Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1987 Terrorismus Linksextremismus Rechtsextremismus Ausländerextremismus Spionageabwehr BadenWürttemberg INNENMINISTERIUM VerA(r)assungsschutzbericht Baden-Württemberg 1987 Herausgeber: Innenministerium Baden-Württemberg Dorotheenstraße 6, 7000 Stuttgart 1 Juli 1988 Gesamtherstellung: studiodruck Rolf Brändle, 7440 Nürtingen-Raidwangen Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers ISSN 0720-3381 Vorwort Seit bald 40 Jahren verfügen wir in der Bundesrepublik Deutschland über stabile demokratische Verhältnisse. Sie garantieren nicht nur das freiheitlichste staatliche System der deutschen Geschichte, sondern haben auch die' innenpolitischen und rechtlichen Voraussetzungen einer erfolgreichen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unseres Gemeinwesens geschaffen. Dennoch lehnen linksund rechtsextremistische Gruppierungen die freiheitliche demokratische Grundordnung nach wie vor ab. Sie wollen sie beseitigen und schrecken dabei auch vor Gewaltanwendung nicht zurück. Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Ziele muß im Rechtsstaat ausgeschlossen sein. Gemeinsames Ziel aller Demokraten war und ist es seit Inkrafttreten des Grundgesetzes, sich entschlossen dieser inneren Feinde zu erwehren. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist die frühzeitige und möglichst umfassende Information über die von ihnen ausgehenden Gefahren. Dies ist Aufgabe des Verfassungsschutzes. Ihm obliegt die Beobachtung und Aufklärung linksund rechtsextremistischer Organisationen, die eine Beseitung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstreben, sowie die Bekämpfung des Terrorismus, des Ausländerextremismus und die Spionageabwehr. Er leistet damit einen unverzichtbaren Beitrag für den Fortbestand unseres freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats. Unter unseren demokratischen Parteien, die sich zum Grundgesetz bekennen, darf es deshalb keinen Meinungsstreit über die Notwendigkeit und die freiheitssichernde Funktion des Verfassungsschutzes geben. Der vorliegende Verfassungsschutzbericht verdeutlicht erneut, wie wichtig und notwendig die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden ist. Auch im Jahre 1987 waren wieder in erheblichem Umfang extremistische Bestrebungen linker und rechter Gruppierungen zu verzeichnen. Der Jahresbericht kann und soll keine erschöpfende Übersicht über die Aktivitäten und politischen Ziele dieser sicherheitsgefährdenden Organisationen geben. Er weist vielmehr auf wichtige Entwicklungen und Zusammenhänge hin. Öffentlichkeit und Bürger erhalten dadurch die notwendigen Informationen zur aktiven Auseinandersetzung mit den Gegnern des freiheitlichen Rechtstaates. Der Verfassungsschutzbericht macht gleichzeitig die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden für den Bürger transparent. Allen Mitarbeitern des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz danke ich für die Erfüllung ihrer schwierigen und verantwortungsvollen Tätigkeit. Ihre Arbeit verdient besondere Anerkennung. Diemar Schlee, MdL Innenminister des Landes Baden-Württemberg 3 Inhaltsverzeichnis Seite A. Rechtliche Grundlagen 9 1. Grundgesetz 9 2. Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg 9 3. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes 12 B. Verfassungsschutz durch Aufklärung 15 C. Jahresrückblick 17 D. Linksextremismus 21 1. Allgemeines 21 2. "Alte Linke" 24 2.1 Überblick und Einschätzung 24 2.2 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 26 2.2.1 Organisation, Mitgliederentwicklung, Finanzierung 26 2.2.2 Publikationswesen und Schulung 29 2.2.3 Verlage und Druckereien 31 2.2.4 Beteiligung an Wahlen 31 2.2.5 Bündnisund Aktionseinheitspolitik 33 2.2.6 Schwerpunkte der Agitation 34 2.3 Nebenorganisationen der DKP 36 2.3.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 36 2.3.2 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) 38 2.3.3 "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus" 39 2.4 Von der DKP beeinflußte Organisationen 39 2.4.1 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) 40 2.4.2 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) 42 5 3. "Neue Linke" 42 3.1 Überblick und Einschätzung 42 3.2 Dogmatische "Neue Linke" 45 3.2.1 "Marxistische-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 45 3.2.2 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) 47 3.2.3 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 48 3.2.4 "Kommunistischer Bund" (KB) 49 3.2.5 "Marxistische Gruppe" (MG) 49 3.3 Undogmatische "Neue Linke" 50 3.3.1 Autonome Gruppen 50 3.3.2 Anarcho-syndikalistische Gruppierungen 56 3.3.3 Anarchistische "Gewaltfreie Aktionsgruppen" 57 4. Linksextremistischer Terrorismus 58 4.1 Überblick 58 4.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 58 4.2.1 Irrweg Terrorismus 58 4.2.2 RAF-Kommandoebene 59 4.2.3 "Militante der RAF" 62 4.2.4 Unterstützerbereich der RAF 62 4.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 65 4.3.1 Zielsetzung und Vorgehensweise 65 4.3.2 RZ-Aktivitäten im Jahre 1987 67 E. Rechtsextremismus 69 1. Allgemeines 69 2. Neonazistische Bestrebungen 72 2.1 Überblick und Einschätzung 72 2.2 Neonazistische Gruppen 74 2.2.1 "Die Bewegung" 74 2.2.2 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 75 2.2.3 "Nationalistische Front" (NF) 77 2.2.4 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) 79 2.2.5 "Deutsche Frauenfront/Mädelbund" (DFF/MB) 79 2.2.6 Neonazizentrum um Ernst TAG in Weidenthal/Pfalz 79 2.2.7 Neonazikreis um Curt MÜLLER 80 6 2.2.8 "Bürgerund Bauerninitiative e.V." (BBI) 80 2.2.9 "Deutsche Bürgerinitiative e.V." (DBI) 80 2.3 Einflußnahme auf jugendliche Randgruppen 80 2.4 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund 82 2.5 Maßnahmen gegen rechtsextreme Aktivisten 84 2.6 Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus 86 3. Nationaldemokratische Organisationen 88 3.1 Überblick und Einschätzung 88 3.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 90 3.3 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 93 3.4 "Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 94 4. "National-Freiheitliche Rechte" 95 4.1 Überblick und Einschätzung 95 4.2 "Deutsche Volksunion - Liste D" 95 4.3 "Deutsche Volksunion" (DVU) 97 5. Sonstige rechtsextreme Vereinigungen 98 5.1 "Die Deutsche Freiheitsbewegung" (DDF) 98 5.2 "Wiking-Jugend" (WJ) 98 5.3 "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) 99 F. Bestrebungen politisch extremer Ausländer 101 1. Einführung 101 1.1 Schutzgut "Auswärtige Belange" 101 1.2 Schutzgut "Innere Sicherheit" 101 2. Türken 103 2.1 Organisationen der "Neuen Linken" 105 2.2 Orthodox-kommunistische Organisationen 108 2.3 Linksextreme kurdische Gruppierungen 109 2.4 Islamisch-nationalistische Vereinigungen 111 2.5 Rechtsextreme Vereinigungen 113 3. Araber 114 4. Jugoslawen 115 4.1 Allgemeine Übersicht 115 4.2 "Kroatische Staatsbildende Bewegung" (HDP) 115 4.3 "Kroatischer Nationalrat" (HNV) 116 4.4 Kosovo-albanische Organisationen 117 7 G. Spionageund Sabotageabwehr 119 1. Allgemeine Lage 119 2. Militärischer Nachrichtendienst der DDR 120 H. Geheimschutz - präventive Abwehr 123 1. Allgemeiner Überblick 123 2. Vorbeugender Geheimschutz 123 3. Reisen in Länder des kommunistischen Machtbereichs 124 4. Verhalten bei nachrichtendienstlichen Kontakten 126 Anhang 127 Übersicht der Mitgliederentwicklung der wichtigsten extremistischen Gruppierungen 127 Gruppen-, Organisationsund Publikationsregister 131 Abkürzungsverzeichnis 137 8 A. Rechtliche Grundlagen 1. Grundgesetz Art. 73 Nr. 10 Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über... die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder... zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz)... Art. 87 Abs. 1 Satz 2 Durch Bundesgesetz können... Zentralstellen... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 2. Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz-LVSG) vom 17. Oktober 1978 (GBl. S. 553) SS1 Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. SS2 Zuständigkeit (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Das Amt hat seinen Sitz in Stuttgart; es untersteht dem Innenministerium und ist ausschließlich für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zuständig. 9 (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Die Zuständigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz bleibt unberührt. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. SS3 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimzuhaltende Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimzuhaltenden Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. auf Anforderung der Einstellungsbehörde bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie auf Anforderung der Beschäftigungsbehörde bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei denen der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, daß sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. SS4 Befugnisse des Verfassungsschutzes (1) Bestehen Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 3 Abs. 1, ist das Landesamt für Verfassungsschutz innerhalb 10 der durch das Recht gesetzten Schranken berechtigt, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die nachrichtendienstlichen Mittel anzuwenden, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. (2) Dem Landesamt für Verfassungsschutz und seinen Angehörigen stehen polizeiliche Befugnisse nicht zu. SS5 Amtshilfe und Auskunftserteilung (1) Die Behörden und Einrichtungen des Landes, die Gemeinden, die Gemeindeverbände, die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie die Gerichte des Landes und das Landesamt für Verfassungsschutz leisten sich gegenseitig Rechtsund Amtshilfe. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den in Absatz 1 genannten Stellen Auskünfte und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. (3) Die in Absatz 1 genannten Stellen unterrichten von sich aus das Landesamt für Verfassungsschutz über alle Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder dahin gehende Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; die Polizeidienststellen und -behörden übermitteln darüber hinaus auch alle ihnen bekannten Tatsachen und Unterlagen über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des SS 3 Abs. 1 Nr. 1. SS6 Weitergabe von Erkenntnissen an Dritte Das Landesamt für Verfassungsschutz darf seine Erkenntnisse nicht an andere als staatliche Stellen weitergeben, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist. Die Entscheidung über die Weitergabe trifft der Innenminister oder sein ständiger Vertreter. SS7 Parlamentarische Kontrolle (1) Das Innenministerium unterrichtet den Ständigen Ausschuß des Landtags über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß. 11 (2) Art und Umfang der Unterrichtung des Ständigen Ausschusses werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzuganges durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt. (3) Die Mitglieder des Ständigen Auschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes im Ständigen Ausschuß bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ständigen Ausschuß oder aus dem Landtag. (4) Die Unterrichtung umfaßt nicht Angelegenheiten, über die das Innenministerium das Gremium nach Artikel 10 Grundgesetz zu unterrichten hat. SS8 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung der vorläufigen Regierung über die Errichtung eines Landesamts für Verfassungsschutz vom 10. November 1952 (GBl. S. 49) außer Kraft. 3. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950 (BGBl. S. 682), geändert durch Gesetz vom 7. August 1972 (BGBl. S. 1382) SS1 (1) Der Bund und die Länder sind verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. (2) Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung. SS2 (1) Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern errichtet der Bund ein Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde. Es untersteht dem Bundesminister des Innern. (2) Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund bestimmt jedes Land eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 12 SS3 (1) Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Ferner wirken das Bundesamt für Verfassungschutz und die nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände und Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Kontrollbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Zur Wahrung seiner Aufgaben nach Absatz 1 und Absatz 2 ist es befugt, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Das Amt darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (4) Die Gerichte und Behörden und das Bundesamt für Verfassungsschutz leisten sich gegenseitig Rechtsund Amtshilfe (Artikel 35 GG). SS4 (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die in jedem Lande gemäß SS 2 Abs. 2 bestimmte Behörde über alle Unterlagen, deren Kenntnis für das Land zum Zwecke des Verfassungsschutzes erforderlich ist. (2) Die in den Ländern bestimmten Behörden unterrichten das Bundesamt über alle Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, von denen sie Kenntnis erhalten und die für den Bund, die Länder oder eines von ihnen von Wichtigkeit sind. (3) Ist gemäß SS 2 Abs. 2 eine andere als die Oberste Landesbehörde bestimmt, so ist die Oberste Landesbehörde gleichzeitig zu benachrichtigen. 13 SS5 (1) Die Bundesregierung kann, wenn ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes erfolgt, den Obersten Landesbehörden die für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes erforderlichen Weisungen erteilen. (2) Der Bundesminister des Innern kann im Rahmen des SS 3 den nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden Weisungen für die Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes erteilen. SS 4 Abs. 3 gilt sinngemäß. SS6 Das Gesetz tritt am Tage der Verkündung in Kraft. 14 B. Verfassungsschutz durch Aufklärung Vorträge und Diskussionen zu Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes Der Schutz unserer Verfassungsordnung wird nicht nur dadurch erreicht, daß die Verfassungsschutzbehörden Aktivitäten verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen beobachten, auswerten und Regierung und Parlament davon unterrichten, sondern insbesondere auch dadurch, daß die Bürger selbst über Strategie und Taktik extremistischer Vereinigungen informiert werden. Die Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus kann auf lange Sicht wirkungsvoll nicht nur repressiv vom Staat, sie muß auch geistig-politisch von den Bürgern geführt werden. Dies setzt qualifizierte Information voraus. Von dieser Überlegung ausgehend, beschloß die Innenministerkonferenz am 9. Dezember 1974 die Konzeption "Verfassungsschutz durch Aufklärung". Sie umfaßt Information und Aufklärung über - die Verfassung, insbesondere über die Rechte, Pflichten und politischen Beteiligungsmöglichkeiten, die sie den Bürgern einräumt, - extremistische Strategien und Aktionen, verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Sinne der Verfassungsschutzgesetze und ihre ideologischen Hintergründe, - gesetzliche Grundlagen, Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise und Probleme des Verfassungsschutzes. In Baden-Württemberg werden die Aufgaben des Verfassungsschutzes durch Aufklärung vom Referat "Verfassungsschutz" im Innenministerium und durch das Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Im Rahmen dieser Konzeption bietet das Innenministerium an, einen Referenten zu Vorträgen und Diskussionen über Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes zu entsenden. Die entstehenden Kosten trägt das Innenministerium. Das Angebot richtet sich an alle Träger der politischen Bildungsarbeit, an Lehrer, Studenten und Schüler, an Einrichtungen der Erwachsenenund Jugendbildung, an politische Parteien, Gewerkschaften, Berufsund Wirtschaftsverbänden sowie an kirchliche Institutionen. 15 Vorschläge für Vortragsbzw. Diskussionsthemen: * Verfassungsschutz im demokratischen Rechtsstaat * Verfassungsschutz und Konzeption der wehrhaften Demokratie * Verfassungsschutz und Grundrechte * Rechtsgrundlagen, Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise der Ämter für Verfassungsschutz * Das Landesverfassungsschutzgesetz vom 17. Oktober 1978 * Die Befugnisse der Ämter für Verfassungsschutz und ihre politische, parlamentarische und gerichtliche Kontrolle * Verfassungsschutz und Datenschutz * Organisation, politische Strategien und ideologische Hintergründe - des Terrorismus - des Linksextremismus - des Rechtsextremismus - der Ausländerextremismus * Bündnispolitik der kommunistischen Parteien und Organisationen * Analyse rechtsextremer Propagandaund Agitionsmuster * Verfassungstreue im öffentlichen Dienst: Rechtslage und Durchführung des Beschlusses der Landesregierung * Spionageabwehr Interessenten für Vorträge oder Diskussionen können sich an folgende Kontaktanschriften wenden: Innenministerium Baden-Württemberg Referat "Verfassungsschutz" Postfach 102443, 7000 Stuttgart 10 Tel.: 0711/2072-3768 oder 2072-3358 Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg - Öffentlichkeitsarbeit - Taubenheimstraße 85 A 7000 Stuttgart 50 Tel.: 07111566101 16 C. Jahresrückblick 1987 Die zusammenfassenden Feststellungen für die verschiedenen Beobachtungsfelder des Verfassungsschutzes zum Jahr 1987 sind: Unverändert geht eine Gefährdung der inneren Sicherheit von Gruppierungen aus, die ihre politischen Ziele mit Terror und Gewalt durchsetzen wollen. Die Tatsache, daß es 1987 zu keinen neuen Terroranschlägen durch im Untergrund operierende Kommandos der "Roten Armee Fraktion" (RAF) gekommen ist, darf nicht zu dem Fehlschluß verleiten, die RAF hätte aufgegeben. Die Terroristen sind vielmehr nach wie vor in der Lage, schwere Straftaten zu begehen. Ihr harter Kern, der sogenannte Kommandobereich, besteht immer noch aus mindestens 15 bis 20 mit Haftbefehl gesuchten Personen. Potentielle Angriffsziele der RAF sind unverändert Personen und Institutionen aus den Bereichen - Justiz und Polizei - Wirtschaft und Politik sowie - Militär Besonders die Bereiche Hochtechnologie/Weltraumforschung und die deutschfranzösische Zusammenarbeit sind 1987 in das Visier der Terroristen geraten. Die in den letzten Jahren dichter gewordenen internationalen Verknüpfungen der RAF sind zwar durch die Festnahme von vier führenden Mitgliedern der französischen Terrorgruppe "Action Directe" (AD) am 21.02.87 bei Orleans/ Frankreich gestört, aber keineswegs zerschlagen. Nach wie vor wichtige Unterstützungsfunktionen nimmt das RAF-Umfeld wahr, dem bundesweit rd. 250 Personen (in Baden-Württemberg: 60) zuzurechnen sind. Diese Aktivisten unterstützen die Terroristen auf vielfältige Weise. So werben sie öffentlich für Zielvorstellungen und taktisches Vorgehen der RAF, sorgen für den Informationsaustausch, erfüllen logistische Aufgaben, erschließen und halten internationale Kontakte, leisten Kurierdienste, betreuen inhaftierte Terroristen und begehen teilweise selbst Anschläge. Diese fanatische Unterstützerszene, seit Jahren die eigentliche Rekrutierungsbasis für die im Untergrund operierenden "Kommandos", ist in Baden-Württemberg vor allem in den Städten Stuttgart und Karlsruhe unverändert besonders rührig. 17 Spürbar zugenommen haben 1987 auch die Aktivitäten der terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) und der nach gleichem Muster handelnden terroristischen Kleinstgruppen "Rote Zora". Dabei griff eine RZ-Gruppe zum zweitenmal innerhalb eines Jahres gezielt einen Menschen an: Am 01.09.87 wurde in Berlin der Richter vom Bundesverwaltungsgericht Dr. Korbmacher durch Knieschüsse schwer verletzt. Der Anschlag wurde - wie auch andere gewalttätige Aktionen von RZ-Gruppen im Jahre 1987 - mit der Asylund Ausländerpolitik begründet. Kerntechnik und Dritte Welt waren weitere Reizthemen, die von diesen terroristischen Kleinstzirkeln für Anschläge herangezogen werden. Vor allem unter der Bezeichnung "Rote Zora" auftretende terroristische Frauengruppen haben in der Vergangenheit wiederholt gewalttätige Aktionen verübt und entsprechende Selbstbezichtigungsschreiben verbreitet. Hierin greifen die Verfasserinnen vor allem Frauen berührende Themen auf und wollen ihre Taten als Hinweis auf die "ökonomische und sexuelle Ausbeutung" von Frauen, vornehmlich in Staaten der Dritten Welt, verstanden wissen. In diesen Zusammenhang gehört auch die Anschlagsserie gegen den Bekleidungshersteller Adler vom 15.08.87, bei der in Filialen dieses Unternehmens in neun Städten des Bundesgebiets insgesamt 17 Brandsätze gelegt worden waren, die Sachschäden in Millionenhöhe verursachten. Regionaler Schwerpunkt für die Aktivitäten der RZ, die 1987 bundesweit knapp 20 gewalttätige Aktionen und Anschlagsserien durchgeführt haben, ist nach wie vor Nordrhein-Westfalen, das Rhein-Main-Gebiet, Hamburg, Bayern und vor allem Berlin. Auch in Baden-Württemberg findet das militante Konzept dieser terroristischen Gruppierung zunehmend Anklang in Kreisen, die den militanten Autonomen zuzurechnen sind. Die seit Jahren gestiegene Militanz autonomer Gruppen hat durch die Morde an zwei Polizeibeamten in Frankfurt am Main am 02.11.87 einen weiteren tragischen Höhepunkt erreicht. Dabei darf zwar nicht verkannt werden, daß der Gebrauch von Schußwaffen durch "Chaoten" neu ist. Die Polizei ist jedoch seit langem mit Waffen aller Art angegriffen worden. Es ist deshalb nur jeweils glücklichen Zufällen zu verdanken, daß beim Einsatz von Zwillen, Signalmunition, Molotowcocktails und anderen Waffen gegen Polizeibeamte nicht schon früher Tote zu beklagen waren. Das Potential gewaltbereiter Gruppen der anarchistisch orientierten Autonomen beläuft sich in Baden-Württemberg auf rd. 350 Personen (bundesweit: etwa 3000). Im Jahre 1987 hat sich die politisch motivierte Gewalt dieser "Szene" insgesamt von Anschlägen auf Strommasten und andere Anlagen von Energieversorgungsunternehmen hin zu Einrichtungen der Wirtschaft und der staatlichen Infrastruktur verlagert. Dabei ist eine eindeutige Grenzziehung zwischen militanten Autonomen und dem Umfeld der terroristischen RAF oder der "Revolutionären Zellen" (RZ) in vielen Fällen nicht mehr möglich. Die Übergänge zu terroristischen Handlungsformen und entsprechenden ideologischen Begründungen sind zunehmend fließend geworden. 18 Die weitgehend konspirativ arbeitende, terroristische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) blieb auch 1987 die militanteste und gefährlichste Ausländerorganisation. Mit zahlreichen Brandanschlägen ging die Vereinigung nach dem Tod eines ihrer Anhänger bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung am 07.03.87 in München gegen örtliche Büros gegnerischer Organisationen sowie gegen türkische Institutionen im Bundesgebiet vor. Gleichzeitig begann die Partei, abtrünnige Mitglieder bzw. andere Kurdenvereinigungen zu attackieren. So versuchte ein mutmaßlicher Anhänger der PKK am 08.04.87 in Stuttgart, ein Mitglied des Bundesvorstandes einer konkurrierenden Organisation durch Pistolenschüsse umzubringen. Auch die Ermordung eines Bundesvorstandsmitgliedes derselben Organisation am 03.05.87 in Hannover schreiben die Sicherheitsbehörden der PKK zu. Ab Sommer 1987 kam es schließlich aus Anlaß strafprozessualer Maßnahmen gegen einzelne PKK-Aktivisten zu zahlreichen demonstrativen Protestaktionen von Kurden, bei denen massive Drohungen gegen deutsche Behörden erhoben wurden. Die zahlenmäßig stärkste und einflußreichste der linksextremistischen Organisationen und führende Kraft der "Alten Linken" blieb die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP). Allerdings sank 1987 erstmals seit Jahren deren Mitgliederbestand bundesweit um rd. 2000 auf jetzt 38000 Personen (in Baden-Württemberg von 2850 auf 2700). Diese Entwicklung dürfte in erster Linie auf die Verunsicherung vieler DKP-Anhänger und vor allem -Funktionäre über die von Generalsekretär Gorbatschow eingeleitete Reformpolitik zurückzuführen sein. Insbesondere die Diskussion über die Frage, inwieweit sich der neue Kurs auf die DKP auswirken muß, bewegt derzeit die Partei. Die DKP hatte traditionell und bis in die jüngste Zeit die von der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) und der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) vorgegebene ideologische Linie strikt befolgt, hat aber nun Probleme damit. Trotz dieser ideologischen Irritation und ihrer unklaren Haltung in der Frage der künftigen Beteiligung an Parlamentswahlen konnte die DKP mit ihrem Netz von Nebenund beeinflußten Organisationen ihren Einfluß bei sogenannten Aktionseinheiten mit demokratischen Gruppierungen halten. Die politische Bedeutung der Parteien, Gruppen und Bünde der dogmatischen "Neuen Linken" ist nach wie vor relativ gering, auch wenn sich ihr jahrelang rückläufiger Mitgliederbestand inzwischen weitgehend stabilisiert hat. Landesweit zählen rd. 1000 Personen (bundesweit etwa 6100) zu diesem Spektrum. Die im Bundesgebiet tätigen rechtsextremistischen Parteien und Vereinigungen konnten im Jahre 1987 - freilich graduell unterschiedlich - sowohl die Zahl ihrer Mitglieder steigern, als auch in einigen Regionen ihre Resonanz in der Bevölkerung geringfügig vertiefen. Ende des Jahres 1987 waren bundesweit etwa 70 rechtsextremistische Organisationen aktiv, die über rd. 25200 Mitglieder verfügen (1986: 22100 Mitglieder in 73 Organisationen). Die Mehrzahl der organisierten Rechtsextremisten gehört unverändert einigen mitgliederstarken Gruppen wie der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) oder der "Deutschen Volksunion" (DVU) und den ihr angeschlossenen "Aktionsgemeinschaften" an; der Rest teilt sich auf zahlreiche kleine Vereinigungen und Zirkel auf. 19 Während bundesweit die Zahl der Neonazis leicht anstieg (1520 gegenüber 1460 Ende 1986), ist sie in Baden-Württemberg mit rd. 190 unverändert geblieben. Vor allem bei ihnen ist eine latente Gewaltbereitschaft festzustellen. Eine nicht unerhebliche Agitation geht weiterhin von der neonazistischen, sich selbst "Bewegung" nennenden Gruppierung aus. Ihre Angehörigen sind, obschon die "Bewegung" mit Gauen und Kameradschaften über gewisse verfestigte Strukturen verfügt, überwiegend in anderen neonazistischen Vereinigungen - insbesondere in der FAP - organisiert. Allerdings standen sich auch im Jahre 1987 die beiden Flügel der "Bewegung", die sich um MOSLER (Duisburg) und KÜHNEN (den früheren ANS/NA-Führer) gebildet haben, unversöhnlich gegenüber. 