Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1988 Terrorismus Linksextremismus Rechtsextremismus Ausländerextremismus Spionageabwehr Württemberg K\pr INNENMINISTERIUM Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1988 Herausgeber: Innenministerium Baden Württemberg, Dorotheenstraße 6, 7000 Stuttgart 1 Juni 1989 Gesamtherstellung: studiodruck Rolf Brändle, 7440 Nürtingen Raidwangen Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers ISSN 0720-3381 Vorwort Extremistischen und sicherheitsgefährdenden Organisationen und Parteien ist es in den 40 Jahren seit Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht gelungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu erschüttern. Wir verfügen in der Bundesrepublik Deutschland über stabile demokratische Verhältnisse. Die weit überwiegende Mehrheit der Bürger lehnt den politischen Extremismus und Terrorismus ab. Gleichwohl waren auch im Jahre 1988 in Baden-Württemberg - wie auch in den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland - eine Vielzahl verfassungsfeindlicher Gruppierungen tätig. Gemeinsames Ziel dieser Kräfte ist es, die verfassungmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen. Einzelne linksund rechtsextreme Gruppierungen sind unverändert entschlossen, dieses Ziel mit terroristischen Anschlägen zu erreichen. Der demokratische Rechtsstaat hat deshalb nach wie vor allen Anlaß, Verfassungsfeinden gegenüber größte Wachsamkeit zu zeigen. Diese Wachsamkeit kommt insbesondere in der Tätigkeit des Verfassungsschutzes zum Ausdruck, dessen Aufgaben und Befugnisse bereits im Grundgesetz und daneben in zahlreichen Bundesund Landesgesetzen verankert sind. Dem Verfassungsschutz obliegt es, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten und aufzuklären. Seine Tätigkeit zielt darauf ab, Gefahren, die unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung drohen, frühzeitig zu erkennen. Ein leistungsfähiger Verfassungsschutz ist somit notwendige Voraussetzung, um Verfassungsfeinde mit den zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen und den inneren Frieden sicherstellen zu können. Bei der Bekämpfung des politischen Extremismus setzt die Landesregierung auf die argumentative, die politische Auseinandersetzung. Sie obliegt nicht allein, ja nicht einmal in erster Linie staatlichen Behörden, sondern ist Aufgabe aller Bürger. Ihre Bereitschaft, sich mit unserer Verfassung zu identifizieren und den Gegnern der freiheitlichen Demokratie entschlossen entgegenzutreten, ist der beste und wirksamste Verfassungsschutz. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistet die Veröffentlichung der jährlichen Verfassungsschutzberichte. Der Jahresbericht 1988 weist die Öffentlichkeit auf die Gefahren hin, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch Terro- 3 rismus und politischen Extremismus drohen. Er informiert über die Ziele und Aktivitäten besonders wichtiger oder gefährlicher verfassungsfeindlicher Organisationen und liefert damit für die politische Auseinandersetzung mit diesen Kräften notwendige Informationen. Damit wird zugleich deutlich, daß die Arbeit des Verfassungsschutzes der Sicherheit eines jeden einzelnen Bürgers dient. Den Mitarbeitern des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz danke ich für die Erfüllung ihrer schwierigen und verantwortungsvollen Tätigkeit. Ihre Arbeit verdient besondere Anerkennung. Dietmar Schlee, MdL Innenminister des Landes Baden-Württemberg 4 Inhaltsverzeichnis A. Verfassungsschutz in Baden-Württemberg 9 1. Gesetzliche Grundlagen 9 2. Aufbau und Organisation 9 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 10 4. Methoden des Verfassungsschutzes 12 5. Kontrolle 13 B. Verfassungsschutz durch Aufklärung 15 C. Jahresrückblick 1988 17 D. Linksextremismus 21 1. Allgemeines 21 2. "Alte Linke" 25 2.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 25 2.1.1 Die DKP in der Krise 25 2.1.2 Der 9. Parteitag der DKP 28 2.1.3 Organisation, Mitgliederentwicklung und Finanzen 28 2.1.4 Parteipresse und Verlagswesen 32 2.1.5 Hauptfelder der Agitation 32 2.2 Nebenorganisationen der DKP 35 2.2.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 35 2.2.2 "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus" 36 2.2.3 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) 37 5 2.3 DKP-beeinflußte Organisationen 38 2.3.1 "Vereinigung der Verfolgten des Nazi-regimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) 38 2.3.2 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) 40 3. "Neue Linke" 40 3.1 Dogmatische "Neue Linke" 40 3.1.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 40 3.1.2 "Marxistische Gruppe" (MG) 43 3.1.3 Sonstige Organisationen 45 3.2 Undogmatische "Neue Linke" 46 3.2.1 Autonome Gruppen 46 3.2.2 Anarchistische Organisationen 50 4. Linksextremistischer Terrorismus 51 4.1 Terrorismus - der "Bruch mit dem System" 51 4.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 52 4.2.1 Erneuter Mordanschlag der RAF-Kommandoebene 52 4.2.2 1988 - RAF im Umbruch: Analyseund Neuorientierungsphase 53 4.2.3 1988 - Ausweitung der internationalen Kontakte 54 4.3 Der RAF-Unterstützerbereich und die "Militanten der RAF" 56 4.4 "Revolutionäre Zellen" (RZ)/"Rote Zora" 57 E. Rechtsextremismus 61 1. Allgemeines 61 2. Neonazistische Gruppen 64 2.1 Die "Bewegung" 64 2.2 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 67 2.3 "Nationalistische Front" (NF) 69 2.4 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) 71 2.5 "Deutsche Frauenfront" (DFF) 71 2.6 Neonazizentrum um Ernst TAG 72 2.7 Neonazikreis um Curt MÜLLER 72 2.8 "Deutsche Bürgerinitiative e. V." (DBI) 72 2.9 "Bürgerund Bauerninitiative e. V." (BBI) 72 3. Nationaldemokratische Organisationen 73 3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 73 3.2 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 78 3.3 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) 79 4. "National-Freiheitliche Rechte" 79 4.1 "Deutsche Volksunion - Liste D" 80 4.2 "Deutsche Volksunion e. V." (DVU) 82 5. Sonstige rechtsextremistische Vereinigungen 83 5.1 "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) 83 5.2 "Wiking-Jugend" (WJ) 84 5.3 "Die Deutsche Freiheitsbewegung" (DDF) 84 6. Einflußnahme auf jugendliche Randgruppen 84 7. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus 86 8. Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund 89 9. Maßnahmen gegen rechtsextremistische Aktivisten 90 F. Aktivitäten politisch extremer Ausländer 92 1. Allgemeiner Überblick 92 2. Türken 95 2.1 Allgemeines 95 2.2 Linksextremistische kurdische Gruppierungen 95 2.2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 95 2.2.2 Sonstige linksextremistische kurdische Organisationen 98 2.3 Organisationen der "Neuen Linken" 99 2.4 Orthodox-kommunistische Organisationen 101 2.5 Islamisch-nationalistische Vereinigungen 102 2.6 Rechtsextremistische Vereinigungen 103 3. Araber 104 4. Jugoslawen 105 7 4.1 Allgemeine Übersicht 105 4.2 "Kroatische Staatsbildende Bewegung" (HDP) 106 4.3 "Kroatischer Nationalrat" (HNV) 107 4.4 "Vereinigte Kroaten Europas" (UHE) 108 4.5 Kosovo-albanische Gruppierungen 108 5. Iraner 109 6. Tamilen 110 G. Spionageabwehr und Geheimschutz 111 1. Allgemeiner Überblick 111 2. Die nachrichtendienstliche Bedrohung durch das "Komitee für Staatssicherheit" (KGB) der UdSSR 112 3. Nachrichtendienstliche Anwerbungsversuche 113 4. Reisen in kommunistisch regierte Länder 115 5. Verhalten bei nachrichtendienstlichen Kontakten 117 6. Vorbeugender Geheimschutz 118 Gruppen-, Organisationsund Publikationsregister 119 Übersicht über die wichtigsten linksextremistischen und linksextremistisch beeinflußten Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 124 8 A. Verfassungsschutz in Baden-Württemberg Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen. Über davon ausgehende Gefahren informiert er die politisch Verantwortlichen frühzeitig. Hierdurch versetzt er die zuständigen staatlichen Stellen in die Lage, verfassungsfeindliche Kräfte rechtzeitig und angemessen zu bekämpfen. Der Verfassungsschutz verkörpert damit als Institution den Selbstbehauptungswillen unseres demokratischen Rechtsstaates. Er ist ein tragendes Element unserer streitbaren Demokratie. 1. Gesetzliche Grundlagen Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich genauestens festgelegt. Er agiert somit in keinem "rechtsfreien" Raum. Das (Bundes-) "Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" ist Rechtsgrundlage für das Bundesamt für Verfassungsschutz und zugleich für die Tätigkeit der Landesbehörden für Verfassungsschutz. Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Gesetz das Mindestmaß der von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben umschrieben. Neben diesem Bundesgesetz bestehen in allen Bundesländern eigene Verfassungsschutzgesetze, in denen Aufgaben und Befugnisse der jeweiligen Landesbehörde gesetzlich geregelt sind. Für Baden-Württemberg ist dies das "Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg" von 1978. Darüber hinaus finden sich in zahlreichen weiteren Bundesund Landesgesetzen Rechtsvorschriften, die die Verfassungsschutzbehörden zu beachten haben. 2. Aufbau und Organisation Entsprechend ihrem föderativen Aufbau gibt es in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 12 Verfassungsschutzbehörden. In jedem der 10 Bundesländer und in Berlin (West) arbeitet eine Landesbehörde für Verfassungsschutz, in Baden-Württemberg das Landesamt für Verfassungsschutz. Als Zentralstelle fungiert das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Das Bundesamt hat gegenüber den Landesbehörden allerdings kein allgemeines Weisungsrecht. Es arbeitet mit ihnen aber eng zusammen. 9 Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ist dem Innenministerium unmittelbar unterstellt, dem die Aufsicht über die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung obliegt. Zudem hat das Innenministerium über den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb zu wachen (Dienstaufsicht). Der Personalbestand des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ist im Haushaltsplan des Landes öffentlich ausgewiesen. Danach waren dieser Behörde für das Jahr 1988 insgesamt 411 Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter zugewiesen. An Mitteln standen ihr im Jahre 1988 rd. 25,6 Millionen DM zur Verfügung. 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes Die Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg sind im Landesverfassungsschutzgesetz (LVSG) geregelt. Danach hat die Behörde im wesentlichen den Auftrag, bestimmte als "Bestrebungen" bezeichnete Verhaltensweisen zu beobachten. Im einzelnen handelt es sich um die Beobachtung extremistischer Bestrebungen Bestrebungen in diesem Sinne sind zielgerichtete Aktivitäten, welche die rechtliche und staatliche Grundordnung beeinträchtigen können. Diese Aktivitäten müssen nicht schon gesetzwidrig sein; denn die Tätigkeit des Verfassungsschutzes findet im Vorfeld polizeibzw. strafrechtlicher Relevanz statt. Bloße - wenn auch von verfassungsfeindlicher Gesinnung getragene - Meinungsäußerungen sind für sich genommen jedoch keine für den Verfassungsschutz relevanten "Bestrebungen". Erst recht kann eine wertneutrale oder kritische Haltung dem Staat gegenüber niemals Gegenstand der Beobachtung durch eine Verfassungsschutzbehörde sein. Extremistisch und damit verfassungsschutzrechtlich relevant sind vielmehr nur solche Bestrebungen, die gegen die grundlegenden Prinzipien unserer Verfassungsordnung gerichtet sind. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über das Verbot der rechtsextremistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP) aus dem Jahre 1952 umfaßt die freiheitliche demokratische Grundordnung unveränderliche und nicht abschaffbare fundamentale Prinzipien unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Diese grundsätzlichen Prinzipien umreißen ein Wertsystem, das es dem Volk ermöglicht, selbstbestimmt, in Freiheit und Gleichheit und nach dem Willen der Mehrheit eine rechtsstaatliche Ordnung herzustellen, die eine Gewaltund Willkürherrschaft ausschließt. Zu diesen Prinzipien gehören beispielsweise - die Achtung der Menschenrechte - die Trennung der gesetzgebenden, ausführenden und rechtsprechenden Gewalten - die Unabhängigkeit der Gerichte - die Volkssouveränität 10 - die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Verantwortlichkeit der Regierung - das Mehrparteiensystem und das Recht auf Opposition. Bei der Beobachtung von "Bestrebungen" geht es dem Verfassungsschutz in erster Linie um Aktivitäten von Organisationen. Dabei müssen allerdings zwangsläufig auch die handelnden Personen erfaßt werden, die Mitglieder dieser Organisationen sind oder deren Aktivitäten unterstützen. Beobachtung sicherheitsgefährdender Bestrebungen Neben der Beobachtung des politischen Extremismus obliegt dem Verfassungsschutz die Beobachtung von sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, sofern sie politisch motiviert sind. Solche Bestrebungen können sich gegen die innere oder äußere Sicherheit richten. Beobachtung von die auswärtigen Belange gefährdenden Bestrebungen Darüber hinaus weist das Gesetz dem Verfassungsschutz die Beobachtung von Bestrebungen zu, die durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Unter "auswärtigen Belangen" der Bundesrepublik Deutschland ist das Interesse an möglichst belastungsfreien Beziehungen zu anderen Staaten zu verstehen. Ob die Bundesregierung zu diesen Staaten diplomatische Beziehungen unterhält, ist unerheblich. Eine Gefährdung auswärtiger Belange liegt beispielsweise vor, wenn linksoder rechtsextremistische Ausländerorganisationen ihr Heimatland von deutschem Boden aus mit Gewalt bekämpfen und dadurch unseren Staat möglicherweise in außenpolitische Konflikte und Zwangssituationen manövrieren. Spionageabwehr Schließlich obliegt dem Verfassungsschutz die Spionageabwehr. Das Gesetz spricht von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht. Die strafrechtliche Verfolgung der Spionage obliegt der Justiz und der Polizei. Eine bloß mitwirkende Funktion hat das Landesamt für Verfassungsschutz beim vorbeugenden personellen und materiellen Geheimschutz. Der Verfassungsschutz unterstützt hierbei Behörden und außerbehördliche Stellen bei der Überprüfung von Geheimnisträgern und Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind und berät sie, wie Verschlußsachen durch technische oder organisatorische Sicherheitsmaßnahmen geschützt werden können. Außerdem wirkt das Landesamt für Verfassungsschutz mit bei der Überprüfung von Personen, die sich für eine Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben. Hierbei stellt es der Einstellungsbehörde, die verpflichtet ist, die Verfassungstreue des Bewerbers zu prüfen, auf Anfrage vorhandene Erkenntnisse zur Verfügung. 11 4. Methoden des Verfassungsschutzes Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz darauf angewiesen, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Nachrichten werden zum weit überwiegenden Teil auf offenem Wege beschafft, also so, wie sie jeder andere auch sammeln könnte. Die Mitarbeiter der Behörde werten Zeitungen und Zeitschriften, Flugblätter, Programme, Broschüren und sonstiges Material extremistischer Organisationen aus und besuchen auch deren öffentliche Veranstaltungen. Oftmals reichen die auf diese Art und Weise erlangten Erkenntnisse jedoch nicht aus, um einen objektiven und vollständigen Überblick über verfassungsfeindliche Aktivitäten oder das Tätigwerden gegnerischer Nachrichtendienste zu erhalten. Fehlende Informationen können das Bild verzerren und zu falschen Schlüssen und Entscheidungen führen, die vor allem in sicherheitsempfindlichen Bereichen schwerwiegende Nachteile bewirken können. Gerade die besonders brisanten, verbotenen und unsere Verfassungsordnung angreifenden Aktivitäten werden im Verborgenen gehalten. Agenten oder terroristische Gruppen agieren nicht "auf offenem Markte". Sie wollen gerade nicht durchschaut und entdeckt werden. Um an diese "Bestrebungen" heranzukommen, bedient sich der Verfassungsschutz nachrichtendienstlicher Mittel. Hierzu ist er nach dem Landesverfassungsschutzgesetz ausdrücklich befugt. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln gehören - das Anwerben und Führen von Vertrauensleuten (V-Leuten) in extremistischen oder terroristischen Vereinigungen, - die Observation verdächtiger Personen, - das geheime Fotografieren sowie - sonstige Maßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, daß der Verfassungsschutz Beobachtungen vornimmt (Tarnmittel). Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz ausnahmsweise und nur unter ganz engen gesetzlich normierten Voraussetzungen den Brief-, Postund Fernmeldeverkehr überwachen. Polizeiliche Befugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu. Verfassungsschutz und Polizeibehörden sind in der Bundesrepublik Deutschland voneinander getrennt. Die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes haben keine polizeilichen Befugnisse (Festnahmen, Vorladungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen). Das Landesamt für Verfassungsschutz darf darüber hinaus auch keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden. Diese organisatorische Trennung von Polizei und Verfassungsschutz soll sicherstellen, daß sich der Verfassungsschutz auch nicht ersatzweise polizeilicher Möglichkeiten bedient, um eigene Aufgaben wahrzunehmen. Erscheint aufgrund der dem Verfassungsschutz vorliegenden Informationen ein polizeiliches Eingreifen erforderlich, so wird die zuständige Polizeibehörde von 12 den Beobachtungen unterrichtet. Diese entscheidet dann selbständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 5. Kontrolle Um sicherzustellen, daß die Verfassungsschutzbehörde den ihr vorgegebenen gesetzlichen Rahmen beachtet, wurde eine vielschichtige Kontrolle eingerichtet. Diese Kontrolle wird - neben entsprechenden innerbehördlichen Maßnahmen und der Rechtsund Fachaufsicht durch das Innenministerium - in erster Linie vom Parlament, aber auch von den Gerichten, dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und der Öffentlichkeit ausgeübt. Die parlamentarische Kontrolle obliegt nach SS7 Landesverfassungsschutzgesetz dem Ständigen Ausschuß des Landtags von Baden-Württemberg, dem Mitglieder aller Fraktionen angehören. Ihm ist halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß zu berichten. Für die Wahrnehmung der spezifischen parlamentarischen Kontrolle über die Durchführung des "Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" (G 10) ist ein Gremium bestellt, das aus fünf Abgeordneten des Landtags besteht. Über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen entscheidet für den jeweiligen Einzelfall eine Kommission, die aus drei vom Landtag bestellten Persönlichkeiten besteht. Die Kontrollmaßnahmen umfassen somit die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung. Sie sind ein wirksames Instrument, um unzulässige Arbeitsweisen sowie den Mißbrauch von Informationen zu verhindern. Der Verfassungsschutz unterliegt mithin wie kaum ein anderer Bereich der öffentlichen Verwaltung einer umfangreichen und differenzierten Kontrolle. 13 B. Verfassungsschutz durch Aufklärung Vorträge und Diskussionen zu Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes Der Schutz unserer Verfassungsordnung wird nicht nur dadurch erreicht, daß die Verfassungsschutzbehörden Aktivitäten verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen beobachten, auswerten und Regierung und Parlament davon unterrichten, sondern insbesondere auch dadurch, daß die Bürger selbst über Strategie und Taktik extremistischer Vereinigungen informiert werden. Die Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus kann auf lange Sicht wirkungsvoll nicht nur repressiv vom Staat, sie muß auch politisch von den Bürgern geführt werden. Dies setzt qualifizierte Information voraus. Von dieser Überlegung ausgehend, beschloß die Innenministerkonferenz am 9. Dezember 1974 die Konzeption "Verfassungsschutz durch Aufklärung". Sie umfaßt Information und Aufklärung über - die Verfassung, insbesondere über die Rechte, Pflichten und politischen Beteiligungsmöglichkeiten, die sie den Bürgern einräumt, - extremistische Strategien und Aktionen, verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Sinne der Verfassungsschutzgesetze und ihre ideologischen Hintergründe, - gesetzliche Grundlagen, Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise und Probleme des Verfassungsschutzes. In Baden-Württemberg werden die Aufgaben des Verfassungsschutzes durch Aufklärung vom Referat "Verfassungsschutz" im Innenministerium und durch das Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Im Rahmen dieser Konzeption können kostenlos Referenten zu Vorträgen und Diskussionen über Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes angefordert werden. Das Angebot richtet sich an alle Träger der politischen Bildungsarbeit, an Lehrer, Studenten und Schüler, an Einrichtungen der Erwachsenenund Jugendbildung, an politische Parteien, Gewerkschaften, Berufsund Wirtschaftsverbände sowie an kirchliche Institutionen. 15 Beispielhaft sind hier einige Vorschläge für Vortragsbzw. Diskussionsthemen angeführt: * Verfassungsschutz im demokratischen Rechtsstaat * Verfassungsschutz und Konzeption der wehrhaften Demokratie * Rechtsgrundlagen, Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise der Ämter für Verfassungsschutz * Das Landesverfassungsschutzgesetz vom 17. Oktober 1978 * Die Befugnisse der Ämter für Verfassungsschutz und ihre politische, parlamentarische und gerichtliche Kontrolle * Verfassungsschutz und Datenschutz * Organisation, politische Strategien und ideologische Hintergründe - des Terrorismus - des Linksextremismus - des Rechtsextremismus - des Ausländerextremismus * Bündnispolitik der kommunistischen Parteien und Organisationen * Analyse rechtsextremistischer Propagandaund Agitationsmuster * Spionageabwehr. Interessenten für Vorträge oder Diskussionen können sich an folgende Kontaktanschriften wenden: Innenministerium Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Baden-Württemberg Referat "Verfassungsschutz" - Öffentlichkeitsarbeit - Postfach 10 24 23 Postfach 50 07 00 7000 Stuttgart 10 7000 Stuttgart 50 Tel.: 0711/2072-3768 Tel.: 0711156 61 01 oder 2072-3358 16 C. Jahresrückblick 1988 Die zusammenfassenden Feststellungen für die verschiedenen Beobachtungsfelder des Verfassungsschutzes zum Jahre 1988 sind: Der in den Vorjahren eskalierenden Gewalt linksterroristischer und militanter linksextremistischer Gruppen konnte 1988 weitgehend Einhalt geboten werden. Der Versuch der "Roten Armee Fraktion" (RAF), nach Jahren der Neuorientierung im Spätjahr 1988 eine neue terroristische "Offensive" zu beginnen, ist gescheitert. Zugleich läßt der deutliche Rückgang der von den "Revolutionären Zellen" (RZ) verübten Anschläge (von 20 im Jahr 1987 auf einen im abgelaufenen Jahr) die Wirkung exekutiver Maßnahmen in diesem Bereich erkennen. Auch die Aktivitäten gewaltbereiter Militanter Autonomer konnten nach dem traurigen Höhepunkt des Jahres 1987 (Ermordung von zwei Polizeibeamten an der Startbahn West bei Frankfurt am Main am 2.11.87) spürbar zurückgedrängt werden. Irrig wäre freilich die Annahme, diese Gruppen hätten der Gewalt abgeschworen. Zuverlässige Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden lassen den Schluß zu, daß die terroristische Bedrohung anhält und Vorbereitungen für neue Anschläge laufen. Es besteht mithin kein Grund zur Entwarnung. Ein Beleg für die fortdauernde Bedrohung durch terroristische Gewalttäter ist beispielsweise der feige, zum Glück fehlgeschlagene Mordanschlag auf den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Dr. Hans Tietmeyer am 20.09.88 durch die RAF. Diese Tat war nicht nur als Signal für den Beginn einer neuen terroristischen Offensive gedacht. Sie sollte zugleich das Erreichen einer weiteren Stufe in der angestrebten "Westeuropäischen Guerilla" markieren. Beabsichtigt war nämlich das nahezu gleichzeitige Losschlagen mit den terroristischen italienischen "Roten Brigaden", was nur durch die Verhaftung einer großen Zahl italienischer mutmaßlicher Terroristen und umfassende Maßnahmen der deutschen Sicherheitsbehörden verhindert wurde. Es bleibt aber ernsthaft zu besorgen, daß beide Terrorgruppen ihre begonnene Zusammenarbeit fortsetzen werden. Auch das terroristische Unterstützerfeld, das in Baden-Württemberg nach wie vor etwa 60 von bundesweit rd. 250 Personen umfaßt, ist inzwischen spürbar aktiver geworden. Seit der Inhaftierung eines Angehörigen dieser "Szene" aus Stuttgart Anfang September 1988 kam es landesweit zu zahlreichen Solidaritätsaktionen. Zugleich wurde die Agitation gegen die angeblich "unmenschlichen Haftbedingungen" wieder verstärkt und erneut die Forderung nach Zusammenlegung inhaftierter Terroristen erhoben. Dabei trat diese Szene deut17 lieh aggressiver als bisher, ja teilweise gewalttätig in Erscheinung. Inzwischen schrecken diese Kreise selbst vor tätlichen Angriffen auf Angehörige der Sicherheitsbehörden nicht zurück. Örtliche Schwerpunkte der fanatischen RAF-Unterstützergruppen, die seit Jahren die eigentliche Rekrutierungsbasis für die im Untergrund operierenden "Kommandos" (bundesweit nach wie vor etwa 15 bis 20 Personen) darstellen, sind in Baden-Württemberg unverändert Stuttgart und Karlsruhe sowie - mit einigem Abstand - Heidelberg/Mannheim, Freiburg und Tübingen. Die gerade in Baden-Württemberg erkennbare Annäherung von RAF-Umfeld und Militanten Autonomen hat sich fortgesetzt. Sie hat zwischenzeitlich zu einer punktuellen Zusammenarbeit geführt. Viele Aktionen, etwa in Stuttgart oder Karlsruhe, werden von RAF-Unterstützern und Autonomen gemeinsam geplant und durchgeführt. Zwar ist die Zahl der 1988 von Autonomen verübten Anschläge deutlich zurückgegangen, doch besteht die latente Gewaltbereitschaft des gegenüber 1987 in Baden-Württemberg leicht zurückgegangenen Potentials von rd. 300 Personen (bundesweit etwa 2000) fort. Ihnen gilt nach wie vor die besondere Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden des Landes. Herausragender Schwerpunkt der militanten Autonomen-"Szene" in BadenWürttemberg ist unverändert Freiburg. Eine besonders interessante Entwicklung zeichnete sich 1988 bei den orthodoxen Kommunisten ab. Die seit zwei Jahrzehnten überaus starre und linientreue "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) ist in eine tiefe, ja existentielle Krise geraten. Auslöser war der Reformkurs Gorbatschows, den die Mehrheit der Partei - ähnlich der SED - nicht mitvollziehen will, während eine immer stärker werdende Minderheit darin die einzig reale Chance für kommunistische Politik sieht. Ergebnis dieses Zwiespalts sind heftige interne Flügelkämpfe, Austritte resignierender Parteimitglieder in hoher Zahl, für eine kommunistische Partei unvorstellbar viele Gegenstimmen bei Vorstandswahlen und ein Abbröckeln der Jugendverbände. Inzwischen ist der Mitgliederbestand bundesweit auf unter 35.000 (1987: 38.000) gesunken, in Baden-Württemberg hat die DKP sogar über 10 % der Mitglieder verloren (von 2.700 auf etwa 2.400). Der weitere Weg, den die DKP gehen wird, ist gegenwärtig völlig offen. Eine Spaltung der Partei ist nicht mehr auszuschließen. Im Bereich der dogmatischen "Neuen Linken" haben sich als einzige Organisationen die "Marxistische Gruppe" (MG) und die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) behaupten können. Alle übrigen Gruppen stagnieren oder kämpfen gegen Auflösungserscheinungen. Sie vermögen kaum noch öffentlichkeitsrelevante Aktionen durchzuführen und sind weitgehend nur noch von historischem Interesse. Landesweit zählen rd. 1.000 Personen (bundesweit etwa 7.100 zu diesem Spektrum. Die im Bundesgebiet aktiven rechtsextremistischen Parteien und Vereinigungen konnten im Jahre 1988 die Zahl ihrer Mitglieder weiter erhöhen. Bundesweit waren Ende 1988 in 71 Organisationen etwa 28.300 Personen aktiv (1987: 25.200 in 70 Gruppen). Von der Steigerung profitierte vor allem die erst 1987 gegründete "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU - Liste D) des Münchner in Verlegers Dr. Frey, die ihren Mitgliederbestand von 2.500 auf über 6.000 Angehörige Ende 1988 auszudehnen vermochte. Der zügige bundesweite Ausbau dieser Partei durch Gründung von weiteren Landesverbänden und lokalen Gliederungen sowie aufwendige Mitgliederwerbekampagnen sind ursächlich für diese besorgniserregende Entwicklung. Dagegen blieb die "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit ihren "Aktionsgemeinschaften", die ebenfalls von Dr. Frey angeführt wird, mit weiterhin rd. 12.500 Mitgliedern auf dem Niveau des Jahres 1987. In Baden-Württemberg war die DVU-Liste D Ende 1988 mit einem Landesund vier Kreisverbänden vertreten und zählte rd. 480 Mitglieder. Auch die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) blieb 1988 im leichten "Aufwind" der Vorjahre. Immerhin gelang ihr 1988 bundesweit wieder eine Bestandszunahme von etwa 200 auf nunmehr 6.400 Mitglieder, wobei die Entwicklung in den einzelnen Landesverbänden durchaus unterschiedlich verlief. Mit 1.320 Mitgliedern verfügt die Partei in Baden-Württemberg nicht nur über eine ihrer stärksten Landesorganisationen, sondern sie konnte bei der Landtagswahl am 20.3.88 (2,1 % Stimmenanteil) wie auch bei einigen Wahlen im kommunalen Bereich überregional beachtete Ergebnisse erzielen. Die auch in der Öffentlichkeit bekanntgewordenen internen, teilweise äußerst heftig geführten Streitigkeiten um die Wahlabsprache mit Dr. Frey, die von einer kleinen Fraktion in der NPD initiiert wurden, führten bisher zu keinem sichtbaren Resonanzverlust der Partei. Allerdings wächst innerhalb der NPD die Sorge, der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der DVU-Liste D könnte die NPD in absehbarer Zeit überflüssig machen. Den neonazistischen Gruppen im Bundesgebiet ist es im Jahre 1988 weder gelungen, ihre innere Zerstrittenheit zu überwinden, noch neue Anhänger zu gewinnen. Ihre Zahl ist bundesweit sogar leicht rückläufig (1.480 Ende 1988 gegenüber 1.520 im Jahr davor), während sie in Baden-Württemberg bei rd. 150 (nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften) stagniert. Die Spaltung des wichtigsten neonazistischen Zirkels, der sog. "Bewegung", in zwei verfeindete Lager (Kühnenund Mosler-Gruppe) hat sich 1988 weiter vertieft. Beide Fraktionen stützen sich zusammen auf etwa 500 Anhänger, bei denen es sich zumeist um fanatische Neonazis handelt. Die internen Spannungen wirkten sich auch auf andere neonazistische Organisationen aus, darunter auf die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP). Dies führte auch bei dieser Gruppierung zu Mitgliederverlusten, so daß sie Ende 1988 bundesweit noch etwa 450 Personen (1987: 520) umfaßte. Die Partei ist nun fest in der Hand der Kühnen-Gegner, die beim Bundesparteitag im November 1988 alle wichtigen Positionen übernommen und den bisherigen Vorsitzenden Pape ausgebootet haben. Sorge bereitet vor allem die weiter zunehmende Neigung der zumeist jungen Neonazis zur Gewaltanwendung, die sich vorrangig gegen Ausländer und politische Gegner richtet. Es besteht deshalb aller Anlaß, diesen Bereich nach wie vor mit besonderer Aufmerksamkeit zu beobachten. Neonazis werden auch künftig mit allen erforderlichen und rechtsstaatlich zulässigen Mitteln bekämpft werden, wo und wie auch immer sie in rechtswidriger Form auftreten. In diesem Zusammenhang ist zu erinnern an die unter Federführung des Landeskriminal19 amts Baden-Württemberg durchgeführte bundesweite Aktion gegen mutmaßliche Anhänger der seit 1983 verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten" (ANS/NA), die am 2.3.88 zur Festnahme von vier Tatverdächtigen und zur Sicherstellung umfangreichen Beweismaterials führte. Sie ist - ebenso wie das Verbot der neonazistischen "Nationalen Sammlung" durch den Bundesminister des Innern am 09.02.89 - ein erneuter Beleg für das konsequente Vorgehen des Staates gegen diese Extremisten. Der Erfolg dieser polizeilichen Maßnahmen macht zugleich deutlich, daß Neonazis in Baden-Württemberg auch künftig keine Chance haben, Fuß zu fassen. Die Aktivitäten der Sicherheitsbehörden in diesem Bereich widerlegen zugleich diejenigen, die immer wieder unterstellen wollen, der Staat sei auf dem rechten Auge blind. Von besonderer Brisanz ist nach wie vor der Ausländerextremismus und -terrorismus. Bei der Beobachtung des Ausländerextremismus ist zwar zu berücksichtigen, daß die große Mehrzahl der in Baden-Württemberg gemeldeten Ausländer nach wie vor den Werbungsbemühungen politischer Extremisten widersteht. Darüber hinaus ist die Gesamtzahl der hier agierenden ausländischen Extremisten weiter rückläufig (Ende 1988 noch rd. 16.300 gegenüber 17.300 (1987) und 18.800 (1986) in den Vorjahren). Dies darf aber über die Gefährlichkeit einzelner Gruppen nicht hinwegtäuschen. An erster Stelle steht insoweit unverändert die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die derzeit insbesondere in drei Richtungen agiert - mit unveränderter Intensität unterstützt sie personell und finanziell die Aktivitäten der Kurden in der Türkei; - nach wie vor mit großer Härte geht sie gegen die innerparteiliche Opposition vor, die sich gegen den Kurs des in Damaskus/Syrien residierenden Parteivorsitzenden wendet; - beherrschendes Thema der Parteiaktivität bleibt die Forderung nach Freilassung von 17 im Bundesgebiet inhaftierten Funktionären, gegen die der Generalbundesanwalt beim Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage erhoben hat. Die geheimdienstlichen Aktivitäten der Ostblockstaaten gegen die Bundesrepublik Deutschland halten auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entspannungsbemühungen sowie bedeutsamer innerstaatlicher Reformbestrebungen in der Sowjetunion mit unverminderter Konzentration und unveränderter Zielrichtung an. Trotz oder gerade wegen der Abrüstungsbemühungen der Weltmächte hat die militärische Spionage ihre Bedeutung für die Warschauer Paktstaaten behalten. Daneben ist aber auch eine Zunahme der gegen Industrie und Wissenschaft gerichteten Ausspähungsbemühungen zu verzeichnen, da die insbesondere von der UdSSR mit großem Nachdruck betriebene wirtschaftliche Umgestaltung sich nicht allein aus eigener Kraft realisieren läßt. Der Ostblock ist deshalb dringend darauf angewiesen, sich das fehlende Wissen aus den westlichen Industrienationen zu beschaffen. Die hohe Zahl im Jahr 1988 exekutiv bearbeiteter Spionagevorgänge (bundesweit mehr als 350 Ermittlungsverfahren und über 60 Festnahmen) verdeutlicht die unveränderte nachrichtendienstliche Bedrohung, aber auch die Leistungsfähigkeit einer systematisch betriebenen Spionageabwehr. 