionen den Organisatoren in Europa geführt hatte, intensivierten diese offenbar im Vorfeld des kurdischen Neujahrsfestes "Newroz" (21. März) ihre Bemühungen, das Augenmerk der Öffentlichkeit und Medien verstärkt auf das Kurdenproblem zu lenken. Dazu führten Sympathisanten der Partei am 20. und 21. März 1993 europaweit zahlreiche Fackelzüge und Demonstrationen durch. Allein in BadenWürttemberg wurden dabei Aufzüge in Freiburg, Friedrichshafen, 91 Göppingen, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim, Stuttgart, Tübingen und Ulm bekannt. Gleichzeitig nutzte die PKK die alljährliche sogenannte Winterpause zur Einleitung einer "diplomatischen" Initiative und zu Verhandlungen mit weiteren kurdischen Gruppen mit dem Ziel, die verschiedenen politischen Strömungen im türkischen Teil Kurdistans zusammenzuführen. Einen ersten Schritt hierzu stellte die Unterzeichnung eines gemeinsamen Protokolls mit der "Sozialistischen "diplomatische" Partei Kurdistans" (PKSK) zur Bildung einer "kurdischen Front" Initiative dar. Auf einer Pressekonferenz, die am 17. März 1993 in dem von Syrien kontrollierten ostlibanesischen Bekaa-Tal stattfand, verkündete ÖCALAN einen zunächst bis zum 15. April 1993 befristeten einseitigen "Waffenstillstand", der mit nachhaltigen Forderungen an die türkische Regierung verbunden war. Dessen ungeachtet setzten jedoch die türkischen Streitkräfte ihre Operationen gegen die PKK fort und verstärkten diese in der Folgezeit sogar noch. Am 8. Juni 1993 erklärte ÖCALAN schließlich den "Waffenstillstand" für beendet und drohte erneut, wirtschaftliche und touristische Ziele anzugreifen. Bereits Ende Februar 1993 hatte die PKK in einer Veröffentlichung ihrer Nachrichtenagentur "Kurdistan Ankündigung Haber Ajansi-News Agency" (KURD-HA) mitgeteilt, in allen Toubewaffneter Aktionen rismusgebieten der Türkei zu bewaffneten Aktionen übergehen zu in Tourismusgebieten wollen, was mit der Warnung verbunden war, daß sich jeder Tourist der Türkei in der Türkei in "Lebensgefahr" befinde. Im Vorfeld der für 1994 geplanten Großoffensive in der Türkei rekrutierte die PKK in Europa eine große Anzahl kampfbereiter Sympathisanten und intensivierte die Ausbildung geeigneter Führungskader. Dem damit verbundenen gestiegenen Bedarf an finanziellen Mitteln begegnete die Partei mit der weiteren Intensivierung ihrer Spendenkampagne und einer verstärkten Mitgliederwerbung. Auch in Baden-Württemberg wurden wieder eine Vielzahl von gewaltsame Eintreibung Fällen der gewaltsamen Eintreibung von Spendenund Mitgliedsvon Spenden beiträgen sowie sogenannte Schutzgelderpressungen bei türkischen und kurdischen Geschäftsleuten bekannt. 92 Als Folge der zunehmend härter werdenden Konfrontation in der Türkei kam es in Deutschland am 24. Juni 1993 zu 50 gewaltsamen Aktionen durch PKK-Aktivisten. Der schwerwiegendste Zwischenfall ereignete sich in München, wo 13 bewaffnete mutmaßliche PKK-Anhänger in das Türkische Generalkonsulat eindrangen und mehrere Konsulatsangehörige sowie Besucher als Geiseln nahmen. Geiselnahme Die Besetzer forderten eine öffentliche Erklärung des Bundeskanzlers, in der die "Kriegshandlungen" der türkischen Regierung gegen die Kurden verurteilt werden sollten. Gleichzeitig drohten die Täter Besetzungen mit der Sprengung des Konsulatsgebäudes. Erst kurz vor Mitternacht von türkischen gaben die Täter auf. Ahnliche Aktionen fanden am selben Tag u.a. in Einrichtungen Marseille, Bern, Genf und Stockholm statt. Die deutlich negativen öffentlichen Reaktionen auf die Ereignisse des 24. Juni, insbesondere auf die Geiselnahme im Türkischen Generalkonsulat in München, führten bei Teilen der PKK zu einer starken Verunsicherung. Insbesondere wurde die Frage aufgeworfen, ob Gewaltaten in Europa dem Ansehen der PKK nicht mehr schaden als nutzen würden.Diese innerparteiliche Diskussion sorgte schließlich für eine mehrmonatige Unterbrechung der Gewaltakte in Westeuropa. Lediglich am 16. September 1993 wurden zahlreiche deutsche Rundfunkund Presseeinrichtungen besetzt, ohne daß es jedoch zu Gewalthandlungen kam. 93 Mit einer erneuten, europaweit koordinierten Serie von BrandBrandanschläge und anschlägen und Sachbeschädigungen gegen türkische Konsulate, Sachbeschädigungen Banken, Reisebüros und Gebetsstätten, von der auch Deutschland betroffen war, beantworteten mutmaßliche PKK-Sympathisanten am 4, November 1993 angebliche Übergriffe der türkischen Armee in Kurdistan. Die Täter griffen im gesamten Bundesgebiet 62 türkische Objekte an und verursachten Sachschäden in Millionenhöhe. Im Vergleich zu früheren Aktionen durch Anhänger der PKK war eine deutlich höhere Gewaltbereitschaft festzustellen. Bei einem Brandanschlag auf die Räumlichkeiten einer türkischen Gaststätte in Wiesbaden kam eine Person ums Leben, weitere Personen wurden verletzt, einige davon schwer. Aufgrund zuvor ergangener WarnhinweiFestnahmen se gelang es der Polizei, 46 Tatverdächtige vorläufig festzunehmen. In Baden-Württemberg attackierten die in Kleingruppen auftretenden Täter türkische Reisebüros in Karlsruhe, Pforzheim und Stuttgart mit Brandsätzen. In Stuttgart wurden darüber hinaus Brandanschläge auf das Türkische Generalkonsulat sowie eine Bank verübt. Dabei erlitten zwei Bedienstete des Konsulats und ein Polizeibeamter Verletzungen. In Mannheim zerstörten unbekannte Täter die Inneneinrichtung einer türkischen Bank sowie eines Reisebüros. Als Folge der Gewaltwelle vom 4. November 1993 leitete tags darauf der Bundesminister des Innern mit Unterstützung der Innenminister zahlreicher Länder, darunter auch Baden-Württemberg, Ermittlungen mit dem Ziel des Verbots der PKK und der ihr zuzurechnenden Vereine ein. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden zahlreiche Objekte durchsucht, darunter in Baden-Württemberg die Kurdistan-Zentren in Freiburg, Heilbronn, Mannheim, Stuttgart und Ulm. Im Rahmen eines vom Generalbundesanwalt bereits einige Zeit vorher gegen die PKK eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung Wohnungsdurchwurden ebenfalls am 5. November 1993 im Bundesgebiet 11 Wohnsuchungen objekte mutmaßlicher Leitungsfunktionäre sowie der PKK-eigene BERXWEDAN-Verlag in Düsseldorf durchsucht. 94 Mit Wirkung vom 26. November 1993 erließ der Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit allen Innenministern bzw. - Senatoren der Länder Verbotsverfügungen gegen die PKK sowie ihre Teilund Nebenorganisationen. Danach verstößt die Tätigkeit der Verbot PKK einschließlich ihrer Teilorganisationen "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), BERXWEDAN-Verlags-GmbH und "Kurdistan Haber Ajansi-News Agency" (KURD-HA) nicht nur gegen Strafgesetze, sondern gefährdet auch die innere Sicherheit und öffentliche Ordnung sowie die außenpolitischen Belange Deutschlands. Vom Verbot betroffen sind auch die Nebenorganisationen "Kurdistan-Komitee e.V." in Köln sowie die "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan) einschließlich ihrer 29 örtlichen Mitgliedsvereine. Insgesamt wurden am 26. November 1993 in den alten Bundesländern mehr als 100 Vereine und Privatobjekte - u.a. in Freiburg, Heilbronn, Mannheim, Stuttgart und Ulm - durchsucht und umfangreiches Propagandamaterial sowie Parteiunterlagen sichergestellt. In der Zeit vom 26. bis 28. November 1993 kam es daraufhin zu Protestdemonstrationen gegen das Verbot, die jedoch bis auf einzelne Auseinandersetzungen mit der Polizei friedlich verliefen. Danach besetzten in einer offenbar abgestimmten bundesweiten 95 Aktion Angehörige der aufgelösten Vereine - darunter zahlreiche Frauen und Kinder - die versiegelten Vereinsräumlichkeiten und drohten im Falle einer polizeilichen Räumung mit Brandstiftung und Selbstverbrennung. Nach Deeskalationsgesprächen mit Behördenvertretern und der Polizei räumten die Kurden in den folgenden Tagen die Objekte wieder. Trotz des Verbots eines geplanten Aufzugs und eines massiven Polizeiaufgebots versuchten am 18. Dezember 1993 in Kassel etwa 500 Anhänger der PKK, eine Polizeikette zu durchbrechen, um vermutlich eine in der Innenstadt durchgeführte Veranstaltung mit dem gewaltsame türkischen Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland zu stören. Protestaktionen Beim Versuch, die Demonstranten zurückzudrängen, wurden 35 Beamte durch Steine und Fußtritte verletzt. Zur selben Zeit besetzten rund 1.000 Kurden bei Göttingen die Autobahn Kassel-Hannover (A 7) für fast 5 Stunden, nachdem am Nachmittag bereits einige hundert Menschen zwei Autobahnabschnitte bei Kassel blockiert hatten. In einem Interview mit einer deutschen Illustrierten erklärte der Europasprecher der in Deutschland verbotenen ERNK, Kani YILMAZ, Ende 1993: "Die PKK, die es in Deutschland offiziell nie gegeben hat, arbeitet nach dem Verbot in den Häusern der kurdischen Familien weiter." Gefragt, ob mit neuen Anschlägen zu rechnen sei, antwortete YILMAZ: "Wenn unsere Existenz bedroht ist, Androhung wird unser Volk Reaktionen zeigen." Er kritisierte ferner die deutneuer Anschläge schen Waffenlieferungen an die Türkei und drohte für das Frühjahr 1994 erneut Anschläge auf touristische Zentren in der Türkei an. Der harte Kern der Anhänger der PKK und ihrer Nebenorganisationen umfaßte in Baden-Württemberg zum Zeitpunkt des Verbots mindestens 550 Personen. Daneben konnte die Partei im Land auf ein aktionsbereites Sympathisantenpotential von mehreren tausend Kurden zurückgreifen. Betreut wurde diese Anhängerschaft von zentralen Anlaufstellen in Freiburg, Mannheim und Stuttgart, die mit Hilfe eines straffen Netzes regionaler Unterkomitees flächendeckend die in BadenWürttemberg lebenden türkischen Kurden in ihre Struktur einbanden. 