1987 sind zahlreiche Gewaltaktionen und andere illegale Handlungen von der "Bewegung" ausgegangen. Extremistische Ausländervereinigungen beschäftigten sich auch im Jahre 1987 vorrangig mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen ihrer Heimatländer. Ihre Agitation richtet sich inzwischen aber zunehmend auch gegen Themen der Innen-, der Außenund der Ausländerpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Damit beeinträchtigen extremistische Ausländer die innere Sicherheit ebenso wie außenpolitische Belange des deutschen Staates. Bei der Bewertung dieser Entwicklung ist allerdings zu berücksichtigen, daß die große Mehrzahl der 887669 (Stand: 31.12.87) in Baden-Württemberg gemeldeten Ausländer nach wie vor den Werbungsbemühungen politischer Extremisten widersteht. Lediglich 17270 Mitglieder zählten die Vereinigungen mit extremistischer oder gar terroristischer Zielsetzung (1986: 18790). Dieser Rückgang ist teils auf Zerstrittenheit bis hin zu Spaltungserscheinungen, teils auf Enttäuschung aus jahrelanger Erfolgslosigkeit zurückzuführen. Gleichwohl ist im Lande nach wie vor ein erhebliches zur Gewaltanwendung bereites Potential ausländischer Extremisten vorhanden. Insgesamt gesehen sind extremistische und sicherheitsgefährdende Parteien und Organisationen allerdings auch 1987 weit davon entfernt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu erschüttern. Unsere wehrhafte Demokratie erweist sich nach wie vor als stabil. Die Spionageabwehr beobachtet trotz einer allgemeinen Entspannung im weltpolitischen Geschehen noch immer umfangreiche Ausforschungsaktivitäten der Nachrichtendienste der Warschauer-Pakt-Staaten. Einen Eckpfeiler geheimdienstlicher Tätigkeiten insbesondere für die DDR bildet dabei die Militärspionage, die einen hohen Anteil an der planmäßigen offenen und geheimen Informationsund Nachrichtenbeschaffung in der Bundesrepublik Deutschland trägt. Anders als im übrigen Bundesgebiet nahm in Baden-Württemberg die Militärspionage bei den erkannten Spionageaufträgen der Warschauer-Pakt-Staaten im Jahr 1987 die erste Stelle ein. 20 D. Linksextremismus 1. Allgemeines Der organisierte Linksextremismus hat in der Bundesrepublik Deutschland sein einheitliches Erscheinungsbild verloren. Er umfaßt neben den Organisationen, die unverändert dem Kommunismus sowjetischer Prägung eng verbunden sind und deshalb unter dem Oberbegriff "Alte Linke" oder "Orthodoxer Kommunismus" zusammengefaßt werden, all jene Vereinigungen, die sich in ihrer ideologischen Grundhaltung und im taktischen Vorgehen von den moskauorientierten Kommunisten entschieden distanzieren und eigene Wege beschreiten; sie werden deshalb als "Neue Linke" bezeichnet. Schließlich haben sich kleine linksextreme Zirkel gebildet, die ihre Zielvorstellungen mit terroristischen Mitteln durchsetzen wollen ("Terroristische Linke"): LINKSEXTREMISMUS ALTE LINKE NEUE LINKE LINKSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS "Alte Linke" Wichtigste und zahlenmäßig stärkste linksextreme Kraft ist die 1968 gegründete "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP). Ideologisch orientiert sie sich an den revolutionären Lehren des Marxismus-Leninismus in der Interpretation der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) sowie der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) der DDR. Die Gruppierungen der "Alten Linken" halten nach wie vor an ihrem Ziel der Errichtung eines kommunistischen Staates fest. Allerdings verschleiern die orthodoxen Kommunisten aus taktischen Gründen ihre Kernforderungen, um Bündnisse mit nichtkommunistischen Kräften bilden zu können, über die sich wenigstens Teile ihrer politischen Vorstellungen verwirklichen lassen. Dabei bedient sich die DKP nicht selten von ihr beeinflußter Organisationen, um die kommunistische Steuerung nicht erkennen zu lassen. "Neue Linke" Von den moskauorientierten Kommunisten grenzen sich seit jeher die Parteien und Organisationen der sog. dogmatischen "Neuen Linken" ab. Die sowohl ideologisch als auch organisatorisch verkrustete "Neue Linke" hat mittlerweile stark an Bedeutung verloren. Einzig die "Marxistisch-Leninistische 21 Partei Deutschlands" (MLPD) und die "Marxistische Gruppe" (MG) entfalten heute noch größere überregionale Aktivitäten. Statt dessen hat der seit Ende der siebziger Jahre erstarkende undogmatische und unorganisierte Teil der "Neuen Linken" zunehmend auf sich aufmerksam gemacht. Organisatorische Strukturen sind hier zumeist ebensowenig erkennbar wie klare ideologische Vorstellungen. Durch das aggressive Vorgehen dieser sich häufig als anarchistisch und autonom begreifenden losen Zusammenschlüsse werden in zunehmendem Maße Belange der inneren Sicherheit berührt. Kennzeichnend für viele Aktivisten dieser "Szene" ist spontanes unberechenbares Handeln gegen das "Schweinesystem". Die Bereitschaft, Gewalt einzusetzen und deren Eskalation, wird durch eine Vielzahl von Anschlägen gegen staatliche und privatwirtschaftliche Einrichtungen, immer häufiger aber auch gegen "Repräsentanten des Systems", dokumentiert. Berührungspunkte zu terroristischen Kreisen sind nicht mehr zu übersehen. "Terroristische Linke" Anfang der siebziger Jahre schlossen sich einige radikale Angehörige der zerfallenen Studentenbewegung zur terroristischen "Roten Armee Fraktion" (RAF) zusammen. Sie entwickelten ein elitäres politisches Konzept auf der Grundlage eines - wie sie meinten - den aktuellen Bedürfnissen angepaßten MarxismusLeninismus. Mittels terroristischer Gewaltakte wollten sie eine revolutionäre Situation herbeiführen, die zur Erhebung der Massen und schließlich zur Zerschlagung des bürgerlichen Staates führen sollte. Daher richteten sich die Anschläge der RAF von Anfang an gegen herausragende Persönlichkeiten und Institutionen des Staates und des öffentlichen Lebens. Die "Niederlage des Jahres 1977" führte zu einem entscheidenden Umdenken innerhalb der RAF. Zum einen mußte die "Befreiung der gefangenen Genossen" als auf mittlere Frist unerreichbar verworfen, zum anderen das elitäre, dogmatische Selbstverständnis aufgebrochen und gegenüber der gewaltbereiten extremen Linken geöffnet werden. Dies hatte seit Anfang der achtziger Jahre eine deutliche Reideologisierung der RAF und eine Verbreiterung ihrer Basis zur Folge. Die sich allmählich verfestigenden Kontakte zu anderen westeuropäischen Terrorgruppen beschleunigten die Rückkehr zu marxistisch-leninistischen Positionen und die Erarbeitung eines neuen, breiter angelegten ideologischen Konzepts. Einer der Hauptpfeiler war - und ist - die Errichtung einer "gemeinsamen antiimperialistischen Front aus Guerilla und Widerstand". Dies bedeutet die weitgehende Aufgabe des elitären Selbstverständnisses der "Kommandos" als Avantgarde der revolutionären Linken und die Anerkennung der erstarkenden "Militanten" als gleichberechtigte Ebene. Die vorwiegend im norddeutschen Raum agierenden "Revolutionären Zellen" (RZ) sind seit 1973 für zahlreiche schwere Brandund Sprengstoff anschlage verantwortlich. Seit wenigen Jahren operiert die "Rote Zora" als Frauengruppe der terroristischen RZ. Die "Revolutionären Zellen" propagieren ein linksterrori22 stisches, auf "Vermittelbarkeit" und Nachahmung ausgerichtetes Konzept, das nicht durch dogmatische Starrheit abschrecken, sondern Platz lassen soll für vielfältige politisch extreme Zielsetzungen und gewaltsame Aktionsformen. Dadurch erhoffen sie sich Zugang zu militanten Teilen unterschiedlichster Protestbewegungen. Sie empfehlen die Anwendung graduell abgestufter Militanz bis zu "Bestrafungsaktionen" an Repräsentanten des Systems. Diese terroristischen Kleinstgruppen grenzen sich gegenüber dem ideologischen Anspruch der RAF sowie deren terroristischer Praxis ab. Im Unterschied zur RAF operieren sie nicht im Untergrund, sondern aus der "bürgerlichen Legalität" heraus und streben eine möglichst breite personelle und materielle Basis für ihren "antiimperialistischen Kampf" an. Einen Überblick über das zahlenmäßige Potential linksextremer Gruppen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg vermittelt die nachfolgende Übersicht: Mitglieder linksextremistischer Gruppen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1985-1987 Bereich OrganiMitglieder sationen 1985 1986 1987 Bund Land Bund Land Bund Land ALTE (ORTHODOXE) LINKE Kernorganisation DKP 40000 2850 40000 2850 38000 2700 Nebenorganisationen SDAJ 15000 1000 15000 1000 15000 1000 MSB 6000 200 6000 200 5000 180 JP 4000 150 4000 150 4000 150 Beeinflußte Organisationen VVN-BdA 13500 2000 13500 2000 14000 2200 DFU 1000 200 1000 200 1000 200 Sonstige 52000 49500 45500 DOGMATISCHE "NEUE LINKE" Kernorganisationen 5700 950 6100 1000 6100 1000 Nebenorganisationen 700 180 600 170 500 160 Beeinflußte Organisationen 2000 170 1100 150 1200 150 UNDOGMATISCHE "NEUE LINKE" nicht eingrenzbarer Personenkreis Anarchisten bundesweit zur Zeit etwa 1300 1500Gewaltbereite Autonome 300 2000 350 3000 350 2000 LINKSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Kommandoebene 15-20 15-20 15-20 Kämpfende Einheiten schwer eingrenzbare Zahl von Aktivisten Engeres Umfeld 200 60 200 60 250 60 Weiteres Umfeld Kreis von mehreren Hundert Kontaktpersonen 23 2. "Alte Linke" 2.1 Überblick und Einschätzung Der Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung wird in der Bundesrepublik Deutschland von der 1968 gegründeten "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) und ihren Nebenorganisationen getragen. Die DKP selbst sieht sich ideologisch, organisatorisch und teilweise auch noch personell in der Tradition der 1956 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). Die DKP verfolgte bis in die jüngste Zeit völlig unkritisch die von der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) und der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) vorgegebenen ideologischen und taktischen Leitlinien. Erstmals in ihrer Parteigeschichte hat sie jetzt größere Probleme, den von der KPdSU vorgegebenen Weg, konkret den von GORBATSCHOW eingeschlagenen neuen Kurs, für die eigene Partei umzusetzen. Dennoch beschwor sie einmal mehr in ihren Appellen zum 70. Jahrestag der "Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" ihre unverbrüchliche Freundschaft zur KPdSU und zur SED. Die DKP, die nach eigenem Bekunden "für eine grundlegende Alternative zum kapitalistischen Ausbeutersystem - für den Sozialismus" kämpft, sieht ihr Ziel in einer "Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt" hin zu einem sozialistisch-kommunistischen System vergleichbar dem der DDR. In der Herbeiführung ihres revolutionären Zieles schließen die orthodoxen Kommunisten Gewalt nicht von vornherein aus, wenn sie auch bei tagespolitischen Auseinandersetzungen - aus taktischen Gründen - legale Aktionsformen bevorzugen und terroristischer Gewalt eine strikte Absage erteilen. Obwohl die DKP immer wieder betont, daß sie die Verfassung achte, hat sie es bisher stets vermieden, die freiheitliche demokratische Grundordnung eindeutig zu bejahen und spricht sich allenfalls für Teilelemente wie das Sozialstaatsprinzip und die "Verwirklichung der demokratischen Grundrechte" aus. Tatsächlich sieht die DKP im Grundgesetz nur eine disponible Ausgangsbasis für ihren "Kampf". Aus der historisch dimensionierten Sicht der Kommunisten spiegelt jede "bürgerliche Verfassung" immer das Herrschaftsverhältnis im Kapitalismus wider. Da das "kapitalistische Ausbeutersystem" aber abgeschafft werden soll, resultiert daraus auch die Abschaffung dessen verfassungsmäßiger Grundordnung. Deutlich wird der Widerspruch zum scheinbaren Bekenntnis der Partei zum Grundgesetz, wenn sie erklärt: 24 "Auch in der Bundesrepublik wird die sozialistische Gesellschaft gekennzeichnet sein durch ihre grundsätzlichen Merkmale: durch die politische Macht der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten, durch das gesellschaftliche Eigentum an den Hauptproduktionsmitteln und ihre planmäßige Nutzung im Interesse des Volkes..." Schon aus dem Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus, aber auch aus zahlreichen sonstigen Aussagen der Partei ergibt sich, daß die von ihr angestrebte "grundlegende Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland" eine "sozialistische Gesellschaftsordnung" zum Ziel hat und mit den Werten einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist. Nach den programmatischen Vorstellungen der DKP soll die Staatsgewalt nicht mehr - wie im Grundgesetz gefordert - vom ganzen Volke, sondern nur von einem Teil desselben, "der Arbeiterklasse", ausgehen. Ziel ist die alleinige Herrschaft (Diktatur) einer gesellschaftlichen Klasse. Die Forderung nach der "Diktatur des Proletariats" (oder - wie die DKP verschleiernd umschreibt - die "Macht der Arbeiterklasse") war aber schon 1956 wesentliche Grundlage für das Verbot der damaligen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). In einer eingehenden Analyse über die Verfassungswidrigkeit der KPD stellte das Bundesverfassungsgericht damals fest, daß "proletarische Revolution" und "Diktatur des Proletariats" mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind und daß beide Staatsformen einander ausschließen (BVerfGE5, 85, 195). Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts werden dadurch insbesondere die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, die Gewaltenteilung, das Mehrparteiensystem und die Unabhängigkeit der Gerichte in Frage gestellt. Auch wenn die DKP es seit ihrer "Neukonstituierung" im Jahre 1968 aus taktischen Gründen vermieden hat, die damals inkriminierten Begriffe erneut zu verwenden und sie stattdessen ihre wahre Zielsetzung nur in verschleierter Form propagiert, besteht kein Zweifel an der Verfassungsfeindlichkeit der Partei. Tatsächlich erklärt die DKP auch offen, daß der Weg zu ihrem eigentlichen Ziel, der "revolutionären Überwindung" der gesellschaftlichen Verhältnisse, sich "nur im harten Klassenkampf durchsetzen" lasse. Zwar will sie dies unter den gegenwärtigen Umständen möglichst mit legalen Mitteln erreichen, doch erklärt die Partei einschränkend, daß die "Formen des Widerstandes der Reaktion" davon abhängig sind, wie friedlich der Kampf um den Sozialismus verlaufen werde. Gewaltanwendung ist für die DKP also vorrangig eine Frage der politischen Opportunität. Ihre gegenwärtige Zurückhaltung bei gewalttätigen Aktionen ist damit lediglich taktisch bedingt. Welche politische Bedeutung der DKP heute zukommt, zeigt sich im übrigen nicht an ihren unbedeutenden Wahlergebnissen. Die Partei mit ihrem Netz von 25 Nebenund beeinflußten Organisationen ist vielmehr nach wie vor der mit Abstand wichtigste Faktor auf dem Gebiet des Linksextremismus. Grundlage für diese Einschätzung sind ihre Organisationsstärke, die anhaltende - von der DKP stets bestrittene - finanzielle und sonstige Unterstützung durch die DDR, ihr ideologischer Standpunkt als Teil der "kommunistischen Weltbewegung", ihre langfristig angelegte politische Konzeption und ihr taktisches Geschick, sich in Abgrenzung von "Chaoten" als demokratischer Ordnungsfaktor aufzuspielen und außerparlamentarisch Terrain zu gewinnen. Über das organisatorische Geflecht der "Alten Linken" informiert die folgende Übersicht: Deutsche Kommunistische Partei (DKP) SDRJ - MSB DFÜ UUN-Bdfl 4 1 JP SHB KFRZ Friedensliste * Nebenorganisationen KflMITFF" "un IMITIIITHIFN BeeMIaßteOcgamsationen 2.2 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 2.2.1 Organisation, Mitgliederentwicklung, Finanzierung In ihrer fast zwanzigjährigen Geschichte hat sich die DKP zwar zur unangefochten stärksten linksextremen Kraft in der Bundesrepublik Deutschland entwikkelt; das selbstgesteckte Ziel aber, den "Massencharakter einer Arbeiterpartei" zu erlangen, hat sie nicht erreicht. Stattdessen ist die Partei erstmals in ihrer Geschichte in eine ernste Krise geraten, die an ihre Substanz geht. So stellten Mitglieder des DKP-Parteivorstands in der November-Ausgabe der "Marxistischen Blätter", dem theoretischen Organ der moskauorientierten Partei, einerseits fest, daß seit Bestehen der DKP die "äußeren Bedingungen für die Kommunisten" noch nie so günstig und deren Einfluß noch nie so groß gewesen sei wie heute. Andererseits mußte jedoch eingeräumt werden, daß trotz der gewachsenen politischen Bedeutung der Partei deren Organisationskraft teilweise sogar zurückgehe. Noch deutlicher fielen die selbstkritischen Aussagen des DKP-Sekretariats Hamburg vom 6. September 1987 aus, das sich mit einem ungewohnt offenen "Diskussionsbeitrag" zu Wort meldete. Dieses "Krisenpapier", welches rasch in allen Parteigliederungen kursierte, rief durch seine kritische Haltung gegenüber der DKP-Führung ein überaus lebhaftes Echo an der Basis hervor. Erinnert wird darin unter anderem an "die scharfen Kontroversen um unsere Konsequenzen aus der Katastrophe von Tschernobyl" und an 26 die wankelmütige Haltung der Partei zur Frage der Kandidatur bei Wahlen. Außerdem werden offen eine geringere Teilnahme am Gruppenleben, der "besonders gravierende Rückgang in der Mitgliedergewinnung" sowie eine "bemerkenswerte Zunahme von Austritten oder Streichungen oft langjähriger DKP-Mitglieder" bemängelt. Obwohl das DKP-Präsidium sich zu der Erkenntnis genötigt sah, daß sich die Partei in einer "schwierigen politischen, ideologischen und organisationspolitischen Situation" befindet, wurde die Gefährdung der Parteidisziplin gerügt. Sowohl gegnerische Kräfte als auch Mitglieder der DKP, "die auf eine ganz andere Partei drängen", würden sich immer wieder nach Hamburg als "zweitem Führungszentrum der Partei" orientieren. Es ist bezeichnend für die innere Situation der DKP, daß die Parteiführung bei ihrem Versuch, das Hamburger Diskussionspapier als Spaltungsversuch zu verurteilen und die zunehmende Orientierungslosigkeit zu überwinden, nicht mehr die volle Unterstützung aller Bezirksorganisationen findet. Die Auswirkungen dieser Erschütterung zeigen sich in einem allgemeinen Rückgang der politischen Aktivitäten und der Mitgliederzahlen. Inzwischen sank bundesweit die Zahl der Mitglieder auf unter 38 000 (1986: etwa 40 000), den tiefsten GORBATSCHOWS REVOLUTION !? Veranstaltung mit KURT STEINHAUS Parteivorstand der DKP 13.4.1987 Deutsche Eiche Augartenstraße 19.30 Uhr DKP"** Plakat der DKP 27 Stand seit Jahren. Diese Entwicklung hatte sich bereits Mitte 1987 abgezeichnet. Eine der Hauptursachen für die gegenwärtigen Probleme der DKP ist die vom Generalsekretär der KPdSU, GORBATSCHOW, eingeleitete Politik der "Umgestaltung" (Perestrojka) und der "Offenheit" (Glasnost) in der Sowjetunion, die von Anfang an auf die verkrustete Struktur auch der DKP ausstrahlte. Die deutschen orthodoxen Kommunisten sind deshalb besonders betroffen, weil sie in der Vergangenheit stets blind und ohne jegliche Einschränkung die Vorbildrolle der Sowjetunion und ihrer kommunistischen Partei betont hatten, sich nun aber schwertun, die sowjetischen Umgestaltungsansätze für die eigene Partei zu übernehmen. So führte das ungewohnte Maß an erlaubter Kritik in der Sowjetunion, verbunden mit der Aufdeckung zahlreicher Mißstände in Wirtschaft und Gesellschaft, vor allem bei älteren DKP-Mitgliedern dazu, daß ihr "Weltbild" ins Wanken geriet. Zum anderen reagierten insbesondere jüngere Parteimitglieder mit Unverständnis auf das Taktieren und Lavieren der DKPFührung. Eine allgemeine Verunsicherung machte sich breit, die zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl der Parteiaustritte führte. Der stark ausgebaute und mit großzügigen finanziellen Mitteln ausstaffierte Parteiapparat hat sich trotzdem gegenüber den Vorjahren nicht wesentlich verändert, wenngleich sich auch hier die allgemein rückläufige Tendenz innerhalb der Partei bereits abzeichnet: Die DKP-Mitglieder sind unverändert in 12 sogenannten Bezirksorganisationen (das entspricht in etwa Landesverbänden) eingebunden, die von der Parteizentrale in Düsseldorf angeleitet und geführt werden. Der für Baden-Württemberg zuständigen Bezirksorganisation mit Sitz in Stuttgart gehören seit Jahren 23 Kreisorganisationen mit insgesamt 167 (1986: 176) Grundeinheiten (Wohngebiets-, Betriebsund Hochschulgruppen) an: Zahl der Grundeinheiten der DKP in Baden-Württemberg (Zahlen in Klammern: Stand 1986) Wohngebietsgruppen Betriebsgruppen Hochschulgruppen 109(118) 50(51) 8(8) Der leichte Rückgang der Gesamtzahl der DKP-Grundeinheiten ergibt sich sowohl aus der Zusammenlegung als auch aus der unumgänglich gewordenen Auflösung einzelner Wohngebietsgruppen. Insgesamt sank in Baden-Württemberg die Zahl der DKP-Mitglieder unter 2700 (1986: 2850). Die für die Aufrechterhaltung des Parteilebens notwendigen finanziellen Mittel fließen der DKP seit Jahren zu einem erheblichen Teil aus der DDR zu. Diese Unterstützungsleistungen belaufen sich derzeit auf über 60 Millionen DM jähr28 Mitgliederzahl der DKP im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1969-1987 69 70 71 72 73 74 75 76 77 76 79 80 81 82 83 84 85 86 87 EU Bund I Land lieh. Diese Art der Parteifinanzierung ermöglicht es der DKP, ihren im Vergleich zu ihrer Größe aufgeblähten Parteiapparat mit vielen hauptamtlichen Funktionären und Mitarbeitern zu unterhalten und die aufwendige Propagandatätigkeit fortzusetzen. 2.2.2 Publikationswesen und Schulung Innerhalb der linksextremistischen Presse konnte die DKP ihre führende Stellung behaupten. Seit Jahren betrachtet sie ihr auflagenstarkes und breitgefächertes Presseund Publikationswesen als ein "Kernstück" ihrer politisch-ideologischen Arbeit. Wichtigster Werbeträger ist nach Meinung der DKP unverändert ihr Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ). Druckschriften der DKP 29 Der DKP-Parteivorstand gibt neben der "UZ" das monatlich erscheinende theoretische Organ "Marxistische Blätter", die Zeitschrift "praxis - Erfahrungen aus dem Leben und der Arbeit der Partei", einen "DKP-infodienst" und die "DKPlandrevue" heraus. Nach einem Beschluß des Parteivorstands vom November 1987 soll bis zum 9. DKP-Parteitag, der für die Zeit vom 6. bis 8. Januar 1989 in Frankfurt am Main geplant ist, neben der weiterhin täglich erscheinenden "UZ" eine attraktive kommunistische Wochenzeitung neu herausgegeben werden. Ferner ist beabsichtigt, die Funktionärszeitschrift "praxis" in eine monatlich erscheinende Mitgliederzeitschrift zum "innerparteilichen Erfahrungsund Meinungsaustausch" umzugestalten. Hierdurch sollen die kritischer und anspruchsvoller gewordenen Mitglieder besser angesprochen und auch Nichtmitglieder erreicht werden. Neben diesen bundesweit erscheinenden Publikationen werden auf Landesebene in Verantwortung der Bezirksorganisationen regionale Schriften herausgegeben. In Baden-Württemberg sind dies seit Jahren - das "DKP-Info für Arbeiter und Angestellte", - der "DKP-Pressedienst" - das Wettbewerbs-Info "Schrittmacher" und - die Publikation "DKP - das argument". Hinzu kommt eine große Zahl sogenannter Kleinzeitungen, die, allerdings meist unregelmäßig, auf Kreisund Ortsebene erschienen: Zahl der DKP-Kleinzeitungen in Baden-Württemberg (Zahlen in Klammern: Stand 1986) Ortsund Stadtzeitungen 33 (44) Betriebszeitungen 49 (31) Hoch schulzeitungen 3 J5) 75 (80) Ergänzend zu der vorrangig nach außen gerichteten Pressearbeit tritt eine intensive Schulung der Mitglieder hinzu, die von der Partei als "ideologische und weltanschauliche Bildungsund Erziehungsarbeit" bezeichnet wird. Die Notwendigkeit der ideologischen Festigung der Mitglieder ist gerade in den letzten Jahren immer wieder unterstrichen worden. Die jüngsten Turbulenzen innerhalb der DKP dürften aus der Sicht der Führung die Bedeutung der parteiinternen Schulung noch erhöhen. Zu den Zielen der mit über 60 örtlichen "Bildungsgemeinschaften" bundesweit agierenden "Marxistischen Arbeiterbildung" (MAB), die vorrangig Nichtmitglie30 der ansprechen will, gehören - nach Aussagen eines leitenden DKP-Funktionärs der MAB - vor allem - die Vermittlung von marxistischem Grundwissen und Sozialismuspropaganda "vor Ort" - der Abbau "antikommunistischer Vorbehalte" sowie - die "Stärkung des Klassenbewußtseins der Arbeiterklasse". Daneben versucht die DKP auf vielfältige Weise, positive Eindrücke vom Leben in den kommunistischen Staaten zu vermitteln. 2.2.3 Verlage und Druckereien Die DKP ist seit Jahren bemüht, die Wirkung ihrer propagandistischen Tätigkeit zu verbessern. Dazu bedient sie sich mehrerer Verlage und Druckereien mit beachtlichen Kapazitäten. Von der 1986 vollzogenen Neuordnung ihres Verlagswesens verspricht sich die Partei eine wirkungsvollere und rationellere Gestaltung der Redaktionsarbeit und des Vertriebs ihrer Publikationen. Die DKP-"Hausdruckerei" "Plambeck & Co, Druck und Verlag GmbH" in Neuss übernahm die Verlagsrechte des theoretischen DKP-Organs "Marxistische Blätter" - der Verlag "Marxistische Blätter" wurde dafür aufgelöst - sowie der kommunistischen Jugendund Studentenzeitschriften "elan", "rote blätter", "Jugendpolitische Blätter" und "Pionier". Darüber hinaus druckt und verlegt die Firma unverändert das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) und nahezu alle sonstigen Publikationen der DKP und ihrer Vorfeldorganisationen einschließlich des Agitationsmaterials für die großen Kampagnen. Neben "Plambeck" bildet der im Zuge der Kräftekonzentration neugeordnete "Pahl-Rugenstein-Verlag" in Köln das Zentrum des DKP-gesteuerten Verlagsnetzes, dessen Produkte unter anderem über die etwa 30 "collektiv"-Buchhandlungen (in Baden-Württemberg in Freiburg, Heidelberg, Mannheim und Stuttgart) vertrieben werden. 2.2.4 Beteiligung an Wahlen Innerhalb der DKP kam es unmittelbar nach dem enttäuschenden Abschneiden des von ihr gesteuerten Personenbündnisses "Die Friedensliste" (FL) bei der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 (bundesweit 0,5%, Baden-Württemberg 0,6 %) zu heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen über die Wahlpolitik. Die Partei hatte im Vorfeld der Wahl dazu aufgerufen, die Erststimme der "Friedensliste" und die Zweitstimme der SPD oder den GRÜNEN zu geben. Die innerparteiliche Diskussion wurde mit Diskussionsbeiträgen der "UZ" in aller Öffentlichkeit ausgetragen, wobei die Meinungsunterschiede quer durch alle Parteigliederungen gingen. 