20 D. Linksextremismus 1. Allgemeines Der Bereich des Linksextremismus ist seit Jahren in verschiedene, sich gegenseitig befehdende Lager gespalten. Diese grundsätzlichen Abgrenzungen sind zwar auch im Jahre 1988 im wesentlichen erhalten geblieben, doch zeichnen sich an den Rändern, teilweise sogar im Kernbereich, Veränderungen ab. Hiervon erfaßt sind vor allem die Organisationen, die traditionell dem Kommunismus sowjetischer Prägung verbunden sind und deshalb unter dem Oberbegriff "Alte Linke" oder "Orthodoxer Kommunismus" zusammengefaßt werden. Veränderungen zeichnen sich aber auch bei jenen Vereinigungen ab, die sich in ihrer ideologischen Grundhaltung und im taktischen Vorgehen von den orthodoxen Kommunisten entschieden distanzieren und eigene Wege beschritten haben ("Neue Linke"). Eine gewisse taktisch bedingte Öffnung ist bei jenen kleinen linksextremistischen Zirkeln zu erkennen, die ihre Zielvorstellungen mit terroristischen Mitteln durchsetzen wollen ("Linksextremistischer Terrorismus"). QnINKSEHTREM ISMUS HLTE LINKE ^ ( NEUE LINKE~) (TlNKSEHTREMISTISCHER TERRORISMUS "Alte Linke" Die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) bleibt zwar mit ihrem Geflecht von Nebenund beeinflußten Organisationen die personell stärkste und finanziell leistungsfähigste Kraft des politischen Extremismus. Sie befindet sich jedoch derzeit in einer tiefen politischen Krise. Die tragenden ideologischen Säulen der Partei, der Marxismus-Leninismus in der Tradition der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) sowie die Verbundenheit mit den Bruderparteien "Kommunistische Partei der Sowjetunion" (KPdSU) und "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED) sind ins Wanken geraten. Ursächlich hierfür ist die vom sowjetischen Staatsund Parteichef GORBATSCHOW mit den Schlagworten "Umgestaltung" (Perestrojka) und "Offenheit" (Glasnost) eingeschlagene Kurskorrektur, welche die seit jeher streng dogmatisch denkenden deutschen Kommunisten nicht mitvollziehen können oder wollen. Dies hat dazu geführt, daß die DKP ihren in den letzten Jahren in einigen gesellschaftlichen Bereichen gewachsenen politischen Einfluß derzeit vor allem noch über ihr Netz von beeinflußten Organisationen und Initiativen ausüben kann. Es ist noch nicht absehbar, wie die DKP diesen inneren Klärungsprozeß überstehen wird. 21 ( Deutsche Kommunistische Partei (DKP) j SDflJ MSB OFU UUN-BdH i JP SHB KFH2 Friedensliste Nebenorganisalioneo KOMITEES "Nil INITIHTIIIFN BeeioflaOteOtganisatioiien "Neue Linke" In scharfer Abgrenzung zur "Alten Linken" sind seit Ende der sechziger Jahre zahlreiche Gruppierungen der "Neuen Linken" entstanden. Sie orientierten sich von Anfang an den "Weiterentwicklungen" des Marxismus-Leninismus (etwa durch TROTZKI, MAO TSE-TUNG oder Che GUEVARA). Ihre Hoch-Zeit hatten sie in den siebziger Jahren. Heute vermögen sie - ideologisch zerstritten und politisch isoliert - kaum mehr Öffentlichkeitswirksame Aktionen durchzuführen. Lediglich die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) und die "Marxistische Gruppe" (MG) können noch eine gewisse Aufmerksamkeit erregen. Dagegen nahm die sogenannte undogmatische "Neue Linke" in den letzten Jahren ständig an Bedeutung zu, auch wenn sie 1988 ihre Aktivitäten nicht mehr zu steigern vermochte. Bis auf wenige verfestigte Zirkel lehnen die sich selbst Autonome nennenden starre organisatorische Strukturen ab. Vielmehr wollen sie sich in Kleingruppentaktik "Freiräume" (Autonomie) erkämpfen, um dort ein "selbstbestimmtes Leben", frei von gesellschaftlichen Zwängen, aufbauen zu können. Diese autonomen Gruppen orientieren sich bei ihrer Agitation an Aussagen marxistischer, leninistischer oder anarchistischer Theoretiker, um -^ ^C Neue Linke Js^ Dogmatische Neue Linke Undogmatische Neue Linke MLPD MG AUTONOME J * 1 BUIK USP fiNfiR DHISTEN 'i nnnii i KB SONSTIGE SONSTIGE ZJ 22 ihren Haß gegenüber dem "Schweinesystem" zu artikulieren. Gewalt gegen Sachen, immer häufiger aber auch gegenüber Polizeibeamten und politisch Andersdenkenden, wird teils toleriert, teils zur eigentlichen Maxime des Handelns. Hier ergeben sich punktuelle Annäherungen zu terroristischen Gruppen. "Linksextremistischer Terrorismus" Anfang der siebziger Jahre schlössen sich einige radikale Angehörige der zerfallenden Studentenbewegung zur terroristischen "Roten Armee Fraktion" (RAF) zusammen. Sie entwickelten ein elitäres politisches Konzept auf der Grundlage eines - wie sie meinten - den aktuellen Bedürfnissen angepaßten MarxismusLeninismus. Mittels terroristischer Gewaltakte wollten sie eine revolutionäre Situation herbeiführen, die zur Erhebung der Massen und schließlich zur Zerschlagung des bürgerlichen Staates führen sollte. Daher richteten sich die Anschläge der RAF von Anfang an gegen herausragende Persönlichkeiten und Institutionen des Staates und des öffentlichen Lebens. Die "Niederlage des Jahres 1977" führte zu einem entscheidenden Umdenken innerhalb der RAF. Zum einen mußte die "Befreiung der gefangenen Genossen" als auf mittlere Frist unerreichbar verworfen, zum anderen das elitäre, dogmatische Selbstverständnis aufgebrochen und gegenüber der gewaltbereiten extremen Linken geöffnet werden. Dies hatte seit Anfang der achtziger Jahre eine deutliche Reideologisierung der RAF und eine Verbreiterung ihrer Basis zur Folge. Die sich allmählich verfestigenden Kontakte zu anderen westeuropäischen Terrorgruppen beschleunigten die Rückkehr zu marxistisch-leninistischen Positionen und die Erarbeitung eines neuen, breiter angelegten ideologischen Konzepts. Einer der Hauptpfeiler war - und ist - die Errichtung einer "gemeinsamen antiimperialistischen Front aus Guerilla und Widerstand". Dies bedeutet die weitgehende Aufgabe des elitären Selbstverständnisses der "Kommandos" als Avantgarde der revolutionären Linken und die Anerkennung der erstarkenden "Militanten" als gleichberechtigte Ebene. Die vorwiegend im norddeutschen Raum agierenden "Revolutionären Zellen (RZ) sind seit 1973 für zahlreiche schwere Brandund Sprengstoffanschläge verantwortlich. Seit einigen Jahren operiert die "Rote Zora" als Frauengruppe der terroristischen RZ. Die "Revolutionären Zellen" propagieren ein linksterroristisches auf "Vermittelbarkeit" und Nachahmung ausgerichtetes Konzept, das nicht durch dogmatische Starrheit abschrecken, sondern Platz lassen soll für vielfältige politische extreme Zielsetzungen und gewaltsame Aktionsformen. Dadurch erhoffen sie sich Zugang zu militanten Teilen unterschiedlichster Protestbewegungen. Sie empfehlen die Anwendung graduell abgestufter Militanz bis zu "Bestrafungsaktionen" an Repräsentanten des Systems. Die nachfolgende Übersicht vermittelt einen Überblick über das aktuelle zahlenmäßige Potential linksextremistischer Gruppen: 23 Mitgliedschaften linksextremistischen Organisationen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1986-1988 Bereich Mitglieder 1988 1987 1986 Bund Land Bund Land Bund Land Alte (orthodoxe) Linke*) 48000 3250 62000 4030 65000 4200 Kernorganisation DKP 35000 2400 38000 2700 40000 2850 Nebenorganisationen SDAJ 6500 600 15000 1000 15000 1000 MSB Spartakus 3500 150 5000 180 6000 200 JP 3000 100 4000 150 4000 150 Beeinflußte Organisationen VVN-BdA 14000 2000 14000 2200 13500 2000 DFU 1000 150 1000 200 1000 200 Sonstige einige Zehntausend Dogmatische "Neue Unke"*) 7600 1160 6600 1160 6700 1170 hiervon Kernorganisationen 7100 1000 6100 1000 6100 1000 hiervon Nebenorganisationen 500 160 500 160 600 170 Beeinflußte Organisationen 1400 120 1200 150 1100 150 Undogmatische "Neue Linke" nicht eingrenzbarer Personenkreis Anarchisten bundesweit zur Zeit etwa 1100 Gewaltbereite Autonome 2000 300 3000 350 2000 350 Mitgliedschaften insgesamt*) 67000* 4750 81400" 5590 83700" 5770 Mitgliedschaften - nach Abzug 56000" 3990 62000" 4695 63000* 4845 der Mehrfachmitgliedschaften*) Linksextremistischer Terrorismus Kommandoebene 15-20 15-20 15-20 Kämpfende Einheiten schwer eingrenzbare Zahl von Aktivisten Engeres Umfeld 250 60 250 60 200 60 Weiteres Umfeld Kreis von mehreren Hundert Kontaktpersonen *) Ohne Mitglieder beeinflußter Organisation **) Einschließlich Mitglieder linksextremistischer Organisationen, die nicht in Baden-Württemberg vertreten sind. 24 2. "Alte Linke" 2.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Der Marxismus-Leninismus traditioneller Prägung wird in der Bundesrepublik Deutschland von der 1968 gegründeten "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) und ihren Nebenorganisationen getragen. Diese Partei verfolgte bis in die jüngste Zeit völlig unkritisch die von der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) und der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) vorgegebenen ideologischen und taktischen Leitlinien. Erstmals in ihrer Geschichte hat die DKP jetzt größere Probleme, den von der KPdSU vorgegebenen Weg, konkret den von GORBATSCHOW eingeschlagenen neuen Kurs, für die eigene Partei umzusetzen. 2.1.1 Die DKP in der Krise Die DKP befindet sich derzeit - auch nach dem Urteil maßgeblicher Parteifunktionäre - in der schwierigsten Situation seit ihrer Gründung im Jahre 1968. Wesentlich dazu beigetragen haben die von Staatsund Parteichef GORBATSCHOW eingeleiteten tiefgreifenden Reformvorhaben in der Sowjetunion. Seit 1988 ist ein offen und hart geführter Linienstreit zwischen "Traditionalisten" und "Reformern" ausgebrochen, dessen Ausgang noch völlig ungewiß ist. Die "Traditionalisten", welche in der Partei derzeit noch die Mehrheit darstellen, orientieren sich ostentativ an der Politik der SED der DDR, die an dem bisherigen dogmatischen Kurs festzuhalten versucht. Die "Reformer" hingegen wollen die DKP nach dem Vorbild GORBATSCHOWS modernisieren und streben deshalb zunächst ein größeres Mitspracherecht aller Parteimitglieder an. In einer kritischen Analyse zur Lage der Partei hielten die "Reformer" den "Traditionalisten" vor: "Unsere Partei braucht Erneuerung!... Machen wir uns nichts vor: Nach 20 Jahren ist die Lage der DKP äußerst kritisch... Wir haben in wichtigen Kampffeldern politische Führungsfähigkeit verloren. Unser politischer Einfluß als Partei ist zurückgegangen. Daran ändert auch der z. T. beträchtliche Einfluß vieler einzelner Kommunistinnen und Kommunisten in Bewegungen, Betrieben und Gewerkschaften nichts... Immer mehr Mitglieder unserer Partei verlieren den Glauben an die Sinnhaftigkeit ihres Kampfes und ziehen sich zurück; es mehren sich die Austritte. Historischer Optimismus geht verloren. Das deutlichste Indiz: Mit den vorwärtstreibenden Impulsen der kommunistischen Weltbewegung, der von GORBATSCHOW und der KPdSU ausgehenden Hoffnung, werden wir nicht identifiziert." 25 Trotz dieser kritischen Grundstimmung quer durch die ganze Partei versuchte die Führung, mit ihrem umstrittenen Programmpapier "Bundesrepublik Deutschland 2000" die traditionelle Haltung der DKP zur Strategie und Taktik für den Kampf um ihr nächstes Etappenziel, der "Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt", fortzuschreiben. Darin bezeichnete sie sich als "revolutionäre Partei", die mit ihrem "Kampf um Reformen" bessere Voraussetzungen für den Kampf um den Sozialismus schaffen will. Immerhin sah sich die Führung gezwungen, jetzt von einer so nicht erwarteten "längeren Fortexistenz des Kapitalismus in unserem Land" auszugehen. Dennoch stieß der Programmentwurf an der Basis auf deutlichen Widerspruch. Der eine Teil der Kritiker warf den Verfassern vor, die Zeichen der Zeit, die GORBATSCHOW bestimme, nicht erkannt zu haben und eine große Chance der Kommunisten engherzig zu verspielen. Andere drängten auf "mehr Radikalität" und eine Verdeutlichung des "revolutionären Profils" der DKP. Der Programmentwurf sei inhaltlich und sprachlich nicht ausgereift und begründe eine "reformistische Strategie". Auch mit einem weiteren Papier, dem Antragsentwurf an den 9. Parteitag vom 6. bis 8. Januar 1989 "Zur Lage der künftigen Entwicklung der DKP", sah sich die Partei rasch einer weiteren Zerreißprobe ausgesetzt. Auf der 13. Tagung des Parteivorstands am 3./4. September 1988 in Düsseldorf eskalierte der Richtungsstreit. Nach einer "äußerst kontrovers" geführten Debatte verabschiedete das Führungsgremium bei 14 Gegenstimmen und vier Enthaltungen den Entwurf des Papiers als Diskussionsgrundlage zur Vorbereitung des 9. Parteitags. Dem Dokument zur Lage der DKP versagten somit etwa 20 % der Vorstandsmitglieder ihre Zustimmung - eine vor dem noch nie dagewesene Situation in der Parteigeschichte. Die Kritiker argumentieren, die notwendige Erneuerung erfordere - auch angesichts der Ausstrahlung der sowjetischen "Perestrojka" den "Bruch mit bisherigen programmatischen Positionen, strategischen Vorstellungen, politischen und organisatorischen Orientierungen der DKP". Bezeichnenderweise hatte bereits die zur Erarbeitung des Papiers eingesetzte Arbeitsgruppe keine Einmütigkeit erzielt: Sechs ihrer 20 Mitglieder legten ein gesondertes Votum vor. Die "Abweichler", unter ihnen die Vertreter der DKPJugendorganisationen "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund" (MSB) Spartakus, analysierten in ihrem nicht nur abweichenden, sondern grundsätzlichen Kritikpapier "Dogmatismus", "bürokratischen Zentralismus" sowie "mangelnde Kompetenz der Führung" als Hauptursachen für die derzeitige Krise. Im Spätjahr 1988 sah sich die Parteiführung gezwungen, einige formale Änderungen der Organisationsstruktur anzukündigen: - personelle Straffung der obersten Gremien - stärkere Verantwortlichkeiten in der Führungsspitze - größere Beteiligung von Frauen an den Leitungstätigkeiten. Offensichtlich sollten diese Maßnahmen beruhigend wirken. Allerdings haben die vielerorts geführten parteiinternen Diskussionen, die Aufstellung von Alternativkandidaten bei Wahlen innerhalb der Partei und die kritische Beschäftigung mit der Vergangenheit der "kommunistischen Weltbewegung" das Bild der DKP 26 bereits erheblich verändert. Dennoch versucht die Führung, an den Grundsätzen ihrer bisherigen politischen Linie und ihrer straffen Organisationsstruktur festzuhalten. Dies beweist einmal mehr die Aussage des Parteivorsitzenden Herbert MIES, wonach der "demokratische Zentralismus" ebenso unverzichtbar sei wie die "Einheit in allen politischen und idelogischen und weltanschaulichen Grundsatzfragen". Dabei ist zu berücksichtigen, daß auch nach den Ausführungen des sowjetischen Generalsekretärs GORBATSCHOW das unter den Schlagworten "Glasnost" (Offenheit) und "Perestrojka" (Umgestaltung) angelaufene Reformprogramm keineswegs eine Abkehr von den Grundlagen kommunistischer Herrschaft bedeutet. Vielmehr sollen die angestrebten Wandlungen im Parteiund Staatsapparat das gesellschaftliche System in der Sowjetunion lediglich effektiver machen, ohne die entscheidenden Grundziele des Marxismus-Leninismus aufzugeben. So heißt es in der Neufassung des Programms der KPdSU vom März 1986: Sie (Anm.: die Kommunisten) sind von der historischen Unvermeidlichkeit der Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus überzeugt, erkennen klar die objektiven Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution, in welchen Formen - friedlich oder nicht - sie auch verlaufen möge, und verstehen es, die allgemeinen Prinzipien des Kampfes für den Sozialismus auf die konkreten Bedingungen des jeweiligen Landes anzuwenden." Es kann daher auch für die nahe Zukunft kein Zweifel an der verfassungsfeindlichen Zielsetzung der DKP bestehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie den neuen Kurs der KPdSU wider Erwarten voll übernehmen würde. Denn nach Ansicht der DKP bedeuten die internationalen Entspannungsbemühungen der Sowjetunion auf "keinen Fall ein Einfrieren der Klassenkämpfe auf dem gegenwärtigen Stand". Offen bekennt die Partei, daß Kommunisten ihre "weiterführenden gesellschaftlichen Zielvorstellungen" keinesfalls aufgeben werden. Derzeit bestimmt aber nach wie vor Skepsis die offizielle Haltung der DKP gegenüber der politischen Umgestaltung in der Sowjetunion. DKP wie SED nehmen unverändert eine abwartende bis distanzierte Haltung ein. Trotzdem bekundet die DKP ihre "prinzipielle internationalistische Solidarität mit der Partei Lenins auch unter den sich neu herausbildenden Bedingungen", weil ansonsten "die kommunistische Partei der BRD ein entscheidendes Merkmal ihrer kommunistischen Identität verlieren" würde. Als Folge der kontroversen innerparteilichen Diskussion um die Übertragbarkeit der sowjetischen Umgestaltungspolitik auf die DKP leiden Partei und Nebenorganisationen an einer nicht mehr zu verheimlichenden personellen Auszehrung. Kritische Mitglieder verlassen ihre Partei, die ihnen teilweise ein Leben lang politische Heimat war, oder werden ausgeschlossen. Die DKP vermochte auch nicht in Ansätzen das positive "GORBATSCHOW-Image" der öffentlichen Meinung für sich zu nutzen. Vielmehr wurde die innere Zerrissenheit der Partei, die längst in eine offene Krise umgeschlagen ist, beim 9. Parteitag Anfang Januar 1989 allgemein sichtbar. 27 2.1.2 Der 9. Parteitag der DKP Im Zeichen der Krise hielt die DKP vom 6. bis 8. Januar 1989 in Frankfurt am Main ihren 9. Parteitag ab. Der gesamte Verlauf war von heftigen Richtungskämpfen zwischen reformorientierten "Erneuerern" und beharrenden "Traditionalisten" gekennzeichnet. Wesentliche Ergebnisse waren die Niederlage der Reformer, die bei den Wahlen zum nunmehr 98köpfigen Parteivorstand in der Minderheit blieben, sowie der einschneidende Vertrauensverlust für die Parteiführung. Der bisherige Vorsitzende Herbert MIES mußte sich bei der Wiederwahl mit einem für eine kommunistische Partei erstaunlichen Stimmenergebnis von 71,8 % und seine Stellvertreterin Ellen WEBER mit nur 67,7 % begnügen. Der neugewählte DKP-Vorsitzende räumte in seinem Rechenschaftsbericht einen dramatischen Rückgang der Mitgliederzahlen sowie ein starkes Nachlassen der Mobilisierungsfähigkeit der Partei ein. Erstmals auf einem DKP-Parteitag wurde dem "Kapitalismus" eine längere Überlebensfähigkeit bescheinigt als bisher angenommen. Aus diesem Grund müsse man sich auf eine lange Übergangszeit einstellen, ehe man den Sozialismus erkämpfen könne. Nachdrücklich bekräftigte MIES die (verfassungsfeindliche) Zielsetzung der DKP: die Partei halte an den politisch-ideologischen Grundsätzen des Marxismus-Leninismus fest. Wegen der heftigen Flügelkämpfe konnte eine Flut von Anträgen der Parteibasis nicht behandelt werden. Einigkeit bestand im Grunde lediglich darin, daß mit dem 9. Parteitag der "krisenhafte Zustand der DKP noch längst nicht überwunden" werden konnte. So ist für Anfang 1990 ein Sonderparteitag geplant, auf dem der weitere politische Kurs der DKP festgelegt werden soll. Wie auf früheren Parteitagen der DKP nahmen wieder führende Vertreter kommunistischer Bruderparteien aus den Ländern des "real existierenden Sozialismus" teil. Auch hier wurden die tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten innerhalb der kommunistischen Parteien deutlich. Während ein Spitzenfunktionär der KPdSU in seiner Grußansprache die gemeinsamen Ziele hervorhob und sich gegen jeden ideologischen Dogmatismus wandte, lobte ein hoher SEDVertreter die DKP als eine entschlossene "revolutionäre Kampfpartei der Arbeiterklasse" und verwies auf die Vielfalt von Wegen zum Aufbau des Sozialismus. 2.1.3 Organisation, Mitgliederentwicklung und Finanzen Zwar hatte die DKP noch aus Anlaß des 20. Jahrestags ihrer Konstituierung ihren angeblich gewachsenen "Einfluß auf die Arbeiterklasse" gerühmt. Gleichzeitig mußte sie jedoch bereits einräumen, daß die Mitgliederentwicklung "seit 1986 stark rückläufig" sei und derzeit "kaum noch neue Mitglieder aus der Arbeiterklasse" gewonnen werden könnten. Auf dem DKP-Parteitag Anfang Januar 1989 sah sich der Vorsitzende dann gezwungen, einen Rückgang der Mitgliederzahl um mehr als zehntausend (von angeblich 57.802 im Jahre 1986 auf nunmehr 47.513) bekanntzugeben. Tatsächlich fiel der Mitgliederbestand, der 1987 noch bei rund 38.000 gelegen hatte, inzwischen auf unter 35.000. 28 Mitgliederentwicklung der DKP in Baden-Württemberg in den Jahren 1984-1988 42000 T (1 40000 *- t : g I 38000 1 e 36000 d ' 34000 r 32000 30000 -- Jahre >> jgß^ 1985 1986 1987 1938 Die Gründe für diese negative Bilanz sind in erster Linie in der aufgezeigten krisenhaften Entwicklung der Partei sowie in den Auswirkungen der Anfang 1988 abgeschlossenen Neuausgabe der Mitgliedsbücher und der damit verbundenen Karteibereinigung zu sehen. Als Erklärung für die erheblichen Mitgliederverluste führte die Partei an, besonders ins Gewicht falle eine "große Gruppe von häufig politisch-ideologisch begründeten Austritten", aber auch "Resignationstendenzen" und "Veränderungen" im "persönlichen Bereich". Zu häufig komme es auch immer noch zu "leichtfertigem Umgang mit Streichungen" bei der Ausgabe neuer Mitgliedsbücher. Insgesamt gesehen verlaufe die "deutlich gesteigerte Qualität der politischen Verankerung" von Kommunisten in Gewerkschaften und Betrieben nicht adäquat zur Mitgliederentwicklung. Während bis zum 8. Parteitag (1986) angeblich eine starke Zunahme der Mitglieder zu verzeichnen gewesen sei, müsse seitdem "ein Auseinanderklaffen der Schere zwischen zurückgehenden Neuaufnahmen und ansteigenden Mitgliederverlusten" festgestellt werden. Probleme sieht die Partei auch bei der Aufnahme neuer Mitglieder aus Schichten, "die mit der Entfaltung der wissenschaftlich-technischen Revolution sowohl qualitativ als auch quantitativ ein noch größeres Gewicht im gesellschaftlichen Leben" erlangten. Für solche Mitglieder sei es wesentlich schwieriger, sich die "Demokratie und Zentralismus verbindenden Organisationsprinzipien der marxistischen Partei" anzueignen, als das bei "Arbeitermitgliedern" der Fall sei. 29 Lieber die (c)Faust auf den Tisch als die Hände in der Tasche Mitmachen - Mitglied werden! Aufkleber der DKP DKP Die Partei verfügt nach eigenen Angaben über eine soziologische Struktur, die sie eindeutig als "Arbeiterpartei" ausweise. Sie bestehe zu 70,4 % aus Arbeitern, Angestellten, Auszubildenden oder Arbeitslosen, Hausfrauen und Rentnern. Der Anteil von Mitgliedern mit Fachhochschulund Hochschulabschluß nähere sich einem Anteil von etwa einem Drittel. Der Frauenanteil sei auf nunmehr 43,4 % gewachsen. Die Analyse der Altersstruktur mache jedoch deutlich, daß sie sich "bedenklich nach oben verschoben" habe und daß sich die DKP in der Öffentlichkeit "eher als eine Organisation der 30-40jährigen" präsentiere. Die Unterrepräsentanz der Jugend verstehe die Partei als Aufforderung zur Unterstützung, Hilfe und Förderung der ihr "nahestehenden marxistischen Jugendund Studentenverbände". Die DKP, die trotz aller Versuche reform bereiter Mitglieder unverändert an den leninistischen Organisationsprinzipien wie demokratischer Zentralismus, Parteidisziplin, Verbot der Fraktionsbildung festzuhalten versucht, wird vom Parteivorstand und dessen Präsidium (Sitz: Düsseldorf) geführt. Den nach regionalen Gesichtspunkten gegliederten 12 Bezirksorganisationen sind zahlreiche Kreisorganisationen und Örtliche Parteigruppen (sogenannte Grundeinheiten) nachgeordnet. Der für Baden-Württemberg verantwortlichen DKP-Bezirksorganisation mit Sitz in Stuttgart unterstehen 23 Kreisorganisationen mit ingesamt 152 (1987: 167) Grundeinheiten (Wohngebiets-, Betriebsund Hochschulgruppen). 30 Die seit 1986 festzustellende kontinuierliche Verringerung der Zahl der Grundeinheiten in Baden-Württemberg hat sich weiter beschleunigt. Sie resultiert aus einer unumgänglich gewordenen Zusammenlegung von Wohngebietsgruppen, vor allem aber aus dem Zerfall von Betriebsgruppen (Rückgang um 11 auf jetzt 39) infolge stark zurückgegangener Betriebsarbeit und der Konzentration auf deutlich weniger Betriebe. Die Mitgliederentwicklung der DKP war in Baden-Württemberg wie in der Gesamtpartei weiter rückläufig. Sie ging auf nunmehr 2.400 Mitglieder (1987: unter 2.700) zurück. Mitgliederentwicklung der DKP im Bundesgebiet in den Jahren 1984-1988 2000 2500 2000 1500 Jahre >> Dem negativen Trend im Mitgliederbereich entspricht die weiter schwindende Resonanz der DKP bei den Wählern. So war die Partei zwar bei der Landtagswahl am 20. März 1988 in Baden-Württemberg noch ohne Probleme in der Lage, in allen 70 Wahlkreisen mit eigenen Kandidaten anzutreten, doch mußte sie im Vergleich zur Landtagswahl 1984 erneut Verluste hinnehmen. Sie erreichte ein viele Mitglieder enttäuschendes Gesamtergebnis von 11.406 Stimmen = 0,2 % (1984: 13.620 Stimmen = 0,3 %). Dabei konnte die Partei nur in wenigen Städten (z. B. in Heidelberg, Heidenheim und Mannheim) Stimmen hinzugewinnen. Der von ihr erhoffte "Beitrag zur Stärkung der Linkskräfte" in Baden-Württemberg blieb somit aus. Zur Finanzierung des unverändert kostspieligen Parteiapparats und ihrer vor allem publizistischen Aktivitäten, die aus dem Beitragsund Spendenaufkommen der Mitglieder nicht im entferntesten bestritten werden können, blieb die DKP auch im Jahre 1988 auf beträchtliche finanzielle Zuwendungen aus der DDR (über 65 Millionen DM jährlich) angewiesen. 31 2.1.4 Parteipresse und Verlagswesen Als Kernstück ihrer politisch-ideologischen Arbeit betrachtet die DKP seit Jahren ihr umfangreiches und breit gefächertes Publikationsund Verlagswesen. Wichtigstes Propagandainstrument blieb ihr Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ), die einzige kommunistische Tageszeitung in der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings hielt der Rückgang der Auflage an, die derzeit noch etwa 21.000 (Wochenendausgabe 39.000) Exemplare beträgt. Um den Unmut vieler Parteimitglieder aufzufangen, zeigt die "UZ" inzwischen ein größeres Maß an Offenheit und veröffentlicht mehr kritische Leserzuschriften und Diskussionsbeiträge als in früheren Jahren. Der 1987 gemachte Vorschlag, die Wochenendausgabe zu einer eigenständigen kommunistischen Wochenzeitung mit "Massencharakter" umzugestalten, wurde inzwischen vom Parteivorstand wieder zurückgenommen. Ferner werden von der Bundespartei wie auch von den Bezirksorganisationen zahlreiche Informationsschriften sowie das theoretische Organ "Marxistische Blätter" und die Zeitschrift "praxis - Erfahrungen aus dem Leben und der Arbeit der Partei" herausgegeben. Daneben erscheint - zumeist unregelmäßig - eine große Zahl sogenannter DKP-Kleinzeitungen auf Kreisund Ortsebene. Im Jahre 1988 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 77 (1987: 75) dieser Publikationen festgestellt. Außerdem unterhält die Partei ein umfangreiches Publikationsangebot. Dabei stützt sie sich mit ihren Vorfeldorganisationen hauptsächlich auf die "Hausdrukkerei" "PLAMBECK & Co. Druck und Verlag GmbH", Neuss. Hier werden fast alle Veröffentlichungen der DKP, ihrer Nebenund mehrerer von ihr beeinflußter Organisationen (einschließlich des Agitationsmaterials für große Kampagnen) gedruckt und verlegt. Von den weiteren Verlagen, die vorrangig in die kommunistische Propagandaarbeit einbezogen sind, ist vor allem der "Pahl-Rugenstein Verlag" in Köln zu nennen. Vertrieben werden die Produkte des DKP-gesteuerten Verlagsnetzes u.a. über die etwa 30 "AKZENT"-Buchhandlungen mit vier Niederlassungen (Freiburg, Heidelberg, Mannheim und Stuttgart) in Baden-Württemberg. 2.1.5 Hauptfelder der Agitation Im Mittelpunkt der aufgrund der innerparteilichen Situation insgesamt eingeschränkten Aktivitäten standen die fortgesetzten Anstrengungen, Einfluß auf Gewerkschaften und Arbeitnehmer zu gewinnen. In der Gewerkschaftsarbeit wertete es die DKP als Fortschritt, daß fast 70 % der Parteimitglieder gewerkschaftlich organisiert seien - einen ähnlich hohen Anteil könne keine andere politische Partei in der Bundesrepublik Deutschland vorweisen. Nahezu ein Fünftel aller gewerkschaftlich organisierten DKP-Mitglieder sei in gewerkschaftliche Funktionen berufen worden. Aus ihrer "Verankerung" in den Gewerkschaften zieht die DKP den Schluß: 32 Die Mehrheit von mehreren tausend Kommunistinnen und Kommunisten in Vertrauensleutekörpern, Betriebsräten und Gewerkschaften hat dazu beigetragen, ... einem auf die Verteidigung der Arbeiterinteressen orientierten kämpferischen Kurs in wichtigen Teilen der Gewerkschaften stärker zum Durchbruch zu verhelfen." Für ihre betrieblichen Aktivitäten verfügt die DKP nach eigenen Angaben über etwa 400 Betriebsgruppen im Bundesgebiet. In Baden-Württemberg ist jedoch deren Zahl im Zuge nachlassender Betriebsarbeit auf 39 gegenüber 50 aktiven Betriebsgruppen im Jahre 1987 zurückgegangen. Zu den vom DKP-Vorstand festgelegten "Kampfaufgaben" für 1988 zählte die Partei vor allem die Unterstützung der Aktionen der Stahlarbeiter. Im Rahmen ihrer Beteiligung an den "Arbeiterkämpfen" in Hattingen und Rheinhausen vermochte sich die DKP zeitweise medienwirksam in Szene zu setzen. Auch in Baden-Württemberg gelang es ihr beispielsweise bei Aktionen in Mannheim gegen in Aussicht genommene betriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen punktuell einen gewissen Einfluß zu erringen. Unveränderte Schwerpunktaufgabe für die DKP und ihre Vorfeldorganisationen ist die Beteiligung am "antifaschistischen Kampf". Bei Aktionsbündnissen unterschiedlicher gesellschaftlicher Kräfte gegen Aktivitäten von Rechtsextremisten spielen orthodoxe Kommunisten vielerorts inzwischen eine maßgebliche Rolle. Auch die Einflußnahme auf die "Friedensbewegung" blieb ein wichtiges Aktionsfeld der Partei. Dazu gehörten die Beteiligung an Ostermärschen und anderen Großdemonstrationen ebenso wie das Auftreten bei öffentlichkeitswirksamen Kongressen "berufsspezifischer Friedensinitiativen". Allerdings beklagt die DKP selbst in diesem Bereich - wie auch in anderen Bündnissen - ein nachlassendes Engagement der Parteimitglieder. Insgesamt zog die Partei bei ihrer Bündnispolitik weitgehend eine positive Bilanz. Sie stellte nicht ohne Grund fest, daß es ihr trotz eigener innerer Probleme gelungen sei, die politische Isolierung zu durchbrechen und in einer Reihe von außerparlamentarischen Bewegungen eine wichtige Rolle zu spielen. Dabei ist ihr taktisches Vorgehen von entscheidender Bedeutung: Ihre Mitglieder vertreten häufig Forderungen, die für sich genommen keineswegs verfassungsfeindlich sind. Damit soll der Partei ein demokratischer Anstrich gegeben werden. Die DKP erhebt nach eigenem Bekunden in Bündnissen "keinen Führungsanspruch" und respektiert "die organisierte Selbständigkeit der Partner". Dabei steht für sie jedoch außer Frage, daß die "kommunistische Partei ihre organisatorische, politische und ideologische Selbständigkeit unter allen Umständen bewahren muß". Weder "die Partei als Ganzes" noch ihre einzelnen Mitglieder sollen in Bündnissen aufgehen. Bemerkenswert waren die Versuche der DKP, zu einer positiveren Einstellung gegenüber den anarchistisch orientierten Autonomen zu kommen. Dazu führte 33 Unsere Zukunft Gemeinsam gegen Rechts Neonazis statt Raketen Plakat der DKP 34 das theoretische Organ der DKP, die "Marxistischen Blätter", aus, daß sich die heutigen Autonomen von den Maoisten der siebziger Jahre durch einen "weitgehenden Verzicht auf Antikommunismus und Antisowjetismus" unterschieden. Es sei an der Zeit, daß Marxisten das Gespräch mit Autonomen suchten, da das "Bedürfnis nach ernsthafter Beschäftigung mit der Theorie und Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus vor allem bei vielen jugendlichen Anhängern der Autonomen" groß sei. Je mehr von diesen erkennen würden, daß "Militanz und Massenwirksamkeit in der Politik nicht gegeneinander gestellt werden" sollten, desto besser würden sich die "Möglichkeiten für gemeinsames Handeln" entwickeln. 2.2 Nebenorganisationen der DKP Um den Parteinachwuchs sicherzustellen und um ihren Einfluß bei Jugendlichen zu vergrößern, bedient sich die DKP einer Reihe von Nebenorganisationen. Diese sind formal selbständig, standen aber der Mutterpartei bis in die jüngste Zeit politisch sehr nahe. Im Jahre 1988 sind freilich alle drei Jugendverbände zu massiver Kritik der offiziellen dogmatischen Parteilinie übergegangen. 