Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1990 Terrorismus Linksextremismus Rechtsextremismus Ausländerextremismus Spionageabwehr I BadenWürttemberg P3IL2",fc| INNENMINISTERIUM Herausgeber: Innenministerium Baden-Württemberg, Dorotheenstraße 6, 7000 Stuttgart 1 April 1991 Gesamtherstellung: Druck + Verlagshaus Hermann Daniel, 7460 Balingen Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers ISSN 0720-3381 dfo Gedruckt auf Öko-Umweltpapier - 3 - Vorwort Das Jahr 1990 stand für uns Deutsche ganz im Zeichen der Wiedererlangung der staatlichen Einheit. Vorausgegangen waren in der ehemaligen DDR wie in anderen europäischen Staaten des ehemals kommunistischen Machtbereichs politische Umwälzungen von geradezu revolutionärem Ausmaß. Gleichzeitig bedeuteten die gegenseitige Annäherung der Weltmächte USA und Sowjetunion, die Auflösung des Warschauer Paktes und die Entspannung in Europa das Ende des Kalten Krieges. Diese historischen Entwicklungen blieben auch für die Arbeit des Verfassungsschutzes in unserem Land nicht ohne Auswirkungen. So ist mit der Auflösung des Staatssicherheitsdienstes der DDR der bis dahin wichtigste Gegner unserer Spionageabwehr weggefallen. Auch führte das Scheitern des "real existierenden Sozialismus" in den Staaten des bisherigen Ostblocks zu drastischen Substanzverlusten bei den orthodoxen Kommunisten im Inland. Den Verfassungsschutz - auch in Baden-Württemberg - stellen diese Entwicklungen vor geänderte Anforderungen. Notwendig ist eine inhaltliche Anpassung und Neuorientierung, die zwangsläufig auch personelle Auswirkungen haben wird. Bei aller Freude über die politische Entspannung in Deutschland und Europa dürfen wir jedoch nicht vergessen, daß es nach wie vor Kräfte in unserem Land gibt, die dem demokratischen Rechtsstaat und seinem Ansehen mit allen denkbaren Mitteln Schaden ?ufügen wollen. Mordanschläge der linksextremistischen RAF und Verwüstungen jüdischer Friedhöfe in Baden-Württemberg durch Neonazis sind traurige Beispiele hierfür. Der Verfassungsschutz als Instrument der wehrhaften Demokratie hat daher auch in der Zukunft die wichtige Aufgabe, die politisch Verantwortlichen frühzeitig auf verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten hinzuweisen, um ihnen so ein rasches Reagieren zu ermöglichen. Die bereits 1990 einsetzende Krise am Persischen Golf hat deutlich gemacht, daß - nach Beendigung des Kalten Krieges neue weltpolitische Probleme auftreten, die auch Deutschland nicht unberührt lassen. Diese Probleme lassen die Aufgaben des Verfassungsschutzes bei der Beobachtung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus und Ausländerextremismus stärker in den Vordergrund treten. Ebenso bedeutsam ist die geistige Auseinandersetzung jedes einzelnen von uns mit dem Problem des politischen Extremismus. Alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sind aufgerufen, sich über die Gefahren, die unserer verfassungsmäßigen Ordnung von Rechts und Links drohen, gründlich zu infor mieren und damit selbst einen Beitrag zur Bewahrung der Demokratie zu leisten. Eine wertvolle und jedermann zugängliche Informationsquelle ist hierbei der vorliegende Verfassungsschutzbericht 1990. Die in ihm enthaltenen Zahlen und Fakten machen nur allzu deutlich, daß der aktive Einsatz des Staates und seiner Bürger für die freiheitliche demokratische Grundordnung auch weiterhin unerläßlich ist. Allen Mitarbeitern des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz danke ich für die Erfüllung ihrer schwierigen und verantwortungsvollen Tätigkeit. Ihre Arbeit verdient unsere besondere Anerkennung. Dietmar Schlee, MdL Innenminister des Landes Baden-Württemberg Inhaltsverzeichnis Seite A. Verfassungsschutz in Baden-Württemberg 9 1. Gesetzliche Grundlagen 9 2. Aufbau und Organisation 10 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 11 4. Methoden des Verfassungsschutzes 13 5. Kontrolle 14 B. Verfassungsschutz durch Aufklärung 17 C. Jahresrückblick 1990 * 19 D. Linksextremismus 29 1. "Alte Linke" 30 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) . 30 1.1.1 Der Verfall, der Partei setzt sich fort 30 1.1.2 Der 10. Parteitag 33 1.1.3 Situation der Partei in Baden-Württemberg 35 1.2 Nebenorganisationen der DKP 36 1.3 DKP-Vorfeldorganisationen 38 2. "Neue Linke" 40 2.1 Revolutionär-marxistische "Neue Linke" 40 2.1.1 "Marxistisch-Leninistische Partei 40 Deutschlands" (MLPD) 2.1.2 ' "Marxistische Gruppe" (MG) 42 2.1.3 Sonstige Organisationen 45 2.2 Undogmatische "Neue Linke" 46 2.2.1 Autonome Gruppen 46 2.2.2 Anarchistische Organisationen 50 3. Linksextremistischer Terrorismus 51 3.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 52 3.1.1 Die "Kommandoebene" im Jahre 1990 53 3.1.2 "Kämpfende Einheiten" 57 3.1.3 Die RAF-Inhaftierten 58 3.1.4 RAF-Unterstützerbereich 59 3.1.5 Angriffslinien 60 3.2 "Revolutionäre Zellen" 62 - 6 - Seite E. Rechtsextreraisraus 63 1. Allgemeines 63 2. Neonazistische Bestrebungen 64 2.1 "Gesinnungsgemeinschaft der 64 Neuen Front" (GdNF) 2.2 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" 68 (FAP) 2.3 "Hilfsorganisation für nationale 70 politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 2.4 "Nationalistische Front" (NF) 70 2.5 Sonstige bundesweit aktive neonazistische 71 Zirkel 2.6 "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" 73 (HVD) 3. Nationaldemokratische Organisationen 74 3.1 "Nationaldemokratische Partei 74 Deutschlands" (NPD) 3.2 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 80 3.3 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" 81 (NHB) 4. "National-Freiheitliche Rechte" 82 4.1 "Deutsche Volksunion - Liste D" 82 (DVU-Liste D) 4.2 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) 86 5. Sonstige rechtsextremistische 87 Vereinigungen 5.1 "Wiking-Jugend" (WJ) 87 5.2 "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) 88 5.3 "Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V." 89 (DDF) "Bismarck-Jugend" (BJ) 6. Einflußnahme auf jugendliche Randgruppen 89 7. Internationale Verflechtungen des 92 Rechtsextremismus 7.1 Vereinigte Staaten von Amerika 92 7.2 Kanada 93 7.3 Österreich 94 7.4 Frankreich 95 7.5 Großbritannien 95- - 7 - Seite Gesetzesverletzungen mit rechts96 extremistischem Hintergrund 9. Maßnahmen gegen rechtsextremistische 99 Aktivisten F. Aktivitäten politisch extremer Ausländer 103 1. Allgemeiner Überblick 103 2. Türken 105 2.1 Allgemeines 105 2.2 Linksextremistische kurdische 106 Gruppierungen 2.2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)106 2.2.2 Sonstige linksextremistische 110 kurdische Organisationen 2.3 Organisationen der "Neuen Linken" 110 2.4 Orthodox-kommunistische Organisationen 114 2.5 Islamisch-nationalistische Vereinigungen 115 2.6 Extrem nationalistische Vereinigungen 117 3. Araber 118 3.1 Palästinenser 118 3.2 Arabische Fundamentalisten 120 4. Jugoslawen 121 4.1 Kroatische Emigration 122 4.2 Kosovo-albanische Emigration 123 5. Iraner 123 6. Tamilen 125 7. Sikhs 126 G. Spionageabwehr 127 1. Allgemeiner Überblick 127 2. Auswirkungen der p o l i t i s c h e n Veränderung 127 i n Osteuropa a u f Z i e l s e t z u n g und A r b e i t s w e i s e der G e h e i m d i e n s t e 2.1 UdSSR 129 2.2 sonstige osteuropäische Staaten 130 3. Geheimdienstliche Aktivitäten 130 anderer Staaten 4. Die Nachrichtendienste der 131 ehemaligen DDR - - - . . . Seite Anhang Mitgliederübersichten 133 Gruppenund Organisationsregister 136 - 9 - Verfassungsschutz in Baden-Württemberg Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen. Er informiert die politisch Verantwortlichen frühzeitig über davon ausgehende Gefahren. Hierdurch versetzt er die zuständigen staatlichen Stellen in die Lage, verfassungsfeindliche Kräfte rechtzeitig und angemessen zu bekämpfen. Der Verfassungsschutz verkörpert damit als Institution den Selbstbehauptungswillen unseres demokratischen Rechtsstaates. Er ist ein tragendes Element unserer streitbaren Demokratie. Gesetzliche Grundlagen Der Verfassungsschutz agiert in keinem "rechtsfreien" Raum. Seine Aufgaben und Befugnisse sind gesetzlich genauestens festgelegt. Das (Bundes-)"Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz" ist Rechtsgrundlage für das Bundesamt für Verfassungsschutz und zugleich für die Tätigkeit der Landesbehörden für Verfassungsschutz. Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Gesetz das Mindestmaß der von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben umschrieben. Seit 30. Dezember 1990 gilt eine Neufassung des Bundesverfassungsschutzgesetzes (G.v.20.12.1990, BGBl. I S.2970), die in besonderem Maße den Belangen des Datenschutzes Rechnung trägt. Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Bundesländern eigene Verfassungsschutzgesetze, in denen Aufgaben und Befugnisse der jeweiligen Landesbehörde gesetzlich geregelt sind. Für Baden-Württemberg gilt derzeit noch das "Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg" von 1978. Auch hier befindet sich ein neues Gesetz in Vorbereitung, das ähnlich dem Bundesgesetz detaillierte Regelungen hinsichtlich des Datenschutzes enthalten wird. Darüber hinaus S - 10 - finden sich in zahlreichen weiteren Bundesund Landesgesetzen Rechtsvorschriften, die die Verfassungsschutzbehörden zu beachten haben. Aufbau und Organisation Entsprechend ihrem föderativen Aufbau hat es in der Bundesrepublik Deutschland bislang 12 Verfassungsschutzbehörden gegeben. In jedem der 10 Bundesländer und in Berlin arbeitet eine Landesbehörde für Verfassungsschutz. Als Zentralstelle fungiert das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Das Bundesamt hat gegenüber den Landesbehörden allerdings kein allgemeines Weisungsrecht. Es arbeitet mit ihnen aber eng zusammen. Mit dem Beitritt der ehemaligen DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes hat auch jedes der fünf neuen Bundesländer die Pflicht, eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zu unterhalten. Die entsprechenden Verwaltungen befinden sich derzeit noch im Aufbau. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg in Stuttgart wird von einem Präsidenten geleitet. Es gliedert sich in fünf Abteilungen, die für zentrale Angelegenheiten, Beschaffung, Auswertung, Spionageabwehr sowie den Behördenund Wirtschaftsschutz zuständig sind. PRÄSIDENT ZentralPolitische Politische SpionageBehördenabteilung NachrichtenNachrichtenund und WirtVerwaltung beschaffung . auswertung SabotageschaftsGrundsatzbekämfung schütz fragen Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ist dem Innenministerium unmittelbar unterstellt; ihm obliegt die Aufsicht über die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung. Zudem hat das Innenministerium über den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb zu wachen (Dienstaufsicht). - 11 - Der Personalbestand des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ist im Haushaltsplan des Landes öffentlich ausgewiesen. Danach sind dem Amt für das Jahr 1990 insgesamt 410 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter zugewiesen. An Mitteln standen dem Landesamt im Jahr 1990 rd. 26,5 Millionen DM zur Verfügung. Aufgaben des Verfassungsschutzes Die Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz BadenWürttemberg sind im Landesverfassungsschutzgesetz (LVSG) geregelt. Danach hat,die Behörde im wesentlichen den Auftrag, bestimmte als "Bestrebungen" bezeichnete Verhaltensweisen zu beobachten. Im einzelnen sind dies: - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Bei tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht, daß eine Organisation unsere Staatsordnung durch ein linksoder rechtsextremes Staatsgebilde ersetzen oder durch terroristische Gewalt beseitigen will, übernimmt der Verfassungsschutz die Beobachtung dieser Vereinigung. Er gibt seine Erkenntnisse an die Regierung und an andere staatliche Stellen weiter. Auf diese Weise zeigt er frühzeitig Gefahren für unsere verfassungsmäßige Ordnung und damit zugleich für die Freiheitsrechte der Bürger auf. Die Regierung wird dadurch in die Lage versetzt, nicht nur nachträglich durch strafrechtliche Sanktionen oder im Stadium konkreter Gefahr mit polizeilichen Mitteln auf verfassungs feindliche Handlungen zu reagieren, sondern den Extremismus auch politisch rechtzeitig zu bekämpfen. - Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Unter "auswärtigen Belangen" der Bundesrepublik Deutschland ist das Interesse an möglichst belastungsfreien Beziehungen zu anderen Staaten zu verstehen. Ob die Bundesregierung zu diesen Staaten diplomatische Beziehungen unterhält, ist unerheblich. Eine Gefährdung auswärtiger Belange liegt beispielsweise vor, wenn linksoder rechtsextremistische Ausländerorganisationen ihr Heimatland von deutschem Boden aus mit Gewalt bekämpfen und dadurch unseren Staat möglicherweise in außenpolitische Konflikte und Zwangssituationen manövrieren. - 12 - Bei der Beobachtung von "Bestrebungen" geht es dem Verfassungsschutz in erster Linie um Aktivitäten von Organisationen. Dabei müssen allerdings zwangsläufig auch die handelnden Personen, die Mitglieder dieser Organisationen sind oder deren Aktivitäten unterstützen, erfaßt werden. Der Begriff der verfassungsfeindlichen "Bestrebung" ist eng auszulegen. Er bedeutet, daß ein aktives, zielgerichtetes Handeln gegen unsere Verfassung oder gegen auswärtige Belange erkennbar sein muß. Eine wertneutrale oder kritische Haltung dem Staat gegenüber kann niemals Gegenstand der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörde sein. - Weiter ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht zu erkennen (Spionageabwehr). Die strafrechtliche Verfolgung der Spionage obliegt der Justiz und der Polizei. - Eine bloß mitwirkende Funktion hat das Landesamt für Verfassungsschutz beim vorbeugenden personellen und materiellen Geheimschutz. Der Verfassungsschutz unterstützt hierbei Behörden und außerbehördliche Stellen bei der Überprüfung von Geheimnisträgern und Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind und berät sie, wie Verschlußsachen durch technische oder organisatorische Sicherheitsmaßnahmen geschützt werden können. - Auf Anforderung der Einstellungsbehörde im Einzelfall wirkt das Landesamt für Verfassungsschutz auch bei der Überprüfung von Personen mit, die sich für eine Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben. Hierbei stellt der Verfassungsschutz der Einstellungsbehörde, die verpflichtet ist, die Verfassungstreue des Bewerbers zu prüfen, auf Anfrage vorhandene Erkenntnisse zur Verfügung. Methoden des Verfassungsschutzes Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz darauf angewiesen, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil auf offenem Wege beschafft, also so, wie sie jeder andere auch sammeln könnte. Die Mitarbeiter der Behörde werten Zeitungen und Zeitschriften, Flugblätter, Programme, Broschüren und sonstiges Material extremistischer Organisationen aus und besuchen auch deren - 13 - öffentliche Veranstaltungen. Oftmals reichen die auf diese Art und Weise erlangten Erkenntnisse nicht aus, um einen objektiven und vollständigen Überblick über verfassungsfeindliche Aktivitäten oder das Tätigwerden gegnerischer Nachrichtendienste zu erhalten. Fehlende Informationen können das Bild verzerren und zu falschen Schlüssen und Entscheidungen führen, die vor allem in sicherheitsempfindlichen Bereichen schwerwiegende Nachteile bewirken können. Gerade die besonders brisanten, verbotenen und unsere Verfassungsordnung angreifenden Aktivitäten werden im Verborgenen gehalten. Agenten oder terroristische Gruppen agieren nicht "auf offenem Markte". Sie wollen gerade nicht durchschaut und entdeckt werden. Um an diese "Bestrebungen" heranzukommen, bedient sich der Verfassungsschutz nachrichtendienstlicher Mittel. Hierzu ist er nach dem Landesverfassungsschutzgesetz ausdrücklich befugt. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln gehören: - das Anwerben und Führen von Vertrauensleuten (V-Leuten) in extremistischen oder terroristischen Vereinigungen - die Observation verdächtiger Personen - das geheime Fotografieren sowie - sonstige Haßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, daß der Verfassungsschutz Beobachtungen vornimmt (Tarnmittel). Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz ausnahmsweise und nur unter ganz engen gesetzlich normierten Voraussetzungen den Brief-, Postund Fernmeldeverkehr überwachen. Polizeiliche Befugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu. Verfassungsschutz und Polizeibehörden sind in der Bundesrepublik Deutschland voneinander getrennt. - 14 - Die Hitarbeiter des Verfassungsschutzes haben keine polizeilichen Befugnisse;. sie dürfen keinerlei Zwangsmaßnahmen (Festnahmen, Vorladungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmungen) durchführen. Verfassungsschutzbehörden dürfen auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Diese organisatorische Trennung von Polizei und Verfassungsschutz soll sicherstellen, daß sich der Verfassungsschutz auch nicht ersatzweise polizeilicher Möglichkeiten bedient, um eigene Aufgaben wahrzunehmen. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein polizeiliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Polizeibehörde von den Beobachtungen unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. Maßgeblicher Grund dafür, den Verfassungsschutzbehörden den Einsatz von Zwangsmitteln generell zu verbieten, waren die leidvollen Erfahrungen mit der "allmächtigen" Geheimen Staatspolizei des NS-Regimes. Kontrolle Um sicherzustellen, daß die Verfassungsschutzbehörden den ihnen vorgegebenen gesetzlichen Rahmen beachten, wurde.eine vielschichtige Kontrolle eingerichtet. Diese Kontrolle wird - neben entsprechenden innerbehördlichen Maßnahmen und der Rechtsund Fachaufsicht durch das Innenministerium - in erster Linie vom Parlament, aber auch von den Gerichten, der Landesbeauftragten für den Datenschutz und der Öffentlichkeit ausgeübt. Die parlamentarische Kontrolle obliegt nach SS 7 Landesverfassungsschutzgesetz dem Ständigen Ausschuß des Landtags von Baden-Württemberg, dem Mitglieder aller Fraktionen angehören. Ihm ist halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß zu berichten . - 15 - Für die Wahrnehmung der spezifischen parlamentarischen Kontrolle über die Durchführung des "Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" (G 10) ist ein Gremium bestellt,' das aus fünf Abgeordneten des Landtags besteht. Über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen entscheidet eine Kommission, die aus drei vom Landtag bestellten Persönlichkeiten besteht. Die Kontrollmaßnahmen umfassen somit die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung. Sie sind ein wirksames Instrument, um unzulässige Arbeitsweisen sowie den Mißbrauch von Informationen zu verhindern. Der Verfassungsschutz unterliegt mithin wie kaum ein anderer Bereich der öffentlichen Verwaltung einer umfangreichen und differenzierten Kontrolle. - 17 - Verfassungsschutz durch Aufklärung Der Schutz unserer Verfassungsordnung kann dauerhaft nur durch eine geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus gesichert werden. Dem Verfassungsschutz kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Seine Tätigkeit gewährleistet, daß Regierung und Parlament, aber auch die Bürger über Aktivitäten und Absichten verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen informiert werden. Um aktuelle Fragen des Verfassungsschutzes einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, beschloß die Innenministerkonferenz am 9. Dezember 1974 die Konzeption "Verfassungsschutz durch Aufklärung". Sie beinhaltet sowohl Information als auch Aufklärung über - die Verfassung, insbesondere über die Rechte, Pflichten und politischen Beteiligungsmöglichkeiten, die sie Bürgern einräumt, - extremistische Strategien und Aktionen, verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Sinne der Verfassungsschutzgesetze und ihre ideologischen Hintergründe, - gesetzliche Grundlagen, Aufgaben, Organisationen, Arbeitsweise und Probleme des Verfassungsschutzes. In Baden-Württemberg werden die Aufgaben des Verfassungsschutzes durch Aufklärung vom Referat "Verfassungsschutz" im Innenministerium und durch das Landesamt für Verfassungsschutz gemeinsam wahngenommen. Im Rahmen dieser Konzeption können kostenlos Referenten zu Vorträgen und Diskussionen über Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes zur Verfügung gestellt werden. Von dem Angebot machten auch im Jahre 1990 zahlreiche Institutionen Gebrauch, darunter - politische Parteien sowie deren Jugendund Studentenorganisationen - 18. - - kirchliche Einrichtungen - Schulen - Medien - Bundeswehr - Polizei. Beispielhaft sind hier einige Vorschläge für Vortragsbzw. Diskussionsthemen angeführt: deg Verfassungsschutz im demokratischen Rechtsstaat deg Verfassungsschutz und Konzeption der wehrhaften Demokratie deg Rechtsgrundlagen, Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise der Ämter für Verfassungsschutz deg Die Befugnisse der Ämter für Verfassungsschutz und ihre politische, parlamentarische und gerichtliche Kontrolle deg Verfassungsschutz und Datenschutz deg Organisation, politische Strategien und ideologische Hintergründe - des Terrorismus - des Linksextremismus - des Rechtsextremismus - des Ausländerextremismus deg Analyse rechtsextremistischer Propagandaund Agitationsmuster deg Spionageabwehr Interessenten für Vorträge und Diskussionen können sich an folgende Kontaktanschriften wenden: Innenministerium Landesamt für Baden-Württemberg Verfassungsschutz Referat "Verfassungsschutz" Baden-Württemberg Postfach 10 24 23 - Öffe~ntlichkeitsarbeit 7000 Stuttgart 10 Postfach 50 07 00 Tel.: 0711/2072-3768 7000 Stuttgart 50 oder 2072--3358 Tel.: 0711/56 61 01 - 19 - Jahresrückblick 1990 Die zusammenfassenden Feststellungen für die verschiedenen Beobachtungsfelder des Verfassungsschutzes zum Jahr 1990 sind : Die Terroristen der "Roten Armee Fraktion" (RAF) setzen trotz unverändert heftiger Ablehnung durch die Öffentlichkeit und trotz der totalen Perspektivlosigkeit ihres "bewaffneten Kampfes" ihre Anschlagsaktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland fort. In einer vermeintlichen Ruhephase machte die RAF auch 1990 wieder mit einem spektakulären Anschlag auf sich aufmerksam: Am 27. Juli entging der Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Hans NEUSEL, nur knapp einem Sprengstoffattentat. Trotz nahezu perfekter technischer Vorbereitung überlebte Herr NEUSEL den Anschlag nur leichtverletzt. Fast auf den Tag genau acht Monate nach dem Mord am Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG, Dr. Alfred HERRHAUSEN, versuchte die RAF damit erneut, durch ein brutales Verbrechen, das auf einen Vertreter des sogenannten Repressionsapparats zielte, für sich und ihre ideologisch verblendete Anhängerschaft Einfluß auf das politische Geschehen und die öffentliche Meinung zu gewinnen. Trotz dieses neuerlichen Nachweises ihrer Schlagkraft sowie eines spürbaren Motivationsschubs für die terroristischen Unterstützerkreise ist es der sogenannten Kommandoebene der RAF auch 1990 nicht gelungen, die seit Jahren latent vorhandenen Differenzen zwischen den in der Illegalität agierenden "Kommandos" und dem am Rande der Legalität angesiedelten Unterstützerbereich auszuräumen. Besonders das offensichtliche Unvermögen der Illegalen zur politisch-ideologischen Führung und die daraus resultierende Desorientierung der "Szene" führte intern zu einer kritisch geführten Diskussion über den weiteren Weg des militanten "Widerstands". Der im März 1990 wegen eines - 20 - nicht "einkalkulierbaren Ereignisses" abgebrochene Anschla der RAF auf den Bundesminister für Ernährung, Landwirtscha und Forsten, Ignaz KIECHLE, verschärfte die gruppeninterne Probleme. Ein in diesem Zusammenhang angekündigtes Grundsatzpapier zum "revolutionären Prozeß", das die Unstimmigkeiten ausräumen und die "politischen Grundlagen" neu fest legen sollte, ist von der RAF bisher nicht erstellt worden Die Forderung nach Zusammenlegung d er Inhaftierten in grö ßere Gruppen blieb während des gesa mten