31 Ein Teil des Parteivorstands kritisierte, daß die DKP in den letzten Jahren "sehr parlamentsfixiert" gewesen sei. Sie dürfe sich nicht von dem Gedanken leiten lassen, daß "Wahlen ... in der gegebenen Kräftekonstellation das Entscheidende" seien. Vielmehr bedeute kommunistische Politik Aktivität auf "allen außerparlamentarischen entscheidenden Kampffeldern". Eine Minderheit im Parteivorstand sieht für die DKP gegenwärtig bei Wahlen auf Bundesoder Landtagsebene "keinen wahlpolitischen Platz links von der SPD und den GRÜNEN". Die Partei brauche eine "längere Zeit des Kräftesammelns". Unter den gegenwärtigen politischen Konstellationen sei es sinnvoll - so die Minderheitsmeinung -, daß die DKP zwar als Partei aktiv in alle Wahlkämpfe eingreife, aber gleichzeitig bei überregionalen Wahlen auf eine Kandidatur - "sowohl als Partei als auch im Bündnis" - verzichte. Dagegen bezog der DKP-Vorsitzende Herbert MIES mit aller Entschiedenheit Stellung: Die DKP dürfe sich aus dem "außerparlamentarischen Kampf" und dem "Kampf um parlamentarische Vertretungen" nicht "ausklinken". Sie müsse sich auch in Wahlkämpfen in die "große Auseinandersetzung Krieg/Frieden" und in die Diskussion um grundlegende gesellschaftliche Veränderungen einschalten. Es sei nicht einerlei, ob von der "Tribüne der Parlamente die Stimme von Revolutionären oder nur die Stimme von "Reformern" zu hören" sei. Im übrigen seien Wahlkämpfe auch "ideologische Kämpfe", bei denen es immer auch um die "Entwicklung von sozialistischem Bewußtsein" gehe. Im April 1987 beendete schießlich die Parteiführung mit einer "Entscheidung zur Wahlpolitik" die Diskussion. Darin wird betont, "Eigenkandidaturen oder Wahlbündnisse" blieben auch in Zukunft gleichberechtigte Formen des "Eingreifens" der DKP bei Wahlen. Aufrufe zur Wahl anderer Parteien schieden allerdings als "Grundlage einer allgemeinen und längerfristigen Wahlpolitik" künftig aus. Spiegel dieser internen Meinungsunterschiede war auch der Entscheidungsprozeß, ob die DKP bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 20. März 1988, direkt oder getarnt auf der "Friedensliste" kandidieren solle. Der überwiegende Teil der Parteimitglieder forderte massiv eine Eigenkandidatur der DKP, da auch bei einem Wahlbündnis der größte Teil der Wahlkampfarbeit durch die DKP-Mitglieder geleistet werde. Auf kommunaler Ebene ist die DKP in Baden-Württemberg gegenwärtig nur in folgenden Gemeinderäten und Kreistagen vertreten: Vertreter im Gemeinderat Tübingen 2 Mannheim 1 Heidenheim 1 Waiblingen 1 Markgröningen 1 32 Mandat im Kreistag Tübingen 1 Sonstige Kommunalvertreter der DKP: - Ortsbeiräte Tübingen 4 - Mitglied im Regionalverband "Unterer Neckar" Mannheim 1 2.2.5 Bündnisund Aktionseinheitspolitik Die Bündnispolitik gehört seit jeher zum Kernbestand marxistisch-leninistischer Politik. Sie dient vorrangig dem Ziel, den Kommunisten durch die Zusammenarbeit mit demokratischen Kräften eine "Massenbasis" wenigstens für Einzelaspekte kommunistischer Politik zu verschaffen. Taktisches Fernziel der DKP ist es dabei, punktuelle Gemeinsamkeiten mit nichtkommunistischen Organisationen aus tagespolitischen Anlässen zu umfassenden und tragfähigen Bündnissen auszubauen und dadurch mit ihrer Agitation ein Publikum zu erreichen, das mit der eigentlichen Zielsetzung der DKP, der Beseitigung der parlamentarischen Demokratie, keineswegs übereinstimmt. Damit der taktische Hintergrund ihrer Bemühungen bei den Beteiligten nicht zu offensichtlich wird, bedient sich die DKP mehrerer von ihr gesteuerter Organisationen oder eigens für diesen Zweck geschaffener Initiativen, deren programmatische Vorstellungen nicht auf Anhieb die Nähe zur DKP erkennen lassen. Obwohl sie nach eigenem Bekunden in Bündnisssen "keinen Führungsanspruch" erhebt und - aus taktischen Erwägungen - auch "demokratische Forderungen" vertritt, läßt die DKP nicht den geringsten Zweifel, daß zu den Grundzügen ihrer Bündnispolitik die "Wahrung der politischen, ideologischen und organisatorischen Selbständigkeit der Partei" gehört. Die in Aktionsbündnissen tätigen Parteimitglieder sind strikt gehalten, "nicht auf die Entwicklung ihrer eigenen Politik (zu) verzichten". Ein Schwerpunkt kommunistischer Bündnispolitik ist in den letzten Jahren vor allem die "Friedensbewegung" geworden, deren Weiterentwicklung auch im Jahre 1987 von der DKP als das "wichtigste Anliegen der Partei" bezeichnet wurde: "Der Friedenskampf ist die wichtigste humanistische Aufgabe und zugleich die Pflicht eines jeden Revolutionärs ..." Es gelang den moskauorientierten Kommunisten, ihren Einfluß im bundesweiten "Koordinationsausschuß", in der "Landesberatung baden-württembergischer Friedensinitiativen" und in vielen örtlichen Gremien der "Friedensbewegung" weitgehend zu behaupten. In diesen Steuerungsgremien ist die Partei häufig einflußreicher, als dies ihrer zahlenmäßigen Stärke in der Bewegung entspricht. Eine besondere bündnispolitische Bedeutung mißt die DKP mit ihren Vorfeldorganisationen den sogenannten berufsspezifischen Friedensinitiativen bei, denen überwiegend Nichtextremisten angehören. Dabei wird versucht, die fachliche Kompetenz, die persönliche Popularität und Ausstrahlung von Mitgliedern der Initiativen für eine friedenspolitische Agitation im Sinne der DKP zu nutzen. 33 Der erste Schritt. In eine atomwaffenfreie Welt. / 7 Plakat der DKP 2.2.6 Schwerpunkte der Agitation Die orthodoxen Kommunisten erheben den Anspruch, ihre gesamte Tätigkeit - gleichgültig ob sie offen als Partei oder getarnt in Aktionsbündnissen auftreten - an der "konsequenten Vertretung der sozialen, demokratischen und Friedensinteressen der Arbeiterklasse und der übrigen Werktätigen" auszurichten. Zugleich läßt aber die DKP im Rahmen ihrer langfristigen Zielsetzung, der Schaffung einer sozialistischen Bundesrepublik Deutschland nach dem Vorbild der DDR, keinen Zweifel daran, daß die "grundlegend neue Gesellschaftsordnung" nur durch die "revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Machtund Besitzverhältnisse" erreicht werden kann. Als ein wichtiges Instrument zur Verfolgung ihrer Ziele sieht die Partei die Schaffung und den Ausbau von DKP-Betriebsgruppen und vermehrte Kandidaturen von DKP-Mitgliedern bei Betriebsratswahlen an. Ihr Hauptanliegen ist die Erweiterung ihres Einflusses in der Arbeiterbewegung, wobei sie vorrangig auf den "Kern der Arbeiterklasse in den Großund Konzernbetrieben der materiellen 34 Produktion" zielt. Nach Angaben ihres Vorsitzenden verfügt die Partei gegenwärtig über mehr als 400 DKP-Betriebsgruppen. In Baden-Württemberg steht seit Jahren der Daimler-Benz-Konzern im Mittelpunkt der betrieblichen Aktivitäten der DKP. Neben der Betriebsarbeit bildet der massive Einsatz der DKP in der "Friedensbewegung" einen weiteren Schwerpunkt ihrer Agitation. Die Partei sieht sich selbst als die entscheidende Kraft im "Friedenskampf". Die Unterzeichnung des Abkommens zur globalen Beseitigung der Mittelstreckenraketen zwischen den USA und der Sowjetunion am 7. Dezember 1987 begrüßte die DKP deshalb als großen "Erfolg der Friedensbewegung", zu dem die "Kommunisten als aktiver Teil der Friedensbewegung" beigetragen hätten. Der Parteivorstand stellte in gewohnter Weise die "konstruktive Friedenspolitik" der Sowjetunion, der DDR und der anderen sozialistischen Staaten heraus und bezeichnete die sich daraus ergebenden "Fortschritte im Ringen um nukleare Abrüstung" als "große Ermutigung für die Friedensbewegung" in der Bundesrepublik Deutschland. Ein weiteres Aktionsfeld bildeten für die DKP und ihre Vorfeldorganisationen die Protestaktionen gegen die friedliche Nutzung der Kernkraft, insbesondere die "Herbstaktionen" gegen die Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf. So beteiligten sich am 10. Oktober 1987 auch führende Funktionäre der DKP an Volks! aushorchung Nein Danke! DKP DKP-Flugblatt gegen die Volkszählung 35 der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verbotenen Demonstrationen am Baugelände der WAA. Dabei kam es am Bauzaun zu heftigen Ausschreitungen militanter Autonomer. Traditionell wichtiger Agitationsschwerpunkt der DKP ist von jeher der "Antifaschismuskampf". Angesichts "besorgniserregender Wahlerfolge" rechtsextremistischer Gruppen und anderer "gefährlicher Aktivitäten" beschloß das DKPPräsidium, die Partei stärker auf den "Kampf gegen Neofaschismus" und die "Entwicklung und Weiterführurfg breiter antifaschistischer Bündnisse" zu orientieren. Bei der Boykottkampagne gegen die Volkszählung am 25. Mai 1987 versuchte die DKP, frühzeitig die Initiative zu ergreifen. Sie hatte hiermit keinen Erfolg. Den Besuch des DDR-Staatsratsvorsitzenden HONECKER in der Bundesrepublik Deutschland, den die DKP schon vorher als "große Chance" und "politisch bedeutsam" kommentiert hatte, begleitete sie mit großem Propagandaaufwand. Die Partei versuchte die Gelegenheit zu nutzen, sich als international beachtete und akzeptierte Kraft darzustellen. 2.3 Nebenorganisationen der DKP Die DKP stützt sich im Bereich ihrer Jugendarbeit auf eine Reihe von Nebenorganisationen. Diese sind formal selbständige Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Leitungsorganen, ordnen sich aber politisch strikt den Zielen der DKP unter. Ihre führenden Funktionäre sind fast durchweg Parteimitglieder. Die Nebenorganisationen der DKP sind - die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) - die "Jungen Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) - der "Marxistische Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus". 2.3.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) ist die zahlenmäßig stärkste Jugendorganisation der moskauorientierten Kommunisten. Wenn es ihr auch in den letzten Jahren nicht gelungen ist, ihr Mitgliederpotential weiter auszubauen (bundesweit knapp 15000, in Baden-Württemberg rund 1000 Mitglieder), so stellt sie doch unverändert das größte Reservoir für den Parteinachwuchs der DKP dar. Neben der starken personellen Verflechtung durch Doppelmitgliedschaften bekunden führende Funktionäre von DKP und SDAJ immer wieder die enge Verbundenheit beider Organisationen. 36 Trotz ihrer ideologischen Verbundenheit mit dem Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung versucht die SDAJ, sich nach außen einen modernen, aufgeschlossenen Anstrich zu geben, um Jugendliche anzusprechen und neue Mitglieder zu gewinnen. Dies führte bisher jedoch nicht zu dem gewünschten Erfolg. Die SDAJ-Bundesvorsitzende Brigitte RADOW rief deshalb alle Gruppen zu größerer Lebhaftigkeit auf. Das Angebot an Jugendliche müsse noch bunter und vielfältiger gestaltet werden. In diesem Zusammenhang ist die bereits 1986 in Düsseldorf eingerichtete "Computer-Mailbox" zu sehen, eine Art "elektronischer Briefkasten", von dem jeder Besitzer eines Heimcomputers über die normale Telefonleitung Informationen abfragen kann. Auch durch die Gründung von Computerclubs in den einzelnen SDAJ-Gruppen verspricht sich die Jugendorganisation weiteren Zuwachs. Aufkleber der SDAJ Das Hauptmedium der SDAJ bleibt aber das aufwendig gestaltete Verbandsorgan "elan - das Jugendmagazin" mit einer monatlichen Auflage von ca. 26000 Exemplaren. Themen, von denen sich der DKP-Jugendverband Resonanz bei Jugendlichen versprach, waren neben der von den Kultursministern der Länder geplanten Reform der gymnasialen Oberstufe vor allem die Jugendarbeitslosigkeit sowie der "Friedenskampf". Ein zentraler Auszubildenden-Kongreß der SDAJ befaßte 37 sich am 26. September 1987 in Düsseldorf mit dieser Materie und erhob die Forderung nach Übernahme aller Auszubildenden in den jeweiligen Betrieben nach Abschluß der Ausbildungszeit. Der Motivierung der SDAJ-Gruppen und der Gewinnung neuer Mitglieder dienten wieder die Pfingstcamps der SDAJ-Landesverbände. Das baden-württembergische Camp fand vom 5. bis 7. Juni 1987 in Neudenau/Kreis Heilbronn statt und wurde zeitweise von nahezu 300 SDAJ-Mitgliedern und Gästen besucht. Die 1986 in der Sowjetunion eingeleitete neue Politik, geprägt durch die Schlagworte "Glasnost" (Offenheit) und "Perestrojka" (Umgestaltung), ging auch an der SDAJ nicht spurlos vorüber. Im Gegensatz zur DKP, die eine eher abwartende Position einnahm, wurden die sowjetischen Reformbestrebungen innerhalb der Nachwuchsorganisation überwiegend positiv bewertet. 2.3.2 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) Die DKP setzte die intensive Förderung der ihr eng verbundenen "Jungen Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) auch 1987 unvermindert fort. Durch eine Verknüpfung von reichhaltigen Freizeitangeboten und ideologischer Beeinflussung sollen Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren an die DKP herangeführt werden. Der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls dieser Kinder dienen vielfältige Gruppenaktivitäten wie Wochenendfahrten und Kinderfeste. Ein besonderer Stellenwert kommt den jährlich stattfindenden Kinderferienreisen in die DDR zu. Damit sollen nicht nur diejenigen Kinder, die bereits JP-Mitglied sind, fester in die Organisation eingebunden, sondern - durch die äußerst günstigen Preise - auch neue "Pioniere" gewonnen werden. Wie bei der DKP, so bildete 1987 auch bei ihrer Kinderorganisation die "Friedensarbeit" einen politischen Schwerpunkt. Im März 1987 wurde die Kampagne "Kinder sind dabei - Zukunft 2000 atomwaffenfrei" gestartet, in deren Verlauf Kinder auf Spielplätzen, in den JP-Gruppenstunden, bei Wochenendfreizeiten und anderen Gelegenheiten angehalten wurden, ihre "Wünsche und Träume für das Leben in der Zukunft" auf stilisierte Friedenstauben aus Papier zu schreiben. Mit solchen Aktionen werden Kinder für die politischen Ziele der DKP eingespannt, um sie für den "realen Sozialismus" zu begeistern. Entgegen den Aussagen bei der 6. Bundeskonferenz der JP am 576. Dezember 1987 in Dortmund, auf der eine starke Zunahme der Mitglieder und Gruppen behauptet wurde, blieben die Mitgliederzahlen auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr. Bundesweit gehören der kommunistischen Kinderorganisation etwa 4000 Kinder an (Baden-Württemberg: 150). Die seit Pf ingsten 1987 laufende Aktion zur Mitgliederwerbung "einsteigen - mitfliegen - Stemenrallye '87" blieb ohne den von der DKP erwarteten Erfolg. 38 2.3.3 "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus" Träger orthodox-kommunistischer Studentenarbeit ist seit Anfang der siebziger Jahre der "Marxistische Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus"*. Daneben agieren zahlreiche DKP-Hochschulgruppen, in denen alle DKPMitglieder an der jeweiligen Hochschule organisiert sind. Entgegen eigener Bekundungen mußte der MSB-Spartakus - ebenso wie die DKP - in jüngster Zeit spürbare Mitgliederverluste hinnehmen. Derzeit kann er sich noch auf rund 5000 Mitglieder (1986: ca. 6000) - davon knapp 200 in Baden-Württemberg - stützen. Der linksextreme Studentenbund ist formal zwar organisatorisch selbständig, tatsächlich bestanden aber von Anfang an enge personelle und politische Verknüpfungen mit der DKP. So versäumte es der Parteivorsitzende der DKP, Herbert MIES, auch 1987 nicht, die Freundschaft von DKP und MSB zu würdigen. Zentrales Thema waren 1987 auch für den MSB die Ereignisse in der Sowjetunion. Die Einstellung zu "Glasnost" und "Perestrojka" war unter den kommunistischen Studenten deutlich positiver als bei vielen DKP-Funktionären. So waren sich die Delegierten des 10. Bundeskongresses, der unter dem Motto "Aufbruch und Erneuerung" stand, einig, daß das "neue Denken", wie es Generalsekretär GORBATSCHOW erfolgreich vorführte, auch in den MSB-Spartakus Einzug halten müsse. In der Hochschularbeit setzte der "revolutionäre Studentenverband" seine Bemühungen fort, zusammen mit seinem langjährigen Verbündeten, dem "Sozialistischen Hochschulbund" (SHB), Einfluß auf studentische Selbstverwaltungsorgane zu erhalten. Nach Jahren gelang es MSB und SHB wieder, demokratische Studenorganisationen für eine Mitarbeit in dem von ihnen dominierten Vorstand der "Vereinigten Deutschen Studentenschaften" (VDS) zu gewinnen. Durch geschicktes Taktieren gelingt es diesen DKP-nahen Studentenverbänden immer wieder, gemäßigte und demokratische Hochschulgruppen als Vehikel für orthodox-kommunistische Vorstellungen zu mißbrauchen. 2.4 Von der DKP beeinflußte Organisationen Um ihren politischen Einfluß zu vergrößern, bedient sich die DKP seit Jahren einer Reihe von Organisationen, die in der Öffentlichkeit häufig als unabhängig angesehen werden. Gerade deswegen kommt ihnen im Konzept der kommunistischen Bündnispolitik eine wichtige Rolle zu. In diesen formal selbständigen * Auf dem 10. Bundeskongreß vom 2. bis 4. Oktober 1987 in Hannover wurde per Satzungsänderung der bisherige Name "Marxistischer Studentenbund Spartakus" in diese neue Form abgeändert. 39 Zeitung des MSB Spartakus und angeblich unabhängigen Vereinigungen haben Kommunisten - ohne daß dies nach außen erkennbar wird - führende Funktionen inne. Aus taktischen Gründen propagieren sie indes häufig Forderungen, die auch von Demokraten erhoben oder zumindest mitgetragen werden. Dadurch ist es ihnen in den letzten Jahren gelungen, ihre Akzeptanz bei demokratischen Gruppierungen zu verbessern. Auf diese Weise ist es der DKP möglich, bei einer Zusammenarbeit mit nichtextremistischen Kräften dann, wenn dies taktisch opportun ist, selbst in den Hintergrund zu treten und über die von ihr beeinflußten oder gar gesteuerten Organisationen kommunistische Positionen einzubringen und durchzusetzen. Zu den wichtigsten Organisationen, die von der DKP in unterschiedlichem Ausmaß beeinflußt werden, gehören - die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA), - die "Deutsche Friedens-Union" (DFU), - die "Friedensliste" (FL), - das "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ). In der Regel begnügt sich die DKP damit, wichtige Schlüsselpositionen mit eigenen Mitgliedern oder zuverlässigen Anhängern zu besetzen, um ihren Einfluß zu sichern. Die Mehrzahl der Mitglieder dieser Vereinigungen gehört dagegen zumeist nicht zugleich einer kommunistischen Kern und Nebenorganisation an. 2.4.1 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) Als einzige der von der DKP beeinflußten Organisationen konnte die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) 40 ihre zahlenmäßige Stärke und ihre Bedeutung als prokommunistischer Bündnisverband weiter steigern. Die älteste kommunistisch gesteuerte Vorfeldorganisation zählt bundesweit inzwischen mehr als 14000 Mitglieder - davon mindestens 2200 in BadenWürttemberg. Obwohl der Landesvorstand Baden-Württemberg - ähnlich dem Bundespräsidium - zum größten Teil aus Kommunisten besteht, sind zentrale Aussagen und politische Aktivitäten der VVN-BdA häufig so gehalten, daß sie auch von demokratischen Organisationen mitgetragen werden können. Aus dem "antifaschistischen Konsens" von Kommunisten und Demokraten während der Zeit des Nationalsozialismus leitet die VVN-BdA heute die Verpflichtung ab, gemeinsam gegen Neofaschismus und Kriegsgefahr zu kämpfen. Ihre Vorreiterrolle für die DKP wird deutlich, wenn sie sich in diesem Zusammenhang vehement gegen jeglichen "Antikommunismus" ausspricht. Durch "die Verleumdung und politische Aussperrung der Kommunisten und ihrer Ideologie" sollen nach Meinung der VVN-BdA demokratische Bewegungen gespalten und Feindbilder geschaffen werden. Die ständig propagierte Ausschließlichkeit von "Antifaschismus" und "Antikommunismus" ist ein Beispiel erfolgreich betriebener sprachlicher Manipulationen zugunsten bündnispolitischer Konsensbegriffe. Im zurückliegenden Jahr hielt die VVN-BdA sowohl die Bundesals auch ihre Landesdelegiertenkonferenz ab, die beide im Zeichen des 40. Jahrestags ihrer Gründung standen. Neben einer Straffung der Organisation beschloß der Verband auf Landesebene, die "überragende Bedeutung des Kampfes um die Sicherung des Friedens" politisch verstärkt umzusetzen, da die VVN-BdA ein "anerkannter Partner in der 'Friedensbewegung' und anderen demokratischen Bewegungen" sei. Demzufolge rief die Organisation zum "Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg" am 9. Mai 1987 zu einer "antifaschistischen Blockade des Raketenstützpunktes Mutlangen" auf. Auch an der Vorbereitung und Durchführung von Großveranstaltungen der "Friedensbewegung" beteiligte sich die VVN-BdA maßgebend. So stellte sie Redner bei fast allen regionalen Ostermärschen im Land, bei der Abschlußkundgebung des "Olof-PALME-Friedensmarsches" am 19. September 1987 in Heilbronn und bei der zentralen Abrüstungsdemonstration am 13. Juni 1987 in Bonn. Traditioneller Schwerpunkt der Arbeit der VVN-BdA ist die Aktivität gegen "neofaschistische Provokationen". Inzwischen kann kaum eine Veranstaltung rechtsextremer oder rechtsgerichteter Gruppierungen mehr durchgeführt werden, ohne daß diese massiv durch ein "antifaschistisches Bündnis" unter maßgeblicher Beteiligung der VVN-BdA gestört wird. Immer häufiger kommt es dabei auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Gegnern. Die 1983 von der VVN-BdA und der "Deutschen Friedens-Union" (DFU) neu geschaffene "Volkszeitung" hat sich inzwischen zu einer auflagenstarken linken Bündniszeitung entwickelt, die nach außen eine linksextreme Steuerung kaum mehr erkennen läßt. 41 2.4.2 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) Die DFU, die seit Jahren bundesweit etwa 1000 Mitglieder zählt (Baden-Württemberg: 200), behielt ihre zentrale Rolle in der Aktionseinheitsstrategie der DKP bei. Sie wirkte wie in den Vorjahren in enger Anlehnung an die DKP maßgeblich an der Organisation des kommunistischen "Friedenskampfes" mit. Aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung im Bündnisbereich vermag sie einen maßgeblichen Einfluß bei fast allen bundesund landesweit veranstalteten "Friedensdemonstrationen" und Ostermärschen auszuüben. So organisierte die DFU 1987 das 6. Forum der "Krefelder Initiative", beteiligte sich an der Planung und Durchführung der bundesweiten "Friedensstafette" sowie des "OlofPALME-Friedensmarsches" und der Ostermärsche. Die DFU, die ihre Mitarbeit in der "Friedensbewegung" als eine ihrer Hauptaufgaben betrachtet, verdankt ihren Einfluß auf zahlreiche Bewegungen und Initiativen vorrangig ihrem leistungsfähigen "Apparat", der sich auf die logistischen Möglichkeiten der DKP stützen kann. 3. "Neue Linke" 3.1 Überblick und Einschätzung Die Parteien und Gruppierungen der dogmatischen "Neuen Linken" haben sich überwiegend aus der Studentenbewegung der späten sechziger Jahre entwikkelt. Sie stehen in scharfer Ablehnung zu den orthodox-kommunistischen Positionen der "Alten Linken", die sie als revisionistisch und sozialimperialistisch ablehnen. In ihrer Mehrzahl handelt es sich um Kaderparteien leninistischen Typs, die unterschiedliche ideologische Strategien verfolgen. Die Aktivität der sogenannten K-Gruppen in der ersten Hälfte der siebziger Jahre ist längst einer tiefgreifenden Krise gewichen. Diese hatte deutliche Mitgliederverluste bei den meisten Gruppen zur Folge und führte sogar zur Auflösung einiger "traditionsreicher" Kaderparteien der frühen Jahre. Von einer gewissen Bedeutung sind heute nur noch die maoistisch geprägte "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) und die inzwischen stärkste Gruppierung der dogmatischen "Neuen Linken", die "Marxistische Gruppe" (MG). Versuche, den in verschiedene Splittergruppen zerfallenen Bereich wieder zu einen, sind bis heute ohne durchschlagenden Erfolg geblieben. Dagegen hat die Gefährdung der Inneren Sicherheit durch die zahlreichen Gruppierungen der undogmatischen "Neuen Linken" weiter zugenommen. Trotz unterschiedlicher Vorstellungen innerhalb des militanten undogmatischen Spektrums über das eigene Selbstverständnis und die konkreten Aktionsformen besteht bei diesen Gruppen Einvernehmen über die Notwendigkeit, "Wider42 stand" gegen die derzeitige Staatsund Gesellschaftsordnung zu leisten. Ein stärker werdender Teil bekennt sich offen zu Anwendungen "revolutionärer Gewalt" und hält Verbindung zu terroristischen Gruppen. Im Gegensatz zu den festgefügten Organisationen der "alten" und der (dogmatischen) "Neuen Linken" finden sich bei den sich als autonom verstehenden Zusammenschlüssen dieser "Szene" nur in Ansätzen organisatorische Verfestigungen. Organisationsfeindlichkeit ist ein Kennzeichen der "Autonomen". Diese wird ergänzt durch eine weitgehende Ideologiefeindlichkeit. Dogmatische Einengungen der alten K-Gruppen wurden bewußt gesprengt und durch spontane Formen des Protests mit dem Ziel der "Abschaffung des Schweinesystems" ersetzt. Dies macht die militanten linksextremen Zirkel beweglich, unberechenbar und gefährlich. Neue Linke Dogmatische Neue Linke Undogmatische Neue Linke MLPO MG AUTONOME LT r- BWK USP ANARCHISTEN KB SONSTIGE SONSTIGE Alle Gruppierungen der "Neuen Linken" bekennen sich offen zur revolutionären Zerschlagung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Dabei befürwortet die Mehrzahl der Organisationen grundsätzlich den Einsatz von Gewalt zur Erreichung dieses Zieles, wenn auch deren sonstige ideologische Konzepte recht unterschiedlich sind. Die politische Strategie der kommunistischen Parteien, Gruppen und Bünde der dogmatischen "Neuen Linken" enthält vor allem marxistisch-leninistische, aber auch maoistische und stalinistische Elemente. Die staatliche und gesellschaftliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland wird einhellig abgelehnt. Im Gegensatz zum vorsichtiger formulierten Programm der DKP findet sich die Forderung nach der "Diktatur des Proletariats", die an die Stelle der freiheitlichen demokratischen Grundordnung treten soll, in sämtlichen programmatischen Erklärungen wieder. Auf dem Weg dorthin soll die "bürgerliche Herrschaft gewaltsam gestürzt und die politische Macht erobert" werden. Obwohl also die Anwendung von Gewalt grundsätzlich bejaht wird, lehnen diese Gruppen sie als aktuelles Mittel der politischen Auseinandersetzung ab, da die notwendige "revolutionäre Situation" noch nicht vorhanden sei. Unmißverständlich wird jedoch bereits heute angekündigt: 43 " . . .Wenn die herrschende Klasse eine so tiefgehende politische Krise durchmacht, daß sie nicht mehr in der alten Weise regieren kann, die große Mehrheit des werktätigen Volkes nicht mehr in der alten Weise leben will und die Kämpfe einen revolutionären Aufschwung nehmen, muß sich die Arbeiterklasse unter Führung ihrer Partei zum bewaffneten Aufstand erheben. Mit dem Sturz des Imperialismus und der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates erreicht der Klassenkampf des Proletariats seine höchste Form." Im Gegensatz zu dem geschlossenen ideologischen Weltbild dieser revolutionär-marxistischen Gruppen vertreten die Zirkel der undogmatischen "Neuen Linken" vor allem anarchistische Ideen, die ebenfalls auf eine fanatische Ablehnung unserer staatlichen Ordnung hinauslaufen. Sie wollen die bestehenden staatlichen Strukturen zerschlagen und streben eine "freie, klassenlose Gesellschaft der Anarchie" an. Den Autonomen dagegen fehlt jede klare politische Konzeption und eine genaue Zielvorstellung ihres "politischen Kampfes". Wann immer sich die Gelegenheit ergibt, greifen sie bereits jetzt das "System" an, um sich "Freiräume" für den Aufbau einer sogenannten Gegenkultur zu erkämpfen. Viele Autonome propagieren in ihren Publikationen aktuell den Einsatz von Gewalt gegen das "Schweinesystem", wobei sie unser Staatswesen als vermeintliche Wurzel jeglicher gesellschaftlicher Fehlentwicklung verantwortlich machen. Die Parolen "Macht kaputt, was Euch kaputt macht" und "Feuer und Flamme für diesen Staat" sind typische Parolen dieser "Szene". Aufkleber der Autonomen 44 Auch die anarchistischen Gruppierungen der undogmatischen "Neuen Linken" propagieren die Ablösung unserer verfassungsmäßigen Ordnung. So setzen sie sich für die Abschaffung des Parlamentarismus ein und fordern stattdessen die Einführung einer mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden "direkten Demokratie" (Rätesystem). Einige anarchistische Gruppen befürworten eine "gewaltfreie Revolution", die aber durchaus Gewalt gegen Sachen und Sabotage als Aktionsmittel einschließt. 3.2 Dogmatische "Neue Linke" 3.2.