2.2,1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die DKP-Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) befindet sich wie die "Mutterpartei" in einer krisenhaften Phase, die durch die Konfrontation gegensätzlicher Strömungen gekennzeichnet ist. Während die Mehrzahl ihrer Mitglieder der politischen Entwicklung in der Sowjetunion betont aufgeschlossen gegenübersteht und für durchgreifende Reformen auch in der SDAJ eintritt, legte sich eine starke Gruppe - entsprechend der von DKP und SED vertretenen politischen Linie - auf eine eher distanzierte Beurteilung der Reformbestrebungen fest. Die "Traditionalisten" vertreten die Ansicht, daß die von GORBATSCHOW entwickelten Vorstellungen nur bedingt für eine Umsetzung auf den eigenen Verband geeignet sind. Die gegensätzlichen Lager spiegeln sich auch in den Aussagen der eigens als Diskussionsforum neu herausgegebenen Mitgliederzeitung "Offener Kanal" wider. Die bisherige Arbeit des SDAJ-Bundesvorstands stößt zum Teil auf harsche Kritik. Bemängelt wird von dem "Reformflügel" insbesondere, daß zu wenig Demokratie innerhalb der SDAJ herrsche und den Gruppen kaum Unterstützung bei der Umsetzung von Beschlüssen des Bundesvorstands gegeben werde. Die Reformgegner befürchten dagegen, daß die SDAJ durch eine "Demokratisierung" und die weitgehende Übernahme der Vorstellungen GORBATSCHOWS ihren Charakter als "revolutionärer Jugendverband" verlieren könnte. Zum Thema "Demokratie und Meinungsvielfalt" heißt es in einem Beitrag im SDAJ-Jugendmagazin "elan": 35 "...Weil Sozialismus Herrschaft der Arbeiterklasse ist, glaubten wir, er sei beinahe automatisch demokratisch. Doch echte Demokratie setzt Meinungsvielfalt und Offenheit voraus. Wenn diese fehlen, verschließt sich die Gesellschaft neuen Ideen. Der Mangel an demokratischer Kontrolle führt zu Personenkult, Machtmißbrauch und Verbrechen." Die innere Zerrissenheit der SDAJ spiegelt sich vor allem in einem eklatanten Rückgang der Mitgliederzahlen und einem erheblichen Verlust an Aktionsfähigkeit wider. Während bundesweit 1987 rund 15.000 Jugendliche in der SDAJ organisiert waren, gehörten ihr Ende 1988 nur noch 6.500, davon in BadenWürttemberg etwa 600 (1987: 1.000) Mitglieder an. 2.2.2 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus" Zwar blieb der "Marxistische Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus" auch 1988 die mitgliederstärkste linksextremistische Studentenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland, doch mußte der Vorsitzende auch dieses Verbands erhebliche Verluste einräumen. Bundesweit dürfte die DKPStudentenorganisation nur noch über etwa 3.600 Mitglieder (1987: 5.000) - davon etwa 150 in Baden-Württemberg - verfügen. Weitere Träger orthodox-kommunistischer Hochschularbeit sind die DKP-Hochschulgruppen, in denen alle an der Hochschule studierenden und beschäftigten DKP-Mitglieder organisiert sind. Zentrales Thema des MSB war im Jahre 1988 die Fortsetzung der bereits im Jahr zuvor entbrannten Diskussion um die innerorganisatorische "Erneuerung". Diese wurde schließlich auf einem Programmkongreß, der vom 7. bis 9. Oktober 1988 in Hamburg stattfand, vollzogen. Die Delegierten verabschiedeten nach längerer Diskussion nahezu einstimmig den Leitantrag des Bundesvorstands, mit dem Politik, Arbeitsweise und Organisationsformen des MSB in Richtung auf eine größere Demokratisierung und Kritikfähigkeit neu bestimmt wurden. Die Organisation machte aber zugleich deutlich, daß sie damit keineswegs den Klassenkampf und ihr sozialistisches Ziel aufgebe. Vielmehr gehe es darum, beide Ziele entsprechend den "realen Bedingungen in der BRD" fortzuentwikkeln. Deshalb seien auch Brüche mit der bisherigen Theorie und Praxis erforderlich. Erstmals in seiner Geschichte erhob der MSB schwere Vorwürfe gegen die DKP. Das "prinzipiell freundschaftliche Verhältnis" zwischen beiden Organisationen wurde schwer belastet, nachdem die DKP den Vorwurf erhoben hatte, der MSB sei eine "reformistische Organisation". Der MSB seinerseits kritisierte besonders die Haltung der Partei gegenüber der Entwicklung in der Sowjetunion. Während heute - so der MSB - zahlreiche andere politische Kräfte die Losung "Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!" für sich entdeckten, hätten insbesondere die Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland damit ihre Schwierigkeiten. 36 Unverändert wichtigster Bündnispartner des MSB ist der "Sozialistische Hochschulbund" (SHB). Mit ihm arbeitet der MSB seit Jahren fest zusammen. 2.2.3 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) Obwohl die DKP der Kinderund Jugendarbeit traditionell einen hohen Stellenwert beimißt, blieben auch die mit ihr eng verbundenen "Jungen Pioniere" (JP) nicht von dem Abwärtstrend verschont. Während 1987 bundesweit noch rund 4.000 (Baden-Württemberg etwa 150) Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren in den JP organisiert waren, ging die Zahl 1988 auf unter 3.000 (Baden-Württemberg: 100) zurück. Auch die Aktivität ging 1988 spürbar zurück. So mußte auf die bundesweiten JP-Kampagnen "Für Frieden und Abrüstung", mit denen Kinder für den "realen Sozialismus" begeistert und für die JP gewonnen werden sollten, verzichtet werden. Lediglich die seit Jahren stattfindende Kinderferienaktion in der DDR, in deren Rahmen auch 1988 wieder zahlreiche Kinder in einem zentralen Pionierlager in Papstdorf, Bezirk Dresden, untergebracht waren, wurde erneut durchgeführt. Pfingstcamp für alle Kinder von 6 bis 14 Jahren 21. bis 23. Mal Clara-Zetkln-Waldhelm, Stuttgart-Sillenbuch Kosten: DM 4 0 . - Kinderferien in der DDR 3.-19.7.1988 In Pabstdorf/Sächsische Schweiz für Kinder von 10 bis 14 Jahren Kosten: DM 150.(Jedes weitere Kind DM 100.-) Ferien mit den Jungen Pionieren und der DKP sind Erholung, Spiel, Sport, Feste... Die Kinder wohnen im Ferienlager in Bungalows, erfahrene Betreuer aus der Bundesrepublik sind mit dabei. Auf die Kinder wartet ein tolles Programm, sie treffen Kinder aus anderen Ländern, schließen Freundschaften, lernen die DDR und ihre Menschen kennen. Anmeldung bis 20. Anzeige von DKP und JP Von den wenigen noch aktiven JP-Gruppen in Baden-Württemberg vermochten nur einzelne durch attraktive Programme, die als Höhepunkt die Teilnahme an einem der verschiedenen "Pfingstcamps" vorsahen, Kinder auf sich aufmerksam zu machen bzw. deren Bindung an die JP-Gruppe zu festigen. Vorträge und Gesprächsrunden zur "Friedensarbeit", zu Problemen der "Dritten Welt" und andere aktuelle Themen dienen dabei der politischen Beeinflussung der Kinder im kommunistischen Sinn. 37 2.3 DKP-beeinflußte Organisationen Da Kommunisten, wenn sie im politischen Raum als solche auftreten, zumeist auf Ablehnung stoßen, benutzt die DKP seit Jahren eine Vielzahl von bundesweit agierenden Organisationen und lokalen Initiativen, um ihre Ziele zu erreichen. Charakteristisch für all diese Organisationen ist, daß sie politische Ziele verfolgen, die mit denen der DKP ganz oder teilweise übereinstimmen. Dadurch unterstützen sie die Bestrebungen der DKP. Darüber hinaus liegen entscheidende Funktionen vor allem in den Vorständen und Sekretariaten in den Händen kommunistischer oder prokommunistischer Funktionäre. Diese im Sprachgebrauch der DKP als "Bündnisoder Massenorganisationen" bezeichneten Vereinigungen geben sich nach außen meist unabhängig und demokratisch, werden in Wirklichkeit aber über die maßgeblichen Funktionäre von der DKP erheblich beeinflußt und von ihr häufig auch materiell unterstützt. Typisch für beeinflußte Organisationen ist zugleich, daß ihnen auch Personen angehören, die keine Kommunisten, sondern unter Umständen sogar Mitglieder demokratischer Parteien und Organisationen sind. Sie verfolgen die Teilziele der Organisation und erkennen dabei entweder den erheblichen kommunistischen Einfluß nicht oder erkennen ihn und nehmen ihn in Kauf oder versuchen sogar in Einzelfällen, ihn zurückzudrängen. Die wichtigsten dieser Organisationen sind: - die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VNN-BdA) - die "Deutsche Friedens-Union" (DFU) - das "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) - die "Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e. V." (VDJ). 2.3.1 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) Die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) blieb auch 1988 der bedeutendste Bündnisverband der DKP. Mit bundesweit etwa 14.000 Mitgliedern ist sie die mitgliederstärkste DKP-Vorfeldorganisation. In Baden-Württemberg mußte die Vereinigung jedoch - einhergehend mit einem Rückgang ihrer Aktivitäten - Mitgliederverluste hinnehmen. Derzeit sind im Landesverband noch rund 2.000 Mitglieder (1987: 2.200) organisiert. Der kommunistische Einfluß auf die VVN-BdA ist auf Bundesund Landesebene nach wie vor bestimmend. Das zeigt auch die personelle Besetzung des Landesvorstands in Baden-Württemberg, der - ähnlich wie das Bundespräsidium - zu mehr als der Hälfte mit DKP-Mitgliedern besetzt ist. Publizistisches Sprachrohr der Vereinigung ist die gemeinsam mit der "Deutschen Friedens-Union" (DFU) herausgegebene "Volkszeitung". 38 Schwerpunkte der VVN-BdA-Agitation blieb auch 1988 der "Kampf gegen Antikommunismus und Neofaschismus". So nutzte sie den 55. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung am 30. Januar zur Darstellung "antifaschistischer" Bündnispolitik. An der aus diesem Anlaß durchgeführten Demonstration in Stuttgart, an deren Vorbereitung und Ablauf sie sich neben demokratischen Organisationen maßgeblich beteiligte, nahmen etwa 7.500 Personen teil. Schriften der WN/BdA Als weiteres historisches Datum "der politischen Auseinandersetzung um das Selbstverständnis der BRD" betrachtete die VVN-BdA den "50. Jahrestag der Reichspogromnacht" am 9. November 1988, zu dem sie zahlreiche Veranstaltungen organisierte. In der Beteiligung an Aktionen anläßlich solcher Jahrestage sieht die VVN-BdA neue Möglichkeiten, "um grundlegende Forderungen für eine antifaschistische Bundesrepublik zu verankern und durchzusetzen". Daneben sieht die Vereinigung im Rahmen ihres "Friedenskampfes" die Unterstützung der "Friedensbewegung" als eine ihrer vordringlichen Aufgaben. Laut ihrem "Orientierungsund Aktionsprogramm" versteht sie sich als "aktive, zugleich einigende Kraft" in der "Friedensbewegung". So beteiligte sie sich - wie schon in den vergangenen Jahren - maßgeblich an der Durchführung der regionalen Ostermärsche in Baden-Württemberg. Ein bemerkenswerter Annäherungsprozeß findet derzeit zwischen der VVN-BdA und der "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT), einer Bündnisorganisation der dogmatischen "Neuen Linken", statt. Während sich in der Vergangenheit Organisationen der "Alten Linken" und der "Neuen Linken" auf das Heftigste bekämpften, kommt es inzwischen vielerorts zu Aktionsbündnissen gegen Veranstaltungen rechtsextremistischer und rechtsgerichteter Organisationen unter ständiger Beteiligung von VVN-BdA und VOLKSFRONT. 39 2.3.2 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) Die bundesweit etwa 1.000 Mitglieder (Baden-Württemberg: 150) zählende "Deutsche Friedens-Union" (DFU) nimmt ebenfalls eine wichtige Rolle in der kommunistischen Bündnispolitik ein. In enger Abstimmung mit der DKP hatte sie in den vergangenen Jahren wesentlichen Anteil an der Organisation des kommunistischen "Friedenskampfes". Daneben steuerte sie das Wirken der "Krefelder Initiative", die sich als Sammelbecken der "berufsbezogenen Friedensinitiativen" versteht, und koordinierte die von ihr initiierte Kampagne gegen angebliche "Berufsverbote" im öffentlichen Dienst. Zu den herausragenden Aktivitäten der Vereinigung gehörten 1988 die Organisierung des 7. Forums der "Krefelder Initiative" sowie die Mitwirkung an der Planung und Durchführung der landesweiten Ostermärsche. Ferner war die DFU an bundesweiten Protestaktionen der "Friedensbewegung" gegen die NATO beteiligt. Eine gewichtige Rolle spielt sie - im Zusammenwirken mit Vertretern demokratischer Parteien und Organisationen - auch bei der bundesweiten Kampagne gegen den Bau des "Jägers 90". Der Einfluß der DFU auf verschiedene Bewegungen und Initiativen wird vor allem durch einen aufwendigen und leistungsfähigen "Organisationsapparat" mit einer Reihe hauptamtlicher Funktionäre - darunter zahlreiche Kommunisten - ermöglicht. 3. "Neue Linke" 3.1 Dogmatische "Neue Linke" 3.7.7 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Im Vergleich zu den meisten anderen linksextremistischen Vereinigungen, die unter internen Krisen und Mitgliederschwund leiden, hat sich die 1982 gegründete "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) auch 1988 als eine ideologisch geschlossene und aktive Kaderorganisation behaupten können. Sie ist allerdings weitgehend isoliert und betreibt keinerlei aktive Bündnispolitik. Die MLPD sieht sich als eine den Lehren von MARX, ENGELS, LENIN, STALIN und MAO TSE-TUNG verpflichtete Partei. Als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse" will sie "nach dem Sturz der Diktatur der Monopolkapitalisten" die Staatsmacht erobern und dann die "Diktatur des Proletariats" errichten. Unverändert kritisch steht sie sowohl der politischen Entwicklung in China als auch dem Reformkurs des Generalsekretärs der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU), Michael GORBATSCHOW, gegenüber. Dieser wird als "neuer revisionistischer Betrug" verurteilt, der letztlich nur die Weiterentwicklung des "bürokratischen Kapitalismus" in der Sowjetunion begünstige. Mit unverhohlener Genugtuung kommentierte die MLPD deshalb auch die innerparteiliche Krise der DKP und empfahl sich enttäuschten DKP-Mitgliedern als Alternative. 40 Änderungen in der Organisationsstruktur waren 1988 nicht festzustellen. Die Partei gliedert sich unverändert in 16 Bezirke, denen über 100 Ortsgruppen und Stützpunkte nachgeordnet sind. Der Sitz der Parteizentrale ist weiterhin in Essen. In Baden-Württemberg gliedert sich die MLPD in vier Bezirksverbände, denen derzeit insgesamt 29 Orts-, Stadtteilund Wohngebietsgruppen (1987: 35) unterstellt sind. Konstant blieb auch die Mitgliedersituation. Bundesweit verfügt die MLPD über etwas mehr als 1.300 Mitglieder, davon rund 700 in Baden-Württemberg. Hinzu kommt eine nicht exakt eingrenzbare Zahl von Sympathisanten. Die Partei finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden sowie aus den Einnahmen aus Veranstaltungen und der Agitationsund Progagandaarbeit. Hinweise auf finanzielle Zuwendungen von dritter Seite liegen nicht vor. Um ihre verfassungsfeindlichen Ziele und politischen Auffassungen zu verbreiten, bedient sich die MLPD einer Vielzahl von Zeitschriften, Broschüren und Flugblättern. Druck und Vertrieb dieses umfangreichen Materials erfolgen im wesentlichen über den Verlag "Neuer Weg" (Sitz: Düsseldorf) sowie über die Ernst-THÄLMANN-Buchhandlungen in Stuttgart und Essen. Wichtigstes Sprachrohr blieb die seit April 1988 mit veränderter Titelseite erscheinende Wochenzeitung "Rote Fahne". Trotz Wiederaufnahme des Kiosk-Verkaufs stagniert freilich deren Auflagenhöhe bei etwa 10.000 Exemplaren. Daneben werden von der MLPD noch vorwiegend für Mitglieder bestimmte Zeitschriften herausgegeben. Diese bundesweit vertriebenen Parteipubliktionen werden auf örtlicher Ebene ergänzt durch eine Vielzahl sogenannter Kleinzeitungen, die jedoch sehr unregelmäßig erscheinen. In Baden-Württemberg sind 1988 noch 26 dieser Kleinzeitungen (12 Stadt-/Stadtteilzeitungen und 14 Betriebszeitungen) bekanntgeworden. Es ist davon auszugehen, daß die Zahl der MLPD-Betriebsgruppen in etwa mit der der Betriebszeitungen identisch ist. Zu den herausragenden Ereignissen des Jahres 1988 zählte die MLPD ihren III. Parteitag. Dieser wurde - wie schon die vorausgegangenen - unter konspirativen Umständen vom 17. bis 19. Juni 1988 in Duisburg abgehalten. Neben der Verabschiedung des Rechenschaftsberichts des "Zentralkomitees" (ZK) und der Neuwahl der Leitungsgremien stand die Festlegung der künftigen Arbeitsschwerpunkte im Mittelpunkt der Arbeit der Delegierten. So will sich die Partei 1989 an den Europaund Kommunalwahlen beteiligen, die "Einheit der internationalen marxistisch-leninistischen und der Arbeiterbewegung" festigen und den "Marxistisch-Leninistischen Bund Intellektueller" (MLBI) reorganisieren. Den Abschluß des Parteitags bildete eine öffentliche Großveranstaltung am 16. Juli 1988 in Köln mit etwa 1.800 Teilnehmern. Mit großem propagandistischen Aufwand führten die MLPD und ihre Jugendorganisationen am 21 ./22. Mai 1988 in Stuttgart ein Pfingstjugendtreffen durch. Etwa 7.500 überwiegend jugendliche Besucher beteiligten sich an Sportund Theaterveranstaltungen, Diskussionsrunden und einer Demonstration. 41 Auf internationaler Ebene versuchte die MLPD, die Kontakte zu ihren maoistischen "Bruderparteien" enger zu knüpfen. Diesem Zweck diente auch die vom 1. bis 4. April 1988 an einem geheimgehaltenen Ort in der Bundesrepublik Deutschland von der MLPD ausgerichtete "Internationale Konferenz marxistisch-leninistischer Parteien und Organisationen aus Europa und Lateinamerika". Bis 1990 soll eine weitere internationale Konferenz einberufen werden und eine "INTERNATIONALE ARBEITERHILFE" als Massenorganisation zur gegenseitigen Unterstützung der "Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrükkung durch Imperialismus und Sozialimperialismus" gegründet werden. ' : ^ii!Sihifete. iL LANNEE.ENCOREKUSNISSMTETEKOREPLUSCOMBflTTflllV % "IHREM iO. JAHR "OCH STÄRKER, HOCH lÄMWfSISCHEB YIUNDA DAHA GUCLU, DAHA SSAVA$KAN Plakat des MLSV Das Hauptagitationsfeld der Partei, die überwiegend verdeckt betriebene Betriebsund Gewerkschaftsarbeit, wurde durch verschiedene Ausschlußverfahren seitens der Gewerkschaften gegenüber einzelnen Parteimitgliedern erneut empfindlich gestört. Zur Erweiterung ihrer Einflußmöglichkeiten bedient sich die MLPD mehrerer bundesweit tätiger "Massenorganisationen": - "ARBEITERJUGENDVERBAND/Marxisten Leninisten" (AJV/ML) mit der Kinderorganisation "ROTFÜCHSE" - "Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband" (MLSV) und - "Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller" (MLBI). Unzufrieden zeigte sich die MLPD vor allem mit der Arbeit des MLBI. Eine Verbesserung erhofft sie sich von dem auf dem III. Parteitag gefaßten Beschluß 42 zur Erneuerung des MLBI. Dieser müsse zu einer wirklichen Massenorganisation unter den werktätigen Intellektuellen entwickelt werden. Nach der Gründung sogenannter Frauengruppen der MLPD soll deren Aufbau weiter forciert werden. 3.1.2 Marxistische Gruppe" (MG) Die revolutionär-sozialistische "Marxistische Gruppe" (MG) konnte ihre führende Stellung unter den Organisationen der dogmatischen "Neuen Linken" weiter ausbauen. Bundesweit gehören der Vereinigung derzeit mindestens 3.000 Mitglieder (1987: etwa 1.800) an. Die MG hat darüber hinaus noch mehrere tausend Anhänger, die in sogenannten Sympathisantenplenen zusammenkommen und dort geschult werden. Obwohl die Organisation bis heute über kein verbindliches Programm verfügt, übt sie eine gewisse Anziehungskraft besonders auf junge Intellektuelle aus. Ihr offen zutage tretender politischer Zynismus und eine maßlose Kritik an den verschiedensten gesellschaftlichen Entwicklungen scheinen bei den Anhängern der MG auf Resonanz zu stoßen und eine kritische Auseinandersetzung mit der eher dürftigen ideologischen Grundlage zu verhindern. Marxistische, leninistische und anarchistische Elemente sind nicht zu übersehen. Interessanterweise werden grundlegende Positionen LENINs von der Gruppe strikt abgelehnt. Ideologische Basis für die MG sind vielmehr verschiedene Versatzstücke der Gesellschaftsinterpretation von Karl MARX, mit der sie sich intensiv auseinandersetzt. Sie betrachtet sich selbst als eine kommunistische Organisation, die die kapitalistische Gesellschaftsordnung durch eine sozialistische Revolution überwinden will. Die Anwendung von Gewalt hält die MG dabei für unumgänglich, wenngleich sie derzeit - wohl aus taktischen Gründen - auf Anwendung von physischer Gewalt verzichtet. Um zu gegebener Zeit die Zerstörung unseres Gemeinwesens in ihrem Sinne lenken zu können, erscheint es der MG momentan sehr viel wichtiger, die Schaltstellen des Staates und des "Kapitals" Zug um Zug mit ihren Anhängern zu besetzen. Der möglichst unauffällige "Marsch durch die Institutionen" Staat und Wirtschaft bleibt daher ihr erklärtes Ziel. Die MG ist nach den leninistischen Merkmalen einer Kaderpartei organisiert: streng hierarchischer Aufbau, straffe Disziplin, elitäres Gruppendenken, intensive Schulung und betont konspiratives Verhalten kennzeichnen die Organisation. Die totale Einbindung der Mitglieder in die Gruppenhierarchie wird verbunden mit einem regelrechten Kult um die Führungsfunktionäre. Aspekte eines sektenähnlichen Erscheinungsbilds sind offenkundig. Organisatorischer Schwerpunkt der MG ist Bayern, die Zentrale sitzt in München. Die Leitungskader dort sind ebensowenig gewählt wie die hauptund nebenamtlichen örtlichen Funktionäre. Eigenen Angaben zufolge will die Vereinigung über Stützpunkte in nahezu allen Universitätsstädten im Bundesgebiet verfügen. Überall ist die MG stark darauf bedacht, ihre Gliederung und personelle Zusammensetzung geheimzuhalten. Ihre offensichtlich guten finanziellen 43 Verhältnisse lassen sich durch die überaus hohen Beiträge ihrer überwiegend gutverdienenden akademischen Anhängerschaft erklären. Zentrale Publikationsorgane der MG sind die "MSZ -Marxistische Streitund Zeitschrift - Gegen die Kosten der Freiheit" und die "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ). Zusätzlich werden eine Vielzahl örtlicher Hochschulund Schulzeitungen sowie Betriebs-, Branchenund Regionalausgaben der MAZ herausgegeben. Das theoretische Organ der Gruppe erscheint unter dem Namen "Resultate". November/Dezember 1 MSZ Gegen die Kosten der Freiheit Gorbatschow den guten Ruf Kommunismus ruiniert Regionale Konflikte der Freien Welt: Was Nebenfronten deutschen Historikern von gewaltigem Interesse zur Judenverfolgung Golfkrieg - Afrika - Südamerika einfällt Zeitschrift der MG Auch in Baden-Württemberg konnte die MG 1988 den Aufbau ihrer Organisation weiter vorantreiben. Ihr Mitgliederbestand wuchs auf mindestens 120 Personen (1987: 90). Hinzu kommt ein Sympathisantenkreis von etwa 150 bis 180 Personen. MG-Aktivitäten waren im vergangenen Jahr in mehreren Universitätsstädten im Land festzustellen, Schwerpunkte sind jedoch nach wie vor Stuttgart und der Raum Tübingen. In beiden Orten verfügt sie über Buchläden, die als Kontaktund Kommunikationsadressen dienen. An zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen zu aktuellen Themen nahmen bis zu 250 Personen teil. Neben diesen öffentlichen Veranstaltungen versuchte die Gruppe durch Publikationen und massive Störaktionen - vor allem im Vorlesungsbetrieb der Universitäten - auf sich aufmerksam zu machen. 44 3.1.3 Sonstige Organisationen "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Die Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) ist 1986 als Zusammenschluß der "Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" - KPD - und der trotzkistischen "Gruppe Intemtionale Marxisten" (GIM) entstanden. Sie versteht sich selbst als eine "kleine sozialistische Partei" und verfolgt - gestützt auf die marxistische Theorie - den Aufbau einer "revolutionären Massenpraxis". Diesem Anspruch konnte die Organisation freilich bisher nicht gerecht werden. Die Zahl ihrer Mitglieder ging weiter zurück. Bundesweit gehören der VSP derzeit noch etwa 450 Personen (1987: 500) an, etwa 50 bis 60 in BadenWürttemberg. Die bereits 1986 begonnenen Verhandlungen mit dem "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) über einen Zusammenschluß wurden zwar fortgeführt, erbrachten aber wegen der nach wie vor bestehenden ideologischen Differenzen noch keine konkreten Ergebnisse. Agitationsschwerpunkt im Jahre 1988 war die Kampagne gegen die "Internationalen Währungsfonds" (IWF). Immerhin erreichte die VSP mit ihrem vierzehntägig erscheinenden Zentralorgan "Sozialistische Zeitung" (SoZ) eine gewisse Aufmerksamkeit im linksextremistischen Lager. "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der 1980 gegründete marxistisch-leninistische "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) hat weiter an Bedeutung verloren. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, daß einzelne BWK-Mitglieder sich mehrfach als Initiatoren und Organisatoren zahlreicher Aktionsbündnisse hervortaten. Die Mitgliederzahl der Organisation stagniert bundesweit bei unter 300 Personen. Der Landesverband Baden-Württemberg mußte sogar Mitgliederverluste in Kauf nehmen; ihm gehören noch etwa 70 Personen (1987: 100) an. Die BWK eigene "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung, Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH" (GNN) gibt neben dem vierzehntägig erscheinenden Verbandsorgan "Politische Berichte" auch Publikationen anderer Organisationen und Aktionsbündnisse heraus. Bei den Bemühungen um einen Zusammenschluß mit der VSP waren keine Fortschritte zu verzeichnen. Seinen Einfluß festigen konnte der BWK lediglich in der früher von der KPD gesteuerten "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT), der bundesweit unverändert etwa 600 Personen angehören dürften. Agitationsschwerpunkt der VOLKSFRONT blieb der "antifaschistische Kampf". 45 "Kommunistischer Bund" (KB) Der überwiegend im norddeutschen Raum aktive "Kommunistische Bund" (KB) verfügt unverändert über etwa 400 Mitglieder. Die wenigen in Baden-Württemberg tätigen Anhänger der Organisation beschränkten ihre Aktivität im wesentlichen auf die Verbreitung des Zentralorgans "Arbeiterkampf" (AK) sowie auf die gelegentliche Beteiligung an Aktionsbündnissen. "Trotzkistische Vereinigungen" Der organisierte Trotzkismus in der Bundesrepublik Deutschland ist unverändert durch die Existenz mehrerer, zumeist mitgliederschwacher Vereinigungen gekennzeichnet. Sein Mitgliederpotential hat sich bundesweit zwar leicht vergrößert, bleibt aber unbedeutend. In Baden-Württemberg vermochte einzig der "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) durch gelegentliche öffentliche Veranstaltungen sowie das Verteilen seiner Wochenzeitung "neue ARBEITERPRESSE" auf sich aufmerksam zu machen. 3.2 Undogmatische "Neue Linke" 3.2.7 Autonome Gruppen Ihren Haß gegen den demokratischen Rechtsstaat und seine Institutionen haben militante autonome Zirkel auch 1988 wieder mit zahlreichen Gewaltakten zum Ausdruck gebracht. "Macht kaputt, was euch kaputt macht" lautet die Parole, die den Kampf gegen jegliche staatliche und gesellschaftliche Ordnung auf einen Nenner bringt. Ohne feste organisatorische Zusammenhänge sowie ohne einheitliches ideologisches Konzept wollen Angehörige des schwer überschaubaren Spektrums der anarchistisch orientierten Autonomen "selbstbestimmt" über ihre Widerstandsformen entscheiden. Statt langfristiger, bis ins Detail gehender Strategien werden spontane Aktionen befürwortet, die einerseits Ausdruck der "Befreiung" der Persönlichkeit sein sollen und andererseits den Zweck verfolgen, in der Auseinandersetzung mit dem "System" unberechenbar und flexibel zu bleiben. Nicht alle, die sich als "Autonome" verstehen, sind zur Gewaltanwendung bereit. Daß sich der militante Teil dieser Bewegung jedoch längst nicht mehr auf Gewalt gegen Sachen beschränkt, sondern auch Gewalt gegen Personen bis hin zu Tötungsdelikten als geeignetes Mittel im "Kampf gegen das System" ansieht, ist seit den tödlichen Schüssen an der Startbahn West im November 1987 offenkundig. Ein Beitrag in dem Autonomen-Blatt "Radikal" Nr. 135 vom Oktober 1988 zeigt, wie sich Militante mit diesem Thema auseinandersetzen: In unserer Militanz unterscheiden wir nicht zwischen 'Gewalt gegen Sachen' und 'Gewalt gegen Personen'. Wir unterscheiden zwischen Beteiligten und Unbeteiligten. Unbeteiligte wolten wir nicht bedrohen, gefährden 46 oder schädigen. Wer sich jedoch für Recht und Ordnung, als Objektschutz oder Denunziant in unsere Praxis einmischt, macht sich zum Beteiligten wie jeder Staatsbüttel... Politischen Mord machen wir von folgenden Bedingungen abhängig: - von der politischen Notwendigkeit... - vom politischen Nutzen... - vom politischen Kräfteverhältnis... Auf dieser Grundlage wollen wir die Diskussion um politischen Mord führen." Seit Jahren hat die Erkenntnis, ohne ein Mindestmaß an verbindlicher Organisation keine "wirksame revolutionäre Bewegung" aufbauen zu können, zu Diskussionen um den Aufbau von sogenannten Strukturen geführt. Die Autonomen sind bemüht, den selbst erkannten "diffusen Charakter" der "Szene" zu überwinden. Bislang ist es jedoch nur in Ansätzen gelungen, mehr als meist kurzfristige Aktionseinheiten herzustellen. Plaktat der "Autonomen" Das Schwerpunktthema, mit dem sich die autonome Szene in unterschiedlicher Intensität im Jahre 1988 beschäftigte, war die Jahrestagung des "Internationalen Währungsfonds" (IWF) und der Weltbank Ende September 1988 in Berlin. Diesen Institutionen wurde vorgeworfen, als "Instrument imperialistischer Herrschaft und Ausbeutung" für Armut und Elend in Ländern der sogenannten Dritten Welt mitverantwortlich zu sein. Die Kampagne gegen die Politik von IWF 47 und Weltbank war von einem breiten Bündnis getragen worden, an dem sich neben dem gesamten linksextremistischen Spektrum auch zahlreiche demokratische Gruppierungen beteiligten. Gewaltbereite Autonome bereiteten sich unter dem Motto "Verhindern wir den Kongreß" darauf vor, während der Dauer der Tagung "an allen Ecken und Enden Sand ins Getriebe des kapitalistischen Alltags - in Berlin, aber gerade auch anderswo" zu streuen. In Baden-Württemberg gab es im Vorfeld der Tagung zahlreiche Zusammenkünfte, Demonstrationen und Farbschmierereien unter maßgeblicher Beteiligung der Autonomen. An einer Demonstration in Stuttgart am 10. September 1988 nahmen rund 1.500 Personen teil. Plakat Autonomer Mehrere hundert Militante aus dem gesamten Bundesgebiet reisten im September 1988 mit der Absicht nach Berlin, gemeinsam mit der dortigen "Szene" die Stadt in einen "Hexenkessel" zu verwandeln. Zahlreiche Anschläge, darunter 18 Brandstiftungen, verursachten hohe Sachschäden. Im Schutz größerer Menschenmengen gelang es den Autonomen immer wieder, Gewalttätigkeiten durchzuführen. Durch gezielte Maßnahmen der Sicherheitsbehörden wurde die geplante Eskalation jedoch verhindert; die Tagungen von IWF und Weltbank selbst verliefen ungestört. Den gewaltbereiten Linksextremisten ist es in Berlin gelungen, in einem relativ breiten Bündnis führend mitzuwirken und mit militanten Protestformen erneut die Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Das angestrebte Ziel der Autonomen, mit der IWF-Kampa48 gne eine Basis für eine längerfristige "antiimperialistische, antipatriarchalische Bewegung" zu schaffen, ist zwar nicht erreicht worden, doch wurden punktuell auch noch nach der Tagung Gewaltakte durchgeführt, die mit dem Thema IWF begründet wurden: So verübten unbekannte Täter am 4. November 1988 auf eine Bank in Freiburg einen Brandanschlag, der einen Sachschaden von ca. 30.000,DM verursachte. Das Selbstbezichtigungsschreiben prangert die Auswirkungen des Kapitalismus aus der Sicht der Täter wie folgt an: "in dieser realität von 24 stunden konkurrenz, konsum, entfremdung und Vereinzelung gibt es keine andere möglichkeit aus diesem teufelskreis auszubrechen, als gemeinsam zu kämpfen, sich als mensch zu begreifen, heißt, überall dort, wo die herrschenden unsere gefühle und regungen bestimmen wollen, unsere Solidarität und Selbstbestimmung entgegenzusetzen ... entwickelt die offensiven momente der anti-iwf-kampagne weiter!" Neben der Anti-IWF-Kampagne waren die Themen Asylpolitik, "Antifaschismus" sowie die sogenannte Antipatriarchatsdiskussion weitere Aktionsfelder autonomer Zirkel in Baden-Württemberg. In Freiburg und in Karlsruhe spielt auch der sogenannte Häuserkampf noch immer eine Rolle. In einem in Karlsruhe verbreiteten Papier zu einer Hausbesetzung wird deutlich, wie die von der "Szene" geforderten "Freiräume" erlangt werden sollen: Fangen wir an, im Alltag, in unseren Wohnund Arbeitsverhältnissen ihre Gesetze von Eigentum, Geld und Zwang zu mißachten - nehmen wir uns, was wir brauchen!" Die Entwicklung militanter Aktionen verläuft seit Jahren in relativ unberechenbaren Bahnen. Auf Phasen erhöhter Aktivität folgen Perioden der Unsicherheit und der Suche nach neuen Zielen. Mit ihren Gewalttaten verursachten Autonome zwar auch im Jahre 1988 wieder beträchtliche Sachschäden, doch im Vergleich zu den Vorjahren ist die Zahl der Ausschreitungen und Anschläge deutlich zurückgegangen. Bevorzugte Anschlagsziele blieben öffentliche Einrichtungen, Firmen, Banken und Bundesbahnstrecken. Energieversorgungsunternehmen waren nur noch selten betroffen. Freiburg ist nach wie vor der örtliche Schwerpunkt militanter Linksextremisten in Baden-Württemberg. Weitere gewaltbereite Zirkel agieren in Karlsruhe, Stuttgart, Heilbronn, im Raum Tübingen/Reutlingen sowie in Oberschwaben. Dem schwer eingrenzbaren Spektrum der gewaltbereiten Autonomen sind bundesweit gegenwärtig etwa 2.000, in Baden-Württemberg etwa 300 Personen zuzurechnen. Unter diesen entfällt der weitaus größte Teil auf die Altersgruppe der 25 bis 34jährigen. Die seit geraumer Zeit in Baden-Württemberg zu beobachtende Annäherung zwischen gewaltbereiten Autonomen und RAF-Unterstützern setzt sich fort. Ohne von den eigenen Vorstellungen im Grundsatz abzurücken, sind Angehö49 rige beider Bereiche zu einem gewissen Zusammenwirken bereit. Das gemeinsame Feindbild, eine grundsätzliche Solidarität gegenüber staatlichen Repressionsmaßnahmen und die Gewaltbereitschaft haben bei verschiedenen Themenkomplexen die unterschiedlichen politischen Standpunkte vielfach in den Hintergrund treten lassen. Für die Zukunft muß damit gerechnet werden, daß personelle und aktionsmäßige Verflechtungen eine Abgrenzung zwischen Angehörigen des RAF-Umfelds und Teilen der Autonomen immer schwieriger werden läßt. 3.2.2 Anarchistische Organisationen Nach wie vor sind im Bundesgebiet anarchistische Gruppierungen verschiedenster Ausrichtung aktiv. Die anarchosyndikalistische "Freie Arbeiter Union" (FAU) strebt eine "revolutionäre Veränderung" an und kämpft für die "Abschaffung des Staates". Die "radikale Umwälzung" soll von den Beschäftigten in den Betrieben ausgehen. Die FAU sieht es deshalb als ihre Aufgabe an, eine "revolutionäre Gewerkschaftsarbeit zu entwickeln". Der Parlamentarismus wird strikt abgelehnt. Zur Durchsetzung ihrer Ziele propagiert die FAU "sämtliche Mittel der direkten Aktion, wie z. B. Streiks, Boykotts, Fabrikbesetzungen, Sabotage etc.". In Baden-Württemberg bestehen Stützpunkte der FAU in Baden-Baden, Heidelberg, Mannheim und Stuttgart. Die 1983 durch Abspaltung von der FAU entstandene und mit ihren Aktivitäten weitgehend auf den Raum Heidelberg begrenzte "Freie Arbeiter Union - Heidelberg (Anarchisten)" FAU-HD (A) sieht sich als Vereinigung "revolutionärer Anarchisten", die "nach der bewaffneten Zerschlagung des jetzigen bürgerlichen Staatsapparates einen neuen Staat ablehnt". Nach den Vorstellungen der FAU-HD (A) soll die freiheitliche demokratische Grundordnung durch "rätedemokratische Strukturen" ersetzt werden. Zur Verwirklichung dieses Ziels will sie sich einer zu schaffenden bundesweiten "Anarchistischen Partei" als einer "Avantgardeorganisation der Arbeiterklasse und des Massenproletariats" bedienen. Mit dem Ziel, auch unter Studenten Mitglieder zur gewinnen, agiert als Nebenorganisation der FAU-HD (A) der Studenten verband "Freie Arbeiter Union - Studenten (FAUST). Daneben existiert seit 1986 die "Schwarze Garde" (SG), die zwar ihrem Anspruch als "Massenorganisation" der FAU-HD (A) in keiner Weise gerecht wird, nach eigenem Bekunden aber inzwischen über Stützpunkte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verfügt. Ihre Publikationen sind gekennzeichnet durch aggressive Polemik gegenüber politisch Andersdenkenden und Repräsentanten des Staates. So werden Angehörige der Polizei als "grüne Bestien der Herrschenden" verunglimpft und gedroht "Erst wenn wir die Bullen, die zum Schutz der Bonzen da sind, vernichten, kommen wir an die anderen ran!" 50 Daneben sind im Bundesgebiet noch weitere anarchistische Kleinzirkel aktiv. Gewisse überregionale Bedeutung kommt dem "Forum für Libertäre Information" (FLI) zu, das die bundesweit vertriebene anarchistische Vierteljahreszeitschrift "Schwarzer Faden" herausgibt. Redaktion und Verlag dieser Publikation (Auflage 2.500 Exemplare) befinden sich in Grafenau, Kreis Böblingen. Von anderen anarchistischen Organisationen unterscheidet sich die "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FöGA) vor allem dadurch, daß sie in einer angeblich gewaltfreien Revolution, der sogenannten Graswurzelrevolution, die Herrschaft des Staates durch die "Macht von der Basis her" ersetzen und so eine "tiefgreifende gesellschaftliche Umwandlung" " erreichen will. Der Weg zu dieser neuen Gesellschaftsordnung soll durch "massenhaften zivilen Ungehorsam" erreicht werden. Dazu zählen neben Besetzungen, Blockaden sowie dem Generalstreik - trotz der von ihr propagierten Gewaltlosigkeit - unter Ausschluß lebensschädigender Gewalt auch Sabotage und Sachbeschädigungen. Die 1990 aus einem Netzwerk "Gewaltfreier Aktionsgruppen" gegründete FöGA litt allerdings in den letzten Jahren unter einer starken Fluktuation ihrer Anhänger und der Auflösung einiger ihr angehörender sogenannter Basisgruppen. Die Gründe hierfür dürften in den anhaltenden finanziellen, vor allem jedoch in den organisatorischen und ideologischen Problemen zu suchen sein, durch die interne Auseinandersetzungen unvermeidbar wurden. Insbesondere die hohen idealistischen Ansprüche der FöGA sowie ihre basisdemokratischen Strukturen ließen sie mehr und mehr zu einem schwerfälligen, handlungsunfähigen Apparat werden. Das Sprachrohr "Graswurzelrevolution", das zu einem großen finanziellen Defizit führte, wird seit Juni 1988 unter demselben Titel in veränderter Aufmachung von einem neuen, aus Baden-Württemberg stammenden Redaktionsgremium als ein von der FöGA formal unabhängiges Projekt erstellt. Als offizieller Herausgeber fungiert der Verlag "Graswurzelrevolution e. V." mit neuem Sitz in Heidelberg. Im Jahr 1988 konzentrierten sich die Aktionen der FöGA vor allem auf die Bereiche Antiimperialismus, Anti-AKW-Arbeit und Antisexismus. Schwerpunktthema der einzigen in Baden-Württemberg tätigen Gruppierung war der Bereich Antisexismus. 