96 Welche Auswirkungen das Verbot des Bundesministers des Innern vom 26. November 1993 auf die weiteren Aktivitäten der PKK und ihrer Teilund Nebenorganisationen in Deutschland letztlich haben wird, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Doch zeichnete sich bereits kurze Zeit nach dem Verbot ab, daß die Funktionäre der PKK unvermindert bestrebt sind, auch von deutschem Boden aus den kurdischen "Befreiungskampf fortzusetzen. 3. Türken (ohne Kurden) 3.1 Allgemeines Ende 1993 gehörten in Baden-Württemberg unverändert etwa Mitgliederzahl in 6.300 Personen extremistischen türkischen Organisationen (ohne extremistischen Kurden) an. Auch der Anteil der verschiedenen Lager blieb nahezu türkischen Organiunverändert. sationen unverändert Von den im Heimatland terroristisch auftretenden revolutionär-marxistischen Vereinigungen geht hierbei weiterhin die größte Sicherheitsgefährdung aus. Sie erregten mit ihren Aktivitäten auch eine beachtliche öffentliche Aufmerksamkeit. Agitationsschwerpunkte bildeten der Kampf gegen den "Imperialismus", die türkische Staatsordnung, die deutsche Militärhilfe an die Türkei sowie die ausländerfeindlichen Übergriffe in Deutschland. Die islamisch-nationalistischen Türkenorganisationen engagierten sich zunehmend im Rahmen der Hilfe für die bosnischen Muslime. Gleichzeitig verstärkten sie aber auch ihre Agitation gegen die laizistische Staatsordnung in der Türkei. Dagegen traten die extrem-nationalistischen Vereinigungen kaum öffentlich hervor. Ein Wiedererstarken orthodox-kommunistischer Gruppen, deren Strukturen seit dem Niedergang des Kommunismus in Osteuropa zerfallen sind, zeichnet sich nicht ab. 97 3.2 Linksextremisten Die revolutionär-marxistischen Gruppen "Devrimci Sol" (Dev Sol - Revolutionäre Linke) und "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) zählten auch 1993 zu den militantesten Ausländerorganisationen. Beide unterhalten im Heimatland Guerillagruppen, die mit Terroranschlägen gegen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und staatliche Institutionen, insbesondere Sicherheitseinrichtungen, versuchen, das Staatsgefüge der Türkei zu destabilisieren. Allerdings dürfte die Dev Sol inzwischen nach Fahndungserfolgen der türkischen Sicherheitskräfte spürbar geschwächt sein. Flügelkämpfe Erbitterte Flügelkämpfe in der Dev Sol, die sich an der Person in der Dev Sol des langjährigen Leiters Dursun KARAT AS entzündeten, führten auch im Bundesgebiet zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Lagern, in deren Verlauf am 1. Mai 1993 in Berlin ein Dev Sol-Anhänger getötet wurde. Indes bestehen zwischen den beiden Fraktionen keine ideologischen Differenzen. Sie streben weiterhin die gewaltsame Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei an. Die Anhänger der Gruppe in Deutschland, die bereits 1983 vom Bundesminister des Innern verboten wurde, waren wie im vergangenen Jahr durch Spendeneintreibungen - u.a. in Stuttgart - bemüht, den Kampf im Heimatland zu unterstützen. Die TKP/ML konnte sich als mitgliederstärkste Organisation innerhalb der türkischen revolutionär-marxistischen Gruppierungen behaupten. Anläßlich der Festnahme von Funktionären der Gruppe Gewalt gegen türkische in der Türkei waren türkische Einrichtungen im Bundesgebiet das Einrichtungen Ziel gewaltsamer Übergriffe. Nach dem Brandanschlag am 29. Mai 1993 in Solingen verbreitete die Gruppe in Flugschriften den Aufruf, das "blutrünstige Deutschland zu stoppen". Es sei "an der Zeit, gegen das System loszugehen und zu kämpfen". Daneben setzte sich die TKP/ML weiterhin für den inhaftierten Leiter der peruanischen Terrorgruppe "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad), Abimael GUZMAN, ein. Dazu führte sie im Bundesgebiet im Rahmen verschiedener Solidaritätsaktionen mehrere stark besuchte Saalveranstaltungen durch, so auch in Mannheim. An parteiinternen Treffen - u.a. in Stuttgart - beteiligten sich teilweise mehr als 5.000 Anhänger. 98 KATLEDILISININ 2 0 . YILDÖNÜMÜNDE BASKAN I.KAYPAKKAYA'yi ANIYORUZ! YASASIN KÖYLÜ GERILLA SAVASIMIZ! &TKP/ML Die TKP/ML-Basisorganisationen "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) und "Konföderation TKP/MLder Arbeiter aus der Türkei in Europa e.V." (ATIK) dienten Basisorganisationen unverändert als getarnte Propagandainstrumente der Mutterorganisa tion. Verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit trat die "Türki sche Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (Bewegung)" (TKP/ML H), eine offenbar anhängerstarke Abspaltung der TKP/ML. Ami 6. Januar 1993 führte sie in Mannheim eine "Märty rergedenkfeier" durch, an der etwa 3.000 Personen teilnahmen. Die Aktivitäten der "Revolutionären Kommunistischen Par tei der Türkei" (TDKP) und ihrer Basisorganisation "Föderation der Türkischen Demokratischen Arbeitervereine in Deutschland e.V." (DIDF) beschränkten sich 1993 auf demonstrative Protestak tionen. Nach dem Brandanschlag in Solingen schob die Vereinigung den "Politikern in Bonn" die Verantwortung für die Morde zu. Als weitere Tarnorganisation der TDKP bestand auch 1993 das im Vor jahr bekanntgewordene "Revolutionäre Kurdistan Komitee" (RKK). 99 3.3 Islamisch-nationalistische Vereinigungen Die islamisch-nationalistischen türkischen Extremistengruppen streben die Weltherrschaft des Islam im Rahmen der von ihnen vertretenen unterschiedlichen politischen Grundlagen an. Als einen ersten Schritt sehen sie dabei den Sturz der türkischen Regierung Ziel eines und die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei islamischen Staates an. Der "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) unter Führung von Cemaleddin KAPLAN (Köln) rückte auch 1993 wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Am 16. Januar 1993 führte die Vereinigung in Stuttgart eine Versammlung durch, bei der KAPLAN vor den etwa 1.000 Teilnehmern seinen Widersacher aus dem islamisch-nationalistischen Lager, Necmettin ERBAKAN, den Führer der türkischen islamischen "Wohlfahrtspartei" (RP), scharf angriff und ihn bezichtigte, den Laizismus in der Türkei verteidigen zu wollen. Im übrigen verlangte KAPLAN, ein wahrer Moslem müsse sich dem von ihm 1992 in Koblenz ausgerufenen "Föderativen Islamstaat Anatolien" (AFID) anschließen. In diesem Zusammenhang war 1993 festzustellen, daß die Bezeichnung AFID zunehmend den eigentlichen Organisationsnamen ICCB verdrängt. Durch Ordnungsverfügung der Stadt Köln wurde KAPLAN im Februar 1993 die politische Betätigung in Deutschland untersagt. Im September 1993 erging an ihn die Aufforderung zur Ausreise, wobei eine Abschiebung aus Rechtsgründen allerdings noch nicht erfolgen konnte. Propagandistisch agitierte die Vereinigung über ihr Sprachrohr "ÜMMET-I MUHAMMED" sowie über zahlreiche - auch deutschsprachige - Flugblätter und Pamphlete. Darin wiederholte der antidemokratische Verband regelmäßig seine antidemokratischen Überzeugungen und Überz.eugungen vertrat dabei die These, daß die islamische Lehre und die Grundgedanken der Demokratie unvereinbar seien. Die ca. 900 ICCB-Mitglieder in Baden-Württemberg sind in etwa 20 Ortsvereinen organisiert. Auch die "Vereinigung der neuen Weltsicht e.V." (AMGT) als zweite große islamische Organisation in Deutschland bemühte sich um eine weitere Vergrößerung ihrer Anhängerschaft. Hierzu führte sie eine Reihe gut besuchter Werbeveranstaltungen durch. Wenngleich die Vereinigung in ihren Publikationen inzwischen 100 zurückhaltender agiert, ist ihre aggressive Einstellung bei den Themen "Kampf der Muslime" und "zionistischer Staat Israel" doch unverkennbar. Auch 1993 unterstützte die AMGT die türkische "Wohlfahrtspartei" (RP). Deren Vorsitzender ERBAKAN war wie in den Vorjahren Ehrengast und Hauptredner auf dem Jahreskongreß am 2. Oktober 1993 in Antwerpen. Ihren Jugendkongreß führte die Jugendkongreß der AMGT am 8. Mai 1993 in Stuttgart mit etwa 200 Teilnehmern AMGT in Stuttgart durch. In Baden-Württemberg sind in etwa 40 Ortsverbänden rund 2.650 Mitglieder registriert. 