Jahres ein Hauptthema des RAF-Unterstützerbereichs. Damit verbunden wurde eine Solidaritätskampagne mit den s eit November 1989 hung streikenden Inhaftierten der spanis chen Terrorgruppen GRA und PCE(r) . Die Verhaftung mehrerer, bis dahin mit Haftbefehl gesuchter RAF-Mitglieder in der ehemaligen DDR war ein weiteres Thema, das im abgelaufenen Jahr die Öffentlichkeit bewegte In der terroristischen Unterstützerszene waren die Reaktio nen unterschiedlich: nach anfänglicher Empörung über die Festnahmen ließ das Interesse mit zunehmender Aussagebereitschaft der nun als Verräter abqualifizierten "Aussteiger" nach und schlug schließlich in Haß und Verachtung um. Aufgrur d von zahlreic Ten Markierun gen in Sta dtplänen, die im Mai 1990 bei einer polizeilichen Durchsuc hung c er Hamburger Hafenstraße ge funden wurden , ist eind eutig von AnSchlagsvorbereitungen durch Ausspä hen führen der Re präsentanten der Wirtschaft im Großraum Stuttgart auszuc ehen. Entsprechende Ermittl ungsmaßnahmen richteten sich in diesem Zusammenhang im D ezember 1990 gegen zahl reiche Mitgli der des terroristisch en Unterstützerbereichs Örtliche Schwerpunkte der rund 50 Aktivisten umfassenden RAF-Unterstützergruppen in Baden-Württemberg, die für die logistische und personelle Infrastruktur der "Roten Armee Fraktion" ein unverzichtbares Reservoir darstellen, sind in erster Linie Stuttgart und Freiburg. Auch die Gruppen - 21 - in Karlsruhe und Tübingen sind von Bedeutung. Bedingt durch die angesprochenen ideologischen Unsicherheiten ist aber gerade bei diesen Umfeldgruppierungen der Trend zu einer thematischen Reduzierung des "Widerstands" auf regionale Probleme (z.B. "Häuserkampf") deutlich feststellbar. Dies hat die seit Jahren sich abzeichnende Entwicklung, daß Teile des RAF-Umfelds und der gewaltbereiten Autonomen mancherorts kaum mehr zu unterscheiden sind, weiter vorangetrieben. Gemeinsame Aktionen dieses militanten Protestpotentials sind in diesen Städten inzwischen die Regel. Die häufig von Militanz begleiteten Aktionen autonomer Zirkel orientieren sich neben dem wieder aktuell gewordenen "Häuserkampf" noch an einer Vielzahl weiterer Themen wie Kapitalismus, Ausbeutung der Dritten Welt, Asylpolitik, Sexismus und Golf-Krise. Bevorzugte Angriffsziele blieben Banken, Firmen und staatliche Institutionen, aber auch der politische Gegner und die Polizei. Rein statistisch hat sich indes der seit mehreren Jahren zu beobachtende rückläufige Trend bei der Zahl von Sachbeschädigungen und Anschlägen weiter fortgesetzt. Allerdings hat die Brutalität der Ausschreitungen, etwa bei Demonstrationen, bundesweit zugenommen. So hat sich die Zahl der bei solchen Aktionen verletzten Personen stark erhöht. Hierbei gibt es derzeit ein auffälliges Nord-Süd-Gefälle: die Mehrzahl dieser Gewaltdelikte ist auf den norddeutschen Raum und auf Berlin beschränkt. Dort ist die "Szene" - im Gegensatz zu Baden-Württemberg - auch zahlenmäßig stärker geworden. So ist die Gesamtzahl der militanten Autonomen bundesweit auf etwa 2.300 (1989: 2.000) gestiegen, während sie in Baden-Württemberg auf ca. 250 Personen (1989: 280) zurückgegangen ist. Regionale Schwerpunkte im Land sind nach wie vor die Städte Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart, Heilbronn und Tübingen. Der weltweite Niedergang der kommunistischen Ideologie und der Machtverlust der kommunistischen Parteien in Osteuropa und der ehemaligen DDR haben die Krise der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) und ihrer Vorfeldorganisationen - 22 - weiter verstärkt. Die Mehrzahl der orthodox-kommunistischen Organisationen war 1990 vorrangig damit befaßt, die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten und nach dem "Scheitern des bürokratisch entarteten Sozialismus" einen Neuanfang zu versuchen. Die heftigen internen Auseinandersetzungen führten bei einigen Organisationen zu massiven Mitgliederverlusten. So hatte die DK.P Ende 1990 bundesweit nur noch etwa 11.000 Mitglieder gegenüber 22.000 im Jahre 1989. In Baden-Württemberg waren Ende 1990 in der Partei noch etwa 1.000 Personen (1989: 1.800) organisiert. Sie war damit kaum noch in der Lage, öffentlichkeitswirksam aufzutreten. Nur ein kleiner Teil der ehemaligen DKP-Mitglieder hat sich bisher anderen politischen Gruppierungen oder Sammlungsbewegungen angeschlossen. Trotz des "triumphierenden Kapitalismus" versucht die DKP, propagandistisch einen sozialistischen Entwicklungsweg für ein vereintes Deutschland offenzuhalten. In diesem Zusammenhang ist sie zunehmend bemüht, Kontakte zu anderen linksextremistischen Gruppierungen, insbesondere auch aus dem Bereich der sogenannten "Neuen Linken" zu knüpfen. Die Parteien und Bünde der revolutionär-marxistischen "Neuen Linken", die die Zustände in den osteuropäischen Ländern in der Vergangenheit kritisiert hatten und nun auf den Zusammenbruch der politischen Systeme in diesen Ländern zunächst mit Schadenfreude reagierten, mußten erkennen, daß auch für sie die Idee des Kommunismus in jeglicher Variante nunmehr schwerer zu vermitteln ist. Sie griffen deshalb vermehrt Besorgnisse auf, die der Prozeß der deutschen Einigung ausgelöst hatte, und agierten verstärkt gegen das angeblich jetzt drohende " 4 . Reich". Dabei nutzten sie zunehmend soziale Spannungen wie Wohnungsnot und Arbeitsplatzmangel, um auf sich aufmerksam zu machen. Immerhin konnten die wichtigsten Gruppen der revolutionär-marxistischen "Neuen Linken", die "Marxistische Gruppe" (HG) und die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) - 23 - ihre Anhängerschaft verstärken. Bundesweit zählen nunmehr insgesamt rund 13.900 Personen (1989: 9.300) zum facettenreichen Kreis dieses Spektrums, in Baden-Württemberg ist es mit 1.1.00 konstant geblieben. Im Neuordnungsprozeß des deutschen Linksextremismus, der gerade in vollem Gange ist, spielen sogenannte Sammlungsbewegungen e4ne immer größere Rolle. Hier finden sich Marxisten-Leninisten, aber auch undogmatische "Linke" unterschiedlicher Schattierungen wieder, um angesichts des behaupteten weltweiten Vormarsches des "Kapitalismus" eine gemeinsame Zukunftsperspektive zu erarbeiten. Neben vielen örtlichen und regionalen Gruppierungen und kommunalen Bündnissen spielen bundesweit das "Sozialistische Forum", die "Radikale Linke" und die "PDS/Linke Liste" eine größere Rolle. Erstmals seit Jahren mußten die im Bundesgebiet (alte Bundesländer) aktiven rechtsextremistischen Parteien und Vereinigungen Mitgliederverluste hinnehmen. Bundesweit waren Ende 1990 in 69 Organisationen noch etwa 32.300 Personen organisiert (1989: 70 Gruppen mit 35.900 Mitglieder). Hauptursache dieses erfreulichen Rückgangs sind die deutlichen Verluste der 1987 von dem Münchner Verleger Dr. FREY gegründeten "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU-Liste D ) , die von 25.000 Mitgliedern im Jahre 1989 auf nunmehr rund 22.000 absank. Dieser Mitgliederschwund dürfte weitgehend eine Folge der klaren Niederlage der DVU-Liste D bei der Europawahl am 18. Juni 1989 (1,6 % der Stimmen) sein, denn Enttäuschung und Resignation bestimmten auch noch im Jahre 1990 die Stimmung vieler Mitglieder. Die Partei hatte offenbar nach den erheblichen Wahlkampf-Investitionen eine gewisse Atempause nötig, die ihren sichtbaren Ausdruck in der Drosselung öffentlicher Präsenz fand. Intern gab es aufkeimende Kritik am DVU-Vorsitzenden, dem vorgeworfen wurde, sich mehr um die Herausgabe seiner Wochenzeitungen, als um die Fortentwicklung der Partei zu kümmern. In -.24 .-/ Baden-Württemberg waren im Jahre 1990 nur noch geringe Aktivitäten der DVU festzustellen. Die Mitgliederzahl der Partei sank in unserem Bundesland auf etwa 2.900 (1989: 3.200). Doch neben den sogenannten "national-freiheitlichen" Organisationen mußten auch die "nationaldemokratischen" und die neonazistischen Gruppen Einbußen ihres"Anhängerpotentials hinnehmen. Die seit über 25 Jahren aktive "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) mußte vor allem in der zweiten Jahreshälfte 1990 zunehmenden Mitgliederverlusten begegnen. Bundesweit waren Ende 1990 allenfalls noch 6.500 organisierte Mitglieder in der NPD (1989: 7.000). Baden-Württemberg blieb aber mit 1.450 Mitgliedern nach wie vor der stärkste Landesverband der Partei im Bundesgebiet (1989: 1.500 Mitglieder). Der Aufwind, den die NPD aufgrund sich ständig verbessernder Wahlergebnisse ab 1984 verspürt hatte, war - ähnlich wie bei der DVU - nach der Europa-Wahlschlappe 1989 (NPD-Mitglieder hatten auf der DVU-Liste kandidiert) praktisch zum Stillstand gekommen. Niederschmetternde Wahlergebnisse bei Lahdtagswahlen in den alten, aber auch in den neuen Bundesländern sowie das 0,3 %-Ergebnis bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 verstärkten die Unzufriedenheit und Unlust an der Parteibasis sowie bei Spitzenfunktionären. Der Rücktritt des seit 1972 amtierenden NPD-Bundesvorsitzenden Martin MUSSGNUG (Tuttlingen) am 16. Dezember 1990 offenbarte die schwierige Lage der Partei. Er und weitere NPD-Mitglieder und Funktionäre engagieren sich inzwischen in der im Januar 1991 neugegründeten Vereinigung "Deutsche Allianz/Vereinigte Rechte" (DA). Die Mehrheit des NPD-Parteivorstands, die noch immer entschieden für den Fortbestand der NPD eintritt, sprach sich mit aller Schärfe gegen die Gründung neuer Organisationen auf der "rechten Seite" aus, die nur der Zersplitterung der "nationalen Rechten" diene. Ob sich die "Deutsche Allianz", die sich im Laufe des Jahres 1991 als Partei vorstellen will, durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. - 25 - Die Zahl der Anhänger neonazistischer Gruppen im Bundesgebiet (alte Bundesländer) ist erfreulicherweise weiter rückläufig. Insgesamt waren 1990 etwa 1.200 Neonazis aktiv (1989: 1.300, 1988: 1.480, 1987: 1.520), die in vielfältig aufgesplitterten Gruppen und Kleinstzirkeln organisiert sind. In Baden-Württemberg sank die Zahl der Neonazis auf rund 130 gegenüber 140 im Vorjahr. Eine der wichtigsten neonazistischen Vereinigungen ist die "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF), die weitgehend den früheren KÜHNEN-Flügel der sogenannten "Bewegung" mit etwa 200 Anhängern umfaßt. Die vom MOSLER-Flügel der ehemaligen "Bewegung" beherrschte "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) zählt derzeit nur noch rund 200 Mitglieder (1989: 330, 1988: 450). Interne Unstimmigkeiten in der Partei führten 1990 zum Austritt bzw. Ausschluß des *Generalsekretärs M0SLER und weiterer Anhänger aus der FAP und zur Gründung einer neuen Organisation "Nationale Offensive" (NO). Unter dem Einfluß der von KÜHNEN angeführten "Gesinnungsgemeinschaft" formierten sich die derzeit noch auf Hamburg beschränkte "Nationale Liste" (N.L.) und die inzwischen in mehreren Bundesländern auftretende "Deutsche Alternative" (DA), die Ende 1990 bereits 130 Mitglieder zählte. In BadenWürttemberg entfaltete die neonazistisch orientierte "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) mit inzwischen etwa 30 Angehörigen verstärkte Aktivitäten. Auch 1990 gingen von Neonazis und - immer häufiger - von neonazistisch orientierten Skinheads zahlreiche Gewalttätigkeiten aus. Vor allem Ausländer und Asylanten sowie pplitisch Andersdenkende sind bevorzugtes Ziel teilweise brutaler Angriffe. Erhebliches Aufsehen erregten 1990 die im Bundesgebiet und schwerpunktmäßig in Baden-Württemberg verübten Schändungen jüdischer Einrichtungen, vor allem jüdischer Friedhöfe. Mehrere der inzwischen ermittelten Täter waren der neonazistischen Szene zuzurechnen. - 26 - Viele der in den alten Bundesländern aktiven rechtsextremistischen Parteien und Vereinigungen haben nach der Wende in der früheren DDR versucht, dort durch gezielte Agitation sowie durch organisatorische Aufbauarbeit sich eine neue Basis zu verschaffen. Vor allem Neonazis gelang es in Ostdeutschland im Jahre 1990 wiederholt, durch spektakuläre Aktionen erhebliches Aufsehen zu erzielen. Es muß befürchtet werden, daß insbesondere diese gewaltgeneigte Szene erhebliche personelle Verstärkung aus den fünf neuen Bundesländern erfahren wird. Auch im Jahre 1990 verhielt sich die große Mehrzahl der knapp 1 Million in Baden-Württemberg lebenden Ausländer loyal zum Gastland. Lediglich eine kleine Minderheit von insgesamt noch 8.430 Anhängern (1989: 10.155) von Vereinigungen mit extremistischer oder gar terroristischer Zielsetzung beeinträchtigte die innere Sicherheit sowie wichtige innenund außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland. Mit ihren Aktivitäten zielten sie vornehmlich auf Veränderungen der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den jeweiligen Heimatländern. Aber auch Themen der deutschen Politik und Maßnahmen deutscher Behörden bildeten Angriffspunkte ihrer Agitation. Erneut wurde dabei teilweise eine erhebliche Militanz deutlich. Mit dem abermaligen zahlenmäßigen Rückgang des extremististischen Potentials ist indes keine Verminderung der Sicher heitsgefährdung verbunden. Die häufig gewaltsam ausgetragenen Auseinandersetzungen in den jeweiligen Heimatländern bestehen fort. Die Krise am Persischen Golf hat das Konfliktpotential zusätzlich ausgeweitet. Die Ursachen und Auslöser für terroristische Bestrebungen und Gewaltbereitschaft ausländischer Gruppen im Gastland Bundesrepublik Deutschland werden somit auch mittelfristig nicht zu überwinden sein. Ausländische Extremisten werden insofern auch künftig die Sicherheitslage im Bundesgebiet weiter beeinflussen . - 27 - Besondere Gefahren gingen im Jahre 1990 insbesondere von folgenden Bereichen aus: Irische Nationalisten führten 1990 weitere Terroranschläge außerhalb der britischen Grenzen durch. Sie haben sich im abgelaufenen Jahr als die für die Bundesrepublik Deutschland derzeit gefährlichsten Terroristen gezeigt. Ihre bevorzugten Anschlagsziele bilden Einrichtungen der in Nordund Westdeutschland stationierten britischen Rheinarmee. Auch 1990 hat sich die militante "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus taktischen Gründen im Bundesgebiet zurückgehalten, um die gegen einige ihrer Mitglieder laufenden Strafprozesse nicht zu stören. Ihre Bereitschaft, im politischen Kampf auch Gewalt einzusetzen, ist gleichwohl ungebrochen. Umfangreiche Sprengstoffunde in Europa belegen, daß sich schiitische terroristische Organisationen intensiv um einen Ausbau ihres internationalen Netzes bemühen. Palästinensische Gruppierungen verübten 1990 außerhalb des Nahen Ostens keine Attentate. Die durch den Überfall Iraks auf Kuwait hervorgerufene Golfkrise hatte indessen weltweit zu einer hohen Gefährdung sowohl durch irakische Stellen als auch durch Palästinenserorganisationen geführt, von denen eine ganze Reihe ihre Bereitschaft zur Unterstützung der Position Saddam HUSSEINS erklärt hatten. Ein ernstzunehmendes Gewaltpotential stellen schließlich auch die Anhänger einiger Organisationen der türkischen "Neuen Linken" dar. Trotz umwälzender politischer Veränderungen in vielen osteuropäischen Staaten richteten sich auch 1990 noch Spionageaktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland. Allerdings ist einerseits ein zahlenmäßiger Rückgang, andererseits eine grundsätzliche Neuorientierung unübersehbar. Insgesamt war im Vergleich mit 1989 bei den bundesweit festgestellten Spionageaktivitäten ein Rückgang um etwa ein Drittel festzustellen . - 29Linksextremismus Im Jahre 1990 haben sich die bereits im Vorjahr deutlich werdenden neuen Entwicklungstendenzen im Bereich des Linksextremismus weiter verfestigt. Durch den Niedergang des "real existierenden Sozialismus" in Osteuropa wurde jener Teil des linksextremistischen Spektrums, der wegen seiner traditionell engen Anbindung an die sowjetische KPdSU und die SED der (damaligen) DDR auch als orthodox-kommunistische "Alte Linke" bezeichnet wird, in eine krisenhafte Situation gebracht. Die plötzliche ideologische Heimatlosigkeit, gekoppelt mit dem Zusammenbruch des Finanzierungssystems, ließ bundesweit viele Mitglieder austreten und verurteilte die Organisationen der "Alten Linken" zu weitgehender Aktionsunfähigkeit. Dagegen blieb die Mehrzahl der Gruppen der "Neuen Linken", die in einen undogmatisch-anarchistischen und einen revolutionär-marxistischen Teil zerfällt, von der Krise des internationalen Kommunismus weitgehend unberührt. Zahlenmäßig ist hier bundesweit sogar ein Anstieg der Mitgliederzahlen festzustellen, wobei der Bereich der militanten Autonomen punktuell nach wie vor eine ernstzunehmende Bedro hung der öffentlichen Sicherheit darstellt. Mit dem mißlungenen Mordanschlag auf Staatssekretär NEUSEL am 27. Juli 1990 hat sich die "Rote Armee Fraktion" (RAF) auch 1990 wieder spektakulär Gehör verschafft. Die söge-, nannte Kommandoebene bewies damit erneut ihre noch immer vorhandene Schlagkraft. Teile des militanten Unterstützerfeldes der RAF befanden sich in einer intensiven Diskussionsphase, um ihre zeitweilige Desorientierung zu überwinden . - 30 - 1. "Alte Linke" 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1.1.1 Der Verfall der Partei setzt sich fort Mit dem Amtsantritt Michael GORBATSCHOWS 1985 und der von ihm eingeleiteten Abkehr der KPdSU von der orthodoxen Deutung des Marxismus-Leninismus begann die ideologische Krise der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP). Große Teile der sich in der Tradition der alten KPD sehenden Partei, die sich in ihrer Dogmatik seit jeher fest mit der Kommunistischen Partei der Sowjetunion verbunden fühlte, vermochten dem Glasnost-Kurs der sowjetischen Führung in Richtung Pluralismus und Marktwirtschaft nicht mehr zu folgen. Sie orientierten sich deshalb noch stärker an der unverändert starren Bruderpartei "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED). So stürzte dann der endgültige Zusammenbruch des "real existierenden Sozialismus" in der damaligen DDR die DKP in die schwerste Krise seit ihrer Neugründung im Jahre 1968. Die völlige ideologische und vor allem auch finanzielle Abhängigkeit von der SED führte nach deren Machtverlust zu einem rasch fortschreitenden organisatorischen Verfall der DKP. Selbst der Parteivorstand räumte dies im Oktober 1990 ein: "Vom Scheitern des 'realen Sozialismus' und dem Zerfall der kommunistischen Bewegung ist die DKP auf eine besondere Weise betroffen. Sie hatte sich stärker als die meisten kommunistischen Parteien in den kapitalistischen Ländern mit dem 'realen Sozialismus' identifiziert. Sie stand immer in besonderen Beziehungen zur KPdSU und zur SED. Für die bundesdeutschen Kommunistinnen und Kommunisten war die SED 'ihre' Partei..." Bereits auf dem 10. Parteitag im März 1990 hatte die DKPFührung den katastrophalen Zustand der Partei eingestanden. In seinem Rechenschaftsbericht erklärte das Leitungsgremium, daß sich die DKP zu keinem Zeitpunkt ihrer Geschichte in einer so tiefen Identitätsund Existenzkrise befunden - 31 - habe, wie dies gegenwärtig der Fall sei. Dabei handele es sich um eine "politische, ideologisch-theoretische und organisatorische Krise, die in Zusammenhang mit der Krise in der internationalen kommunistischen Bewegung gesehen werden muß". Ferner gab der Parteivorstand in bisher nicht gekannter Offenheit zu, daß die DKP große Mitgliederverluste, ein fast vollständiges Fehlen der politischen Handlungsfähigkeit sowie den Zerfall und die Auflösung ganzer Parteiorganisationen und Vorstände hinnehmen mußte. Weil sich die "Erneuerer" in der DKP, die sich an der Reformpolitik GORBATSCHOWS orientierten, nicht gegen die jade Veränderung ablehnenden "Traditionalisten" durchsetzen konnten und ihre Repräsentanten aus den Führungsgremien ausgeschlossen wurden, hielt die Austrittswelle auch 1990 unvermindert an. Ein Teil der aus der DKP ausgetretenen "Erneuerer" beschloß auf einem Strategiekongreß am 30. März/ 1. April 1990 in Köln die Gründung eines "Sozialistischen Forums". Dieses will als lockerer Zusammenschluß auf der Basis möglichst 'vieler regionaler Initiativen als "Netzwerk" fungieren. Mittelfristig wird die Einheit des gesamten "linken Spektrums" angestrebt, ohne daß derzeit eine Parteineugründung zur Debatte steht. Andere aus der DKP ausgetretene "Erneuerer" schlossen sich der von der SED-Nachfolgeorganisation "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) initiierten Listenverbindung "Linke Liste/PDS" an. Im Herbst 1990 benannte sie sich um in "PDS/Linke Liste". Diese Zusammenschlüsse bildeten in den alten Bundesländern den Grundstock für die sich neu formierenden PDSLandesverbände . Der überwiegende Teil der ausgetretenen DKP-Mitglieder hat sich jedoch enttäuscht und desorientiert aus dem politischen Leben zurückgezogen und verhält sich abwartend. ; * - 32 - Ende 1990 gehörten der DKP bundesweit allenfalls noch rund 11.000 Mitglieder (1989: 22.000, 1988: 35.000) an, die zum überwiegenden Teil traditionalistisch orientiert oder - wie dies ein resignierender "Erneuerer" formulierte - "unverbesserliche Stalinisten" sind. Zum Verfall der DKP trug auch die Finanzkrise wesentlich bei. So mußte die Partei die totale finanzielle Abhängigkeit von der SED erstmals offiziell zugeben, nachdem sie diese immer geleugnet hatte: "Die Krise der Partei verschärfte sich durch den jähen Zusammenbruch des bisherigen Finanzsystems. ...Die erhebliche materielle Solidarität der SED für die DKP kam zum Erliegen." In den letzten Jahren hatte die DKP jährlich um die 70 Millionen DM von der SED erhalten. Noch im Oktober 1989 hatte der damalige SED-Generalsekretär Erich HONECKER der DKP für das Jahr 1990 67,9 Millionen DM genehmigt. Nur so konnte die DKP jahrelang ihren aufgeblähten Apparat unterhalten und andere Organisationen sowie politische Kampagnen und Massenbewegungen unterstützen. Das allmähliche Versiegen der Fremdfinanzierung sowie drastisch zurückgehende Mitgliedsbeiträge zwangen die DKP zu einschneidenden Maßnahmen. So wurde die Mehrzahl der hauptamtlichen Funktionäre - bundesweit hatte die Partei etwa 500 Angestellte - entlassen. Fast sämtliche parteieigenen Verlage, Druckereien und Buchhandlungen mußten Konkurs anmelden, viele Publikationen stellten ihr Erscheinen ein. Das Zentralorgan der DKP, die Tageszeitung "Unsere Zeit" (UZ), erschien seit August 1990 nur noch als 14tägige Wochenzeitung mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren. Die - 33 - spektakulären Enthüllungen über die geheime "Militärorganisation" (MO), einer aus zuverlässigen DKP-Mitgliedern bestehenden Sabotagegruppe im Dienst der "Nationalen Volksarmee" (NVA) der DDR, offenbarte ein weiteres Mal die Rolle der Partei als verlängerter Arm der SED. 2 Der 10. Parteitag "Neuformierung" und "Neubeginn" - mit diesem Anspruch war der 10. Parteitag der DKP am 24./25. März 1990 in Dortmund angetreten, um der Existenzkrise der DKP ein Ende zu bereiten und Perspektiven einer kommunistischen Partei nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa und der ehemaligen DDR zu finden. In einem Grußwort entschuldigte sich der Vorsitzende der SED-Nachfolgepartei PDS, Gregor GYSI, für das Maß der Verantwortung, das die alte SED-Führung an der tiefen Existenzkrise der DKP habe. Ein Großteil der Delegierten, denen ein Antrag des Parteivorstands für eine stärkere Zusammenarbeit mit der PDS vorlag, warnte denn auch davor, sich sofort wieder an die SED-Nachfolgeorganisation zu binden. Folgerichtig wurde eine Umbenennung in "PDS-West" als Etikettenschwindel abgelehnt, zumal der Sozialismusbegriff im PDS-Programm nicht klar bestimmt sei. Einigkeit herrschte aber darüber, daß im Geburtsland von MARX und ENGELS eine kommunistische Partei unerläßlich sei. Inhalt und Verlauf des Parteitags machten indes deutlich, daß eine wirkliche Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und mit der Politik der Vergangenheit von der Mehrheit der Delegierten nicht gewünscht wurde. Die angekündigte Erneuerung erschöpfte sich dann auch in formaler Selbstkritik, in der Verabschiedung eines neuen vorläufigen Statuts und in der Wahl eines vierköpfigen Sprecherrats an- - 34 - stelle des zurückgetretenen Parteivorsitzenden Herbert MIES. Ferner wurde ein von 98 auf 50 Mitglieder verkleinerter, an traditionalistischen Positionen festhaltender Parteivorstand