4. Linksextremistischer Terrorismus 4.1 Terrorismus - der "Bruch mit dem System" Terroristische Aktivitäten, also der systematische, aus dem Verborgenen geführte Kampf für politische Ziele mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum Dritter, gehen in der Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der siebziger Jahre vor allem von der "Roten Armee Fraktion" (RAF) und den terroristischen Kleingruppen der "Revolutionären Zellen" (RZ) sowie deren Frauengruppe "Rote Zora" aus. 51 Das Konzept des "bewaffneten antiimperialistischen Kampfes" wird bereits im sogenannten "legalen" Umfeld der RAF, also der Unterstützerebene, vermittelt, aus dem sich letztlich das Potential des im Untergrund tätigen sogenannten Kommandobereichs rekrutiert. Wenn der Einstieg in den engeren Kreis des terroristischen Umfelds einmal vollzogen ist, hat nicht nur eine Identifizierung mit der Ideologie und Praxis der RAF stattgefunden, sondern auch eine Anpassung der Lebensgewohnheiten an die besonderen Anforderungen der Unterstützertätigkeit. Das weitgehende Abstreifen "bürgerlicher Zwänge" kennzeichnet den Versuch, ein Leben außerhalb der Gesellschaft ohne Bindungen und Erwartungen an sie und unter Ablehnung ihrer Normen zu führen. Privatleben und politische Agitation als "Antiimperialist" sind identisch. Der Kollektivgedanke ist stark ausgeprägt, die Zugehörigkeit zur Gruppe politisch Gleichgesinnter hat gegenüber - ohnehin meist kurzlebigen - persönlichen Bindungen Vorrang. In eine geregelte Berufsausübung werden trotz häufig vorhandener Qualifikation normalerweise keine Zeit und Kraft investiert, materielle Bedürfnisse sind auf ein geringes Maß reduziert. Hohe Mobilität und häufiger Wohnungswechsel (meist wird in Wohngemeinschaften zusammengelebt) sind gleichfalls bezeichnend für die "Szene". Nicht nur die Verinnerlichung der Ideologie der RAF, sondern auch die jahrelange Gewohnheit an die spezifische Lebensweise des terroristischen Umfelds (was die Existenz zwischenmenschlicher Beziehungen nahezu ausschließlich in diesem Kreis bedeutet), haben eine große Kluft zwischen RAF-Aktivisten und der Gesellschaft entstehen lassen. So knüpfen oft selbst Haftentlassene nach Verbüßung jahrelanger Freiheitsstrafen dort politisch wieder an, wo sie bei ihrer Festnahme aufgehört haben. Auch mit fortschreitendem Alter ist nicht zwangsläufig ein Rückzug aus dem "antiimperialistischen Kampf" feststellbar: einige der langjährigen und maßgeblichen Unterstützer befinden sich nunmehr im fünften Lebensjahrzehnt. Die gelebte Forderung nach "vollständigem Bruch mit dem System", die Definition des Lebens außerhalb unserer Gesellschaft erst als wirkliche "Befreiung" zeigen auf, wie schwierig ein Loslösen von RAF-Aktivisten aller Ebenen aus dieser Verstrickung und eine Wiedereingliederung sind. 4.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 4.2.1 Erneuter Mordanschlag der RAF-Kommandoebene Mit dem fehlgeschlagenen Mordanschlag auf den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Dr. Hans TIETMEYER am 20. September 1988 in Bonn-Bad Godesberg durch das RAF-Kommando "Khaled AKER" endete zunächst eine nahezu zweijährige Phase, in der keine Gewalttaten der Kommandoebene der RAF oder von Gruppen der "zweiten kämpfenden Ebene" der Terrorgruppe, der "Kämpfenden Einheiten", zu verzeichnen waren. Zu keinem Zeitpunkt bestanden jedoch Zweifel an der ungebrochenen Gewaltbereitschaft der etwa 15 bis 20 "Illegalen", die, gepaart mit der bekannten Planungstreue der RAF, eine neue 52 Bluttat jederzeit ermöglichen würde. Als Ursache für dieses "Stillhalten" können vielmehr Abstimmungsund Motivationsprobleme innerhalb des Gefüges der Terrorgruppe angenommen werden. Insbesondere die Auseinandersetzung über die Rolle des "Widerstands" - des Unterstützerbereiches der RAF und mit ihm eng verbundener einzelner militanter Autonomer - schien die Kräfte der terroristischen Zirkel zu beanspruchen. Der Eröffnung einer gemeinsamen "neuen Offensive" stand dieses ungeklärte Verhältnis im Wege. 4.2.2 1988 - RAF im Umbruch: Analyse und Neuorientierungsphase Zwei Jahre vor dem Attentatsversuch auf Dr. TIETMEYER hatten die Ermordung des Ministerialdirektors Dr. von BRAUNMÜHL am 10. Oktober 1986 in Bonn durch ein RAF-Kommando und der Sprengstoffanschlag auf das "KurtSchumacher-Bildungszentrum" in Bad Münstereifel am 21. Dezember 1986 durch eine "Kämpfende Einheit" den Schlußpunkt der "Offensive 86" der RAF gebildet. An die offenbar unbefriedigenden Erfahrungen dieser "Angriffsphase" schloß sich eine Diskussion unter Beteiligung aller Ebenen der Terrorgruppe an, die vor allem zum Ziel hatte, den "Widerstand" zu eigenständigem Handeln im "antiimperialistischen Kampf" zu verpflichten. Um dies zu erreichen, sollte vor allem der Aufbau konspirativer, also verdeckter Strukturen vorangetrieben werden, um die Arbeit der Sicherheitsbehörden unterlaufen zu können. Die OrientieZeitschrift der RAF 53 rung auf die Lösung interner Probleme bewirkte zugleich in weiten Teilen die Stagnation anderer Unterstützertätigkeiten. Interne Zusammenkünfte, Reisen zum Zwecke überregionaler Kommunikation und die Dokumentation der Standpunkte hatten häufig Vorrang vor der Vermittlung der RAF-Ideologie nach außen. Im März 1988 wurde dann in der Nummer 10 der Untergrundzeitung "Zusammen Kämpfen - Zeitung für die antiimperialistische Front in Westeuropa" (ZK) der damalige Stand der Diskussion zusammengefaßt. Vermutlich ohne das Ende dieser internen Klärungsphase abzuwarten, versuchte das "Kommando Kahled AKER" am 20. September 1988 Dr. TIETMEYER zu erschießen (der Kommandoname rührt von einem Palästinenser her, der zusammen mit drei weiteren Fedayin in November 1987 mit einem Hängegleiter in ein israelisches Militärlager eingedrungen war und mehrere Soldaten ermordet hatte, bevor er selbst getötet wurde). Dem Inhalt einer der Selbstbezichtigung nachgeschobenen "Richtigstellung" der RAF zufolge verhinderte lediglich eine verklemmte Maschinenpistole den Mord an Dr. TIETMEYER und seinem Fahrer. Mit dem hohen Beamten wurde ein bedeutender Funktionsträger bei der Organisierung der Tagung des "Internationalen Währungsfonds" (IWF) und der Weltbank vom 27. bis zum 29. September 1988 in Berlin (West) angegriffen. Beide Institutionen wurden in weiten Teilen der Linken als angebliche Hauptverursacher der Armut der Dritten Welt heftig kritisiert. Es ist davon auszugehen, daß die RAF unter Ausnutzung dieser negativen Grundstimmung über den eigenen Unterstützerbereich hinaus Sympathien für ihre im Vorfeld dieses Großereignisses durchgeführte Aktion zu gewinnen hoffte. Zugleich sollte der terroristischen Szene ein Anstoß zum Handeln oder zumindest zum beschleunigten Abschluß der Umbruchphase vermittelt werden. 4.2.3 1988 Ausweitung der internationalen Kontakte Der Selbstbezichtigung zum Anschlag auf Dr. TIETMEYER war eine zweiseitige gemeinsame Erklärung von "Roter Armee Fraktion" und der italienischen Terrorgruppe "Brigate Rosse - P.C.C." (BR) - "Rote Brigaden - Für den Aufbau der Kämpfenden Kommunistischen Partei" (internationalistisch ausgerichtete Abspaltergruppe der BR) - beigefügt, in der die Grundlagen für eine beabsichtigte "gemeinsame Offensive" festgehalten sind. Das Papier stellt einen weiteren Schritt in der Entwicklung der Zusammenarbeit europäischer Terrorgruppen dar, die im Winter 1987 eine entscheidende Wende erfahren hatte. Am 21. Februar 1987 waren vier führende Mitglieder des "internationalen" Flügels der französischen Terrorgruppe "Action Directe" (AD) bei Orleans/Frankreich festgenommen worden. Der bis zu diesem Zeitpunkt wichtigste Bündnispartner der RAF im Rahmen des angestrebten Aufbaus der "revolutionären Front in Westeuropa" war dadurch schwer angeschlagen worden. Wie sich 1988 zeigte, war damit die ehemals bedeutende Schiene RAF - AD zumindest für absehbare Zeit zerbrochen, die proklamierte "westeuropäische Front" mit diesem Bündnispartner nicht mehr 54 aufrechtzuerhalten und die Gemeinsamkeiten auf den Kampf gegen die angeblich unmenschlichen Haftbedingungen, denen die Inhaftierten beider Organisationen ausgesetzt seien, reduziert. Schmierparole der RAF Das Augenmerk der RAF schien sich zunächst auf die iberische Halbinsel zu konzentrieren, wo die Inhaftierung zahlreicher spanischer und portugiesischer "Gesinnungsgenossen" geeignete Ansatzpunkte für den Beginn einer Kooperation bildete. Spanien rückte als mögliches Operationsgebiet der RAF vor allem nach der vorzeitigen Explosion einer Zündvorrichtung am 17. Juni 1988 am Strand von Rota ins Blickfeld der Sicherheitsbehörden. Hinweise aus den Ermittlungen zu diesem Vorfall deuten auf die Urheberschaft von RAF-Terroristen hin. Weitaus intensiver und im Sinne der RAF erfolgversprechender verliefen allerdings die Gespräche mit der italienischen BR-P.C.C. Wie weit diese bis zum Sommer 1988 bereits gediehen waren, zeigten diverse Papiere, die anläßlich der Festnahme von neun mutmaßlichen BR-Mitgliedern am 15. Juni 1988 in Mailand in einer konspirativen Wohnung entdeckt worden waren. Am 7. September 1988 erfolgten abermals Zugriffe der italienischen Behörden, in Rom wurden 21 mutmaßliche BR-Aktivisten festgenommen. Wohnungsdurchsuchungen führten zum Auffinden des Pamphlets in deutscher und italienischer Sprache, das - wortgleich - wenig später als gemeinsame Erklärung der Selbstbezichtigung der RAF zum Anschlag gegen Dr. TIETMEYER beigefügt wurde. 55 Von einem reibungsfreien Ablauf der Annäherung beider Terrorgruppen kann allerdings nicht ausgegangen werden. So mußten auf RAF-Seite eigene Standpunkte hinsichtlich der Angriffslinien modifiziert werden, um ein Zusammenkommen auch auf aktionistischer Ebene zu ermöglichen. Exakt wie im gemeinsamen Kommunique als eine Zielrichtung der künftigen Offensive von RAF und BRP.C.C. vorgezeichnet, wurde dann mit Dr. TIETMEYER ein Vertreter der "westeuropäischen Wirtschaftsund Geldpolitiken" angegriffen. Als weitere Stoßrichtung der Terrorgruppen wurden "die Politiken der westeuropäischen Formierung, die auf die Stärkung der imperialistischen Positionen zielen", formuliert. Der Umkehrschluß jedoch, die RAF hätte ihre bisherigen Angriffslinien - rüstungstechnischer Bereich ("militärisch-industrieller Komplex" - MIK), - Elektronikund Forschungsindustrie ("High Tech"), - industrielle Umstrukturierung, - Militär sowie - Justiz/Polizei ("Repressionsapparat") vor dem Hintergrund der Kooperation mit den BR-P.C.C. aus den Augen verloren, wäre unzutreffend und verhängnisvoll. Denn - wie im Kommunique gleichfalls ausgeführt - zielt "der angriff der westeuropäischen front auf die aktuellen strategischen Projekte der politischen, ökonomischen und militärischen formierung Westeuropas", um letztlich die "Schwächung des imperialistischen Systems, die umfassende politische Krise, herbeizuführen". Inwieweit ein gemeinsames Agieren mit den BR-P.C.C. tatsächlich verwirklicht werden kann, ist derzeit noch offen. Durch die Festnahmen mehrerer italienischer Aktivisten im September 1988 in Rom konnte anscheinend eine Aktion der Italiener zur Dokumentation dieses "Schulterschlusses" bislang verhindert werden. Zweifellos werden aber die Anstrengungen beider Terrorgruppen um Verwirklichung eines Teilbereichs der "revolutionären Front in Westeuropa" fortgesetzt werden. 4.3 Der RAF-Unterstützerbereich und die "Militanten der RAF" Für die weitere Entwicklung der RAF wird von Bedeutung sein, inwieweit die Neuvorstellungen von der Rolle des "Widerstands" und der Aufbau verdeckter Strukturen praktikabel umgesetzt werden können. Eine kontinuierliche Praxis ist der Terrorgruppe langfristig ohne funktionierende Basis, nämlich ein Potential von zuverlässigen Helfershelfern, die die politische, logistische und propagandistische Arbeit tragen, nur schwer möglich. Von den bundesweit rund 250 zum engeren RAF-Umfeld gezählten Aktivisten gehören allein über 60 dem Unterstützerbereich in Baden-Württemberg an. Zahlreiche weitere zählen zu deren engsten Kontaktpersonen. Aktive Zirkel 55 bestehen in den Städten Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg/Mannheim und Freiburg. In Tübingen agiert eine terroristische Randszene. Eine Erweiterung der Basis, etwa in den Bereich der militanten Autonomen hinein, ist dem RAF-Unterstützerbereich punktuell gelungen, wie gemeinsame Aktionen und teilweise übereinstimmende agitatorische Inhalte zeigen. Trotz sich vertiefender Zusammenarbeit und einer gewissen Kontinuität in den gegenseitigen Kontakten kann von einer breiten Integration Autonomer in die inneren Abläufe der RAF allerdings nicht ausgegangen werden. Die Zurückhaltung, die sich die terroristische Unterstützerszene während des Neuorientierungsprozesses auch in Baden-Württemberg auferlegt hatte, wurde im letzten Quartal des Jahres 1988 durchbrochen. Ausgangspunkt für die plötzlich wieder aufflammende Aktivität war die im Zuge bundesweiter exekutiver Maßnahmen erfolgte Festnahme eines Stuttgarters, der im Verdacht steht, die RAF unterstützt zu haben. Dies bewirkte einen spürbaren Solidarisierungseffekt. Streckenweise gelang es bis weit in den Bereich linksextremistischer und sogar demokratischer Organisationen hinein, Gehör für die Behauptung des RAF-Umfelds zu finden, der Zugriff der Exekutivbehörden habe sich auf die angeblich "radikale Opposition" bezogen, die nunmehr mit Anschuldigungen als "legale RAF" diffamiert würde. Die zwischen der Ebene der Unterstützer und den "Illegalen" angesiedelten "Militanten der RAF" verüben in enger Abstimmung mit dem Kommandobereich selbständig Brandund Sprengstoffanschläge. Bezeichnend ist, daß auch sie während der nahezu zweijährigen Phase scheinbarer Inaktivität des Kommandobereichs nicht in Erscheinung traten. Die Mitglieder dieser "zweiten kämpfenden Ebene" gehören zumeist dem RAFUmfeld an, tauchen jedoch bei Bedarf, etwa vor und nach einem Anschlag, kurzfristig in die "Illegalität" ab. Auch die Aktivitäten der "Militanten der RAF" stehen in engem Bezug zur weiteren Entwicklung der RAF-Kommandos und des Unterstützerbereichs. 4.4 "Revolutionäre Zellen" (RZ)/"Rote Zora" Im Jahre 1988 hat die Aktivität von Gruppen der "Revolutionären Zellen" (RZ) oder der nach gleichem Muster agierenden Frauengruppe "Rote Zora" spürbar nachgelassen. Wurden 1987 noch rund 20 Gewalttaten - darunter Knieschüsse auf einen Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht in Berlin - verübt, kam es 1988 lediglich zu einer Aktion. Am 27. Februar 1988 versuchte eine Gruppe der "Roten Zora" einen Sprengstoffanschlag auf das Biotechnische Zentrum der Technischen Universität in Braunschweig. In dem Selbstbezichtigungsschreiben zu diesem Anschlag wird der "Frauenkampf" mit der Entwicklung im Bereich der Hochtechnologieforschung verknüpft. Weitere Anschläge wurden von einer der "Roten Zora" nahestehenden Terrorgruppe in Berlin (West) durchgeführt. Ein am 22. Februar 1988 in Göppingen 57 somit REVOtun OH GEGEN tfitPPSRtMSTI$CHi nÜCHWNGSPOUT/K Plakat der RZ 58 verübter Sprengstoffanschlag auf Fahrzeuge der amerikanischen Streitkräfte kann - trotz Selbstbezichtigung einer "Revolutionären Zelle" - nicht eindeutig zugeordnet werden. Der Inhalt des Schreibens läßt auch auf eine Urheberschaft im weiteren Umfeld der RAF, möglicherweise mit engen Bezügen zum autonomen Spektrum schließen. Ursächlich für den starken Rückgang der Aktivitäten der terroristischen RZ dürfte der am 18. Dezember 1987 in verschiedenen Städten Norddeutschlands erfolgte exekutive Zugriff der Polizei sein. Hierbei wurden im Rahmen mehrerer Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts in Karlsruhe gegen die "Revolutionären Zellen" und die "Rote Zora" die Wohnungen und Arbeitsplätze von über 20 Verdächtigen durchsucht. Gegen fünf der Betroffenen besteht noch Haftbefehl. Vier Beschuldigte sind flüchtig. Die Exekutivmaßnahmen stießen in weiten Teilen der linksextremistischen Szene auf scharfen Protest. Eine Vielzahl von Solidaritätsveranstaltungen sowie Publikationen, die auch in Baden-Württemberg verbreitet wurden, befaßte sich mit diesem Thema. Ferner kam es aus diesem Anlaß zu zahlreichen Farbschmierereien. Diese Solidaritätsbekundungen wie die bundesweit verbreiteten einschlägigen Schriften zeigen auf, daß eine unübersehbare Akzeptanz für die Zielsetzung und Vorgehensweise der terroristischen Zirkel vorhanden ist. Allerdings existiert in Baden-Württemberg derzeit keine eigenständige RZ-Gruppierung. Schwerpunkte sind seit Jahren die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hamburg sowie das Rhein-Main-Gebiet. 59 E. Rechtsextremismus 1. Allgemeines Die Aktivitäten der verschiedenen rechtsextremistischen Gruppen dauerten 1988 unverändert an. Auch die Tatsache, daß sie, im Gegensatz zum Marxismus-Leninismus der Linksextremisten, über kein geschlossenes ideologisches Weltbild verfügen, wirkt sich keineswegs bremsend aus. Ihre Grundsatzerklärungen sowie programmatischen Bekundungen bilden seit jeher eine Mischung aus vergangenheitsbezogenen Interpretationen und diffusen Zukunftsvisionen, die allesamt ungeeignet sind, tragfähige und realistische Antworten auf aktuelle und moderne Entwicklungen im politisch-gesellschaftlichen Raum aufzuzeigen. Unbeirrt halten alle rechtsextremistischen Parteien und Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland an der Absicht fest, teils unverhohlen, teils verdeckt, Grundelemente unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekämpfen. Im Grundsatz streben sie durchweg einen starken Staat an, der totalitär nach dem Führerprinzip organisiert oder wenigstens autoritär durch eine einzige, den Gemeinsinn verkörpernde Partei geprägt ist. Der Rechtsextremismus im Bundesgebiet ist unverändert gekennzeichnet durch - einen übersteigerten Nationalismus, der kompromißlos die deutschen Interessen über jene andere Länder stellt, - die Diffamierung pluralistischer Strukturen und deren Ersetzung durch eine rassistisch verstandene "Volksgemeinschaft", die die Rechte des einzelnen drastisch schmälert ("biologischer Kollektivismus" bzw. "Artgemeinschaft"), - eine aggressive, mitunter menschenverachtende Fremdenfeindlichkeit, die neuerdings durch das polemische Ausspielen der schweren Lage der deutschen Aussiedler gegen hier lebende Asylbewerber bzw. bereits anerkannte Flüchtlinge einen neuen Akzent erhielt, - die mangelnde Distanz zum "Dritten Reich" und die Verharmlosung der von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen. Diese für Rechtsextremisten typischen Merkmale sind freilich nicht bei allen Gruppen in gleichem Maße erkennbar. Während die militanten neonazistischen Gruppen offen praktisch alle wesentlichen Verfassungsgrundsätze ablehnen, lassen sich bei den nationaldemokratischen und national-freiheitlichen Organisationen häufig nur einzelne, den politischen Extremismus verdeutlichende Elemente nachweisen. ( Rechtsextremismus (Neonazistische Organisationen) / (National-FreiheitlicheOrganisationen) f Nationaldemokratische Organisationen ) 61 "Neonazistische Organisationen" Der neonazistische Bereich ist weiterhin gekennzeichnet durch die Existenz einer Vielzahl von Organisationen und Kleinstzirkeln. Hinzu kommt eine nur schwer genau eingrenzbare Zahl oftmals junger Einzelaktivisten, die nicht oder nicht dauernd fest organisiert sind. Nach dem Verbot der bis dahin stärksten neonazistischen Organisation, der militanten "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) im Dezember 1983 haben sich neue Neonazigruppen entwickelt. So wurde die bis dahin völlig unbedeutende "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) seit 1984 von ehemaligen ANS/NA-Mitgliedern und sonstigen Neonazis systematisch infiltriert. Inzwischen zählt die FAP bundesweit zu den aggressivsten und größten neonazistischen Gruppen. Die im Hintergrund dieser Partei wirkende "Bewegung" oder "Gesinnungsgemeinschaft" ist nach wie vor in zwei verfeindete Flügel, geführt von Neonazis MOSLER und KÜHNEN, gespalten. Ende 1988 konnte allerdings der FAP-Bundesvorstand gänzlich von MOSLER-Anhängern besetzt werden. Der KÜHNEN-Flügel versuchte, mit der Wahl eines konkurrierenden FAP-Bundesgremiums seinen Führungsanspruch in der FAP - dem "legalen Arm" der "Bewegung" - zu halten. Die erbitterten Positionskämpfe beider Flügel führten bundesweit zu einem leichten Rückgang der Mitgliederzahl der FAP. Unverändert sind ferner zahlreiche weitere neonazistische, auf die NS-ldeologie eingeschworene Zirkel aktiv. Einige wenige neonazistische Gruppen lehnen den, wie sie es nennen, "Hitlerismus" dagegen ab. Hauptvertreter dieser Richtung ist die "Nationalistische Front" (NF). "Nationaldemokratische Organisationen" Die 1964 gegründete "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) sieht sich nach langen Jahren der Stagnation seit 1984 wieder im "Aufwind". Relativ günstige Ergebnisse bei Parlamentswahlen, die zu beträchtlichen Wahlkampfkostenerstattungen führten, sowie teilweise überdurchschnittliche Resultate bei Wahlen auf kommunaler Ebene sorgten für eine gewisse Resonanzverstärkung in der Öffentlichkeit. Auch die leicht steigenden Mitgliederzahlen wirken sich für die bundesweit tätige Partei stabilisierend aus. Allerdings sorgte die enge Zusammenarbeit mit dem Münchner Verleger Dr. FREY und dessen Partei "Deutsche Volksunion - Liste D" für erhebliche Unruhe an der Basis der NPD, die die Funktionäre teilweise in beachtliche Schwierigkeiten brachte. "National-Freiheitliche Organisationen" Die "National-Freiheitlichen" um den Münchner Verleger Dr. FREY konnten organisatorisch und personell weiter zulegen. Vor allem die erst 1987 gegründete "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU-Liste D), die schon wenige Monate später ein Mandat in der Bremer Bürgerschaft (Landesparlament) errang, vermochte die Zahl ihrer Mitglieder deutlich zu steigern. Die inzwischen gegründeten zehn Landesverbände der DVU-Liste D lassen die Absicht Dr. FREYs erkennen, bundesweit möglichst schnell flächendeckend vertreten zu sein, um damit günstige Voraussetzungen für das nächste taktische Ziel, die Teilnahme an der 62 Europawahl im Juni 1989 zu schaffen. Hierbei wird sie von der NPD unterstützt, die vereinbarungsgemäß nicht selbst bei dieser Wahl antreten wird. Die neue Partei DVU-Liste D sowie die schon 1971 gegründete (1988 allerdings stagnierende) "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) bilden das zahlenmäßig größte rechtsextremistische Potential in der Bundesrepublik Deutschland. Einen Überblick über das Potential rechtsextremistischer Gruppen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg vermittelt die nachfolgende Übersicht: Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Organisationen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1986-1988 - ohne Abzug von Mehrfachmitgliedschaften - Bereich Mitgliedschaften 1986 1987 1988 Bund Land Bund Land Bund Land Neonazistische 1500* 190* 2100* 190* 1900* 180* Organisationen und unorganisierte Neonazis hiervon "Bewegung" 450 15 500 20 500 20 hiervon FAP 430 45 520 45 450 45 hiervon NF 70 10 80 10 80 10 Nationaldemokratische 6800 1080 7000 1250 7250 1450 Organisationen hiervon NPD 6100 1000 6200 1150 6400 1320 hiervon JN 600 80 750 95 800 105 National-Freiheitliche 12100 1900 15100 2610 18600 2900 Organisationen DVU e.V. 12100 1900 12500 2400 12500** 2420 DVU-Liste D 2500 210 6000** 480 Sonstige Vereinigungen 3150 90 3100 80 3200 80 Summe der Mitgliedschaften 23550 3270 27300 4130 30950 4610 TATSÄCHLICHE 22100 3120 25200 3730 28300 4210 MITGLIEDERZAHL -nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften - * Aus Gründen der Einheitlichkeit der Gesamttabelle wird auch im Bereich "Neonazistische Organisationen" die Zahl der Mitgliedschaften insgesamt eingeführt. Diese Angaben decken sich insoweit nicht mit den Daten aus dem Verfassungsschutzbericht 1987. " DVU-Bundesvorsitzender Dr. FREY gibt die Mitgliederzahl der DVU-Liste D mit über 7000, die der DVU e. V. mit über 16000 an. o2 2. Neonazistische Gruppen 2.1 Die "Bewegung" Wie in den Vorjahren nahm die neonazistische "Bewegung" auch 1988 eine bestimmende Position innerhalb der im Bundesgebiet aktiven neonazistischen Vereinigungen ein, obschon die Spaltung in zwei verfeindete Flügel sich weiter verfestigte. Die sich als "Gesinnungsgemeinschaft" verstehende Gruppe, die auch unter der Bezeichnung "Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf HITLERs" (KAH) auftritt, besteht im Kern aus einem Aktivistenkreis, der sich in der Tradition der im Dezember 1983 durch den Bundesminister des Innern verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten" (ANS/NA) sieht. Die Mehrzahl der etwa 500 Anhänger der neonazistischen "Bewegung" schart sich um Jürgen MOSLER aus Duisburg, die kleinere Gruppe um den ehemaligen ANS/NA-Organisationsleiter Michael KÜHNEN. Der Kampf beider Fraktionen um die Vorherrschaft in der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) endete - zumindest vorläufig - mit dem Sieg der MOSLER-Anhänger, die bei der Wahl des neuen FAPBundesvorstandes im November 1988 erfolgreich waren. KÜHNEN hat damit an Einfluß in der sich als "legaler Arm" verstehenden FAP verloren. Diese Entwicklung veranlaßte ihn, den Aufbau einer neuen Gruppierung, der inzwischen durch den Bundesminister des Innern am 09.02.89 verbotenen "Nationalen Sammlung" (NS), zu forcieren. DAS SYSTEM HAT KEINEN FEHLER. DAS SYSTEM IST DER FEHLER! NATIONALE SAMMLUNG ou J1 4 : tfl Kontaktadresse: Gerald Hess | 6070 LANGEM RF1303 l l Aufkleber der NS 64 Aufgrund der zunehmend unversöhnlicheren Haltung beider Gruppen im Kampf um die Vorherrschaft im neonazistischen Lager kam es 1988 vermehrt zu Tätlichkeiten zwischen den verfeindeten neonazistischen Flügeln. So konnten beispielsweise am 16. Januar 1988 bei einem Treffen von etwa 80 Anhängern des "KÜHNEN-Flügels" in Hagen die rivalisierenden Neonazis nur durch die vor Ort anwesende Polizei an Gewalttätigkeiten gehindert werden. Zuvor hatte eine Gruppe von rd. 20 MOSLER-Sympathisanten unter der Leitung des als "SSSiggi" bekanntgewordenen Siegfried BORCHARDT, Dortmund, massiv versucht, die Veranstaltung ihrer neonazistischen Gegner zu verhindern. Äußeres Zeichen des Zerwürfnisses ist auch die Herausgabe zweier konkurrierender überregionaler Monatsschriften, die sich beide "Die Neue Front" nennen und von den jeweiligen Lagern vertrieben werden. Wie erwartet, führte die Haftentlassung KÜHNENs am 1. März 1988 nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten zu erneuten Aktivitäten mit dem Ziel, seine Anhängerschaft zu festigen und zahlenmäßig wieder auszubauen. Wie von ihm in seinen "Briefen aus der Haft" wiederholt angekündigt, suchte KÜHNEN - kaum in Freiheit - seine Anhänger in den ihm ergebenen "Kameradschaften" auf. Dabei nutzte der offensichtlich unbelehrbare Neonazi jede Gelegenheit, kleinere öffentliche Kundgebungen abzuhalten und vor Journalisten und Fernsehteams seine Auffassungen von nationalsozialistischer Politik darzulegen. Auf verschiedenen Veranstaltungen stellte KÜHNEN seinen Gesinnungsgenossen die neue Idee einer "Nationalen Sammlung (NS) vor, die zunächst als eine Art Wählerinitiative der FAP gedacht war. Gegen Jahresende 1988 verfestigte sich die Absicht, mit der NS im März 1989 erstmals an einer Kommunalwahl in der Stadt Langen teilzunehmen. Praktisch keine Resonanz fanden bislang die von Anhängern KÜHNENs gegründete sogenannte Freie Gewerkschaftsbewegung und weitere, schon 1987 gebildete Bündnisund Vorfeldorganisationen. Sie sind reine Propagandagebilde geblieben. Die von KÜHNEN früher initiierte gewerkschaftlich orientierte "Freie Betriebszellenorganisation" (FBO) scheint inzwischen von Anhängern MOSLERs beeinflußt. Die wiederaufgenommenen Aktivitäten KÜHNENs führten erwartungsgemäß zu neuen Rechtsverletzungen: - So wurde er schon am 14. Mai 1988 - wenige Wochen nach seiner Haftentlassung - auf dem Weg zu einer Veranstaltung in Siegertsbrunn bei München von der Polizei zur Verhütung von Straftaten in Gewahrsam genommen. - Anläßlich einer nicht angemeldeten Kundgebung am 28. Mai 1988 in München wurde KÜHNEN erneut - dieses Mal für mehrere Tage - in Haft genommen. - Die französische Polizei verhaftete KÜHNEN am 18. September 1988 in Metz und schob ihn wegen eines bestehenden Aufenthaltsverbots für Frankreich am darauffolgenden Tag bei Saarbrücken ins Bundesgebiet ab. KÜHNEN war im übrigen sichtbar bemüht, vor allem in Süddeutschland seine Kader zu festigen und weitere Anhänger hinzuzugewinnen. Dies war auch in 65 Baden-Württemberg spürbar, nachdem hier die Neonazis nur zum Teil der "Bewegung" angehören. Bezeichnenderweise wurden von KÜHNEN mehrere Treffen mit überregionaler Bedeutung in Baden-Württemberg durchgeführt: am 6. August in Langenau bei Ulm, am 29. Oktober im Raum Metzingen/Reutlingen und am 5. November 1988 in Jettenburg, Kreis Tübingen. Das Auftreten neonazistischer Gruppen hatte erneut Anlaß zu umfangreichen Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gegeben. Im Zuge eines Ermittlungsverfahrens der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Stuttgart durchsuchten am 2. März 1988 Beamte des Landeskriminalamts Baden-Württemberg mit Unterstützung weiterer Polizeikräfte in insgesamt 61 Städten des Bundesgebiets Wohnungen neonazistischer Aktivisten. Die Beschuldigten sind in ihrer Mehrzahl dem MOSLER-Flügel der "Bewegung" zuzurechnen. Die strafprozessualen Maßnahmen richteten sich auch gegen acht Personen aus Baden-Württemberg. Aufgrund bestehender Haftbefehle wurden dabei vier maßgebliche Neonazis, unter ihnen Jürgen MOSLER als Rädelsführer, vorübergehend in Haft genommen. Das Ermittlungsverfahren war von der Staatsanwaltschaft Stuttgart im Sommer 1987 wegen des Verdachts eingeleitet worden, daß sich mit der organisatorischen Verfestigung der "Bewegung" (MOSLER-Flügel) eine Nachfolgeorganisation der verbotenen ANS/NA gebildet hatte (Vereinigungsverbot nach SS 85 StGB). Die Neonazis wurden von Umfang und Zeitpunkt der Exekutivmaßnahmen offensichtlich überrascht, so daß die Strafverfolgungsbehörden Beweismittel in erheblichem Umfang sicherstellen konnten. Ungeachtet dessen war sich die Mehrzahl der Betroffenen in einer Art Wutund Trotzreaktion, wenn auch in völliger Verkennung ihrer Möglichkeiten, einig, nun erst recht an ihrem Ziel festzuhalten, ein neues nationalsozialistisches System zu errichten. Verschiedene Aktivitäten des MOSLER-Flügels sollten die ungebrochene Aktionsfähigkeit der "Bewegung" trotz des Ermittlungsverfahrens demonstrieren: - Am 9. März 1988 verbot der Polizeipräsident von Bonn eine für den 12. März 1988 von MOSLER-Anhängem angemeldete Demonstration mit dem Thema: "Solidarität mit den österreichischen Kameraden in Erinnerung an den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich 1938". - In Essen trafen sich am 14. Mai 1988 rund 40, dem MOSLER-Flügel der "Bewegung" zuzurechnende Neonazis in einer Privatwohnung. Polizeibeamte, die wegen der Ruhestörung durch das Absingen rechtsextremistischer Lieder und der wiederholten "Sieg - Heil"-Rufe einschreiten wollten, wurden von den Aktivisten massiv angegriffen. Die Polizei nahm daraufhin 21 Personen vorläufig fest. Gewalttätigkeit und Gewaltbereitschaft kennzeichneten auch 1988 die Aktivitäten der Neonazis. Ausschreitungen gegen Ausländer, rassistische Schmieraktionen (z.B. anläßlich des 50. Jahrestages der sogenannten Reichskristallnacht am 9. November 1988) sowie ungebremste NS-Agitation setzten sich fort. Die Aktivitäten sollen am 20. April 1989 aus Anlaß des 100. Geburtstags Adolf HITLERs ihren Höhepunkt erreichen. 