3.4 Extrem-nationalistische Organisationen Die von der türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) und ihrem Führer Alparslan TÜRKES geprägte extremnationalistische "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF) blieb trotz der Abspaltung eines weiteren Flügels die bedeutendste Organisation dieses Lagers. Die öffentlichen Aktivitäten der Mitgliedsvereine blieben wie schon geringe öffentliche in den Vorjahren gering. Zentrales Thema ihrer nationalistischen Aktivitäten Agitation bildet die Propagierung einer pantürkischen Großmacht unter Einschluß der von Turkvölkem besiedelten Republiken der früheren Sowjetunion. 4. Araber 4.1 Palästinenser Das am 13. September 1993 unterzeichnete - von vielen als "historisch" bezeichnete - Gaza-Jericho-Abkommen führte zu neuen Auseinandersetzungen innerhalb des palästinensischen Spektrums, zumal nicht alle dazu zählenden Widerstandsorganisationen hinter Befürwortung dieser Vereinbarung stehen. Nur die von Yassir ARAFAT geführte des Gaza-Jericho"AL FATAH" und die von der "Demokratischen Front für die Abkommens Befreiung Palästinas" (DFLP) abgespaltene Gruppe des Abu RABBO zählen zu den Befürwortern des Vertrags. Strikt abgelehnt wird der israelisch-palästinensische Grundlagenvertrag dagegen von der marxistisch-leninistischen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP), der orthodox-kommunistischen DFLP, der islamistischen "HAMAS" sowie dem palästinensischen "Islamischen Djihad" (PU). Extremismus 101 Vor allem PFLP und DFLP, die über eine intensivierte Zusammenarbeit hinaus mittlerweile den völligen Zusammenschluß beider Organisationen anstreben, bemühten sich, ihre Anhänger und Sympathisanten im Bundesgebiet auf eine Ablehnung des Vertragswerks einzuschwören. Bei internen und öffentlichen Versammlungen kritisierAblehnung ten Parteikader der beiden Organisationen - teilweise zusammen mit des Gam-JerichoVertretern der "HAMAS" und der islamistischen libanesischen Abkommens "Hizb'Allah" - die Vorgehensweise von ARAFAT und der ihn unterstützenden gemäßigten palästinensischen Kreise. In einem in Baden-Württemberg verbreiteten Flugblatt bekräftigte die Kollektivführung von PFLP und DFLP ihre kategorische Ablehnung des Abkommens und erklärte sämtliche Vereinbarungen, die ARAFAT treffe, für unverbindlich. Insbesondere die PFLP propagierte unverhohlen die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen Israel. Gleichzeitig polemisierte sie wiederholt heftig gegen die Politik ARAFATS, dem sie Unterwerfung und Verrat vorwarf. Richtungsweisend für die radikalen Positionen der PFLP war deren 5. Nationalkongreß im Februar 1993. Danach werden revolutionäre Gewalt und bewaffneter Kampf von der PFLP unverändert als Garant zur Erlangung der Rechte des Palästinensischen Volkes angesehen. Fortsetzung des bewaffneten Kampfes Auch die DFLP hält angesichts der Unterzeichnung des von ihr als "Dokument der Unterwerfung" bezeichneten Abkommens zwischen Israel und der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) an einer Fortsetzung des Kampfes innerhalb und außerhalb der besetzten Gebiete fest. 102 4.2 Islamisten Die verschiedenen arabischen islamistischen Organisationen gehören zu den unerbittlichsten Gegnern des Gaza-Jericho-Abkommens. Daneben verbindet sie ihre Abneigung gegen die westliche Abneigung gegen Welt, insbesondere gegen Israel und die USA. In Baden-Württemden "Westen" berg sind mit örtlichen Zirkeln die libanesische schiitische Organisation "Hizb'Allah" (Partei Gottes), die palästinensische sunnitische Organisation "HAMAS" (Begeisterung) und die multinationale, ebenfalls sunnitische "Moslembruderschaft" (MB) vertreten, wobei insbesondere die "Hizb'Allah" stärkere Aktivitäten entfaltete. Dagegen trat die libanesische schiitische "AMAL" (Hoffnung) kaum mehr in Erscheinung. Zwei "Hizb'Allah"-Funktionäre aus dem Libanon bereisten im September/Oktober 1993 das Bundesgebiet. Auf mehreren Veranstaltungen, u.a. am 25. September 1993 in Stuttgart, legten sie die ablehnende Haltung ihrer Organisation zur Gaza-Jericho-Übereinkunft dar, informierten über die aktuelle Lage im Libanon und bemühten sich, die hier lebenden Muslime zu einem stärkeren politischen Engagement zu bewegen. Vom 21. bis 23. Mai 1993 führten "HAMAS"-nahestehende Kreise Jahreskongreß in Heilbronn ihren Jahreskongreß durch. An der Veranstaltung von "HAMAS"beteiligten sich etwa 700 Personen, die aus dem gesamten BundesSympathisanten gebiet, benachbarten europäischen Ländern und arabischen Staaten in Heilbronn angereist waren. Den Höhepunkt des Kongresses bildete eine telefonische Liveschaltung mit den aus Israel deportierten Palästinensern im südlichen Libanon. 5. Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien Der im Bürgerkrieg eskalierende Nationalitätenkonflikt im ehemaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien wirkt sich zunehmend auch auf die rund 180.000 in Baden-Württemberg lebenden Serben, Kroaten, Bosnier und Kosovo-Albaner aus. Die verschiedenen Nationalitätengruppen organisierten bundesweit eine Reihe von Demonstrationen, die überwiegend friedlich verliefen und darauf abzielten, die in der Heimat bestehenden Probleme ins Blickfeld der deutschen Öffentlichkeit zu rücken. Kosovo103 Albaner und Kroaten protestierten beispielsweise gegen die "chauvianti-serbische nistische" Politik Serbiens, während die Serben das Handelsembargo Aktionen gegen "Rest"-Jugoslawien anprangerten. Bei einer Protestkundgebung von etwa 16.000 bosnischen Muslimen aml2. Juni 1993 in Bonn kam es erstmals zu gewaltsamen Übergriffen, als Demonstranten an der Botschaft "Rest"-Jugoslawiens ein Absperrgitter umrissen und Steine gegen das Gebäude warfen. Dabei wurden Fensterscheiben und ein Polizeifahrzeug beschädigt. In Baden-Württemberg gibt es ein dichtes Netz kroatischer, kosovo-albanischer, serbischer sowie muslimisch-bosnischer VereiBildung ne. Sie entfalten intern ein reges politisches Leben, grenzen sich landmannschaftlicher jeweils aber strikt von den Vereinigungen der anderen Nationalitäten Gruppen ab. Dabei ist man um enge Verbindungen zum jeweiligen Heimatland und um Einfluß auf die dortige Entwicklung bemüht. Die früher sehr aktiven kroatischen Emigrantenvereinigungen in Deutschland haben ihre Tätigkeit eingestellt, ohne daß eine formelle Auflösung bekannt wurde. Offenbar wollen diese Organisationen zunächst die weitere Entwicklung in Kroatien abwarten. Die extremistischen kosovo-albanischen Gruppierungen entwickelten geringe Aktivitäten lediglich geringe Aktivitäten. Dabei beschränkte die extrem nationavon extremistischen listische "Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue" kosovo-albanischen (N.D.SH.), die ein "vereinigtes Albanien in seinen ethnischen GrenGruppierungen zen" anstrebt, ihre Tätigkeiten auf interne Versammlungen, Spendenaktionen unter ihren Anhängern und die Verbreitung von Publikationen. Die linksextremistische "Volksbewegung für die Republik Kosovo" (LPRK) - im August 1993 in "Volksbewegung von Kosovo" (LPK) umbenannt -, die für einen unabhängigen Staat Kosovo für alle Albaner aus dem ehemaligen Jugoslawien eintritt, organisierte lediglich eine öffentliche Veranstaltung aml 1. Januar 1993 in Stuttgart mit ca. 500 Personen. Der Krieg führte in Bosnien-Herzegowina zu katastrophalen Verhältnissen. Die meisten der hier lebenden BürgerkriegsflüchtlinFlüchtlinge ge verhielten sichtrotz der Situation im Heimatland - nach wie vor verhalten sich relativ ruhig. Durch persönliche Schicksalsschläge und das nicht relativ ruhig absehbare Ende des Krieges nimmt jedoch der Haß vor allem auf alles "Serbische" weiter zu. Insgesamt nahmen die Konflikte zwischen Bürgern aus dem ehemaligen Jugoslawien - vor allem in Gaststätten und Asylbewer104 berheimen - weiter zu. Dessen ungeachtet ging die Zahl der 1993 in Baden-Württemberg der Polizei bekanntgewordenen Straftaten mit einem "jugoslawischen" Hintergrund gegenüber 1992 von 95 auf 74 zurück, wobei jedoch unverändert von einem erheblichen Konflikt potential ausgegangen werden muß. Weiterhin wurden in mehreren Fällen Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien unter Gewaltandro hung zu Spenden für die in der Heimat vertriebenen Landsleute und zur Unterstützung der dort kämpfenden Einheiten genötigt. \ Alles in allem sind in Baden-Württemberg etwa 300 Personen mögliches aus dem ehemaligen Jugoslawien dem Kreis potentieller Gewalttäter Gewaltpotential zuzurechnen. Enthalten sind in dieser Zahl fanatische Einzelaktivi sten unterschiedlicher Herkunft sowie Angehörige der in Reststruk turen vorhandenen kroatischen Emigrantenorganisationen. Sie sind bei einer sich weiter verschärfenden Situation unter Umständen bereit und in der Lage, Anschläge gegen deutsche Einrichtungen sowie solche "Rest"-Jugoslawiens und gegen Angehörige verfeindeter Nationalitätengruppen zu verüben. 