gewählt, dem lediglich vier Funktionäre aus BadenWürttemberg angehören. In dem von den über 300 Delegierten verabschiedeten neuen Statut, das bezeichnenderweise noch vom früheren Parteivorstand entworfen worden war, werden die Mitglieder nach wie vor auf den Kommunismus mit seiner revolutionären Programmatik eingeschworen: 'Ziel der DKP ist der Sozialismus/Kommunismus,... Die DKP unterscheidet sich von anderen Organisationen der politischen Linken durch ihre revolutionäre Zielsetzung." Ursprünglich sollten durch das neue Statut die alten Parteistrukturen aufgebrochen werden, stattdessen wurden sie nun noch fester gefügt. Zwar soll der Basis mehr Mitsprache- . recht eingeräumt werden, doch wurde gleichzeitig ein Fraktionsverbot aufgenommen, das es Gruppen innerhalb der Partei unmöglich macht, sich zu organisieren und eine eigene "Plattform" zu formulieren. Allen Versuchen der noch verbliebenen "Erneuerer", die DKP doch noch in Richtung eines "demokratischen Sozialismus" zu verändern, wurde damit eine klare Absage erteilt. - 35' - 3 Situation der Partei in Baden-Württemberg Auch in Baden-Württemberg beschleunigte sich im Jahre 1990 der Verfall der DKP. Nachdem das ganze Ausmaß der Abhängigkeit von der SED bekannt geworden war, traten viele Mitglieder enttäuscht aus der Partei aus, weil sie sich sowohl von der SEDals auch von der DKP-Führung verraten fühlten. Die weitere Haltung dieser Personen zur kommunistischen Ideologie sowie die Frage ihrer künftigen Organisierung bleibt abzuwarten. Bis jetzt haben sich in unserem Bundesland aber nur wenige dem "Sozialistischen Forum" oder der "PDS/Linken Liste" angeschlossen. In der DKP-Bezirksorganisation Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart ging die Zahl der Mitglieder von etwa 1.800 im Jahre 1989 (1988: 2.400) auf knapp 1..000 Ende 1990 zurück. Aufgrund der ausbleibenden Finanzmittel mußte die Partei auch in unserem Bundesland ihre hauptamtlichen Funktionäre entlassen, fast alle Parteibüros schließen und das Erscheinen vieler Publikationen einstellen. Nachdem der Landesvorsitzende und sein Stellvertreter die persönliche Verantwortung für den Zerfall der baden-württembergischen DKP übernommen hatten und zurückgetreten waren, wird die DKP in Baden-Württemberg seit März 1990 von einem Sprecherrat und einem Bezirksvorstand geführt. Auch hier haben nach wie vor die "Traditionalisten" ("Betonköpfe") die Mehrheit. Trotz des starken Mitgliederrückgangs auch in unserem Land sind die 23 Kreisorganisationen aber formal noch existent. In einigen von ihnen gibt es jedoch keine DKP-Grundeinheiten (Wohngebiets-, Betriebsund Hochschulgruppen) mehr. Von den noch im Jahre 1989 intakten 108 Grundeinheiten arbeiten derzeit höchstens noch 50. Dabei fällt besonders der Rückgang der Betriebsarbeit auf, eines der traditionellen Hauptagitationsfelder der DKP. Ende 1990 gab es lediglich noch 10 DKP-Betriebsgruppen (1989: 2 0 ) , von denen nur sechs aktiv waren. Bezeichnend für den Rückgang der Basisarbeit ist auch, daß von den 58 Kleinzeitungen der - 36 - DKP auf Ortsund Betriebsebene im Jahre 1989 im abgelaufenen Jahr nur noch 13 erschienen sind. In realistischer Einschätzung der ihr gegenwärtig zur Verfügung stehenden Möglichkeiten will sich die DKP in Zukunft schwerpunktmäßig der Kommunalpolitik zuwenden. Dort sieht die Partei die Möglichkeit, "die Handlungsfähigkeit der DKP zu beweisen und sich weiterentwickeln zu können." Daneben bleibt die Mitarbeit insogenannten antifaschistischen Aktionseinheiten und Bündnissen ein Schwerpunkt der Parteiarbeit. Aufgrund des Mitgliederrückgangs und der fehlenden finanziellen Mittel dürfte zwar auch hier der Einfluß der DKP zurückyehen, dennoch vermögen auf diesem Feld die DKP als Organisation und viele ihrer Mitglieder die in den letzten Jahren geschaffenen Kontakte zu nutzen. Nebenorganisationen der DKP Die formal selbständig arbeitenden Nebenorganisationen der DKP - Marxistischer Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus - Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) - Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP), die im wesentlichen für die kommunistische Jugendarbeit zuständig waren, wurden aufgrund der engen personellen und materiellen Verflechtungen mit der "Mutterpartei" in den Sog des Niedergangs mit hineingezogen. So löste sich der in der Vergangenheit mitgliederstärkste Studentenverband der Bundesrepublik Deutschland, der MSB Spartakus auf einem außerordentlichen Bundeskongreß am 23.724. Juni 1990 in Münster selbst auf. Auch die 1968 gegründete "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) befindet sich in einer akuten Existenzkrise. Nachdem sich auch hier die "Traditionalisten" im Bundesvorstand - angeführt vom SDAJ-Landesverband Baden-Württemberg - - 37. r durchsetzen konnten, kam es faktisch zur Spaltung der SDAJ. Die DKP erkannte als vertretungsberechtigtes Organ der SDAJ allein den auf einem außerordentlichen Bundeskongreß am 21.722. Januar 1990 gewählten Bundesarbeitsausschuß (BAA) an, in dem nur "Traditionalisten" vertreten sind. Wie die DKP, so mußte auch die SDAJ nach dem Ausbleiben der finanziellen Mittel ihre hauptamtlichen Funktionäre entlassen und das Erscheinen fast sämtlicher Publikationen einstellen. Am gravierendsten wirkte sich die gesamte Entwicklung indes auf die Mitgliederzahlen aus. Bundesweit hat die SDAJ nur noch rund 250 Mitglieder (1989: 2.000, 1988: 6.500), in Baden-Württemberg gehörten ihr Ende 1990 (1989: 300, 1988: 600) weniger als 50 Mitglieder an. Die wenigen noch bestehenden SDAJ-Gruppen im Lande sind entweder in einem Auflösungsprozeß begriffen oder entwickeln kaum noch Aktivitäten. Die DKP-Jugendorganisation hat ihren ideologisch-organisatorischen Zusammenhalt offenbar soweit verloren, daß ihr die Kraft zum eigenständigen politischen Handeln fehlt. Sie sucht deshalb die verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Jugendverbänden. In einem Interview in der DKP-Zeitung "UZ" .vom 28. September 1990 erklärte der SDAJ-Bundesvorsitzende Patrik KÖBELE (Baden-Württemberg) , daß die SDAJ zur "Bildung einer föderativen linken Jugendstruktur" aufrufe, in der die beteiligten Organisationen jedoch ihre Autonomie behalten sollten. Ob dies das Überleben der SDAJ sichern hilft, bleibt abzuwarten. Auch die 1974 gegründete DKP-Kinderorganisation "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) befindet sich bundesweit in einem Auflösungsprozeß. Von den wenigen, in Baden-Württemberg noch bestehenden JP-Gruppen gingen im Berichtszeitraum so gut wie keine Aktivitäten mehr aus. Bundesweit haben die JP noch rund 150 Mitglieder (1989: 800). - 38 - DKP-Vorfeldorganisationen Bis in die jüngste Zeit bediente sich die DKP eines ganzen Geflechts von Vorfeldorganisationen. Mit deren Hilfe wollte sie ihrem strategischen Ziel näherkommen, ein breites "antimonopolistisches Bündnis" unter ihrer Führung zu schaffen, um damit zu größerem politischen Einfluß zu gelangen. In den sog. Aktionseinheiten war die Rolle der DKP bzw. die ihrer Vorfeldorganisationen für die Beteiligten oft nur schwer zu erkennen. Vielfach erfreuten sich diese Vereinigungen sogar einer hohen Akzeptanz auch bei demokratischen Gruppierungen . Als nach der politischen Wende in der DDR die finanziellen Zuwendungen durch die SED ausblieben, standen viele dieser Vorfeldoder Bündnisorganisationen vor dem Ruin. Die Leitungsfunktionäre konnten das Ausmaß ihrer Abhängigkeit von der DKP - und damit von der SED - nicht länger verheimlichen, so daß viele Mitglieder erstmals konkret erfuhren, in welchem Umfang in ihrer angeblich unabhängigen Vereinigung Personalentscheidungen und politische Grundsatzentscheidungen in Wirklichkeit beim DKP-Parteivorstand getroffen worden waren. Entsprechende Hinweise, etwa in den Verfassungsschutzberichten, waren in der Vergangenheit stets als böswillige Verleumdung abgetan worden. Das ganze, zum Teil konspirativ aufgebaute Netz kommunistischer Bündnispolitik wurde in der Folge durch heftige interne Diskussionen nahezu gelähmt. Da die DKP wegen ihrer eigenen Finanznot, des dramatischen Mitgliederschwunds und der um sich greifenden Inaktivität nicht mehr in der Lage war, politische Kampagnen selbst zu initiieren und zu steuern, entfiel auch die Bindegliedfunktion der meisten Vorfeldorganisationen. Die zwei wichtigsten Vereinigungen, die in dieser Weise jahrelang von der DKP stark beeinflußt worden waren, sind - die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) und - die "Deutsche Friedens-Union" (DFU). - 39 - Trotz heftiger interner Diskussionen blieb die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) mit bundesweit 12.000 Mitgliedern (1989: 14.000) die mitgliederstärkste kommunistisch beeinflußte Organisation. Die Mitgliederzahl des VVN-BdA-Landesverbands BadenWürttemberg blieb mit etwa 2.000 nahezu unverändert. Im Gegensatz zum Bundesverband, der wegen der ausgebliebenen SED-Gelder Anfang des Jahres seine Bundesgeschäftsstelle auflösen und die hauptamtlichen Mitarbeiter entlassen mußte, behielt der Landesverband Baden-Württemberg seine Geschäftsstelle in Stuttgart bei. Trotz der schweren innerverbandlichen Krise beschlossen die Delegierten auf dem Bundeskongreß am 9./10. Juni 1990, die "antifaschistische" Arbeit der VVN-BdA fortzusetzen. Als die Arbeit auf Bundesebene zumindest zeitweise faktisch zum Erliegen kam, wurde eine Satzungsänderung beschlossen, die die Position der Landesverbände stärkte. Anstelle des bisherigen Bundesvorstands wurde nun ein Bundesausschuß installiert, der sich aus dem Sprecherrat und den von den Landesverbänden delegierten Mitgliedern zusammensetzt. Nach wie vor hat die DKP durch ihre in den Führungsgremien vertretenen Mitglieder auf Bundesund Landesebene einen nicht unerheblichen Einfluß auf die VVN-BdA. So kann nicht verwundern, daß die aktive Mehrheit der VVN-BdA auch künftig nur den "antikapitalistischen Kampf" als wirksamen "Antifaschismus" propagieren will, obwohl innerhalb der Vereinigung die Ursachen des "Faschismus", die "stalinistische Vergangenheit" der VVN-BdA und die weitere Arbeit sehr kontrovers diskutiert wurden. Dabei kam es vor allem zu Auseinandersetzungen zwischen kommunistischen VVN-BdA-"Traditionalisten" und "Erneuerern", aber auch zu dem Versuch von Demokraten, sich Gehör zu verschaffen. Die weitere Entwicklung der Organisation bleibt abzuwarten. - 40 - Eine sehr viel direktere Wirkung hatte die Krise des internationalen Kommunismus auf die "Deutsche Friedens-Union" (DFU). Diese Vereinigung fungierte jahrelang als verlängerter Arm der DKP vor allem in der "Friedensbewegung". Als die Geldzufuhr aus der damaligen DDR ausblieb - die DFU war zu 90% von der SED finanziert worden -, sah sich die DFU auf ihrem Unionstag am 9. Juni 1990 gezwungen, sich als bundesweite Organisation aufzulösen. Die Bundesgeschäftsstelle sowie die Mehrzahl der Landesgeschäftsstellen wurden aufgelöst und die hauptamtlichen Mitarbeiter entlassen. Den Mitgliedern wurde empfohlen, auf Regional-, Landesund Bezirksebene weiterzuarbeiten. Im Gegensatz dazu beschloß der DFU-Landesverband Baden-Württemberg, aus eigenen Mitteln die politische Arbeit fortzusetzen und die Landesgeschäftsstelle in Stuttgart beizubehalten. In Baden-Württemberg hatte die DFU Ende 1990 nahezu unverändert etwa 130 Mitglieder. Im Berichtszeitraum trat die DFU hauptsächlich durch ihre Beteiligung an Aktionen der "Friedensbewegung" in Erscheinung. "Neue Linke" 1 Revolutionär-marxistische "Neue Linke" 1.1 "Harxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (HLPD) Von der tiefen Identitätskrise zahlreicher linksextremistischer Organisationen blieb die dogmatische "HarxistischLeninistische Partei Deutschlands" (HLPD) weitgehend verschont. Sie bekennt sich trotz des weltweiten Niedergangs des sogenannten realen Sozialismus unbeirrt zu den Lehren des Marxismus-Leninismus und zu deren "Weiterentwicklungen" durch MAO TSE-TUNG und STALIN. Alles in allem konnte sich die kleine Partei als disziplinierte und aktive Kaderorganisation mit einem ideologisch geschlossenen Weltbild behaupten. Getreu der kommunistischen Lehre will die MLPD "die Diktatur der Monopolkapitalisten" stürzen und danach eine "Diktatur des Proletariats" errichten. - 41 - Unbeeindruckt vom Schicksal des "ersten deutschen Arbeiterund Bauernstaates" strebt die MLPD "ein vereintes sozialistisches Deutschland" an. Nach ihrer Auffassung sind die Entwicklung in Osteuropa und in der UdSSR sowie der Sturz der SED in der ehemaligen DDR auf den von den herrschenden kommunistischen Parteien betriebenen Verrat am Marxismus-Leninismus zurückzuführen. Dies habe dazu geführt, daß in diesen Ländern eine "kapitalistische Bürokratenherrschaft" die Macht besessen habe. Nachdem sich die MLPD durch ihren wirklichkeitsfernen Anspruch, "Avantgarde der Arbeiterklasse" zu sein, jahrelang selbst isoliert und keinerlei aktive Bündnispolitik betrieben hatte, konnte im Berichtszeitraum eine gewisse Änderung dieser Haltung festgestellt werden. So beteiligte sich die Partei maßgeblich an der Organisierung eines bundesweiten "Antiimperialistischen Kongresses" (30. März bis 1. April 1990 in Duisburg), an dem zahlreiche linksextremistische Gruppen teilnahmen. Ferner nahmen Vertreter der MLPD an mehreren Treffen mit anderen kommunistischen Organisationen teil, um die Möglichkeiten eines gemeinsamen Wahlbündnisses zur Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 auszuloten. Auch auf örtlicher Ebene verstärkte die Partei ihre Kontakte zu anderen linksextremistischen Organisationen. Zur Verbreitung ihres verfassungsfeindlichen Gedankenguts bedient sich die MLPD unverändert ihres straff organisierten Publikationswesens. Ihr als Wochenzeitung erscheinendes Zentralorgan "Rote Fahne" erreichte eine Auflagenhöhe von etwa 7.000 Exemplaren. Daneben werden zahlreiche weitere Publikationen verbreitet, wobei die Zeitschrift "Lernen und Kämpfen" (LuK) der internen Schulung und Anleitung der Mitglieder dient. Bundesweit stieg 1990 die Zahl der Mitglieder auf 1.500 leicht an (1989: 1.400). In ihrer "Hochburg" Baden-Württemberg, wo die MLPD seit Jahren etwa die Hälfte ihrer Mit- - 42 - glieder hat, stagniert indes die Zahl seit Jahren bei etwa 700. Auch die erkannte Zahl von Ortsgruppen blieb in unserem Bundesland mit 27 gegenüber dem Vorjahr (1989: 26) nahezu gleich. Traditioneller Schwerpunkt der Aktivität blieb die verdeckte Betriebsund Gewerkschaftsarbeit. Jedes MLPD-Mitglied ist verpflichtet, aktiv in einer Gewerkschaft mitzuarbeiten, um auf dem von der MLPD vorgegebenen "Weg des proletarischen Klassenkampfes" voranzukommen. So vertreten diese in den Arbeitnehmerorganisationen eine "revolutionäre Gewerkschaftspolitik", ohne sich in der Regel zu ihrer Parteimitgliedschaft zu bekennen. Symptomatisch hierfür ist der Rechtsstreit um den Gewerkschaftsausschluß des MLPD-Vorsitzenden Stefan ENGEL, in dem der Bundesgerichtshof den Ausschluß durch die IG Metall bestätigte. Unterstützt wird die MLPD bei ihren Aktivitäten von ihren Nebenorganisationen - "Arbeiterjugendverband/Marxisten-Leninisten" (AJV/HL) mit der Kinderorganisation "ROTFÜCHSE" - "Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband" (HLSV) und - "Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller" (MLBI) . Ihrem Anspruch, "Massenorganisationen" der MLPD zu sein, konnten diese Organisationen freilich auch nicht ansatzweise gerecht werden. 2 "Marxistische Gruppe" (MG) Die "Marxistische Gruppe" (MG), die ihren Ursprung in der studentischen Protestbewegung der späten sechziger Jahre hat, ist - nachdem sich der orthodox-kommunistische MSB Spartakus im Juni 1990 aufgelöst hatte - die wichtigste linksextremistische Organisation im universitären Bereich. Daneben hat sich die MG, die ihren organisatorischen Schwerpunkt nach wie vor in Bayern hat, inzwischen zur mitglie- - 43 - derstärksten Vereinigung der als "revolutionär-marxistische Gruppen" bezeichneten Bünde und Gruppierungen der dogmatischen "Neuen Linken" entwickelt. Die MG verfügt bundesweit über mehr als 10.000 fest in die Organisation eingebundene Anhänger; hinzu kommen mehrere tausend Personen, die regelmäßig an Schulungen, Teach-In's und Arbeitskreisen teilnehmen.* Die straff und zentralistisch von München aus geführte Organisation hat bis jetzt weder ein Programm noch ein Statut veröffentlicht. Insofern läßt sich der ideologische Standort der MG nur schwer konkretisieren, da ihre politischen Zielvorstellungen, die häufig nur in verschleierter und sehr zynischer Form dargestellt werden, fast ausschließlich aus einer Vielzahl von Publikationen herausgefiltert werden müssen. Hinzu kommt, daß Ideologie-Ansätze der MG wenig dogmatische Grundzüge aufweisen, die sich für ein Programm verdichten ließen. Die fundamentale Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen in der parlamentarischen Demokratie bei gleichzeitigem Vermeiden einer positiven Zielsetzung erschwert die Auseinandersetzung mit den rhetorisch besonders geschulten Anhängern. Die MG bezeichnet sich zwar selbst als eine kommunistische Organisation, lehnt aber den Kommunismus sowohl sowjetischer als auch chinesischer Prägung entschieden ab. Gleichzeitig nimmt sie jedoch die UdSSR und die VR China gegen "imperialistische Angriffe der kapitalistischen Staaten" in Schutz. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung kann nach den Vorstellungen der MG nur durch eine sozialistische Revolution überwunden werden. Hierzu hält sie die Anwendung von Gewalt für unumgänglich, wenn auch die MG derzeit - wohl aus takfc Die gegenüber dem Vorjahresbericht höhere Zahlenangabe zur Anhängerschaft der MG beruht auf einer verbesserten Erkenntnislage der Verfassungsschutzbehörden. - 44 - tischen Gründen - auf die Propagierung von physischer Gewalt in der politischen Auseinandersetzung.verzichtet. Nach der von ihr entwickelten Machtstrategie hält sie es im Augenblick für wichtiger, Schaltstellen des Staates und des "Kapitals" systematisch mit Anhängern zu durchsetzen. Der möglichst unauffällige "Marsch durch die Institutionen" in Staat und Wirtschaft bleibt deshalb vorrangiges taktisches Ziel. Die Organisation ist gekennzeichnet durch einen" streng hierarchischen Aufbau, ein elitäres Bewußtsein und durch ein betont konspiratives Verhalten. Darüber hinaus werden absolute Disziplin und ständige Bewährung der Anhänger gefordert. Von anderen linksextremistischen Organisationen setzt sich die MG selbstbewußt ab und wird auch von diesen ihrerseits isoliert. Aktionseinheiten sind selten. Die der Gruppe zur Verfügung stehenden Geldmittel sind beachtlich. Sie werden weitgehend durch hohe Mitgliedsbeiträge sowie durch Spenden und den Verkauf ihrer Publikationen aufgebracht. Monatsbeiträge von 1.000,-DM und mehr sind bei einer überwiegend gut verdienenden akademischen Anhängerschaft keine Seltenheit. Zur Verbreitung ihrer diffusen politischen Ziele gibt die MG neben - der "Marxistischen Streitund Zeitschrift - Gegen die Kosten der Freiheit" (MSZ) - Auflagenhöhe: 18.000 und - der Marxistischen Arbeiterzeitung" (MAZ) - Auflagenhöhe bis 20.000 diverse örtliche Hochschulund Schulzeitungen mit hoher Auflage sowie Betriebs-, Branchenund Regionalausgaben der MAZ heraus. Als theoretisches Organ der MG erscheint unregelmäßig eine Broschüre unter der Bezeichnung "Resultate" Mit Ausnahme der MSZ werden alle Publikationen in eigenen Druckereien hergestellt und auch über "MG-Buchläden" vertrieben . - 45 - Im Berichtszeitraum stagnierten in Baden-Württemberg - entgegen dem Bundestrend - sowohl die Zahl der Mitglieder als auch die der Aktivitäten. Der Kreis der Mitglieder und Kandidaten dürfte im Land weiterhin bei etwa 140 liegen. Den Sympathisantenzirkeln können etwa 180 Personen zugerechnet werden. Nach wie vor liegen die örtlichen Schwerpunkte der MG in Tübingen und in Stuttgart. Seit dem Frühjahr 1990 investierte die MG erhebliche Kräfte in den Aufbau von Stützpunkten in den neuen Bundesländern. Die Resonanz hierauf war aber offenbar sehr mäßig, was beim Tenor ihrer eher peinlichen "Argumentation" zu erwarten war. So geht die MG davon aus, daß die DDR auch deshalb gescheitert sei, weil dort noch zuwenig Planwirtschaft praktiziert wurde. Die Wiedervereinigung kommentierte sie mit Schlagworten wie "Einverleibung", "Sieg des Kapitalismus" oder "Kapitalisierung der DDR". In einer ihrer Veröffentlichungen nahm sie unter der Überschrift "Die Legende vom Deutschland einig Vaterland - Eine Gegendarstellung" zur friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR in zynischer Form wie folgt Stellung: "... Es wird erzählt, das Volk der DDR hätte vor einem Jahr eine gewaltfreie Revolution vollbracht und sich von seinen Unterdrückern die Freiheit erkämpft... Tatsächlich ist das Volk der ehemaligen DDR bloß übergelaufen. In das Herrschaftsgebiet des Westens, ...unter das Kommando des Reichtums, der in der D-Mark zu Hause ist." 2.1.3 Sonstige Organisationen Neben der MLPD und der MG gibt es noch ein vielfältiges Spektrum von Organisationen, die ebenfalls der revolutionärmarxistischen "Neuen Linken" zugeordnet werden. Deren geschichtliche Wurzeln liegen zumeist in den siebziger Jahren. Sie bekennen sich alle zum Marxismus-Leninismus in seinen unterschiedlichsten Deutungsvarianten. So berufen sich die einen auf MAO TSE-TUNG, die anderen auf TROTZKI oder STALIN. Nachdem über lange Jahre heftige ideologische Grabenkämpfe 5~ -. - 46 - um die korrekte Interpretation des Marxismus-Leninismus das Verhältnis zwischen den Gruppen bestimmt hatten, spielen heute ideologische Diskussionen zugunsten einer verstärkten Zusammenarbeit kaum noch eine Rolle. Folgende Organisationen sind hier besonders zu nennen: - "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) - "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) - "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT) - "Kommunistischer Bund" (KB) - "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) - diverse trotzkistische Vereinigungen. Da die meisten Gruppen ihren sektiererischen Avantgardeanspruch weitgehend aufgegeben haben, engagieren sich diese Vereinigungen verstärkt in Sammlungsbewegungen wie der "Radikalen Linken", dem "Sozialistischen Forum", der "PDS/Linke Liste" sowie in "antifaschistischen Bündnissen". Trotz einer zahlenmäßig geringen Anhängerschaft sind die einzelnen Mitglieder dieser Kaderorganisationen zumeist überaus aktiv. So ist etwa der BWK im sogenannten Antifaschismuskampf und in der Kommunalpolitik besonders engagiert. Der KB arbeitet in erheblichem Umfang bei der "PDS/Linke Liste" mit und konnte über deren offene Liste bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 zwei Mandate im Deutschen Bundestag erringen . Undogmatische "Neue Linke" 1 Autonome Gruppen Ihre kompromißlose Ablehnung des demokratischen Rechtsstaats brachten autonome Gruppen auch im Jahre 1990 durch vielfältige, teilweise spektakuläre Aktionen zum Ausdruck. Dieser schwer eingrenzbaren "Szene" kommt vor allem wegen der immer wieder aufflammenden Militanz besondere Bedeutung zu. In einigen Regionen des Bundesgebiets sind militante - 47 - Autonome bereits zu einem ernsten Problem der öffentlichen Sicherheit geworden. Ohne festgefügte Organisation und ohne klare politische Konzeption wollen sich diese anarchistischen Zirkel "Freiräume" in unserem Gesellschaftssystem erkämpfen. Um ihrer Vorstellung von einem "selbstbestimmten" Leben, das nicht von bürgerlichen Gesetzen reglementiert werden soll, nahezukommen, versuchen sie, durch zumeist spontane, stark von subjektivem Empfinden geprägte Aktionen den Staat und politische Gegner zu treffen. Militanz wird dabei als "unverzichtbares Mittel, um revolutionäre Veränderungen herbeizuführen", betrachtet. Die Bandbreite des Handelns umfaßt Demonstrationen, die oft militant verlaufen, Hausbesetzungen, Sachbeschädigungen und Farbschmierereien. Immer häufiger verübte Brandanschläge sowie gezielte Angriffe auf Gesundheit und Leben von Personen lassen den Übergang zu terroristischen Aktionen fließend werden. Meist reagieren die Autonomen auf einen aktuellen Anlaß. Solchen Phasen aggressiver Militanz folgen danach aber auch Zeiten