66 2.2 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) konnte ihre Aufwärtsentwicklung nicht fortsetzen. Sie mußte 1988 sogar einen Verlust von etwa 70 Mitgliedern hinnehmen. Ende des Jahres 1988 zählte sie bundesweit etwa 450 Mitglieder (1987: 520). In Baden-Württemberg hoben sich Einund Austritte in etwa auf (Ende 1988: 45). Die Gründe für den beachtlichen Mitgliederrückgang dürften sowohl in den fortwährenden, die FAP direkt tangierenden Zwistigkeiten innerhalb der "Bewegung", die öfters mit Austritten und Ausschlüssen endeten, als auch in der mangelnden Attraktivität der Partei insgesamt zu suchen sein. Der seit 1979 amtierende und Ende 1988 abgewählte FAP-Bundesvorsitzende Martin PAPE, Stuttgart, konnte sich weder in der Partei selbst noch in der rechtsextremen Szene außerhalb seiner Gruppierung Anerkennung verschaffen. Organisatorisch vermochte sich die FAP 1988 ebenfalls nicht zu verbreitern. Sie verfügt unverändert über sechs Landesverbände in den Bundesländern Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen, die allerdings unterschiedlich schlagkräftig sind. In einigen Bundesländern existieren Untergliederungen der FAP auf Kreisebene. Die Schwerpunkte der FAP-Aktivitäten (vor allem Flugblatt-, Schmierund Klebeaktionen, interne Zusammenkünfte und provozierende Aufmärsche) lagen - ähnlich wie bereits 1987 - in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Hier ist bezeichnenderweise auch die "Bewegung" zahlenmäßig stark vertreten. FrataW" Deutsche Tfcbdterpartci F " * " * * Deutsche Arbeiterpartei F w w * * Deutsche Arbeiterpartei *.Dohxen,P(c)stf.100362.Kempen ' 1 ' " ' 1 ' l ! ' ' '" 0 ! > " ' iiJ deg ^ t , ~ ' '-'**'*>l""Postfach;2S4 7920 Heidenheim Aufkleber der FAP FAP-Angehörige traten im Jahre 1988 vermehrt durch militantes und strafrechtlich relevantes Verhalten hervor. Eine Reihe von gewalttätigen Aktionen richtete sich wieder gegen Ausländer. Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern wurden nicht nur in Kauf genommen, sondern gelegentlich bewußt provoziert. 67 - Am 30. Januar 1988 (dem Jahrestag der Ernennung von Adolf HITLER zum Reichskanzler) versammelten sich in Köln-Porz rund 60 Anhänger der FAP, um den von ihnen so bezeichneten "Tag der Machtübernahme" demonstrativ zu begehen. Sie formierten sich zu einem Aufzug, aus dem heraus ausländerfeindliche Parolen gerufen und Flugblätter mit der verunglimpfenden Überschrift: "Wahlrecht für Ausländer? Ein Türke Bürgermeister in unserer Stadt? - Niemals - Ausländer raus" verteilt wurden. Die Polizei nahm drei Demonstranten vorübergehend fest. - Bei einem FAP-Treffen in Rotenburg/Niedersachsen am 5. März 1988 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rund 120 FAP-Angehörigen und etwa 300 politischen Gegnern. Dabei wurden vier Polizeibeamte leicht verletzt. Die vom "FAP-Gau-Leiter Nord" angemeldete neonazistische Kundgebung wurde von rund 50 FAP-Anhängern aus Dortmund unterstützt, bei deren polizeilicher Kontrolle schon in Dortmund Baseball-Schläger, feststehende Messer und mehrere Pistolen mit Leuchtkugelaufsätzen sichergestellt wurden. - Aus Anlaß einer überregionalen Veranstaltung von rund 40 FAP-Anhängern am 19. März 1988 in Heiligenhafen/Ostsee, gerieten die Neonazis im benachbarten Oldenburg an eine Gruppe von mehr als 100 Gegendemonstranten. Die neonazistischen Aktivisten verletzten dabei zwei Frauen und beschädigten mehrere Kraftfahrzeuge. Die Polizei nahm elf FAP-Sympathisanten vorläufig fest und stellte Knüppel, Wurfgeschosse und Reizgassprühgeräte sicher. Von dieser seit Jahren zunehmenden Militanz der Neonazis in seiner Partei hatte sich der bisherige Bundesvorsitzende der FAP, Martin PAPE, wiederholt abzugrenzen versucht. Doch blieb dies ebenso wirkungslos wie die meisten seiner Bemühungen, maßgebliche neonazistische Parteimitglieder aus der FAP hinauszudrängen. Von ihm ausgesprochene Parteiausschlüsse blieben mehrfach unbeachtet. Auch seine vorrangig taktisch bedingten Appelle, zur Vermeidung eines Verbotsverfahrens gegen die FAP einer zu starken nationalsozialistischen Ausrichtung der Partei entgegenzuwirken, gingen weitgehend ins Leere. Zuletzt war PAPE nur noch geduldet. Die extremen Kräfte in der Partei wollten seit langem das Amt des Vorsitzenden erringen, um ihre neonazistischen Ziele noch kompromißloser unter dem Schutz der als Partei mit besonderem Rechtsstatus versehenen Organisation formulieren zu können. Während PAPE beim 1. Bundesparteitag am 7. Juni 1986 in Stuttgart-Sillenbuch noch knapp in seinem Amt bestätigt worden war, versagten ihm beim 2. Parteitag am 5. November 1988 in der Nähe Stuttgarts die FAP-Delegierten mit deutlichem Votum ihre Gefolgschaft. Zuvor hatte PAPE monatelang - auch über die Gerichte - letztlich vergeblich versucht, von der Landeshauptstadt Stuttgart und der Gemeinde Weissach, Landkreis Böblingen, die Überlassung einer Veranstaltungshalle für den 2. Parteitag zu erzwingen. Mangels größerer Räumlichkeiten mußte der Parteitag dann auf etwa 45 Delegierte begrenzt werden. Diese wählten den langjährig aktiven Rechtsextremisten Friedhelm BUSSE zum neuen FAP-Bundesvorsitzenden. BUSSE, der im August 1986 aus mehrjähriger Strafhaft entlassen 68 worden war, wurde unter anderem als Gründungsmitglied und ehemaliger Vorsitzender der "Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit" (VSBD/PdA) bekannt, die bis zu ihrem Verbot durch den Bundesminister des Innern am 27. Januar 1982 eine führende Position unter den neonazistischen Organisationen im Bundesgebiet eingenommen hatte. Zu einem seiner Stellvertreter wurde Siegfried BORCHARDT, Dortmund, (genannt SS-Siggi) bestellt. Der neue FAP-Bundesvorstand ist durch die Wahl von BUSSE, BORCHARDT und weiteren Neonazis nur noch mit Anhängern des MOSLER-Flügels der "Bewegung" besetzt. Die KÜHNEN-Anhänger, denen der Zugang zum Parteitag verwehrt wurde, hielten am selben Tag mit etwa 70 Personen einen "Gegenbzw. Notparteitag" in einer Gaststätte im nahegelegenen Kusterdingen-Jettenburg, Landkreis Tübingen, ab. in Anwesenheit des ehemaligen Leiters der verbotenen ANS/NA, Michael KÜHNEN, wurde der Gründer der rechtsextremistischen "WikingJugend" (WJ), Walter MATTHAEI (genannt Captan Walter) zum (FAP-)Bundesvorsitzenden gewählt. Damit wurde die tiefgreifende Spaltung der "Bewegung" nun auch in die FAP hineingetragen. Der im Herbst 1986 gegründete FAP-Landesverband Baden-Württemberg war im Jahre 1988 nur wenig aktiv, ein nennenswerter organisatorischer Ausbau mißlang, die Mitgliederzahl stagniert. Die vom 75jährigen Landesvorsitzenden nach seiner Wahl im Oktober 1987 geäußerte Absicht, der FAP in BadenWürttemberg zu einem Aufschwung zu verhelfen, konnte nicht verwirklicht werden. Die älteste FAP-Gruppe im Lande, der FAP-Kreisverband Stuttgart, dessen Vorsitzender Martin PAPE ist, sowie die kleineren FAP-Stützpunkte in den Räumen Heidenheim, Pfullingen/Metzingen, Freiburg und Böblingen machten kaum auf sich aufmerksam. Bezeichnend für die hiesige Situation der FAP ist ihre Teilnahme an der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg am 20. März 1988. Als einziger Kandidat vermochte sich Martin PAPE im Wahlkreis Stuttgart II zur Wahl zu stellen; auf ihn entfielen 54 Stimmen (= 0,0 %). PAPE war nicht in der Lage, einen nennenswerten Wahlkampf zu führen. So wurden von ihm weder öffentliche Wahlveranstaltungen noch größere Propagandaaktionen bekannt. Mit nur einer einzigen auf Stuttgart begrenzten Flugblattaktion und der von ihm herausgegebenen Monatsschrift "Deutscher Standpunkt"! (DS) bestritt er seine Kandidatur. Das Ergebnis entspricht den schon in den letzten Jahren von der FAP bei öffentlichen Wahlen erzielten geringen Stimmenanteilen. 2.3 "Nationalistische Front" (NF) Die nationalrevolutionär ausgerichtete "Nationalistische Front" (NF), die sich 1985 als Zusammenschluß verschiedener neonazistischer Kleingruppen konstituiert hatte, konnte 1988 nicht die erhoffte Festigung und Anerkennung in der Neonazi-Szene erreichen. Obwohl vereinzelte Kontakte zu verschiedenen Aktivisten anderer Zirkel bekannt wurden, spielt die Organisation unverändert eine eher untergeordnete Rolle. Ihre Mitgliederzahl stagniert bei etwa 80 Personen 69 (Baden-Württemberg: ca. 10). Die NF verfolgt einen "linksnationalistischen" Kurs, der sich an den historischen nationalrevolutionären Vorstellungen der Brüder STRASSER orientiert. Diese hatten in der Anfangszeit des Nationalsozialismus den linken Flügel der NSDAP repräsentiert und waren damit zu Gegnern HITLERs geworden, welcher Gregor STRASSER daraufhin 1934 umbringen ließ, während sich Dr. Otto STRASSER bereits 1933 nach Kanada absetzen konnte. Die im Grundsatzprogramm der NF genannten Ziele weisen auf die Einrichtung eines durch revolutionäre Umgestaltung geprägten Nationalstaats hin. So werden in einem NF-Flugblatt unter dem Motto "Den Zionismus stoppen!" folgende Forderungen aufgestellt: "Kampf dem Imperialismus - Freiheit den Völkern!" "Schluß mit dem Filz aus Politik und Kapital - Die herrschende Klasse entmachten!" "Schluß mit kapitalistischer Entwurzelung und Überfremdung - Rückführung der Gastarbeiter!" "Schluß mit der zerstörerischen Einheitszivilisation - Für eine neue Kultur!" "Schluß mit der Vergiftung von Mensch und Natur - Schutz des Lebens statt Schutz des Kapitals!" Nationale SolidaritätGerechtigkeit, VolksSozialismus NATIONALISTISCHE FRONT Aufkleber der NF 70 Die mittlerweile vom Bundeswahlleiter als Partei geführte "Nationalistische Front" plant, 1989 bei der Wahl zum Europaparlament zu kandidieren. In einem Flugblatt stellte sie ihre eigentlichen Wahlziele wie folgt dar: - "den Parteienstatus zu festigen - Sendezeit im Femsehen zu bekommen und dadurch einen wesentlichen größeren Teil unseres Volkes ansprechen und aufklären zu können - einen noch größeren Bekanntheitsgrad zu erlangen!" Zurecht schützt sie konsequenterweise ihre Erfolgsaussichten eher minimal ein: sie sei realistisch genug zu wissen, daß vorerst nur eine geringe Prozentzahl zu erreichen ist: Wichtig ist nur die Teilnahme - und die Stärkung der nationalistischen Front als revolutionäre Kraft, denn nur eine revolutionäre Kraft trägt die Zukunftshoffnung eines jungen, gesunden Volkes!" Neben dem Sprachrohr der NF, der "nationalrevolutionären Kampfschrift Klartext", die im "Klartext-Verlag" in Gütersloh erscheint, wird seit einiger Zeit die neue NF-Publikation "Nachrichten aus der Szene" verteilt. Nach eigenen Angaben versteht sich das "Agitationsblatt" "als Bindeglied zwischen der NF, ihrem Umfeld und Sympathisantenkreis". Die NF entwickelt unverändert in Nordrhein-Westfalen und Berlin ihre wesentlichen Aktivitäten. In Baden-Württemberg sind NF-Anhänger gelegentlich in Stuttgart, Heidelberg und Tübingen in Erscheinung getreten. Einzelaktionen wurden wiederum in Baden-Württemberg bekannt, wo Mitglieder mit Klebeund Flugblattverteilaktionen in Stuttgart und Heidelberg die Öffentlichkeit auf die Ziele ihrer Vereinigung aufmerksam machten. 2.4 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Das Hauptziel der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG), die Betreuung "nationaler politischer Gefangener" im Inund Ausland, versuchte die Organisation durch aktive und finanzielle Unterstützung von Gefangenen zu erreichen. Die HNG zählt mit ihren mehr als 200 Mitgliedern weiterhin zu den mitgliederstarken und einflußreichen neonazistischen Gruppierungen in der Bundesrepublik Deutschland. Der langjährigen Vorsitzenden gelang es allerdings nicht, die Vereinigung aus den Flügelkämpfen der "Bewegung" herauszuhalten. Die Mehrzahl ihrer Mitglieder gehört einer der beiden Fraktionen der "Bewegung" an. 2.5 "Deutsche Frauenfront" (DFF) Die neonazistische "Deutsche Frauenfront" (DFF) wurde im Januar 1984 als Frauenorganisation der neonazistischen "Bewegung" gegründet. Sie versteht 71 sich als autonome, jedoch der "Gesinnungsgemeinschaft" eng verbundene und verbündete Vereinigung "nationalsozialistischer Frauen und Mädchen". Die kleine Gruppierung ist - wie die "Bewegung" - zwischenzeitlich ebenfalls in zwei Lager gespalten. Der interne Zwist dokumentiert sich öffentlich in der zweifachen Herausgabe des Organs "Die Kampfgefährtin" mit unterschiedlichem Inhalt, jedoch gleichem Namen. 2.6 Neonazizentrum um Ernst TAG Unbeirrt - wenn auch wenig erfolgreich, versuchte der NS-Aktivist Ernst TAG auch im Jahre 1988 wieder seine zumeist jugendlichen Anhänger um sich zu scharen. Als Veranstaltungsort dient unverändert sein Anwesen in Weidenthal (Rheinland-Pfalz), das seit Dezember 1986 als "Rudolf-HESS-Haus" bezeichnet wird und regelmäßig auch von einigen Gesinnungsgenossen aus Baden-Württemberg besucht wird. 2.7 Neonazikreis um Curt MÜLLER Obwohl noch immer zahlreiche Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter auch Gesinnungsgenossen aus Baden-Württemberg, Gedenktage der NS-Zeit oder sogenannte Sonnwendfeiern dazu nutzen, sich auf dem Grundstück der Eheleute Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim zu versammeln, hat das Anwesen spürbar an Anziehungskraft verloren. 2.8 "Deutsche Bürgerinitiative e. V." (DBI) Der Gründer und langjährige Führer der "Deutschen Bürgerinitiative e. V." (DBI), Manfred ROEDER, (1982 wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt) publiziert weiterhin seine in neonazistischen Kreisen verbreiteten "Rundbriefe". Neben tagespolitischen Themen, die er aus seiner Sicht kommentiert, berichtet er stets über seine Haftsituation. Seine Ehefrau organisierte auch 1988 wieder sogenannte Freundestreffen auf dem "Reichshof" bei Schwarzenborn/Knüll (Hessen), an denen teilweise bis zu 60 Personen aus dem Inund Ausland teilnahmen. Diese Aktivitäten dienen vor allem der Pflege alter Verbindungen - auch zu ausländischen Gesinnungsgenossen - und zum Zusammenhalt der Gruppierung. 2.9 "Bürgerund Bauerninitiative e. V." (BBI) Im Jahre 1988 sind keine nennenswerten Aktivitäten der "Bürgerund Bauerninitiative e. V." (BBI) mehr bekanntgeworden. Lediglich das Publikationsorgan der BBI, "Die Bauernschaft", wurde weiter verteilt. 72 Der langjährige Leiter der BBI, Thies CHRISTOPHERSEN, der in den vergangenen Jahren wegen neonazistisch motivierter Straftaten zu Geldund Freiheitsstrafen verurteilt wurde, trat am 6. Juni 1988 auf der Jahreshauptversammlung der BBI in Sonderburg/Dänemark als Vorsitzender zurück. Auch fungiert er nicht mehr als Herausgeber des BBI-Organs. CHRISTOPHERSEN hatte sich Ende 1986 angesichts bevorstehender Gerichtsverhandlungen nach Dänemark abgesetzt. Ein Ausiieferungsersuchen deutscher Justizbehörden wurde im Frühjahr 1988 von der dänischen Justiz negativ beschieden, da u. a. die antisemitischen Äußerungen von CHRISTOPHERSEN nach dänischem Recht nicht den Straftatbestand der "Diskriminierung einer religiösen Gruppe" erfüllten. 3. Nationaldemokratische Organisationen 3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die bereits 1964 in Hannover gegründete "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) hat ihre verfassungsfeindlichen Aktivitäten verstärkt fortgesetzt. Zwar hat sie in ihrem neuen Programm aus dem Jahre 1987 ein formales Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgelegt und sich damit weiter der Taktik befleißigt, eindeutig rechtsextremistische Positionen aus ihren Grundsatzdokumenten zu tilgen. Indes ist dieses Bekenntnis wenig glaubhaft vor dem Hintergrund des Gesamtverhaltens dieser Organisation sowie angesichts interner Erklärungen und publizistischer Äußerungen. Danach strebt die Partei eine politische und gesellschaftliche Ordnung an, die ihrer Struktur nach völkisch betont und biologisch begründet ist und rassistische Merkmale aufweist. Die nach Meinung der NPD zu schaffende "Volksgemeinschaft" oder "neue Gemeinschaftsordnung" verdrängt die angeblich überbetonten Individualrechte des Einzelnen und die ständig angeprangerten "Gruppenegoismen", die in ihrem Wechselspiel natürlicher Ausfluß der politischen Pluralität sind. Die von der Partei geforderten "grundsätzlichen Veränderungen an den Schalthebeln" begründen die Vermutung, daß sie ein wesentliche Menschenund Grundrechte beschränkendes System anstrebt. Ihre fortgesetzte, überaus polemische Agitation gegen die "Bonner Parteien", gegen demokratische Politiker und staatliche Institutionen dient ebenfalls diesem Ziel. Teilweise nur mühsam verschleierte Rassendiskriminierung äußert sich in völlig einseitiger Behandlung des Ausländerproblems, im Ausspielen der sich in schwieriger sozialer Situation befindlichen Aussiedler gegen die angeblich das Land überfremdenden Asylanten. Hierdurch soll die Bevölkerung regelrecht aufgehetzt werden. Das symptomatische Überbetonen "deutscher Interessen" ist nationalistisch orientiert und widerspricht dem Gedanken der Völkerverständigung. Die seit einigen Jahren sich abzeichnende Aufwärtsentwicklung der NPD hielt auch 1988 an. Das relativ günstige Abschneiden bei Wahlen, insbesondere bei einigen kommunalen Kandidaturen, führte der Partei erneut weitere Mitglieder 73 zu, wenn auch nicht in dem erhofften Umfang und mit deutlichen regionalen Abstufungen. Die Mitgliederzahl hat sich bundesweit immerhin von 6.200 Personen im Jahre 1987 auf nunmehr 6.400 erhöht, in Baden-Württemberg von 1.150 auf 1.320 Mitglieder. 28000 26000 M 24000 22000 20000 18000 16000 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0 Jahre >> 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 ü Bund I Land Freilich ist die Aufwärtsentwicklung der Partei mit Begleiterscheinungen verbunden, welche die vor Jahren wiedererlangte Geschlossenheit der Organisation bereits gefährden. Im Jahre 1988 hat sich die innerparteiliche Opposition, zu der sich gleichermaßen einfache Mitglieder wie hochrangige Funktionäre bekennen, weiter verstärkt. Sie richtet sich gegen die 1987 ausgehandelte und im Januar 1988 erneuerte Vereinbarung mit dem Münchner Verleger Dr. FREY und seiner Partei DVU-Liste D. Das umstrittene Abkommen sieht vor, daß beide Parteien nicht gegeneinander kandidieren, sondern - je nach Absprache - die Kandidatur der jeweils anderen Gruppe unterstützen. Zuletzt einigten sich NPD und DVUListe D darauf, daß die Partei Dr. FREY's bei der Europawahl im Juni 1989, die NPD dagegen bei der Bundestagswahl im Jahre 1990 antritt. Zwar gelang es dem NPD-Parteivorstand unter Führung des Vorsitzenden MUSSGNUG, diese Vereinbarung auf dem Sonderparteitag am 26. Juni 1988 in Feucht/Bayern billigen zu lassen, dennoch ist die Opposition gegen das Wahlabkommen mit Dr. FREY keineswegs verstummt. Mehrere Parteiausschlußverfahren gegen hohe Funktionäre, die teilweise mit einem Vergleich endeten, kennzeichnen die noch immer gespannte Situation. Ein Teil der Mitglieder fürchtet, daß die NPD bei einer Nichtteilnahme an der Europawahl wieder an Bedeutung verliert und zugleich ohne Not auf die zu erwartende Wahlkampfkostenerstattung verzichtet. Die von Dr. FREY als Ersatz zugesagte finanzielle Entschädigung von rund einer Million Mark wird als nicht ausreichend betrachtet, der NPD, so wird argumentiert, drohe der "Ausverkauf". Der ursprünglich für November 1988 geplant gewesene 22. ordentliche Bundesparteitag der NPD, auf dem die partielle Zusammenarbeit mit Dr. FREY erneut 74 diskutiert werden sollte, wurde wegen angeblich unüberwindbarer Schwierigkeiten beim Anmieten geeigneter Tagungsräume auf unbestimmte Zeit verschoben. Aufkleber der NPD Während der Bundesvorstand der NPD diesen auch öffentlich bekanntgewordenen Querelen begegnen mußte, konnte sich der Landesverband Baden-Württemberg konzentriert auf die Landtagswahl am 20. März 1988 vorbereiten. Die NPD, die in allen 70 Wahlkreisen mit Erstkandidaten und in 69 Wahlkreisen auch mit Ersatzbewerbern antrat, erhielt insgesamt 101.889 Stimmen (= 2,1 %). Im Vergleich zur Bundestagswahl 1987, bei der sie 54.880 (= 1,0 %) der gültigen Stimmen erzielt hatte, konnte sie damit in Baden-Württemberg ihr Ergebnis fast verdoppeln. Zu diesem günstigen Resultat, das der NPD eine Wahlkampfkostenerstattung von 728.612,DM brachte, hatte sicher auch die Unterstützung des Münchener Verlegers Dr. FREY beigetragen, der in seinen Zeitungen, allen voran in der "Deutschen National-Zeitung", mit sonstigem Werbematerial und in persönlich gehaltenen Unterstützungsbriefen aktiv und umfassend zur Stimmabgabe zugunsten der NPD aufgerufen hatte. Erwähnenswert sind besonders die Resultate folgender Wahlkreise, deren Stimmanteile den Landesdurchschnitt von 2,1 % teilweise deutlich übersteigen: 75 Wahlkreis 54 Villingen-Schwenningen: 4,9% Kandidat: NPD-Landesvorsitzender SCHÜTZINGER Wahlkreis 55 Tuttlingen-Donaueschingen: 4,6% Kandidat: NPD-Bundesvorsitzender MUSSGNUG Wahlkreis 53 Rottweil: 3,9% Wahlkreis 21 Hohenlohe: 3,6% Wahlkreis 10 Göppingen: 3,1% Wahlkreis 65 Ehingen: 3,0% Wahlkreis 45 Freudenstadt: 2,9% Wahlkreis 57 Singen: 2,7%. Die niedrigsten Stimmanteile erzielte die NPD in den Wahlkreisen Freiburg I mit 0,8 % und Heidenheim mit 0,9 %. Das relativ gute Abschneiden der NPD in Baden-Württemberg kann nicht auf ein einziges Kriterium zurückgeführt werden. Vielmehr waren vor allem der Bekanntheitsgrad einiger NPD-Kandidaten, aber auch bereits 1968 vorhandene (dem Jahr mit dem größten NPD-Erfolg im Land: 9,8 %) und 1988 reaktivierte Sympathisantenpotentiale sowie Strukturprobleme in überwiegend von der Landwirtschaft geprägten Gebieten für überdurchschnittliche Stimmenergebnisse mitverantwortlich. Auffällig war - im Gegensatz zu 1968 - die Steigerung der NPD-Anteile auch in Wahlkreisen mit starkem katholischen Bevölkerungsanteil, dagegen führte eine relativ hohe Arbeitslosenoder Ausländerrate nicht automatisch auch zu höheren Stimmabgaben für die NPD. Offensichtlich haben nicht wenige Wähler aus einer unterschiedlich motivierten Protesthaltung heraus und angeregt von dem vermeintlich national-konservativen Wahlprogramm der NPD für die rechtsextremistische Partei votiert. Außer an der Landtagswahl kandidierte die NPD auch bei einigen Oberbürgermeister bzw. Bürgermeisterwahlen, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg: Bei der Bürgermeisterwahl in Schallstadt, Kreis Breisgau/ Hochschwarzwald, erhielt der NPD-Kandidat lediglich 13 Stimmen. Auch bei der am 24. April 1988 in Rheinfelden, Kreis Lörrach, abgehaltenen Oberbürgermeisterwahl vermochte der NPD-Bewerber mit 44 Stimmen = 0,3 % ebenfalls nur mäßig abzuschneiden. Dagegen errang die NPD bei der Oberbürgermeisterwahl am 12. Juni 1988 in Konstanz 866 Stimmen = 4,7 %. Ein Wahlergebnis, das in etwa an die Resultate der Oberbürgermeisterwahlen von 1987 in Tuttlingen (15,06 %) und Villingen-Schwenningen (6,61 %) herankam, erreichte der NPD-Bewerber, ein Landwirtschaftsmeister, am 27. August 1988 in Engen im Hegau: er erzielte 290 Stimmen = 8,7 %. In einigen Teilgemeinden von Engen gelang es dem Kandidaten sogar, Stimmanteile zwischen 15 und 20 % auf sich zu vereinigen. Nach Aussage und Einschätzung führender Funktionäre des NPD-Landesverbands Baden-Württemberg sind diese Ergebnisse als Signal zu werten, sich schwer76 punktmäßig in den Gemeinden, in denen man positive Aussichten erwartet, an den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg im Oktober 1989 zu beteiligen. Das Abschneiden der NPD bei der Europawahl 1984, bei der Bundestagwahl 1987 und bei einigen Landtagswahlen wie auch das Anwachsen der Mitgliederzahl und die Resonanzverstärkung in der Öffentlichkeit wirkten sich zunehmend stabilisierend auf die Finanzkraft der Partei aus. Das Aufkommen sowohl von Mitgliedsbeiträgen als auch von Spenden ist gestiegen, die staatliche Erstattung von Wahlkampfkosten konnte sogar weitgehend zum Abbau vorhandener Schulden eingesetzt werden. Im Jahre 1988 dürften der NPD wieder Finanzmittel zur Verfügung gestanden haben, die wenigstens jenen des Vorjahres entsprachen. Laut dem vom Präsidenten des Deutschen Bundestages veröffentlichten Rechenschaftsbericht hatte die NPD 1987 über 4,3 Millionen DM Einnahmen ausgewiesen. Diese setzten sich aus etwa 600.000,DM an Mitgliedsbeiträgen, 1,2 Millionen DM an Spenden, 1,36 Millionen an Wahlkampfkostenerstattungen und aus sonstigen Einnahmen zusammen. Im Jahre 1988 erhielt die Partei allein aus der Kandidatur zur Landtagswahl in Baden-Württemberg eine Erstattung von 728.000DM (abzüglich 98.000DM an früheren Schulden). Nicht klar zu übersehen waren gegen Ende des Jahres 1988 die finanziellen Folgen, die sich aus dem Verzicht der NPD zur Kandidatur bei der Europawahl 1989 zugunsten der DVU-Liste D ergeben werden. Von der Verwaltung des Deutschen Bundestages schon bereitgestellte Vorauszahlungen müssen dem geltenden Recht entsprechend von der NPD zurückerstattet werden. Wie bereits oben ausgeführt, will der Bundesvorsitzende der DVU-Liste D, Dr. FREY, den Wahlverzicht der NPD angeblich mit 1 Million DM honorieren. Ein langfristiges Ziel der NPD ist es, den "Aufwind" der Partei organisatorisch abzusichern. Im Bundesgebiet ist sie bislang keineswegs flächendeckend mit Ortsund Kreisverbänden vertreten. Auch in Baden-Württemberg sind entsprechende Aktivitäten sichtbar geworden, etwa durch Neugründung von Ortsverbänden in Schömberg, Kreis Calw, Spaichingen, Kreis Tuttlingen, sowie in Ulm und Konstanz. Auch 1988 ist die NPD ein bevorzugtes Angriffsziel politisch Andersdenkender geblieben, die soweit als möglich das Auftreten der Partei zu verhindern trachten. So mußte sie wieder verschiedene öffentliche und interne Veranstaltungen absagen, verschieben oder - wie den Landesparteitag am 17. April 1988 in Aliensbach - unter strikter Geheimhaltung durchführen. Inzwischen geht die NPD dazu über, aus diesen Behinderungen ihrer Arbeit politisches Kapital zu schlagen und ihre "Märtyrerrolle für die deutsche Sache" wahltaktisch umzumünzen. Im übrigen verfolgen nicht wenige Funktionäre der Partei, darunter auch Anhänger der Kooperation mit der DVU-Liste D, mit Sorge den bundesweiten organisatorischen Ausbau der DVU-Liste D durch Dr. FREY. Sie befürchten eine zunehmende organisatorische Verfestigung einer Konkurrenzpartei, die sich letztlich gegen die NPD selbst richten könnte. 77 3.2 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) - die im Jahre 1969 gegründete Jugendorganisation der NPD - bekennen sich in Ideologie und Zielsetzung zum Programm der rechtsextremistischen NPD. Dennoch kam es bereits früher von Zeit zu Zeit zu Spannungen zwischen dem Parteivorstand und Funktionsträgern der JN. Ein heftiger Streitpunkt im Jahre 1988 war die Wahlabsprache des NPD-Parteivorstands mit dem Verleger und Vorsitzenden der DVU-Liste D, Dr. Gerhard FREY. Die große Mehrheit der JN ist nicht bereit oder hat zumindest erhebliche Bedenken, die Kooperation mit Dr. FREY mitzutragen. So wurde diese Frage auf dem 17. ordentlichen JN-Bundeskongreß im September 1988 in München erwartungsgemäß besonders kontrovers diskutiert. Aufkleber der JN Die JN, die in Landesund Kreisverbände gegliedert ist, konnte ihren Mitgliederbestand bundesweit von 750 im Jahre 1987 auf nun 800 Mitglieder steigern. In Baden-Württemberg ist ebenfalls ein leichter Mitgliederzuwachs auf 105 im Jahre 1988 (1987: 95) eingetreten. Dennoch vermochte die JN in Baden-Württemberg keine auffallenden Aktivitäten zu entfalten. Auch die im Laufe des Jahres 1988 neu gegründeten JN-Kreisverbände Ravensburg, Konstanz und Waldshut blieben ohne politische Ausstrahlung. Ebenso wenig konnte der 16. Landeskongreß der JN am 29. November 1988 in Güglingen, Kreis Heilbronn, irgendwelche Akzente setzen. 78 An dem im Sommer 1988 am Bodensee durchgeführten "1. nationaldemokratischen Aktionszeltlager" konnten wegen organisatorischer Mängel nur wenige Mitglieder teilnehmen. Jedoch unterstützten Funktionsträger der JN wieder aktiv den Landtagswahlkampf der NPD in Baden-Württemberg und kandidierten in einigen Wahlkreisen. 3.3 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Der "Nationaldemokratische Hochschulbund" (NHB), der unverändert bundesweit lediglich etwa 30 Mitglieder zählt, konnte auch 1988 an deutschen Hochschulen nicht wirkungsvoll auftreten. Die Zahl seiner ohnehin kleinen Gruppen war trotz gewisser Anstrengungen nicht zu erhöhen. Dies trifft insbesondere auf die Universität Konstanz zu, wo einige Aktivisten vergeblich versuchten, eine Hochschulgruppe zu gründen. Am 8. April 1988 fand in Regensburg die 21. ordentliche Bundesversammlung des NHB statt. Bundesvorsitzender wurde ein Student der Universität Konstanz. Das frühere Verbandsorgan, der "NHB-Report", dessen Produktion 1987 eingestellt wurde, ist 1988 nicht wieder erschienen. 4. "National-Freiheitliche Rechte" Die rechtsextremistische "National-Freiheitliche Rechte" um den Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY hat 1988 weiter an Bedeutung gewonnen. Anders als die von ihm schon 1971 initiierte "Deutsche Volksunion e. V." (DVU) und die ihr zugeordneten "Aktionsgemeinschaften", die seit einiger Zeit personell praktisch stagnieren, hat die erst im Jahre 1987 gegründete Partei "Deutsche Volksunion Liste D" (DVU-Liste D) sowohl an Mitgliedern als auch an organisatorischem Gewicht erheblich zugenommen. FREY hat seine politische Werbung in den vergangenen zwei Jahren gezielt auf die "neue Rechtspartei" umgestellt, die anderen Organisationen dagegen als einfache Interessengemeinschaften weitergeführt. Der Mandatsgewinn im Jahre 1987 bei der Wahl zur Bremer Bürgerschaft (Landtag), eine Reihe von wohlinszenierten öffentlichen Veranstaltungen, eine gezielt eingesetzte Berichterstattung über gegen mehrere Kommunen gewonnene Prozesse im Zusammenhang mit der Nichtvergabe von Veranstaltungsräumen, das Wahlkampfabkommen mit der NPD und nicht zuletzt die markig vorgebrachte Behauptung, allein "deutsche Interessen" zu vertreten, ließen den Bekanntheitsgrad der DVU-Liste D bundesweit ansteigen. Geschickt und professionell nutzt Dr. FREY die wachsenden Proteste politischer Gegner zur Werbung für die eigene Sache. Das verästelte Parteiund Organisationsgeflecht der "National-Freiheitlichen" ist gänzlich auf Dr. FREY ausgerichtet, der sowohl Vorsitzender der DVU-Liste D als auch der DVU ist. Bezeichnenderweise verfügt die neue Partei ebensowenig über ein eigenes Publikationsorgan wie die übrigen Organisationen. Soweit überhaupt vorhanden, sind die Programme der einzelnen Gruppen wenig aussa79 tchbinstutz Enxt "OEUTSEHER VEUTSCHMND zusein dann EUROPA Aufkleber der DVU-Liste D gekräftig. Erwartungsgemäß enthält auch das Programm der DVU-Liste D nur in Ansätzen offen rechtsextremistische Tendenzen. Ohnehin ist bei der "NationalFreiheitlichen Rechten" kein geschlossenes ideologisches System vorhanden. Indes sind verfassungsfeindliche Einstellungen in den öffentlichen Reden, Erklärungen und vor allem in der Berichterstattung der von Dr. FREY herausgegebenen Wochenblätter "Deutsche National-Zeitung" (DNZ), "Deutscher Anzeiger" (DA) und "Deutsches Wochenblatt" (DW) unschwer nachzuweisen. Breiter Raum wurde auch 1988 von diesen Zeitungen der Stimmungsmache gegen demokratische Parteien, ihre Repräsentanten und gegen den parlamentarisch verfaßten Staat eingeräumt. Zugleich wurden die Glorifzierung militärischer Vorgänge der Weltkriege sowie die wohlwollende Berichterstattung über die Zeit des Dritten Reiches fortgesetzt. Selbst vor Artikeln mit eindeutig antijüdischer Tendenz schreckt man nicht zurück. 