6. Iraner Die Inaktivität der meisten iranischen Vereinigungen in BadenWürttemberg hielt auch 1993 an. Anhänger der größten iranischen Oppositionsgruppe "Organi sation der Volksmojahedin Iran" (PMOI), die in Deutschland in der islamisch-fundamentalistischen, marxistisch geprägten "Irani schen Moslemischen Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V." (IMSV) organisiert sind, demonstrierten am 18. Demonstration Juni 1993 in Bonn. An der friedlich verlaufenen Kundgebung betei in Bonn ligten sich etwa 1.900 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Schwerpunkte der Aktivitäten der PMOI in Baden-Württemberg bildeten die Städte Heidelberg, Karlsruhe und Stuttgart, wo regel mäßig Informationsstände betrieben wurden. 105 Als einzige Organisation in Deutschland vertritt die islamisch-nationalistische "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) die Ziele der Islamischen Republik Iran. Dabei sind die politischen Aktivitäten der Vereinigung überwiegend auf den nordund westdeutschen Raum konzentriert. 7. Sikhs Die Sicherheitslage in einigen Gebieten Indiens, vor allem aber im Bundesstaat Punjab, ist nach wie vor durch Gewalt und Terror Ziel eines unabgekennzeichnet. Dort versuchen seit Jahren extremistische Sikhs hängigen Sikh-Staats einen unabhängigen Staat "Khalistan" (Land der Reinen) zu schaffen. Von den in Deutschland lebenden ca. 12.000 Sikhs sind ungefähr 600 in extremistischen Vereinigungen wie der "International Sikh Youth Federation" (ISYF) oder der "Babbar Khalsa International" (BK) organisiert. Ihre Führungsfunktionäre unterhalten enge internationale Kontakte zu Gesinnungsfreunden. Unter den verschiedenen Sikh-Vereinigungen, deren Aktionsschwerpunkt Frankinterne Spannungen furt am Main bildet, bestehen erhebliche Spannungen. In Baden-Württemberg sind nach wie vor etwa 80 Personen in den verschiedenen Fraktionen von ISYF und BK organisiert. Ihre Aktivitäten richten sich hauptsächlich auf Geldsammlungen für Hinterbliebene und "Kämpfer" in der Heimat. Einige Funktionäre versuchten, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit und bei Demonstrationen die Bevölkerung auf die Ziele der "Sikhbewegung" aufmerksam zu machen. Stützpunkte extremistischer Sikhs in Baden-WürttemStützpunkte in berg existieren in Stuttgart, Mannheim, im Raum Reutlingen und BadenWürttemberg in Südbaden. 8. Tamilen Seit Jahren ist die deutsche Sektion der international tätigen, linksextremistischen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) auch in Baden-Württemberg aktiv. Durch öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen und bundesweite Demonstrationen versucht die Organisation auf ihr Ziel, die Schaffung eines unabhängigen, sozialiZiel eines unabhängigen stisch ausgerichteten Staates "Tamil Eelam" im Nordosten Sri Lansozialistischen Staates kas, aufmerksam zu machen. 106 Anfang 1993 beteiligte sich die LTTE-Sektion Baden-Württemberg an einer von ihrer Zentrale organisierten Demonstration in Bonn, bei der zur Unterstützung des "Befreiungskampfes" aufgerufen wurde. An einer Mitte 1993 in Stuttgart durchgeführten VeranVeranstaltung staltung nahmen 800 Personen, darunter namhafte LTTE-Aktivisten, in Stuttgart teil. Im Herbst 1993 führte die LTTE in München zum Themenbereich "Politische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland" und "Aktuelle Verhaftungswelle der Tamilen in Sri Lanka" eine Großkundgebung durch, bei der ebenfalls zahlreiche Aktivisten aus Baden-Württemberg mitwirkten. Angesichts der drastisch gestiegenen Kriegskosten für den von der Organisation seit Jahren geführten Guerillakampf auf Sri Lanka und der daraus resultierenden desolaten finanziellen Lage ist die desolate LTTE-Führung verstärkt auf Spenden der im Ausland lebenden finanzielle Lage Landsleute angewiesen. Durch intensive, gezielte Geldsammelaktionen, bei denen in Einzelfällen ein erheblicher Druck auf die Spender ausgeübt wurde, sowie durch den Verkauf von Propagandamaterial bemühten sich LTTE-Aktivisten um die dringend benötigten Geldmittel. Die Aktivitäten der LTTE in Baden-Württemberg konzentrieren sich auf Stuttgart, Ludwigsburg und Kirchheini unter Teck. 107 E. Spionageabwehr 1. Allgemeiner Überblick Der Putschversuch reaktionärer Kräfte in Moskau im Oktober 1993 sowie die unerwarteten Wahlerfolge ehemaliger Kommunisten in Rußland und Polen haben erneut deutlich werden lassen, daß die Entwicklung der Staaten Osteuropas zu Demokratien westlichen Zuschnitts mit erheblichen innenpolitischen Schwierigkeiten verbunden ist und bei weitem noch nicht als abgeschlossen gelten kann. Von diesem Prozeß wurden auch die jeweiligen Nachrichtendienste unmittelbar erfaßt. Zumeist war bislang nur der nach innen gerichtete Repressionsapparat von einschneidenden Änderungen betroffen, während die Aufklärungsdienste 1993 weitgehend unangetastet blieben. Obwohl deren politische und strategische Neuausrichtung zum Deutschland gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht endgültig vollzogen ist, muß weiterhin Objekt davon ausgegangen werden, daß östliche Nachrichtendienste auch in von NachrichtenZukunft die Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtidiensten gen werden. Angesichts der gegenwärtig äußerst instabilen und im Vergleich zu früher wesentlich komplizierteren politischen Weltlage verzichtet gegenwärtig noch kein Land von internationaler Bedeutung auf das Instrument der Auslandsbeobachtung. Zudem setzen insbesondere die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens ihre Dien108 ste immer intensiver bei der illegalen Beschaffung westlicher Waffensysteme oder von Gütern mit militärischer Bedeutung ein. Insgesamt gesehen hat sich 1993 der Trend der Vorjahre, in denen bereits eine Verlagerung der Spionagetätigkeiten in den vor allem wirtschaftliche Bereich der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Ausforschung und wissenschaftliche festgestellt wurde, fortgesetzt. Je härter der Konkurrenzkampf zwiAusforschung schen den Wirtschaftsblöcken Asien, Europa und Nordamerika geführt wird, umso mehr schwinden die Hemmungen, nachrichtendienstlich erlangtes Material an Wirtschaftsunternehmen weiterzuleiten oder wirtschaftlich nutzbare Informationen gezielt durch Geheimdienste beschaffen zu lassen. 1993 wurden in Baden-Württemberg 11 Personen wegen Landesverrats oder geheimdienstlicher Agententätigkeit rechtskräftig verurteilt. 2. Einzelerkenntnisse 2.1 Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 2.1.1 Nachrichtendienste der Russischen Föderation Die russischen Nachrichtendienste, die 1993 für die Mehrzahl aller festgestellten Spionageaktivitäten in Baden-Württemberg verrussische Nachrichtenantwortlich waren, haben trotz deutlicher Reduzierung der Anzahl dienste verfügen über ihrer Mitarbeiter weltweit noch immer den höchsten Personalbedie meisten Mitarbeiter stand. Die Ausforschungsbemühungen konzentrierten sich auch im Berichtszeitraum auf die Informationsbeschaffung in den Bereichen Wirtschaft und Wirtschaftspolitik. Oberste Priorität hatten dabei internationale Wirtschaftsund Finanzorganisationen, das Management im wirtschaftlichen Bereich, High-Tech-Unternehmen, Technologiezentren, "Denkfabriken", Medienmärkte und Joint-Ventures. Maßgeblich hierfür waren die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen, andauernde ökonomische Schwierigkeiten, das nach wie vor bestehende technologische Gefälle zwischen Ost und West und der Umstand, daß weder die notwendigen finanziellen Mittel noch ausreichend Zeit für aufwendige Forschungsund Entwicklungsarbeiten zur Verfügung stehen. Das Gesetz der Russischen Föderation 109 über die Aüslandsaufklärung vom 8. Juli 1992 sieht zum Beispiel ausdrücklich vor, daß die Nachrichtendienste durch die Beschaffung einschlägiger Informationen einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zu leisten haben.Vor diesem Hintergrund erscheint berufliche auch die berufliche Umorientierung einer Reihe von ND-Offizieren, Umorientierung die entweder unter Verzicht auf ihren diplomatischen Status ihrer von ND-Offizieren nachrichtendienstlichen Tätigkeit jetzt als Mitarbeiter "gemischter" Firmen nachgehen oder aus Angst vor einer ungewissen Zukunft in ihrem Heimatland aus dem diplomatischen Dienst ausscheiden und nunmehr eine Position in der westlichen Privatwirtschaft anstreben, in einem besonderen Licht. Es kann zwar davon ausgegangen werden, daß es sich teilweise um echte "ND-Aussteiger" handelt, dennoch ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß in einer Reihe von Fällen nachrichtendienstliche