weitgehender Orientierungslosigkeit. In der "Szene" selbst wird dieser Mangel an Kontinuität und theoretischer Grundlage durchaus erkannt und heftig kritisiert. Zugleich wird deshalb immer wieder eine stärkere Organisierung des diffusen Spektrums gefordert. So wird von Verfassern der autonomen Publikation "radikal" in Anspielung auf die politischen Veränderungen im Ostblock festgestellt : "Mit dem Zusammenbruch des realen Sozialismus wird Organisierung ja dringlicher als zuvor... Auch innerhalb gewaltiger Umbrüche bleibt es richtig und notwendig, Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung in jeder Form zu bekämpfen. Dieser Kampf muß von vielen geführt und deshalb von und für viele organisiert werden." Trotz ständiger Bemühungen um ein gewisses Maß an Verb lichkeit und eine Verbesserung von Strukturen ist es b lang nicht gelungen, in Richtung einer "revolutionären wegung" entscheidend voranzukommen. - 48 - Die Aktionsfelder autonomer Zirkel umfassen unterschiedlichste Bereiche. Sie sind vielfach an aktuellen, gesellschaftlich umstrittenen Fragen orientiert. Ein in den letzten Jahren immer häufiger aufgegriffenes Thema ist der "Kampf gegen den Faschismus". Bei zahlreichen Veranstaltungen und Demonstrationen "gegen rechts" kam es zu Ausschreitungen militanter Autonomer. So wurden im Bundestagswahlkampf insbesondere Parteiveranstaltungen der NPD und der "Republikaner" teilweise massiv gestört. Mehrfach kam es auch zu direkten Angriffen auf Anhänger dieser Parteien. So bekannten Angehörige eines "Antifaschistischen Arbeitskreises Heilbronn" in einer Veröffentlichung: "Wir lehnen Gewalt in der Auseinandersetzung mit Faschisten nicht prinzipiell ab." Die Wiedervereinigung Deutschlands war und ist ein Agitationsthema auch der Militanten. In Baden-Württemberg kam es aus diesem Anlaß zu zahlreichen Sachbeschädigungen. Es wurden örtliche Protestveranstaltungen organisiert, jedoch auch zur Teilnahme an der von gewalttätigen Ausschreitungen begleiteten "Internationalistischen Demonstration" am 3. Oktober 1990 in Berlin mobilisiert. In einem solchen Flugblattaufruf aus Freiburg heißt es: "laßt uns den herrschenden ihre einigungssuppe versalzen! im widerstand gegen das europa der bullen, bonzen und banken liegt für uns alle eine Perspektive über diesen tag hinaus!" Bei den Wahlen zum ersten gesamtdeutschen Bundestag kam der Haß gegen den demokratischen Rechtsstaat unverhohlen zum Ausdruck. Die Parole "Deutschland muß sterben, damit wir leben können" fand sich in zahllosen Farbschmierereien. Ebenso fanden Aufrufe zum Boykott der Bundestagswahl mit dem Tenor "Keine Stimme für das 4. Reich" weite Verbreitung. Zu Beginn des Jahres 1990 klinkten sich Militante in eine von einem breiten Spektrum überwiegend nichtextremistischer Gruppen getragene Kampagne gegen den Mineralolkonzern - 49 - Shell ein. Unter dem Motto "KILL A MULTI" verübten Autonome bundesweit Anschläge auf Tankstellen des Konzerns. In einem Flugblattaufruf zu diesem Thema hieß es: "Internationale Solidarität heißt für uns, die Träger von Ausbeutung und Unterdrückung hier anzugreifen . . . Gegen das Europa der Herrschenden - entwickeln wir das Europa des Widerstandes." Durch den akuten Wohnraummangel hat das Thema "Häuserkampf" auch bei den Autonomen wieder an Aktualität gewonnen. -Gewaltsame Auseinandersetzungen in diesem Zusammenhang eskalierten vor allem in Hamburg und in Berlin. Auch in BadenWürttemberg kam es wieder zu mehreren Besetzungsaktionen, wenngleich die Situation nicht mit den Aktivitäten der Hausbesetzerszene in den 70er Jahren vergleichbar ist. Die Proteste gegen Personen und Institutionen, denen Spekulationen mit Wohnraum vorgeworfen wurde, äußerten sich wiederholt auch in' Sachbeschädigungen. In einer schriftlichen Erklärung wurde eine Farbschmieraktion in Karlsruhe wie folgt "begründet": "Zusammenhocken, reden, handeln - nur wenn wir die Bonzen, die auf unsere Kosten leben, gemeinsam angreifen, können wir durchsetzen, was wir brauchen und wollen. . . MIETHAIE ZU FISCHSTÄBCHEN" Die häufig von Militanz begleiteten Aktionen autonomer Zirkel orientieren sich darüber hinaus noch an einer Vielzahl weiterer Themen wie Kapitalismus, Ausbeutung der Dritten Welt, Asylpolitik, Sexismus und die Golf-Krise. Bevorzugte Angriffsziele blieben Banken, Firmen und staatliche Institutionen, aber auch der politische Gegner und die Polizei. Rein statistisch hat sich indes der seit mehreren Jahren zu beobachtende rückläufige Trend bei der Zahl von Sachbeschädigungen und Anschlägen weiter fortgesetzt. Allerdings hat die Brutalität der Ausschreitungen, etwa bei Demonstrationen, bundesweit zugenommen. So hat sich die Zahl der bei solchen Aktionen verletzten Personen stark - 50 - erhöht. Hierbei gibt es derzeit aber ein auffälliges NordSüd-Gefälle: die Mehrzahl dieser Gewaltdelikte ist auf den norddeutschen Raum und auf Berlin beschränkt. Dort ist die "Szene" - im Gegensatz zu Baden-Württemberg - auch zahlenmäßig stärker geworden. So ist die Gesamtzahl der militanten Autonomen bundesweit auf etwa 2.300 (1989: 2.000) gestiegen, während sie in Baden-Württemberg auf ca. 250 Personen (1989: 280) zurückgegangen ist. Regionale Schwerpunkte im Land sind nach wie vor die Städte Freiburg, Karls ruhe, Stuttgart, Heilbronn und Tübingen". Eine bereits seit einigen Jahren sich abzeichnende Entwicklung hat sich weiter konkretisiert: In starkem Maße kooperiert das militante autonome Spektrum inzwischen mit dem RAF-Unterstützerbereich. Die ideologischen und taktischen Vorstellungen haben sich in wesentlichen Bereichen angenähert. Wo noch Differenzen bestehen, werden sie zurückgestellt, wenn es gilt, den "Kampf" gegen den gemeinsamen Feind voranzubringen. Entscheidend für diese Annäherung war auch, daß der von den Autonomen früher heftig kritisierte Dogmatismus der RAF inzwischen flexiblerem Taktieren gewichen ist und damit der Weg frei wurde für zumindest punktuell gemeinsames Handeln. Anarchistische Organisationen Der Wirkungsgrad der verschiedenen anarchistischen Splittergruppen im Bundesgebiet ist gering. Die anarcho-syndikalistische "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union" (FAU) strebt eine "herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung gegründete Gesellschaft" an. Ihre wichtigste Aufgabe sieht sie im Aufbau von militanten Betriebsgruppen und revolutionären Gewerkschaften. Als Kampfmittel propagiert sie sogenannte direkte Aktionen wie Streiks, Boykottmaßnahmen, Fabrikbesetzungen und Sabotage. Die FAU, der bundesweit etwa 150 Mitglieder angehören, unterhält in Baden-Württemberg Stützpunkte in Ludwigsburg, Schorndorf, Stuttgart und Tübingen. - 51 - Auch die "Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei" (FAU/AP) mit ihren Nebenorganisationen "Freie Arbeiter Union - Studenten" (FAUST) und "Schwarze Garde" (SG) lehnt jegliche staatliche Strukturen entschieden ab. Sie fordert statt dessen "rätedemokratische Strukturen" und spricht sich für eine "gewaltsame sozialistische Revolution" aus. Die "Partei" tritt verbal äußerst aggressiv auf, wobei sie sich ideologisch sowohl auf STALIN als auch auf anarchistische Theoretiker stützt. Die FAU/AP hat ihren örtlichen Schwerpunkt in Heidelberg und unterhält bundesweit einige weitere Zirkel. Die anarchistische "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FöGA) will unser jetziges Staatswesen durch eine angeblich "gewaltfreie Revolution" auflösen und durch eine "freiheitlich basisdemokratische Gesellschaft" ersetzen. Als Aktionsform propagiert sie die "Verweigerung" einschließlich der "bewußten Mißachtung staatlicher Gesetze". Durch "massenhaften zivilen Ungehorsam" soll der "staatliche Herrschaftsund Gewaltapparat zurückgedrängt und zerstört" werden. Die FöGA umfaßt einschließlich ihrer Anhänger bundesweit etwa 500 Personen. Ihr Organ ist die monatlich erscheinende Zeitschrift "Graswurzelrevolution", die mit einer Auflage von etwa 4.000 Exemplaren in Heidelberg herausgegeben wird. Linksextremistischer Terrorismus Eine massive terroristische Bedrohung geht in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor von der "Roten Armee Fraktion" (RAF), in geringerem Maße auch von den "Revolutionären Zellen" (RZ) und deren Frauengruppe "Rote Zora" aus. Während sich die Gewaltakte der RZ/"Rote Zora" insbesondere gegen Sachobjekte (Gebäude, Institutionen und sonstige Einrichtungen) richten, um mit spektakulären Anschlägen auf gesellschaftlich umstrittene Maßnahmen des Staates oder der Wirtschaft hinzuweisen, zielt dagegen das RAF-Konzept zumeist auf die Tötung von Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat durch sogenannte Kommandos. Brandund Sprengstoffanschlage der Kämpfenden Einheiten der RAF sind oft begleitende Aktionen innerhalb einer "Offensive" der Terrorgruppe. - 52 - Anschläge der RAF und der RZ sollen einerseits dazu dienen, auf diese drastische Weise auf die Ziele der Terrorgruppe aufmerksam zu machen, andererseits eine vorrevolutionäre Situation gewaltsam herbeizuführen, aus der heraus die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft erfolgen soll. "Rote Armee Fraktion" (RAF) Die RAF verfolgt seit mehr als 20 Jahren ihre blutige Strategie des "bewaffneten Kampfes". Daß sie in dieser Zeit ihrem erklärten Ziel, der Zerschlagung des "BRD-Imperialismus" zugunsten einer diffusen kommunistischen, herrschaftsfreien Gesellschaft, nicht nähergekommen ist, hat sie keineswegs beirrt. Außer in ihrem fanatisierten Unterstützerfeld konnte sie demgemäß auch keine politischen Sympathien gewinnen. Die bundesweit rund 250 zum engeren RAF-Umfeld zählenden Personen agieren sektengleich und weitgehend konspirativ. Sie bilden eine nach außen streng abgeschottete Gemeinschaft, deren innerer Zusammenhalt ausschließlich auf der gemeinsamen extremistischen Zielvorstellung beruht. Persönliche Belange sind demgegenüber zweitrangig. Selbst die Organisierung des Alltags unterliegt den Erfordernissen des "revolutionären Kampfes", d.h. Wohnort und Wohnsituation (z.B. Wohngemeinschaften), ebenso der Lebensunterhalt (allenfalls Teilzeitjobs) werden so gewählt, daß eine optimale "politische Arbeit" gewährleistet werden kann. Der Avantgardeanspruch gegenüber der übrigen extremistischen.Linken in der Bundesrepublik Deutschland hatte die Terrorgruppe schon wenige Jahre nach ihrem Entstehen in die politische Isolation getrieben. Nach 20jähriger "Kampfgeschichte" können nun verstärkt Überlegungen in Richtung einer strategischen Neuorientierung festgestellt werden. Dabei soll stärker als in der Vergangenheit die "Einheit aller revolutionären und fortschrittlichen Kräfte" angestrebt werden. Trotz dieses Versuchs, damit auch die personelle Basis der RAF zu verbreitern, stand ein Abrücken vom - 53 - Konzept des "bewaffneten Kampfes" niemals zur Debatte. Die blutige Wirklichkeit der Jahre 1989 und 1990 spricht hierbei eine deutliche Sprache. Struktur der RAF Die schweren Anschläge und Anschlagsversuche der RAF im Jahre 1990 belegen, daß die Terrorgruppe trotz ihrer relativ geringen Mitgliederzahl noch immer aktionsfähig ist. Sie gliedert sich seit Jahren in mehrere Ebenen mit unterschiedlicher Aufgabenzuteilung, in die - personell relativ kleine Kommandoebene, die sich aus den sogenannten Illegalen zusammensetzt und aus dem Untergrund heraus Mordanschläge durchführt, - Kämpfenden Einheiten, die zumeist aus erfahrenen und langjährig bewährten Personen des RAF-Unterstützerbereichs bestehen und begleitend zu Aktionen der Kommandoebene Sprengstoffund Brandanschläge gegen Einrichtungen des Staates oder der Wirtschaft verüben, - RAF-Inhaftierten sowie - Unterstützerszene (RAF-Umfeld). Diese verschiedenen Ebenen stehen untereinander auf zumeist konspirative Weise in Kontakt. Erst deren reibungslose Zusammenarbeit ermöglicht der RAF die Aufrechterhaltung ihrer Struktur. Weitgehend offen sind die Verbindungen zwischen den einsitzenden Terroristen und ihren Betreuern aus dem RAF-Umfeld. Daneben verfügen aber die RAF-Inhaftierten sowohl untereinander als auch vermutlich zu Mitgliedern der Kommandoebene über ein verdecktes Kommunikationssystem, über das brisante Informationen ausgetauscht werden. 1 Die "Kommandoebene" im Jahre 1990 Im abgelaufenen Jahr setzte der RAF-Kommandobereich seine neuerliche "Offensive" fort, die mit dem Mord am Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Dr. Alfred HERRHAUSEN, am 30. November 1989 begonnen hatte. So wurde Anfang März 1990 durch eine versehentlich abgesandte Selbstbezichtigung die - 54 - Absicht eines Anschlags auf Bundeslandwirtschaftsminister KIECHLE durch ein RAF-"Kommando Juliane PLAMBECK" bekannt. Der für den 2. März 1990 geplante Anschlag wurde mit der Rolle des Ministers in der von der RAF bekämpften westeuropäischen Einigung angegeben. Die Aktion habe man angeblich, so die RAF in einer nachgeschobenen Erklärung, wegen der möglichen Gefährdung unbeteiligter Personen abgebrochen. Zugleich wurde erneut eine "langandauernde Offensive gegen das System" angekündigt.. Diese von der RAF selbst bekanntgemachte Anschlagsplanung führte jedoch zu unerwarteten Problemen, denn Person und Funktion des Landwirtschaftsministers waren als "Angriffsziel" selbst im engsten Unterstützerbereich kaum zu vermitteln. Erhebliche Verunsicherung im RAF-Umfeld war die unmittelbare Folge, so daß sich die Illegalen - fast zwei Monate nach Auftauchen der Selbstbezichtigung - veranlaßt sahen, das Ganze zu dementieren. In Anbetracht der dadurch offenkundig gewordenen grundsätzlichen ideologischen und strukturellen Probleme der Terrorgruppe stellten die Verfasser des "Dementis einen "umfassenden Text" über die weitere Perspektive des "revolutionären Prozesses" in Aussicht. Obwohl in der Folge insbesondere aus dem RAF-Unterstützerbereich teilweise heftige Kritik an den Illegalen geübt wurde, war das angekündigte Papier des Kommandobereichs bis zum Jahresende 1990 noch immer nicht erschienen. Statt dessen meldete sich die RAF mit dem Anschlag eines "Kommandos Jose Manuel SEVILLANO" am 27. Juli 1990 in Bonn gegen den Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans NEUSEL, spektakulär zurück. Ähnlich wie Dr. HERRHAUSEN 1989 sollte Staatssekretär NEUSEL von einem Sprengsatz, ausgelöst durch eine Lichtschranke, auf dem Weg zu seiner Dienststelle getötet werden, was glücklicherweise mißlang. Bereits mit der Kommandobezeichnung* sollte das Attentat auf die Zusam*Der Spanier SEVILLANO war am 25. Mai 1990 in Madrid an den Folgen eines Hungerstreiks der terroristischen GRAPO/ PCE(r)gestorben. - 55 - menlegungsforderung der Inhaftierten der spanischen Terrorgruppen GRAPO und PCE(r) hinweisen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits über ein halbes Jahr im Hungerstreik befanden. Staatssekretär NEUSEL habe - so wurde ausgeführt - "den Angriff der faschistischen Bestie Westeuropa auf das Gefangenenkollektiv von PCE(r) und GRAPO" durch seine Mitarbeit in den zentralen Gremien der europäischen "Repression" mitorganisiert. Diese wirke sich auf die "politischen Gefangenen" in Spanien genauso aus wie auf die Gefangenen der RAF in der Bundesrepublik Deutschland. Ziel müsse es deshalb sein, so heißt es weiter, die "Zusammenlegung aller revolutionären Gefangenen" zu erreichen, um somit der letztlich angestrebten Perspektive ihrer Freiheit näherzukommen. Weiterhin erklaren die Täter in der Selbstbezichtigung, daß. sich Deutschland nach seiner Wiedervereinigung zu einem "faschistischen 4. Reich" entwickle. Durch die neu entstandene großdeutsche/westeuropäische Weltmacht sei es notwendig geworden, über alle konzeptionellen und organisatorischen Grenzen hinweg zum Neuaufbau einer internationalen revolutionären Bewegung zu kommen. Trotz der seitens der RAF reklamierten "Solidarität mit GRAPO und PCE(r)" gibt es keine Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit der spanischen Terrorgruppe. Nachdem die französische "Action Directe" weitgehend zerschlagen ist und damit als Bündnispartner für die RAF ausfiel, konnte auch die 1988 proklamierte gemeinsame Aktionsfront mit den italienischen "Roten Brigaden" bislang nicht verwirklicht werden. Im Gegensatz zu mehreren Erklärungen scheinen der RAF derzeit die Bündnispartner für eine "antiimperialistische Front" auf europäischer Ebene zu fehlen. Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten führen die Kommandos der RAF - wie schon in früheren Jahren - Raubüberfälle durch Am 5. Juli 1990 überfielen sie einen Supermarkt in Duisburg und erbeuteten ca. 320.000,-DM. Die RAF-Urheberschaft wurde erst später aus einer Äußerung der Kommandoebene bekannt . - 56 - In dieser am 24. September 1990 erschienenen Erklärung aus dem terroristischen Untergrund stellte der Kommandobereich in Abrede, daß Unterlagen der RAF in den besetzten Häusern der Hamburger Hafenstraße aufbewahrt würden und bezeichnete die Funde der Polizei anläßlich einer Durchsuchungsaktion am 15. Mai 1990 als "Staatsschutzlügen". Damals war eine Vielzahl von Stadtplänen gefunden worden, die Markierungen enthielten, die eindeutig als Ergebnis intensiver Ausspähungen hochrangiger Vertreter aus Wirtschaft und Politik zu erkennen waren. Besonders im Stuttgarter Raum waren offensichtlich Fahrtrouten zahlreicher Wirtschaftsführer ausgekundschaftet worden. Als Folge dieser auch nach Baden-Württemberg führenden Gefährdungserkenntnisse wurden am 5. Dezember 1990 bundesweit 26 Wohnungen des terroristischen Unterstützerbereichs durchsucht (davon allein 21 in unserem Bundesland) und umfangreiche RAFspezifische Unterlagen sichergestellt. Keine nachweisbare Beeinträchtigung der derzeit agierenden Kommandoebene ging von den Festnahmen der 10 ehemaligen RAF-Mitglieder im Juni 1990 in der (damaligen) DDR aus. Diese "Aussteiger" hatten nach heutigem Kenntnisstand keinen Anteil mehr an den Anschlägen der RAF in den letzten Jahren. Ihre teilweise sehr weitgehende Aussagebereitschaft hat allerdings zur Aufklärung zahlreicher terroristischer Straftaten in den 70er Jahren geführt. Die Aussagen mehrerer ehemaliger RAF-Kommandomitglieder haben außerdem die bösartige Legende von der Ermordung der RAF-Terroristen BAADER, RASPE und ENSSLIN im Oktober 1977 in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim nachhaltig erschüttert. Danach sollen die damaligen Stammheimer Häftlinge ihren Selbstmord frühzeitig für den Fall geplant haben, daß ihre Befreiung scheitern würde. - 57 - "Kämpfende Einheiten" Die Aktionen der "Kämpfenden Einheiten" zielen darauf ab, während einer "Offensive" die RAF zwischen den Mordanschlägen der Illegalen im Bewußtsein der Öffentlichkeit präsent zu halten. Sie sollen zugleich das terroristische Wunschbild vom Kampf des "Widerstands" in einer geschlossenen "antiimperialistischen Front" untermauern. Die "Kämpfenden Einheiten" rekrutieren sich aus erfahrenen Personen des "legalen" RAF-Unterstützerbereichs, die jedoch bei der Anschlagsdurchführung auch zeitweise in die Illegalität abtauchen können. Zwischen dem Mord an Dr. HERRHAUSEN im November 1989 und dem geplanten Anschlag auf Minister KIECHLE Anfang März 1990 verübte diese sogenannte "zweite kämpfende Ebene" folgende Gewalttaten: 10.12.1989 Monheim versuchter SprengKämpfende Einheit stoff anschlag auf Sheban Atlouf/ die PflanzenforConny Wissmann schungsanstalt der Firma Bayer AG 4. 2.1990 Essen Sprengstoffanschlag Kämpfende Einheit auf die HauptverCepa Gallende waltung der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) 25. 2.1990 Eschborn versuchter SprengKämpfende Einheit stoff anschlag auf Febe Elizabeth das Verwaltungsgebäude der Deutschen Bank AG 26. 2.1990 Bonn-Bad Brandanschlag auf Kämpfende Einheit Godesdie SIEMENSHüseyin Hüsnu berg Schule für KommuEroglu nikationsujid Datentechnik Auffallend ist, daß nach dem bekanntgewordenen Anschlagsplan auf Bundesminister KIECHLE im März 1990 keine weiteren Gewalttaten von "Kämpfenden Einheiten" mehr durchge- -58führt wurden. Ein Erklärungsansatz hierfür dürfte das offene Aufbrechen grundsätzlicher Ideologieund Strukturprobleme im Frühjahr 1990 sein, für die innerhalb der RAF zunächst eine Lösung gesucht werden muß. 3 Die RAF-Inhaftierten Wichtiger, impulsgebender Teil in der RAF-Struktur sind die "Gefangenen aus der RAF". Sie werden nicht nur von Angehörigen des RAF-Unterstützerbereichs "betreut" und über die aktuelle Entwicklung "draußen" auf dem laufenden gehalten, sondern greifen auch selbst kritisierend bis steuernd in den "antiimperialistischen Kampf" ein. Durch intensiven mündlichen und schriftlichen Austausch mit RAF-Unterstützern, durch öffentliche Erklärungen, aber auch durch konspirative Informationsübermittlung an die verschiedenen Ebenen werden die Bemühungen der RAF-Häftlinge um Mitgestaltung des "Kampfes draußen" deutlich. Vor dem Hintergrund der überaus regen Kommunikation der Inhaftierten mutet der RAFeigene Kampfbegriff der "Isolationsfolter" und der "Vernichtungsstrategie" des Staates in den Haftanstalten als geradezu grotesk an. Die vielfältigen Kontakte innerhalb der Justizvollzugsanstalten werden durch ein ausgeklügeltes verdecktes Informationssystem zusätzlich gestützt. Es gibt sichere Anhaltspunkte dafür, daß ein konspirativer Nachrichtenaustausch nicht nur in die RAF-Unterstützerszene, sondern vermutlich auch bis zu den Illegalen der Kommandoebene reicht. Die einsitzenden Terroristen führten von Januar bis Mai 1990 einen Solidaritätshungerstreik mit den Inhaftierten der spanischen Terrorgruppen GRAPO und PCE(r) durch. Zweck der Aktion sollte eine breitere Mobilisierung der deutschen "Linken" für den "Kampf" um die Zusammenlegung der spanischen Gesinnungsgenossen und damit indirekt auch um die eigene Zusammenlegung in größere Gruppen innerhalb der Vollzugsanstalten sein. Anfang Mai 1990 wurde der Solidaritäts- - 59 - hungerstreik der RAF-Inhaftierten dann aber abgebrochen, nachdem die anfängliche Resonanz nach und nach völlig zum Erliegen gekommen war. Das eigentliche Ziel der seit Jahren massiv erhobenen Zusammenlegungsforderung hat der Wortführer der RAF-Inhaftierten, Helmut POHL, im August 1990 nochmals wie folgt formuliert: "Zusammenlegung als Übergang, Diskussion, Freiheit". Daß die massive Polemik hinsichtlich der Situation in den Haftanstalten durchaus auch weiteren Zwekken dient, hat die inhaftierte Eva HAULE in einer Erklärung vom 23. September 1990 erneut deutlich gemacht. Sie äußerte die Erwartung, daß "... die ungebrochene Vernichtungsstrategie gegen uns Gefangene objektiv eine Verpflichtung (bleibt), den Kampf auch bewaffnet zu führen..." 