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands"(MLPD) Die maoistisch orientierte "Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die 1982 aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) hervorgegangen war, stellt wegen ihres Dogmatismus innerhalb des organisierten Linksextremismus eine völlig isolierte Gruppierung dar, die in der Bevölkerung praktisch ohne Beachtung bleibt. Richtschnur für die politische Zielsetzung der MLPD ist unverändert das auf dem 1. Parteitag in Bochum beschlossene Grundsatzprogramm. Darin sind als Ziele der "Sturz der kapitalistischen Herrschaft" und die "Einführung der sozialistischen Gesellschaftsordnung" in der Bundesrepublik Deutschland verankert. Die Partei läßt keinen Zweifel daran, daß solch grundlegende Änderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse in der heutigen Zeit nur unter der Führung einer wirklich revolutionären Partei, die sich überdies strikt an die Lehren des "Marxismus-Leninismus" hält, zu verwirklichen sind. Für die MLPD steht auch außer Frage, daß dieses Ziel nur mittels Gewalt erreicht werden kann. Mitgliederentwicklung, Organisation und Finanzierung Die MLPD war eine der wenigen Gruppierungen der "Neuen Linken", der es 1987 gelang, ihren Mitgliederbestand - wenn auch nur geringfügig - zu erhöhen. Bundesweit verfügt sie derzeit über etwas mehr als 1300 Mitglieder. Die Zahl ihrer Anhänger in Baden-Württemberg blieb mit rund 650 Personen dagegen unverändert. Dazu kommt eine nicht exakt eingrenzbare Zahl von Sympathisanten. So beteiligten sich allein an einer öffentlichen Großveranstaltung zum "70. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution" in Düsseldorf etwa 2700 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet. Den nach regionalen Gesichtspunkten gegliederten insgesamt 16 Parteibezirken sind über 100 Ortsgruppen und Stützpunkte nachgeordnet, die vom Führungsgremium der Partei, dem "Zentralkomitee" mit Sitz in Essen, politisch angeleitet und straff geführt werden. In Baden-Württemberg gliedert sich die Partei nach wie vor in die vier Bezirksverbände Nordbaden, Südbaden, Nordwürttemberg und Südwürttemberg, denen derzeit insgesamt 35 Orts-, Stadtteilund Wohnge45 bietsgruppen (1986: 29) unterstellt sind. Die leichte Zunahme der Zahl der Grundeinheiten ist auf die Teilung mehrerer örtlicher Gruppen zurückzuführen. Die von der MLPD aufgestellte Behauptung, sie stütze sich finanziell "nur auf die Arbeiterklasse" und finanziere sich "fast ausschließlich aus Spenden und Beiträgen", erscheint glaubhaft. Auch im Jahre 1987 liegen keine Hinweise auf eine Fremdfinanzierung vor. Publikationswesen und Schulung Einen unverändert breiten Raum in der Parteiarbeit nimmt die Herausgabe einer Vielzahl von Zeitschriften und Broschüren ein. Druck und Vertrieb des umfangreichen Materials erfolgen im wesentlichen über den Verlag "Neuer Weg" (Sitz: Düsseldorf) sowie über die "Ernst THÄLMANN Buchhandlungen" in Stuttgart und Essen. Das in einer Auflagenhöhe von etwa 10000 Exemplaren wöchentlich erscheinende Zentralorgan "Rote Fahne" bleibt das wichtigste Sprachrohr der MLPD. Ferner werden die für Mitglieder bestimmten Zeitschriften - "Revolutionärer Weg", - "Lernen und Kämpfen" sowie - "wirtschaftsentwicklung - aktuell" herausgegeben. Außerdem wird inzwischen eine "Zeitung für Kleinund Mittelbauern" vertrieben. Diese Parteipublikationen werden auf örtlicher Ebene ergänzt durch eine Vielzahl sogenannter Kleinzeitungen. Eigenen Angaben zufolge gibt die MLPD bundesweit inzwischen 60 Stadtzeitungen und über 70 Betriebszeitungen heraus (Baden-Württemberg: 20 und 15). Als eine der wichtigsten parteiinternen Aufgaben betrachtet die MLPD die mit großer Intensität betriebene Schulung ihrer Mitglieder und Anhänger. Deshalb soll der systematischen Ausbildung der Funktionäre und Mitglieder "höchste Priorität" zukommen. Jedes Mitglied habe die Pflicht, "ständig das Studium des Marxismus-Leninismus und der MAO TSE-TUNG-Ideen mit der revolutionären Praxis eng zu verbinden". Grundlage dafür sind die auf Ortsebene durchgeführten Bildungsabende und Grundschulungskurse. Für die Ausbildung ihrer Funktionäre steht der MLPD seit Mai 1987 eine eigene Parteischule, das "Arbeiterausbildungszentrum Gelsenkirchen-Horst", zur Verfügung. Schwerpunkte der Aktivität Im Mittelpunkt der Tätigkeit der MLPD stand auch im Jahre 1987 das Bemühen, ihre "proletarische Weltanschauung" durch systematische Kleinarbeit noch "tiefer, überzeugender und wirkungsvoller unter den Werktätigen in der Bundesrepublik Deutschland zu verankern". Das wichtigste politische Arbeitsfeld für die 46 MLPD blieb deshalb die mit großer Beharrlichkeit und unter weitgehender Abschirmung gegenüber der Öffentlichkeit betriebene Betriebsund Gewerkschaftsarbeit. Gerade in Zeiten - so argumentierte die Partei -, in denen immer mehr "Kritik auch an Gewerkschaftsfunktionären und so manchen Betriebsräten laut" werde, müsse die Arbeiterklasse davon überzeugt werden, daß der "Weg des proletarischen Klassenkampfes" ein zwar harter und mühseliger Weg, aber der einzig erfolgversprechende sei. Aus diesem Grund hatte das Zentralkomitee der MLPD die Betriebsund Gewerkschaftsarbeit zur "taktischen Hauptaufgabe" für 1987 erklärt. Die Gewerkschaften reagierten auch 1987 mehrfach auf die von der MLPD ausgehende Infiltrationsgefahr, indem sie Angehörige dieser Organisation ausschlossen. Prominentes "Opfer" war der Parteivorsitzende Stefan ENGEL, der bereits Ende 1986 aus der IG Metall ausgeschlossen worden war. Dieser Schritt wurde von der Partei heftig als "ideologisch-politische Disziplinierung der Arbeiterklasse" kritisiert. Nebenorganisationen der MLPD Um ihre Einflußmöglichkeiten auszudehnen und zusätzliche Zielgruppen anzusprechen, bedient sich die MLPD bundesweit tätiger "Massenorganisationen". Anders als der Anspruch stellen diese parteinahen Vereinigungen ein zahlenmäßig verhältnismäßig geringes Hilfspotential dar. Es sind dies: - der "ARBEITERJUGENDVERBAND/Marxisten-LenJnisten"(AJV/ML), - der "Marxistisch-Leninistische Schülerund Studentenverband" (MLSV) und der - "Marxistisch-Leninistische Bund Intellektueller" (MLBI). Der 1986 begonnene Aufbau der Kinderorganisation "ROTFÜCHSE" wurde fortgesetzt. Darüber hinaus versuchte die Partei die "organisierte Frauenarbeit" zu forcieren. Auf örtlicher Ebene kam es bereits zur Gründung sogenannter Frauengruppen der MLPD. 3.2.2 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Die im Oktober 1986 aus dem Zusammenschluß der "Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" - KPD - und der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) entstandene "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) konnte im Jahre 1987 keine nennenswerten Erfolge verzeichnen und mußte sogar Mitgliederverluste in Kauf nehmen. Bundesweit gehören der VSP derzeit noch etwa 500 Personen (1986: 600) an. In Baden-Württemberg blieb die Zahl ihrer Anhänger mit etwa 50 bis 60 Personen dagegen konstant. Die VSP, die sich als offenes Sammelbecken aller revolutionär-marxistischen Kräfte versteht, setzt sich für eine "sozialistische Umgestaltung" der Gesell47 Schaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland ein. Voraussetzung dafür sei, daß die Arbeiterklasse durch den gewaltsamen Sturz der bürgerlichen Herrschaft die politische Macht erobere. Auch bekennt die Organisation offen, wichtige Eckpfeiler unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Gerichte und das Mehrparteiensystem grundsätzlich abzulehnen. So fordert die VSP in ihrem Programm die Abschaffung des "bürgerlichen Parlamentarismus mitsamt der für ihn kennzeichnenden Trennung zwischen gesetzgebender, ausführender und richterlicher Gewalt". Diese Zielsetzung sei aber nur zu verwirklichen, wenn sich der "klassenbewußte Teil der Arbeiterbewegung in einer revolutionären, sozialistischen Massenpartei" zusammenschließt. Dazu will die VSP, die sich in ihrem Selbstverständnis noch nicht als diese Partei ansieht, ihren Beitrag leisten. Sie versucht deshalb intensiv andere Organisationen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Am weitesten fortgeschritten sind die Gespräche mit dem "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BKW), bei dem die Bereitschaft, sich mit der VSP zusammenzuschließen, am größten ist. Verhandlungskommissionen beider Gruppen haben 1987 mit der Ausarbeitung eines gemeinsamen programmatischen Dokuments begonnen. Die Kontakte zu anderen Gruppen wie den "Demokratischen Sozialisten" (DS) oder dem "Kommunistischen Bund" (KB) beschränken sich derzeit dagegen auf die Zusammenarbeit in "Aktionseinheiten" auf örtlicher Ebene. Vom 27. bis 29. November 1987 wurde in Wuppertal die 1. Zentrale Delegiertenkonferenz der VSP durchgeführt. Neben der Neuwahl der Leitungsgremien stand die "selbstkritische Bilanzierung des ersten Jahres der VSP" im Mittelpunkt der Arbeit der Delegierten. In ihrem "Organisationsbericht", der im Zentralorgan "Sozialistische Zeitung" (SOZ) veröffentlicht wurde, mußte die VSP einräumen, daß ihre "organisatorische Konsolidierung" 1987 noch nicht abgeschlossen werden konnte. Derzeit gliedert sie sich in acht Landesbezirke - darunter die Landesbezirke Baden-Württemberg und Rhein/Neckar -, denen insgesamt 29 Ortsgruppen (in Baden-Württemberg: Mannheim/Ludwigshafen, Stuttgart, Karlsruhe, Reutlingen/Tübingen und die "Region Oberschwaben") nachgeordnet sind. 3.2.3 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der Ende 1980 aus einer Abspaltung des inzwischen aufgelösten "Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW) hervorgegangene "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) mußte trotz verstärkter Bündnisbemühungen im Berichtszeitraum weitere Mitgliederverluste hinnehmen. Seine Mitgliederzahl sank 1987 bundesweit unter 300 (1986: 400), von denen knapp 100 auf den Landesverband Baden-Württemberg entfallen. Diese Entwicklung führte dazu, daß die Organisation zur Entfaltung bemerkenswerter eigenständiger Aktivitäten kaum mehr in der Lage ist. Auffällig war indes das starke Engagement, mit dem der BWK die Aktivitäten des terroristischen Unterstützerbereichs anläßlich des 10. Jahrestages der Selbstmorde in Stuttgart-Stammheim begleitete. Unter anderem wurde von der 48 BWK-eigenen "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung - Verlagsgesellschaft, Politische Berichte mbH" (GNN) eine Broschüre herausgegeben, in der die Redaktion der "westdeutsche(n) Monopolbourgeoisie" mittelbar vorwirft, für die "Herausbildung der RAF sowie auch anderer Strömungen der politischen Opposition" verantwortlich zu sein. Weiter verstärkt hat der BWK seine Mitarbeit in der "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT). In ihr sind in erster Linie Mitglieder des BWK und der VSP organisiert, wobei der BWK inzwischen die dominierende Rolle übernommen hat. Bundesweit gehören dieser Organisation, die sich vor allem mit dem "antifaschistischen Kampf" befaßt, noch etwa 600 Personen an. 3.2.4 "Kommunistischer Bund" (KB) Die Mitgliederzahl des 1971 gegründeten "Kommunistischen Bundes" (KB) stagniert seit Jahren bundesweit bei etwa 400 Personen. Er ist vornehmlich im Hamburger Raum aktiv. In Baden-Württemberg verfügt die Organisation über höchstens 20 Anhänger. 3.2.5 "Marxistische Gruppe"(MG) Die "Marxistische Gruppe" (MG) hat ihre exponierte Stellung innerhalb der dogmatischen "Neuen Linken" behauptet. Es gelang ihr sogar, im Gegensatz zu den meisten anderen marxistisch-leninistischen Parteien und Bünden, die Zahl ihrer Anhänger weiter zu erhöhen. Sie ist bundesweit derzeit mit 1800 Mitgliedern (1986: 1700) und einer weitaus größeren Zahl von Sympathisanten mitgliederstärkste Gruppierung der "Neuen Linken". Dies ist um so bemerkenswerter, als die MG bis heute weder über ein Statut noch über ein verbindliches Programm verfügt. Ihre politischen Zielvorstellungen sind vielmehr aus einer Vielzahl von Publikationen herauszulesen und dort häufig auch in verschleierter Form dargestellt. Hierarchischer Aufbau, gründliche Schulung der Anhänger, strenge Gruppendisziplin und ein ausgeprägt konspiratives Verhalten machen indes deutlich, daß sich die MG selbst als eine leninistische Kaderorganisation versteht. Gleichwohl beruft sich die Vereinigung nicht ausdrücklich auf den Marxismus-Leninismus, sondern beschränkt sich auf die intensive Auseinandersetzung mit den Schriften von Karl MARX. Obwohl die MG also eine klare politische Konzeption vermissen läßt, bestehen keine Zweifel daran, daß sie die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als "Staatsform der bürgerlichen Ausbeutung" anstrebt. In ihren Veröffentlichungen sowie in Vortragsveranstaltungen versucht die MG nachzuweisen, daß die gegenwärtige politische Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland so offensichtlich von den negativen Folgen des Kapitalismus durchdrungen sei, daß nur die völlige Zerschlagung dieses Staates durch eine "sozialistische Revolution" eine grundlegende Änderung herbeiführen könne. 49 Um dieses Ziel zu erreichen, ist es nach Ansicht der MG zunächst erforderlich, daß das Proletariat als der eigentliche Träger der künftigen Revolution über seine aktuelle Ausbeutungssituation aufgeklärt und ihm dann das für die "Entwicklung des Klassenkampfs" notwendige Wissen vermittelt werde. Die MG geht davon aus, daß diese Aufklärungsarbeit nur von Intellektuellen geleistet werden kann. Folgerichtig rekrutiert sich die MG zum überwiegenden Teil aus Studenten und Akademikern. Die "Marxistische Gruppe", deren organisatorischer Schwerpunkt unverändert in Bayern liegt, bemühte sich auch 1987 wieder intensiv darum, ihre Organisationsstruktur und die Zusammensetzung der Führungsgremien selbst gegenüber Sympathisanten strikt geheimzuhalten. Gleichfalls undurchsichtig sind ihre Finanzierungsquellen. Es ist jedoch davon auszugehen, daß die Vereinigung sich ausschließlich über sehr hohe Mitgliedsbeiträge und Spenden sowie den Verkauf ihrer zahlreichen Publikationen finanziert. Dies sind in erster Linie die vom Verlag der MG "Verein zur Förderung des studentischen Pressewesens e.V." in München monatlich herausgegebene "Marxistische Streitund Zeitschrift" (MSZ), die "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ) und das theoretische Organ "Resultate". Daneben erscheint eine Vielzahl örtlicher Hochschulund Schulzeitungen sowie Betriebs-, Branchenund Regionalausgaben der MAZ. In Baden-Württemberg konnte die MG - freilich in bescheidenem Maße - den Aufbau ihrer Organisation weiter vorantreiben. Ihr Mitgliederbestand umfaßt derzeit etwa 90 Aktivisten (1986: 85). Hinzu kommt ein Sympathisantenkreis von mindestens 100 Personen. Die zahlenmäßig größten Gruppen arbeiten in Tübingen und Stuttgart; in beiden Städten befinden sich auch MG-Buchläden. MG-Mitglieder sind aber auch in anderen Universitätsstädten des Landes tätig. Dort versucht die Vereinigung, neben öffentlichen Veranstaltungen vor allem durch das Verteilen von MG-spezifischen Publikationen auf sich aufmerksam zu machen. 3.3 Undogmatische "Neue Linke" 3.3.1 Autonome Gruppen Mit der Ermordung zweier Polizeibeamter durch militante Autonome am 2. November 1987 in Frankfurt am Main hat die fortschreitende Eskalation der politisch motivierten Gewalt eine erschreckende menschenverachtende Dimension erreicht. Neu war hier allerdings lediglich der Einsatz von Schußwaffen als Tatmittel. Die Polizei ist bereits seit langem aus gewalttätigen Demonstrationen heraus mit Zwillen, Signalmunition, Brandflaschen und anderen Waffen angegriffen worden, welche ebenfalls tödliche Wirkung haben können. Die von Gruppen der "Neuen Linken" künstlich gezogene Grenzziehung zwischen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen war daher schon längst überschritten. Insbesondere für autonom-anarchistische Kreise steht eindeutig fest, "daß dieses System nicht gewaltfrei zu kippen ist". Lediglich über Umfang und Ausmaß der Gewaltanwendung wird noch immer heftig diskutiert. 50 Freilich darf dabei nicht übersehen werden, daß nicht alle "autonomen" Zirkel von vornherein gewaltsame Protestformen befürworten. Dementsprechend fielen auch die Reaktionen auf die Morde in Frankfurt durchaus unterschiedlich aus. Sie reichten von hämischer Zustimmung bis zu strikter Distanzierung. Es besteht deshalb Grund zu der Annahme, daß zumindest bei gemäßigteren Gruppen die tödlichen Schüsse zu einem Überdenken des bisherigen, zunehmend eskalierenden Vorgehens führen werden. Schriften militanter Autonomer Obwohl ihnen jede Form von Organisation suspekt ist, haben die Autonomen inzwischen erkannt, daß ohne ein Mindestmaß an Struktur und Kommunikation sich keine dauerhafte "Widerstandskultur" entwickeln wird. Bereits bisher war zwar - etwa bei Großdemonstrationen - ein mehr oder weniger spontanes Zusammenwirken militanter Gruppen feststellbar, doch reichte dies nicht über den konkreten Anlaß hinaus. Inzwischen lassen sich aber verstärkt Bemühungen autonomer Zirkel um Festigung ihrer "Strukturen" erkennen. Autonome Kreise nutzten auch 1987 wieder eine Vielzahl gesellschaftlich umstrittener Themen, um auf ihre Weise Front gegen das "System" zu machen. Dabei wurden 1987 zwar deutlich weniger Großdemonstrationen als in den 51 Anschläge in Baden-Württemberg, die vermutlich dem autonomen Bereich anzurechnen sind: AnechlBgeziele: A Bochspannungemasten H Einrichtungen der DB Jk, Polizeieinriebtungen * Sonstige Anschläge Autonomer in Baden-Württemberg 52 Vorjahren registriert, bei denen es zu Ausschreitungen militanter Autonomer kam. Dem zumindest zeitweisen Abflauen der Massenmilitanz steht jedoch ein spürbarer Anstieg der Zahl von Gewalttaten gegenüber, die Sachschäden in Millionenhöhe verursachten. Bevorzugte Angriffsziele blieben öffentliche Gebäude, Firmen und Maschinenparks, Bahnstrecken und Einrichtungen der Energieversorgung. Mit welch krimineller Energie Autonome vorgehen, zeigt der Brandanschlag auf eine Erhebungsstelle für die Volkszählung am 15. Mai 1987 in Heilbronn, der einen Sachschaden von etwa 150000,DM verursachte. Aus der Selbstbezichtigung ist ersichtlich, daß die Militanten das aktuelle Thema letztlich nur zum Anlaß genommen haben, um den ihnen verhaßten Staat zu treffen. Die Verfasser stellen fest, " . . . daß dieses System im Grunde nicht die Fehler macht, sondern der Fehler ist, und die einzige Lösung darin liegt, es konsequent anzugreifen und auf seine Abschaffung hinzuarbeiten, anstatt es verändern zu wollen." Auch ein Sprengstoffanschlag auf ein noch nicht fertiggestelltes Gebäude eines Chemie-Konzerns in Tübingen am 22. Juni 1987 ist militanten Autonomen zuzurechnen. In einer in der Zeitschrift "radikal" veröffentlichten Taterklärung wird das klare Bekenntnis zur Gewalt noch einmal formuliert und zugleich auf die Perspektiv-Diskussion im autonomen Bereich eingegangen: "wir befinden uns im moment an dem punkt, wo wir es für uns und insgesamt für notwendig halten, weg von den spontanen und punktuellen ansätzen eine kontinuierliche und umfassende radikale politik zu entwickeln... das Verhältnis, militante kleingruppenaktion und massenmilitanz, muß ständig reflektiert werden, damit wir effektive formen von widerstand entwickeln können, wir wollen erreichen, daß immer mehr leute den schritt zu militanter praxis machen, weil sie sehen, daß er notwendig und machbar ist... es muß notwendigerweise bestandteil einer radikalen theorie sein, daß dieses System nicht gewaltfrei zu kippen ist..." Noch immer - wenn auch in geringerem Umfang als Anfang der achtziger Jahre - sind Hausbesetzungen ein Schwerpunkt autonomen Handelns. Dabei steht im Hintergrund die anarchistische Zielvorstellung von einem "selbstbestimmten Leben", fern von staatlichen und gesellschaftlichen Zwängen. Während der Auseinandersetzungen um die besetzten Häuser in der Hamburger Hafenstraße brachte die "Szene" in Baden-Württemberg ihre Solidarität nicht nur mit zahllosen Farbschmierereien, sondern auch mit einem Brandanschlag auf eine Baustelle an der Schnellbahntrasse Mannheim-Stuttgart zum Ausdruck, bei dem ein Sachschaden von etwa einer Million DM entstand. 53 Eine besondere überregionale Bedeutung kommt unverändert dem gewaltbereiten autonomen Bereich in Freiburg zu. Im Zusammenhang mit der Räumung der letzten besetzten Häuser kam es dort über Pfingsten 1987 zu den seit Jahren schwersten Ausschreitungen. Aus Protest gegen die Wohnungsbaupolitik der Stadt wurden Barrikaden errichtet, Fahrzeuge in Brand gesetzt sowie zahlreiche weitere Sachbeschädigungen begangen. Polizei und Feuerwehr wurden mit Steinen und Brändsätzen beworfen. Der in diesen Tagen entstandene Sachschaden belief sich auf mehrere 100000,-DM. In einer "Erklärung zu den Aktionen vom 6V7.6." wurden die Krawalle unter anderem wie folgt begründet: " . . . Unsere Wünsche und Hoffnungen - FÜR EIN SELBSTBESTIMMTES LEBEN - lassen sich nicht über Stellvertreterpolitik in den Parlamenten erreichen. Wir brauchen keinen Anlaß, um zu kämpfen. Das Wissen über ein System, das weltweit plündert, mordet und zerstört, die alltägliche Gewalt durch Bullen, Chefs... in der Schule, bei der Maloche... die permanente Unterdrückung der Frauen im Patriarchat, all dies ist der permanente Anlaß zum Kämpfen. Die Zerstörung unserer kollektiven Lebenszusammenhänge durch die Häuserräumungen und ihre schweinische Sanierungs-, Wohnund Spekulationspolitik, die nichts als Mieterhöhungen und Verdrängung aus den Häusern für die Menschen bedeutet, und die bevorstehenden Räumungen der Häuser waren der Anlaß, in die Offensive zu gehen." Auch im weiteren Verlauf des Jahres 1987 kam es in Freiburg immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei sowie zu Brandanschlägen mit erheblichen Sachschäden. Neben diesem regionalen Schwerpunkt der militanten autonomen Bewegung in Baden-Württemberg agieren weitere gewaltbereite Zirkel in den Räumen Karlsruhe, Tübingen, Stuttgart, Heilbronn und Ravensburg. Das Gesamtpotential dieser zahlenmäßig schwer eingrenzbaren "Szene" dürfte bundesweit knapp 3000, in Baden-Württemberg etwa 350 Personen umfassen. 1987 setzte sich eine Entwicklung fort, in der die Grenzen zwischen den militanten Autonomen und terroristischen Gruppierungen insbesondere im Umfeld der RAF weiter abgebaut werden. Zumindest in Teilbereichen ist bereits über die örtliche Ebene hinaus eine politische und taktische Annäherung nicht mehr zu übersehen. In einem in Freiburg verbreiteten Flugblatt wird das sich verändernde Verhältnis zur RAF wie folgt beschrieben: wir haben kritik an den einschätzungen der RAF, die teilweise zu falschen konsequenzen führen, nicht aber an den aktionsformen. wir kämpfen an einer anderen stelle mit anderen formen, aber uns verbindet, daß wir gegen den gleichen feind - gegen kapitalismus, Imperialismus und patriarchat, und für das gleiche ziel - eine klassenlose gesellschaft kämpfen und somit begreifen wir uns im Zusammenhang mit ihnen." 54 Flugschritten militanter Autonomer 55 In der Haltung zur RAF zeigt sich die ganze Bandbreite autonomer Vorstellungen. Die Meinungsvielfalt reicht von der strikten Ablehnung des elitären Anspruchs dieser terroristischen Vereinigung bis hin zur praktischen Zusammenarbeit. Insgesamt gesehen gibt es hier trotz der verbleibenden Unterschiede keine grundsätzlichen Berührungsängste mehr. Als Beispiel für ein solidarisches Zusammenwirken kann die Demonstration anläßlich des 10. Todestages der Terroristen BAADER, ENSSLIN und RASPE am 17. Oktober 1987 in Stuttgart gelten, an deren Zustandekommen neben dem RAF-Umfeld auch autonome Kreise maßgeblich beteiligt waren. Obwohl eine tragfähige, kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen RAF und Autonomen vorerst nicht zu erwarten ist, gebührt der Annäherung beider Bereiche große Aufmerksamkeit. 3.3.2 Anarcho-syndikalistlsche Gruppierungen Aktivitäten verschiedener anarcho-syndikalistisch orientierter Gruppen und Zirkel waren auch im Jahre 1987 wieder nachweisbar. Größte Gruppierung blieb die "Freie Arbeiter Union" (FAU), die sich 1983 neu formiert hatte. Ihr gehören bundesweit ca. 150 Mitglieder in mindestens 22 Kontaktstellen und Stützpunkten (in Baden-Württemberg in Stuttgart und Baden-Baden) an. Ihr Ziel ist eine "herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung gegründete Gesellschaft". Anstelle von zentralistisch aufgebauten Parteien und Organisationen sollen militante Betriebsgruppen und Gewerkschaften den Weg zu dieser Gesellschaft ebnen. Die Durchsetzung ihrer Ziele glaubt sie mittels sogenannter direkter Aktionen wie Streiks, Boykottmaßnahmen, Fabrikbesetzungen und Sabotage verwirklichen zu können. Im Jahre 1987 war die FAU maßgeblich an der Organisation der an Ostern in Frankfurt am Main durchgeführten "Libertären Tage" beteiligt. Diese bundesweiten "Informationsund Diskussionstage" waren ein erstes Treffen des gesamten anarchistischen Spektrums, an dem auch Angehörige des RAFUmfelds teilnahmen. Als eine Abspaltung von der FAU stellt sich die im Dezember 1983 als "selbständige Organisation revolutionärer Anarchisten" gegründete, bislang nur regional tätige "Freie Arbeiter Union - Heidelberg (Anarchisten)" FAU-HD (A) dar. Wie alle Anarchisten lehnt auch die FAU-HD (A) jeglichen Staat entschieden ab. In ihrer bereits 1983 erstellten Arbeitsgrundlage spricht sie'sich für die "gewaltsame Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates" aus und tritt stattdessen für "rätedemokratische Strukturen" ein. Im Gegensatz zur anarcho-syndikalistischen FAU strebt die FAU-HD (A) aber den Aufbau einer bundesweiten anarchistischen Partei als sogenannte Avantgardeorganisation an. 56 Als Nebenorganisation der FAU-HD (A) agieren der Studentenverband "Freie Arbeiter Union - Studenten" (FAUST) sowie die Ende 1986 gegründete "Schwarze Garde". Die "Schwarze Garde" befürwortet Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung und führt für ihre Mitglieder Wehrsportübungen durch. Als aggressives Propagandamittel fungiert die vierteljährlich verbreitete Zeitung "Fanal". Unter gleichem Titel gibt die FAUST eine Hochschulzeitung heraus. Darüber hinaus sind im Bundesgebiet weitere anarchistische Gruppierungen aktiv. In Baden-Württemberg kommt dabei dem "Forum für libertäre Information" (FLI) in Grafenau, Kreis Böblingen, eine gewisse überregionale Bedeutung zu. Das FLI gibt die bundesweit vertriebene, anarchistische Schrift "Schwarzer Faden" heraus, die vierteljährlich in einer Auflagenhöhe von 2000 bis 2500 Exemplaren erscheint. Auf regionaler Ebene agitiert seit Anfang 1986 die sich verbal militant gebärdende "Libertäre Initiative Tübingen", die sich selbst als "Kreis undogmatischer Linker, Pazifistinnen, Anarchistinnen" bezeichnet. 