Motive für diesen Schritt verantwortlich sind. Durch diese Vorgehensweise wird einerseits konsequent etwaigen diplomatischen Verwicklungen entgegengewirkt, andererseits können Agenten auch weiterhin unmittelbar im Zielobjekt oder zumindest in einer nachrichtendienstlich aussichtsreichen Position plaziert werden. Die russischen Nachrichtendienste ließen im vergangenen Jahr eine gewisse Abkehr von der Rüstungsspionage erkennen. Ob dies in Rüstungsspionage Zukunft allerdings so bleiben wird, ist durchaus zweifelhaft, denn für Rußland als einem der größten Waffenexporteure stellt der Handel mit Rüstungsgütern nach wie vor eine bedeutsame Einnahmequelle dar. Will es in Zukunft konkurrenzfähig bleiben bzw. seine Marktposition weiter stärken, ist es weiterhin auf westliches Know-how angewiesen. Bemerkenswert ist die Erkenntnis, daß auch die neuen Nachrichtendienste Rußlands von der bereits in der Vergangenheit bewährten Methode Gebrauch gemacht haben, Mitarbeiter als Angehörige von Abtarnung Presseagenturen abzutarnen. Der zur Jahreswende 1991/92 im wesentlichen aus der 1. Hauptverwaltung des KGB hervorgegangene zivile Aufklärungsdienst SWR hat sich nach einer Phase diverser struktureller Veränderungen und einer deutlichen Reduzierung des Personalbestands weitgehend konsolidiert. Er ist mittlerweile als Hauptträger der russischen Auslandsspionage anzusehen. Die Vorgehensweise des SWR ist allerdings im Vergleich zu früher von großer Zurückhaltung geprägt. Möglicherweise zusätzlich HO bedingt durch eine besonders prekäre Finanzsituation spielt bei der Informationsbeschaffung die offene Gesprächsabschöpfung eine Informationszunehmende Rolle, die aber in ihrer Effektivität durchaus nicht hinbeschaffung ter den aggressiveren Methoden der Vergangenheit zurückstehen muß. Der nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation rasant gewachsene gegenseitige Besuchsverkehr kommt dieser Entwicklung entgegen. Die Einrichtung der u. a. für die Beobachtung chiffrierter und anderer "spezieller Verbindungen" zuständigen "Föderalen Agentur für Regierungsverbindung und Information beim Präsidenten der Russischen Föderation" (FAPSI) ist ein Indiz für die herausragende Bedeutung der Funk-, Fernmeldeund elektronischen elektronische Auslandsaufklärung. Die vornehmlich für die Sicherung von KomAuslandsaufklärung munikationswegen zuständige Behörde arbeitet aber nicht nur nachrichtendienstlich im herkömmlichen Sinn, sondern beteiligt sich auf dem russischen Inlandsmarkt auch als Dienstleistungsunternehmen im Bereich des Kommunikationswesens und bietet insbesondere ausländischen Firmen ihre Unterstützung an. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, Agenten mit direktem Zugang zum Objekt zu plazieren und deren Kommunikationswege zu kontrollieren. Der militärische Dienst GRU - die gegenwärtig wohl effizienmilitärischer teste russische Spionageorganisation - wurde vollständig vom VerNachrichtendienst teidigungsministerium übernommen und damit der ausschließlichen ist effizienteste Befehlsgewalt der Russischen Föderation unterstellt. Als Bestandteil russische Spionageder noch bis August 1994 in den neuen Bundesländern stationierten organisation russischen Truppen verfügt er in Deutschland über eine besonders günstige Ausgangssituation. Das Aufklärungsinteresse richtete sich schwerpunktmäßig auf Bundeswehr und NATO-Streitkräfte, wobei Interna über Truppenreduzierung und Standortverlegungen besondere Bedeutung zugemessen wurde. Im Hinblick auf die Wirtschaft wurde deutlich erkennbar, daß sich die GRU keineswegs auf die Ausspähung der wehrtechnischen Forschung und Entwicklung beschränkt, sondern ihr Aufklärungsprofil erweitert hat und dem Erweiterung des SWR bei der Beschaffung von Informationen aus dem zivilen wisAufklärungsprofils senschaftlich-technischen Bereich zunehmend Konkurrenz macht. Zielsetzung der GRU ist es, bis zum Abzug der auf ehemaligem DDR-Gebiet stationierten russischen Streitkräfte den Aufbau einer leistungsfähigen nachrichtendienstlichen Infrastruktur abzuschließen. 111 Das am 21. Dezember 1993 aufgelöste "Ministerium für InlandsnachrichtenSicherheit" (MBR) betätigte sich ungeachtet seiner Aufgabensteldienst betreibt auch lung als Inlandsnachrichtendienst auch auf dem Gebiet der AusAuslandsspionage landsspionage. Dazu nutzte es ebenfalls die militärischen Objekte der GUS-Streitkräfte. Der neue "Föderale Dienst für Gegenaufklärung" ist zwar als Abwehrorganisation konzipiert, dürfte sich aber aufgrund der fortbestehenden nachrichtendienstlichen Verbindungen nicht völlig aus der Auslandsaufklärung zurückziehen. 2.1.2 Nachrichtendienste der übrigen GUS-Staaten Nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit begannen die einzelnen Nutzung von Republiken der ehemaligen Sowjetunion unter Nutzung der vorhanStrukturen des denen Strukturen des früheren KGB alsbald mit der Errichtung eigefrüheren KGB ner Geheimdienste. Ihre strategische Ausrichtung ist auch heute vielfach noch nicht abschließend definiert. Das kasachische "Komitee für nationale Sicherheit" (KNB) zeigt besonderes Interesse an solchen Aussiedlern, die in Deutschland nachrichtendienstlich interessante Positionen erlangt haben. Vornehmlich in Fällen, in denen bereits vor der Ausreise ein Kontakt zum früheren Republiks-KGB bestand, muß anläßlich von Besuchsreisen nach Kasachstan mit nachrichtendienstlichen Anbahnungsversuchen gerechnet werden. 2.2 Nachrichtendienste anderer ehemaliger Ostblock-Staaten Polen Polen mißt der Aufklärung der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor Bedeutung bei. Offensichtlich sieht die polnische Führung - wie die anderer Länder auch - keinen gravierenden Widerspruch darin, einerseits die Verbesserung der zwischenstaatlichen Beziehungen anzustreben und andererseits nachrichtendienstliche Ausforschung zu betreiben. Bezeichnend ist auch die Erkenntnis, daß sowohl das zivile "Amt für Staatsschutz" (UOP) als auch der militärische Nachrichtendienst WSI noch immer eine Reihe von Residenturen an den polnischen Vertretungen im Bundesgebiet unterhalten. 112 Nach dem Sturz des Ceaucescu-Regimes 1989/90 und der Auflösung des Geheimdienstes Securitate wurden die rumänischen Rumänien Nachrichtendienste neu organisiert. An die Stelle der "Securitate" traten SIE (zivile Aufklärung), DIA (militärische Aufklärung) und SRI (Spionageabwehr/Gegenspionage), die aber allesamt stark mit ehemaligen Angehörigen der "Securitate" durchsetzt sind. Die neue Aufgabenverteilung ist noch nicht durchgängig realisiert. Insbesondere besteht ein ausgeprägtes Konkurrenzverhältnis zwischen SIE und SRI, der sein nach wie vor intaktes Auslandsnetz nicht inaktivieren oder einem anderen Dienst überantworten will. Die rumänische Auslandsaufklärung scheint dadurch jedoch nur unwesentlich beeinträchtigt zu sein. Das Informationsinteresse richtet sich vorrangig auf Zielobjekte in der Industrie. Agenten, die zum Teil schon vor längerer Zeit in deutsche Unternehmen eingeschleust werden konnten, werden auch von den heutigen Diensten genutzt. Die bulgarischen Dienste befassen sich auch weiterhin mit der Bulgarien Aufklärung der Bundesrepublik Deutschland, wobei die Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage den Schwerpunkt bildet. Es bleibt abzuwarten, ob die in letzter Zeit beobachteten Personalveränderungen bzw. -reduzierungen an den Auslandsvertretungen mittelfristig einen grundlegenden Wandel in der Nachrichtenbeschaffung nach sich ziehen. 2.3 Asiatische Staaten Die Volksrepublik China, die über eine der größten und am China schnellsten wachsenden Volkswirtschaften verfügt und nach Einschätzung der "Weltbank" (WB) noch vor dem Jahre 2020 die führende Wirtschaftsmacht sein wird, betreibt die Auslandsspionage zwar mit erheblichem Nachdruck, aber gleichwohl mit großer Vorsicht. Es werden fast ausschließlich Landsleute eingesetzt, die ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit vorwiegend unter diplomatischer Abtarnung oder als Angehörige halbstaatlicher Unternehmen (Luftfahrtgesellschaften, Außenhandelsfirmen, Presseagenturen etc.) wahrnehmen. Häufig werden auch Auslandsstipendiaten und Austauschwissenschaftler rekrutiert. Erkennbar ist eine weitgehende Beschränkung auf die insbesondere im Wege einer intensiven Gesprächsabschöpfung erfolgende offene bzw. halboffene Beschaffung. Die im Mittelpunkt des Aufklärungsinteresses stehende Ausforschung von Wissenschaft und Technik trägt sicherlich wesentlich 113 zur Beschleunigung der gegenwärtig angestrebten Restrukturierung der chinesischen Wirtschaft bei. Der auf vielen Gebieten weitgehend isolierten DemokratiKorea schen Volksrepublik Korea ist es mit enormem Kraftaufwand gelungen, in sämtlichen Sparten moderner Massenvernichtungswaffen eigenständige Entwicklungen - bis hin zur Produktionsreife - zu betreiben. Die illegale Technologiebeschaffung unter Einsatz der Nachrichtendienste wird auch über Tarnorganisationen im Bundesgebiet abgewickelt. 