4.1 "Deutsche Volksunion - Liste D" Die erst 1987 gegründete Partei "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU-Liste D) konnte ihre Mitgliederzahl in nur zwei Jahren von 2.500 auf etwa 6.000 erhöhen (Dr. FREY behauptet sogar über 7.000). Der Zuwachs ist unter anderem auf den zügig voranschreitenden organisatorischen Ausbau zurückzuführen. Ende des Jahres 1988 gab es bereits zehn Landesverbände (alle Länder außer Nordrhein-Westfalen) und zahlreiche Bezirksund Kreisverbände der DVU-Liste D. Zur Partei stießen in nicht unerheblicher Zahl bislang nicht organisiert gewesene Personen, jedoch auch solche, die in die anderen FREYschen Organisationen bereits integriert sind. Auffallend ist - etwa im Gegensatz zu neonazistischen Gruppen - das relativ hohe Durchschnittsalter der Mitglieder und Funktionäre der DVU-Liste D. 80 Die schwerpunktmäßig auf die DVU-Liste D orientierte, mit großem publizistischen und finanziellen Aufwand betriebene Mitgliederwerbung hat sich damit - wenn auch auf Kosten der übrigen national-freiheitlichen Gruppierungen - ausgezahlt. Eine der bundesweiten Entwicklung vergleichbare Tendenz war in Baden-Württemberg festzustellen: Die Zahl der Mitglieder stieg von ca. 270 im Jahre 1987 auf etwa 480 bis Ende 1988. Die Gründung von vier Kreisverbänden (Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim-Heidelberg, Nord-Württemberg) sowie des Landesverbands Baden-Württemberg am 10. Dezember 1988 in Großbottwar unterstreichen das Anwachsen der Partei auch im Lande. ^CA ""IEPOUTIK. Ä U brecht f- "utTM Wie w a r d e r Anschlu Ö wirklich? I+-* aÄsäs * National* Zeit im" Ist die EG unser Untergang? Wohin mit üBtn Atommüll? Bonn darf nur zahlen Zeitungen Dr. Freys Das Schwergewicht der öffentlichen Arbeit der DVU-Liste D lag 1988 eindeutig in der Einleitung der großdimensionierten Werbekampagne für die Teilnahme der Partei an der Europawahl im Juni 1989. Die NPD hatte - wie bereits erwähnt - auf eine eigene Kandidatur verzichtet, nachdem ihr von Dr. FREY eine Entschädigung in Höhe von einer Million DM für etwa entgehende Wahlkampfkostenerstattung zugesagt worden war. Pressemeldungen, nach denen Dr. FREY in den Europawahlkampf eine zweistellige Millionensumme investieren will, hat er nicht eindeutig widersprochen, zumal er bei einem günstigen Wahlergebnis auf eine nicht unerhebliche staatliche Erstattung von Wahlkampfkostengeldern rechnen kann. Am 26. November 1988 hat die DVU-Liste D auf ihrem Bundesparteitag in Feucht/Bayern eine Liste mit 48 Kandidaten für 81 die Europawahl aufgestellt. Platz 1 nimmt nun doch - nachdem hier zunächst eine "bekannte Persönlichkeit" kandidieren sollte - Dr. FREY ein, während die Plätze 3, 6, 9 und 12 vereinbarungsgemäß für NPD-Funktionäre reserviert wurden. Platz 3 wird vom NPD-Landesvorsitzenden von Baden-Württemberg, Jürgen SCHÜTZINGER, eingenommen. Auf dem Parteitag legte Dr. FREY in seiner Eigenschaft als Vorsitzender einmal mehr die politische Grundhaltung seiner Organisation offen, nämlich aggressive Stimmungsmache gegen unseren Staat und seine Repräsentanten sowie gegen wesentliche innenund außenpolitische Entscheidungen. Er bekräftigte seine polemische Absage an die "Altparteien", er agitierte gegen die "Wende-Betrüger" in Bonn und gegen die EG. Die Finanzierung eines aufwendigen Wahlkampfes dürfte Dr. FREY keine Schwierigkeiten bereiten. Im wesentlichen kann er sich auf große Summen an Beitragseinnahmen und Spenden stützen, die ständig auf das Konto der DVU-Liste D, der DVU und ihrer Aktionsgemeinschaften eingehen. Angesichts des - wie er es nennt - "Schicksalsjahrs 1989" ruft er ständig zu Sonderspenden auf und bittet um Vorauszahlungen von Mitgliedsbeiträgen für zwei bis fünf Jahre. Laut Rechenschaftsbericht der DVU-Liste D für das Jahr 1987 war sie schon im Gründungsjahr in der Lage, 2,4 Millionen DM auszugeben bei Einnahmen von nur 1,03 Millionen DM. Die ständigen Spendenaufrufe bleiben offensichtlich nicht ohne Wirkung: das Spendenaufkommen übersteigt die Beitragseinnahmen bezeichnenderweise um mehr als das Dreifache. Dr. FREY wird die Finanzkraft seines "Imperiums" im wesentlichen Umfang für den Erfolg der "neuen Rechtspartei" einsetzen. 4.2 "Deutsche Volksunion e. V." (DVU) Die 1971 von Dr. FREY initiierte "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) ist, obwohl sie seit Jahren die zahlenmäßig stärkste rechtsextremistische Organisation ist, 1988 in den Schatten der an politischer Bedeutung gewachsenen DVU-Liste D geraten. Dr. FREY, der Bundesvorsitzende beider Organisationen, hat der 1987 gegründeten DVU-Liste D inzwischen klaren Vorrang eingeräumt. Die DVU und ihre "Aktionsgemeinschaften" führten daher kaum mehr öffentliche Veranstaltungen durch. Selbst die traditionelle politische Großveranstaltung der "National-Freiheitlichen" in Passau wurde 1988 bezeichnenderweise erstmals von der DVU-Liste D ausgerichtet. Als Konsequenz dieser Entwicklung stagniert der Mitgliederstand der Organisationen bei etwa 12.500 (nach eigenen Angaben waren es 1987 16.000 Mitglieder). Die DVU war und ist eine rechtsextremistische Interessenbzw. Sammlungsgemeinschaft, die nie an Parlamentswahlen teilgenommen hat und damit bewußt nicht als politische Partei agieren wollte. Nach der Gründung der politisch akzentuiert auftretenden DVU-Liste D obliegt der Schwesterorganisation im großen und ganzen nunmehr die Aufgabe, das Aufkommen an Mitgliedsbeiträgen und Spenden zu steigern und damit die rechtsextremistische Arbeit des Münchener Verlegers zu finanzieren. Der DVU waren auch 1988 folgende "Aktionsgemeinschaften" angeschlossen: 82 - Seit 1979 fordert die "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA) eine Amnestie für "jedwedes behauptete oder tatsächliche Unrecht" im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. - Die im November 1980 ins Leben gerufene "Initiative für Ausländerbegrenzung" (l.f.A.) möchte die "Eindämmung des Scheinasylantentums" und die Beschränkung des Ausländeranteils in der Bundesrepublik Deutschland erreichen. - Die im Dezember 1981 gegründete "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF) wendet sich gegen eine "systematische Verteufelung der deutschen Geschichte, die Herabwürdigung des deutschen Soldaten und die Minimalisierung der Verbrechen am deutschen Volk ... in Rundfunk und Fernsehen". - Der "Ehrenbund RUDEL - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten" (ER) will seit Januar 1983 einer "Diffamierung untadeliger Soldaten" entgegenwirken und "über Taten und Leiden auch der Besiegten der Wahrheit die Ehre geben". - Ein im November 1984 initiierter "Schutzbund für Leben und Umwelt" wurde im Juli 1986 in "Schutzbund für Volk und Kultur" umbenannt. Er will sich vor allem dem "Schutz des deutschen Volkstums und der deutschen Kultur" annehmen. - Die "Aktion deutsche Einheit" (AKON) ist eine Vereinigung, die 1962 als "Bund für Deutsche Einheit - Aktion Oder-Neiße e. V." (AKON) gegründet worden war. Nach der Ernennung Dr. FREYs zum geschäftsführenden Vorsitzenden wurde sie 1980 eine der "Aktionsgemeinschaften" der DVU. Mit ihrem Engagement im Bereich der Ostpolitik will sie einem Verzicht auf angebliche deutsche Besitzansprüche entgegenwirken. 5. Sonstige rechtsextremistische Vereinigungen 5.1 "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) Die 1960 in Frankfurt am Main gegründete "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) gilt seitdem als politische Heimat rechtsextremistisch orientierter Schriftsteller, Publizisten und Verleger. Die Zahl ihrer Mitglieder stagniert bundesweit bei einigen Hundert (in Baden-Württemberg ca. 50). Damit ist die GFP noch immer die größte rechtsextremistische Kulturvereinigung im Bundesgebiet. Ihren politischen Standort hat die GFP in unmittelbarer Nähe zur NPD, was beispielsweise durch die Auswahl der Gastreferenten bei Veranstaltungen dokumentiert wird. Bei mehreren im Jahre 1988 durchgeführten Vortragsabenden trat der ehemalige Bundesvorsitzende der "Deutschen Reichspartei" (DRP) und spätere Vorsitzende der NPD, Adolf von THADDEN, als Redner auf. 83 Höhepunkt der nur noch selten öffentlichkeitswirksamen Arbeit der GFP ist alljährlich die Verleihung des mit 10.000,DM dotierten "Ulrich-von-HuttenPreises" und der "Ulrich-von-Hutten-Medaille". Publizistisch ist die GFP durch "Das Freie Forum" vertreten, das vierteljährlich in einer Auflage von ca. 1.500 Exemplaren erscheint. 5.2 "Wiking-Jugend" (WJ) Die aktuelle Bedeutung der schon seit 1952 tätigen "Wiking-Jugend" (WJ) liegt insbesondere darin, daß sie Kindern und Jugendlichen erste Berührungen mit rechtsextremistischem Gedankengut vermittelt. Die seit einigen Jahren zu beobachtende Annäherung an neonazistische Organisationen, etwa an die FAP und zu Angehörigen der "Bewegung", hat sich zwar fortgesetzt, ist aber insgesamt schwächer geworden. Bezeichnend für die Einbindung der "Wiking-Jugend" in das rechtsextremistische Lager ist das wohlwollende Kommentieren des relativ guten Abschneidens der NPD bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 1988: es habe sich da "eine Wählergemeinschaft gefunden, die uns für Kommendes ermutigt". Die WJ war darüber hinaus bemüht, ihre Kontakte zu befreundeten Organisationen im Ausland zu festigen. So konnte sie 1988 zwei Sommerlager in der Schweiz abhalten. In Selisberg am Vierwaldstätter See wurde, nachdem es mit politisch Andersdenkenden zu Auseinandersetzungen gekommen war, von der dortigen Polizei gegen die mehrheitlich deutschen Mitglieder der WJ wegen Körperverletzung ermittelt. 5.3 "Die Deutsche Freiheitsbewegung" (DDF) Der langjährige Vorsitzende der DDF, Otto-Ernst REMER, versucht den schwindenden Einfluß seiner Organisation in neonazistischen Kreisen wieder zu festigen. Ziel der Organisation ist nach wie vor die Schaffung eines nationalistischneutralistischen "Großdeutschlands" und eine "Allianz mit der Sowjetunion". Indes konnte die DDF kaum mehr durch öffentlichkeitswirksame Aktionen in Erscheinung treten, sie zählt nur noch zu den Randgruppen des neonazistischen Lagers. 6. Einflußnahme auf jugendliche Randgruppen In den Jugendlichen der Skinheadund militanten Fußballfan-Szene sehen insbesondere neonazistische Aktivisten seit langem eine Möglichkeit zur Verbreiterung ihrer personellen Basis. Trotz punktueller Annäherung sind indes durchschlagende Erfolge ausgeblieben, so daß keineswegs von einer generellen rechtsextremistischen Ausrichtung dieser Gruppen ausgegangen werden kann. 84 Dies liegt vor allem auch an der spezifischen Struktur dieser Randgruppen. Meist stammen deren Angehörige aus zerrütteten familiären oder sozialen Verhältnissen. Dies und ihr zumeist angeschlagenes Selbstwertgefühl drängen sie nicht selten in den Bereich jugendlicher Subkultur. Offensichtlich ist gerade die Skinheadoder die militante Fan-Gruppe geeignet, ihrem Selbstbewußtsein in der Gemeinschaft Auftrieb zu geben ("Hier fühlen wir uns stark!"). Massenveranstaltungen, etwa in Fußballstadien, bilden das geeignete Forum für entsprechende Auftritte. Dort nutzen sie die Gelegenheit, sich an primitiven "FreundFeind-Bildern" zu orientieren. Ausgelebte Vorurteile - insbesondere wenn sie sich gegen Ausländer richten - lassen für sie eine komplizierte Welt einfacher erscheinen. Die in ihrer Mehrheit häufig völlig unpolitischen Jugendlichen dieses Spektrums bevorzugen zur Verstärkung ihrer Vulgärproteste verbotene national-sozialistische Embleme, Parolen und Grußformen. Da ein tiefer ideologischer Hintergrund zumeist fehlt, dominiert stattdessen der Wunsch nach militanter, primitiv-extremistischer Provokation. Insbesondere in der aggressiven Haltung gegenüber Ausländern, verbunden mit einem irregeleiteten Nationalbewußtsein, ergeben sich Gemeinsamkeiten mit der neonazistischen Szene, welche diese für ihre Zwecke zu nutzen versucht. Daß dies inzwischen zu einem bundesweiten Problem geworden ist, verdeutlichen die folgenden Beispiele: - Am 4. Februar 1988 stürmten gegen 23.00 Uhr vier Skinheads in eine Gaststätte im Stadtgebiet von Sindelfingen. Die zum Teil mit Schlagstöcken bewaffneten Täter zertrümmerten wahllos Stühle, Flaschen und Gläser und griffen ohne Grund einen Gast tätlich an, so daß dieser eine Unterschenkelfraktur erlitt. Nach der Tat begaben sich drei von ihnen in eine nahe gelegene andere Gastst?tte und schlugen mit einem Knüppel auf einen der Tische. Am folgenden Tag drangen die gleichen und ein weiterer Täter gegen 22.30 Uhr gewaltsam in eine Pension in Böblingen ein und beschimpften drei anwesende französische Arbeiter als "Kanaken". Einer der Täter schlug dabei mit einem Holzknüppel gegen die Zimmereinrichtung, ein weiterer mit einem Stuhl auf die Überfallenen. Aufgrund der Gegenwehr flüchteten sie jedoch wenig später. Zuvor hatten sie noch die verschlossene Tür eines Zimmers eingedrückt, in dem ein iranischer Asylant wohnte. Der Polizei gelang es, die aus dem Großraum Böblingen stammenden Täter im Alter von 17 bis 19 Jahren zu ermitteln. Es sind Schüler und Auszubildende, die nach ihren Geständnissen einer Skinhead-Gruppe mit rechtsextremistischer Orientierung angehören. Als Tatmotiv gaben sie Ausländerhaß an. - Rund 140 Skinheads trafen sich am 9. Juli 1988 anläßlich des "Hessentags 1988" in Hofheim/Taunus. Bei präventiven Personalienüberprüfungen und Durchsuchungen wurden von der Polizei schon am Bahnhof Frankfurt am Main/Höchst Baseballschläger, eine Schußwaffe sowie mehrere Stichwaffen sichergestellt. Zu schweren Ausschreitungen mit der Polizei kam es dann in der Nacht zum 10. Juli 1988, als in Hofheim etwa 50 Skinheads versuchten, sich gewaltsam Einlaß in das Festzelt zu verschaffen. Beim Eintreffen der Beamten zogen sich die zum Teil stark angetrunkenen Jugendlichen zunächst zurück, stürmten dann aber mit "Ausländer - raus - Gebrüll" den nahegelegenen Imbißstand eines türkischen Besitzers. Beim Einschreiten der 85 Polizei kam es zu massiven Widerstandshandlungen. Insgesamt 40 Skinheads wurden wegen Verdachts des Landfriedensbruchs, des Widerstands, der gefährlichen Körperverletzung, der Sachbeschädigung und versuchten Gefangenenbefreiung festgenommen. - Von Mitte September bis Ende Oktober 1988 kam es an mehreren Wochenenden in der Innenstadt Hannovers zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der Skinhead-Szene und ausländischen Jugendlichen. Dabei waren bis zu 150 Personen auf beiden Seiten beteiligt. Wahrscheinlicher Anlaß für die zum Teil schweren Schlägereien war der Ausgang eines Strafverfahrens gegen mehrere Skinheads, die im Herbst 1987 einen brutalen Überfall auf ein häufig von Ausländern besuchtes Lokal verübt hatten. 7. Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus Die grenzüberschreitenden Kontakte zwischen deutschen und ausländischen Rechtsextremisten wurden auch 1988 fortgesetzt. Persönliche Begegnungen, verschiedene Treffen und der Versand von einschlägigen Publikationen haben trotz gelegentlicher Differenzen ein Mindestmaß an Zusammenhalt gewährleistet. Frankreich Die Kontakte zwischen deutschen und französischen Rechtsextremisten sind insgesamt nicht weiter vorangekommen. Die Spaltung der deutschen neonazistischen "Bewegung", die mehrjährige Inhaftierung KÜHNENs und der Rücktritt des einstmals einflußreichen französischen Rechtsextremisten Michel CAIGNET wirkten sich eher dämpfend auf die Aktivitäten der neonazistisch orientierten "Europäischen Bewegung" (EB) aus. Hier erwies sich, wie sehr die EB auf die Impulse des Franzosen und KÜHNENs angewiesen war, gegen den die französischen Behörden ein Einreiseverbot verfügt haben. Im Herbst 1988 fand im Elsaß ein "Führerthing" der EB statt, an dem von deutscher Seite überwiegend Anhänger des MOSLER-Flügels der "Bewegung" beteiligt waren. Daneben gab es weitere Kontakte zwischen Rechtsextremisten aus verschiedenen Ländern, so etwa auf einer internationalen Veranstaltung in Straßburg. Die deutschen Teilnehmer waren überwiegend der NPD und deren Jugendorganisation JN zuzurechnen. Der Initiator des Straßburger Treffens war ein Anhänger LE PENs, des Chefs der französischen "Front National" (FN). Schweiz Internationale Kontakte pflegt nach wie vor auch die "Europäische Neuordnung" (ENO) unter ihrem Generalsekretär Armand AMAUDRUZ, Lausanne. Ihrem seit Jahren verfolgten Ziel, Rechtsextremisten verschiedener europäischer Länder organisatorisch enger zu verbinden, kam die Gruppe freilich auch 1988 nicht näher. Im Gegensatz noch zu 1987 fand im abgelaufenen Jahr kein größerer Kongreß der ENO statt. 86 Die auch in Baden-Württemberg verbreitete Zeitung "Eidgenoss" des Schweizer Rechtsextremisten Dr. Max WAHL aus Winterthur beschäftigt sich in gewohnt einseitiger Weise mit der deutschen Vergangenheit. Die Periode zwischen 1933 und 1945 wird unbeirrt als "große nationale Aufbruchzeit" dargestellt ("Eidgenoss", 9/88) und die Judenvernichtung verharmlost. Die unverhohlen rechtsextremistische Haltung der Zeitung wird schließlich auch daran erkennbar, daß sie den deutsch-kanadischen Neonazi ZÜNDEL bagatellisierend als "schwäbischen Streiter für Meinungsfreiheit und geschichtliche Wahrheit" bezeichnet. Österreich Die seit Jahren besonders engen Kontakte zwischen deutschen und österreichischen Neonazis bestehen ungeschmälert fort. Ausgeprägte Verbindungen unterhalten vor allem deutsche neonazistische Aktivisten der "Bewegung" zu ihren Gesinnungsgenossen in der "Ostmark", wie Österreich in diesen Kreisen noch immer bezeichnet wird. Häufig nehmen österreichische Neonazis an "Führerthings" deutscher Gesinnungsgenossen teil. Zeitschrift Ochsenbergers Zu den führenden Neonazis in Österreich zählt unverändert Walter OCHENSBERGER aus Hörbranz, der seit Jahren das gesamte "national gesinnte Lager" 87 mit Druckerzeugnissen seines Verlags "SIEG Aktuell - Jugend-Presse-Dienst" beliefert. Die bereits 1980 von dem österreichischen Rechtsextremisten Gerd HONSIK gegründete Zeitung "HALT", die seit etwa einem Jahr auch in Baden-Württemberg verbreitet wird, befaßt sich bezeichnenderweise vorrangig mit der "Widerlegung" des Holocaust. Die Autonomie-Bestrebungen in Südtirol, die 1988 von zahlreichen Sprengstoffanschlägen begleitet worden sind, finden bei deutschen Rechtsextremisten uneingeschränkte Sympathie. Belgien/Niederlande Die zwischen deutschen Neonazis und rechtsextremistischen flämischen Gruppen seit Jahren bestehenden Kontakte wurden 1988 weiter gepflegt. So nutzten zahlreiche deutsche Rechtsextremisten die alljährlich stattfindende Volkstumsveranstaltung "Ijzerbedevaart" in Diksmuide/Belgien zum Meinungsaustausch. Daneben sind Neonazis aus Belgien und Holland gelegentlich auch auf Treffen beider Flügel der deutschen "Bewegung" anwesend. Vereinigte Staaten vom Amerika Der aus Deutschland stammende und in Lincoln/Nebraska (USA) lebende Gary (Gerhard) Rex LAUCK setzt seine Tätigkeit als "Organisationsund Propagandaleiter" der "NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) ungebremst fort. Seine überwiegend propagandistisch ausgerichteten Aktivitäten beinhalten beinahe ausschließlich die Lieferung neonazistischen Schriftenund Propagandamaterials an seine Anhänger im Bundesgebiet. Zumeist handelt es sich hierbei um Hakenkreuzaufkleber und kleinere Plakate, die häufig zu Klebeaktionen benutzt werden. In der von der NSDAP/AO herausgegebenen Zeitung "NS-Kampfruf", die alle zwei Monate erscheint, werden Kassetten mit Reden von ehemaligen NS-Funktionären sowie Embleme des Dritten Reichs zum Kauf angeboten. Im Jahre 1988 veröffentlichte LAUCK im "NS-Kampfruf" eine Artikelserie von Michael KÜHNEN, in der dieser die "25 Punkte des Programms der NSDAP" kommentierte. Kanada Der in Toronto/Kanada lebende deutsche Neonazi Ernst ZÜNDEL verbreitet als Leiter des "Samisdat Verlags" seit Jahren auch im Bundesgebiet neonazistisches Propagandamaterial, das er Anhängern, gelegentlich aber auch völlig unverdächtigen Personen zusendet. Im Mai 1988 wurde er in Kanada von einem Geschworenengericht wegen Verbreitens falscher Nachrichten (Leugnung des Holocaust) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig). Im September 1988 wollte ZÜNDEL in Bregenz/Österreich ein Treffen mit Sympathisanten durchführen, das aber von der Polizei aufgelöst wurde. ZÜNDEL mußte das Land verlassen. In der Bundesrepublik Deutschland besteht Haftbefehl gegen ZÜNDEL. m 8. Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund In Baden-Württemberg wurden 1988 insgesamt 443 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund bekannt. Im Vorjahr waren es noch 377 Fälle. Der überwiegende Anteil der Delikte entfiel dabei wieder auf Schmierund Klebeaktionen oft unbekannt gebliebener Täter. Im folgenden sind beispielhaft einige Straftaten dargestellt, die symptomatisch sind für die häufig geprägte Fremdenfeindlichkeit oder die antsemitische Grundhaltung der Täter: - Am 31. Juli 1988 vernahmen Anwohner gegen 1.50 Uhr Schüsse im Bereich des Asylbewerberwohnheims in Stuttgart-Degerloch. Die gerufenen Polizeibeamten stellten einen Pkw fest, der mit drei männlichen Personen im Alter von 16 - 18 Jahren besetzt war. Einer der Jugendlichen, die unter Alkoholeinfluß standen, versuchte während der Überprüfung eine Schreckschußwaffe zu verstecken. Im Verlauf der anschließenden Vernehmung gaben diese zu, mit der Waffe an der Asylbewerberunterkunft Schüsse abgegeben zu haben. Ein Täter, der auch Fahrzeuglenker war, bezeichnete sich als "national" eingestellt. - Ein Bewohner des Asylbewerberwohnheims in Aalen-Wasseralfingen bemerkte am 18. August 1988 kurz nach Mitternacht vier jugendliche Männer, von denen einer einen Brandsatz gegen die Fensterscheiben eines Zimmers im Erdgeschoß des Gebäudes warf. Bewohner des Heims verfolgten die Täter, die jedoch zuerst mit einem Pkw entkommen konnten. Im Zuge einer sofort eingeleiteten polizeilichen Fahndung gelang es, diese doch noch festzunehmen. Die 18 bis 20 Jahre alten Tatverdächtigen gaben nach anfänglichem Leugnen zu, während einer Bierrunde angeblich spontan - aufgrund latent vorhandener Ausländerfeindlichkeit - diese Tat verabredet zu haben. - Unbekannte Täter sprühten am 11. November 1988 an einem städtischen Gebäude in Pforzheim-Büchenbronn die antisemitische Parole "Jude verrecke". Der Schriftzug wurde über eine Breite von zwei Metern mit schwarzer Farbe angebracht. - In der Nacht zum 13. November 1988 beschädigten Unbekannte insgesamt 17 Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof von Bad Buchau. Außerdem besprühten sie drei Grabsteine mit Hakenkreuzen und NS-Runen. Am Eingangstor des Friedhofs befestigten die Täter ein Schreiben mit aufgeklebten, aus einer Zeitung ausgeschnittenen Buchstaben: "Deutschland erwache - Juda verrecke". Immer häufiger werden strafbare Handlungen sehr junger Täter bekannt, die - ohne Rechtsextremisten zu sein - aus spontanem Entschluß leichtfertig neonazistische Symbole oder Parolen schmieren und dabei nicht selten beträchtlichen Schaden anrichten. 89 9. Maßnahmen gegen rechtsextremistische Aktivisten Die Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden begegneten auch 1988 erkannten Gesetzesverletzungen von Rechtsextremisten mit der gebotenen Konsequenz. An herausragenden Verfahren sind zu nennen: - Am 2. März 1988 durchsuchten auf Anordnung der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Stuttgart Polizeibeamte in 61 Städten von Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein die Wohnungen von 83 Beschuldigten. Dabei wurden als Rädelsführer vier maßgebliche Neonazis aufgrund bestehender Haftbefehle festgenommen und eine außerordentlich große Menge von Beweismitteln wie Schriftmaterial, NS-Symbole und -Abzeichen, Uniformteile, verbotene Gegenstände und Waffen im Sinne des Waffengesetzes sowie Personalcomputer und Disketten sichergestellt. In Baden-Württemberg waren acht neonazistische Aktivisten betroffen (s. auch Seite * * ) . Hintergrund der Durchsuchungen war ein Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Sommer 1987 gegen Aktivisten der "Bewegung" (MOSLER-Flügel) eingeleitet hatte. Anlaß des Verfahrens war der Verdacht eines Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot (SS 85 StGB) durch die Bildung einer Nachfolgeorganisation der im Dezember 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/ NA). - Die Jugendkammer des Landgerichts Nürnberg/Fürth (Bayern) verurteilte am 21. September 1988 in einer Berufungsverhandlung einen Neonazi aus Heidenheim zu einem Jahr und einen Aktivisten aus Pfullingen zu sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Den Verurteilten war zur Last gelegt worden, im April 1987 im Stadion von Nürnberg großflächige Schmierereien begangen sowie Hunderte von Flugblättern der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) verteilt zu haben, die die Freilassung des zwischenzeitlich verstorbenen ehemaligen HITLERStellVertreters Rudolf HESS zum Thema hatten. - Das Landgericht Mannheim ahndete am 25. November 1988 mit seinem Urteil die Vorgehensweise einer Tätergruppe, die am 30. Januar 1988 - mit dunklen Motorradunterziehhauben maskiert - in das Asylbewerberwohnheim der Stadt Schriesheim/Bergstraße (Rhein-Neckar-Kreis) gestürmt war. Dabei drangen mehrere, teils mit Holzknüppeln bewaffnete Täter in ein Zimmer ein und verletzten durch Schläge zwei aus Indien stammende Asylbewerber. Weitere Heimbewohner konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Bedrohung und Hausfriedensbruch wurden fünf Täter zu Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung sowie zu empfindlichen Geldbußen verurteilt. Gegen einen Angeklagten erging eine Jugendstrafe auf 90 unbestimmte Dauer, die mindestens ein Jahr und zehn Monate, höchstens drei Jahre und sechs Monate betragen soll. Das Gericht erließ gegen diesen Mann Haftbefehl wegen Fluchtgefahr. Bei einem Angeklagten wurde von einer Bestrafung abgesehen; das Verfahren gegen eine zunächst Mitbeschuldigte wurde eingestellt. Ein Täter ist flüchtig, gegen ihn besteht unverändert Haftbefehl. 91 F. Aktivitäten politisch extremer Ausländer 1. Allgemeiner Überblick Am 31. Dezember 1988 hielten sich in Baden-Württemberg etwa 932.100 ausländische Staatsangehörige auf. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das eine Zunahme um mehr als 50.000 Personen. Allerdings gilt nach wie vor, daß sich die übergroße Mehrzahl der hier lebenden Ausländer loyal zum Gastland verhält und den Werbungsbemühungen politischer Extremisten widersteht. Im Jahre 1988 ist der Mitgliederbestand von Ausländervereinigungen mit extremistischer oder terroristischer Zielsetzung sogar um 970 auf nunmehr 16.300 Personen gesunken. Bei der Bewertung dieses Potentials ist indes zu berücksichtigen, daß die Ausländer extremistisch beeinflußten Gruppierungen, die nach außen hin oft ihre betreuerische Funktion betonen, häufig nicht allein aus politischer Motivation angehören. Sie suchen dort zunächst und vorrangig gesellige Kontakte oder Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsproblemen. Einmal beigetreten, erliegen diese Ausländer dann nicht selten der indoktrinierenden Kraft geschulter Funktionäre. Mitglieder extremistischer bzw. extremistisch beeinflußter Ausländerorganisationen 1988 (Zahl in Klammern: 1987) orthodoxNeue Linke/ rechtsextrem religiösMitglieder kommunistisch sozialnationalistisch revolutionär 1988 (1987) Araber 150 (200) 215 (270) 190 (130) 555 (600) Iraner 75 (80) 245 (200) 110 (70) 30 (40) 460 (390) Jugoslawen 130 (150) 250 (230) 380 (380) Kurden 520 (1240)* (1260)* (1620)* (2840)* (6960)* Türken 500 1210 1700 2900 6310 Sonstige 6600 (6900) 515 (680) 910 (1310) 50 (50) 8075 (8940) Insgesamt 7845 (8420) 2315 (2560) 2970 (3230) 3170 (3060) 16300 (17270) *1987 wurden Kurden nicht gesondert erfaßt. 92 Die Aktivitäten extremistischer Ausländergruppen sind weiterhin von den Konflikten und Krisen in den jeweiligen Heimatländern bestimmt. Daneben beziehen sie immer häufiger in politischen Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik Deutschland Stellung. Neben Fragen der Ausländerund Asylpolitik werden auch die deutsche Sozialund Wirtschaftspolitik sowie die Außenund Sicherheitspolitik aufgegriffen. Ferner beeinträchtigen ausländische Extremisten mit Versuchen, gewaltsame politische Bestrebungen in den Heimatländern vom Gastland her zu initiieren oder zu fördern, auch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Bei einigen Organisationen ist weiterhin eine hohe, teils sogar noch gesteigerte Gewaltgeneigtheit zu verzeichnen. Als aktuelle Schwerpunkte des Ausländerextremismus sind hervorzuheben: - Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ist durch Inhaftierung und interne Auseinandersetzungen zwar sichtlich geschwächt, doch ist die von ihr ausgehende Sicherheitsgefährdung nicht geringer geworden. - Das Ausheben eines umfangreichen Waffenlagers palästinensischer Terroristen in Frankfurt am Main dokumentiert die akute Bedrohung der inneren Sicherheit von dieser Seite. - Durch militante libanesische Schiiten drohen insbesondere auch wegen der laufenden Strafverfahren gegen Gesinnungsgenossen Anschläge und Geiselnahmen. - Bei einigen Organisationen der türkischen "Neuen Linken" ist die bereits seit Jahren offenkundige Gewaltbereitschaft eher noch gestiegen. - Die jugoslawischen Emigrantengruppen geraten wegen der sich zuspitzenden Lage im Heimatland zusehends in Bewegung. Die von ihnen ausgehende Sicherheitsgefährdung besteht fort. 93 Ausländische Extremistengruppen - Mitgliederentwicklung - 1981-1988 MITGLIEDES IHSGESAMT MITGLIEDES ORTHODOX-KOMMUNISTISCHES GRUPPEN MITGLIEDES HECHTSEXTREMISTISOHEE GRUPPEN MITGLIEDES DES "NEUEN LINKEN" -T "00 4 000 * | j ;?degdeg 3 M- 270D 2700 3 000 * 2 000 ' 1 000 * 19S8 94 2. Türken 2.1 Allgemeines Die Gesamtzahl der Anhänger türkischer (einschließlich kurdischer) extremistischer oder extremistisch beeinflußter Vereinigungen ist 1988 gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert geblieben. Allerdings haben sich die Gewichte in diesem Bereich weiter verschoben. Der Rückgang orthodoxkommunistischer Gruppen hielt an. Er wurde durch Zugewinne der Rechtsextremisten ausgeglichen, die von der Gründung eines neuen Verbandes profitieren. Die Organisationen der "Neuen Linken" und der religiösen Nationalisten behaupteten ihre Stärke fast unverändert. Die linksextremistischen Gruppierungen bemühten sich 1988 in verstärktem Maße, ihren durch Zersplitterung bewirkten geringen Einfluß in der Öffentlichkeit durch die Bildung anlaßbezogener Komitees zu verstärken. So führten im November 1988 anläßlich eines Hungerstreiks von Häftlingen in der Türkei Sympathisanten linksextremistischer türkischer und kurdischer Organisationen in Baden-Württemberg und im übrigen Bundesgebiet zahlreiche Protestund Solidaritätsaktionen durch. Im Verlauf der Kampagne kam es sogar zu Besetzungsaktionen und Brandanschlägen gegen türkische Einrichtungen. Ein weiteres herausragendes Agitationsthema bildete die maßgeblich von türkischen Linksextremisten getragene bundesweite Kampagne gegen den Besuch des türkischen Staatspräsidenten EVREN in der Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1988. Hierzu wurden in zahlreichen Städten demonstrative Aktionen durchgeführt und Flugblätter verteilt. Auch in Baden-Württemberg kam es im Vorfeld des Staatsbesuchs zu anlaßbezogenen Plakatierungen. In Stuttgart und Mannheim verbreitete Plakate bezeichneten den türkischen Staatspräsidenten als "Mörder" und machten ihn für "Hinrichtungen, Folter, Massaker und Terror" verantwortlich. 2.2 Linksextremistische kurdische Gruppierungen 2.2.7 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die orthodox-kommunistische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) blieb auch 1988 die weitaus aktivste und militanteste Vereinigung extremistischer Kurden. In der Türkei operiert die PKK mit ihrer Kampforganisation, der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK), offen terroristisch. Massive finanzielle sowie personelle Unterstützung erhält die Vereinigung durch ein erhebliches Sympathisantenpotential in Europa, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland. Mit der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) verfügt die Partei über eine eigene Propagandaorganisation. Die Bemühungen, auch in Europa das organisatorische Netz dichter zu knüpfen und ihre Anhänger in spezifischen Frontverbänden zu ordnen, fanden ihren Ausdruck in den Gründungen mehrerer solcher Vorfeldorganisationen: 95 "Union der Patriotischen Arbeiter Kurdistans" (YKWK) "Union der Revolutionär-Patriotischen Jugend Kurdistans" (YXK) "Union der Patriotischen Frauen Kurdistans" (YJWK) "Union der Patriotischen Intellektuellen Kurdistans" (YRWK). Die Europavertretung der gewaltbereiten PKK erklärte in einem bereits im Dezember 1987 im Bundesgebiet verbreiteten deutschsprachigen Flugblatt, das kurdische Volk führe seinen Freiheitskampf seit nunmehr neun Jahren unter Führung der PKK und im Sinn des wissenschaftlichen Sozialismus. Im "10. Kampfjahr" werde die nationale Befreiungsbewegung auch auf internationaler Ebene stärkere Resonanz finden und ihre internationalen Beziehungen noch mehr intensivieren. Die PKK werde den "Intrigen des Imperialismus" entgegenwirken und dauerhafte internationale Allianzen schaffen. Die Parteiorganisation erhalte eine noch stabilere Struktur und eine effektivere Führung. Alle Aktivisten der Partei seien aufgerufen, den durch das "Blut der Widerstandsmärtyrer rot gefärbten Weg" mit Entschlossenheit zu beschreiten. Ein Schlaglicht auf die offene Militanz der Vereinigung auch im Bundesgebiet wirft eine Äußerung des Sprechers der ERNK, Rechtsanwalt Hüseyin YILDIRIM (Schweden). Auf Frage eines Reporters während einer Presse-Konferenz am 17. Februar 1988 in Bonn im Zusammenhang mit zunächst im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens beschlagnahmten und später der Organisation wieder zurückerstatteten etwa 700.000,DM betonte er, daß man nach erfolgloser Ausschöpfung des Rechtswegs Gewalt angewendet hätte. Die am 5. Februar 1988 bekanntgegebene Verhängung von Todesurteilen gegen 20 Anhänger der PKK in der Türkei war in den folgenden Wochen wiederum Anlaß für eine europaweit koordinierte Serie von Besetzungsaktionen von Botschaften, Parteiund Pressebüros sowie "Solidaritätshungerstreiks" (so in Stuttgart vom 17. Februar bis 4. März 1988). Die Inhaftierung mehrerer führender Funktionäre im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts wegen des Verdachts eines Verbrechens nach SS129a StGB (terroristische Vereinigung im Umfeld der PKK und ihrer Hilfsorganisationen) führte zu einer zeitweiligen spürbaren Schwächung der Organisation. Inzwischen wurde gegen 17 Parteiaktivisten Anklage erhoben. Dieser Vorgang wurde im Jahre 1988 beherrschendes Thema für die Partei und veranlaßte die Sympathisanten der PKK zu erneuten Besetzungen und Kundgebungen an Grenzübergängen zur Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus begannen Anhänger der Partei zu diesem Themenkomplex am 6. April 1988 in Karlsruhe einen Protestmarsch nach Bonn, der dort am 25. April 1988 mit einer Abschlußkundgebung endete. Mit weiteren bundesweiten Demonstrationen zum Bundesgerichtshof am 20. Mai und 22. Juni 1988 sollte der Forderung nach Freilassung der Inhaftierten Nachdruck verliehen werden. In diesem Zusammenhang sprach die PKK von "haarsträubenden Verleumdungen" des Generalbundesanwalts und von einer offenen Kriegserklärung der "Administration der Bundesrepublik Deutschland" an die Patrioten aus Kurdistan. 