3.3.3 Anarchistische "Gewaltfreie Aktionsgruppen" Eine sich gewaltfrei verstehende anarchistische Richtung gruppiert sich um die Zeitschrift "Graswurzelrevolution". Herausgeber dieser Publikation ist die 1980 durch den Zusammenschluß mehrerer "Gewaltfreier Aktionsgruppen" entstandene "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FöGA). Trotz anhaltender ideologischer, organisatorischer und vor allem auch finanzieller Probleme blieb sie Kontaktund Koordinierungsstelle der anarchistischen "Graswurzelbewegung" mit bundesweit etwa 700 Anhängern. In Baden-Württemberg gehört der FöGA nur noch eine "Gewaltfreie Aktionsgruppe" an. Die FöGA propagiert eine "tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung", die in einer gewaltfreien Revolution, der sogenannten Graswurzelrevolution, erreicht werden soll. Der "staatliche Herrschaftsund Gewaltapparat (soll) zurückgedrängt und zerstört" und durch eine basisdemokratische Gesellschaft ersetzt werden. Zur Durchsetzung ihrer anarchistischen Vorstellungen propagiert die FöGA den "gewaltfreien Widerstand", der von öffentlichem Protest (Flugblätter, Demonstrationen, Mahnwachen) über die "legale NichtZusammenarbeit" (Streik, Boykott, Verweigerungen jeder Art) bis zum "zivilen Ungehorsam" (gezielte Mißachtung von Gesetzen, Generalstreik, Blockaden und Besetzungen) reicht. Auch das Mittel der Sabotage wird, soweit es "lediglich" zu Sachbeschädigungen führt, als geeignete Maßnahme im Kampf gegen die bestehenden Herrschaftsstrukturen angesehen. 57 4. Linksextremistischer Terrorismus 4.1 Überblick Terrorismus ist der systematische, aus dem Verborgenen geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen. Hierzu zählen insbesondere schwere Straftaten, wie sie in SS129a Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannt sind (vor allem Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Explosion durch Sprengstoff), oder andere Gewalttaten und Handlungen, die der Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Nicht unter den allgemeinen Terrorismusbegriff fallen Anschläge, die spontan, etwa aus gewalttätig verlaufenen Demonstrationsveranstaltungen heraus durchgeführt werden. Allerdings wurde in den letzten Jahren immer deutlicher, daß die ideologischen und schließlich auch die praktischen Grundlagen terroristischer Akte vielfach bereits in extremistischen Zirkeln vermittelt und dadurch Unterstützer gewonnen werden. Linksterroristische Aktivitäten werden seit Jahren von der aus dem Untergrund heraus operierenden "Roten Armee Fraktion" (RAF), die inzwischen in mehreren Ebenen organisiert ist, und den in Kleinstzirkeln agierenden "Revolutionären Zellen" (RZ) mit ihrer Frauengruppe "Rote Zora" getragen. 4.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 4.2.1 Irrweg Terrorismus Die Ursprünge der "Roten Armee Fraktion" (RAF) gehen auf das Ende der sechziger Jahre zurück, als sich aus der studentischen Protestbewegung eine Handvoll Extremisten organisierte, die das politische System der Bundesrepublik Deutschland mit Gewalt verändern wollten. Seitdem begingen sogenannte Kommandos und - seit einigen Jahren auch - "Kämpfende Einheiten" der Terrorgruppe immer wieder schwerste Verbrechen wie Mord, Geiselnahmen, Brandund Sprengstoffanschläge. Die Mitglieder und Unterstützer der RAF eint der Haß auf unsere Staatsund Gesellschaftsordnung sowie der Wunsch, dieses "imperialistische System zu zerschlagen". Ihr Konzept, als "Stadtguerilla" den "bewaffneten Kampf" in den "Metropolen des Imperialismus" zu führen, ist dem Vorbild von Guerillaorganisationen in Ländern der Dritten Welt entlehnt. Ein festumrissener Plan für eine neu zu errichtende künftige Staatsordnung existiert freilich nicht; es gibt lediglich vage Vorstellungen von einem kommunistischen Gemeinwesen. Um dieses Ziel zu erreichen, lassen die Mitglieder der RAF keine Alternative zu dem von ihnen propagierten "bewaffneten Kampf" zu; sie betrachten sich selbst vielmehr als Avantgarde unter den linksextremistischen Organisationen. Dennoch haben mehr als 15Jahre terroristische Praxis die "Rote Armee Fraktion" ihren 58 ursprünglichen Zielen nicht näher gebracht. Allerdings muß eingeräumt werden, daß die zahlreichen "Niederlagen" der Terrororganisation, das Sichabwenden manch eines ihrer früheren Mitglieder in all diesen Jahren weder ein ideologisches Umdenken noch eine Abkehr des Gros der Anhänger von dem blutigen Konzept bewirken konnten. Die terroristische Strategie und Taktik der RAF üben - trotz aller Rückschläge und der unverändert fehlenden Zustimmung selbst in Kreisen der extremen Linken - noch immer eine gewisse Anziehungskraft auf einige Wenige aus. Die Attraktivität der Gewalt dürfte für diese Personen darin begründet sein, daß sich hier die vermeintliche Möglichkeit zu bieten scheint, rascher und angeblich effektiver an Veränderungen in Staat und Gesellschaft mitzuwirken. Zerstörende Gewalt statt langwieriger Überzeugungsarbeit ist der Köder, der junge Menschen fesseln soll. Dabei fängt der Einstieg in die verhängnisvolle Verstrickung nicht selten harmlos an: etwa mit dem Protest gegen tatsächliche oder behauptete Mißstände, gegen Ungerechtigkeit und Gefahren in der Bundesrepublik Deutschland oder weltweit. Ungeduld, Ohnmachtsgefühle, Haß, Fanatismus oder das Bewußtsein, gegen eine große Masse anscheinend "Uneinsichtiger" nichts bewirken zu können, lassen in einem potentiellen RAF-Anhänger dann früher oder später den Wunsch nach "wirkungsvolleren Kampfformen" erwachen. So fehlt als Zündfunke oft nur noch der Kontakt zu Angehörigen des terroristischen Unterstützerbereichs, der sich beispielsweise bei Veranstaltungen über ein gemeinsam interessierendes Thema, bei Besuchen von Hauptverhandlungen gegen angeklagte RAF-Mitglieder oder über persönliche Beziehungen ergibt. Fällt die Konfrontation mit der Argumentation und der Vorgehensweise der RAF-Unterstützer positiv aus, ist der erste Schritt in die terroristische "Szene" getan. 4.2.2 Die RAF-Kommandoebene Im Jahr 1987 fanden im linksterroristischen Bereich keine Aktionen statt. Auf die letzte Gewalttat der RAF-Kommandoebene im Jahre 1986 - den Mord an Ministerialdirektor Dr. von BRAUNMÜHL am 10. Oktober 1986 - folgten keine weiteren Anschläge. Darüber hinaus konnten 1987 weder logistische Vorbereitungshandlungen (etwa Banküberfälle oder Waffenbeschaffungen) noch Neurekrutierungen aus dem Unterstützerbereich beobachtet werden. Mitursächlich für diese Inaktivität dürfte die Festnahme von vier führenden Mitgliedern des "internationalen" Flügels der französischen Terrorgruppe "Action Directe" (AD) am 21. Februar 1987 in einem Bauernhof in der Nähe von Orleans/ Frankreich gewesen sein. Der Zugriff versetzte der seit Jahren eng mit der RAF verbundenen AD einen schweren Schlag, der sich auch zeitweise lähmend auf die Aktivitäten der RAF ausgewirkt haben dürfte. Zwischen beiden Organisationen bestand eine enge Kommunikation. Ihr taktisches Konzept war erkennbar aufeinander abgestimmt. Das gesamte Ausmaß der Kooperation wurde mit den in Frankreich aufgefundenen schriftlichen Unterlagen und Dokumenten der Sprengmittel und Waffen offenbar. 59 Zusammen Kämpfen Zeitung -für die -enBlmpertelistlsche Front in Westeuropa DEZ. 87 Sonderuösgaka ERKLÄRUNG ZUR ERSCHIESSUNG VON BESSE ACT10N D1RECTE BRGCTEMH ZU KOHLE-ENTEIGNUNGSAKTION vervielfältigen - weitergebet) / Organ der RAF 60 Der Schluß, daß die RAF durch diesen Schlag der französischen Sicherheitsbehörden ihrer wichtigsten Stütze innerhalb der vielbeschworenen "westeuropäischen Guerilla" beraubt wurde, ist deshalb naheliegend. Dennoch kann nicht von einer entscheidenden Schwächung der RAF-Kommandoebene ausgegangen werden. Derzeit leben zwischen 15 und 20 Personen in der "bewaffneten Illegalität", ein Potential, das jederzeit in der Lage ist, neue Gewalttaten und Verbrechen zu begehen. Allerdings wird sich die Gruppe auf internationaler Ebene zumindest kurzbis mittelfristig neu orientieren müssen, nachdem mit einer raschen Neuformierung der "Action Directe" zunächst nicht zu rechnen ist. Als neuer Bündnispartner kommen derzeit vor allem die italienischen "Roten Brigaden" (BR) in Betracht. Erste Gespräche haben auf verschiedenen Ebenen bereits stattgefunden. Ferner sind in jüngster Zeit Verbindungen zu Mitgliedern spanischer Terrorgruppen ausgebaut worden. So läßt die das ganze Jahr 1987 währende scheinbare Phase der Inaktivität keinesfalls den Rückschluß auf eine Entspannung der Sicherheitslage zu. Die erklärte Absicht der RAF, das "Schweinesystem" zu beseitigen, hat an Triebkraft nichts eingebüßt. Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß lediglich eine gewisse Verlagerung der Schwerpunkte, die durch die RAF als gefährdet gelten müssen, eingetreten sein könnte. So wurde in Veröffentlichungen der terroristischen Unterstützer-"Szene" wiederholt gegen Justiz, Polizei und Nachrichtendienste, den sogenannten Repressionsapparat, polemisiert. Dieses Verhalten stellt gewöhnlich ein wichtiges Indiz für die "Aufbereitung" eines potentiellen Angriffsziels dar. Nach wie vor ist von der Gleichrangigkeit der im Blickfeld der Terrorgruppe liegenden Zielbereiche - Rüstungstechnischer Bereich ("Militärisch-industrieller Komplex" - MIK) - Elektronikund Forschungsindustrie ("High Tech") - Militär sowie - Politik auszugehen. Darüber hinaus hat sich die terroristische "Szene" vorrangig mit der militärischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich befaßt: "Keine Militärachse Bonn - Paris! Kampf den Militär-Bündnissen..." wurde in einem Flugblatt gefordert. Nach alledem ist davon auszugehen, daß die Bedrohung durch die "Rote Armee Fraktion" unvermindert andauert. Die Ermordung des Diplomaten Dr. von BRAUNMÜHL am 10. Oktober 1986 in Bonn hat zudem mit erschreckender Deutlichkeit aufgezeigt, daß die Brutalität der Terrorgruppe eher zugenommen hat. Eine offene Konfrontation wird weitgehend vermieden. Gemordet wird vielmehr aus der Anonymität und Distanz heraus (Bombenanschläge, maskierte Killerkommandos). 61 4.2.3 "Militante der RAF" Angehörige der "zweiten kämpfenden Ebene", die sogenannten Militanten der RAF, verüben Sprengstoffund Brandanschläge mit zumeist hohen Sachschäden auf Gebäude oder Einrichtungen, die inhaltlich in einem Zusammenhang mit den Zielen der "Kommandos" stehen. Solche Straftaten richteten sich - im Unterschied zur Kommandoebene - bislang nicht gezielt gegen Menschen. Der letzte Anschlag von "Militanten der RAF" wurde am 21. Dezember 1986 gegen ein Gebäude des Kurt-SCHUMACHER-Bildungszentrums in Bad Münstereifel (eine Einrichtung der SPD-nahen Friedrich-EBERT-Stiftung) verübt. Ausführende Gruppe war eine "Kämpfende Einheit Mustafa AKTAS (Celal)", benannt nach dem Aktivisten einer linksextremistischen kurdischen Gruppe, der laut Selbstbezichtigung 1985 in Paris ums Leben kam. Seitdem herrscht auch in diesem Bereich trügerische Ruhe; im Jahre 1987 kam es zu keinen neuerlichen Anschlägen "Kämpfender Einheiten". Dies unterstreicht die enge Verzahnung der "Militanten der RAF", denen Personen aus der Unterstützer-"Szene" angehören, mit der Kommandoebene: Anschläge beider Ebenen werden zeitlich und inhaltlich aufeinander abgestimmt. Neben den bereits aufgezeigten Ursachen für diesen aktionsfreien Zeitraum könnte ein weiterer Grund auch darin liegen, daß es innerhalb der RAF durch alle vier Ebenen hindurch (Kommandobereich, "Militante der RAF", Unterstützerbereich und Inhaftierte) inhaltliche Diskussionen sowie Abund Einstimmungsprobleme auf neue Themenkomplexe gibt. Hierfür sprechen jedenfalls zahlreiche Hinweise in schriftlichen und mündlichen Aussagen innerhalb des Unterstützerbereichs sowie einsitzender Terroristen, wonach die "subjektive Einstellung des einzelnen zum Kampf" immer wieder Gegenstand interner Erörterungen ist. 4.2.4 Der Unterstützerbereich der RAF Träger einer kontinuierlichen politischen, logistischen und propagandistischen Arbeit innerhalb der RAF ist der terroristische Unterstützerbereich. Angehörige des RAF-Umfelds agieren zwar unter den Augen der Öffentlichkeit (in der "Legalität"), beachten jedoch weitgehend konspirative Regeln. Sie koordinieren das Zusammenspiel der vier Ebenen der RAF, wobei die "zweite kämpfende Ebene" sich zumindest teilweise aus Mitgliedern des Unterstützerbereichs zusammensetzt. Die sogenannten "Legalen" stehen sowohl mit inhaftierten Terroristen als auch - dies trifft auf einzelne maßgebliche Aktivisten zu - mit Personen des "harten Kerns", also dem Kommandobereich der RAF, in Verbindung. Unterstützerzirkel in Baden-Württemberg bestehen in den Städten Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg/Mannheim und Freiburg. In Tübingen agieren mehrere Einzelaktivisten. Insgesamt umfaßt das aktive terroristische Unterstützerpotential in der Bundesrepublik Deutschland etwa 62 .fflBF^S' HAMpFUMBlFRE,uN(, i Gemeinsam'" Q ^ , ^ o r g a n i s k . r e"! dierevoluuona ^ ^ ^ ^ ^ jclbstbestimmung! Bundesweite DEMONSTRATION 10 J a h r e nach den Morden in Stammheim Stuttgart: 17.10 11 Mir Berliner Platz anschließend KUNDGEBUNG irfStammherm Plakat der RAF-Unterstützer 63 250, in Baden-Württemberg etwa 60 Personen. Hinzu kommt noch eine größere Zahl solcher, die den Zielen und der Vorgehensweise der RAF nahestehen, ohne regelmäßige und aktive Unterstützerarbeit zu leisten. Auffällig ist in diesem Zusammenhang die wachsende Verzahnung von RAFUmfeld und militanten Autonomen. In einigen Bereichen läßt sich nur noch schwer unterscheiden, welchem Konzept bestimmte Zirkel und Einzelpersonen anhängen. So beteiligten sich 1987 in Baden-Württemberg Autonome mehrfach an Projekten des terroristischen Unterstützerbereichs und übernahmen dabei zumindest teilweise dessen Positionen. Das RAF-Umfeld wiederum rückte in Teilen vom bis dahin strikt eingehaltenen Abschottungsprinzip ab und versuchte, Kontakte zu Angehörigen des autonomen Spektrums zu knüpfen, auszubauen und - wenngleich oft kontrovers - durch permanenten Gedankenaustausch und gemeinsame Aktionen zu verfestigen. Ein Beispiel für diese Zusammenarbeit war die zentrale Demonstration der linksextremistischen und terroristischen "Szene" am 17. Oktober 1987 in Stuttgart aus Anlaß des 10. Jahrestages der Selbstmorde von Andreas BAADER, Gudrun ENSSLIN und Jan Carl RASPE am 18. Oktober 1977 in der Vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim. Autonome waren maßgeblich an den Vorbereitungen für diese Veranstaltung beteiligt. Die wesentlichen inhaltlichen Forderungen beider Lager stimmten überein. Da jedoch die Demonstration bereits zu Beginn von der Polizei aufgelöst wurde, konnten "politische Inhalte" nicht vermittelt werden. Schwerpunktthemen, die nahezu das gesamte Jahr über im RAF-Umfeld diskutiert und propagandistisch aufbereitet wurden, stellten der "Widerstand des palästinensischen Volkes", die Krisenherde im nahöstlichen Raum, vor allem aber der "Kampf" um Verbesserung der angeblich unmenschlichen Haftbedingungen einsitzender terroristischer Gewalttäter dar. Zahlreiche Veranstaltungen zu diesen Komplexen unterstrichen deren Bedeutung für den terroristischen Unterstützerbereich. Das Thema Haftbedingungen der "politischen Gefangenen" erfuhr im Frühjahr 1987 eine massive propagandistische Belebung. Eine Wanderausstellung über "Isolationshaft", die in verschiedenen Städten des Bundesgebiets und im westeuropäischen Ausland gezeigt wurde, war Teil dieser neuen Kampagne. Vom 27. März bis zum 20. April 1987 machte sie in Freiburg Station, weitere Ausstellungsorte in Baden-Württemberg waren Tübingen, Konstanz, Stuttgart und Mannheim. Insbesondere die Freiburger Aktionswochen stießen auf lebhaften Widerhall innerhalb der dortigen "Szene". Im Zusammenhang mit den Anwürfen gegen die Justiz kam es im Sommer 1987 an verschiedenen Autobahnbrücken wieder zu Schmieraktionen, bei denen die 64 "Zusammenlegung der politischen Gefangenen in großen Gruppen" gefordert wurde. Gelegenheit, gegen den "Repressionsapparat" zu polemisieren, bot auch die am 1. September 1987 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart eröffnete Hauptverhandlung gegen die mutmaßliche Terroristin Eva HAULE-FRIMPONG (ehemals Stuttgarter Umfeld) und die RAF-Unterstützer Luitgard HORNSTEIN und Christian KLUTH (aus der Düsseldorfer "Szene"). Alle drei sind unter anderem der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt; Frau HAULE-FRIMPONG wird darüber hinaus vorgeworfen, am versuchten Sprengstoffanschlag der RAF am 18. Dezember 1984 gegen die NATO-Schule in Oberammergau beteiligt gewesen zu sein. Die Angeklagten waren am 2. August 1986 in einem Rüsselsheimer Eiscafe festgenommen worden. 4.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 4.3.1 Zielsetzung und Vorgehensweise Die "Revolutionären Zellen" (RZ) und die nach gleichem Muster operierende Frauengruppe "Rote Zora", gegen die den Sicherheitsbehörden Ende des Jahres 1987 Ermittlungserfolge gelangen, versuchen, mittels Brandund Sprengstoffanschlägen unseren demokratischen Staat zu verunsichern, zu erschüttern und schließlich zu beseitigen. Sie knüpfen mit ihren Aktionen an tatsächliche oder vermeintliche Mißstände unseres Gesellschaftssystems an und fordern mehr soziale Gerechtigkeit, der sie mit terroristischen Mitteln zum Erfolg verhelfen wollen. Die RZ propagieren breitgefächerte taktische Konzepte und Aktionsformen, wodurch sie sich Zugang zu militanten Teilen der Protestbewegung erhoffen. Das Konzept der "Revolutionären Zellen" unterscheidet sich grundlegend von dem der "Roten Armee Fraktion" (RAF). Anders als diese sind die Mitglieder der terroristischen Kleinstgruppen der RZ und der "Roten Zora" nicht in ein organisatorisches Gefüge eingebunden, das eine Art Arbeitsteilung verschiedener Ebenen aufweist. Mitglieder einer "Zelle" agieren vielmehr unabhängig. Alle Maßnahmen, die zur Durchführung eines Anschlags erforderlich sind (etwa Auswahl des Zielobjekts, Bau von Brandoder Sprengsätzen, propagandistische Nachbereitung), werden von den Zellenangehörigen weitgehend selbst wahrgenommen. In diesem Vorgehen ist die Gefährlichkeit des RZ-Konzepts begründet: der Mitwisserkreis ist klein und strikt gegenüber anderen Zellen abgeschottet. Die Täter sind nicht gezwungen "abzutauchen", sondern agieren "aus der Legalität heraus" und bleiben mit ihrer normalen Umgebung verwachsen. Ernsthafte 65 Abstimmungsprobleme dürften unter den wenigen Beteiligten ebenfalls kaum auftauchen. Dadurch kann rasch und zielgerichtet gehandelt werden. Die Aufwendungen für logistische Mittel sind auf ein Minimum zurückgeführt. Die RZ "beschränken" sich im Gegensatz zur RAF-Kommandoebene auf weniger aufwendige und spektakuläre Anschläge. Sie verursachen allerdings zumeist hohe Sachschäden. Die Täter sind in ihrem Vorgehen äußerst flexibel und wählen jeweils die Methode, die im Hinblick auf den verfolgten Zweck am meisten Schaden anrichtet und somit - aus ihrer Sicht - am effektivsten ist. "Revolutionäre Zellen" und "Rote Zora" greifen nahezu ausschließlich Zielobjekte an, die einen aktuellen tagespolitischen Bezug (etwa Kernkraftwerksproblematik, Asylund Ausländerpolitik, Gentechnologie) oder einen sozialpolitischen Hintergrund haben (Dritte Welt, Arbeitsbedingungen in im Ausland produzierenden Unternehmen, Frauenfragen). Dadurch sollen die Gewaltakte "vermittelbar", also für jedermann nachvollziehbar und - aufgrund der relativ unkomplizierten Vorgehensweise - auch nachahmbar sein. Mit dieser Taktik hoffen die Terroristen der RZ, auf lange Sicht eine Multiplikatorwirkung zu erzielen. Immer mehr Menschen in der Bundesrepublik Deutschland sollen zunächst gegen einzelne - nach Überzeugung der Gewalttäter im "System" selbst begründete - Ungerechtigkeiten und Mißstände eingenommen werden und schließlich den gesamten Staat in Frage stellen. Die RZ-Parole "Schafft 1, 2, 3 . . . viele Revolutionäre Zellen!" verdeutlicht diese Strategie. Eine nirgendwo näher präzisierte kommunistische Gesellschaftsordnung soll schließlich an die Stelle unseres demokratischen Systems treten. 4.3.2 RZ-Aktivitäten im Jahre 1987 Mit einer Vielzahl von Brandund Sprengstoffanschlägen sowie einem Attentat auf einen Richter am Bundesverwaltungsgericht setzten die "Revolutionären Zellen", die "Rote Zora" und sogenannte RZ-Resonanzgruppen 1987 ihre terroristischen Angriffe gegen den Staat fort. Aktionsschwerpunkt war neben Nordrhein-Westfalen, dem Rhein-Main-Gebiet, Hamburg und Bayern vor allem Berlin, wo bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres eine Person direkt angegriffen und schwer verletzt wurde. Baden-Württemberg blieb 1987 von Aktivitäten dieser Terrorgruppen verschont. Allerdings werden auch hier Formen des "alltäglichen Widerstands" nach RZ-Manier in einigen Alternativzeitschriften diskutiert, was zeigt, daß diese terroristischen Kleinstgruppen unverändert auch in unserem Lande auf eine gewisse Sympathie stoßen. Die bundesweit nahezu 20 Anschläge oder Anschlagsversuche im Jahre 1987 wurden jeweils in Selbstbezichtigungsschreiben begründet, etwa mit der Aufgabenstellung der betroffenen Firma oder Behörde in den Bereichen Kerntechnik, Asylund Ausländerpolitik oder mit der sozialen Situation der Menschen in der Dritten Welt. Die im Jahr davor noch stark betroffene Biound Gentechnologie trat dagegen 1987 in den Hintergrund. 66 "Rote Zora" attackiert Adler Bekennerbrief zu den Brandsätzen in acht Verkaufsmärkten I "Flammende Grüße" Flammende Gruße bei Adler Flugschriften der "Roten Zora" 67 Die terroristische Frauengruppe "Rote Zora" machte mit einer spektakulären Serie von Brandanschlägen gegen den Bekleidungshersteller ADLER auf sich aufmerksam. Ein erster Anschlagsversuch am 21. Juni 1987 gegen eine Filiale des Unternehmens in Haibach bei Aschaffenburg war noch fehlgeschlagen, bis dann am 15. August 1987 in neun bundesdeutschen Städten gleichzeitig 17 Brandsätze gegen ADLER-Verkaufsmärkte gelegt wurden, die nahezu alle innerhalb von 65 Minuten zündeten. Es entstand Sachschaden in Millionenhöhe. Die Täterinnen prangerten insbesondere die Arbeitssituation der Frauen in den Produktionsstätten des Unternehmens in Südkorea an. Schließlich wurde am 11. September 1987 eine Berliner Filiale von ADLER erneut Ziel des Brandanschlags einer Frauengruppe "Die Amazonen", die nach den Aktionen ihrer "Schwestern von der 'Roten Zora'" den "Widerstand gegen die Fa. ADLER" fortführen wollte. Mit dem Attentat am 1. September 1987 auf den Richter am Bundesverwaltungsgericht in Berlin, Dr. KORBMACHER, dokumentierte eine Gruppe der "Revolutionären Zellen" erneut, daß die Praxis, durch Gewalttaten möglichst hohe Sachund Vermögensschäden zu verursachen und Personen zu schonen, kein grundsätzliches Dogma ist. Dr. KORBMACHER wurde - wie schon am 28. Oktober 1986 der Leiter der Berliner Ausländerbehörde HOLLENBERG - durch Knieschüsse schwer verletzt. Diese, der italienischen Terrorgruppe "Rote Brigaden" nachempfundene Attentatsform wurde damit bereits zum dritten Mal und jeweils in Berlin praktiziert. Schon 1978 hatten Angehörige einer RZ auf einen Pflichtverteidiger im damaligen Strafverfahren gegen die Mörder des Kammergerichtspräsidenten von DRENKMANN geschossen. Der Anschlag gegen Dr. KORBMACHER wurde mit der Asylrechtspolitik der Bundesregierung und der Anerkennungspraxis von Asylsuchenden durch das Bundesverwaltungsgericht in Zusammenhang gebracht. Die Selbstbezichtigung zu diesem Anschlag legt die Diskrepanz zwischen den angeblich hohen moralischen und humanitären Zielen der Terrorgruppe und ihrer tatsächlichen gewissenlosen Vorgehensund Denkweise offen: " . . . (Die Schüsse) sollen ihn verletzten... einen intensiven körperlichen Schmerz und eine langwierige körperliche Beeinträchtigung bewirken, und er soll leiden, damit er bezahlt und versteht... Und diese Schüsse sollen ihn politisch brandmarken ... wir wollen seine Karriere zerstören ..." 