2.4 Staaten des Nahen und Mittleren Ostens Die verstärkte Beobachtung der von den Staaten des sogenannten islamischen Gürtels ausgehenden Aktivitäten bestätigt mittlerweile, daß insbesondere die Dienste Libyens, Syriens, des Irak und des Iran ein erhebliches Gefährdungspotential für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Die Ausforschung muß aufgrund der engen Verzahnung von konspirativer Beschaffung politischer, militärischer und wirtschaftlicher Informationen auf klassiillegaler sche nachrichtendienstliche Weise und illegalem TechnologietransTechnologietransfer fer unter Einschaltung von Agenten und Embargohändlern als besonders effizient angesehen werden. Vor allem die "sensitiven Exporte" - damit ist die Weitergabe von ABC-Waffentechnik, Mitteln zu deren Herstellung, Trägertechnologien, sonstigen Kriegswaffen sowie Vorund Nebenprodukten an Krisenländer außerhalb der NATO gemeint - bereiten den Abwehrbehörden erhebliche Probleme. Diese ergeben sich insbesondere aus der Einschaltung zahlloser inund ausländischer Tarnfirmen, der Verschleierung des angestrebten Ziels durch "Kettengeschäfte" (Beschaffung embargogeschützter Technologie durch nacheinander erfolgende Geschäftsabschlüsse, bei denen jeweils die Ausfuhrbeschränkungen eingehalten werden) Schwierigkeiten beim sowie aus der Schwierigkeit, die nachrichtendienstliche Steuerung Nachweis nachrichtenbestimmter Aktivitäten nachzuweisen und militärische Entwickdienstlicher Steuerung lungsprojekte von zivilen Forschungsarbeiten zu unterscheiden. Iran Starke Aktivitäten entwickeln derzeit die iranischen Aufklärungsdienste. Sie finden im Bundesgebiet aufgrund diverser (halb-)staatlicher Einrichtungen des Iran, zahlreicher ganz oder teilweise in iranischem Eigentum stehender Firmen sowie der hohen Zahl hier lebender Iraner beste Ausgangsbedingungen vor. 114 Zwar sind die offiziellen libyschen Vertretungen im Bundesgebiet seit geraumer Zeit auf eine personelle Mindestausstattung reduziert, aber die vielfältigen kapitalmäßigen Beteiligungen an deutschen Unternehmen ermöglichen es den libyschen Diensten, ihre Libyen Residenturen direkt im Industriebereich anzusiedeln. Syrien kann sich bei weitem nicht auf vergleichbar günstige Syrien Ausgangsbedingungen stützen wie die beiden vorgenannten Staaten. Allerdings ist die interne Umsetzung des erlangten Wissens besonders perfekt organisiert. 2.5 Nachrichtendienste der ehemaligen DDR Die Aufarbeitung der Hinterlassenschaften der Nachrichtendienste der ehemaligen DDR erwies sich auch im Berichtsjahr als ein wichtiges und arbeitsaufwendiges Tätigkeitsfeld. Aufarbeitung der Soweit Agenten der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste bislang MfS-Spionagenoch nicht enttarnt werden konnten, besteht die latente Gefahr, daß aktivitäten sie von anderen fremden Geheimdiensten übernommen und weiter eingesetzt werden. Seit 1989 wird deshalb mit Nachdruck daran gearbeitet, das einstige DDR-Agentennetz möglichst flächendeckend zu enttarnen. Seit Mitte 1993 beteiligt sich das Landesamt für Verfassungsschutz an der bundesweiten Auswertung von Operativmaterial der für die Beschaffung und Auswertung geheimer Informationen aus dem westlichen Ausland zuständigen ehemaligen "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des MfS. Im Rahmen dieser Aktion wurden bundesweit ca. 1.900 Spuren verfolgt, von denen sich ca. 120 auf Baden-Württemberg bezogen. Die Auswertungsergebnisse belegen, daß die Wirtschaftsspionage für die DDR einen noch größeren Stellenwert besessen hat, als bislang angenommen wurde, denn bei ca. 50 % der bislang dem Landesamt zugleiteten 120 Fälle sind Wirtschaft und Wissenschaft als Zielbereiche zu erkennen. 115 Anhang Gruppenund Organisationsregister Aktionspartei Nationalrevolutionärer Kameraden (ANK) 16 Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) 32, 33 AL FAT AH 101 AMAL 103 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 90, 91ff. Autonome 64, 71, 74, 79ff., 82 Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia SHEHADAH 78 Babbar Khalsa International (BK) 106 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 84, 87 Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) lOlf. Deutsche Allianz/Vereinigte Rechte 58 Deutsche Alternative (DA) 15, 35 Deutsche Friedens-Union (DFU) 85 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 73, 74, 83ff. Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 17, 58ff. Deutsche Nationalisten (DN) 36 Deutsches Hessen (DH) 32 Deutsche Sozialistische Aktionsgemeinschaft e.V. (DSA) 37f. Deutsche Volksunion (DVU) 17, 39ff., 43, 58, 60, 69 116 Devrimci Sol (Dev Sol - Revolutionäre Linke) 98 Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V. (DDF) 63 Die Republikaner (REP) 17, 18, 43ff., 58, 60, 65, 81, 82 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) 99 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) 101 Föderation der Türkischen Demokratischen Arbeitervereine in Deutschland e.V. (DIDF) 99 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) 95 Förderverein Vereinigte Rechte 58 Freie Arbeiterinnen Union (FAU) 82 Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei (FAU/AP) 83 Freie Arbeiter Union-Studenten (FAUST) 83 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 15, 17, 33f. Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) 32, 33 HAMAS 101, 102, 103 Heimattreue Vereinigung Deutschlands (HVD) 16, 17, 36f. Heimattreue Vereinigung Elsaß (HVE) 36 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 35 Hizb'Allah 102f. 117 International Sikh Youth Federation (ISYF) 106 Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV) 105 Islamischer Djihad (PIJ) 101 Junge Deutsche e.V. (JD) 57 Junge Nationaldemokraten (JN) 56f. Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) 86 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 87 Kommunistische Plattform (KPF) 84f. Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa e.V. (ATIK) 99 Kreuzritter für Deutschland (KFD) 31 Kurdistan Komitee e.V 95 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 106f. Marxistische Gruppe (MG) 87 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 73, 74, 85ff. Moslembruderschaft (MB) 103 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 17,43,53ff., 58ff., 65, 69 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 58 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 95 Nationale Liste (NL) 32 Nationale Offensive (NO) 15, 35 118 Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue (N.D.SH.) 104 Nationalfreiheitliche Alternative (NFA) 16, 32 Nationalistische Front (NF) 15, 35 Nationaler Block (NB) 32 National-Gesinnter Jugend-Verband (N.G.J.V.) 38 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/ Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) 66f. Nordische Jugend (NJ) 38f. Organisation der Volksmojahedin Iran (PMOI) 105 Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 102 Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) 101 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 84f. Rebell 87 Republikanische Jugend (RJ) 51 Revisionisten 59f. Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei (TDKP) 99 Revolutionäres Kurdistan Komitee (RKK) 99 Revolutionäre Zellen (RZ) 74, 79 Rote Armee Fraktion (RAF) 71, 74, 75ff. Rote Peperoni (früher Junge Pioniere) 85 Schwarze Garde 83 119 Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) Skinheads 16f., 23, 25, 26ff., 34 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 85 Sozialistische Partei Kurdistans (PKSK) 92 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 98 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (Bewegung) (TKP/ML H) 99 Union Islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) 106 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V. (ICCB) 100 Vereinigung der neuen Weltsicht e.V. (AMGT) lOOf. Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 84, 87 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 85 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 91 Volksbewegung für die Republik Kosovo (LPRK) 104 Volksbewegung von Kosovo (LPK) 104 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 10lf. Volkstreue Liste (VL) 16, 32 Wiking-Jugend e.V. (WJ) 61f. Wohlfahrtspartei (RP) lOOf. 120 121 Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) vom 22. Oktober 1991 SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. SS 2 Organisation, Zuständigkeit (1) Zur Wahrnehmung der Aufgaben des Verfassungsschutzes unterhält das Land ein Landesamt für Verfassungsschutz. Das Amt hat seinen Sitz in Stuttgart und untersteht dem Innenministerium. (2)Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer Polizeidienststelle nicht angegliedert werden. SS 3 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz, Voraussetzungen für die Mitwirkung an Überprüfungsverfahren (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder frühzeitig zu erkennen und den zuständigen Stellen zu ermöglichen, diese Gefahren abzuwehren. (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 122 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und wertet sie aus. Sammlung und Auswertung von Informationen nach Satz 1 setzen im Einzelfall voraus, daß für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Satz 1 Nummern 1 bis 3 tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprufung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. auf Anforderungen der Einstellungsbehörde bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie auf Anforderung der Beschäftigungsbehörde bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei denen der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, daß sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, 5. bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Einbürgerungsbewerbern, 6. bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen nach SS12 b des Atomgesetzes, 7. bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Personen, die zu sicherheitsempfindlichen Bereichen von Flughäfen Zutritt haben, nach SS 29 c des Luftverkehrsgesetzes, 8. bei sonstigen Überprüfungen, soweit dies im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder für Zwecke der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Näheres wird durch Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums bestimmt. 123 Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Satz 1 erfolgt in der Weise, daß es eigenes Wissen oder bereits vorhandenes Wissen der für die Überprüfung zuständigen Behörde oder sonstiger öffentlicher Stellen auswertet. In den Fällen des Satzes 1 Nummern 1 und 2 führt das Landesamt für Verfassungsschutz weitergehende Ermittlungen durch, wenn die für die Überprüfung zuständige Behörde dies beantragt. (4) Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Absatz 3 setzt im Einzelfall voraus, daß der Betroffene und andere in die Überprüfung einbezogene Personen über Zweck und Verfahren der Überprüfung einschließlich der Verarbeitung der erhobenen Daten durch die beteiligten Dienststellen unterrichtet werden. Darüber hinaus ist im Falle der Einbeziehung anderer Personen in die Überprüfung deren Einwilligung und im Falle weitergehender Ermittlungen nach Absatz 3 Satz 3 die Einwilligung des Betroffenen erforderlich. Die Sätze 1 und 2 gelten nur, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. SS 4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckgerichtet unterstützt. 124 Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS 5 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 erforderlichen Informationen verarbeiten. Die Verarbeitung personenbezogener Daten richtet sich insoweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes und, soweit dort keine Regelungen getroffen sind, nach den Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes mit Ausnahme der SSSS 8 und 11 Abs. 2 bis 5 sowie SSSS 12 bis 20 des Landesdatenschutzgesetzes. (2) Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 3 Abs. 3 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. 125 (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (4) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat das Landesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS 6 Erhebung personenbezogener Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden (nachrichtendienstliche Mittel). Diese sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Innenministeriums, das den Ständigen Ausschuß des Landtags unterrichtet. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten und sonstige Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. (3) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur dann heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Satz 1 126 gilt entsprechend für den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in Wohnungen. (4) Die Erhebung nach den Vorschriften der Absätze 2 und 3 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Informationen durch Auskunft nach SS 9 Abs. 4 gewonnen werden können. Die Anwendung des nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) Bei Erhebungen nach Absatz 3 und solchen nach Absatz 2, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, zu denen insbesondere das Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit dem verdeckten Einsatz technischer Mittel gehören, ist der Eingriff nach seiner Beendigung der betroffenen Person mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilung an den Betroffenen bedarf es nicht, wenn sich auch nach fünf lahren noch nicht abschließend beurteilen läßt, ob diese Voraussetzung vorliegt. Die durch solche Maßnahmen erhobenen Informationen dürfen nur nach Maßgabe des SS 7 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGB1.I S. 949) verwendet werden. SS 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. Mai 1969 (GBl. S. 79) findet entsprechende Anwendung. (6) Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz nach dem Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz bleiben unberührt. SS 7 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 vorliegen, 127 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2 erforderlich ist oder 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 3 tätig wird. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 3 Abs. 3 dürfen vorbehaltlich des Satzes 2 in automatisierten Dateien nur Daten über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. Zur Erledigung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 dürfen in automatisierten Dateien nur Daten solcher Personen erfaßt werden, über die bereits Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 2 vorliegen. Bei der Speicherung in Dateien muß erkennbar sein, welcher der in SS 3 Abs. 2 und 3 genannten Personengruppen der Betroffene zuzuordnen ist. (3) Die nach Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 2 gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen nur für die dort genannten Zwecke sowie für Zwecke verwendet werden, die der Wahrnehmung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr.2 oder der Beobachtung von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind, dienen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke und hiermit in Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. SS 8 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 7 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, nur speichern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Minderjährige eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. In Dateien ist eine Speicherung von Daten über Minderjährige 128 vor Vollendung des 16. Lebensjahres nicht zulässig. (2) Sind Daten über Minderjährige in Dateien oder in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, gespeichert, ist nach zwei Jahren die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 2 angefallen sind. Satz 1 gilt nicht, wenn das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 3 tätig wird. SS 9 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes und die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie die Gerichte des Landes übermitteln von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihnen bekanntgewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Informationen zur Wahrnehmung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr. 2 oder zur Beobachtung von Bestrebungen erforderlich sind, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs.2 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeidienststellen dürfen darüber hinaus von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz auch alle anderen bekanntgewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 2 übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. (3) Soweit nicht schon bundesrechtlich geregelt, können die zuständigen Stellen in den Fällen des SS 3 Abs. 3 das Landesamt für Verfassungsschutz um Auskunft ersuchen, ob Erkenntnisse über den Betroffenen oder über eine Person, die in die Überprüfung mit einbezogen werden darf, vorliegen. Dabei dürfen die erforderlichen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen an das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt werden. Im Falle einer Überprüfung nach SS 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 ist das Ersuchen über das Innenministerium zu leiten. 