4 RAF-Unterstützerbereich Der terroristische Unterstützerbereich der RAF trägt weitgehend die politische und propagandistische, teilweise auch die logistische Arbeit der Gruppe. Er fungiert darüber hinaus als wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Ebenen und ist traditionell das Rekrutierungsfeld für die "Kämpfenden Einheiten" und die Kommandos. In Baden-Württemberg werden zum engeren RAF-Urafeld etwa 50 Personen gezählt. Regionale Schwerpunkte sind die Städte Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen; dagegen hat der Bereich Heidelberg/ Mannheim im Vergleich zu früheren Jahren an Bedeutung verloren. Die grundsätzlichen Vorgaben und Impulse der RAF-Kommandoebene und insbesondere der Inhaftierten wurden in der Vergangenheit von den Unterstützern mehr oder weniger vorbehaltlos aufgegriffen und in eigene Aktionen umgesetzt. Bezeichnendes Beispiel hierfür waren im Jahre 1990 die im - 60 - Zusammenhang mit dem GRAPO/PCE(r)-Hungerstreik in Spanien durchgeführten Anschläge gegen SEATund VW-Niederlassungen im gesamten Bundesgebiet. Auch in Baden-Württemberg wurden aus diesem Anlaß von Juni bis November 1990 vier Brandund Sprengstoffanschlage mit hohen Sachschäden verübt. Die teilweise hierzu formulierten Selbstbezichtigungen lassen auf einen Urheberkreis im RAF-Umfeld schließen. Die seit einiger Zeit unübersehbare konzeptionelle Schwäche der Kommandoebene hat indes zu einer wachsenden Verunsicherung im RAF-Umfeld geführt. Ein im Herbst 1990 in Tübingen festgestelltes Papier, aus der "Szene" Baden-Württem-. bergs, das inzwischen bundesweit verbreitet wurde, faßte die Kritik an der Kommandoebene und den "Kämpfenden Einheiten" deutlich zusammen: unklare Zielbestimmung, auslegbare Strategiekonzepte, ungenügende Vermittlung der politischen Vorstellungen und Ignoranz gegenüber persönlichen Problemen waren die signifikantesten Vorwürfe. Um den "revolutionären Kampf" weiter vorantreiben zu können, ist nach Meinung der Verfasser ein ausführlicher interner Klärungsprozeß unerläßlich. An der Solidarität mit der RAF und deren behauptetenpolitischen Absichten wird aber - wie die RAF-typische Schlußparole dokumentiert - kein Zweifel gelassen: "Zusammen Kämpfen!" Der ausstehende "umfassende Klärungsprozeß" dürfte ein wesentlicher Grund für die allgemeine Inaktivität der RAFUnterstützer in der zweiten Jahreshälfte gewes'en sein. Gleichzeitig konnte eine auffällige Hinwendung zu regionalen, mehr basisorientierten Politikfeldern (z.B. "Häuserkampf", "Antifaschismus"), die früher mehr von den Autonomen besetzt waren, festgestellt werden. Angriffslinien Die Angriffslinien der RAF sind seit Jahren unverändert und variieren allenfalls in der aktuellen Schwerpunktset- - 61 - zung. Nach wie vor gelten Personen und Einrichtungen der Bereiche - Politik/Diplomatie - Justiz ("Repressionsapparat") - Industrie und Wirtschaft - Militär/"Militärisch-Industrieller Komplex" (MIK) als besonders gefährdet. Das seit einigen Jahren neu hinzugekommene Thema Europäische Einheit hat den Kreis potentiell gefährdeter Personen nochmals erheblich vergrößert. Während die Strukturen der RAF im westlichen Teil der Bundesrepublik Deutschland seit langem feststehen, gibt es noch keine konkreten Anzeichen für eine Ausbreitung auf das Gebiet der ehemaligen DDR. Schon unmittelbar nach dem Fall der Mauer konnten allerdings erste Kontaktaufnahmen hiesiger Unterstützer zu "antiimperialistischen" Kräften und Hausbesetzern im Ostteil Deutschlands verzeichnet werden. Die nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse mögliche Einschätzung deutet jedoch auf eine erst am Anfang stehende S'uche nach "Bündnispartnern" im Osten hin. Insofern ist davon auszugehen, daß die Terrorgruppe ihr Aktionsgebiet zumindest mittelfristig auch auf Ostdeutschland ausdehnen wird. Die Wiedervereinigung kommentiert die RAF als politische und wirtschaftliche "Einverleibung der DDR" durch die "imperialistische BRD" mit der Absicht eines "Zugriffs" auch auf die noch unerschlossenen Märkte Osteuropas. Schon die Selbstbezichtigung zu dem Anschlag auf Staatssekretär NEUSEL verdeutlichte die neue Sicht der RAF, wonach die aufgestiegene neue Großmacht Deutschland ("4. Reich") massiv bekämpft werden müsse. Mit der Übernahme der politischen Strukturen der Bundesrepublik durch die neuen Bundesländer und der Expansion bundesdeutscher Firmen und Konzerne in das ehemalige DDR-Gebiet finden sich die potentiellen Zielobjekte der RAF aus Politik und Wirtschaft nunmehr auch in Ostdeutschland. - 62 - "Revolutionäre Zellen" Die terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) und die nach gleichem Muster agierende Frauengruppe "Rote Zora" setzten auch im Jahre 1990 - überwiegend aus der "Legalität" heraus - ihre an aktuellen gesellschaftspolitischen Themen orientierten öffentlichkeitswirksamen Anschläge fort. In jüngster Zeit aufgegriffene Problemfelder sind vor allem die Bereiche Gentechnologie, "Frauenhandel"/Sexismus und Asylanten. Aber auch regionale Themen provozierten Anschläge der RZ. So richtete im April 1990 der Brand in einem Möbelhaus in Berlin Sachschaden in Millionenhöhe an. In einer Selbstbezichtigung nannten die Täter als Motiv die "Hauptstadtund Olympiaeuphorie", die die sozialen Verhältnisse in Berlin und insbesondere in der militanten Hochburg Kreuzberg "umkrempeln" bzw. zerstören würde. Die RZ verfügen im Gegensatz zur RAF über keine Unterstützer szene. Allerdings haben sich in den letzten Jahren zahlreiche sogenannte Resonanz-RZ gebildet, die - obwohl der autonomen "Szene" zugehörig - in Methodik und Argumentation die RZ nachahmen. Baden-Württemberg blieb von Gewalttaten dieser terroristischen Gruppe erneut verschont. Offensichtlich bestehen in unserem Bundesland keine entsprechenden Organisationsstrukturen . 63 Rechtsextreraisraus Allgemeines Der Rechtsextremismus in den alten Bundesländern ist unverändert gekennzeichnet durch eine Vielzahl, in Größe und Struktur sehr unterschiedlich geprägter Vereinigungen und Parteien. Diese Aufsplitterung ist besonders im neonazistischen Bereich überaus kennzeichnend. Rivalitäten bestehender Vereinigungen, interne Auseinandersetzungen und immer wieder versuchte Neugründungen ließen auch 199D jeden Versuch, schlagkräftige Organisationen zu schaffen, bereits im Ansatz scheitern. Der damit-in Zusammenhang stehende weitere Rückgang der Zahl der Neonazis lähmte freilich deren Aktivitäten und Gewaltgeneigtheit keineswegs. Aufmärsche und Demonstrationen - vor allem auch in Ostdeutschland - sowie spektakuläre Aktionen wie die Schändung zahlreicher jüdischer Friedhöfe verdeutlichen den ungebrochenen Aktionismus der neonazistischen Szene. Die Neonazis hoffen darauf, in den neuen Bundesländern vor allem unter militanten Skins und fanatischen Hooligans frisches Potential zu gewinnen und es in dort entstehende Gruppen überführen zu können. Aus ihrem verfassungswidrigen Nahziel, dem Aufbau einer nationalsozialistischen Partei ("Aufhebung des NS-Verbots") , machen sie keinen Hehl. Mit dem von ihnen fanatisch vertretenen Rassismus und Antisemitismus wollen sie den "deutschen Volkskörper" als "Artgemeinschaft" reinhalten und nach außen gleichzeitig die angebliche Überlegenheit des deutschen Nationalstaates demonstrieren. Im Gegensatz zu den neonazistischen Gruppierungen formulieren die "nationaldemokratischen" und "nationalfreiheitlichen" Parteien und Organisationen ihre Ziele sehr viel vorsichtiger und unpräziser. Vom tatsächlichen Ziel her eindeutig verfassungsfeindliche Absichten werden aus taktischen Gründen verschleiert und sind daher oftmals nur in Ansätzen erkennbar und nachweisbar. So ist deren verunglimpfende Kritik an führenden Politikern der demokrati- - 64 - sehen Parteien, die polemisch als "Altparteien" bezeichnet werden, sowie an den Repräsentanten unseres demokratisch organisierten Gemeinwesens im Kern gegen das parlamentarische System des Grundgesetzes schlechthin gerichtet. Immer wiederkehrende Bekenntnisse zu einer "Volksgemeinschaft" oder einer neuen "Gemeinschaftsordnung", welche die Individualrechte des Bürgers gegenüber dem Staat (Gemeinnutz)als zweitrangig einstufen und damit die Hinwendung zu autoritären Strukturen eröffnen, offenbaren den Gegensatz zu den Wertvorstellungen unseres Grundgesetzes. Hinzu kommt eine aggressive Polemik gegen unsere Verbündeten und neuerdings - wegen der Oder-Neiße-Grenze - gegenüber Polen. Diese ungeschminkt vorgetragenen nationalistischen Sichtweisen laufen eindeutig der Völkerverständigung zuwider. Neonazistische Bestrebungen "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) Das neonazistische Spektrum wird bundesweit durch eine Vielzahl verzweigter Gruppierungen, Zirkel sowie von Einzelaktivisten geprägt (s. Übersicht). Zentraler Kern ist seit Jahren die sogenannte "Bewegung", eine von häufigen Spaltungstendenzen geprägte Gemeinschaft Gleichgesinnter ohne formalisierte Struktur. Dieser Aktivistenkreis fühlt sich uneingeschränkt dem Gedankengut und der Ideologie der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) verpflichtet und fordert deshalb vehement die Aufhebung des NSDAP-Verbots. Die "Bewegung" hatte ab Anfang 1984 durch systematische Unterwanderung die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) unter ihre Kontrolle gebracht und als Einflußorganisation die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) geschaffen . Trotz des von allen geteilten Bekenntnisses zum Nationalsozialismus hat ein seit 1986 anhaltender Streit um die Frage, ob Homosexuelle Führungsaufgaben übernehmen dürfen, - 65 - die "Bewegung" in zwei verfeindete Flügel gespalten: in die Anhänger Jürgen MOSLERs und Michael KÜHNENs. Während die MOSLER-Gruppe ab 1989 ihr Interesse gänzlich auf die letztlich erfolgreiche Infiltration der FAP konzentrierte, nannte sich der (aus der FAP weitgehend entfernte) Kreis um KÜHNEN "Gesinnungsgeraeinschaft der Neuen Front" -GdNF(nach der von ihr herausgegebenen Publikation "Neue Front") Die "Gesinnungsgemeinschaft" sieht ihre Ursprünge in dem 1977 gegründeten "SA-Sturm Hamburg 8. Mai" und in der 1983 durch Verbot aufgelösten "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) . Sie strebt unvermindert die Überwindung des NS-Verbots an und sieht sich in der Tradition der SA Ernst RÖHMs. Diesem Selbstverständnis entsprechend wurde 1989 eine - zahlenmäßig unbedeutende - SA (Sturmabteilung) als "Kaderund Frontorganisation" gebildet. In der Folgezeit veranlaßte KÜHNEN weitere Neugründungen von Organisationen, um seinen Anhängern in den neuen Vereinigungen eine politische Heimat zu schaffen. Die Zusammenschlüsse waren häufig darauf angelegt, rasch den Parteistatus zu erwerben, um möglichen vereinsrechtlichen Verboten entgehen zu können. So sollte die erst kurz zuvor gegründete "Nationale Sammlung" (NS) am 12. März 1989 an einer Kommunalwahl teilnehmen. Das Vorhaben scheiterte jedoch weil der Bundesminister des Innern mit Verfügung vom 27. Ja nuar 1989 die NS wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung verbot. Im März 1989 schlossen sich KÜHNEN-Anhänger zu einer zunächst auf Hamburg begrenzten Organisation mit der Bezeichnung "Nationale Liste" (N.L.) zusammen. Trotz mehrerer Versuche ist es dieser Gruppe bisher nicht gelungen, sich organisatorisch zu verbreitern. Sie umfaßt derzeit etwa 30 Mitglieder. Am 5. Mai 1989 folgte in Bremen die Gründung der "Deutschen Alternative" (DA), die sich als "nationale Protestpartei" versteht und als 66 - "politischer Arn" der GdNF wirkt. Das Programm der DA enthält einige an das NS-Programm von 1920 erinnernde Punkte sowie ausländerfeindliche Vorstellungen. Im Jahre 1990 hat die DA ihre Aktivitäten auf das Gebiet der fünf neuen Bundesländer und Berlin ausgedehnt. Auch im alten Bundesgebiet konnte sie ihre Mitgliederzahl von 80 auf 140 steigern. Bundesweit gelang es der "Gesinnungsgemeinschaft" KÜHNENs - ohne N.L. und DA-, die Zahl ihrer organisierten Anhänger von 130 im Jahre 1989 auf über 200 zu erhöhen. Es muß davon ausgegangen werden, daß sich diese Zahl durch den offensichtlichen Zuwachs in den neuen Ländern spürbar nach oben verändern wird. In Baden-Württemberg sind den KÜHNEN-nahestehenden Gruppen nur wenige Aktivisten zuzurechnen. Dies mußte man in der "Neuen Front", Nr. 74 vom September 1990,sogar offen zugeben: "Der Bereich Süd umfaßt die Gaue Schwaben (BadenWürttemberg) , Franken und Bayern, von denen es in zweien (Franken und Bayern) funktionsfähige Gauführungen gibt. Im Gau Schwaben sind wir organisatorisch sehr schwach vertreten..." Im abgelaufenen Jahr gelang es den Anhängern Michael KÜHNENs, vor allem durch ihr provokantes Auftreten sowohl in Westdeutschland als auch erstmals in den neuen Bundesländern einen Grad an Aufsehen zu erregen, der ihre eigentliche Bedeutung deutlich übersteigt. Damit schaffen es aber die Neonazis, einzelne ihrer Gruppierungen auch organisatorisch auf Ostdeutschland auszudehnen. Wie groß dieses Anhängerpotential dort ist, kann derzeit noch nicht klar beurteilt werden. Immerhin wurden inzwischen eine Reihe von "Kameradschaften" sowie neue Stützpunkte der "Deutschen Alternative" (DA) gebildet, deren Ableger im Osten Berlins sich bislang "Nationale Alternative" (NA) nennt. haft t 1 l < CO > P- 3 ;*; et c t C Q TD -i a Q. rt H 3=> < 7^ CO > O ZT P 1 O DJ Ct m a- C W CO h- zr H i CD Q_ M ct CD er cz P - CO m CD 7^ 3 - O 3 TD = N P- r t 7T DZ CD CD P ' Q . 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"Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die Mitte der achtziger Jahre zum Sammelbecken von Neonazis gewordene "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) hat weiter an Bedeutung verloren. Auch der bereits 1989 von der MOSLER-Gruppe vollzogene Hinauswurf der KÜHNENAnhänger aus der FAP (außer in Hessen) führte erwartungsgemäß nicht zur Konsolidierung der Partei. Neue Zwistigkeiten zwischen dem FAP-Vorsitzenden Friedhelm BUSSE und dem - ihm faktisch übergeordneten - Generalsekretär MOSLER lähmten die Parteiarbeit erheblich und setzten sich in persönlichen Fehden unter den Mitgliedern fort. Mit der Amtsenthebung und dem Ausschluß von MOSLER, seinem sehr aktiven Schriftführer des Parteiblattes "FAP-Intern" sowie weiterer Anhänger fanden die internen Auseinandersetzungen zwar einerseits einen.Vorlaufigen Abschluß, führten aber andererseits zu einer weiteren personellen Schwächung der Partei. So dürften der FAP Ende 1990 nurmehr etwa 200 Personen angehören (1989: 330). Vor Jahren war die Partei mit 500 Angehörigen noch die stärkste neonazistische Organisation im gesamten Bundesgebiet. In Baden-Württemberg ist die Zahl der Anhänger auf jetzt unter 20 Personen geschrump Die FAP umfaßt zwischenzeitlich noch fünf Landesverbände (Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Bayern), die allerdings nur noch zum Teil aktiv sind. Der FAP-Landesverand Baden-Württemberg besteht nicht mehr. Da die innere Labilität der FAP in naher Zukunft nicht zu über winden sein wird, ist eine weitere Schwächung des Mitgliederbestandes durch Austritte und Ausschlußverfahren, möglicherweise sogar eine Aufsplitterung der FAP absehbar. - 69 - Die finanziellen Probleme durch ein sich rasch verringerndes Beitragsaufkommen verschärfen die Krise. Diese innere Situation spiegelt sich auch im desolaten Zustand des Publikationswesens wider. Nach der Amtsenthebung des damaligen Schriftleiters erschien die Publikation "FAP-Intern" letztmals im März 1990. Erst im August 1990 wurde als Ersatz die Parteizeitung "Neue Nation" herausgegeben. Das lediglich wenige Seiten umfassende neue Organ mit dem Untertitel "Volkstreue für Deutschland" ist derzeit die einzige FAP-Schrift. In einem Vorwort beklagte der Bundesvorsitzende BUSSE die fehlenden finanziellen Mittel, die die Herausgabe einer attraktiveren Zeitschrift verhindert hätten. Erneute Versuche der FAP, sich bei Wahlen einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, blieben - wie schon früher - ohne Erfolg. Bei der Landtagswahl am 13. Mai 1990 in Nordrhein-Westfalen kam sie über 0,0% nicht hinaus. An der zeitgleich durchgeführten Landtagswahl in Niedersachsen hatte sie aufgrund formaler Mängel nicht einmal teilnehmen können. An eine Kandidatur zur Bundestagswahl im Dezember 1990 konnte aufgrund der inneren Situation nicht gedacht werden. Als Folge des Niedergangs der FAP bildeten oder verstärkten sich regionale bzw. örtliche Gruppierungen: - So fand am 3. Juli 1990 in Augsburg unter maßgeblicher Federführung von ehemaligen Mitgliedern der FAP die Gründungsversammlung einer "Nationalen Offensive" (NO) statt, die sich als nationalistisch ausgerichtete Partei versteht. Die Adresse des früheren FAP-Landesvorsitzenden von Baden-Württemberg war bezeichnenderweise auf einem 1990 verteilten NO-Flugblatt verzeichnet. - In Baden-Württemberg sind in diesem Zusammenhang etwa die 1990 wenig Aktivitäten entfaltende "FreiheitlichSozialistische Deutsche Volkspartei" (FSDVP) in Weissach und die an Aktivitäten zunehmende "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) im Raum Böblingen zu nennen (vgl. Ziff. 2.6). - Der Gründer und frühere Bundesvorsitzende der FAP, PAPE (Stuttgart), der im Laufe der Jahre die Kontrolle über seine Partei verloren hatte, hat 1990 eine neue Organisation gegründet. - 70 - .3 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Der Mitgliederbestand der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) ist zwischenzeitlich auf unter 200 Mitglieder gesunken, unter ihnen noch einige wenige aus Baden-Württemberg. Dennoch gehört die HNG noch immer zu den mitgliederstärkeren Gruppierungen des neonazistischen Spektrums und ist unverändert zentrale Kontaktstelle von Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Ihre innere Struktur leidet allerdings seit Jahren an den anhaltenden Flügelkämpfen innerhalb der "Bewegung", da eine enge personelle Verflechtung mit Angehörigen der "Gesinnungsgemeinschaft" und der FAP besteht. Die HNG hat angekündigt, künftig auch "nationale politische Gefangene" in der ehemaligen DDR durch aktive und finanzielle Unterstützung betreuen zu wollen. Als Publikationsorgan gibt die HNG die monatlich erscheinenden "Nachrichten der HNG" heraus. 4 "Nationalistische Front" (NF) Die national-revolutionäre Linie im rechtsextremistischen Spektrum wird derzeit im wesentlichen durch die "Nationalistische Front" (NF) vertreten. Mit bundesweit etwa 80 Personen stieg ihre Mitgliederzahl gegenüber dem Vorjahr (60 Mitglieder) wieder leicht an. In Baden-Württemberg können der NF nur wenige Neonazis zugerechnet werden. Ihre Hauptaktivität entfaltet sie in Nordrhein-Westfalen und Berlin. 1989 eröffnete die Vereinigung in Detmold-Pivitsheide ein weiteres "Schulungszentrum", das - ähnlich wie ein bereits in Bielefeld bestehendes Gebäude - Objekt häufiger Auseinandersetzungen und Konfrontationen mit politischen Gegnern ist. 71 - Einer weiteren personellen und organisatorischen Verbreiterung stand bislang entgegen, daß sich die NF gegenüber anderen neonazistischen Vereinigungen strikt abschottete. In neuerer Zeit deuten indes Kontakte zu unzufriedenen Gesinnungsgenossen anderer neonazistischer Organisationen auf eine vorsichtige Änderung des bisherigen Verhaltens hin. Unverändert versteht sie sich aber als disziplinierte und revolutionäre "Kaderpartei", die derzeit gar keine breitere Ausweitung ihres Apparats anstrebt. Ideologisch sieht sich die NF in der Nachfolge der Brüder Gregor und Dr. Otto STRASSER, die in den Anfängen des Nationalsozialismus den linken Flügel der NSDAP verkörpert hatten. Wie diese lehnt sie das - von der Mehrzahl der Neonazis hochgehaltene - "Führerprinzip" ab, das nach ihrer Auffassung zu einer Vernachlässigung der weltanschaulichen Grundlagen führt. Ziel der NF ist es, über einen eigenen national-revolutionären Weg einen "volksbezogenen Sozialismus" aufzubauen. Dieser soll eine Alternative zum "Staatskapitalismus des Ostens" und dem "Privatkapitalismus des Westens" darstellen. Am Ende - so heißt es in einem NFFlugblatt - stünde dann die solidarische "Volksgemeinschaft' gleichberechtigter "Volksgenossen" in einem souveränen Nationalstaat . Neben Mitgliedern der NF verbreiten auch Angehörige anderer Vereinigungen sowie in größerer Zahl auch Skins die in zahlreichen Varianten produzierten handlichen Aufkleber der relativ mitgliederschwachen Organisation. Dadurch entsteht der unzutreffende Eindruck einer breiteren organisatorischen Ausdehnung. 2.5 Sonstige bundesweit aktive neonazistische Zirkel 2.5.1 Der Gründer und langjährige Führer der "Deutschen Bürgerinitiative e.V." (DBI), Manfred ROEDER, wurde am 12. Februar 1990 nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln sei- 72 ner Freiheitsstrafe auf Beschluß des Bundesgerichtshofs aus der Haft entlassen. Er war 1982 durch das Oberlandesgericht Stuttgart wegen Rädelsführerschaft in der rechtsterroristischen Vereinigung "Deutsche Aktionsgruppen" (DA) zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt worden. In einem ersten "Rundbrief" nach seiner Entlassung kündigte ROEDER seinen Gesinnungsgenossen an, daß er die von ihm - auch während der Haftzeit - herausgegebenen rechtsextremistischen Publikationen weiter verbreiten werde. Darüber hinaus äußerte er die Absicht, Auslandsreisen zu unternehmen, um auch dort in Vorträgen sein Gedankengut zu verbreiten. Nach eigener Darstellung ist ROEDER im Oktober 1990 durch britische Stellen die Einreise zu einer solchen Veranstaltung nach Großbritannien verweigert worden. Auch 1990 wurden auf dem "Reichshof" in Schwarzenborn (Schwalm-Eder-Kreis) sogenannte Freundestreffen durchgeführt, die dem Zusammenhalt der Gruppierung dienen. Bei ihnen sind regelmäßig auch Teilnehmer aus Baden-Württemberg anwesend. 2 Die bereits 1972 von dem in Dänemark lebenden deutschen Neonazi Thies CHRISTOPHERSEN gegründete "Bürgerund Bauerninitiative e.V." (BBI) ist am 20. Juni 1990 im Vereinsregister beim Amtsgericht Hannover gelöscht worden. CHRISTOPHERSEN hatte erstmals im Juni 1989 in der Vierteljahresschrift "Die Bauernschaft" die Auflösung der ohne erkennbare organisatorische Struktur ausgestatteten BBI angekündigt. In den letzten Jahren waren Aktivitäten dieses aus etwa 100 Mitgliedern bestehenden lose strukturierten Vereins durchweg nur noch von ihm ausgegangen. Trotz der Auflösung der organisatorischen Struktur gibt CHRISTOPHERSEN weiterhin die Publikation "Die Bauernschaft" heraus und organisiert - häufig im benachbarten Ausland - Treffen mit Gesinnungsgenossen. - 73 - 5.3 Wenngleich das Anwesen der Eheleute Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim in den letzten Jahren deutlich an Anziehungskraft verloren hat, blieb es auch 1990 eine bedeutende Anlaufadresse von NS-Aktivisten aus dem gesamten Bundesgebiet. Insbesondere Gedenktage an die NS-Zeit wie HITLERs-Geburtstag oder sogenannte Sonnwendfeiern sind unverändert Anlaß für überregionale Treffen des Neonazikreises um Curt MÜLLER, zu dem auch Aktivisten aus Baden-Württemberg zählen. 6 "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) Neonazistische Aktivisten des früheren "MOSLER-Flügels" der "Bewegung" gründeten im Dezember 1988 die regionale Gruppierung "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) mit Sitz in Reutlingen. Bei polizeilichen Durchsuchungen im Zuge mehrerer Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der HVD wegen Vergehens nach dem Versammlungsgesetz (verbotenes Uniformtragen) und nach den SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch konnten 1989 bei Beschuldigten einschlägiges Schrifttum, Munition und uniformähnliche Bekleidungsstücke beschlagnahmt werden. Dabei wurde auch ein "Internes Arbeitspapier zur Aufstellung des Sicherheitsdienstes (SD)" sichergestellt, das Ausführungen zu "Bestrafungsaktionen" gegen "Staats-, Presseund andere Spitzel" sowie die Forderung nach einer "offensiven Bekämpfung der politischen Gegner mit allen Mitteln" enthielt. Nach einer mehrmonatigen Ruhephase als Folge der umfangreichen Strafverfolgungsmaßnahmen formierte sich die HVD unter den bisherigen Führungsperso.nen Mitte 1990 in Ansätzen neu. Anfang November 1990 führte sie im Raum Tübingen eine "Aktionswoche" zu dem Thema "Verzicht ist Verrat" (OderNeiße-Problematik) durch. Neben einem Sympathisantenkreis stützt sich die bislang auf Baden-Württemberg beschränkte Vereinigung im Kern auf etwa 30 aktive Mitglieder. - 74 - Nationaldemokratische Organisationen "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die bereits im Jahre 1964 gegründete "Nationaldemokratisch Partei Deutschlands" (NPD) hat ihre verfassungsfeindlichen Aktivitäten im Jahre 1990 fortgesetzt, wenn auch zum Jahre ende hin der Zustand der Partei immer prekärer wurde. Der Rücktritt des seit 1971 amtierenden Parteivorsitzenden Mar tin MUSSGNUG, Tuttlingen, am 17. Dezember 1990 markierte einen vorläufigen Höhepunkt der sich seit 1989 abzeichnenden allmählichen Abwärtsentwicklung der Partei. Niederschm ternde Wahlergebnisse und zunehmende Lustlosigkeit unter Funktionären und vielen Mitgliedern kennzeichnen die aktuelle Lage der NPD. Ein hoher Funktionär kommentierte die se Situation mit den Worten "Die Luft ist raus". Es war daher nicht überraschend, daß in Funktionärskreisen der Partei über neue Organisationsstrukturen im "rechten Spektrum", etwa durch Kooperation mit anderen Vereinigunge und Einzelpersonen nachgedacht wurde. Gegen Ende des Jahres 1990 mehrten sich Hinweise auf Initiativen zur Bildung eines neuen Dachverbands "Vereinigte Rechte". Vor allem Funktionäre der NPD sowie ehemalige führende Mitglieder der Partei "Die Republikaner" wollten in diese Richtung aktiv werden. Der NPD-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg SCHÜTZINGER, Villingen-Schwenningen, war bereits Ende 1990 - offenbar ohne Zustimmung des Vorstands seiner Partei - auf lokaler Ebene beispielgebend vorangegangen. Mit zwei weiteren NPD-Gemeinderäten und zwei Gemeinderäten, die aus der Partei "Die Republikaner" ausgetreten waren, bildete er im Gemeinderat von Villingen-Schwenningen eine Fraktionsgemeinschaft der "Vereinigten Rechten". Ob die als bundesweite "neue Kraft" konzipierte "Vereinigte Rechte" eine neue Partei am rechten Rand oder lediglich ein loser Zusammenschluß verschiedener Gruppierungen werden solle, war bis Ende 1990 noch nicht klar abzusehen. Auch die im Januar 1991 vollzogene Gründung der "Deutschen Allianz - Vereinigte Rechte" (DA) hat diese Frage noch nicht entschieden. - 75 - Diese Bestrebungen stießen inzwischen auf teilweise heftigen Widerstand von Funktionären der NPD, die keinesfalls eine möglicherweise unvermeidliche Auflösung der Partei hinnehmen wollen. Eine Spaltung der NPD im Jahre 1991 liegt insoweit im Bereich des Möglichen. Bemerkenswert ist, daß sich die größte rechtsextremistische Partei, die DVU-Liste D, offenbar nicht an der Bildung einer wie immer aussehenden "Vereinigten flechten" beteiligen will. Zu Beginn des Jahres 1990 hatte die NPD, wie alle rechtsextremistischen Gruppen, die in Aussicht stehende deutsche Vereinigung, die dann am 3. Oktober 1990 vollzogen wurde, begeistert begrüßt. Sie erhoffte sich von ihr - insbesondere nach der Wahlschlappe der mit ihr verbündeten DVU-Liste bei der Europawahl 1989 - wieder Auftrieb, vor allem auf dem Gebiet der bisherigen DDR. Die schon am 8. Januar 1990 gegründete Partei "Hitteldeutsche Nationaldemokraten" (MND) wurde sehr schnell zum Partner der NPD. Bereits im Juni 1990 nannte sich die MND dann in NPD um. Auf dem sogenannten Vereinigungsparteitag der NPD am 7. Oktober 1990 in Erfurt wurden die Landesverbände in den fünf neuen Bundesländern in die Gesamtpartei überführt. Damit umfaßt die NPD jetzt insgesamt 16 Landesverbände. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die NPD ein beträchtliches Maß an Basisarbeit in der damaligen DDR geleistet. Eine eigens beim Parteivorstand eingerichtete Arbeitsgruppe war mit der finanziellen und materiellen Unterstützung zunächst der MND und dann der NPD beauftragt worden mit dem Ziel, die organisatorischen Grundlagen des dortigen Parteiaufbaus zu verbessern. Der NPD-Landesverband Baden-Württemberg hatte sich im Rahmen seiner Patenschaft vor allem dem Parteiaufbau im (späteren) Land Sachsen gewidmet. Intern war man nach alledem zuversichtlich, bei den Wahlen zu den fünf neuen Landesparlamenten in Ostdeutschland am 14. Oktober 1990 relativ günstig abschneiden zu können. Einige Funktionäre - 76 - erhofften sich vor allem im Lande Sachsen Ergebnisse bis an die zehn Prozent. Die Wahlergebnisse waren dann aber eher niederschmetternd: die Stimmanteile der NPD lagen zwischen 0,1% und 0,7% (in Sachsen). Diese Resultate zeigen deutlich, daß auch die Bevölkerung in den neuen Bundesländern - entgegen den Erwartungen der NPD - zumindest derzeit rechtsextremistischen Gruppen keine hoffnungsvolle Basis zu schaffen bereit ist. Insoweit blieb die NPD auf dem Niveau, das sie zuvor bei verschiedenen Landtagswahlen in Westdeutschland erreicht hatte (z.B. am 13. Mai 1990 bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 0,0% und in Niedersachsen 0,2%). Folgerichtig verschärfte sich nach den enttäuschenden Wahlen in Ostdeutschland die Krisensituation in der NPD erheblich. Austritte und Funktionsniederlegungen waren Ausdruck zunehmenden resignativen Verhaltens in der Partei. Für viele Funktionäre und Mitglieder wurde schließlich die erste Wahl eines gesamtdeutschen Bundestags am 2. Dezember 1990 zum Prüfstein für das künftige Schicksal der Partei. Wahlziel war, wenigstens 0,5% der Zweitstimmen zu erringen, um in den Genuß der Wahlkampfkostenerstattung zu gelangen, die die Partei bitter nötig hat. Erwartungsgemäß vereinigte die NPD am 2. Dezember 1990 aber lediglich 0,3% der Zweitstimmen auf sich gegenüber 0,6% bei der Wahl zum deutschen Bundestag im Jahre 1987 auf dem Gebiet der alten BRD. In absoluten Zahlen mußte die Partei sogar einen Verlust von 80.000 Stimmen im Vergleich zu 1987 hinnehmen,, obwohl bei der jüngsten Bundestagswahl die Zahl der Wahlberechtigten um 15 Millionen höher lag. Sie sank damit beinahe wieder auf das Niveau von 1983, als sie bei der damaligen Bundestagswahl 0,2% der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Starke Einbußen mußten die "Nationaldemokraten" auch in unserem Bundesland hinnehmen, dem noch immer stärksten Landesverband (0,6% der Zweitstimmen gegenüber 1,0% im Jahre 1987). Lediglich im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen vermochte - 77 - sie ihren Stimmenanteil von 2,0% im Jahre 1987 auf 2,3% zu steigern. Im Wahlkreis Schwarzwald-Baar hielt sich der Verlust (1,8% gegenüber 2,1% im Jahre 1987) in Grenzen. Das seit Jahren in diesen Wahlkreisen günstige Abschneiden der Partei ist auf den relativen Bekanntheitsgrad des langjähringen NPD-Bundesvorsitzenden MUSSGNUG (Rechtsanwalt in Tuttlingen) und des Landesvorsitzenden SCHÜTZINGER (Villingen-Schwenningen) in dieser Region zurückzuführen. In den übrigen 35 Wahlkreisen Baden-Württembergs ergaben sich im Vergleich zur Bundestagswahl 1987 aber ebenfalls durchweg deutliche Verluste. Der im Laufe des Jahres 1990 sich bereits abzeichnende finanzielle Engpaß der Partei, der nur einen verhaltenen Wahlkampf ermöglicht hatte, wurde nach der Bundestagswahl unübersehbar. Der Verlust der Wahlkampfkostenerstattung wiegt umso schwerer als die NPD jetzt gehalten ist, die von der Verwaltung des Deutschen Bundestags bereits ausgezahlten Gelder zurückzahlen zu müssen. Gegen Jahresende wurde in Funktionärskreisen offen die Frage gestellt, ob und wie lange noch die Partei ihren vielfältigen Verpflichtungen (Bezahlung der Funktionäre u.a.) nachkommen könne. Im Vorfeld der Bundestagswahl hatte die NPD versucht, ihre Propaganda kämpferisch und pointiert zu gestalten. Nachdem ihr das Thema "Einheit" (an dem in den letzten Jahren angeblich nur sie als Partei festgehalten hatte) aus der Hand genommen war, konzentrierte sie sich nun voll auf die Themen Asylund Ausländerpolitik sowie Wohnungsnot. Hit Parolen wie "Schluß mit dem Asylbetrug! Sofortige Ausweisung krimineller Ausländer! Unser Deutschland darf kein Tummelplatz für Verbrecher aller Hautfarben sein! Wir brauchen Sicherheit für uns und unsere Kinder!" wurde versucht, in der Bevölkerung Ängste zu wecken und bereits bestehende Vorbehalte noch zu vergrößern. Solche Parolen, ergänzt durch Aufrufe wie "Deutsche Arbeitsplätze - 78 - nur für Deutsche!" und "Deutschland den Deutschen", legten erneut die ausländerfeindliche, im Ansatz sogar rassistisch orientierte Grundhaltung der Partei offen. Verschärft hat sich schließlich die vor allem publizistisch vorgetragene Argumentation der NPD, welche ihre Ablehnung der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige Westgrenze Polens plausibel machen soll. Hier hält sie unbeeindruckt von der aktuellen Entwicklung an ihrer Interpretation fest, Deutschland sei "größer als BRD + DDR". Diese Sicht wird beispielhaft deutlich, wenn die NPD die absoluten Stimmengewinne der deutschstämmigen Minderheit in einigen Gemeinden anläßlich der Gemeinderatswahlen in Schlesien so kommentiert: damit seien diese Kommunalparlamente "endlich wieder fest in deutscher Hand". Insgesamt mußte die NPD bei der Bundestagswahl freilich zur Kenntnis nehmen, daß ihr extremes, oftmals geradezu peinlich wirkendes nationalistisches Gehabe in der großen Mehrheit der Bevölkerung ohne nennenswerte Resonanz geblieben ist. Gescheitert ist auch die vor zwei Jahren verabredete, in der Partei heftig umstrittene Kooperation mit der DVU-Liste D des Münchner Verlegers Dr. FREY. Diese Zusammenarbeit, welche die gegenseitige umfassende Unterstützung bei der Kandidatur zu Parlamentswahlen zum Ziel hatte, wurde von der DVUListe D offenbar mehr und mehr reduziert. So veröffentlichten die FREYschen Wochenblätter anläßlich der Kandidatur der NPD zur jüngsten Bundestagswahl nur einige wenige Aufrufe zur Abgabe von Unterstützungsunterschriften zugunsten der NPD (diese Unterschriften waren dann später nach einem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr notwendig) und schließlich eine - soweit ersichtlich - einzige Anzeige mit der Empfehlung, die NPD zu wählen. Das Verhältnis beider Parteien zueinander war gegen Ende des Jahres 1990 deutlich abgekühlt, die Kooperation hinsichtlich der Teilnahme an Parlamentswahlen wohl endgültig beendet. - 79 - Die labile und schwierige Situation der NPD blieb nicht ohne Auswirkungen auf den Mitgliederbestand. Die Zahl der organisierten Mitglieder im alten Bundesgebiet sank von rund 7.000 im Jahre 1989 auf etwa 6.500 im Jahre 1990. Die ungewisse Zukunft der Partei dürfte im Jahre 1991 die negative Mitgliederentwicklung weiter beschleunigen. Auch der starke NPD-Landesverband Baden-Württemberg blieb hiervon nicht verschont: die Mitgliederzahl fiel von 1.500 im Jahre 1989 auf unter 1.450 Ende 1990. Der NPD-Landesverband Baden-Württemberg hatte im abgelaufenen Jahr seine Kräfte aufteilen müssen: einerseits leistete er finanzielle und personelle Unterstützung beim Aufbau der Parteiorganisation in Sachsen, andererseits hatten die "Nationaldemokraten" im Lande - neben der Erledigung der routinemäßigen Arbeit - Wahlkampf zu führen. Am 27. Mai 1990 hielt die Partei ihren 25. ordentlichen Landespartei-" tag in Weinheim an der Bergstraße ab. Drohende Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten mußte die Polizei erneut unterbinden. Eine weitere größere Veranstaltung fand unter dem Motto "Deutschland einig Vaterland" am 3. Oktober 1990 in Villingen-Schwenningen statt. Nach dem relativ guten Abschneiden in den zurückliegenden Jahren bei Bürgermeisterund Oberbürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg entschloß sich der NPD-Landesverband, bei der am 4. November 1990 in Stuttgart stattfindenden Oberbürgermeisterwahl mit dem Landesvorsitzenden SCHÜTZINGER als Kandidaten aufzutreten. Unter dem Slogan "Stuttgart muß deutsch bleiben" versuchte SCHÜTZINGER, in der Landeshauptstadt ein für die NPD respektables Votum zu erzielen. Doch mit insgesamt 537 Stimmen (0,3%) brach die NPD in Stuttgart genauso ein wie bei der Bundestagswahl. - 80 - "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN), im Jahre 1969 gegründete Jugendorganisation der NPD, bemühen sich seit einiger Zeit, ihre Aktivitäten kämpferischer und aggressiver zu gestalten. Bei der Mutterpartei vermissen sie gerade jetzt eine härtere, nicht von taktischer Rücksichtnahme geprägte Gangart. So charakterisierte sich die Vereinigung denn auch in einer Werbebroschüre als ein "politischer Aktionsverband bei dem "nicht lange gelabert, sondern gehandelt wird". Den selbst formulierten Anspruch, eine "Kampfgemeinschaft" zu sein, versuchte sie auch im Jahre 1990 erneut zu untermauern . Die bezeichnende Umbenennung der JN-Zeitung "Junge Stimme" in "Einheit und Kampf" sowie einige Aktionen in der zweiten Jahreshälfte unterstrichen die Absicht der JN, schärfere politische Konturen zu gewinnen. So wurden Ende September 1990 in Stuttgart verunglimpfende und ausländerfeindliche JN-Aufkleber verbreitet. Die NPD sah sich daraufhin, offensichtlich aufgrund der überaus kritischen öffentlichen Resonanz, genötigt, die Aktion als angeblichen Alleingang ihrer Jugendgruppe darzustellen. Zuvor schon hatte die JN im August 1990 in Görlitz/Neiße für Aufsehen gesorgt. "Jung Nationaldemokraten" aus dem gesamten Bundesgebiet waren in der Grenzstadt zu einer "Manifestation" zusammengekommen, auf der Forderungen nach Revision der Oder-Neiße-Grenz laut wurden. Im Verlauf dieser Demonstration wurde auch polnisches Gebiet betreten. Der provokatorische Charakter der Aktion soll - so behauptete die JN - große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit hervorgerufen haben. Unter dem Motto "Einheit und Kampf" führte die JN im September 1990 in Leipzig (Sachsen) ihren Bundeskongreß durch, auf dem sich die Landesverbände aus Westund Ostdeutschland (die sich im Januar 1990 gegründet hatten) vereinten. - 81 - Gleichzeitig wurde der Bundesvorstand neu gewählt, dem wiederum kein Vertreter des JN-Landesverbands Baden-Württemberg angehört. Aus Verärgerung über die Verlegung des zunächst in Weinheim/Bergstraße geplanten Bundeskongresses nach Leipzig boykottierte der JN-Landesverband Baden-Württemberg den Kongreß. Zum neuen Bundesvorsitzenden wurde der 19jährige Lehrling Frank KOLENDER aus Leipzig gewählt. Die zum Jahresende hin sich verschärfende Krise in der NPD blieb naturgemäß auch nicht ohne Auswirkungen auf die JN. Unzufriedenheit und Kritik an der weiteren Perspektive ihrer politischen Arbeit griffen um sich. Die Zahl der JN-Mitglieder im Bundesgebiet sank von 900 im Jahre 1989 auf 750 gegen Ende 1990. Auch der seit Jahren relativ mitgliederstarke Landesverband Baden-Württemberg mußte Austritte hinnehmen, insbesondere auf der höheren Funktionärsebene. Ende 1990 dürften der JN in unserem Bundesland allenfalls noch 140 Hitglieder (1989: 160) angehört haben, von denen sich zudem eine wachsende Zahl weitgehend passiv verhält. Zum Jahresende schien der Landesverband Baden-Württemberg der NPD-Jugendorganisation in eine ernsthafte Bestandskrise geraten zu sein. Seine Weiterentwicklung dürfte eng mit " dem Schicksal der NPD im Lande verbunden sein. Einige der ehemaligen JN-Mitglieder sammeln sich bereits seit Herbst 1989 in einer neuen politischen Gemeinschaft mit der Bezeichnung "Forum 90". In diesem Arbeitskreis sollen qualifizierte, zuverlässige "Kameraden", die g.ewillt und fähig sind kreative Arbeit zu leisten, mitwirken. Ob dieser Zirkel - bei der derzeitigen Zersplitterung der "nationalen Rechten" - wachsen und Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Die Versuche des 1967 gegründeten "Nationaldemokratischen Hochschulbunds" (NHB), der NPD an den Universitäten Einfluß - 82 - zu verschaffen, blieben erneut ohne nennenswerte Resonanz. Der NHB hat bundesweit allenfalls noch 50 Mitglieder, in Baden-Württemberg verfügt er lediglich über einige wenige Anhänger. Seit Oktober 1990 gibt der NHB eine neue Publikation mit dem Titel "'Vorderste Front 1 (VF) - Zeitschrift für politische Theorie und Strategie" heraus. Damit soll ein "breites Diskussionsforum" geschaffen werden, um "Voraussetzungen für die Fortschreibung der politisch-theoretischen Grundlage des Nationalismus" zu erzeugen. Bezeichnend für die politisch-extreme Ausrichtung des Verbandes ist folgend Einschätzung, die einem Diskussionspapier in der VF zu entnehmen ist: "... Eine repräsentative Demokratie steht de facto im Gegensatz zur Volkssouveränität, da sie mit geradezu gesetzmäßiger Konsequenz die Bildung einer parasitären Klasse zur Folge hat..." "National-Freiheitliche Rechte" "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU-Liste D) Die im Jahre 1987 von dem Münchner Verleger Dr. FREY gegründete und geführte "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVUListe D) hat 1990 im Vergleich zum Vorjahr nur wenig öffent liehe Aktivität entfaltet. Der Schock, der die Organisation nach der 1,6%-Wahlschlappe bei der Europawahl im Juni 1989 zeitweise lähmte, hat die parteibezogene Tätigkeit des Verlegers - nicht jedoch dessen publizistische Betriebsamkeit - bundesweit stark reduziert. Ursächlich hierfür dürften vorrangig finanzielle Erwägungen gewesen sein, denn in die Europawahl hatte Dr. FREY schätzungsweise etwa 18. Millionen DM investiert. Aufgrund des unerwartet niedrigen Stimmenanteils stand der Partei lediglich eine Wahlkampfkostenerstattung zu, die den Mitteleinsatz bei weitem nicht zu decken vermochte. Neuerliche nennenswerte Investitionen in die eigene Partei scheinen Dr. FREY angesichts der eher - 83 - rückläufigen Resonanz der rechtsextremistischen Gruppen nicht möglich, zumindest aber zu unwägbar gewesen zu sein. Auch die der NPD zugesagte Unterstützung zu den vergangenen Landtagswahlen und zu der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 fiel allem Anschein nach sehr bescheiden aus. Dieser veränderte Kurs führte allerdings auch intern zu gewissen Problemen. Unter den Mitgliedern der DVU-Liste D wuchs die Unzufriedenheit mit der öffentlichen Darstellung der Partei, aber auch mit der eigenwilligen, kaum Raum für andere lassenden Führung durch Dr. FREY. Das ungewohnt behutsame Vorgehen des DVU-Vorsitzenden machte sich auch bei der Ausdehnung der Parteiorganisation auf die fünf neuen Bundesländer bemerkbar. Der Aufbau von neuen Kreisund Landesverbänden geht überaus schleppend, gelegentlich sogar nahezu getarnt vor sich. DVU-Veranstaltungen auf dem Gebiet der früheren DDR sind ganz selten, die Existenz von Parteigliederungen ist öffentlich kaum sichtbar. Allerdings ist davon auszugehen, daß inzwischen auch die DVU in den neuen Bundesländern über eine gewisse Anzahl von Anhängern verfügt. Jedenfalls war Dr. FREY sichtlich bestrebt, über die Verbreitung seiner Wochenzeitungen für sich und seine Partei Werbung - und Geld - zu machen. Auffällig bleibt aber, daß sowohl die NPD als auch einige neonazistische Gruppierungen in Ostdeutschland bislang größere öffentliche Aufmerksamkeit erringen konnten als die DVUListe D. Im alten Bundesgebiet blieb dagegen die DVU mit etwa 22.000 Mitgliedern (1989: 25.000) die mit Abstand stärkste rechtsextremistische Organisation, obwohl sie erstmals seit Jahren Mitgliederverluste hinnehmen mußte. - 84 - Kennzeichnend für die publizistische Arbeit Dr. FREYs war im Jahre 1990 das massive Aufgreifen des Themas "deutsche Einheit". Seine - damals noch - drei Wochenzeitungen "Deutsche Mational-Zeitung" (DNZ), "Deutsche Wochenzeitung" (DWZ) und "Deutscher Anzeiger" (DA), die als Sprachrohr der "national-freiheitlichen" Gruppierungen anzusehen sind, bemächtigten sich dieses Themas ausführlich und im Mehrfarbendruck. Die Politik der Bundesregierung bezüglich der etappenweisen Vollendung der Vereinigung mußte Dr. FREY notgedrungen gutheißen, wenn er auch immer wieder behauptete, daß er in seinen Zeitungen - im Gegensatz zu den "Bonner Parteien" - die Forderung nach Wiedervereinigung niemals aufgegeben hätte. Bereits unmittelbar nach der Wende in der DDR und der sich allmählich abzeichnenden Vereinigung der deutschen Staaten hatten die FREYschen Zeitungen den nationalistischen Tenor ihrer Berichterstattung deutlich verschärft. Es wurde in gewohnt polemischer Weise Front gemacht gegen die EG und die NATO, in denen es Deutschland angeblich immer noch an der Gleichberechtigung mangele, sowie gegen Polen, das mit dem unablässig vorgebrachten Anspruch konfrontiert wird, die ehemaligen deutschen Ostgebiete zurückzuführen. Weiter befaßten sich die Wochenzeitungen in bissiger und feindseliger Weise mit den Themen "Ausländer und Asylbewerber in Deutschland". Daneben wurden wieder zahlreiche Artikel veröffentlicht, die bestimmte Kriegsereignisse während des Dritten Reiches beschönigend oder verharmlosend darstellen, sowie Berichte, die in Einzelfällen eine deutlich antijüdische Tendenz offenbaren oder zu erzeugen geeignet sind. Wie in - den Jahren zuvor erschienen mehrere "Enthüllungsbücher", beispielsweise der von FREY junior herausgegebene Band "Polens verschwiegene Schuld". - 85 - Insgesamt blieben die öffentlich sichtbaren Aktivitäten der DVU auch im Jahre 1990 gering. Lediglich in den Bundesländern Bremen und Bayern machte sie gelegentlich auf sich aufmerksam. Für ein gewisses Aufsehen in der Bremer Bürgerschaft (Landtag) sorgt seit 1987 ein DVU-Funktionär, der damals kurz nach der Gründung der Partei überraschend in die parlamentarische Vertretung des Landes Bremen gewählt wurde. Örtliche Aufmerksamkeit erregen zudem zwei Mandatsträger der DVU im Bremerhavener Stadtrat. So wurde ein Stadtverordneter wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf Bewährung und zur Zahlung von 1.500,-DM an den Zentralrat deutscher Sinti und Roma verurteilt. Er hatte am 3. Mai 1990 in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung einen Redebeitrag über die während des Dritten Reichs ermordeten 500.000 Sinti und Roma mit dem Zwischenruf "So wenig! Schade!" unterbrochen. Trotz und gerade wegen solcher Vorfälle scheint die DVU mittlerweile offenbar davon überzeugt zu sein, im Raum Bremen über eine ansehnliche Anhängerschaft zu verfügen. An der nächsten Bürgerschaftswahl (Landtagswahl) im September 1991 will sie sich jedenfalls wieder beteiligen. In Bayern gab es im Jahre 1990 vereinzelt öffentliche Veranstaltungen, auf denen Dr. FREY das Wort nahm, so am 8. Dezember 1990 in München. An der jährlich in Passau stattfindenden zentralen DVU-Großveranstaltung sollen am 10. März 1990 angeblich rund 8.000 (Vorjahre: bis 7.000) Personen teilgenommen haben, darunter erstmals 1.200 DVUAnhänger aus der damals noch existierenden DDR. Diese neuerliche Großveranstaltung machte nicht so sehr durch das Hauptthema "Wiedervereinigung sofort" als durch das von der Stadt Passau verfügte Redeverbot gegen den englischen historischen Schriftsteller David IRVING auf sich aufmerksam. IRVING vertritt in seinen Büchern und Vorträgen immer vehementer Thesen des sogenannten Revisionismus, also einer Meinung - 86 - von Rechtsextremisten des Inund Auslands, wonach der Holocaust während der Naziherrschaft (Vergasung von deportierten Juden) nicht stattgefunden habe. Gegen Ende des Jahres 1990 war ungewiß, ob die DVU-Liste D sich an dem Vorhaben einiger NPD-Funktionäre, eine Sammlungs bewegung "Vereinigte Rechte" zu bilden, beteiligen wird. Eine Mitarbeit daran ist indes eher zweifelhaft, nachdem die DVU bereits die teilweise Zusammenarbeit mit der NPD praktisch einseitig eingestellt hatte. Unübersehbare Auflösungstendenzen bei der NPD einerseits sowie herbe Mitgliederverluste bei den "Republikanern" andererseits könnten Dr. FREY veranlassen, seine DVU-Liste D wieder verstärkt in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Jedenfalls gibt die Kandidatur der DVU in Bremen im Jahre 1991 Anlaß zu der Annahme, daß die Partei keinesfalls bereit ist, ihre Eigenständigkeit zugunsten eines wie immer gearteten Dachverbands an der äußersten Rechten aufzugeben. 