68 E. Rechtsextremismus 1. Allgemeines In deutlichem Unterschied zum dogmatisch fixierten Bereich des Linksextremismus, der mit dem Marxismus-Leninismus über ein geschlossenes ideologisches Weltbild verfügt, lassen sich beim organisierten Rechtsextremismus keine vergleichbar gefestigten ideologischen Strukturen erkennen. Rechtsextremistische Gruppen beziehen sich zumeist auf verschiedene geistige und politische Bewegungen der Vergangenheit, aus denen sie in unterschiedlichem Umfang und wechselnder Offenheit Teile für das eigene Handeln übernehmen. Allen in der Bundesrepublik Deutschland tätigen rechtsextremistischen Parteien und Vereinigungen ist gemeinsam, daß sie teils unverhohlen, teils verdeckt, Grundelemente unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnen und bekämpfen. Im Grundsatz streben sie einen Staat an, der totalitär nach dem Führerprinzip organisiert oder wenigstens autoritär durch eine starke, den Gemeinsinn verkörpernde Partei geprägt ist. Der Rechtsextremismus im Bundesgebiet ist unverändert gekennzeichnet durch - einen übersteigerten Nationalismus, der kompromißlos die deutschen Interessen über jene anderer Länder stellt - die Diffamierung pluralistischer Strukturen und deren Ersetzung durch eine rassistisch verstandene "Volksgemeinschaft", die die Rechte des einzelnen drastisch schmälert ("biologischer Kollektivismus" bzw. "Artgemeinschaft") - eine aggressive, mitunter menschenverachtende Fremdenfeindlichkeit - die mangelnde Distanz zum "Dritten Reich" und die Verharmlosung der von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen. Diese für Rechtsextremisten typischen Merkmale sind freilich nicht bei allen Gruppen in gleichem Maße erkennbar. Während die militanten neonazistischen Gruppen offen praktisch alle wesentlichen Verfassungsgrundsätze ablehnen, lassen sich bei den nationaldemokratischen und national-freiheitlichen Organisationen häufig nur einzelne, den politischen Extremismus verdeutlichende Elemente nachweisen. Rechtsextremismus (Neonazistische Organisationen) (National-Freiheitliche Organisationen) Nationaldemokratische Organisationen - "Neonazistische Organisationen" Der neonazisitische Bereich ist gekennzeichnet durch die Existenz einer Vielzahl von Organisationen und Kleinstzirkeln sowie durch eine nicht genau bestimmbare Zahl oftmals junger Einzelaktivisten, die nicht oder nicht dauernd fest organisiert sind. Nach dem Verbot der bis dahin stärksten neonazistischen Organisation, der militanten "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten" (ANS/NA) im Dezember 1983 haben sich neue Neonazigruppen entwickelt. So wurde die unbedeutende "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) von ehemaligen ANS/NA-Mitgliedern und sonstigen Neonazis erfolgreich infiltriert, so daß die FAP inzwischen bundesweit zu den aggressivsten Gruppen zählt. Im Hintergrund wirkt die derzeit in zwei Fraktionen gespaltene neonazistische "Bewegung" oder "Gesinnungsgemeinschaft", die sich als Kaderorganisation versteht und auf bestehende Organisationen personell und politisch einwirkt. Die FAP gilt als ihr "legaler Arm". Daneben agiert eine größere Zahl neonazistischer Zirkel, die von selbsternannten "Führern" angeleitet werden. Während diese Organisationen ohne jegliche Einschränkung und undifferenziert an der überkommenen NS-ldeologie mit all ihrem Symbolkult festhalten, stellen die nationalrevolutionären Zirkel, die den "Hitlerismus" ablehnen, eine gewisse Unterart neonazistischer Aktivität dar. - "Nationaldemokratische Organisationen" Die 1964 gegründete "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) mußte nach ihren Erfolgen in den Jahren 1968 bis 1972 drastische Rückschläge hinnehmen. Über lange Jahre vermochte sie trotz vielfältiger Anstrengungen ihre Situation nicht wieder zu stabilisieren. Erst seit der Europawahl im Jahre 1984, durch die die NPD in den Genuß einer Wahlkampf kostenerstattung in Höhe von 1,8 Mio. DM kam, konnte sich die Partei finanziell konsolidieren. Eine betont nationale Haltung sowie ein entschiedenes Bekenntnis zum Umweltschutz sollen die Partei nunmehr als zukunftsorientiert ausweisen und für größere Bevölkerungsschichten wählbar machen. - "National-Freiheitliche Organisationen" Dieses - rein zahlenmäßig betrachtet - stärkste rechtsextreme Lager verkörpern die von dem Münchner Publizisten und Verleger Dr. FREY schon im Jahre 1971 gegründete "Deutsche Volksunion" (DVU) und die erst 1987 gebildete, inzwischen als politische Partei zu betrachtende DVU-Liste D, die bei der Bürgerschaftswahl 1987 in Bremen ein Mandat erringen konnte. Die DVU-Liste D, die vermutlich 1988 in weiteren Bundesländern Landesverbände gründen wird, tritt als nationalorientierte, energisch angebliche deutsche Interessen verfechtende Partei auf, die sich insoweit nicht wesentlich von der NPD unterscheidet. Die Aktivität beider Vereinigungen wird begleitet von der 70 Berichterstattung der rechtsextremistischen Wochenzeitungen "Deutsche National-Zeitung", "Deutsche Wochen-Zeitung" und "Deutscher Anzeiger", die von Dr. FREY herausgegeben werden. Ein Überblick über das zahlenmäßige Potential rechtsextremer Gruppen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg vermittelt die nachfolgende Übersicht: Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1985-1987 Bereich Mitglieder 1985 1986 1987 Bund Land Bund Land Bund Land NEONAZISTISCHE 1270 180 1210 170 1380 170 ORGANISATIONEN hiervon FAP 320 45 430 45 520 45 hiervon NF 60 10 70 10 80 10 NATIONALDEMOKRATISCHE 6700 1090 6800 1090 7020 1250 ORGANISATIONEN hiervon NPD 6100 1000 6100 1000 6200 1150 hiervon JN 550 80 600 80 750 95 NATIONAL-FREIHEITLICHE 12000 1850 12100 1900 15000 2610 ORGANISATIONEN DVU e.V. 12000 1850 12100 1900 12500 2400 DVU-Liste D 2500 210 Dr. FREY gibt bundesweit folgende Zahlen an: für die DVU e.V. 15000 16000 16000 für die DVU-Liste D 6000 71 2. Neonazistische Bestrebungen 2.1 Überblick und Einschätzung Seit etwa 1973 war in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur eine allmählich ansteigende Verbreitung neonazistischen Gedankengutes zu beobachten; es fanden sich auch in wachsendem Maße Personen und Gruppen bereit, in der Öffentlichkeit wieder für die Verwirklichung neonazistischer Ziele einzutreten. Bei den meisten dieser Vereinigungen handelte es sich zunächst durchweg um lose Zusammenschlüsse ohne feste Organisationsstruktur. Bereits damals gehörte die Mehrzahl der aktiven Neonazis Geburtsjahrgängen an, die das Dritte Reich nicht mehr bewußt, sondern nur im Kindesoder jugendlichen Alter erlebt hatten oder die sogar erst nach Kriegsende geboren waren. Ältere Jahrgänge, insbesondere ehemalige NSDAP-Mitglieder, waren bereits damals in der Minderzahl. Neonazistisches Plakat 72 Zur eigentlichen Sammlung der lange Zeit vielfach zersplitterten neonazistischen Bewegung kam es erst 1983. Der nach seiner Entlassung aus Strafhaft Ende November 1982 rasch zu einer neuen Führungsfigur aufgestiegene Neonazi Michael KÜHNEN (Jahrgang 1955) einte Anfang 1983 eine Vielzahl neonazistischer Kleinstgruppen in der "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten" (ANS/NA). Es gelang ihm, der ANS/NA zahlreiche, zumeist sehr junge Neonazis zuzuführen und die Organisation innerhalb weniger Monate auf das gesamte Bundesgebiet auszuweiten, bis sie am 7. Dezember 1983 vom Bundesminister des Innern verboten wurde. In der Folge des Verbots dieser militanten neonazistischen Vereinigung sammelte sich ein Teil der ehemaligen ANS/NA-Anhängerschaft in bereits bestehenden anderen Organisationen bzw. versuchte ihren personellen und ideologischen Zusammenhalt in losen Organisationsstrukturen ("Gesinnungsgemeinschaft" oder "Bewegung") fortzusetzen. Seit Anfang 1984 begannen Mitglieder der verbotenen ANS/NA, die bis dahin völlig unbedeutende "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) zu unterwandern. Inzwischen ist diese Partei bundesweit eine weitgehend neonazistisch beherrschte Organisation. Bemühungen des Bundesvorsitzenden, den Einfluß von Neonazis auf die FAP abzuwehren, bleiben vielfach wirkungslos. Im Hintergrund agiert ohne organisatorische Verfestigung die neonazistische "Bewegung". In dieser "Gesinnungsgemeinschaft" haben sich die führenden Aktivisten der früheren "KÜHNEN-Bewegung" gesammelt, die allerdings mittlerweile in zwei verfeindete Lager gespalten sind. Daneben operieren mehrere kleinere neonazistische Zirkel. Sie werden in der Regel von einem von seiner "Sendung" überzeugten "Führer" geleitet, der eine Gefolgschaft um sich schart, welche ihm intellektuell zumeist deutlich unterlegen ist. Daraus erwächst oftmals ein Unterwerfungsund Unterordnungsverhältnis, das einerseits die Unberechenbarkeit dieser Gruppe verstärkt, andererseits einen idealen Nährboden für Fanatismus und Militanz bildet. In ihrer Programmatik und Zielvorstellung stellen die überwiegend jugendlichen Neonazis zumeist unreflektiert die Interessen des Staates und der deutschen Nation vor die Rechte des Einzelnen. Ihr übersteigerter Nationalismus, der den Gedanken der Völkerverständigung mißachtet, gipfelt in aggressiver, rassistisch gefärbter Fremdenfeindlichkeit. Daneben verunglimpft die neonazistische Propaganda die demokratischen Institutionen, während sie gleichzeitig das NSRegime und die von diesem begangenen Verbrechen verharmlost oder beschönigt. Einige Gruppen pflegen eine nationalistisch ausgerichtete und geradezu kultisch anmutende Interpretation dessen, was Volk und Volksgemeinschaft bedeuten, andere Organisationen wollen einen starken Staat, der in sich das Nationalinteresse mit weitreichenden sozialistischen Umgestaltungen vermengt. Andere scließlich setzen sich unverhohlen für die Restauration des Nationalsozialismus und der Wiederzulassung der NSDAP sowie der SA ein. Unverändert hat sich die Praxis der Neonazis fortgesetzt, ihren Forderungen 73 unter Einsatz von Gewalt Nachdruck zu verleihen. Militantes Auftreten und das Begehen strafbarer Handlungen sind wesentliche Bestandteile neonazistischer Aktivitäten. 2.2 Neonazistische Gruppen 2.2.1 "Die Bewegung" Nach dem Verbot der rechtsextremen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten" (ANS/NA) im Dezember 1983 durch den Bundesminister des Innern hat sich unter der internen Bezeichnung "Bewegung" bundesweit ein loser Zusammenschluß neonazistischer Aktivisten entwickelt. Er tritt nach außen auch unter dem Organisationsnamen "Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf HITLERs" (KAH) auf und arbeitet in sogenannten Gauen und Kameradschaften. Allerdings wurde die sich vor einiger Zeit abzeichnende allmähliche strukturelle Verfestigung der Vereinigung im Jahre 1987 deutlich abgeschwächt. Ursächlich hierfür ist die sich weiter vertiefende Spaltung in zwei verfeindete Flügel: einmal die Neonazis um den früheren ANS/NA-Chef Michael KÜHNEN und zum anderen dessen Gegner, die sich um den Generalsekretär des KAH, Jürgen MOSLER, gruppieren. Ausgelöst wurden diese Auseinandersetzungen um die Führung der neonazistischen "Gesinnungsgemeinschaft" durch tiefgreifende persönliche Anwürfe maßgeblicher Aktivisten. Befehlsblatt Verteiler bis Sektionsleiter und Sonderbeauftragte auf Reichsebene Nummer 1 Duisburg, den 29.12.1987 Flugblatt der "Bewegung" In Baden-Württemberg wirkten sich diese internen Feindseligkeiten erst spät auf die hier tätigen, der "Bewegung" zuzurechnenden Neonazis aus. Etwa Mitte 1987 war zu erkennen, daß eine Minderheit der hier aktiven Neonazis dem in Strafhaft einsitzenden KÜHNEN folgt, während die Mehrheit zum MOSLERFlügel tendiert, ohne daß freilich in jedem Falle prononciert Partei ergriffen wurde. Der wegen rechtsextremistisch motivierter Straftaten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilte Michael KÜHNEN versuchte im Januar 1987 aus der 74 Haft heraus mit dem Widerruf seines im Herbst 1986 angekündigten Rückzugs aus dem "politischen Kampf" erneut seinen Anspruch auf die Leitung der Organisation durchzusetzen. Die auf seine Initiative hin im Frühjahr 1987 gegründeten rechtsextremen Vorfeldorganisationen "Antizionistische Aktion" (AA), "Antikommunistisches Aktionsbündnis" (Antiko) und "Volksbewegung gegen Überfremdung" (VBÜ) machten allerdings bislang kaum auf sich aufmerksam. Unter den wenigen nennenswerten überregionalen Veranstaltungen der KÜHNENAnhänger waren ein Treffen auf einem Aussiedlerhof im Main-Kinzig-Kreis (Hessen), das am 8. Mai 1987 wegen eines zuvor erlassenen behördlichen Veranstaltungsverbots von der Polizei aufgelöst wurde, sowie eine Demonstration am darauffolgenden Tag vor der Vollzugsanstalt Butzbach (Hessen). Beide Aktionen wurden von einer "Nationalen Initiative Freiheit für Michael KÜHNEN" organisiert. Im Herbst 1987 nahm KÜHNEN den Selbstmord von Rudolf HESS zum Anlaß, in einem offenen Brief an die MOSLER-Gruppe Vorschläge für eine Wiederannäherung beider Flügel zu unterbreiten. Seine Gegner signalisierten zwar Bereitschaft, jedoch nur unter der Bedingung, daß KÜHNEN sich endgültig aus der "Bewegung" zurückzöge. Wie die Auseinandersetzung um die Führung in der neonazistischen "Bewegung" entschieden wird, ist derzeit noch offen. Die Spaltung der "Bewegung" hatte ihren Ausgang im Sommer 1986 begonnen, als MOSLER und seine Anhänger eine gegen Michael KÜHNEN und dessen damaligen Stellvertreter Thomas BREHL aus Fulda gerichtete "Homosexuellen-Kampagne" initiierten. Die Mehrheit der Neonazis sammelte sich um MOSLER, dessen Auffassung, wonach private "Verfehlungen wie Homosexualität" nicht von der politischen Tätigkeit eines Neonazis zu trennen seien, auf weitgehende Zustimmung stieß. Allerdings gelang es MOSLER zu keinem Zeitpunkt, die frühere Autorität KÜHNENs zu ersetzen. Vielmehr bestimmen Führungsschwäche und handfeste Reibereien unter Aktivisten die gegenwärtige Situation. Die neonazistische "Bewegung" hat jedenfalls - trotz ihrer zahlreichen, oftmals spektakulären und militanten Aktionen - die Schlagkraft der von KÜHNEN geführten ANS/NA des Jahres 1983 nicht zurückgewinnen können. Die innere Zerrissenheit der "Bewegung", die andauernden Führungsquerelen und die sichtbare Unfähigkeit zu organisiertem Handeln setzten dem fanatischen Aktionswillen der neonazistischen Aktivisten spürbare Grenzen. Obwohl die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten der Neonazis noch immer hinter den verbalen Ankündigungen zurückbleiben, muß auf der anderen Seite mit Sorge auf die insgesamt gestiegene Bereitschaft neonazistischer Fanatiker hingewiesen werden, ihre persönliche Unzufriedenheit über die Nichterfüllung ihrer irrationalen Ziele durch gewalttätige Aktionen insbesondere gegen Ausländer, immer häufiger aber auch gegen politische Gegner zu kompensieren. Der "Bewegung" dürften bundesweit etwa 500 Neonazis angehören, 400 von ihnen sind jedoch gleichzeitig Mitglied in anderen neonazistischen Parteien und Organisationen. 2.2.2 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Mit einem Zuwachs von über 100 auf nunmehr 520 Mitglieder konnte die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) im Jahre 1987 ihre Stellung als zah75 lenmäßig stärkste neonazistische Organisation im Bundesgebiet weiter ausbauen. In Baden-Württemberg stagniert die Mitgliederzahl dagegen bei etwa 45 Personen. Unverändert ist die Partei in sechs Landesverbänden (Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg) organisiert. Daneben bestehen aber auch FAP-Gliederungen auf örtlicher Ebene in Bundesländern, in denen sie bislang keine Landesverbände etablieren konnte. Der Gründer und Bundesvorsitzende der FAP, Martin PAPE aus Stuttgart, übte auch 1987 auf die außerhalb Baden-Württembergs aktiven Parteiverbände keinen nennenswerten Einfluß aus. Diese sind zwischenzeitlich in starkem Maße von Neonazis unterwandert, die die FAP weiterhin als "legalen Arm der Bewegung" für ihre Ziele nutzen. Ohne Rücksicht auf das aus dem Gründungsjahr 1979 stammende, keine rechtsextreme Tendenzen aufweisende Parteiprogramm der damals lediglich auf den Stuttgarter Raum beschränkten und auf PAPE zugeschnittene FAP, agitiert die Mehrzahl der Parteianhänger in zunehmend aggressiver neonazistischer Manier. Insbesondere in Westund Norddeutschland bestanden 1987 die öffentlichen Aktivitäten fast ausschließlich aus durch FAP-Angehörige provozierte tätliche Auseinandersetzungen mit Ausländern und politischen Gegnern. Dabei schrecken sie inzwischen auch nicht mehr vor überfallartig durchgeführten Angriffen zurück. Die enge Bindung vieler neonazistischer Aktivisten in der FAP an die "Bewegung" (Doppelmitgliedschaften) führte allerdings 1987 dazu, daß die innere Zerrissenheit der "Gesinnungsgemeinschaft" sich auch dämpfend auf die Aktivität mancher Parteigliederungen der FAP auswirkten. Umgekehrt war festzustellen, daß die FAP dort am aktivsten auftrat, wo die "Bewegung" geschlossen und personell gut ausgestattet war. Dies trifft vor allem auf Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu, wo die FAP und verwandte Gruppen gelegentlich schon straff organisiert auftraten. Entgegen dem bundesweiten Trend entfaltete der im Herbst 1986 gegründete FAP-Landesverband Baden-Württemberg kaum Aktivität. Der im Oktober 1987 gewählte, bereits 74 Jahre alte neue Landesvorsitzende, der sich intern stolz auf seine frühere SAund NSDAP-Zugehörigkeit beruft, will der Partei auch in Baden-Württemberg zu mehr Öffentlichkeitswirkung verhelfen und die Organisation personell ausbauen. Ob er dies mit den insgesamt rund 45, überwiegend jungen FAP-Mitgliedern erreicht, unter denen sich einige militante Neonazis befinden, bleibt abzuwarten. Der FAP-Landesverband konnte sich im übrigen auch organisatorisch nicht verfestigen. Ein lediglich aus wenigen Mitgliedern bestehender FAP-Kreisverband in Stuttgart ist seit Jahren ausschließlich intern aktiv. Die Propagandaaktionen neonazistischer Aktivisten einer im Raum Heidenheim operierenden FAP-Gliederung sind 1987 als Folge der konsequenten Durchführung von Strafverfolgungsmaßnahmen merklich zurückgegangen. Daneben gab es konkrete Hinweise auf Bemühungen einzelner Rechtsextremisten in Freiburg und Konstanz, örtliche FAP-Stützpunkte zu bilden. Eine Klebezettelaktion zum Jahres76 ende 1987 im Raum Pfullingen/Reutlingen, bei der annähernd 100 Klebezettel der FAP mit Parolen wie "Besatzer raus. Gegen Kapitalismus und Kommunismus" verbreitet wurden, machte auf in dieser Region für die FAP tätige Neonazis aufmerksam. Aufkleber der FAP Die in den letzten Jahren von der FAP bei öffentlichen Wahlen erzielten minimalen Stimmenanteile verdeutlichen die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen, mit militanter Agitation in der Bevölkerung Resonanz zu erzielen. Mit rassistisch geprägten, fremdenfeindlichen neonazistischen Parolen wie "Alle Fremdarbeiter heim!", "Ausländer raus!" oder "Nordland erwache - für den Stolz der nordischen Rasse" hatte die Partei auch 1987 keinen Erfolg. An der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 beteiligte sie sich lediglich mit einer drei Personen umfassenden Landesliste in Bremen sowie mit je einem Direktkandidaten in den Wahlkreisen Celle-Uelzen (Niedersachsen) und Stuttgart I (hier war PAPE Kandidat). Sie errang dabei nur wenige Stimmen. Im September 1987 erhielt die FAP bei der Bürgerschaftswahl in Bremen erneut eine Abfuhr. Bei den anderen 1987 durchgeführten Landtagsund Bürgerschaftswahlen trat sie erst gar nicht an. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 20. März 1988 erhielt die FAP, die hier erneut mit PAPE als Kandidat im Wahlkreis Stuttgart II antrat, lediglich 54 Stimmen. 2.2.3 "Nationalistische Front" (NF) Die im Jahre 1985 aus verschiedenen örtlichen Zirkeln gegründete rechtsextreme, nationalrevolutionär orientierte "Nationalistische Front" (NF) konnte sich 77 weder organisatorisch noch personell nennenswert vergrößern. Die mit Schwergewicht in Nordrhein-Westfalen und Berlin agierende Organisation vermochte bisher bundesweit etwa 80 Mitglieder (1986: 70) zu aktivieren (Baden-Württemberg: rund 10). Die NF versteht sich als rechtsextreme, dem Nationalsozialismus HITLERscher Prägung zwiespältig gegenüberstehende Vereinigung. Ihre politischen Grundsätze sind in wesentlichen Teilen den nationalistischen und antikapitalistischen Vorstellungen der Gebrüder STRASSER entlehnt, Mitbegründer der NSDAP, von denen - nach dem Zerwürfnis mit HITLER - der eine ermordet und der andere sich durch Flucht retten konnte. Dies hindert die NF freilich nicht daran, gelegentlich mit neonazistischen, eindeutig in der Tradition der NSDAP stehenden Vereinigungen und Personen zusammenzuarbeiten. Ein fünf Punkte umfassendes Aktionsprogramm komprimiert die aktuellen, in ihrer Konsequenz teilweise verfassungsfeindlichen Ziele der NF: - "Freiheit für Deutschland - Schluß mit dem Besatzungsrecht" - "Soziale Revolution gegen Ausbeutung, Wucher und Spekulantentum" - "Schutz des Lebens statt Schutz des Kapitals" - "Rücksiedlung statt Integration der Fremdarbeiter" - "Volksherrschaft statt kapitalistischer Polizeistaat." In Baden-Württemberg konnte die NF 1987 keinen intakten, auf kontinuierliche Arbeit ausgerichteten Stützpunkt aufbauen. Allerdings machen hier einige Einßuttons" neonazistischer Gruppen 78 zelaktivisten auf die NF aufmerksam. So wurden in den Räumen Tübingen, Mannheim, Stuttgart, Gerungen und Konstanz sporadisch Klebeund Verteileraktionen durchgeführt. Diese Aktivität dürfte im wesentlichen von Personen aus dem Bereich Heidelberg und Tübingen gelenkt worden sein. 2.2.4 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) Mit bundesweit mehr als 200 Mitgliedern blieb die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) eine der größeren Organisationen des neonazistischen Spektrums. Die Organisation unterhält in Verfolgung ihres satzungsgemäßen Ziels, Hilfe für "nationale politische Gefangene" zu leisten, vielfältige Kontakte zu rechtsextremen Gesinnungsgenossen im Inund Ausland. Dabei sind die Verbindungen zur neonazistischen "Bewegung" - wie auch früher zur ANS/NA - besonders ausgeprägt. 2.2.5 "Deutsche FrauenfrontIMädelbund" (DFF/MB) Die neonazistische "Deutsche Frauenfront/Mädelbund" (DFF/MB) versteht sich als Teil der bundesweiten "Bewegung" und will in frauenspezifischer Weise "dem Deutschtum und dem Lebensrecht des Deutschen Volkes dienen". Der Anfang 1984 unter der Bezeichnung "Deutsche Frauenfront" (DFF) gegründeten Frauengruppe schlossen sich im September 1986 Aktivistinnen des NS-Zirkels "Mädelbund" (MB) an. Allerdings wirkte sich die Spaltung innerhalb der neonazistischen "Bewegung" 1987 auch auf diese zahlenmäßig kleine Gruppierung aus. 2.2.6 Neonazizentrum um Ernst TAG in Weidenthal/Pfalz Ein von dem seit Jahren aktiven Neonazi Ernst TAG (Ludwigshafen) erworbenes und 1987 in ein "Nationales Zentrum" umgestaltetes Anwesen in Weidenthal, hat sich mittlerweile zu einer häufig genutzten Begegnungsstätte seiner zumeist jugendlichen Anhänger entwickelt. Durch Sonnwendfeiern, Geländeübungen oder vergleichbare Veranstaltungen soll den Teilnehmern ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Kameradschaft vermittelt werden. Dabei wird unverhohlen neonazistisches Gedankengut gepflegt. TAG publiziert seit Jahren unter den Organisationsbezeichnungen "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) und "Grüne Aktion Deutschland" (GAD). Hierbei bedient er sich hauptsächlich des relativ auflagenstarken GAD-Organs "Der Schulungsbrief" und Flugblättern der ASD, die auch in rechtsextremen Kreisen in Baden-Württemberg verteilt werden. Anfang 1987 wurde Ernst TAG aus der neonazistischen HNG wegen erheblicher Meinungsverschiedenheiten mit deren Vorstand ausgeschlossen. Daraufhin gründete er umgehend eine Konkurrenzorganisation mit der Bezeichnung 79 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V.". An der Gründungsversammlung nahmen auch NS-Aktivisten aus Baden-Württemberg teil. 2.2.7 Neonazikreis um Curt MÜLLER Das Anwesen der Eheleute Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim blieb auch 1987 bedeutende Anlaufadresse zahlreicher NS-Aktivisten aus dem gesamten Bundesgebiet. Zu den seit Jahren mit wenigen Unterbrechungen regelmäßig stattfindenden Sonnwendfeiern und Veranstaltungen zur Erinnerung an den Geburtstag Adolf HITLERS kommen oft mehrere hundert Neonazis, darunter fast immer auch Gesinnungsgenossen aus Baden-Württemberg. 2.2.8 "Bürgerund Bauerninitiative e. V." (BBl) Die von dem militanten Neonazi Thies CHRISTOPHERSEN aus Mohrkirch (Schleswig-Holstein) angeführte "Bürgerund Bauerninitiative e.V." (BBl) hat 1987 offensichtlich keine größeren Aktivitäten mehr entfaltet. Überregionale Veranstaltungen wie das 1986 abgehaltene "Ostertreffen" auf der Insel Helgoland wurden 1987 nicht bekannt. 2.2.9 "Deutsche Bürgerinitiative e. V." (DBI) Die Ehefrau des 1982 wegen Rädelsführerschaft in der terroristischen Vereinigung "Deutsche Aktionsgruppen" zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilten Gründers und langjährigen Führers der "Deutsche Bürgerinitiative e.V." (DBI), Manfred ROEDER, organisierte im Jahre 1987 erneut Freundestreffen auf dem sogenannten Reichshof in Schwarzenborn/Hessen. Durch diese Veranstaltungen hofft sie, den Zusammenhalt der Organisation zu wahren. Dennoch kam es seit der Inhaftierung ihres Mannes zu einem spürbaren Mitgliederschwund und zu finanziellen Schwierigkeiten. Manfred ROEDER versucht noch immer, mit in der Haft verfaßten "Rundbriefen" auf seine einstigen Anhänger Einfluß zu nehmen. Darin nimmt er zu tagespolitischen Themen aus seiner Sicht Stellung, polemisiert in aggressiver Weise gegen Ausländer und Asylanten sowie gegen staatliche Institutionen. 2.3 Einflußnahme auf jugendliche Randgruppen Innerhalb des breitgefächerten rechtsextremen Bereichs sind es vor allem die Neonazis, die mit ihrer Propaganda gezielt Jugendliche ansprechen wollen. Die nicht abreißende Kette einschlägiger Schmierund Flugblattaktionen an Schulen weist auch äußerlich auf entsprechende Bemühungen hin. Wenn auch diese Beeinflussungsversuche bei der übergroßen Mehrheit der Jugendlichen auf 80 FAP-Aufkleber strikte Ablehnung stoßen, gelingt es vereinzelt doch, junge Menschen in ihrer Sehnsucht nach vermeintlich einfachen Lösungen und Weltbildern für rechtsextremes Gedankengut zu begeistern. Bezeichnenderweise sind häufig sehr junge Leute für strafrechtlich relevante neonazistische Propagandadelikte verantwortlich. Besondere Aufmerksamkeit richten Rechtsextremisten seit Jahren auf Personen im Randbereich jugendlicher Subkultur wie Skinheads und militante Teile von Fußball-Fan-Clubs. Diese sind in ihrer häufig festzustellenden Orientierungslosigkeit besonders anfällig gegenüber antidemokratischem Gedankengut. Einfach strukturierte Freund-Feind-Bilder führen vor allem zu einer Verstärkung des Ausländerhasses, dem zumeist ein übersteigertes und fehlgeleitetes Nationalbewußtsein zugrunde liegt. Mit ungelösten persönlichen Problemen aus verschuldeten oder unverschuldeten Konflikten mit ihrem Umfeld belastet, sehnen sich diese Jugendlichen geradezu nach Anerkennung. Gelegentlich kaum in der Lage, sich sachlich auseinanderzusetzen, kompensieren Teile etwa der Skinheads ihr angeschlagenes Selbstwertgefühl im Gruppenerlebnis, das ihnen ein Gefühl der Stärke vermittelt und häufig in Gewaltanwendung mündet. Dabei läßt es der zumeist fehlende ideologische Hintergrund dieser Problemgruppen kaum zu, bei Straftaten zwischen einer allgemein-kriminellen Handlung und einem Delikt mit rechtsextremem Motiv eindeutig zu unterscheiden. Die Übergänge 81 zwischen Straftaten auslösender politisch-extremer Überzeugung und dem aggressiven Wunsch nach "Randale" ("Hingehen, Leute umhauen!") sind schwer exakt fixierbar. Oft bewegt sich die Gewalttätigkeit dieses Personenkreises an der untersten Grenze politischer Motivation. Doch gerade die Gewaltgeneigtheit dieser "Szene" übt auf Neonazis starke Anziehungskraft mit dem Ziel der ideologischen Einflußnahme aus. Dennoch bleibt oftmals unklar, ob das Skandieren oder Schmieren neonazistischer Parolen das (spontane) Resultat aggressiven Gruppenverhaltens ist oder bereits sichtbares Zeichen erfolgreicher Einflußnahme von außen. Von einer gewachsenen Nähe von Teilen der Skinheadund Fanszene zu neonazistischem Gedankengut muß jedenfalls ausgegangen werden. Folgendes Beispiel gewalttätiger Aktionen von Skinheads, die zumeist rassistische Motive erkennen lassen, kennzeichnet die aktuelle Situation: Am Nachmittag des 15. August 1987 versammelten sich über hundert Skinheads - darunter auch 24 Ausländer - in der Altstadt von Lindau (Bayern), riefen Parolen wie "Ausländer raus" und "Sieg Heil" und griffen das farbige Mitglied eines amerikanischen Fernsehteams tätlich an. Zur gleichen Zeit verließ eine Taufgesellschaft eine nahegelegene Kirche. Zwei Geistliche, die sich schützend vor den Farbigen stellten, wurden ebenfalls mißhandelt. Anschließend warfen die Skinheads Bierdosen und Flaschen gegen die Taufgesellschaft, bemächtigten sich des Kleinkinds einer ausländischen Familie und verletzten es im Gesicht. Die Polizei nahm 68 Skinheads vorläufig fest. Nach den Ausschreitungen in Lindau besuchten rund 80 Skinheads am gleichen Abend ein Rockkonzert in Friedrichshafen. Sie belästigten Passanten, warfen mit Bierflaschen und schrien gleiche Parolen wie in Lindau. Aufgrund der Präsenz starker Polizeikräfte konnten weitere Störungen vermieden werden. 2.4 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund Die Zahl der in Baden-Württemberg 1987 bekanntgewordenen Gesetzesverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund belief sich auf 195*. Ein Großteil der Delikte entfiel wiederum auf Schmierund Klebeaktionen. Ferner waren 10 Brandanschläge zu verzeichnen. Hervorzuheben sind folgende neonazistische Schmierereien an Schulen des Landes: Die Gesamtzahl von 205 Gesetzesverletzungen (einschließlich Brandanschläge) ergibt sich aus der beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg geführten Statistik. Die vom Landesamt für Verfassungsschutz für das Jahr 1986 errechnete Zahl von 140 Gesetzesverletzungen kann wegen des damals nur unvollständig vorhandenen Erkenntnisstandes nicht uneingeschränkt als Vergleichszahl herangezogen werden. 