96 Auch die PKK-Hilfsorganisation "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e.V." (FEYKA-Kurdistan) engagierte sich zusammen mit deutschen linksextremistischen Gruppen, darunter dem "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK), gelegentlich auch mit militanten Autonomen oder Angehörigen des terroristischen Umfelds, für die sofortige Freilassung der inhaftierten Funktionäre der "Arbeiterpartei Kurdistans". In einer gemeinsamen Flugschrift mit dem Titel "Schluß mit der Verfolgung der kurdischen Arbeitervereine in der BRD" wurde behauptet, die Bundesrepublik Deutschland habe unmittelbare ökonomische Interessen am "räuberischen Feldzug" des türkischen Regimes gegen das kurdische Volk. Unter diesem Blickwinkel bekomme die Verfolgung patriotischer Kurden durch die deutschen Staatsorgane den Charakter der Kriegsführung an einer Front im Hinterland. PFINGST JUGEND TREFFEN'88 Plakat der PKK In Baden-Württemberg gehören FEYKA-Kurdistan Vereine in Mannheim und Stuttgart an. Aktivitäten der landesweit etwa 250 Sympathisanten der PKK und ihrer Nebenorganisationen wurden jedoch auch in zahlreichen anderen Städten des Landes festgestellt. So fanden 1988 folgende überregionale Veranstaltungen statt: - Solidaritätstreffen in Stuttgart am 20. August 1988 aus Anlaß des 4. Grün97 dungstages der "Befreiungseinheiten Kurdistans" (HRK), die Ende 1986 in die "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) übergingen, - Demonstration am 10. September 1988 in Karlsruhe mit etwa 4.000 Teilnehmern anläßlich des Jahrestages des Militärputsches in der Türkei sowie aus Protest gegen die Inhaftierung führender Aktivisten, - Saalveranstaltung am 3. Dezember 1988 in Stuttgart aus Anlaß des 10. Jahrestages der PKK-Gründung. Trotz dieser massiven Agitation hielt die Isolation der PKK innerhalb des türkisch/kurdischen Spektrums im wesentlichen an. Lediglich durch eine gemeinsame Flugschrift mit der im Irak aktiven Sozialrevolutionären "Patriotischen Union Kurdistans" (PUK) vom 1. Mai 1988 wurden Gespräche beider Vereinigungen bekannt, die der "Vereinigung der nationaldemokratischen Bewegung" in ganz Kurdistan dienen sollten. Auswirkungen im Bundesgebiet waren bislang jedoch nicht zu erkennen. Große, noch immer anhaltende Unruhe löste unter der Anhängerschaft der PKK die im Juni 1988 geäußerte scharfe Kritik des Sprechers der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), Hüseyin YILDIRIM, an Generalsekretär ÖCALAN aus. YILDIRIM, der dem Parteichef den Rücktritt nahegelegt haben soll, beabsichtigt offenbar, die bisherige harte Linie der PKK unter seinem Vorsitz weiter zu verfolgen. In einer Erwiderung deutete die "Europavertretung" der Partei dessen Äußerungen als weiteren Versuch des Imperialismus, eine "konterrevolutionäre Allianz" gegen die PKK zu schaffen. Die Pläne, mit "Provokateuren" Angriffe auch innerhalb der Reihe des Befreiungskampfes zu lancieren, sieht die Vereinigung als eine in den "imperialistischen Metropolen wie den USA, West-Deutschland, Schweden, Frankreich u.a." vorbereitete Intrige, deren Umsetzung dem "lokal faschistischen türkischem Regime" übertragen wurde. "Militante und Sympathisanten" werden aufgerufen, gezielte Aktivitäten gegen die Provokateure zu entwickeln, um ihnen "kein Lebensrecht" einzuräumen. 2.2.2 Sonstige linksextremistische kurdische Organisationen Die orthodox-kommunistische "Sozialistische Partei Türkisch-Kurdistan" (TKSP) kämpft - wie ihr Generalsekretär in einem Anfang 1988 veröffentlichten Interview betonte - gegen die angebliche "Terrorund Unterdrückungspolitik" des türkischen Staates in Kurdistan und sieht ihre Aufgabe in der "Organisation sowie der Führung der Massen" auf dem Weg zum "Sturz des faschistischen Regimes" der Türkei. Dabei kommt der in "Folge der Migration kurdischer Arbeiter in der Bundesrepublik" hier entstandenen und von der TKSP beeinflußten "Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der BRD e.V." (KOMKAR) und ihrer Arbeit besondere Bedeutung zu. In ihrem deutschsprachigen Organ "Informationsbulletin Kurdistan" beschrieb die KOMKAR den Charakter der Föderation als eine 98 Organisation, die sich im Gegensatz zur PKK für die Belange und Forderungen der hier lebenden kurdischen Bevölkerungsgruppe einsetzt und die nationaldemokratische Bewegung des kurdischen Volkes in allen vier Teilen Kurdistans unterstützt." In einem Flugblatt zum 1. Mai prangerte die KOMKAR scharf den "Terror der Diktatur" der Türkei gegenüber der Bevölkerung in "Türkei-Kurdistan" an, der - nach Meinung der Vereinigung - zwischenzeitlich zu einem "unerklärten Krieg" geworden sei. In diesem Zusammenhang wurde erneut auf die militärische, wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung des türkischen Staates durch die deutsche Bundesregierung hingewiesen. Im Bundesgebiet sähen sich die Anhänger der Vereinigung täglichen Angriffen durch die "Herrschenden und durch neofaschistische Kräfte" ausgesetzt. An der Seite anderer Organisationen beabsichtigt die KOMKAR deshalb auch weiterhin, gegen ein geplantes neues Ausländergesetz, "sozialen Kahlschlag", Atomwaffen und für die politische, soziale und rechtliche Gleichstellung der Arbeitsemigranten in der Bundesrepublik Deutschland zu kämpfen. In Baden-Württemberg sind Anhänger der KOMKAR in Konstanz, Heilbronn, Mannheim, Stuttgart und Ulm aktiv. 2.3 Organisationen der "Neuen Linken" Die seit Jahren in zahlreiche Gruppen gespaltene türkische "Neue Linke" präsentierte sich auch 1988 facettenreich. Unverändert verfügen die "Türkische Kommunistische Partei/-Marxisten-Leninisten" (TKP/ML), die "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) und die "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front" (THKP/-C) über die bedeutendsten Sympathisantengruppen im Bundesgebiet bzw. in Baden-Württemberg. Gemeinsames Hauptziel dieser Vereinigungen ist die gewaltsame Beseitigung der gegenwärtigen türkischen Staatsstruktur. Die durch ideologische Differenzen begründete Spaltung der TKP/ML in die Gruppen "PARTIZAN" (P) und "BOLSEVIK PARTIZAN" (BP) dauert an. Von der mitgliederstärksten Fraktion "PARTIZAN" beeinflußt werden die "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF), die auch in BadenWürttemberg eine Reihe örtlicher Gruppierungen unterhält, und die 1986 gegründete europaweite Dachorganisation "Konförderation türkischer Arbeitervereine in Europa" (ATIK). Demonstrative Aktionen sowie zahlreiche Flugblätter der ATIF richteten sich 1988 vorrangig gegen die "Folter und Unterdrükkung in der Türkei" und gegen die geplante Gesetzesnovelle zum Ausländerrecht. Sowohl auf Versammmlungen als auch in ihren Schriften forderte die TKP/ML wiederholt dazu auf, in der Türkei den bewaffneten Kampf aufzunehmen. So wurde anläßlich einer Großveranstaltung mit etwa 600 Teilnehmern am 99 13. Februar 1988 in Stuttgart nicht nur ausführlich über die Ergebnisse des 3. Parteikongresses der TKP/ML berichtet, sondern auch öffentlich dazu aufgerufen, den Kampf mit politischen und militärischen Mitteln zu führen. Besonders deutlich zeigte sich die Gewaltbereitschaft und die ideologische Zielsetzung der TKP/ML auch in einer im Februar 1988 verbreiteten deutschsprachigen Publikation. In ihr sprach sich die TKP/ML dafür aus, den Guerilla-Krieg als Hauptkampfmittel in die Städte der Türkei zu verlagern. Zur Verwirklichung der Revolution und zur Abrechnung mit den Volksfeinden müßten "blutige" wie "unblutige" Kampfmethoden angewandt werden. In der Türkei und im Ausland gelte es, "Massenorganisationen" zu errichten oder in den schon errichteten mitzuarbeiten. Den Massen müsse erklärt werden, daß der wahre Frieden die Zerschlagung des "imperialistischen Systems" erfordere. Aufkleber der TKPIML In einer Ausgabe ihres Organs "Isci-Köylü Kurtulusu" (Arbeiter-Bauern-Befreiung) rief die TKP/ML ihre Anhänger im Ausland auf, in die Türkei zurückzukehren, um dort den bewaffneten Kampf auszuweiten. Da die politischen Ziele der Partei mit friedlichen Mitteln nicht zu erreichen seien, bilde der bewaffnete Kampf nunmehr die Grundlage des weiteren Vorgehens. Die Bauernschaft im Heimatland sei aufgerufen, die Kampfeinheiten der "Türkischen Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), des militärischen Zweigs der TKP/ML, zu unterstützen. 100 Besonders deutlich offenbarte sich die Gewaltbereitschaft der TKP/ML-TIKKO auch im Bundesgebiet durch den Schußwaffenanschlag auf das türkische Generalkonsulat am 29. Januar 1988 in Hannover, mit dem gegen den "faschistischen türkischen Staat" protestiert werden sollte. Auch der versuchte Brandanschlag auf das türkische Generalkonsulat in Stuttgart am 23. November 1988, mit dem auf den Hungerstreik in türkischen Haftanstalten hingewiesen werden sollte, dokumentiert die Militanz dieser Organisation. Zahlreiche Farbsprühund Plakataktionen in Städten des Landes zeugen von der ungebrochenen Schlagkraft der TKP/ML und ihrer Spaltergruppen. Die in der Türkei verbotene terroristische THKP/-C wird im Bundesgebiet durch mehrere miteinander konkurrierende Gruppen vertreten. Hierzu zählen insbesondere Anhänger der 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen Gruppe "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke), die auch unter dem Namen "Avrupa 'da Dev Gene" (Revolutionäre Jugend in Europa) auftreten, und die Gruppe "Devrimci Yol" (Revolutionärer Weg). Mutmaßliche Anhänger der "Devrimci Yol" befestigten am 26. März 1988 vor dem türkischen Generalkonsulat in Stuttgart eine Bombenattrappe und ein Spruchband, mit dem auf den Todestag von 10 Mitgliedern der THKP/-C hingewiesen wurde, die 1972 in der Türkei bei Auseinandersetzungen mit türkischen Sicherheitskräften ums Leben kamen. Die der in der Türkei verbotenen "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP) nahestehende "Föderation der türkischen demokratischen Arbeitervereine in Deutschland e.V." (DIDF) engagierte sich im Jahre 1988 insbesondere bei Protestaktionen gegen den Staatsbesuch des türkischen Staatspräsidenten EVREN in der Bundesrepublik Deutschland. 2.4 Orthodox-kommunistische Organisationen Die bislang größte, von der "Kommunistischen Partei der Türkei" (TKP) beeinflußte Organisation, die "Föderation der Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FIDEF) löste sich Anfang 1988 auf. Sie vereinigte sich mit der von der ebenfalls orthodox-kommunistischen "Türkischen Arbeiterpartei" (TIP) beeinflußten "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa - Einigkeit für Demokratie" (DIBAF) zur neuen "Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei" (GDF). Die bereits seit dem Herbst 1987 geplante Vereinigung der beiden Mutterparteien zur "Vereinigten Kommunistischen Partei der Türkei" (TBKP) wurde erst am 7. Oktober 1988 in Oberhausen vollzogen. Das ursprüngliche Vorhaben der Generalsekretäre von TKP und TIP, Haydar KUTLU und Nihat SARGIN, den Zusammenschluß in der Türkei zu vollziehen, konnte nicht verwirklicht werden. Beide wurden bei ihrer Einreise in die Türkei am 16. November 1987 auf dem Flughafen in Ankara festgenommen und müssen sich derzeit wegen staatsfeindlicher Aktivitäten vor Gericht verantworten. Beiden Parteiführern drohen bei einer Verurteilung hohe Haftstrafen. Anhänger der neugegründeten TBKP 101 nahmen die Inhaftierung der Funktionäre zum Anlaß, gegen die Mißachtung der Menschenrechte und der Meinungsund Organisationsfreiheit in der Türkei in Flugblättern zu protestieren. 2.5 Islamisch-nationalistische Vereinigungen Dem islamisch-nationalistischen Lager dürften in Baden-Württemberg insgesamt etwa 2.900 Personen angehören, die in über 30 Vereinigungen organisiert sind. Nur wenige dieser Gruppen entfalteten im Jahre 1988 Aktivitäten, die auch die Aufmerksamkeit der deutschen Bevölkerung auf sich zogen. Allerdings erhielten einige durchaus politisch akzentuierte, religiöse Veranstaltungen besonderen Zulauf. Dies war immer dann der Fall, wenn prominente Redner auftraten. So nahmen im Oktober 1988 nahezu 1.000 Türken an einer unter freiem Himmel in Tübingen durchgeführten Versammmlung mit dem als "Chomeini von Köln" bekannten Fundamentalisten Cemaleddin KAPLAN teil, der auch in Baden-Württemberg über eine Reihe ihm ergebener Organisationen verfügt. KAPLAN ist der Leiter des "Verbands der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." mit Sitz in Köln und damit bundesweit einer der maßgeblichen Führer des radikalen islamisch-nationalistischen Lagers. Er prangerte auf der Veranstaltung in scharfer Form die in der Türkei praktizierten, verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien an und sprach sich für eine streng am Koran orientierte Einheit von Staat und Religion aus. Er griff die gegenwärtige Politik in der Türkei scharf an und bezeichnete sie als Lügnerpolitik. Seine religiös verbrämten, in Wirklichkeit aber militant politischen Ziele propagierte der Kölner Verband nicht nur durch seine geistlichen Führer, sondern auch über die Zeitschrift "Ümmet" (Gemeinschaft der Gläubigen), die seit Mitte 1988 14täglich erscheint. In ihr finden sich nicht selten volksverhetzende antiwestliche und antitürkische Artikel. In scharfer Form wird zudem zum Haß gegen Israel und die Juden aufgerufen. Auch der türkische Staat und seine Repräsentanten wurden wiederholt verunglimpft und überaus heftig attackiert. In einer Mitte September 1988 veröffentlichten Sonderausgabe der "Ümmet" bezeichneten die Verfasser Mustafa Kemal ATATÜRK, den Vater und Gründer der modernen Türkei, als einen "Verbrecher und Mörder", als einen "Agenten der Engländer", der das Werk der christlichen Kreuzritterheere vollendet habe. Am 17. September 1988 führte der "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." in Köln seine Jahreshauptversammlung durch. Unter den über 2.000 Teilnehmern befanden sich auch zahlreiche Vertreter KAPLAN-orientierter Vereine aus Baden-Württemberg. Presseberichten zufolge wiederholte der Verbandsvorsitzende KAPLAN auf der Versammlung erneut seine polemischen Angriffe. In Baden-Württemberg gibt es ferner eine Reihe von Organisationen, die der ebenfalls islamisch-nationalistischen "Vereinigung der neuen Weltsicht in 102 Europa e.V." (AMGT) oder dem "Islamischen Zentrum Köln e.V." und deren Nebenorganisationen angeschlossen sind. Diese miteinander verbundenen Gruppen vertreten die Ziele der in der Türkei verbotenen "Nationalen Heilspartei" (MSP) bzw. ihrer Ersatzpartei, der "Wohlfahrtspartei" (RP), unter ihrem in der Türkei lebenden Führer Necmettin ERBAKAN. Eigenen Angaben zufolge verfügt die AMGT europaweit über 13.000 eingeschriebene Mitglieder; allein im Bundesgebiet seien ihr über 220 Vereine angeschlossen. Nach außen hin traten freilich auch die an ERBAKAN orientierten Organisationen im Jahre 1988 kaum in Erscheinung. Allein die AMGT bemühte sich um eine Verbreitung ihres extremistischen Gedankenguts. Dabei bedient sie sich der im Bundesgebiet erscheinenden türkischen Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationalzeitung) als Sprachrohr. Wiederholt fielen Beiträge dieses Organs durch eine besonders aggressive und hetzerische Sprache auf. Beispielsweise veröffentlichte das Blatt in seiner Ausgabe vom 28. September 1988 einen Artikel unter dem Titel "Der grausame Jude". Darin werden die Juden als "barbarische Ungeheuer, destruktive und defätistische Wucherer" verunglimpft, die das Blut der Gläubigen in Strömen vergießen würden. In einer weiteren Ausgabe dieser Zeitung wird eine Rede des Fundamentalistenführers Necmettin ERBAKAN veröffentlicht, in der er den "Internationalen Währungsfonds" (IWF) mit dem Weltzionismus gleichsetzt, dessen Ziel die Weltherrschaft und die Ausbeutung der Nationen sei. Die Türkei müsse sich so schnell wie möglich von der Pranke des Zionismus befreien, um der Unterdrückung und Versklavung zu entrinnen. Die türkische Nation werde sich - so wird prophezeit - von den Staaten des IWF abund der islamischen Bewegung zuwenden. 2.6 Rechtsextremistische Vereinigungen Die seit 1978 in Baden-Württemberg durch Mitgliedsverbände vertretene extrem-nationalistische "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF) hat weiter an Einfluß und Gewicht innerhalb des türkischen politischen Spektrums eingebüßt. Der Dachverband, der die Ziele der in der Türkei verbotenen rechtsextremistischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) bzw. ihrer Nachfolgepartei, der "Nationalistischen Arbeitspartei" (MCP), verficht, befindet sich gegenwärtig in einem desolaten Zustand. Symptomatisch hierfür ist die nur noch geringe Zahl öffentlicher Veranstaltungen. Vor allem wegen des Fehlens geeigneter Führungsfunktionäre ist das Überleben dieser Organisation mittelfristig in Frage gestellt. Die im Herbst 1987 vollzogene Abspaltung einer Gruppe dürfte die destruktiven Tendenzen innerhalb der ADÜTDF weiter verstärkt haben. Unter der Führung der beiden ehemaligen ADÜTDF-Vorsitzenden Musa Serdar CELEBI und Ali BATMAN haben sich diese Personen in der extrem nationalistischen "Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine" (TIKDB) zusammengeschlossen. Ihren Gründungskongreß unter Beteiligung von etwa 2.000 Personen, darunter mehreren ehemaligen Funktionären der in der Türkei aufgelösten MHP, führte die TIKDB am 21. Mai 1988 in Koblenz durch. Auch in Baden-Württemberg haben sich zwischenzeitlich eine Reihe von Vereinen der TIKDB angeschlossen. 103 Gegenwärtig dürften dem rechtsextremistischen türkischen Lager landesweit etwa 1.700 Personen zuzurechnen sein, die in rund 20 Vereinigungen organisiert sind. 3. Araber Die 1964 als Dachverband der palästinensischen Widerstandsorganisation gegründete "Palästinensische Befreiungsorganisation" (PLO) verfügt auch in Baden-Württemberg über Anhänger. Die meisten von ihnen gehören der sozialrevolutionär ausgerichteten nationalistischen AL FATAH an, die unter ihrem Führer Yassir ARAFAT innerhalb der PLO über den größten Einfluß verfügt. Ebenfalls mit Sympathisanten im Land vertreten sind die beiden mit der AL FATAH rivalisierenden orthodox-kommunistischen Gruppierungen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) und "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP). Daneben betätigt sich hier eine Anzahl von Einzelaktivisten kleiner, teilweise syrisch orientierter Splittergruppen. Nur vereinzelt führten die palästinensischen Widerstandsorganisationen öffentliche Veranstaltungen durch, mit denen sie gegen das Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte gegen die palästinensische Bevölkerung protestierten. Den überwiegenden Teil ihrer politischen Arbeit entfalteten die palästinensischen Organisationen in kleineren, mehr oder weniger konspirativ arbeitenden Gruppen. Die Aktivität der hauptsächlich von der AL FATAH beeinflußten "Palästinensischen Arbeiterund Studentenvereine" (PAV/PSV) stagnierte. Trotz des seit Dezember 1987 anhaltenden Aufstands der Palästinenser (Intifada) in den von Israel besetzten Gebieten blieben die Bemühungen der Funktionäre, auch im Bundesgebiet die Politisierung der Palästinenser voranzutreiben, im wesentlichen ohne die erhoffte Resonanz. Eine Zäsur in der Geschichte der PLO brachte die 19. Tagung des "Palästinensischen Nationalrats" (PNC) im November 1988 in Algier. Die von einer Mehrheit ARAFAT-treuer AL-FATAH-Delegierter sowie von Vertretern der von Nayef HAWATMEH geführten DFLP und anderer Delegierter gefaßten Entschließungen enthielten erstmals die Anerkennung des Staates Israel und führten zur Proklamation eines Palästinenserstaats. Den Verlautbarungen zufolge ist er auf eine friedliche Koexistenz ausgerichtet und lehnt die Drohung mit Gewalt und Terror ab. Indes nimmt er weiterhin das "Recht auf Widerstand innerhalb der besetzten Gebiete" in Anspruch. Trotz dieser Einschränkung lehnen die PFLP unter George HABBASH und prosyrisch orientierte palästinensische Splittergruppen die meisten Beschlüsse von Algier ab. Im Bundesgebiet riefen die Ergebnisse der Tagung des PNC lediglich verhaltene Reaktionen hervor. Nur die ARAFAT-loyalen Anhänger der AL FATAH begrüßten die Ergebnisse des PNC und führten zur Unterstützung bundesweite Versammlungen durch, an der sich auch Palästinenser aus Baden-Württemberg beteiligten. Neben der Proklamation des Staates Palästina wurde dabei auch dem Jahrestag des Beginns der Intifada gedacht. 104 Die von palästinensischen und deutschen linksextremistischen Kräften getragenen "Palästina-Komitees" solidarisierten sich mit dem Aufstand der Palästinenser in den besetzten Gebieten und veranstalteten aus diesem Anlaß zahlreiche Informationsveranstaltungen und Kundgebungen. Mit Flugblättern über die Situation der Palästinenser im Nahen Osten unterstützten sie ihre Kampagnen. Die im Oktober und November 1988 im Bundesgebiet erfolgte Festnahme mehrerer mutmaßlicher Angehöriger der "Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC), einer Abspaltung von der PFLP, und das dabei sichergestellte umfangreiche Arsenal an Waffen, Zündmechanismen und Sprengstoffen beweist erneut eindringlich die Gefährdung der Inneren Sicherheit durch aus dem Nahen Osten einreisende palästinensische Terrorkommandos. Die Auffindung eines mit Sprengstoff und einem transistorgesteuerten Unterdruckzünder präparierten Radiorekorders weist auf ein Anschlagsziel im Luftverkehr hin. Die Gruppe steht ferner im Verdacht, im August 1987 und im April 1988 auf der Bahnstrecke Hannoversch Münden - Göttingen zwei Sprengstoffanschläge verübt zu haben, die US-Militärzügen galten. Ein erhebliches Gefährdungspotential bildet daneben die Anwesenheit von Anhängern islamisch-extremistischer, überwiegend aus dem Libanon stammender Extremistengruppen. Hier sind in erster Linie die gewalttätig vorgehenden Organisationen "AMAL-Bewegung", "Partei Gottes" (Hizb Allah) und "Heiliger Islamischer Krieg" (Dschihad Islami) zu nennen. 4. Jugoslawen 4.1 Allgemeine Übersicht Im Jahre 1988 waren wieder verstärkt gewaltsame Übergriffe auf führende kroatische Emigranten zu verzeichnen, die einen politischen Hintergrund nahelegen: - ein aus politisch extremen Beweggründen bereits mehrfach straffällig gewordener Kroate aus Karlsruhe wurde am 27. August 1988 Opfer eines Säureanschlags, wobei er schwere Gesichtsund Augenverletzungen davontrug. - am 7. Oktober 1988 wurde in Stuttgart das Ladengeschäft des Leiters des "Kroatischen Nationalrats" (HNV) im Bundesgebiet demoliert. - am 20. Oktober 1988 erlitt der Vorsitzende der "Kroatischen Staatsbildenden Bewegung" (HDP) in Schottland durch mehrere Schüsse lebensgefährliche Verletzungen. Der festgenommene Täter war bereits 1972 in zwei weitere Mordfälle an kroatischen Emigranten verwickelt. Von den Tätern in Karlsruhe und Stuttgart fehlt noch jede Spur. Emigranten lasten diese Terrorakte ebenso wie die im Jahre 1988 massenhaft in Umlauf 105 gesetzten gefälschten Exilschreiben und -Publikationen jugoslawischen Geheimdiensten an. Diese führen offenbar nach Jahren relativer Ruhe eine neue Kampagne gegen Regimegegner im Ausland. Die innerpolitische Lage in Jugoslawien bildete insbesondere unter emigrierten Kosovo-Albanern Anlaß für mehrere Protestaktionen, die jedoch trotz der eskalierenden Spannungen im Heimatland allesamt friedlich verliefen. Die auch 1988 anhaltende Uneinigkeit innerhalb der extremistischen jugoslawischen Emigrantenorganisationen trug wesentlich dazu bei, daß sie ihre Anhängerschaft nicht vergrößern konnten. Da außerdem die gesteckten Ziele - die Errichtung eines unabhängigen kroatischen Staates bzw. einer Republik Kosovo - unverändert in weiter Ferne liegen, ist insbesondere unter konspirativ agierenden Kleinstgruppen die Bereitschaft vorhanden, zur Durchsetzung dieser Ziele auch Gewalt anzuwenden. Aktionsschwerpunkte sind in Baden-Württemberg nach wie vor die Bereiche Stuttgart und Karlsruhe sowie der Bodenseeraum. 4.2 "Kroatische Staatsbildende Bewegung" (HDP) Die weltweit operierende linksextremistische HDP konnte im Bundesgebiet ihre seit langem schwelende Führungskrise nicht überwinden und bleibt weitgehend Zeitschrift der HDP 106 handlungsunfähig. Die noch 1987 eingeleitete propagandistische Offensive konnte wegen Querelen unter den Funktionären sowie wegen der daraus folgenden Mitgliederverluste nicht in dem vorgesehen Umfang umgesetzt werden. Daneben trug zur Lähmung der Organisation die Anfang 1988 erfolgte Verhaftung und Verurteilung des Leiters des in Jugoslawien operierenden Zweiges bei. Er wurde wegen Aufrufs zum gewaltsamen Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung Jugoslawiens zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Dadurch erlitt eines der Hauptziele der Bewegung - die "Ausrichtung des Schwerpunktes der Befreiungsarbeit auf die Heimat und eine Verstärkung der dortigen Aktivitäten" - einen empfindlichen Rückschlag. In einer in Stuttgart herausgegebenen "Neujahrsbotschaft 1988 an das kroatische Volk" propagierte das "HDP-Büro für Presse und Propaganda" (zugleich Europaredaktion des HDP-Organs "Hrvatski Tjednik") die Forderung, daß das kroatische Volk, um seine Freiheit zu gewinnen, eine HDP nach dem Vorbild der IRA und der PLO brauche. Obgleich solche Äußerungen in erster Linie als Zweckpropaganda zur Demonstration der eigenen Kampfkraft zu werten sind, verdeutlichen sie dennoch die militante Haltung der HDP. Im Herbst 1988 wurde das Europabüro der "Hrvatski Tjednik" von Stuttgart nach München verlegt. 4.3 "Kroatischer Nationalrat" (HNV) Unter den der "Ustascha"-ldeologie anhängenden Exilkroaten (die "Ustascha" war die tragende politische Kraft im "Unabhängigen Staat Kroatien" von 1941 bis 1945, der unter deutschem und italienischem Protektorat errichtet wurde; sie entsprach in ihrem Aufbau einer faschistischen Partei) nimmt der HNV, ein Dachverband extrem nationalistischer Emigrantenvereinigungen mit Sitz in New York, weiterhin die führende Stellung ein. Indes spielt er nicht mehr die Rolle, die ihm noch vor Jahren zukam. Er beschränkte seine Aktivitäten auf die Herausgabe antijugoslawischer Publikationen und auf gemeinsame Demonstrationen mit extrem nationalistischen Albanern. Dem Ende 1987 gewählten, 30 Delegierten zählenden "VII. Sabor" (Parlament) des HNV gehören wiederum sieben in der Bundesrepublik Deutschland lebende Exilkroaten an, davon zwei (bei der letzten Wahl noch vier) aus Baden-Württemberg. Die Zusammensetzung des "VII. Sabor" läßt erwarten, daß der HNV weiterhin militante Einzelaktionen gegen den jugoslawischen Staat ablehnt. Die Mehrzahl der Mitglieder der Ortsgruppen des HNV im Bundesgebiet, die im "Kroatischen Koordinationsausschuß der Vereinigung der Ortsausschüsse des Kroatischen Nationalrats in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (HKO), Sitz: Stuttgart, zusammengeschlossen sind, lebt in Baden-Württemberg. 107 4.4 "Vereinigte Kroaten Europas" (UHE) Nach Jahren der politischen Einflußlosigkeit stößt die bereits 1975 gegründete, ebenfalls extrem nationalistische Organisation "Vereinigte Kroaten Europas" (UHE) mit Sitz in Frankfurt am Main neuerdings wieder auf eine gewisse Resonanz. Personelle Veränderungen in der Führungsspitze und eine neue Strategie trugen im wesentlichen dazu bei. Die UHE widmete sich im Jahre 1988 vordringlich der Betreuung ehemaliger politischer Gefangener; daneben organisierte sie mehrere Veranstaltungen, die auch unter Angehörigen anderer Emigrantenvereinigungen einen positiven Eindruck hinterließen. Eine große Anzahl UHE-Mitglieder besitzt gleichzeitig die HNV-Mitgliedschaft, was die enge Verflechtung beider Organisationen unterstreicht. 4.5 Kosovo-albanische Gruppierungen Die sich verschärfenden politischen Spannungen in der zur Republik Serbien gehörenden autonomen Provinz Kosovo führten im Bundesgebiet insbesondere im Herbst 1988 zu einer Reihe von Protestdemonstrationen, die ausnahmslos diszipliniert und gewaltlos verliefen. -y omAN i LEVIZ-IES * **.'Kr-N E HQSQVES"' PERPJEKJET E HEGJEMONISTEVE SERBE PER S t l - PRIMIM1N E AUTONOtftlSE SE KOSOVES PO HASIN NE REZISTENCE TE FUQISHME TE POPULLIT Flugblatt kosovo-albanischer Extremisten 108 Die linksextremistische "Volksbewegung für die Republik Kosovo" (LPRK), Sitz: Biel/Schweiz, fordert mit Nachdruck die Errichtung einer "Republik Kosovo" innerhalb des jugoslawischen Staatsverbands. Die konspirativ agierende Bewegung ist allerdings in sich zerstritten und operiert aus mehreren Fraktionen heraus. Ein weiterer Zulauf von Sympathisanten - wie in den vergangenen Jahren beobachtet - war nicht mehr festzustellen. Die extrem nationalistische "Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue" (N.D.SH.), Sitz: Dcnzdorf. Kreis Göppingen, die ein "vereinigtes Albanien in seinen ethnischen Grenzen" anstrebt, machte durch antijugoslawische Demonstrationen und Veranstaltungen, gelegentlich auch gemeinsam mit dem HNV, auf sich aufmerksam. 5. Iraner Sympathisanten extremistischer iranischer Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland haben ihre Aktivität wieder intensiviert. Mit einer Flut von Publikationen, Demonstrationen, Mahnwachen und Informationsständen bemühten sie sich um Mobilisierung ihrer hier lebenden Landsleute sowie der deutschen Öffentlichkeit. Agitationsschwerpunkte bildeten der inzwischen beendete Golfkrieg, die Asylpolitik sowie die Situation der politischen Gefangenen im Iran. Die islamisch-fundamentalistische, marxistisch geprägte "Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V." (IMSV) ist die größte iranische Oppositionsbewegung im Bundesgebiet. Die sie steuernde "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) gründete 1987 eine "Nationale Befreiungsarmee", die im Grenzgebiet des Irak und Iran gegen die iranische Armee kämpft. Rekrutierungen für diese Kampfgruppe sind auch im Bundesgebiet festgestellt worden. Mehrere Veranstaltungen, unter anderem am 9. Juli 1988 in Stuttgart, führte die PMOI auch in Baden-Württemberg durch. Daneben entfalten hier weitere linksextremistische Organisationen wie die orthodox-kommunistische "Tudeh-Partei" und verschiedene Spaltergruppen der "Volksfedayin Irans" vielfältige, auf Publizität ausgerichtete Aktivitäten. Der "Rat der Konstitutionellen Monarchie des Iran" (R.K.M.I.) entwickelte sich im letzten Jahr verstärkt zu einem Sammelbecken iranischer Monarchisten. Informationen über Aktivitäten von Anhängern fielen hauptsächlich in Stuttgart, Karlsruhe und Heidelberg an. Die religiös-nationalistische "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) vertritt als einzige iranische Organisation im Bundesgebiet die politische Linie Ayatollah CHOMEINIs. Ihre Anhänger zeigten sich allerdings bemüht, ihre Organisationsund Propagandaarbeit möglichst unauffällig zu betreiben. 109 6. Tamilen Die linksextremistische, gewaltorientierte "Liberation Tiger of Tamil Eelam" (LTTE) ist die wichtigste und zugleich gefährlichste Tamilenorganisation. Die in den letzten Jahren im Bundesgebiet aufgebaute "Deutsche Sektion" der LTTE betrachtet als eine ihrer Hauptaufgaben das Sammeln von Geldmitteln - zum Teil unter Androhung von Gewalt -, um damit den bewaffneten Kampf in Sri Lanka zu finanzieren. Bereits 1986 wurde gegen 32 Angehörige der "Militärabteilung" der "Deutschen Sektion" ein Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Mitte 1987 erhob der Generalbundesanwalt Anklage gegen fünf Mitglieder der Organisation, darunter deren Leiter aus Reutlingen. Seit Anfang 1988 wird vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt. Dies hat inzwischen zu einem spürbaren Rückgang der öffentlichen Aktivitäten der Vereinigung geführt. Immerhin nahmen an einer Gedenkveranstaltung Ende Oktober 1988 in Kirchheim/Teck etwa 200 Sympathisanten dieser Organisation teil. Neben den Angriffen gegen das laufende Verfahren richtete sich die Agitation der LTTE gegen die von der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit gestellte Regierung Sri Lankas sowie gegen die Anwesenheit indischer Truppen im tamilischen Teil des Landes. 