4.2 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) Die "Deutsche Volksunion e.V." (DVU), die 1971 von Dr. FREY als überparteiliche Sammlungsbewegung gegründet worden war und sechs sogenannte Aktionsgemeinschaften umfaßt, mußte in den zurückliegenden Jahren der Partei DVU-Liste D klar den - von Dr. FREY so gewollten - Vortritt lassen. An der Zweitrangigkeit hat sich auch im Jahre 1990 trotz der geringeren Aktivitäten der DVU-Liste D nichts geändert. So wurden und werden alle Mitglieder des Vereins automatisch auch in die Partei überführt, sofeTn dagegen nicht ausdrücklich Widerspruch eingelegt wird. Zu den "Aktionsgemeinschaften" der DVU gehören: - "Initiative für Ausländerbegrenzung" (I.f.A.) - "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF) - "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA) - "Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten" (ER) - "Schutzbund für Volk und Kultur" (SB) - "Aktion Oder-Neiße". - 87 - Die "Aktion Oder-Neiße" ging 1990 aus der bisherigen "Aktion deutsche Einheit" (AKON) durch bloße Umbenennung hervor. Die Gruppierung soll der Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Rückkehr der ehemaligen deutschen Ostgebiete dienen. Sonstige rechtsextremistische Vereinigungen "Wiking-Jugend" (WJ) Die rechtsextremistische "Wiking-Jugend" (WJ) ist eine nach dem Führer-Prinzip arbeitende Jugendorganisation mit rund 400 Mitgliedern im Bundesgebiet (Baden-Württemberg etwa 50). Mit ihrer völkisch-nationalistischen "Nordland-Ideologie" erweckt sie Assoziationen an die ehemalige "HITLERJugend". Wenngleich die Kinder und Jugendlichen oft zunächst weniger von der rechtsextremistischen Ideologie und Propaganda als vielmehr von der erwarteten Kameradschaft, den Sportund Freizeitangeboten sowie der Zeltund Lagerfeuerromatik angezogen werden, setzen die Führer diese Lockmittel bewußt ein, um die Heranwachsenden politisch zu indoktrinieren. Der neonazistische Kurs der WJ hat sich 1990 weiter verfestigt. Dabei nimmt ihre Führungsmannschaft mehr und mehr den Charakter eines Kaderzirkels an. Im abgelaufenen Jahr war die WJ vorrangig bestrebt, bestehende Kontakte in die ehemalige DDR auszubauen und dort Gliederungen einzurichten. Mit welcher Hoffnung man dies versuchte, verdeutlicht ein Artikel in der Publikation "Odalbrief" des WJ-Gaues Schwaben vom September 1990: "Mit Sonnwendfeier, Fahrradsternfahrt, Sommerlager und einem. Treffen in Frankfurt/Oder haben wir unsere Schwerpunkte, wie keine andere volkstreue Jugendgruppe in Mitteldeutschland gesetzt. Dabei stellten wir eines immer wieder fest: Die WIKING-JUGEND hat dort einen hohen Bekanntheitsgrad, der trotz verleumderischer Darstellung in Funk und Fernsehen bei den Menschen viel günstiger ist als hier zu Lande. Unzählige Begegnungen haben gezeigt, daß die Verhetzung in Mitteldeutschland weitaus geringere Erfolge hatte." - 88 - Neben den bereits aus der Vergangenheit bekannten Aktionsbündnissen mit neonazistischen Gruppierungen sucht die WJ bei Veranstaltungen in den östlichen Bundesländern zunehmend auch die Zusammenarbeit mit weiteren rechtsextremistischen Organisationen. Bereits am 1. April 1990 veranstalteten WJ und "Deutsche Kulturgemeinschaft (DKG) Berlin" eine gemeinsame Gedenkfeier zum 175. Geburtstag Otto von BISMARCKs in Schönhausen (Sachsen-Anhalt), an der etwa 150 Personen teilnahmen. Auf Einladung der DKG Berlin sowie der "Nationalistischen Front" (NF) und der WJ-Bundesführung trafen sich am 18. November 1990 rund 250 Personen, die Mehrzahl aus Berlin, Leipzig und Dresden kommend, auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Brandenburg) zu einem "Heldengedenktag". Unter den Teilnehmern befanden sich auch Angehörige der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) und des neonazistischen Spektrums Berlin sowie Vertreter rechtsextremistischer Organisationen aus dem westeuropäischen Ausland. "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) Die "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) ist seit ihrer Gründung im Jahre 1960 ein Podium für rechtsextremistisch orientierte Schriftsteller, Publizisten und Verleger. Sie stellt unverändert die größte rechtsextremistische Kulturund Weltanschauungsorganisation in der Bundesrepublik Deutschland mit etwa 430 Mitgliedern - darunter nur wenige in Baden-Württemberg - dar. Allerdings dürfte sich die GFP in den kommenden Jahren - nicht zuletzt aufgrund der Überalterung ihrer Anhänger - gewissen Schwierigkeiten gegenübersehen. Bereits jetzt können kaum noch nennenswerte öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen dieses Vereins festgestellt werden. Ihren politischen Standort hat die GFP weiterhin in der Nähe der NPD. - 89 - "Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V." (DDF) und "Bismarck-Jugend" (BJ) "Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V." (DDF)hat seit ihrer Gründung im Jahre 1983 nie die Bedeutung im rechtsextremistischen Lager erlangen können, die ihr der langjährige - ehemalige - Vorsitzende, Otto Ernst REMER, mit seinen vielfältigen einschlägigen Kontakten im Inund Ausland zugedacht hatte. In den beiden letzten Jahren sind von der DDF keine nennenswerten öffentlichkeitswirksamen Aktionen mehr ausgegangen. Im wesentlichen machte die Vereinigung nur noch durch die Herausgabe ihres Mitteilungsblattes "Recht und Wahrheit" auf sich aufmerksam, für dessen Inhalt der jetzige Vorsitzende Georg Albert BOSSE verantwortlich zeichnet. Im April 1989 entstand als Jugendorganisation der DDF die "Bismarck-Jugend" (BJ), die allerdings bis jetzt keine erkennbare organisatorische Struktur aufweist. Wortführer der Gruppierung ist ein in Ulm wohnhafter Aktivist. Dieser verbreitete 1990 im Namen seiner Gruppe Artikel inund ausländischer Rechtsextremisten, die den angeblichen Beweis erbringen sollen, daß es in den ehemaligen großen deutschen Konzentrationslagern weder Massenvernichtungen noch Vergasungseinrichtungen gegeben habe. Einflußnahme auf jugendliche Randgruppen Der aggressiver werdende Randbereich jugendlicher Subkultur mit gewalttätigen Skinheads und militanten Fußball-Fans wird immer mehr zu einem besonderen Problembereich. Dabei wird zusehends deutlich, daß diese gewaltgeneigte Szene - vor allem aufgrund vorherrschender einfach strukturierter Freund-Feind-Bilder - in erster Linie die Konfrontation mit Ausländern, dann aber auch mit Angehörigen des "linken" Spektrums sucht. Wenngleich die gänzlich undisziplinierten Skins und militanten Fans zum überwiegenden Teil sich weder als Träger rechtsextremistischer Zielvorstellungen eignen noch solche vertreten, zeigen ihre pri- - 90 - raitiv-extremistischen Provokationen häufig nachhaltig Wirkung in der Öffentlichkeit. Obwohl eine tiefergreifende Einbindung in rechtsextremistische Organisationen die Ausnahme darstellt, ergeben sich immer dann, wenn die aggressive Haltung gegenüber Ausländern sich mit nationalistischen Tönen mischt, zwangsläufig Gemeinsamkeiten mit der neonazistischen Szene. Nach bisherigen Erfahrungen waren rund 10% der etwa 2.500 bis 3.000 Skinheads des ehemaligen Bundesgebiets rechtsextremistischen Gruppen zuzurechnen. Diese Zahl militanter Skinheads, die entweder klar neonazistisch sind oder zumindest Anhaltspunkte für eine neonazistische. Ausrichtung erkennen lassen, hat sich 1990 auf über 500 erhöht. Dieser besorgniserregende Anstieg dürfte weiter anhalten, denn bereits jetzt ist unübersehbar, daß die Vereinigung Deutschlands zu einer massiven Verstärkung dieser "Szene" geführt hat. Der große Restteil dieses Gewaltpotentials besteht aus weithin unpolitischen Randalierern, die vor allem provozieren wollen. Ihnen fehlt fast regelmäßig ein tieferer ideologischer Hintergrund, selbst wenn sie mit aggressivem Gruppenverhalten neonazistische Parolen skandieren oder schmieren. Ihre dumpfe Fremdenfeindlichkeit und ihr Haß gegen "Linke" stellen jedoch ein weiter gewachsenes Gefährdungspotential dar. Gerade im Jahre 1990 versuchten Skinheads aus beiden Teilen des jetzt vereinigten Deutschlands, die politischen Veränderungen verstärkt zu Krawallen zu nutzen: - So reisten am 28. April 1990 etwa 1.000 Skinheads aus dem Bundesgebiet nach Nordhausen in die damalige DDR, um dort mit Gleichgesinnten an einem Rock-Konzert teilzunehmen. Nachdem die Veranstaltung abgesagt worden war, kam es bereits zu erheblichen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mehrere Gruppen fuhren danach in einer Stärke bis zu 200 Personen in Randale-Absicht zurück. Nur der Einsatz starker Polizeikräfte hinderte sie beispielsweise an ihrem Vorhaben, die autonome Szene in Göttingen "aufzumischen". - 91 - D arüber hinaus kam es 1990 verstärkt zu bundesweiten Treffen von Skinheads, was den gestiegenen Organisationsgrad verdeutlicht. Ein Beispiel für das zunehmend gewaltorientierte Vorgehen dieser "Szene" ist der folgende Vorfall: - Am Nachmittag des 5. Mai 1990 versammelten sich etwa 150 Skinheads am Duisburger Hauptbahnhof. Bei einer anschließenden Auseinandersetzung mit ca. 120 Angehörigen des linksextremistischen Spektrums sowie mit Punkern und Türken gab es etliche Verletzte. Nur eine starke polizeiliche Präsenz bis in die Abendstunden verhinderte weitere Tätlichkeiten der beiden gegnerischen Gruppen. Es konnten zahlreiche Schlagwerkzeuge und Wurfgeräte sichergestellt werden. Auch in Baden-Württemberg machten Skinheads mit militanten Aktionen wieder auf sich aufmerksam: - Von Mitte Januar bis Anfang Februar 1990 kam es in Jugendhäusern im Raum Böblingen mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und Punkern bzw. sonstigen Besuchern. Dabei wurden mehrere Personen verletzt und Einrichtungsgegenstände beschädigt. Bei einzelnen Aktionen wurden das "Horst WESSEL-Lied" gesungen und neonazistische Parolen skandiert. - Das Landgericht Ravensburg verurteilte am 15. Februar 1990 in einem Prozeß gegen insgesamt 25 Skinheads elf Angeklagte zu Freiheitsstrafen, neun weitere zu Arreststrafen und Arbeitsauflagen nach dem Jugendstrafrecht sowie zu Geldstrafen. Einer der Rädelsführer erhielt eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren, wobei das Gericht eine einschlägige Vorstrafe von vier Jahren einrechnete. Fünf Angeklagte wurden freigesprochen. Die Verurteilten sowie andere, namentlich nicht ermittelte Skinheads hatten nach einem als "Koma-Saufen" bezeichneten Skinhead-Treffen am 9. September 1989 das Jugendhaus in Ravensburg überfallen und mit Rufen wie "Sieg-Heil", "Rot-Front verrecke" und "Juda verrecke" die Besucher verprügelt. Sechs Personen waren dabei zum Teil schwer verletzt worden. - Eine Geburtstagsfeier war am 5. Mai 1990 der Anlaß für ein Skin-Treffen in Markdorf (Bodenseekreis), an dem etwa 100 Skinheads aus umliegenden Städten, aber auch aus dem Ausland teilnahmen. Die vorinformierte Polizei stellte bei Anfahrtskontrollen Hakenkreuzfahnen, Totschläger, Springmesser, Würgewerkzeuge, Sprühgeräte , und anderes sicher. Als sich Polizeibeamte spätabends dem Veranstaltungsort näherten und das Licht des beleuchteten Platzes abstellen wollten, wurden sie mit Steinwürfen sowie "Ausländer raus"-Rufen und "Sieg-Heil"Parolen empfangen. - 92 - - Am Abend des 2. Oktober 1990 versammelten sich ca. 50 Skinheads vor einem Lokal in Karlsruhe. Nach reichlichem Alkoholgenuß kam es bald zu verbalen Auseinandersetzungen mit Personen der "linken Szene", die sich vor einer unmittelbar daneben gelegenen Gaststätte aufhielten. Nur durch die fortwährende Präsenz von polizeilichen Einsatzkräften konnten drohende Tätlichkeiten zwischen den beiden Gruppen vermieden werden. Kurz nach Mitternacht (Nationalfeiertag) hatten sich dann auf dem "Europaplatz" in Karlsruhe ca. 3.000 Personen versammelt, darunter auch Skinheads und Angehörige des linksextremistischen Spektrums. Plötzlich wurde aus der Gruppe der Skins mit Raketenmunition in Kopfhöhe auf die gegnerische Gruppe geschossen. Durch ein sofortiges Eingreifen der Polizei war es unter Einsatz des Schlagstocks möglich, weitere Ausschreitungen zu verhindern. Mehrere Personen mußten vorübergehend festgenommen werden. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus Deutsche und ausländische Rechtsextremisten waren auch 1990 bemüht, ihre grenzüberschreitenden Verbindungen zu erhalten. Dabei dienten Einzeltreffen, überregionale Veranstaltungen und der Austausch einschlägiger Publikationen der Vertiefung bereits bestehender Kontakte. Besonders auffallend war im Jahre 1990, daß der sogenannte Revisionismus, d.h. der von Rechtsextremisten im Inund Ausland geleugnete Holocaust, propagandistisch erheblich gesteigert wurde. Am 23. März 1991 soll in Süddeutschland der - wie es heißt - "weltgrößte Revisionisten-Tag" abgehalten werden. Vereinigte Staaten von Amerika Ein wesentlicher Teil des NS-Propagandamaterials, das aus dem Ausland ins Bundesgebiet eingeschleust wird, verbreitet der aus Deutschland stammende US-Bürger Gary Rex LAUCK. Seit Jahren beliefert er neonazistische Gesinnungsgenossen mit Hakenkreuzaufklebern, kleineren einschlägigen Plakaten, die häufig zu Klebeaktionen benutzt werden, sowie anderen NS-Artikeln. LAUCK bezeichnet sich als "Organisationsund Propagandaleiter" der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO), - 93 - einer bereits seit 1976 aktiven Gruppierung mit zahlreichen meist aus Einzelpersonen bestehenden Stützpunkten. In seiner Zeitschrift "NS-Kampfruf" veröffentlichte LAUCK mehrfach Beiträge des deutschen Neonazis Michael KÜHNEN. In einer Erklärung nach einem gemeinsamen Treffen am 5. Juli 1990 in Ostberlin betonten beide, die Vereinigung von BRD und DDR sei erst der Anfang, der Kampf gelte jetzt der Rückgewinnung der geraubten Ostgebiete und der Wiedervereinigung mit der deutschen Ostmark (Österreich). Ziel sei die Gründung des 4. Reichs der Deutschen. In diesem Zusammenhang bekräftigten sie die Forderung nach einer legalen Neugründung der NSDAP. Kanada Der in Kanada lebende Deutsche Ernst ZÜNDEL ist einer' der weltweit aktivsten Revisionisten (Leugner des Holocaust). Seit Jahren beliefert er nicht nur deutsche Neonazis regelmäßig mit einschlägigem Agitationsund Propagandamaterial seines "Samisdat-Verlags", er unterhält darüber hinaus auch ausgeprägte persönliche Kontakte zu Gesinnungsgenossen in Deutschland und anderen Ländern. So hatte ZÜNDEL in einem an seine Anhänger gerichteten Rund schreiben für den Herbst und Winter, 1990 eine Vortragskampagne in Europa angekündigt (eine Veranstaltung fand am 2. August 1990 in Stuttgart statt) und seine Anhänger zu Spenden aufgefordert. Mit den Geldern will er ein Buch finanzieren, in dem der amerikanische "Ingenieur" Fred A. LEUCHTER beweisen soll, daß es in Auschwitz und Majdanek keine Tötung von Juden in Gaskammern gegeben habe. LEUCHTER hatte bereits 1989 in Toronto in dem Strafverfahren gegen ZÜNDEL wegen dessen öffentlicher Leugnung des Holocaust ein pseudowissenschaftliches "Gutachten" abgegeben, das jedoch das Gericht nicht als Beweismittel zuließ. ZÜNDEL wurde bereits in zwei Instanzen zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, das Verfahren in letzter Instanz - 94 - ist noch nicht abgeschlossen. Das sogenannte LEUCHTER-Gutachten wird von Rechtsextremisten im Inund Ausland zunehmend als Beweis für deren These angegeben, im Dritten Reich habe es keine Vernichtung von Juden gegeben, jedenfalls nicht in dem bisher angegeben Ausmaß. Obwohl er in Deutschland mit Haftbefehl gesucht wird, konnte ZÜNDEL 1989 und 1990 mehrfach unerkannt ins Bundesgebiet einreisen. Österreich Die langjährigen Verbindungen zwischen deutschen und österreichischen Rechtsextremisten sind durch ausgeprägte persönliche Kontakte und einen intensiven Austausch einschlägiger Schriften geprägt. Eine der wichtigsten neonazistischen Propagandaschriften, die aus dem Ausland nach Deutschland eingeschleust werden, ist nach wie vor die österreichische Mqnatsschrift "SIEG" des Rechtsextremisten Walter OCHENSBERGER aus Sibratsgfall. Dieser setzte mit seiner Publikation auch 1990 seine neonazistische und revisionistische Agitation fort. So nahm das Blatt in seiner FebruarAusgabe 1990 die Umwälzungen in Deutschland zum Anlaß für heftige antisemitische Ausfälle. Gegen die damals diskutierte Forderung von Wiedergutmachungsleistungen der - zu jenem Zeitpunkt noch existenten - DDR an den Staat Israel polemisierte "SIEG" beispielsweise: "Um zu erahnen, was GALINSKI und Konsorten vorschwebt, bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten. Sie wollen die DDR in einen zionistischen Selbstbedienungsladen ä la BRD umfunktionieren . " Ferner hetzte das Blatt unter der Überschrift "Ein Schandmal fiel - entsteht ein neues?" gegen den Plan, in Berlin ein Holocaust-Denkmal zu errichten. - 95 - Ein weiterer österreichischer Rechtsextremist, der Herausgeber der Druckschrift "HALT", Gerd HOSNIK, wurde als Autor des Buches "Freispruch für HITLER?" in einer Berufungsverhandlung vor dem Landgericht München am 10. Dezember 1990 wegen Volksverhetzung zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Zugleich wurde die Einziehung des Buches angeordnet, das seit etwa November 1988 von Österreich aus in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben wurde Frankreich Die Kontakte zwischen deutschen und französischen Rechtsextremisten hatten auch 1990 Bestand, wenngleich sie im neonazistischen Bereich nicht mehr die Intensität früherer Jahre behielten. So sprach - nach Aufhebung eines zunächst verfügten Redeverbots - einer der aktivsten Leugner des Holocaust, der Franzose Robert FAURISSON, am 11. Mai 1990 bei einer von dem deutschen Neonazi Ewald ALTHANS in München geleiteten Veranstaltung über den sogenannten "LEUCHTER-Bericht" des Amerikaners Fred A. LEUCHTER (vgl. Ziffer 7.2). An der Veranstaltung nahmen etwa 90 Personen teil, unter ihnen die Neonazis Michael KÜHNEN und Otto Ernst REMER. Großbritannien Der britische Revisionist David IRVING setzte im Jahre 1990 seine Vortragsserie bei verschiedenen Veranstaltungen des rechtsextremistischen Spektrums im Bundesgebiet fort. Er gehört zwischenzeitlich neben dem in Kanada lebenden Ernst ZÜNDEL, dem Franzosen Robert FAURISSON und dem Österreicher Walter OCHENSBERGER zu den international bekanntesten Vertretern des Revisionismus. In seinen Reden und Büchern leugnet er den Holocaust und verharmlost den Nationalsozialismus. Er tritt öffentlich für die DVU auf, aber auch auf geschlossenen Veranstaltungen rechtsextremistischer Initiatoren mit mehreren hundert Teilnehmern. - 98 - 6 Schweiz Die "Europäische Neuordnung" (ENO) verfolgt seit Jahren - wenn auch mit bescheidenem Ergebnis - unter ihrem Generalsekretär Armand AMAUDRUZ, Lausanne, das Ziel, Rechtsextremisten auf europäischer Ebene miteinander zu verbinden. Im Oktober 1990 soll die technische Kommission der ENO in Paris getagt haben, um u.a. die Auswirkungen des Weltgeschehens auf die Lage der weißen Völker und der nationalen Kräfte zu erörtern. Die Publikation "Eidgenoss" des Schweizers Dr. Max WAHL findet bei deutschen Rechtsextremisten unverändert ihren Leserkreis. Wie in den Vorjahren befaßt sich die Schrift vornehmlich in beschönigend einseitiger Weise mit der deutschen Vergangenheit. 7 Spanien Enge Kontakte gibt es weiterhin zwischen deutschen und spanischen Rechtsextremisten. Im Vordergrund stehen dabei persönliche Begegnungen mit Funktionären der spanisch neonazistischen Gruppe Cedade, dessen Organ auch an deutsche Sympathisanten verschickt wird. Reisen nach Spanien, auch von Neonazis aus Baden-Württemberg, werden häufig zum Anlaß genommen, Veranstaltungen mit dem früheren belgischen SS-General DEGRELLE, der nach dem Krieg in seinem Heimatland zum Tode verurteilt worden war, durchzuführen. Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund Die Zahl der in Baden-Württemberg bekanntgewordenen Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund belief sich im Jahre 1990 auf insgesamt 472. Im Vorjahr waren 437 Fälle bekanntgeworden. Zwar entfiel wiederum der Großteil der Delikte auf Schmierund Klebeaktionen oft unbekannt gebliebener Täter, doch hat vor allem die Zahl der Aktionen gegen jüdische Mitbürger und Einrichtungen - 97 - bedenklich zugenommen. Anlaß zur Sorge gibt insbesondere das sprunghafte Ansteigen von Straftaten, bei denen jüdische Friedhöfe, Gedenkstätten und Synagogen beschädigt wurden. In Baden-Württemberg wurden im Jahre 1990 mit insgesamt 26 solchen Vorkommnissen deutlich mehr Fälle erfaßt als in den Jahren zuvor. Neben diesem rein zahlenmäßigen Anstieg mußte 1990 aber auch eine besorgniserregende "qualitative" Steigerung der Delikte festgestellt werden. So heben sich mehrere der begangenen Straftaten sowohl in der kriminellen Energie bei der Tatbegehung als auch vom Schadensausmaß her deutlich von anderen Fällen ab. Die nachgenannte Serie von Straftaten erregte 1990 in der Bevölkerung in besonderem Maße Abscheu und Empörung: - In der Nacht zum 15. Juli 1990 wurden im Stadtfriedhof von Tübingen innerhalb der Ehrengrabanlage für die Opfer von Krieg und Gewalt auf Namensgedenktafeln und Steinkreuzen Hakenkreuze gesprüht und die Parole "Jude raus" angebracht. - In der Nacht zum 28. Juli 1990 schändeten rechtsextremistische Täter auf dem jüdischen Friedhof in Stuttgart-Bad Cannstatt etwa 60 Grabsteine und -platten mit Hakenkreuzen. Die Aussegnungshalle wurde mit antisemitischen Parolen besprüht wie "Es gab nie Vergasungen ihr wißt es", "Bald fliegt alles auf, 6 Millionen Lügen" . - Bislang unbekannte Täter verwüsteten in der Nacht zum 26. August 1990 den jüdischen Friedhof in Ihringen. Sie stürzten insgesamt 177 Grabsteine um und zertrümmerten oder beschädigten einen großen Teil von ihnen. An den Außenund Innenmauern des Friedhofs sprühten sie Parolen wie "Judenschwein komm du Jude", "Sieg Heil SS Jud", "Ja SS Dachau Juden raus aus Deutschland". Außerdem brachten die Täter auf einigen Grabsteinen und Mauern Hakenkreuze sowie SSund SA-Kürzel an. - Am 30./31. August 1990 wurden auf dem jüdischen Friedhof in Hechingen 95 Grabsteine umgestürzt und 91 mit Hakenkreuzen beschmiert. Außerdem sprühten die Täter an der Friedhofskapelle unter anderem: - 98 - "Auschwitz 6.000 000 Lügen erst 4.000 000 jetzt 1.000 000 in Wirklichkeit 74.000 Zionismus stoppen". Nach Bekanntwerden der Tat in Hechingen am 31. August 1990 wurde vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg eine Sonderkommission "Jüdischer Friedhof" eingerichtet. Im Rahmen der Ermittlungen wurden zeitgleich am 12. September 1990 im Raum Tübingen/Reutlingen/Haigerloch 14 und in Stuttgart 4 Objekte durchsucht. Durch Folgeermittlungen konnten auch die Delikte in Stuttgart-Bad Cannstatt, in Tübingen (14./15.7.1990 und 20./31.8.1990) sowie in Hechingen (30./31.8.1990) und ein zurückliegendes aus dem Jahr 1989 geklärt werden. Außerdem wurden weitere Mittäter ermittelt. Die Tatverdächtigen sind durchweg dem neonazistischen Spektrum zuzuordnen, gehören jedoch keiner Organisation an. Alle stammen aus der Skinhead-Szene. Es muß davon ausgegangen werden, daß sie durch Kontakte mit neonazistischen Aktivisten "anpolitisiert" wurden. Die von dieser Tätergruppe begangenen Straftaten waren offensichtlich jeweils sorgfältig geplant und vorbereitet worden . Am Sonntag, dem 15. Oktober 1990, wurde festgestellt, daß die KZ-Friedhöfe in Vaihingen/Enz und HarkgröningenUnterriexingen durch Farbschmierereien sowie Beschädigungen an Grabund Gedenkstätten ebenfalls erheblich verwüstet worden waren: - 99 - In Vaihingen/Enz hatten die Täter an 138 Grabsteinen, am Mahnmal und an der Einfriedungsmauer neben Hakenkreuzen auch neonazistische und antisemitische Parolen angebracht wie "Juda verrecke", "Blut und Ehre" und "Auschwitz-Lüge". Ausacht herausgerissenen Grabsteinen war ein Hakenkreuz geformt worden. Auf dem KZ-Friedhof in Markgröningen-Unterriexingen hatten die Täter aus einer zum Friedhof führenden Treppe acht Waschbeton-Platten herausgerissen und sie ebenfalls zu einem Hakenkreuz geformt. Die Treppe, die Außenmauer, Grabsteine sowie ein Obelisk und eine Gedenktafel waren mit weitgehend gleichlautenden Parolen und Kennzeichen besprüht wie in Vaihingen/Enz. In der Nacht des Vortags hatten zunächst unbekannte Täter in der Bahnhofsgaststätte in Sershsim mit einem "Molotow-Cocktail" einen Brand gelegt. Am Tatort wurde ein Waschbetonstück sichergestellt, das vom Treppenaufgang des KZ-Friedhofs in Markgröningen-Unterriexingen stammte. Im Zuge der Ermittlungen konnten schließlich vier Tatverdächtige (zwei 21bzw. 20jährige Frauen und zwei 17jährige Männer) aus dem Raum Vaihingen/Enz ermittelt werden. Bei Wohnungsdurchsuchungen wurden Beweismittel gefunden, die zur Aufklärung dieser und weiterer Straftaten führten. Nach den Vernehmungen ist mindestens bei zwei der Tatverdächtigen von einer rechtsextremistischen Motivation auszugehen. Das Landgericht Stuttgart verurteilte die vier Angeklagten am 8. Februar 1991 zu Freiheitsbzw. Jugendstrafen zwischen 2 Jahren und 9 Monaten und 3 Jahren und 9 Monaten ohne Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig . Daneben mußten auch in Baden-Württemberg wieder zahlreiche ausländerfeindliche Aktionen festgestellt werden, denen in einzelnen Fällen ein rechtsextremistisches Tatmotiv zugrunde lag. Maßnahmen gegen rechtsextremistische Aktivisten Auch 1990 begegneten die Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden erkannten Gesetzesverletzungen von Rechtsextremisten mit der konsequenten Einleitung von Ermittlungsverfahren und der Verurteilung überführter Straftäter: - 100 - Am 15. Februar 1990 verurteilte das Landgericht Ravensburg - wie bereits ausgeführt - in einem Prozeß gegen insgesamt 25 Skinheads 11 Angeklagte zu zum Teil empfindlichen Freiheitsstrafen und neun weitere zu Arreststrafen und Arbeitsauflagen nach dem Jugendstrafrecht sowie zu Geldstrafen. Fünf Angeklagte wurden freigesprochen. Den Verurteilten war vom'Gericht zur Last gelegt worden, am 9. September 1989 nach einem Skinhead-Treffen in Ravensburg ein Jugendhaus überfallen und unter "Sieg-Heil"und "Rot-Front verrecke"-Rufen auf Besucher eingeschlagen zu haben. Dabei waren sechs Personen zum Teil schwer verletzt worden. Einer der Rädelsführer erhielt eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren, wobei das Gericht eine einschlägige Vorstrafe von vier Jahren miteinrechnete. Als damals 17jähriger Skinhead war dieser bereits am 14. November 1986 durch die Jugendkammer des Landgerichts Karlsruhe zu vier Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Das Gericht hatte es damals als erwiesen angesehen, daß der in neonazistischen Kreisen verkehrende Skin neben mehreren Körperverletzungsdelikten im April 1986 in Begleitung eines Gesinnungsgenossen in Karlsruhe zwei äthiopische Staatsangehörige ohne Grund mit den Worten "Scheiß Ausländer, Scheiß Asylanten" beleidigt hatte. Nach einem Wortgefecht, das schließlich in Tätlichkeiten ausgeartet war, hatte er . einen der Äthiopier durch einen Stich mit einem Springmesser verletzt. Zwei der in Ravensburg angeklagten Skinheads sind zwischenzeitlich als Täter mehrerer FriedhofSchändungen im Sommer 1990 in Baden-Württemberg ermittelt worden. Das Jugendschöffen gericht des Amtsgeric hts Heidelberg verurteilte am 28. Juni 1990 einen 21jä irigen Angeklagten, der der Skinh ead-Szene zuzurechnen ist, wegen gemeinsehaftlicher g efährlicher Körperver letzung und Störuhg der' Religionsausübung in Tateinheit mit dem Verwen den von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Beleidigung (unter Einbeziehun g eines früheren Urteils des Amtsgerichts Heidelberg vom Juli 1989) zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren un d drei Monaten. Außer durch allgemein kriminelle Delikte war der Angeklagte b islang insbesondere d.urch folgend e Taten aufgefallen: Im Oktober 1988 nötigte er eine Antiquitätenhändlerin in Heidelberg, aus ihrem Schaufenster ein Plakat abzuhängen, das für die Aufführung des Lustspiels "Die Juden" von Gotthold Ephraim Lessing warb. Mit einem Mittäter drohte er ihr indirekt, die Schaufensterscheiben einzuwerfen. Tatsächlich entfernte die Geschädigte das Plakat. p I *H O O X 03 -H CO I CO 1 P --". CD i C X x CD C CO 0) X CO * H *H >* U X CD TJ cz X X5 t ICD CO C CX) c D CJ c o +J C enae CD P U CJ U CD C *H C 1-CD CD CO CO 3 rH *H C CD c CD D CD E * H U IM P CD N CD X P -J CO CD r H CD Z) C H C - c TD * H *H C_^ 3 CD M X CD cn CD CO C CO X P P J*; ^ CD H - H X 4 H CD *H rH ^ i^ CO CO CO CO rH c CD *H P *H (D CO CD CJ P C CJ X E G) X *H c CD cn :co * cn CD o cn X CD r H X CD X P *H CD O C E P P *H u TD CO CD - H CD CD i - l +J p > CD P CD CD X Z) E 4H er U CD 4 H CD P O C r H X3 * H CD *H X CO p p c CO CO * H X c X CO 4H (0 CD 3 Z) CD O TD - H T J CJ C Z) CL CD - O) *H N C ) CD *H : 0 C C P X CD " O CD - H u C "O CO CD +J 3 FH CD * -H C O 3 c P c CD CD 0) 03 O -P c P CO CD * H f-. *H CO CO CD o P P * H CO N Zi X CD 3 U P u CO D) n CO (H LL. Q. 