82 - Im März 1987 brachte ein Schüler einer Berufsschule in Ludwigsburg auf seinem Schreibtisch insgesamt sechs Hakenkreuze sowie die Parolen an "Ausländer raus!" "Ab ins KZ!" "Gas ist gesund für die dreckigen Ausländerschweine" - Anfang November 1987 gelangten bislang unbekannte Täter durch Aufhebeln eines Schiebefensters in die Schule einer Randgemeinde von Mannheim und beschrifteten etliche Schultafeln mit Parolen wie "Adolf HITLER - Ausländer raus" "Deutschland den Deutschen" "Juden, 6 Millionen waren viel zu wenig, die vergast oder erschossen wurden" "Heil Hitler" "Scheiß Ausländer, wir hassen euch aus vollem Herzen" Außerdem schmierten sie SS-Runen und Hakenkreuze. Erneut kam es auch wieder zu Straftaten gegen jüdische Mitbürger und Einrichtungen. Bezeichnend hierfür war folgendes Vorkommnis: Von Januar bis März 1987 kam es an der "Anne-Frank-Realschule" in StuttgartMöhringen zu insgesamt drei Aktionen neonazistischer Täter: Am 29. Januar 1987 verteilten diese in der großen Pause an Schüler Flugblätter, in denen eine Namensänderung der Schule mit der unwahren Behauptung verlangt wurde, die Tagebücher der holländischen Jüdin Anne FRANK seien gefälscht. Die Flugschriften enthielten einen Hinweis auf die neonazistische "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP). Die gleichen Personen brachten am 6. März 1987 an im Schulbereich geparkten Personenwagen postkartengroße Broschüren mit dem Titel "Das Tagebuch (der Anne FRANK)" an, in denen die Ermordung von 6 Millionen Juden in Frage gestellt wurde. Drei Tage später wurden im Eingangsbereich der Realschule sowie auf zahlreichen Fenstern des Erdgeschosses zahlreiche Aufkleber mit folgender "Warnung" angebracht: "Alle Lehrer der BRD, die den Auftrag der Siegermächte erfüllen, die Verbrechen am deutschen Volk leugnen und gleichzeitig mit den ihnen anvertrauten Schülern nach Dachau pilgern, um dem Gasbetrug zu huldigen, werden, wenn wir die Macht gewinnen, durch ein Gesetz mit rückwirkender Kraft zu Verbrechern erklärt und so lange am Halse aufgehängt, bis daß der Tod eintritt." Die Polizei konnte die einschlägig bekannten Täter ermitteln. 83 Verschiedentlich waren wieder Ausländer Zielobjekt einer rassistisch geprägten Fremdenfeindlichkeit: - Im Sommer 1987 wurde bekannt, daß ein schon Jahre in einer Bodenseegemeinde wohnhafter syrischer Staatsangehöriger seit Monaten regelmäßig Drohanrufe erhielt, in denen er mit ausländerfeindlichen Parolen, aber auch durch das Abspielen von Reden Adolf HITLERs belästigt wurde. Zuletzt bekam er im Juni 1987 ein Drohschreiben, in dem es u.a. heißt: "Wir kämpfen um Deutschland - ganz Deutschland wehrt sich. Du Schwein. Jetzt ist Schluß" Der Brief enthielt neben einem aufgemalten Hakenkreuz auch ein Bild Adolf HITLERs. Die beiden jugendlichen Täter gaben als Motiv an, daß ihnen der Geschädigte als Bademeister das Fußballspielen auf dem Strandbadgelände mehrfach verboten und sie damit verärgert habe. - Aus Anlaß einer "Russischen Woche" Ende Oktober 1987 in Singen stellten sowjetische Repräsentanten in einer Gaststätte einen Film über ihr Herkunftsland vor. Nach der Aufführung wurde bemerkt, daß zwischenzeitlich unbekannte Täter die Außenfassade des Veranstaltungsortes mit Parolen besprüht hatten wie "Scheiß Rotfront" "DKP-Rote Schweine" "Ausländer raus". 2.5 Maßnahmen gegen rechtsextreme Aktivisten Die Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden begegneten erkannten Gesetzesverletzungen von Rechtsextremisten auch 1987 mit der konsequenten Einleitung von Ermittlungsverfahren und der Verurteilung überführter Straftäter: - Ein Neonazi aus dem Hohenlohekreis wurde am 19. Januar 1987 vom Amtsgericht Heidenheim wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, Bedrohung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und zu einer Geldbuße von 5000,-DM verurteilt. In der Berufungsverhandlung am 15. April 1987 erkannte das Landgericht Ellwangen wegen dieser Vergehen verschärfend auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung. - Am 18. März 1987 erkannte das Amtsgericht Speyer gegen einen seit Jahren aktiven Rechtsextremisten aus dem Rhein-Neckar-Kreis wegen eines Vergehens der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten. Die Vollstreckung der Strafe wurde gegen eine Geldbuße von 1000,-DM für vier Jahre auf Bewährung ausgesetzt. 84 - Das Landgericht Karlsruhe verurteilte am 3. Juli 1987 sechs ehemalige Angehörige der inzwischen aufgelösten neonazistischen Vereinigungen "Stoßtrupp Renchen" und "Karlsruher Front", weil diese mit ihren Gruppierungen die Tradition der im Dezember 1983 verbotenen "Aktionsfront nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) aufrechtzuerhalten bzw. fortzuführen versucht hatten. Drei Neonazis erhielten Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Ein Aktivist wurde zu einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Zwei weitere verwarnte das Gericht, verbunden mit einer Geldauflage von 2500,-bzw. 3500 -- DM. - Am 17. Juli 1987 erkannte das Amtsgericht Nürnberg gegen einen neonazistischen Aktivisten aus dem Hohenlohekreis wegen Volksverhetzung, Beleidigung und wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz auf acht Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung. - Das Landgericht Karlsruhe verurteilte am 21. Oktober 1987 den Haupttäter der neonazistischen Gruppierung "Werwolf 21" zu einer Jugendstrafe von neun Monaten, ausgesetzt für drei Jahre zur Bewährung. Außerdem erhielt dieser die Auflage, 60 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Einem weiteren Täter wurden durch das Gericht eine Geldbuße in Höhe von 400,-DM und 20 Stunden Arbeit bei einer gemeinnützigen Einrichtung auferlegt. Gegen zwei Angeklagte setzte die Strafkammer das Verfahren unter der Auflage aus, jeweils 400,-DM an den Verein für Jugendhilfe zu bezahlen. Den vier Angeklagten war vorgeworfen worden, als Mitglieder des Zirkels "Werwolf 21" Plakate mit rechtsextremistischen Parolen angefertigt und im Raum Sinsheim verbreitet zu haben. - Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte am 27. Oktober 1987 den Rechtsterroristen Odfried HEPP aus Achern wegen - versuchten Mordes in Tateinheit mit der Herbeiführung eines Sprengstoffverbrechens, - Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und - schweren Raubes in vier Fällen (davon zwei in Tateinheit mit SS 129 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten. 1982 hatte der Verurteilte zusammen mit dem inzwischen durch Selbstmord umgekommenen Walter KEXEL eine rechtsterroristische Gruppe aufgebaut, die drei Sprengstoffanschläge auf US-Soldaten verübte und fünf Banküberfälle mit einer Gesamtbeute von über 600000,-DM durchführte. KEXEL und weitere Gruppenmitglieder waren im Februar 1983 festgenommen und später rechtskräftig zu Freiheitsstrafen von fünf bis vierzehn Jahren verurteilt worden. Die französischen Behörden lieferten den lange Zeit flüchtigen Odfried HEPP am 28. Januar 1987 an die Bundesrepublik Deutschland aus, nachdem er im April 1985 bei seiner Einreise nach Frankreich in Paris festgenommen worden war. Aus der Vielzahl von Ermittlungsund Strafverfahren gegen Rechtsextremisten 85 lassen sich vor allem drei typische Tätermerkmale erkennen: zum einen sind die Täter zumeist männlich, sie sind in der Regel sehr jung und zum anderen ist auffallend, daß dieser Gruppe häufig Jugendliche angehören, die ihre Schulausbildung oder Lehre abgebrochen haben und dann arbeitslos und schließlich frühzeitig straffällig wurden. Beispielhaft hierfür sind einige Stationen aus dem Lebenslauf eines etwa zwanzigjährigen verurteilten Neonazis: Nach dem Hauptschulabschluß begann der junge Mann eine Mechanikerlehre, die er jedoch zwei Jahre später abbrach. Am Anschluß an den Wehrdienst fand er eine Anstellung bei einer Wachgesellschaft. Danach war er eine zeitlang arbeitslos, bis er wieder eine Beschäftigung als Arbeiter erhielt. Als 1987 ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, enthielt der Zentralregisterauszug insgesamt bereits acht Einträge. Darunter waren Vorstrafen wegen gemeinschaftlichen Diebstahls bzw. Diebstahls in einem besonders schweren Fall, wegen Urkundenfälschung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Störung des öffentlichen Friedens, die mit Geldstrafe, Jugendarrest und einer Jugendstrafe auf Bewährung geahndet worden waren. 2.6 Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus Nach wie vor bestehen zwischen deutschen und ausländischen Rechtsextremisten und Neonazis vielfältige Verbindungen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit konnte durch zahlreiche persönliche Kontakte, aber auch durch den Versand von Publikationen weiter aktiviert werden. Durch diesen mehrgleisigen Informationsaustausch ist ein loser Zusammenhalt vieler Gesinnungsgenossen in verschiedenen Ländern gewährleistet. Frankreich Die Kontakthäufigkeit zwischen französischen und deutschen Rechtsextremisten hat 1987 im Vergleich zu den Vorjahren abgenommen. Vorsichtige Kontakte bestehen von deutscher Seite freilich inzwischen zum Vorsitzenden der französischen Partei "Front National" (FN), Jean Marie LE PEN, der bisher Beziehungen zu führenden deutschen Rechtsextremisten vermieden hat. In einem in der vom Münchner Verleger Dr. FREY herausgegebenen "Deutschen National-Zeitung" abgedruckten Interview bezeichnete LE PEN die "Wiedergeburt der Nationalen Rechten in Europa" als seinen größten Wunsch. Der in den vergangenen Jahren durch Kundgebungen am TURENNE-Denkmal in Sasbach/Ortenaukreis öffentlich in Erscheinung getretene rechtsextremistische "Rat der Frankreich-Deutschen" ist 1987 inaktiv geblieben. Da einige Mitglieder sich dem im Jahre 1986 gegründeten Verein "Freundeskreis ElsaßLothringen - Verein für kulturelle Zusammenarbeit" mit Sitz in Kehl angeschlossen haben, ist davon auszugehen, daß sich der "Rat der FrankreichDeutschen" aufgelöst hat. Das Sprachrohr elsässischer Autonomisten, die Zeitschrift "Nouvelle Voix" ("Neue Stimme") wurde dagegen unverändert in deutschen rechtsextremistischen Kreisen verbreitet. 86 Österreich Zwischen deutschen und österreichischen Neonazis bestanden auch 1987 außerordentlich enge Verbindungen. Die "Kameraden der Ostmark", wie Österreich bezeichnet wird, sind offensichtlich inzwischen organisatorisch der deutschen neonazistischen "Bewegung" angegliedert worden. Zu den führenden Neonazis in Österreich gehört Walter OCHENSBERGER aus Hörbranz, der die in rechtsextremistischen Kreisen im Bundesgebiet weit verbreitete Zeitschrift "SIEG Aktuell Jugend-Presse-Dienst" herausgibt. Zeitschriften ausländischer Rechtsextremisten Schweiz Grenzüberschreitend ist auch der Einfluß des Generalsekretärs der rechtsextremen "Europäischen Neuordnung" (ENO), Gaston Armand AMAUDRUZ, Lausanne/Schweiz. An einer Versammlung der ENO im April 1987 in Barcelona nahmen Rechtsextremisten aus der Bundesrepublik Deutschland, Italien, Frankreich, England, Österreich, Spanien, Kanada und der Schweiz teil. Die Organisation versucht seit Jahren - wenn auch ohne Erfolg - rechtsextreme Organisationen und Einzelaktivisten auf europäischer Ebene enger zu verbinden. Die Zeitung "Eidgenoss" des Schweizer Rechtsextremisten Dr. Max WAHL aus Winterthur findet auch in deutschen rechtsextremen Kreisen regen Zuspruch. 87 Das Blatt befaßt sich vorwiegend mit der "6-Millionen-Lüge" sowie der Ausländerund Asylpolitik. Daneben werden unverhohlen Führer des "Dritten Reiches" glorifiziert. So wird der NS-Reichspropagandaminister GÖBBELS als "einer der seltenen Geistesgrößen und politischen Giganten der letzten fünfundfünfzig Jahre" und als "außergewöhnlicher Mensch und Könner" bezeichnet. Belgien An der jährlich stattfindenden Volkstumsveranstaltung "Ijzerbedevaart" in Diksmuide/Belgien, die ursprünglich ein reines Traditionstreffen flämischer Volksgruppen zur Erinnerung an die Leistungen der belgischen Soldaten im Ersten Weltkrieg an der Ijzerfront war, nahmen im Juni 1987 wieder zahlreiche deutsche Rechtsextremisten teil. Zwischen deutschen Neonazis und rechtsextremen flämischen Gruppen bestehen seit Jahren Kontakte. Amerika und Kanada Die von dem Deutsch-Amerikaner Gary Rex LAUCK in den USA herausgegebene "Kampfschrift der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO), der "NS-Kampfruf", wurde zusammen mit zahlreichen Aufklebern, Plakaten und Flugblättern mit ausländerfeindlichen und antisemitischen Parolen erneut ins Bundesgebiet eingeschleust und hier verbreitet. Die NSDAP-AO bezeichnet sich großspurig als "die größte nationalsozialistische Untergrundorganisation in Deutschland und der Ostmark". Ihr Ziel, die "Aufhebung des NS-Verbotes", begründet sie mit dem Hinweis, "der Nationalsozialismus allein (kann) Deutschland retten, ... damals und heute wiederum!". Der aus Wildbad-Calmbach stammende Ernst C. F. ZÜNDEL, Leiter des "Samisdat Verlags" in Toronto/Kanada, verbreitete auch 1987 neonazistisches Propagandamaterial im Bundesgebiet. In "Rundbriefen", die erstmals unter der Bezeichnung "Germania" erschienen, kommentierte er hauptsächlich seine Gerichtsverfahren in Kanada und agitierte massiv gegen die "Zionisten". Publikationen von LAUCK und ZÜNDEL sind 1987 mehrfach Personen in Baden-Württemberg zugegangen, die weder entsprechende Bestellungen aufgegeben noch diese Rechtsextremisten je kontaktiert hatten. 3. Nationaldemokratische Organisationen 3.1 Überblick und Einschätzung Der Bereich der nationaldemokratischen Organisationen wird vorrangig durch die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) repräsentiert. Ihr zur Seite stehen die Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) sowie die inzwischen praktisch bedeutungslose Studentenorganisation "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB). 88 Die NPD wurde am 28. November 1964 in Hannover gegründet. Der Partei gelang zunächst ein rascher Aufstieg. Ihren größten, äußerlich meßbaren Erfolg errang die NPD bei den Landtagswahlen 1968 in Baden-Württemberg. Es gelang ihr, 9,8 % der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich zu vereinen und mit einer 12köpfigen Fraktion in den Landtag einzuziehen. Doch bereits nach der Bundestagswahl 1969, bei der die NPD die 5%-Hürde nicht zu überspringen vermochte und sich mit einem Wahlergebnis von 4,3 % begnügen mußte, wurden erste Anzeichen eines sich rasch ausbreitenden Zerfallsprozesses der Partei sichtbar. Die Mitgliederzahl sank kontinuierlich von etwa 28000 (1969) auf unter 6000 im Jahre 1982. Selbst führende Funktionäre beurteilten Anfang der achtziger Jahre die Lage der NPD mit äußerster Skepsis: anhaltender Mitgliederschwund, Verknappung der finanziellen Mittel, ausbleibendes Wählerinteresse und wachsende Resignation der verbliebenen Mitglieder kennzeichneten die Krise der Partei. Erst seit etwa 1983 ist es der NPD gelungen, den stetigen Niedergang aufzuhalten und einen - wenn auch im Vergleich zur Situation Ende der sechziger Jahre überaus bescheidenen - Aufschwung einzuleiten. Die äußere Trendwende bildete das Ergebnis der Wahl zum Europaparlament am 17. Juni 1984, bei der die NPD mit bundesweiten 0,8% (in Baden-Württemberg 1,1 %) ein - auch für die Parteiführung - überraschendes Ergebnis erzielte. Dies war für die NPD nicht zuletzt deshalb überaus positiv, weil sie dadurch in den Genuß einer Wahlkampfkostenerstattung in Höhe von rund 1,8 Millionen DM kam. Damit war sie in der Lage, Schulden aus den frühen siebziger Jahren in Höhe von rund 700000,--DM zu tilgen. Der Anspruch der NPD, die allein richtige Weltanschauung zu haben und die einzige politische Partei zu sein, die sich bewußt einer auf Zerstörung des Volkes gerichteten Politik entgegenstellt, weist auf die extremistische Zielsetzung der NPD hin. Indes lassen sich entsprechende Aussagen nur teilweise dem seit 1973 geltenden Düsseldorfer Programm "Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft" entnehmen. Die Partei ist - lediglich aus taktischen Gründen - seit langem bemüht, ihre Grundsatzdokumente von rechtsextremistischen Positionen freizuhalten. Daher kommt es - wie auch in Gerichtsentscheidungen wiederholt festgestellt wurde - entscheidend darauf an, zusätzlich auch andere Quellen, etwa die Parteizeitung "Deutsche Stimme" (Auflage: 150000), sonstige Propagandaschriften und zurechenbare Erklärungen von Funktionären zur Bewertung des tatsächlichen Standorts der NPD heranzuziehen. Die von der NPD angestrebte politische und gesellschaftliche Ordnung, die von ihr so bezeichnete "Volksgemeinschaft", ist strukturell gekennzeichnet durch einen völkischen Kollektivismus, der biologisch begründet wird und rassistische Merkmale erkennen läßt. Die angestrebte "Volksgemeinschaft" ist der Selbstbestimmung des Einzelnen zwangsläufig übergeordnet. Der Wert des einzelnen Individuums bemißt sich lediglich aus seiner Stellung in dieser "Volksgemeinschaft" bzw. in der "neuen Gemeinschaftsordnung" - wie es nunmehr im aktu89 ellen Programm heißt. Die NPD gibt dem Staat damit in "überindividualistischer Sicht" Vorrang vor dem Einzelnen, die "Gruppenegoismen", ein pluralistisches Element schlechthin, sollen überwunden werden. Verschleierte Rassendiskriminierung, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausländerfrage, war darüber hinaus ein wesentlicher Punkt gerade in der NPDAgitation der vergangenen Wahlkämpfe. In der Bevölkerung vorhandene Vorbehalte gegen einen weiteren Anstieg der Zahlen hier lebender Ausländer und Asylbewerber werden von der NPD aufgegriffen, um sie in Ausländerfeindlichkeit umzuleiten. Hierzu zählt sie Belastungen und angebliche Benachteiligungen von Deutschen auf, deren Ursachen in der Anwesenheit von Ausländern zu suchen seien, und schürt damit bewußt die Angst vor einer angeblichen "Überfremdung". Verunglimpfung und Bekämpfung der demokratischen Parteien sowie eine immer wieder aufkeimende Verharmlosung der Geschehnisse während des Dritten Reichs (etwa undifferenzierte Äußerungen zum Tode von Rudolf HESS) kennzeichnen die NPD unverändert als eine Partei, die wesentliche Prinzipien der Verfassungsordnung, insbesondere die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, die Volkssouveränität und das Mehrparteiensystem ablehnt oder bekämpft. Im Gegensatz zu neonazistischen Organisationen vermeidet die NPD allerdings aggressive Aussagen zur Gewaltanwendung. Obwohl sie militantes Handeln ihrer Mitglieder ablehnt, muß ihr Bekenntnis zur freiheitlichendemokratischen Grundordnung als vordergründig bewertet werden. 3.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Nach Jahren des organisatorischen Abstiegs und der Stagnation ist es der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) im Jahre 1987 gelungen, die Organisation finanziell zu stärken und sogar das Mitgliederpotential geringfügig auszubauen. Allerdings hat der leichte Aufwärtstrend der NPD nicht in dem Umfang zu einem Mitgliederzuwachs geführt, wie dies die Partei aus taktischen Überlegungen öffentlich behauptet. Nach gesicherten Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden waren im Jahre 1987 in der NPD rund 6200 Personen (1986: 6100) organisiert. Einige Landesverbände der Partei konnten praktisch keine Mitgliedergewinne verbuchen und mußten ihren Bestand wegen Nichtbezahlung der Beiträge sogar reduzieren. Dagegen vermochte der NPDLandesverband Baden-Württemberg die Zahl seiner Mitglieder von ungefähr 1000 im Jahre 1986 auf nunmehr etwa 1150 zu steigern. Trotz dieser für die Partei positiven Zahlen gerade auch in Baden-Württemberg ist sie noch weit von ihrer früheren Stärke und Geschlossenheit entfernt. Die von der NPD-Führung und vielen Funktionären aus vordergründig taktischen Überlegungen gezielt verbreiteten "Erfolgsmeldungen" sind deshalb häufig ohne sachliche Grundlage, zumindest aber übertrieben. 90 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 ,ahre " I 1 Bund I Und Die NPD konzentrierte sich 1987 in erster Linie auf die Beteiligung an der Bundestagswahl sowie an einzelnen Oberbürgermeisterwahlen. Dabei kandidierte sie grundsätzlich nur dort, wo sie sich sicher war, wenigstens einen Achtungserfolg erzielen zu können. Bereits bei der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 gelang ihr dies. Mit bundesweit 227 054 Stimmen (=0,6%) konnte sie das Ergebnis der Bundestagswahl 1983, bei der sie 91 095 Stimmen (=0,2%) erhielt, nahezu verdreifachen. Allerdings hatten führende Funktionäre ein deutlich höheres Ergebnis erwartet. Dennoch gab die Tatsache, daß die NPD durch das Überschreiten der 0,5 %-Hürde in den Genuß einer Wahlkampfkostenerstattung in Höhe von 1,4 Millionen DM kam, ihr weiteren Auftrieb. Das Ergebnis der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 17. Mai 1987 (Stimmenanteil von 0,8 %) bestätigte diesen Trend. Alle weiteren Aktivitäten der NPD waren deshalb auf die Bremer Bürgerschaftswahl gerichtet, die am 13. September 1987 stattfand. Allerdings kandidierte sie nicht selbst, vielmehr beteiligten sich ihre Mitglieder an dem im Frühjahr 1987 von dem Münchner Verleger Dr. FREY gegründeten rechtsextremistischen Wahlbündnis "Deutsche Volksunion (DVU) - Liste D". Unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel, die von Dr. FREY zur Verfügung gestellt wurden, und der Mobilisierung der NPD-Parteibasis gelang es der erstmals bei einer Wahl antretenden DVU-Liste D, mit 3,41 % Stimmenanteil einen Sitz in der Bremer Bürgerschaft zu erringen. Der Mandatsträger ist Angehöriger der DVU-Liste D. In der örtlichen Stadtverordnetenversammlung von Bremerhaven errang die Liste D sogar zwei Mandate bei einem Stimmenanteil von 5,31 %. Einer der beiden gewählten Stadtverordneten gehört der NPD an und ist Kreisvorsitzender seiner Partei in Bremerhaven. Die NPD wertete das Wahlergebnis in Bremen auch für sich als äußerst positiv. Auf der Grundlage relativ günstiger Wahlergebnisse ging der NPD-Landesverband Baden-Württemberg, der bei der Bundestagswahl mit 1,0 % den höchsten 91 Oberbürgermeister-Wahl in Villingen-Schwenningen 6,6 Prozent für die NPD! Zeitung der NPD Zweitstimmenanteil bundesweit errungen hatte, an die Vorbereitung der Oberbürgermeisterwahlen in Villingen-Schwenningen und Tuttlingen. Ziel war es, in beiden Fällen Ergebnisse zu erreichen, die eine gewisse Signalwirkung vor allem für die baden-württembergische Landtagswahl am 20. März 1988 haben würden. Dies wurde zweifellos erreicht, wenn auch bei der Wahl in Tuttlingen berücksichtigt werden muß, daß dem NPD-Funktionär kein ernsthafter Kandidat der Oppositionsparteien entgegengestellt war. So errang der NPD-Landesvorsitzende Jürgen SCHÜTZINGER am 4. Oktober 1987 in Villingen-Schwenningen 6,61 % und der NPD-Bundesvorsitzende Martin MUSSGNUG am 29. November 1987 in Tuttlingen 15,06 % der gültigen Stimmen. Beide Funktionäre hatten bereits bei der Bundestagswahl 1987 in ihren Wahlkreisen für die NPD überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt: SCHÜTZINGER im Wahlkreis 190 (Schwarzwald-Baar) 2,16%, MUSSGNUG im Wahlkreis 189 (Rottweil-Tuttlingen) 2,0 % der Stimmen. Die bereits 1986 verabredete Zusammenarbeit zwischen der NPD und der führenden Person des "national-freiheitlichen Lagers", Dr. FREY aus München, die vor allem auf die gegenseitige Unterstützung bei Wahlen abzielt, hat sich nach Auffassung der NPD-Führung bewährt. Freilich sind innerhalb der NPD und vor allem bei ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) nach wie vor Vorbehalte gegen Dr. FREY und seine Organisationen vorhanden. Dennoch konnte er wiederholt auf zentralen Veranstaltungen der NPD sprechen und 92 erhielt großen Beifall. Er wiederholte dabei seine Zusagen, die NPD insbesondere während des Wahlkampfes zur Landtagswahl am 20. März 1988 in BadenWürttemberg zu unterstützen. Seit Jahresende 1987 sind kontinuierlich in den Zeitungen von Dr. FREY entsprechende Wahlaufrufe abgedruckt. Die NPD selbst war intensiv bemüht, in allen 70 baden-württembergischen Wahlkreisen Kandidaten aufzustellen und die hierfür erforderlichen Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Der 21. ordentliche Bundesparteitag der NPD fand am 14. und 15. November 1987 in Höchstadt (Bayern) unter dem Motto "Hoffnung für Deutschland" statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Neuwahl des Bundesvorstands. Erwartungsgemäß wurde der Parteivorsitzende Martin MUSSGNUG in seinem Amt bestätigt, desgleichen der stellvertretende Parteivorsitzende und baden-württembergische Landesvorsitzende Jürgen SCHÜTZINGER. Der neugewählte Parteivorstand bekräftigte noch einmal die Absicht, der Landtagswahl 1988 in Baden-Württemberg oberste Priorität einzuräumen und forderte alle Mitglieder zu tatkräftiger Unterstützung auf. Über die weitere Zusammenarbeit mit Dr. FREY und seinen Organisationen soll nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg neu entschieden werden. Dem Bundesparteitag war ein sogenannter Programmparteitag am 13. November 1987 vorgeschaltet worden. Dort wurde nach zweijähriger Diskussion das neue Parteiprogramm verabschiedet. Aus verschiedenen NPD-Kreisverbänden war bis zuletzt harte Kritik an dem angeblich "zu liberalistischen" neuen Grundsatzdokument vorgebracht worden. Die NPD hatte 1987 verstärkte Schwierigkeiten, für Parteitage und sonstige öffentliche Veranstaltungen geeignete Räumlichkeiten zu finden. Sie mußte auch im Jahre 1987 bundesweit zur Kenntnis nehmen, daß der überwiegende Teil der Bevölkerung ihren Aktivitäten mit Mißtrauen oder Ablehnung begegnet. 