110 G. Spionageabwehr und Geheimschutz 1. Allgemeiner Überblick Die geheimdienstlichen Aktivitäten der Ostblockstaaten gegen die Bundesrepublik Deutschland halten auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entspannungsbemühungen und bedeutsamer innerstaatlicher Reformbestrebungen in der Sowjetunion mit unverminderter Konzentration und unveränderter Zielrichtung an. Der gegenwärtig zu verschiedenen Themenkomplexen geführte OstWest-Dialog erfordert offenbar aus östlicher Sicht intensive Einblicke in die politische Verhandlungsstrategie der anderen Seite. Eine Zunahme ist auch bei den gegen Industrie und Wissenschaft gerichteten Ausspähungsbemühungen zu verzeichnen, da die insbesondere von der UdSSR mit großem Nachdruck betriebene wirtschaftliche Umgestaltung sich offenbar nicht allein aus eigener Kraft realisieren läßt. Der Ostblock ist deshalb dringend darauf angewiesen, sich das fehlende Know-how aus den westlichen Industrienationen zu beschaffen. Die hohe Zahl der im Jahre 1988 exekutiv bearbeiteten Spionage-Vorgänge (bundesweit mehr als 350 Ermittlungsverfahren und über 60 Festnahmen) verdeutlicht die unverändert starken nachrichtendienstlichen Aktivitäten in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie Militär. Die Ausforschungsaktivitäten beschränken sich dabei keineswegs nur darauf, einzelne hochkarätige Spione in Schlüsselpositionen mit guten Zugangsmöglichkeiten einzuschleusen. Vielmehr sind die gegnerischen Nachrichtendienste ebenso sehr darum bemüht, ein dichtes Informationsaufkommen durch die Gewinnung möglichst vieler "Quellen" auf verschiedenen Ebenen zu erlangen. Selbst Randerkenntnisse oder scheinbar belanglose Meldungen können von Bedeutung sein, wenn sie sich in ihrer Summe zu einem aussagekräftigen Gesamtbild zusammenfügen lassen. Bei der Informationsbeschaffung werden deshalb nicht nur konspirative Methoden angewendet, sondern es wird verstärkt auch die Auswertung offener, also allgemein zugänglicher Quellen (Datenbanken, Fachzeitschriften, Prospektmaterial etc.) genutzt. Erhebliche Bedeutung kommt inzwischen auch dem sogenannten illegalen Technologietransfer zu. Hierbei geht es um den illegalen Erwerb funktionsfähiger Endprodukte aus den Bereichen Mikroelektronik, Datenverarbeitung, Kerntechnik, Chemie sowie Wehrtechnik unter nachrichtendienstlicher Beteiligung und die getarnte Verbringung dieser Waren in den kommunistischen Machtbereich. Immer wieder finden sich westliche Handelspartner, die bereit sind, die 111 Außenwirtschaftsgesetze und Embargo-Bestimmungen zu umgehen. Die Warschauer-Pakt-Staaten sparen dadurch in erheblichem Umfang Entwicklungsund Forschungskosten ein, was ihnen beträchtliche wirtschaftliche, aber auch allgemeinpolitische Vorteile verschafft. Auftragsschwerpunkte nachrichtendienstlicher Ausspähung waren im Berichtszeitraum die politische Aktivität von Verbänden, Emigrantenund Exilvereinigungen, ferner Objektund Personenabklärungen sowie im Bereich der Wirtschaft die Ausforschung von Organisationsstrukturen, Geschäftsverbindungen und die direkte Beschaffung von technischen Informationen und Embargogütern. Wie bereits in früheren Jahren gingen auch 1988 die meisten Aktivitäten von den Nachrichtendiensten der DDR aus, gefolgt von denen der CSSR, Polens, der UdSSR und Rumäniens. Um dem permanenten Ausspähungsdruck gegnerischer Nachrichtendienste erfolgreich entgegenwirken zu können, ist es dringend geboten, über die eigentliche Arbeit der Spionageabwehr hinaus wirksame Präventivmaßnahmen zu treffen. Neben den Mitteln des amtlichen Geheimschutzes (s. Ziff. 6) ist in diesem Zusammenhang vor allem eine Sensibilisierung weiter Bevölkerungskreise für die alltägliche Spionagegefahr zu nennen. Der Bürger ist sich der Gefahr kaum bewußt, daß sich die Ostblock-Geheimdienste für nahezu alle Bereiche des politischen und wirtschaftlichen Lebens interessieren. Die Verfassungsschutzbehörden versuchen deshalb durch zielgerichtete Aufklärung empfindlicher Bereiche in Staat und Wirtschaft und durch allgemeine Informationen der breiten Öffentlichkeit die notwendige Sensibilisierung zu erreichen. Dabei erfolgt die Unterrichtung über Arbeitsweisen und Absichten gegnerischer Nachrichtendienste durch Vortragsveranstaltungen, persönliche Gespräche, Zeitschriftenbeiträge, Broschüren, Lehrfilme, Plakate und andere Informationsträger. 2. Die nachrichtendienstliche Bedrohung durch das "Komitee für Staatssicherheit" (KGB) der UdSSR Beispielhaft soll im folgenden das "Komitee für Staatssicherheit" (KGB) der UdSSR kurz dargestellt werden: Aufgabe des KGB ist insbesondere die - Beschaffung von Erkenntnissen über das Potential westlicher Staaten auf allen Gebieten (offensive Aufklärung), - Aufrechterhaltung der Staatssicherheit im Innern der UdSSR; hierzu gehört die Überwachung sowjetischer Bürger und Einrichtungen, - Ausforschung westlicher Nachrichtendienste (Gegenspionage). 112 Das KGB entstand in seiner heutigen Form im Jahre 1961 und gilt als der größte Geheimdienst der Welt. Für die Auslandsaufklärung ist die 1. Hauptverwaltung des KGB verantwortlich. Dieser gewaltige Beschaffungsapparat umfaßt ca. 90.000 hauptamtliche Mitarbeiter und etwa 1,7 Millionen nebenberufliche "Kundschafter", die ein weltumspannendes Netz geheimdienstlicher Aktivitäten aufgebaut haben. Nach den USA dürfte sich die größte Anzahl von KGB-Agenten in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Die nachstehende Schilderung zweier Spionagefälle veranschaulicht die Methoden des KGB. - Während seines Studiums nahm der spätere Agent im Jahre 1970 eine Gelegenheitsarbeit bei einer Gebäudereinigungsfirma an, um sich zusätzlich ein Taschengeld zu verdienen. Dort "tippte" ihn ein Mitarbeiter dieser Firma, der beauftragt wurde, ihn für eine spätere Übergabe an den sowjetischen Geheimdienst vorzubereiten. Wenige Jahre später führte der Tipper dann seinen Kollegen in der DDR einem sowjetischen Führungsoffizier zu. In den folgenden Monaten wurde der zukünftige Agent in der Wahrnehmung von Treffs, der Bedienung von sogenannten Toten Briefkästen und im Agentenfunk geschult. Mit diesen Kenntnissen und ausgerüstet mit den Hilfsmitteln der geheimdienstlichen Tätigkeit operierte er bis zu seiner Festnahme im März 1988 innerhalb verschiedener Firmen der Elektronikbranche und des Flugzeugbaus. - Als Übersiedler deutscher Abstammung verpflichtete sich ein anderer Agent vor seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1974 zur geheimdienstlichen Mitarbeit für das KGB. Das besondere Ziel des KGB war es, ihn nach seiner geplanten Übersiedlung in das Bundesgebiet aufgrund seines Studienabschlusses als "Perspektivagenten" einzusetzen. Bis dahin erhielt er innerhalb der Sowjetunion Probeaufträge. Mit dieser Maßnahme hat der gegnerische Nachrichtendienst den Agenten an sich binden und seine Fähigkeiten beurteilen können. Der Agent übersiedelte 1977 in die Bundesrepublik Deutschland. Ein Jahr später kam es bereits zu einem Treff in der Sowjetunion mit seinem Führungsoffizier, bei dem er zunächst über sein Aufnahmeverfahren in der Bundesrepublik berichtete. Mit entsprechender Anleitung des KGB gelang es ihm, in einem Elektrokonzern eine nachrichtendienstlich ergiebige Tätigkeit aufzunehmen. Geheimdienstliche Treffs mit seinem Führungsoffizier wurden in neutralen Nachbarländern abgewickelt. Als der Agent festgenommen wurde, war er als technischer Sachbearbeiter tätig. Die Aufgabenstellung umfaßte Geschäfte, die der Elektrokonzern mit dem Ostblock und mit Überseestaaten abzuwikkeln hatte. 3. Nachrichtendienstliche Anwerbungsversuche Es gibt viele Kontaktanlässe, die durch gegnerische Nachrichtendienste für Anbahnungen genutzt werden. Während eine direkte Ansprache im Westen 113 eher die Ausnahme bildet, bieten Reisen in den kommunistischen Machtbereich häufig den ersten Kontaktanlaß (s. Ziff. 4). Reisende müssen damit rechnen, daß ihr dortiger Aufenthalt einem Nachrichtendienst zur Kenntnis gelangt, der alle Besucher, die von ihrer beruflichen Tätigkeit her interessant erscheinen, unter Anbahnungsaspekten prüft. Anhand der erkannten Werbungen und Werbungsversuche läßt sich folgern, daß derzeit unter den Bundesbürgern Zielpersonen vor allem aus den Bereichen - Handel - allgemeine Verwaltung - Verkehr - Justiz und - Sicherheit einschließlich Streitkräfte ausgewählt werden. Die Kontaktaufnahme im kommunistischen Machtbereich erfolgt grundsätzlich durch ein persönliches Gespräch, in welchem die wirkliche Absicht häufig zunächst nicht offengelegt wird. Werbungsversuchen wird gelegenheitlich auch dadurch besonderer Nachdruck verliehen, daß - charakterliche Schwächen einer Zielperson oder - zwischenmenschliche Beziehungen schonungslos ausgenutzt werden. Oft werden Vorteile der verschiedensten Art in Aussicht gestellt, wobei der Angesprochene über den wahren Auftraggeber und den nachrichtendienstlichen Hintergrund der ihm zugedachten Tätigkeit im unklaren gelassen wird. Die folgenden Beispiele zeigen, welche Möglichkeiten von den gegnerischen Diensten zur Werbung von Agenten genutzt werden: - Ein Verwaltungsangestellter, der sich zu einem Verwandtenbesuch in der DDR aufhielt, wurde nach seiner Anmeldung in der Volkspolizeistation von einem angeblichen Journalisten in ein Gespräch verwickelt, das schließlich zu einem Werbungsversuch führte. Der Angestellte sollte über seine Arbeitsstelle berichten und Stellung zu politischen Themen nehmen. - Ein Kraftfahrer hatte auf einer beruflich veranlaßten Fahrt eine Frau kennengelernt und besuchte diese in der Folgezeit mehrfach in der DDR. Bei einem dieser Besuche wurde er von einem Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) abgeholt und zu einem Verhör gebracht. Dabei kam es zu einem nachrichtendienstlichen Werbungsversuch. Als Druckmittel wurde ihm ein angebliches Devisenvergehen vorgehalten. Für eine Mitarbeit wurden ihm ein lukrativer Verdienst und die Bewilligung weiterer Einreisen zu seiner Freundin in Aussicht gestellt. - Ein DDR-Bürger wurde von einem MfS-Angehörigen aufgefordert, seinem Bekannten aus Baden-Württemberg, den er anläßlich eines Urlaubs in Ungarn kennengelernt hatte, in die DDR einzuladen und ihn dem MfS zuzuführen. 114 - An der Grenzübergangsstelle nach Ostberlin wurden bei der Kontrolle im Pkw eines Technikers Tonbänder und eine Rolle mit technischen Zeichnungen gefunden. Nach einem Verhör ließ er sich zur Mitarbeit für das MfS verpflichten. - Ein Pole wurde vor einer geplanten Besuchsreise in die Bundesrepublik Deutschland zum Paßamt seiner Heimatstadt vorgeladen und dort unter Druck angehalten, Mitarbeiter einer Firma in Baden-Württemberg abzuklären. - Ein Aussiedler aus Rumänien wurde im Rahmen seiner Ausreisebemühungen zu einem Treffen mit einem Angehörigen des rumänischen Nachrichtendienstes bestellt und unter der Androhung der Nichtbeachtung des Ausreiseantrags zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit nach der Aussiedlung ins Bundesgebiet aufgefordert. - Ein Tourist aus der Bundesrepublik Deutschland lernte während eines Aufenthalts am Schwarzen Meer mehrere UdSSR-Bürger kennen. Bei der Rückreise wurde bei der besonders intensiv durchgeführten Zollkontrolle im Gepäck des Bundesbürgers eine alte Münze entdeckt, worauf er unter dem Vorwurf, gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen zu haben, zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit aufgefordert wurde. 4. Reisen in kommunistisch regierte Länder Die gegnerischen Nachrichtendienste nutzen vor allem Aufenthalte von Bundesbürgern im kommunistischen Machtbereich, um sie dort für eine Mitarbeit anzuwerben. Bevor es allerdings zu einer ersten Ansprache kommt, haben sich die Ostblock-Geheimdienste schon intensiv mit der vorgesehenen Zielperson befaßt. Die im Zusammenhang mit dem westöstlichen Grenzübertritt auszufüllenden Unterlagen, die u.a. auch Angaben zum Arbeitsplatz enthalten, ermöglichen - zusammen mit der fortschreitenden Registrierung durch moderne technische Kommunikationsmittel - die nahezu lückenlose Erfassung und die Auswahl interessanter Personen. Weitere umfassende Abklärungsmöglichkeiten verschaffen sich die Nachrichtendienste durch ein dichtes Netz "Inoffizieller Mitarbeiter" (IM) in Reisebüros, Gaststätten und Hotels. Die Gefahr, bei Reisen in kommunistische Länder in die Abhängigkeit eines Ostblock-Geheimdienstes zu geraten, trifft Individualreisende und Teilnehmer sogenannter Gruppenreisen in gleicher Weise. Der Glaube, Gemeinschaftsreisen seien mit einem minderen Risiko verbunden, ist irrig. Die erste nachrichtendienstliche Kontaktaufnahme erfolgt vielfach unter "falscher Flagge". Dabei werden "Zufallsbekanntschaften" im Restaurant, auf dem Bahnhof, im Hotel oder bei touristischen Reisen auch am Badestrand gezielt gesucht. Die Anbahner treten in den unterschiedlichsten Rollen auf, häufig z.B. als Journalisten, Meinungsforscher, Mitarbeiter des Rats des Kreises, aber auch als Reisebegleiter oder Dolmetscher. Wo eine Kontaktaufnahme erzwungen 115 werden soll, geschieht dies unter Umständen auch durch Verleitung des Besuchers zu Straftaten (inoffizieller Devisentausch) oder gar durch Verwicklung in provozierte Verkehrsunfälle. Neugier, Informationsbedürfnis, Gedankenund Erfahrungsaustausch, gemeinsames Hobby o.a. werden oftmals vorgeschoben, um mit dem Reisenden ins Gespräch zu kommen. Um Schwierigkeiten beim späteren Aufenthalt von vornherein zu vermeiden und um gegnerischen Nachrichtendiensten kein Druckmittel in die Hand zu geben, sollten die im Gastland geltenden Vorschriften genauestens eingehalten werden. Deshalb empfiehlt es sich, folgende Hinweise besonders zu beachten: - Alle Einreiseoder sonstige Formulare sollten wahrheitsgemäß und vollständig ausgefüllt werden. - Es ist ratsam, sich anhand aktueller Broschüren und Merkblätter über die von Land zu Land verschiedenen und gelegentlichen Änderungen unterworfenen Einund Ausfuhrverbote zu unterrichten. Gegenstände, die nach unseren Vorstellungen zum täglichen Gebrauch bestimmt sind, wie Zeitungen, Musikkassetten, Bücher etc. dürfen häufig nicht eingeführt werden. Ausfuhrbeschränkungen bestehen u.a. für Kunstgegenstände, Antiquitäten, optische Geräte, Porzellan und Briefmarken in größeren Mengen. - Die meisten Ostblock-Staaten verbieten die Einfuhr der jeweiligen Landeswährung. Bei der Einreise mitgeführte Devisen sollten deshalb korrekt deklariert, beim Umtausch dieser Zahlungsmittel erhaltene Belege bis zur Ausreise aufbewahrt werden. Illegaler Umtausch von Devisen des Gastlandes lohnt sich trotz günstiger Wechselkurse nicht. - Die im Visaantrag festgelegte Reiseroute sollte strikt eingehalten werden, die polizeiliche Anund Abmeldung fristgerecht erfolgen. - Kompromittierende Situationen sollten vermieden werden. Verstöße gegen Straßenverkehrsvorschriften (totales Alkoholverbot, Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit) und das Verbot, bestimmte Objekte - Grenzsicherungsanlagen, militärische und polizeiliche Einrichtungen, Industrieanlagen, Brücken, Bahnanlagen und Verkehrsknotenpunkte - zu fotografieren oder zu filmen, bieten den Nachrichtendiensten ebenso wie persönliche Neigungen oder Schwächen ideale Angriffsflächen. Von Handlungen, die den Vorwurf der Bestechung oder Fluchthilfe begründen könnten, ist abzuraten. - Die Mitnahme von Briefen, Paketen oder sonstigen Gegenständen in den Westen sollte man ablehnen. - Bei "Zufallsbekanntschaften" oder lukrativen Geschäftsofferten ist Zurückhaltung, bei Geschenken und Aufmerksamkeiten, die ohne erkennbaren Grund oder von Unbekannten angeboten werden, ist Mißtrauen angebracht. - Anbahnungsversuche sollten höflich, aber konsequent zurückgewiesen werden. Hinhaltendes Taktieren kann zu einer schwer lösbaren Verstrickung führen. Eine unmißverständliche Ablehnung wird erfahrungsgemäß akzeptiert. Unterschriften unter Verpflichtungs-, Bereitschaftsoder Schweigeerklärungen sollten abgelehnt werden. 116 - Für den Konfliktfall empfiehlt sich die Mitnahme von Anschriften und Telefonnummern der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im jeweiligen Gastland. 5. Verhalten bei nachrichtendienstlichen Kontakten Die präventive Spionageabwehr hat nicht allein das Ziel, die Anwerbung von Bundesbürgern durch fremde Geheimdienste zu erschweren; sie hat auch die Aufgabe, Personen, die sich nachrichtendienstlich verstrickt haben, zu helfen. Ostreisende, die mit Sachverhalten konfrontiert worden sind, die auf einen nachrichtendienstlichen Hintergrund schließen lassen, sollten sich nach ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich entweder an - den zuständigen Sicherheitsverantwortlichen oder - unmittelbar an die jeweils zuständige Verfassungsschutzbehörde wenden, die in der Lage sind, Rat und Hilfe zu gewähren. Schon ein Anbahnungsversuch und erst recht eine eventuell unter dem Zwang der besonderen Verhältnisse gemachte Zusage zu einer Mitarbeit sollte den Verfassungsschutzbehörden bekanntgegeben werden. Jedes Unterlassen oder auch nur Hinauszögern einer Offenlegung der Kontakte führt unweigerlich zu tieferer nachrichtendienstlicher Verstrickung. Personen, die sich, gleich aus welchen Gründen, zu einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit für einen Ostblock-Geheimdienst bereiterklärt haben, können sich durch eine Offenbarung gegenüber dem Verfassungsschutz aus einer solchen Zwangslage befreien. Aber auch in Zweifelsfällen ist dringend anzuraten, sich mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Taubenheimstraße 85 A 7000 Stuttgart 50 Tel. 0711/566101 in Verbindung zu setzen. Dort werden Informationen und Hinweise vertraulich behandelt. Der Verfassungsschutz unterliegt nicht der rechtlichen Verpflichtung, ihm bekanntgewordene Straftaten bei den Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige zu bringen. Somit kann bei rechtzeitiger freiwilliger und umfassender Offenbarung weitreichende Unterstützung bei der Bewältigung privater oder beruflicher Konfliktsituationen gewährt werden. Daneben gilt es noch auf eine Reihe "goldener Brücken" strafrechtlicher bzw. -prozessualer Art hinzuweisen, die der Gesetzgeber dem Umkehrwilligen errichtet hat. 117 6. Vorbeugender Geheimschutz Die Verfassungsschutzbehörden begegnen den östlichen Ausforschungsaktivitäten sowohl mit Maßnahmen aktiver Spionagebekämpfung als auch mit Vorkehrungen der präventiven Abwehr - dem vorbeugenden Geheimschutz. Wesentliche Mittel des Geheimschutzes sind Sicherheitsvorkehrungen personeller, organisatorischer und technischer Art. Um die Abwehrarbeit möglichst effektiv zu gestalten, sind diese Maßnahmen nach Umfang und Intensität weitgehend an den Schwerpunkten der gegnerischen Ausspähungsbemühungen orientiert. Geheimschutzmaßnahmen kommen insofern ausschließlich bei besonders sicherheitsempfindlichen Stellen zu Anwendung. Zwar liegt die Verantwortung für den zielgerichteten Einsatz der gebotenen Sicherheitsvorkehrungen primär bei den betroffenen Behörden und Unternehmen selbst, aber der Verfassungsschutz ist - aufgrund seines besonderen Fachwissens und vielfältiger Erfahrungen auf dem Sektor des Geheimschutzes - nach SS 3 Abs. 2 Landesverfassungsschutzgesetz berufen, bei dieser Aufgabe mitzuwirken. Hauptziel der präventiven Spionageabwehr ist es, den unbefugten Zugang zu potentiellen Ausspähungszielen zu unterbinden, die Einschleusung von Agenten zu verhindern und gegebenenfalls Personen, die bereits nachrichtendienstlich tätig sind, zu enttarnen. Die interne Zuständigkeit für die Veranlassung der gebotenen Sicherheitsmaßnahmen liegt beim jeweiligen Sicherheitsverantwortlichen, der im Behördenbereich Geheimschutzbeauftragter und in der Wirtschaft Sicherheitsbevollmächtigter genannt wird. Das Landesamt für Verfassungsschutz unterstützt die Bemühungen der Sicherheitsverantwortlichen dadurch, daß es Informationsund Werbematerialien (Lehrfilme, Sicherheitsbroschüren, Plakate, Aufkleber und Notizwürfel) zur Verfügung stellt. Darüber hinaus bietet es Vortragsveranstaltungen für die interne Schulung an, die der ausführlichen Unterrichtung über Arbeitsweisen und Absichten gegnerischer Nachrichtendienste dienen. 118 Gruppen-, Organisationsund Publikationsregister Action Directe (AD) 54 Aktion deutsche Einheit (AKON) 83 Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) 83 Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten 20, 62, 64f. ALFATAH 104 AMAL-Bewegung 105 ARBEITERJUGENDVERBAND/Marxisten-Leninisten (AJV/ML) 42 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 20, 93, 95ff. AVRUPA'da DEV GENC 101 Befreiungseinheiten Kurdistans (HRK) 98 Bewegung 19, 62, 64ff. BOLSEVIK PARTIZAN (BP) 99 Bürgerund Bauerninitiative e.V. (BBI) 72f. Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) 46 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 45, 97 Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) 104 Deutsche Bürgerinitiative e.V. (DBI) 72 Deutsche Frauenfront (DFF) 71 f. Deutsche Friedens-Union (DFU) 40 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 18, 21, 25ff. Deutsche Volksunion (DVU) 19, 63, 79, 82f. Deutsche Volksunion - Liste D (DVU-Liste D) 18, 62f. 79ff. DEVRIMCI SOL 101 DEVRIMCI YOL 101 Ehrenbund RUDEL - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten (ER) 83 Europäische Bewegung (EB) 86 Europäische Neuordnung (ENO) 86 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) 99 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa - Einigkeit für Demokratie (DIBAF) 101 Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (KOMKAR) 98f. Föderation der Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FIDEF) 101 119 Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei (GDF) 101 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e.V. (FEYKA-Kurdistan) 97 Föderation der türkischen demokratischen Arbeitervereine in Deutschland e.V. (DIDF) 101 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V. (ADÜTDF) 103 Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) 51 Forum für Libertäre Information (FLI) 51 Freie Arbeiter Union (FAU) 50 Freie Arbeiter Union - Heidelberg (Anarchisten) FAU-HD (A) 50 Freie Arbeiter Union - Studenten (FAUST) 50 Freie Betriebszellenorganisation (FBO) 65 Freie Gewerkschaftsbewegung 65 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 19, 62, 64 Front National (FN) 86 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 83f. Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung, Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH (GNN) 45 Heiliger Islamischer Krieg (Dschihad Islami) 105 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 71 Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) 83 Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung 109 Islamisches Zentrum Köln e.V. 103 Junge Nationaldemokraten (JN) 78f. Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP) 37 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) 38 Komitee für Staatssicherheit der UdSSR (KGB) 112 Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf HITLERs (KAH) 65 Kommunistischer Bund (KB) 46 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 21 Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) 21, 25, 28 Kommunistische Partei der Türkei (TKP) 101 Konföderation türkischer Arbeitervereine in Europa (ATIK) 99 Krefelder Initiative 40 120 Kroatischer Koordinationsausschuß der Vereinigung der Ortsausschüsse des Kroatischen Nationalrates in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (HKO) 107 Kroatischer Nationalrat (HNV) 107 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 106f. Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 110 Marxistische Gruppe (MG) 18, 22, 43f. Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) 42 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 18, 22, 40f. Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (NMLSV) 42 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus 42 Militante/gewaltbereite Autonome 17f., 22, 46ff. Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue (N.D.SH.) 109 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 19, 62, 73ff., 81 Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 79 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 95ff. Nationale Heilspartei (MSP) 103 Nationale Sammlung (NS) 20, 65 Nationalistische Arbeiterpartei (MCP) 103 Nationalistische Front (NF) 69ff. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) 88 Organisation der Volksmojahedin Iran (PMOI) 109 Palästinensischer Arbeiterverein/Palästinensischer Studentenverein (PAV/PSV) 104 Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 104 Palästina-Komitee 105 Palästinensischer Nationalrat (PNC) 104 Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 103 Partei Gottes (Hizb Allah) 105 Patriotische Union Kurdistans (PUK) 98 PARTIZAN (P) 99 Rat der Konstitutionellen Monarchie des Iran (R.M.K.I.) 109 Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei (TDKP) 99 Revolutionäre Zellen (RZ) 17, 23, 51, 57ff. Rote Brigaden (BR) 54 121 Rote Brigaden - Für den Aufbau der Kämpfenden Kommunistischen Partei (BR-PCC) 54 Rote Armee Fraktion (RAF) 17, 23, 51 ff. Rote Zora 23, 57ff., 51 ROTFÜCHSE 42 Schutzbund für Volk und Kultur 83 Schwarze Garde (SG) 50 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 26, 35f. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 18, 21, 25, 27f. Sozialistischer Hochschulbund (SHB) 37 Sozialistische Partei Türkisch-Kurdistans (TKSP) 98 Tudeh-Partei 109 Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) 100 Türkische Arbeiterpartei (TIP) 101 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 99f. Türkische VolksbefreiungsparteiAFront (THKP/-C) 99 Union der Patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) 96 Union der Revolutionär-Patriotischen Jugend Kurdistans (YXK) 96 Union der Patriotischen Frauen Kurdistans (YJWK) 96 Union der Patriotischen Intellektuellen Kurdistans (YRWK) 96 Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine (TIKDB) 103 Union Islamischer Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) 109 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. 102 Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei (TBKP) 101 Vereinigte Kroaten Europas (UHE) 108 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 45 Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) e.V. (VDJ) 38 Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) 102f. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 38ff. Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 95ff. Volksbewegung für die Republik Kosovo (LPRK) 109 Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) 83 Volksfedayin Irans 109 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 104 Volksfront für die Befreiung Palästinas Generalkommando (PFLP-GC) 105 122 Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) 45 Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) 69 Wiking-Jugend (WJ) 84 Wohlfahrtspartei (RP) 103 123 Übersicht über die wichtigsten linksextremistischen und linksextremistisch beeinflußten Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Publikationen (einschl. Erscheinungshinweise) 1. Orthodoxe Kommunisten Deutsche Kommunistische Partei Unsere Zeit (UZ) (DKP) - sechsmal wöchentlich - Marxistische Blätter - elfmal jährlich - praxis-Erfahrungen aus dem Leben und der Arbeit der Partei - zweimonatlich - DKP-Informationen - unregelmäßig - DKP-Pressedienst - unregelmäßig - infodienst - Informationsdienst für DKP-Betriebszeitungen, Wohngebietsund Hochschulzeitungen - unregelmäßig - Bildungsmagazin - unregelmäßig - Nebenorganisationen Sozialistische Deutsche Arbeielan - Das Jugendmagazin terjugend (SDAJ) - monatlich - Jugendpolitische Blätter - monatlich - Marxistischer Studentinnenund rote blätter Studentenbund (MSB) Spartakus - monatlich - avanti - zweimonatlich Junge Pioniere - Sozialistische pionier - Eure Zeitung Kinderorganisation (JP) - monatlich - 124 beeinflußte Organisationen Vereinigung der Verfolgten des antifaschistische Rundschau Naziregimes - Bund der Anti- - monatlich - faschisten (VVN-Bda) antifaschistischer informationsund Pressedienst - zehnmal jährlich - Deutsche Friedensunion (DUF) Abrüstungs-info - monatlich - info demokratie - Argumente - Dokumente - Informationen - unregelmäßig - Volkszeitung - wöchentlich - VVN-BdAund DFU-orientiert Komitee für Frieden, Abrüstung Friedensjournal und Zusammenarbeit (KFAZ) - sechsmal jährlich - Friedensschnelldienst - vierzehntäglich - 2. Dogmatische "Neue Linke" Marxistische Gruppe (MG) MSZ - Marxistische Streitund Zeitschrift - - zweimonatlich - Marxistische Arbeiterzeitung (MAZ) - unregelmäßig - Marxistische Hochschulzeitungen - unregelmäßig - Marxistische Schulzeitungen - unregelmäßig - Bund Westdeutscher KommuniPolitische Berichte sten (BWK) - vierzehntäglich - Vereinigte Sozialistische Sozialistische Zeitung (SoZ) Partei (VSP) - vierzehntäglich - Kommunistischer Bund (KB) Arbeiterkampf (ak) - vierwöchentlich - Bund Sozialistischer Arbeiter neue ARBEITERPRESSE (BSA) - vierzehntäglich - 125 Marxistisch-Leninistische ParRote Fahne tei Deutschland (MLPD) - wöchentlich - Revolutionärer Weg - Probleme des Marxismus-Leninismus - unregelmäßig - Lernen und kämpfen (Luk) - monatlich - Nebenorganisationen ARBEITERJUGENDVERBAND/ Rebell Marxisten-Leninisten (AJV/ML) - sechswöchentlich - mit der Kinderorganisation "Rotfüchse" Marxistisch-Leninistischer Roter Pfeil Schülerund Studentenverband - sechswöchentlich - (MLSV) Marxistisch-Leninistischer Bund Arbeiter und Bauern Intellektueller (MLBI) - vierteljährlich - beeinflußte Organisationen Volksfront gegen Reaktion, Volksecho Faschismus und Krieg - vierteljährlich - (VOLKSFRONT) Antifaschistische Nachrichten - vierzehntäglich - 3. Dogmatische "Neue Linke" Föderation Gewaltfreier Akgraswurzelrevolution tionsgruppen (FöGA) - monatlich - Freie Arbeiter-Union (FAU) direkte aktion - zweimonatlich - Freie Arbeiter Union - HeidelFanal berg (Anarchisten) - FAU-HD(A) - vierteljährlich - Der Meckerer FAU-HD(A)-orientiert Nebenorganisationen: Freie Arbeiter Union - StudenFanal - Hochschulausgabe ten (FAUST) - unregelmäßig - Schwarze Garde (SG) Die Schwarze Garde - monatlich - 126 Forum für Libertäre InformaSchwarzer Faden tion (FLI) - vierteljährlich - Autonome Gruppen Radikal - unregelmäßig - Unzertrennlich - unregelmäßig - Kriminalisierungsrundbrief - unregelmäßig - Sonstige Anarchisten Freiraum - vierteljährlich - Aktion - monatlich - 4. Linksextremistischer Terrorismus Rote Armee Fraktion (RAF) Zusammen Kämpfen - Zeitungen für die antiimperialistische Front in Westeuropa (ZK) 'de Knispelkrant - - monatlich - RAF-orientiert letzte Ausgabe: September 1988 Revolutionäre Zellen - Rote Zora - 5. Neonazistische Organisationen Bürgerund Bauerninitiative Die Bauernschaft - vierteljährlich - Deutsche Bürgerinitiative e.V. Rundbriefe des Manfred ROEDER (DBI) - monatlich - Deutscher Jahrweiser - halbjährlich - Die Bewegung Die Neue Front (gespalten in zwei Flügel) - monatlich - (zweifache Herausgabe mit unterschiedlichem Inhalt) Deutsche Frauenfront Die Kampfgefährtin (DFF) - unregelmäßig - (gespalten in zwei Flügel) Der Mädelbrief - unregelmäßig - 127 Freiheitliche Deutsche FAP - Intern Arbeiterpartei (FAP) - monatlich - Deutscher Standpunkt (DS) - monatlich - Herausgeber: Martin PAPE, Stgt. (FAP-orientiert) Grüne Aktion Deutschland Der Schulungsbrief (GAD) - monatlich - Hilfsorganisation für nationale Nachrichten der HNG politische Gefangene und deren - monatlich - Angehörige e.V. (HNG) Internationales Hilfskomitee Mitteilungen des IHV für nationale politische Ver- - monatlich - folgte und deren Angehörige (IHV) Nationalistische Front Agitationsblatt (NF) "Nachrichten aus der Szene" Nationalrevolutionäre Kampfschrift "Klartext" (Klartext-Verlag, Gütersloh) NSDAP-Auslandsund AufbauNS-Kampfruf organisation - zweimonatlich - (NSDAP-AO) 6. Nationaldemokratische Organisationen Nationaldemokratische Partei Deutsche Stimme Deutschlands (NPD) - monatlich - Junge Nationaldemokraten Junge Deutsche Stimme (JN) - unregelmäßig - 7. "National-Freiheitliche" Organisationen Deutsche Volksunion - Liste D (DVU - Liste D) Deutsche Volksunion e.V. Deutscher Anzeiger (DA) - wöchentlich - Deutsche National-Zeitung (DNZ) - wöchentlich - 128 Deutsche Volksunion e.V. Deutsche Wochen-Zeitung (DWZ) - wöchentlich - Dr. Frey, München, ist Herausgeber der drei Zeitungen DA, DNZ und DWZ. 8. Sonstige Die Deutsche Freiheitsbewegung Der Bismarck-Deutsche e.V. (DDF) - monatlich - Gesellschaft für Freie Das Freie Forum Publizistik (GFP) - vierteljährlich - Wiking-Jugend e.V. Wikinger (WJ) - vierteljährlich - 9. Türken/Kurden Arbeiterpartei Kurdistans Kurdistan Report (PKK) - zweimonatlich - Berxwedan (Widerstand) - monatlich - Serxwebun (Unabhängigkeit) - monatlich - Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e.V. (FEYKA-Kurdistan) Föderation der ArbeiterverDenge KOMKAR (Stimme KOMKAR) eine aus Kurdistan in der - unregelmäßig - Bundesrepublik Deutschland Informationsbulletin Kurdistan und West-Berlin e.V. (KOMKAR) - zweimonatlich - KOMKAR - Info - zweimonatlich - Türken: "Neue Linke" Türkische Kommunistische PARTIZAN Partei/Marxisten-Leninisten - unregelmäßig - (TKP/ML) Isci-Köylü Kurtulusu (Arbeiter-Bauern-Befreiung) - unregelmäßig - 129 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIK) Konföderation der Arbeiter Mücadele (Kampf) aus der Türkei in Europa - monatlich - (ATIK) Devrimci Yol Devrimci Isci (Revolutionärer Arbeiter) - zweimonatlich - Türkei-Information - zweibzw. dreimonatlich Föderation der türkischen DIDF-Bülteni demokratischen Arbeiter- - unregelmäßig - vereine in Deutschland e.V. (DIDF) Türken: Orthodoxe Kommunisten Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei (TBKP) Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei (GDF) Türken: Islamisch nationalistische Vereinigungen Verband der islamischen Ümmet Vereine und Gemeinde e.V. (Die Gemeinschaft der Gläubigen) - 15-täglich - Vereinigung der neuen Milli Gazete Weltsicht in Europa e.V. (Nationalzeitung) (AMGT) - täglich - Türken: Rechtsextremistische Vereinigungen Föderation der TürkischYeni Ufuk Demokratischen Idealisten(Neuer Horizont) vereine in Europa e.V. - zweimonatlich * (ADÜTDF) Union der TürkischYeni Gün Islamischen Kulturvereine (Der neue Tag) (TIKDB) - monatlich - 130 10. Araber AL FATAH Palästinensischer Arbeiterverband in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (PAV) Palästinensischer Studentenverband in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin e.V. (PSV) Demokratische Front für die AI Hourriah (Die Freiheit) Befreiung Palästinas - wöchentlich - (DFLP) Volksfront für die AI Hadaf (Das Ziel) Befreiung Palästinas - wöchentlich - (PFLP) Democratic Palestine - zweimonatlich - AMAL-Bewegung AMAL - wöchentlich - Hizb Allah (Partei Gottes) AI - Ahd (Die Verpflichtung) 11. Jugoslawen Kroatische Staatsbildende Hrvatski Tjednik Bewegung (HDP) (Kroatisches Wochenblatt) - wöchentlich - Kroatischer Nationalrat Vjesnik (Bote) (HNV) - vierteljährlich - Vereinigte Kroaten Europas (UHE) Volksbewegung für die Zeh i Kosoves Republik Kosovo (Die Stimme Kosovos) - monatlich - Nationaldemokratische Liga Besä Shqiptare der Albanischen Treue (Die albanische Treue) (N.D.SH.) - unregelmäßig - 131 Verteilerhmweis Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung von Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. 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