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Das entspricht weniger als 1 % der ausländischen Wohnbevölkerung Besonders augenfällig ist der drastische Mitgliederverlust bei den orthodox-kommunistischen Gruppen. Mit insgesamt nur noch 955 Personen ist ihr Potential auf weniger als die Hälfte gegenüber 1989 abgesunken. Hier hat sich der Niedergang der kommunistischen Bewegung im Ostblock in voller Schärfe ausgewirkt. Tatsächliche Mitgliederverluste führten zusammen mit dem Wegfall der Beobachtungsvoraussetzungen bei verschiedenen Gruppierungen zu diesen Rückgängen. Ein weiterer Substanzverlust in diesem Feld ist absehbar. Als zahlenmäßig stärkster Block haben sich die religiös-nati nalistischen Gruppierungen klar behaupten können (3.205). Extrem nationalistische Gruppen (nach Verlusten) sowie Vereinigungen der "Neuen Linken" (nach Gewinnen) sind jetzt, was das Mitgliederpotential betrifft, nahezu gleichauf (2.14 bzw. 2.125). Wie in den Vorjahren bildeten vor allem politische, ethnisch soziale und wirtschaftliche Konflikte und Krisen in den jeweiligen Herkunftsländern den Auslöser für Aktivitäten extre mistischer Ausländervereinigungen. Daneben bezogen vornehmli linksextremistische Gruppen auch zu Fragen der deutschen Politik Stellung, wobei die Ausländerund Asylpolitik im Mittelpunkt der Agitation stand. *offizielle aktuelle Zahlen liegen noch nicht vor. - 104 - Mit Ausnahme von schweren Attentaten der "Provisional Irish Republican Army" (PIRA) an Standorten der britischen Rheinarmee in Nordund Westdeutschland ist die Bundesrepublik Deutschland 1990 von gravierenden Terroranschlägen verschont geblieben. Zusammenfassend ist festzustellen: Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) hat sich offensichtlich aus taktischen Gründen weiter mit Gewalttaten zurückgehalten, um die-Strafprozesse gegen mehrere ihrer Mitglieder nicht zu stören. Palästinensische Gruppen vermieden in den vergangenen Jahren Gewaltakte im Bundesgebiet. Der Überfall Iraks auf Kuwait führte indessen zu einer neuen, sehr labilen Lage. Einige palästinensische Organisationen orientierten sich zwischenzeitlich um. So scheint sich die "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) unter irakischem Schutz wieder konsolidiert zu haben. Aber auch weitere terroristische Vereinigungen erklärten ihre Bereitschaft zur Unterstützung Saddam HUSSEINS. Umfangreiche Sprengstoffunde in Zypern und Spanien unterstrichen die Gefährlichkeit schiitischer libanesischer Terroristen. Sie bemühen sich um den Ausbau ihres Netzes auch in Europa. Die Gefahren im Hinblick auf eine mögliche Freipressung der in Deutschland inhaftierten Brüder HAMADI dauern an . Iranische staatliche Stellen setzen die Ausforschung und Liquidierung exilierter Oppositioneller fort. Die Gewaltbereitschaft verschiedener türkischer Gruppen der "Neuen Linken" hält weiter an. Tamilische und Sikh-Organisationen erlangen aufgrund ihres wachsenden gewaltgeneigten Extremistenpotentials immer größere Bedeutung. Dagegen ging die aktuelle Gefährdung durch jugoslawische Extremisten weiter zurück. Indessen sind im Heimatland die Nationalitätenkonflikte offen ausgebrochen. Dies birgt jederzeit die Gefahr einer Übertragung der gewalttätigen Auseinandersetzungen in das Bundesgebiet. - 105 - 2. Türken 2.1 Allgeraeines Die Gesamtzahl türkischer (einschließlich kurdischer) extremistischer und extremistisch beeinflußter Vereinigungen ist 1990 gegenüber dem Vorjahr wieder angestiegen. Während linksextremistische Gruppen weitere Mitgliederverluste hinnehmen mußten, ist das Potential der Rechtsextremisten sowie religiöser Nationalisten weitgehend stabil geblieben. Kurdische Linksextremisten konnten Anhänger hinzugewinnen. Die gewaltorientierte "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) führt im Heimatland den Guerillakampf unvermindert fort. Sie wird dabei von ihren Anhängern im Bundesgebiet auf vielfältige Weise unterstützt. Sie verschaffen der Vereinigung durch Geldund Sachspenden erhebliche Einkünfte. Protestaktionen aus Anlaß der Hauptverhandlung gegen PKK-Aktivisten vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wurden 1990 - wenn auch mit etwas verminderter Intensität - fortgesetzt. Bei den meisten türkischen Gruppen der "Neuen Linken" standen unverändert die politischen Verhältnisse im Heimatland im Vordergrund. Weitere Themen bildeten die politischen Veränderungen in Osteuropa und die Golfkrise sowie Aspekte der deutschen Innenpolitik. Der ohnehin desolate Zustand der orthodox-kommunistischen Organisationen wurde durch die Veränderungen im Ostblock weiter verstärkt. Religiösnationalistische Vereinigungen konnten dagegen ihre Mitgliederzahl leicht erhöhen. Dies wirkte sich indes nicht auf deren öffentliche Aktivitäten aus. Im Bereich des extrem nationalistischen Spektrums dauerte die Spaltung 1990 an, auch wenn sich wieder ein leichter Mitgliederzuwachs abzeichnet. - 106 - Linksextremistische kurdische Gruppierungen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die orthodox-kommunistische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) blieb auch 1990 unter den Vereinigungen extremistischer Kurden die aktivste und militanteste Gruppierung. Sie stellt sich als straff organisierte und konspirativ arbeitende Organisation dar, die - wie bei orthodox-kommunistischen Organisationen üblich - von einem "Zentralkomitee" (ZK) geleitet wird. Dieses hat seit Jahren seinen Sitz in Damaskus (Syrien). Generalsekretär Abdullah ÖCALAN ist unumschränkter Führer der gesamten PKK. Ihr Kampf in der Türkei für ein "befreites Kurdistan" hielt unvermindert an. Im Rahmen der jährlichen "Nationalen Widerstandsund Heldenwoche" im März 1990 initiierte die Partei im Südosten der Türkei eine als "Serhildan" (Volksaufstand) bezeichnete Welle von Demonstrationen, Blockaden, Geschäftsschließungen und ähnlichen Aktionen des passiven Widerstands. Diese feierte die Vereinigung als einen großen Erfolg auf dem Weg zur "Errichtung der Volksmacht". Gleichzeitig unterstrich sie ihre Absicht, den "revolutionär-demokratischen Kampf" ihrer bewaffneten Einheiten weiter zu verstärken, "bis Kurdistan zum Friedhof für die kolonialistische (Anmerkung: türkische) Armee" wird. In der Türkei wie in der Bundesrepublik Deutschland ist es der PKK gelungen, ihre Zusammenarbeit mit gleichgesinnten türkischen und kurdischen Organisationen weiter auszuweiten. Konkurrierende Kurdenorganisationen werden hingegen nach wie vor scharf angegriffen. Insbesondere die "negative Haltung der sich außerhalb Kurdistans befindenden kleinbürgerlichen reformistischen Kräfte", die "seit Jahren in einigen europäischen Ländern ausschließlich damit beschäftigt" seien, die PKK zu "isolieren" und dabei - 107 - den Guerillakampf in Kurdistan als "Terrorismus" anprangerten, erregen noch immer den Unmut der Parteiführung. Als treibende Kraft wird dabei die orthodox-kommunistisch beeinflußte "Befreiungsbewegung Kurdistans" (TEVGER) gesehen . Nach einem Bericht des PKK-Parteiorgans "Serxwebun" (Unabhängigkeit) vom April 1990, der im deutschsprachigen "Kurdistan-Report" vom Juni 1990 teilweise ebenfalls abgedruckt ist, unterstrich der PKK-Generalsekretär Abdullah ÖCALAN gegenüber vier Verteidigern aus dem Düsseldorfer "Kurdenprozeß" erneut die Bedeutung Europas als einer "wichtigen Front zur Bekanntmachung unserer nationalen Befreiungsbewegung". Gleichzeitig betonte er, daß "unsere Kampffront in unserem Land (Anmerkung: in Kurdistan) ist, wir führen dort den Kampf; es gibt keinen Sinn, unseren Kampf auf Europa übergreifen zu lassen... Unsere Aktivitäten in Europa sind (lediglich) eine Reflektion dieser Politik unserer Partei" . Mit der Forcierung des bewaffneten Kampfes des sogenannten militärischen Arms der Partei, der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK), stieg der - vornehmlich durch Parteisympathisanten in Europa zu deckende - Bedarf an personeller, materieller sowie propagandistischer Unterstützung weiter an. In einer Sondernummer ihres Parteiorgans aus Anlaß des 6. Gründungsjahrestages der ARGK vom September 1990 veröffentlichte die PKK die Biographien zahlreicher, zwischenzeitlich beim bewaffneten Kampf in Kurdistan gefallener "Märtyrer", welche früher in der Bundesrepublik Deutschland aktiv waren. Unter ihnen befinden sich auch Aktivisten und Kader der.Partei, die sich zumindest zeitweise in Baden-Württemberg politisch betätigt hatten. - 108 - Bereits Ende April 1990 begann im Bundesgebiet eine von der PKK-Nebenorganisation "Föderation der Patriotischen Arbeiterund Kulturvereine aus Kurdistan in der BRD e.V." (FEYKA-Kurdistan) mitgetragene, breit angelegte Spendenkampagne. Ihr Erlös soll vornehmlich dem Kauf von Waffen und Medikamenten für die Peshmergas ("Freiheitskämpfer") der PKK sowie den "politischen" Gefangenen in der Türkei zugute komm.en. Im Rahmen der Kampagne wurde ein Spendenkonto eingerichtet, um den zahlreichen Freundeskreisen und Solidaritätsgruppen mit dem "kurdischen Befreiungskampf" dauerhaft die Möglichkeit finanzieller Unterstützung zu geben. Darüber hinaus wurde Anfang Oktober 1990 wieder die alljährliche Spendenkampagne der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) zugunsten der Partei eröffnet. Die Sammelaktion, die sich erneut an alle in Europa lebenden Kurden wandte, soll 1989 4,5 Millionen DM erbracht haben. Wie in den Vorjahren erinnerte die PKK mit einer Reihe von Großveranstaltungen im Bundesgebiet an ihren am 15. August 1984 in der Türkei begonnenen bewaffneten Widerstandskampf. Eine am 25. August 1990 in Göppingen durchgeführte entsprechende Veranstaltung für Süddeutschland wurde immerhin von rund 4.000 Sympathisanten besucht. Anläßlich des 12. Jahrestags der Parteigründung (27. November) organisierte die PKK am 20. Oktober 1990 in der Kölner Sporthalle eine weitere Großveranstaltung. An ihr nahmen etwa 15.000 Kurden aus dem gesamten Bundesgebiet teil. Doch das alles beherrschende Thema der Parteiarbeit im Bundesgebiet blieb die seit 24. Oktober 1989 vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf anhängige Hauptverhandlung gegen mehrere führende Funktionäre der PKK wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung - 109 - sowie Mordes und anderer Straftaten. Parallel zu zahlreichen Protestveranstaltungen agitierte die PKK in Flugschriften und Presseorganen ihrer Hilfsorganisationen gegen das Strafverfahren. Dieses bewertet sie als Teil eines von der Bundesrepublik Deutschland - stellvertretend für den "weltweiten Imperialismus" - initiierten "Vernichtungskriegs" gegen den "nationalen Befreiungskampf" der Kurden. In diesem Zusammenhang äußerte sich ÖCALAN in dem bereits genannten Artikel des Organs der Europavertretung der ERNK vom Juni 1990 wie folgt: "Wir glauben nicht, daß die Deutschen einen Vorteil davon haben, sich das kurdische Volk zum Feind_zu machen; sie können keinen Vorteil davon haben. " Im entsprechenden türkischsprachigen Artikel der Publikation "Serxwebun" heißt es weiter: "Wir können diesen Angriff nicht einfach ignorieren und ihn über uns ergehen lassen. Wir werden unserer Art gemäß demokratische Maßnahmen ergreifen, und es sieht so aus, daß wir dazu gezwungen sind..." Unter dem einigenden Thema des SS 129a StGB und der behaupteten "Weltpolizistenrolle" der Bundesrepublik Deutschland konnte die PKK auch ihre Kontakte zu Anhängern des deutschen terroristischen/autonomen Spektrums sowie zu Organisationen der deutschen "Neuen Linken" ausbauen. Wachsende Bedeutung erlangen in diesem Zusammenhang die gemeinsam getragenen Solidaritätsgruppen und Freundeskreise. Großer Wert wurde ferner auf den weiteren Ausbau der Parteistruktur gelegt. Dank 'einer inzwischen fast lückenlosen Abdeckung des Bundesgebiets durch örtliche Zellen gelingt es der PKK immer häufiger, aus der steigenden Zahl kurdischer Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland neue Anhänger zu gewinnen. Dies und die Aktivierung bislang politisch inaktiver Kurden aufgrund der innenpolitischen Unruhen in Kurdistan ließ die Zahl der Sympathisanten der PKK im Bundesgebiet weiter ansteigen. - 110 - Der FEYKA-Kurdistan gehört in Baden-Württemberg ein Mitgliedsverein in Stuttgart an. Anhänger im nordbadischen Raum werden vom Mitgliedsve.rein in Ludwigshafen am Rhein, solche in Teilen Südbadens von demjenigen in Basel betreut. Landesweit verfügt die PKK mit ihren Nebenorganisationen zwischenzeitlich über etwa 400 Sympathisanten. Die Mitte 1988 erstmal s aufgetretene Oppositions gruppe i halb der Parte i, "PKKDevriraci Birli k" (PKK-DB), trat 19 kaum noch an d ie Offen tlichkeit. Der Aufschwung des kurdischen B efreiungskamp fes in der Tür 7600 1160 9700 1130 14700 1130 hiervon Kernorganisation 7100 1000 9200 990 13700 1000 hiervon Nebenorganisation 500 160 500 140 500 130 Beeinflußte Organisationen 1400 120 1600 120 1400 120 Undogmatische "Neue Linke" Anarchisten nicht eingrenzbarer Personenkreis bundesweit zur Zeit etwa 1000 Gewaltbereite Autonome 2000 300 2000 280 2300 250 Mitgliedschaften insgesamt -1-' 67000 3> 4750 47300 3> 3680 30700 3 ' 2500 3 Mitliedschaften - nach Abzug 56000 ) 3990 42000 3 ) 3200 29500 3 ) 2200 1 der Mehrfachmitgliedschaften ' 1) Ohne Mitglieder beeinflußter Organisationen 2) hat sich aufgelöst 3) Einschl. Mitglieder linksextrem. Organisationen, die nicht in Ba.-Uü. existent sind. Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Organisationen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1988 - 1990 - ohne Abzug von Mehrfachmitgliedschaften - M i t g l i e d s c h a f t e n 1988 1989 1990 B e r e i c h Bund Land Bund Land Bund Land Neonazistische Organisationen 1900 180 1500 160 1400 150 und unorganisierte Neonazis hiervon "Gesinnungsgemeinschaft 500* 20 130 5 200 10 Neue Front" hiervon FAP 450 45 330 45 200 20 hiervon NF 80 10 60 10 80 10 Nationaldemokratische 7250 1450 8000 1680 7300 1610 Organisationen hiervon NPD 6400 1320 7000 1500 6500 1450 hiervon JN 800 105 900 160 750 140 National-Freiheitliche 18600 2900 25000 3200 22000 2900 Organisationen DVU-Liste D 6000 480 25000 3200 22000 2900 DVU e.V. 12500 2420 ** Sonstige Vereinigungen 3200 80 3200 70 2900 70 Summe der Mitgliedschaften 30950 4610 37700 5110 33600 4750 Tatsächliche Mitgliederzahl 28300 4210 35900 4900 32300 4700 -nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften*Hier sind die Anhanger des HOSLERund KÜHNEN-Flügels der ehemaligen "Bewegung" zusammengefaßt. Im Jahre 1989 ging der MOSLER-Flügel in der FAP auf, der KÜHNEN-Flügel tritt seitdem als "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) auf. **Die Mitglieder der DVU e.V. wurden im Jahre 1989 in die Partei DVU-Liste 0 übernommen, so daß die Angehörigen beider Gruppen nahezu identisch sind und deren Gesamtzahl nur einmal aufzuführen ist. Dr. FREY geht von einer höheren Hitgliederzahl aus. Anhänger extremistischer bzw. extremistisch beeinflußter Ausländerorganisationen in Baden-Württemberg 1990 (Zahl in Klammern: 1989) orthodoxNEUE LINKE extrem religös Gesamtzahl kommunistisch sozial-revolutionär nationalistisch nationalistisch 1990 (1989) ARABER 60 ( 80) 400 ( 385) 275 (245) 735 ( 710) IRANER 75 ( 80) 190 ( 265) 120 .( 110) 3 0 ( 3 0) 415 ( 485) JUGOSLAWEN 110 ( 120) 265 ( 275) 375 ( 395) KURDEN 260 ( 540) 410 670 ( 540) TÜRKEN 280 ( 335) 910 ( 995) 1700 (1600) 2900 (2800) 5790 ( 5730) SONSTIGE 280 (1185) 105 ( 190) 60 ( 910) ( 50) 445 ( 2335) GESAMT 955 (2220) 2125 (1955) 2145 (2895) 3205 (3125) 8430 (10195) - 136 - Gruppenund Organisationsregister Action Directe (AD) 55 Abu-Nidal-Organisation (ANO) 104 Aktion deutsche Einheit (AKON) 87 .Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) 87 Aktion Oder-Neiße 68 AL FATAH 118 ff AMAL-Bewegung 121 Arbeiterjugendverband/Marxisten-Leninisten 42 (AJV/ML) Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 27, 104 ff Avrupa 'da Dev Gene (Revolutionäre 113 Jugend in Europa) Babbar Khalsa (BK) 126 Befreiungsbewegung Kurdistans (TEVGER) 107, 110 Bewegung 25, 64 Bismarck-Jugend (BJ) 89 BOLSEVIK PARTIZAN (BP) 111 f Bürgerund Bauerninitiative e.V. (BBI) 72 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 46 Demokratische Front für die Befreiung H8 f Palästinas (DFLP) Deutsche Allianz/Vereinigte Rechte (DA) 24, 74 Deutsche Alternative (DA) 25, 65 f Deutsche Bürgerinitiative e.V. (DBI) 71 Deutsche Friedens-Union (DFU) 38, 40 Deutsche Kommunistische Partei 21 f 30 ff (DKP) Deutsche Kulturgemeinschaft (DKG) Berlin 88 Deutsche Volksunion e.V. (DVU) 86, 95 Deutsche Volksunion - Liste D 23 75 78 82 ff (DVU-Liste D) Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 113 Devrimci Yol/Devrimci Isci 113 (Revolutionärer Weg/ Revolutionäre Arbeiter) Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V. (DDF) 89 Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum 86 Schutz der Frontsoldaten (ER) - 137 - Europäische Neuordnung (ENO) 96 Föderation der Arbeiter aus der Türkei 112 in Deutschland e.V. (ATIF) Föderation der Immigrantenvereine aus 114 f der Türkei (GDF) Föderation der Patriotischen Arbeiter108, 110 und Kulturvereine aus Kurdistan in der BRD e.V. (FEYKA-Kurdistan) Föderation der türkischen demokratischen 114 Arbeitervereine in Deutschland e.V. (DIDF) Föderation der Türkisch-Demokratischen 117 f Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) 51 Forum 90 81 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union 50 (FAU) Freie Arbeiter Union/Anarchistische Partei 51 (FAU/AP) Freie Arbeiter Union-Studenten (FAUST) 51 Freiheitliche Deutsche Arbeiter25, 64, 68 f partei (FAP) Freiheitlich-Sozialistische Deutsche 69 Volkspartei (FSDVP) Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 88 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front 25, 64 ff (GdNF) GRAP0/PCE(r) 54 f, 58, 60 Heimattreue Vereinigung Deutschlands 25, 69, 73 (HVD) Hilfsorganisation für nationale 64, 70 politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) Hizb'Allah 121 Initiative für Ausländerbegrenzung 86 (I.f.A.) International Sikh Youth Federation 126 (ISYF) Iranische Moslemische Studenten124 Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV) Islamische Bewegung 116 Junge Nationaldemokraten (JN) 80 f, 88 Junge Pioniere - Sozialistische 36 f Kinderorganisation (JP) - 138 - , Kommunistische Partei Deutschlands 46 (KPD) Kommunistischer Bund (KB) 46 Konföderation türkischer Arbeiter112 vereine in Europa (ATIK) Kommunistische Partei der 30 Sowjetunion (KPdSU) Kroatische Staatsbildende Bewegung .122 (HDP) Kroatischer Nationalrat (HNV) 122 Liberation Tigers of Tamil Eelam 125 f (LTTE) Marxistischer Studentinnenund 36 Studentenbund (MSB) Spartakus Marxistisch-Leninistische Partei 22, 40 ff Deutschlands (MLPD) Marxistisch-Leninistischer Bund 42 Intellektueller (MLBI) Marxistisch-Leninistischer Schüler42 und Studentenverband (MLSV) Marxistische Gruppe (MG) 22, 42 ff Militante/gewaltbereite Autonome 21, 29, 46 ff Mitteldeutsche Nationaldemokraten (MND) 75 Nationaldemokratische Liga der 123 Albanischen Treue (N.D.SH.) Nationaldemokratische Partei 24, 48, 74 ff, 88 Deutschlands (NPD) Nationaldemokratischer Hochschulbund 81 f (NHB) Nationale Alternative 66 Nationale Befreiungsfront Kurdistans 108 (ERNK) Nationale Heilspartei (MSP) 115 Nationale Liste (N.L.) 25, 65 f Nationale Offensive (NO) 25, 69 Nationale Sammlung (NS) 65 Nationalistische Arbeitspartei (MCP) 117 f Nationalistische Front (NF) 70 f, 88 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter92 partei/Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) Palästinensische Befreiungsorganisation 118 ff (PLO) - 139 - Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 117 PARTIZAN (P) 111 f PKK-Devrimci Birlik (PKK-DB) 110 Provisional Irish Republican Army (PIRA) 104 Rat der Konstitutionellen Monarchie des 124 Iran in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (R.K.M.I.) Revolutionäre Kommunistische Partei 111, 114 der Türkei (TDKP) Revolutionäre Zellen (RZ) 51, 62 Rote Armee Fraktion (RAF) 19 ff, 29, 51 ff Rote Brigaden 55 Rote Zora 51, 62 ROTFÜCHSE 42 Sturmabteilung (SA) 65 Schutzbund für Volk und Kultur (SB) 86 Schwarze Garde (SG) 51 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend 36 f (SDAJ) Sozialistische Einheitspartei 30, 32 f, 35, 38 ff Deutschlands (SED) Sozialistische Partei Türkisch110 Kurdistans (TKSP) Tudeh-Partei 124 Türkische Arbeiterund Bauern111 befreiungsarmee (TIKKO) Türkische Kommunistische Partei/ 111 f Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Türkische Volksbefreiungspartei/-Front 111, 113 (THKP/-C) Union der Türkisch-Islamischen 117 Kulturvereine (TIKDB) Union Islamischer Studentenvereine 125 in Europa (U.I.S.A.) Verband der Islamischen Vereine und 116 f Gemeinden e.V. (ICCB) Vereinigte Kommunistische Partei der 114 f Türken (TBKP) Vereinigte Kroaten Europas (UHE) 122 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 46 Vereinigung der Neuen Weltsicht in 115 f Europa e.V. (AMGT) - 140 - Vereinigung der Verfolgten des 38 f Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 107 Volksbewegung für die Republik Kosovo 123 (LPRK) Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) 86 Volksfedayin Irans 124 Volksfront für die Befreiung Palästinas 118 ff (PFLP) Volksfront gegen Reaktion, Faschismus 46 und Krieg (VOLKSFRONT) Wiking-Jugend (WJ) 87 f Wohlfahrtspartei (RP) 115 Verteilerhinweis Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. 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