129 (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann vorbehaltlich der in SS 11 getroffenen Regelung von jeder öffentlichen Stelle nach den Absätzen 1 und 2 verlangen, daß sie ihm die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen übermittelt, wenn die Daten und Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur durch eine den Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. Die Ersuchen sind aktenkundig zu machen. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Akten anderer öffentlicher Stellen und amtliche Register unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 und vorbehaltlich der in SS 11 getroffenen Regelung einsehen, soweit dies 1. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 2. zur Beobachtung von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 2 Nr. 1 genannten Schutzgüter gerichtet sind, 3. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 3 oder 4. zum Schutz der Mitarbeiter und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen Gefahren für Leib und Leben erforderlich ist und die sonstige Übermittlung von Informationen aus den Akten oder den Registern den Zweck der Maßnahmen gefährden oder das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Über die Einsichtnahme nach Satz 1 hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten und sonstiger Informationen, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1, 2 und 4 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für Verfassungsschutz nach 130 Satz 1 übermittelten Unterlagen findet SS 7 Abs. 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwendung. SS 10 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie an die Gerichte des Landes übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt der Staatsanwaltschaft und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeidienststellen des Landes von sich aus die ihm bekanntgewordenen personenbezogenen Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in SSSS 74 a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst, b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183) übermitteln. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. 131 (4) Personenbezogene Daten dürfen an andere als öffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht erforderlich ist und der Innenminister oder sein ständiger Vertreter die Zustimmung erteilt hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl gleichartiger Fälle vorweg erteilt werden. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung aktenkundig zu machen. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, daß das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann personenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, Belange der Länder oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. SS 11 Übermittlungsverbote (1) Die Übermittlung von Informationen nach den SSSS 5, 9 und 10 unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen oder überwiegende Belange der Strafverfolgung dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungs132 pflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. (2) Informationen über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 12 Unterrichtung der Öffentlichkeit Das Innenministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit periodisch oder aus gegebenem Anlaß im Einzelfall über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 2. Dabei dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhangs oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Informationsinteressen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. SS 13 Auskunft an den Betroffenen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Es ist nicht verpflichtet, über die Herkunft der Daten, die Empfänger von Übermittlungen und den Zweck der Speicherung Auskunft zu erteilen. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder durch die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen. 133 Die Entscheidung trifft der Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß er sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. SS 14 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Akten oder Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten ist dies zu vermerken. Wird die Richtigkeit der Daten von dem Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 sind spätestens 10 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter oder sein Vertreter stellt im Einzelfall fest, daß die weitere Speicherung zur Aufgabenerfüllung oder aus dem in Absatz 2 Satz 2 genannten Grunde erforderlich ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Akten gespeicherten personenbezogenen Daten zu sperren, wenn es im Einzelfall feststellt, daß die Speicherung unzulässig war. Dasselbe gilt, 134 wenn es im Einzelfall feststellt, daß ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden und die Daten für seine künftige Aufgabenerfüllung voraussichtlich nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Die Sperrung kann wieder aufgehoben werden, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen sind. Akten, in denen personenbezogene Daten gespeichert sind, sind zu vernichten, wenn die gesamte Akte zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt wird. SS 15 Besondere Pflichten des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft unverzüglich, ob die ihm nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich sind, hat es die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren. (2) Erweisen sich personenbezogene Daten, nachdem sie durch das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt worden sind, als unvollständig oder unrichtig, sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, es sei denn, daß dies für die Beurteilung eines Sachverhalts ohne Bedeutung ist. SS 16 Parlamentarische Kontrolle (1) Das Innenministerium unterrichtet den Ständigen Ausschuß des Landtags über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß. (2) Art und Umfang der Unterrichtung des Ständigen Ausschus ses werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzuganges durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt. (3) Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses sind zur Geheim haltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammen hang mit der Berichterstattung über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes im Ständigen Ausschuß bekanntgeworden sind. Dies gilt 135 auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ständigen Ausschuß oder aus dem Landtag. (4) Die Unterrichtung umfaßt nicht Angelegenheiten, über die das Innenministerium das Gremium nach Artikel 10 des Grundgesetzes zu unterrichten hat. SS 17 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 18 Erlaß von Verwaltungsvorschriften Das Innenministerium kann zur Ausführung des Gesetzes allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen. SS 19 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1992 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) vom 17. Oktober 1978 (GBl. S. 553) außer Kraft. 136 Verteilerhinweis Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, daß dies als Parteinahme der Herausgeberin zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist es jedoch den Parteien, die Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden . Bildquellennachweis: Umschlagseiten: dpa Grafiken: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Die Illustrationen wurden freundlicherweise vom Landesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt. Bitte senden Sie uns kostenlos folgendes Informationsmaterial zu: (Zutreffendes bitte ankreuzen und Stückzahl angeben) Exemplar/e des Verfassungsschutzberichts 1993 Exemplar/e des Verfassungsschutzberichts 1992 Informationen zu den Bereichen Politischer Extremismus/Spionageabweh sowie über den Verfassungsschutz allgemein I Exemplar/e Rechtsextremismus I Exemplar/e Linksextremismus I Exemplar/e Ausländerextremismus I Exemplar/e Spionageabwehr Exemplar/e Verfassungsschutz allgemein PS*r Bitte senden Sie uns kostenlos folgendes Informationsmaterial zu: (Zutreffendes bitte ankreuzen und Stückzahl angeben) Exemplar/e des Verfassungsschutzberichts 1993 Exemplar/e des Verfassungsschutzberichts 1992 Informationen zu den Bereichen Politischer Extremismus/Spionageabwehi sowie über den Verfassungsschutz allgemein I I Exemplar/e Rechtsextremismus I I Exemplar/e Linksextremismus Exemplar/e Ausländerextremismus Exemplar/e Spionageabwehr I Exemplar/e Verfassungsschutz allgemein Absender: Bitte ausreichend frankieren Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg -ÖffentlichkeitsarbeitPostfach 50 07 00 70337 Stuttgart .arr. 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