3.3 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die Jugendorganisation der NPD, die "Jungen Nationaldemokraten" (JN), steht politisch und ideologisch weitgehend hinter ihrer "Mutterpartei". Allerdings sind die im Zuge der Absprachen zwischen dem Parteivorstand der NPD und dem Münchner Verleger und DVU-Vorsitzenden Dr. FREY über eine engere Zusammenarbeit von den JN vorgebrachten Bedenken nicht ausgeräumt. Die Mitgliederentwicklung der JN ist - ähnlich wie bei der NPD - bundesweit ansteigend. Ende 1987 dürften in dem rechtsextremen Jugendverband etwa 750 Personen gegenüber 500 im Vorjahr organisiert gewesen sein (Baden-Württemberg: 95 gegenüber 80 im Jahre 1986). Einigermaßen kontinuierliche Aktivitäten entfalteten allerdings lediglich die neugegründeten Kreisverbände Mannheim und Karlsruhe - Land sowie der Kreis93 Aufkleber der JN verband Heilbronn. Der an sich fällige JN-Landeskongreß wurde 1987 nicht abgehalten. Das Führungsgremium des JN-Landesverbands Baden-Württemberg ist seit langem fest in der Parteispitze der NPD integriert, so übt der Landesvorsitzende der JN bezeichnenderweise gleichzeitig die Funktion des Wahlkampfleiters der NPD für deren Kandidatur zum Landtag am 20. März 1988 aus. 3.4 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Dem "Nationaldemokratischen Hochschulbund" (NHB), bereits 1967 gegründete Studentenorganisation der NPD, ist es auch 1987 nicht gelungen, die nahezu zum Erliegen gekommene Tätigkeit der bundesweit noch etwa 30 Mitglieder zählenden Gruppe neu zu beleben. Der NHB wird derzeit von dem amtierenden Bundesvorsitzenden der "Jungen Nationaldemokraten" geführt. In den zurückliegenden Jahren sind auch in Baden-Württemberg mehrfach Versuche unternommen worden, den NHB wieder an einigen Hochschulen zu etablieren. Diese Bemühungen blieben allerdings ohne sichtbaren Erfolg. Gegen Ende des Jahres 1987 setzten entsprechende Aktivitäten an der Universität Konstanz ein, die sich indes nur auf wenige Einzelaktivisten beschränken. Das Verbands-Organ "NHB-Report" mit einer Auflage von zuletzt 10000 Exemplaren stellte im Sommer 1987 sein Erscheinen ein. 94 4. "National-Freiheitliche Rechte" 4.1 Überblick und Einschätzung Die "National-Freiheitliche Rechte" umfaßt all jene rechtsextremistischen Gruppierungen, die dem Münchner Verleger und Herausgeber unter anderem der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ), Dr. Gerhard FREY, politisch eng verbunden sind. Innerhalb dieses losen Zusammenschlusses schuf sich Dr. FREY mit der von ihm 1971 gegründeten "Deutschen Volksunion" (DVU) eine organisatorische Basis, die er ab Ende der siebziger Jahre durch ein ganzes Geflecht sogenannter Aktionsgemeinschaften verbreiterte. Mit dem im März 1987 gegründeten Wahlbündnis "Deutsche Volksunion - Liste D" hat Dr. FREY erstmals den Versuch unternommen, seine relativ breite Zustimmung im rechtsextremen Lager in Wählerstimmen umzusetzen. Die DVU und die ihr angegliederten "Aktionsgemeinschaften" stellen seit Jahren den zahlenmäßig stärksten Teil der deutschen extremen Rechten dar. Die im Vergleich zu anderen rechtsextremen Organisationen relativ hohen Mitgliederzahlen kommen freilich vor allem dadurch zustande, daß jeder Beitritt zu einer der "Aktionsgemeinschaften" des Dr. FREY gleichzeitig zu einer Mitgliedschaft in der DVU führt. Hinzu kommen die zu entrichtenden relativ niedrigen Beiträge, die insbesondere älteren und finanziell weniger potenten Bürgern den Eintritt in eine der lose organisierten Gruppierungen erleichtern. Die unter dem Sammelbegriff "National-Freiheitliche Rechte" von Dr. FREY geführten Organisationen sind rechtsextremistisch orientiert oder dienen zumindest solchen Bestrebungen. Die Position der einzelnen Gruppen ergibt sich weniger aus Satzungen, Programmen und sonstigen öffentlich zugänglichen Verlautbarungen als aus den von Dr. FREY herausgegebenen Zeitungen "Deutsche National-Zeitung", "Deutscher Anzeiger" und "Deutsche Wochenzeitung". Alle drei Wochenzeitungen verfolgten 1987 unverändert eine ausländerfeindliche und antijüdische Stoßrichtung. In zahlreichen Artikeln wird beschönigend oder verharmlosend über Vorgänge während des Dritten Reichs und die Schuldfrage am Ausbruch des Ersten und Zweiten Weltkriegs berichtet. Auffallend ist ferner die häufige Glorifizierung der militärischen Auseinandersetzungen in den beiden Weltkriegen. Breiten Raum bieten die Zeitungen der Stimmungsmache gegen demokratische Parteien, ihre Repräsentanten und damit gegen den parlamentarisch verfaßten Rechtsstaat. 4.2 "Deutsche Volksunion - Liste D" Am 5. März 1987 gründete Dr. FREY die DVU-Liste D (D steht für Deutschland). An der Gründung der neuen Partei waren nicht nur Anhänger Dr. FREYs, sondern auch maßgebliche Funktionäre der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" beteiligt. Dr. FREY ließ sich zum Bundesvorsitzenden der DVUListe D wählen, die sich seitdem als "gemeinsamer Wahlverband" aller national95 bewußten Deutschen präsentiert. Das Programm der DVU-Liste D ist relativ pauschal und vorsichtig formuliert. Klare und gängige rechtsextreme Positionen werden vermieden. Auffällig bleibt immerhin die für Rechtsextremisten typische Hervorhebung "Deutschland zuerst" und die Forderung nach Maßnahmen gegen Ausländer. Eine Bewertung des politischen Standorts der neuen Partei muß indes die tragende Mitarbeit von Rechtsextremisten in der Organisation berücksichtigen sowie die deutlichen Aussagen der von Dr. FREY gesteuerten Publizistik, vor allem seiner drei Wochenzeitungen, einbeziehen. * * i ^ ^ a i i H M i f l i M a B H a M i H H ^ B H a i Anzeige tm DEUTSCHE UOlKSUNiON Die rechte Alternative, auf die Deutschland wartete, ist da! G Auch ich unterstütze die neue rechte Wahlgemeinschaft und beantrage hiermit meine Mitgliedschaft in der Partei DEUTSCHE VOLKSUNION - Liste D (Monatsbeitrag DM 1,50). G Ich beantrage meine Mitgliedschaft in der überparteilichen DEUTSCHEN VOLKSUNION e:V | {Monatsbeitrag DM 3,-). N(tm) Vorname Beruf Straße/Hausnr. Postleitzahl/Wohnort Geburtsort Geburtsdatum Welcher Partei oder Vereinigung gehören Sie an und in welcher Funktion? Welcher Partei oder Vereinigung gehörten Sie in den letzten 10 Jahren an und i1 welcher Funktion? Datum Unterschrift Bitte einsenden an: DEUTSCHE VOLKSUNION - Liste D z. Hd. Herrn Dr. Frey, Paosostraße 2, 8000 München 60 L Anzeige Dr. Freys Am 13. September 1987 nahm die DVU-Liste D erstmals an einer Landtagswahl teil. Der neugegründete Landesverband Bremen beteiligte sich an den Wahlen zur Bürgerschaft, dem Landtag dieses Bundeslandes. Der von Dr. FREY finanziell aufwendig und politisch aggressiv betriebene Wahlkampf erbrachte der DVU-Liste D das erhoffte Mandat bei einem Gesamtstimmenanteil von 3,41 %. Der Gewinn dieses Abgeordnetensitzes ist auf die Besonderheit des in Bremen und Bremerhaven geltenden Wahlrechts zurückzuführen. Dieses erkennt einer Partei schon dann ein Mandat zu, wenn in einem der beiden Wahlbezirke der Stimmenanteil über 5 % liegt. Damit ist es erstmals seit 1972 wieder einer eindeutig rechtsextremistisch orientierten Partei gelungen, in ein Landesparlament einzuziehen. Der Bundesvorsitzende Dr. FREY wertete das Ergebnis denn auch als "Wahltriumph" und behauptete, selbst Massenmedien und "alte Parteien" kämen nicht umhin, den Mandatsgewinn als "größte politische Sensation auf der deutschen Rechten seit zwei Jahrzehnten" einzuordnen. 96 So ist damit zu rechnen, daß Dr. FREY in weiteren Bundesländern Landesverbände seiner Partei gründen wird, um damit die Voraussetzungen für neuerliche Parlamentskandidaturen zu schaffen. Allerdings bedürfen diese der Absprache mit der NPD, es sei denn, die bereits 1986 vereinbarte Kooperation und gegenseitige Wahlunterstützung zwischen beiden Parteien würde nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 20. März 1988 nicht fortgesetzt werden. Seit ihrer Gründung dürften der DVU-Liste D etwa 2500 Personen beigetreten sein (Dr. FREY selbst beziffert die Mitgliederzahl mit 6000). 4.3 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die bereits 1971 von Dr. FREY ins Leben gerufene "Deutsche Volksunion (DVU) ist im Gegensatz etwa zur NPD oder der neugegründeten DVU-Liste D keine politische Partei. Sie hat auch niemals an Parlamentswahlen teilgenommen. Wegen der losen Organisationsform gleicht sie eher einer politischen Sammlungsbewegung als einer festgefügten Vereinigung. So fehlt der DVU seit ihrem Bestehen ein in Ortsgruppen und in Landesverbände gegliederter Organisationsaufbau, der auch den Mitgliedern mehr Entscheidungsmöglichkeiten einräumen würde. In der Regel beschränkt sich die DVU darauf, einmal im Jahr - zumeist in Passau - ihre Bundesversammlung durchzuführen, die bisher immer Dr. FREY in seiner Eigenschaft als Vorsitzender bestätigt hat. Immerhin ist es Dr. FREY gelungen, dieses Organisationsgeflecht zur mit Abstand größten rechtsextremistischen Vereinigung im Bundesgebiet zu machen. Einschließlich der ihr angeschlossenen "Aktionsgemeinschaften" zählt die DVU bundesweit gegenwärtig etwa 12500 Mitglieder, nach eigenen Angaben sogar 16000. Neben ihrem Gewicht als rechtsextreme Bewegung ist die Vereinigung der "National-Freiheitlichen" einerseits eine Institution zur Sammlung großer Summen an Mitgliedsbeiträgen und Spenden, andererseits tragen ihre Mitglieder durch das Abonnieren der von Dr. FREY herausgegebenen Wochenzeitungen wesentlich dazu bei, dieses rechtsextreme Presseimperium zu finanzieren. Dr. FREY ist so zu einem finanziell potenten Gewicht innerhalb der extremen Rechten geworden, der sein politisch extremes Gedankengut vornehmlich über seine Zeitungen, nun aber auch über eine Partei verbreitet. Zusammen mit der DVU waren auch 1987 wieder folgende "Aktionsgemeinschaften" aktiv: - Seit 1979 fordert die "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA) eine Amnestie für "jedwedes behauptete oder tatsächliche Unrecht" im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. - Die im November 1980 ins Leben gerufene "Initiative für Ausländerbegrenzung" (l.f.A.) möchte die "Eindämmung des Scheinasylantentums" und die Beschränkung des Ausländeranteils in der Bundesrepublik Deutschland erreichen. - Die im Dezember 1981 gegründete "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF) wendet sich gegen eine "systematische Verteufelung der deutschen Geschichte, die Herabwürdigung des deutschen Soldaten und die Mini97 malisierung der Verbrechen am deutschen Volk... in Rundfunk und Fernsehen". - Der "Ehrenbund RUDEL - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten" (ER) will seit Januar 1983 einer "Diffamierung untadeliger Soldaten" entgegenwirken und "über Taten und Leiden auch der Besiegten der Wahrheit die Ehre geben". - Ein im November 1984 initiierter "Schutzbund für Leben und Umwelt" wurde im Juli 1986 in "Schutzbund für Volk und Kultur" umbenannt. Er will sich vor allem dem "Schutz des deutschen Volkstums und der deutschen Kultur" annehmen. - Die "Aktion deutsche Einheit" (AKON) ist eine Vereinigung, die 1962 als "Bund für Deutsche Einheit - Aktion Oder-Neiße e.V." (AKON) gegründet worden war. Nach der Ernennung Dr. FREYs zum geschäftsführenden Vorsitzenden wurde sie 1980 eine der "Aktionsgemeinschaften" der DVU. Mit ihrem Engagement im Bereich der Ostpolitik will sie einem Verzicht auf angebliche deutsche Besitzeransprüche entgegenwirken. 5. Sonstige rechtsextreme Vereinigungen Neben den neonazistischen, nationaldemokratischen und nationalfreiheitlichen Organisationen waren weiterhin eine Reihe sonstiger rechtsextremer Gruppierungen tätig, die jedoch bundesweit in der Regel nur wenige Anhänger zählen: 5.1 "Die Deutsche Freiheitsbewegung" (DDF) Der Vorsitzende der am 1. April 1983 in Eberbach/Neckar gegründeten "Deutschen Freiheitsbewegung" (DDF), Otto Ernst REMER, setzte auch im Jahre 1987 seine rechtsextremistischen Aktivitäten fort. Erneut wurde er deswegen von bayerischen Gerichten verurteilt. Der inzwischen 75jährige REMER verherrlicht im DDF-Organ "Der Bismarck-Deutsche" das NS-Regime und diffamiert die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944. Die DDF verfolgt unverändert einen nationalistischen Kurs und propagiert gleichzeitig eine Annäherung an die Sowjetunion. Dadurch soll ein wiedervereinigtes "Deutsches Reich" in einem neutralistischen Europa geschaffen werden. 5.2 "Wiking-Jugend" (WJ) Die bereits seit 1952 bundesweit tätige "Wiking-Jugend" (WJ) hatte auch 1987 wieder interne Positionskämpfe auszutragen. Die Meinungsverschiedenheiten, die schon 1986 deutlich aufgebrochen waren, entzündeten sich an der Praxis der von ihr angeblich betriebenen "jugendpflegerischen" Arbeit, aber auch an der unverändert geduldeten Öffnung gegenüber 98 neonazistischen Einflüssen. Diese zeigen sich insbesondere in den zunehmenden Kontakten zur "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). Die Kritik konzentrierte sich im wesentlichen auf die Person des Bundesführers Wolfgang NAHRATH, Stolberg, dessen Wiederwahl die Abspaltung eines kleineren Teils der WJ provozierte. In einem Bericht über seine Wahl verteidigt der Bundesführer den Eintritt von Angehörigen neonazistischer und anderer rechtsextremistischer Vereinigungen in seine Organisation. 5.3 "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) Die im Jahre 1960 gegründete "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) stellt mit ihren bundesweit mehreren hundert Mitgliedern noch immer die größte rechtsextremistische Kulturund Weltanschauungsvereinigung in der Bundesrepublik Deutschland dar. Kontakte zur NPD sind nach wie vor vorhanden. Die GFP, deren Einfluß seit Jahren rückläufig ist, polemisiert vornehmlich gegen die angeblich ungerechtfertigte Indizierung rechtsextremistischer Veröffentlichungen durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften. In Baden-Württemberg hat die Vereinigung, der hier noch etwa 60 Mitglieder angehören, 1987 lediglich zwei Veranstaltungen gegenüber sechs im Vorjahr durchgeführt. Diese Inaktivität ist vor allem auf die wachsende Überalterung des Verbandes zurückzuführen. Das Organ der GFP, "Das Freie Forum", erscheint vierteljährlich in einer Auflage von 1500 Exemplaren. 99 F. Bestrebungen politisch extremer Ausländer 1. Einführung Die Betätigung politisch extremer Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland ist für die Verfassungsschutzbehörden in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: 1.1 Schutzgut "Auswärtige Belange" Erstmals 1972 übertrug der Gesetzgeber den Verfassungsschutzbehörden die Beobachtung bestimmter Ausländerbestrebungen. 1978 erfolgte die Aufnahme einer entsprechenden Regelung im Landesverfassungsschutzgesetz. Grund für diese Ergänzung sind die Wahrnehmung der internationalen Friedenspflicht und die völkerrechtliche Verpflichtung der Staaten, sich einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder zu enthalten, sowie keine Gewaltmaßnahmen einzelner oder von Vereinigungen gegen einen fremden Staat zu dulden. Das Schutzgut "Auswärtige Belange" soll das friedliche Zusammenleben der Bundesrepublik Deutschland mit fremden Völkern und Staaten sowie die Ungetrübtheit der Beziehungen zu deren Regierungen gewährleisten. Dabei ist es unerheblich, ob zu diesen Ländern diplomatische Beziehungen unterhalten werden oder wie die Politik ihrer Regierungen beurteilt wird. Die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden setzt ein, wenn auswärtige Belange gefährdet sind und dabei die vom Bundesgebiet ausgehenden Bestrebungen gewaltsam in innere Angelegenheiten fremder Staaten einzugreifen versuchen. Dies schließt Vorbereitungshandlungen ein, zu denen z. B. die Rekrutierung von Gesinnungsgenossen für gewaltsame Aktivitäten im Ausland gehört. Solche Anwerbungen für den bewaffneten Kampf bzw. für militärische Ausbildung konnten im Bundesgebiet z. B. für palästinensische Gruppen wie AL FATAH, die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) oder die iranischen Volksmudjahedin beobachtet werden. Außerdem sind Geldund Sachspendensammlungen für militante Vereinigungen im Ausland ebenso relevant wie Aufrufe zur Gewaltanwendung. 1.2 Schutzgut "Innere Sicherheit" Extremistische Bestrebungen von Ausländern im Bundesgebiet berühren oft auch die innere Sicherheit unseres Landes. Sie garantiert das friedliche und freie Zusammenleben aller Bewohner des Bundesgebiets, gleich welcher Her101 Mitgliederstärke ausländischer Extremistengruppen in Baden-Württemberg 1987 (Zahl in Klammern: 1986) orthodoxNeue Linke/ rechtsextrem religiösMitglieder kommunistisch sozialnationalistisch revolutionär 1987 (1986) Araber 200 (200) 270 (400) 130 (60) 600 (660) Iraner 80 (80) 200 (160) 70 (70) 40 (40) 390 (350) Jugoslawen 150 (150) 230 (230) 380 (380) Türken 1240 (1370) 1260 (1270) 1620 (220) 2840 (2600) 6960 (7440) Sonstige 6900 (7920) 680 (710) 1310 (1330) 50 8940 (9960) Insgesamt 8420 (9570) 2560 (2690) 3230 (3830) 3060 (2700) 17270 (18790) kunft oder Nationalität, ihr Leben, Eigentum und ihre Gesundheit, aber auch den freiheitlichen demokratischen Staat als solchen, seine Rechtsordnung und das Funktionieren seiner Organe. Die Beobachtung von gegen die innere Sicherheit gerichteten Bestrebungen gehört zum gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes, unabhängig davon, ob zugleich die freiheitliche demokratische Grundordnung des Gastlandes bekämpft wird. In nicht wenigen Fällen richten ausländische Extremisten, häufig in engem Zusammenwirken mit deutschen Gesinnungsgenossen, ihre Aktivitäten aber auch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Staates. Das friedliche Zusammenleben ist als Teil der inneren Sicherheit aber beeinträchtigt, wenn die Angehörigen einer Vereinigung gegen Mitglieder rivalisierender Gruppen planmäßig mit Gewalt vorgehen, um, wie die "Arbeiterpartei Kurdistans", einen Alleinvertretungsanspruch durchzusetzen. Ein Beispiel für nicht selten in Ausschreitungen gipfelnde Hetze gegen den politischen Gegner findet sich in einer Publikation der "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF): "Wenn türkische und deutsche Antifaschisten gemeinsam gegen die dreister werdenden 'Grauen Wölfe' auftreten, ist dies keine strafbare Handlung, sondern eine Notwendigkeit, um die weitere Verbreitung des Faschismus zu stoppen. Der BRD-Staat, selbst gewalttätig, will die Linke zur Wehrlosigkeit gegen faschistische Provokation und Angriffe zwingen. Der gemeinsame Feind ist dieses System, der westdeutsche Imperialismus." Eine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit ist schließlich in den Besetzungen deutscher staatlicher Einrichtungen, z. B. der Landtage in Stuttgart und Hannover, oder von Räumlichkeiten deutscher Institutionen oder Organisationen wie Parteibüros, Presseund Rundfunkredaktionen zu sehen. 102 Doch auch die bereits erwähnten "Grauen Wölfe", Nationalisten der ADUTDF, gehen mit ihren Widersachern nicht zimperlich um. Auf einer von ihnen verbreiteten Tonbandkassette heißt es: "Ihr Verräter am türkisch-islamischen Ideal, ihr seid keine Menschen; ihr seid im Sinne unserer heiligen Schrift niedriger als Tiere. In der morgigen Türkei, die die menschliche Zivilisation führen wird, verdient ihr nicht einmal, Verräter genannt zu werden." Zunehmend agitieren extremistische Ausländer aber gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und werden nach SS 3 Abs. 1 Nr. 1 LVSG im engeren Sinne extremistisch tätig. Anhänger der TKP/ML proklamierten in einer Schmierparole: "Der westdeutsche Imperialismus wird in den Flammen der Revolution untergehen." Die ATIF formulierte in einem Flugblatt zu Tarifauseinandersetzungen: "Alle Arbeitnehmer und Werktätigen müssen sich am Kampf beteiligen, um diese Forderung zu verwirklichen und diesen Kampf zu einem Teil des Kampfes gegen den westdeutschen Staat ... um(zu)wandeln. Die Arbeitslosigkeit in Westdeutschland kann nur mit der Revolution, mit der Errichtung eines wahren sozialistischen Systems abgeschafft werden." Gelegentlich berühren militante Aktionen von Ausländervereinigungen sowohl die innere Sicherheit als auch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Dies ist der Fall bei Anschlägen und Übergriffen auf diplomatische und andere offizielle ausländische Einrichtungen. Vor allem türkische und kurdische Linksextremisten, jugoslawische Rechtsextremisten und Iraner beider Lager sind in dieser Weise aufgefallen. Trotz der in SS 3 Abs. 1 Nr. 3 LVSG festgelegten Spezialvorschrift für die Beobachtung extremistischer Ausländerbestrebungen gibt deshalb in der Mehrzahl der Fälle schon SS 3 Abs. 1 Nr. 1 LVSG die Grundlage für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. 2. Türken Die Mitgliederzahl extremistischer türkischer Vereinigungen ist 1987 im Vergleich zum Vorjahr um rund 500 Personen gesunken und liegt jetzt insgesamt bei etwa 6960. Stärkeren Verlusten der Rechtsextremisten und geringfügigen Rückgängen der orthodox-kommunistischen Gruppen stehen Gewinne der islamischen Nationalisten gegenüber. Die Organisationen der "Neuen Linken" konnten hingegen ihre Stärke fast unverändert behaupten. 103 AUSLÄNDISCHE EXTREMISTENGRUPPEN - Mitgliederentwicklung - 1980-1987 104 2.1 Organisationen der "Neuen Linken" Organisationsgrad und Potential der Vereinigungen der türkischen "Neuen Lin ken" blieben im wesentlichen unverändert. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit steht seit Jahren das Verbreiten zahlloser Flugschriften und anderer Druckerzeug nisse. Diese befassen sich überwiegend mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in der Türkei. Inzwischen greifen sie aber auch die ausländerpolitische Diskussion sowie allgemeinpolitische Themen in der Bun desrepublik Deutschland auf. Türkische Extremisten der "Neuen Linken" offenbarten auch 1987 wieder ihre Bereitschaft zur Gewaltanwendung. Wiederholt kam es zu Übergriffen, u.a. gegen türkische diplomatische Vertretungen im Bundesgebiet. Anhaltende Erfolglosigkeit sowie ideologische Differenzen verstärkten allerdings Spaltungs tendenzen innerhalb mehrerer Organisationen, was die Durchführung öffentlich keitswirksamer Aktivitäten gelegentlich erschwerte. Die Organisationen bemüh ten sich, dies durch das häufigere Bilden anlaßbezogener "Aktionseinheiten" auszugleichen. Gemeinsames Ziel der Sympathisanten der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML), der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP) und der "Türkischen VoIksbefreiungspartei/-Front (THKP/C) ist unverändert die gewaltsame Beseitigung der gegenwärtigen Staatsform in der Türkei. Insbesondere die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) propagiert den bewaffneten Kampf in der Türkei zur Verwirklichung der "Volksrevolution". Infolge ideologischer Differenzen ist die von der TKP/ML beeinflußte "Födera tion der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) weiterhin in die zwei Gruppen "PARTIZAN" (P) und "BOLSEVIK PARTIZAN" (BP) gespalten. Innerhalb der ATIF nimmt die mitgliederstärkere Fraktion "PARTIZAN" die füh rende Rolle ein. Die Anhänger der ATIF konzentrierten 1987 ihre Aktivitäten vornehmlich auf die Durchführung einer Solidaritätskampagne gegen angebliche Menschenrechtsverletzungen und Folter in der Türkei. So veranstalteten bei spielsweise 50 Anhänger der ATIF am 27. März 1987 in Stuttgart einen demon strativen Hungerstreik. Mit der Aktion wollte man zugleich gegen den geplanten Staatsbesuch des türkischen Staatspräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland protestieren. Mit mehreren Anfang August 1987 begonnenen öffentlichen Hungerstreikaktionen, darunter am 7. August 1987 in Ulm, fand diese Kampagne ihren Höhepunkt. Zur besseren Koordinierung der grenzüberschreitenden politischen Arbeit ihrer Anhänger in Europa und zur Schaffung eines noch militanteren "Massenkollek tivs" schlossen sich im Rahmen eines vom 19. bis 21. Dezember 1986 in Frank furt am Main organisierten ATIF-Kongresses mehrere europäische Schwester organisationen zur "Konföderation türkischer Arbeitervereine in Europa" (ATIK) 105 zusammen. Ihre Aufgabe sieht die Konföderation in der Unterstützung des Kampfes gegen die gegenwärtige Staatsordnung in der Türkei. Mit solchen Forderungen erzielen die türkischen Kommunisten bei ihren Landsleuten im Bundesgebiet eine gewisse Resonanz. So kamen zu einer am 30. Mai 1987 in Bietigheim-Bissingen durchgeführten europaweiten Veranstaltung zum 15. Jah restag der Gründung der TKP/ML etwa 2500 Sympathisanten der Vereini gung. Das türkischsprachige bisherige Presseorgan der ATIF mit dem Titel "Müca dele" (Kampf) erscheint nunmehr als "Zentralorgan" der ATIK. Örtliche Gruppen der von der "PARTIZAN"-Fraktion beeinflußten ATIF beste hen in Baden-Württemberg derzeit in Albstadt-Ebingen, Freiburg, HeidelbergWalldorf, Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Lauda, Ludwigsburg, Mannheim, Nürtingen, Pforzheim, Schwäbisch Gmünd, Stuttgart und Ulm. Der Kampf um die "proletarische Weltrevolution" blieb auch Agitationsschwer punkt der Fraktion "BOLSEVIK PARTIZAN" (BP) der TKP/ML. Offene Militanz ist bestimmendes Element ihrer Publikationen. Immer häufiger greifen türkische Linksextremisten aber auch deutsche innenpolitische Themen auf. Aus Anlaß der laufenden Abrüstungsverhandlungen der Großmächte veröffentlichte die Gruppe unter der Überschrift "Der Schlüssel zum Frieden liegt in den Händen des internationalen Proletariats und der unterdrückten Völker" ein Flugblatt zu diesem Thema. Darin polemisiert BP gegen alle "Imperialisten, Sozialimperiali sten und Reaktionäre", deren Macht durch die "gewaltsame Revolution" zer schlagen werden müsse. Wer wirklich wolle, daß Kriege der Vergangenheit angehörten, müsse "selber zur Waffe greifen". Als eine der wenigen Organisationen türkischer Extremisten verteidigte die "BOLSEVIK PARTIZAN" die Gewaltpolitik der kurdischen PKK und setzte sich nachhaltig gegen ein angeblich drohendes Verbot der Partei in der Bundesrepu blik Deutschland ein. Gleichzeitig kritisierte BP aber den "bürgerlichen Nationa lismus" der PKK, deren "inkonsequente Haltung gegenüber dem Imperialismus" und deren "Vorgehen... gegen revolutionäre Organisationen". Aktivitäten von "BOLSEVIK PARTIZAN "-Anhängern konnten insbesondere in Albstadt-Ebingen, Böblingen, Heilbronn, Konstanz, Nagold, Stuttgart, Tübin gen und Ulm festgestellt werden. Die "Föderation der türkischen demokratischen Arbeitervereine in Deutsch land e.V." (DIDF), die der in der Türkei verbotenen "Revolutionären Kommuni stischen Partei der Türkei" (TDKP) nahesteht, konnte ihre wegen parteiinterner Querelen zeitweilig abgeschwächte Tätigkeit im Bundesgebiet wieder steigern. Neben der Verstärkung ihrer seit Jahren laufenden Kampagnen zu den Themen "Freiheit für alle politischen Gefangenen in der Türkei - Generalamnestie" und "Gemeinsam gegen Ausländerfeindlichkeit" engagierte sich die Vereinigung aktiv für das Wahlrecht für Ausländer und beteiligte sich an den zahlreichen Ostermarsch-Aktionen. - 106 Plakat der TDKP In Baden-Württemberg verfügt die DIDF über Anhänger in Esslingen, Geislin gen, Göppingen, Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz, Lörrach, Ludwigsburg, Mannheim, Pforzheim, Radolfzell, Stuttgart, Ulm und Villingen-Schwennin gen. Die terroristischen Ziele der "Türkischen VolksbefreiungsparteiAFront" (THKP/ -C) verfolgten vornehmlich die um ihre Vertretung rivalisierenden Anhänger der 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen Gruppe "DEVRIMCI SOL" (Revolutionäre Linke), die heute zumeist unter dem Namen "AVRUPA 'da DEV GENC" (Revolutionäre Jugend in Europa) auftritt, und "DEVRIMCI YOL" (Revo lutionärer Weg). Daneben existiert noch eine Vielzahl sich militant gebärdender und konspirativ arbeitender Zirkel. Die Anhänger der Gruppe "DEVRIMCI YOL", die sich in der Bundesrepublik Deutschland auch "DEVRIMCI ISCI" (Revolutionäre Arbeiter) nennt, sind nach Abspaltung der sich gemäßigter gebenden Dissidentengruppe "GÖCMEN" (Emigrant) nachhaltig um eine Reaktivierung bemüht. In einer Anfang 1987 verbreiteten Sondernummer des gleichlautenden Organs der Vereinigung "DEV RIMCI ISCI" erläutern sie erneut ihre Ziele und die Vorgehensweise in der Bundesrepublik Deutschland. Danach könne es einen Fortschritt hin zu einer "breiten demokratischen Massenorganisation der Werktätigen aus der Türkei" 107 nur durch eine fundamentale Veränderung der "ökonomisch-politisch-gesell schaftlichen Strukturen" in der Bundesrepublik Deutschland geben. Der Kampf der Arbeiter für diese Forderungen, so wird betont, "wird natürlich parallel zum Kampf der unterdrückten Klassen in der Bundesrepublik laufen" und ergänzt sich mit diesem. Die Gruppe "DEVRIMCI ISCI" führte ihre bereits Ende 1986 begonnene Kampa gne gegen einen Staatsbesuch des türkischen Staatspräsidenten EVREN in der Bundesrepublik Deutschland fort. So verbreitete sie zahlreiche Flugschriften, führte eine Unterschriftenkampagne durch und setzte sich ein für die Bildung eines Aktionsbündnisses aus elf türkischen und kurdischen linksextremistischen Gruppen gegen den Besuch EVRENs. Der Besuch des deutschen Bundespräsi denten in der Türkei und ein inoffizieller Aufenthalt des türkischen Ministerpräsi denten in der Bundesrepublik Deutschland waren für die Vereinigung weitere Anlässe für Protestaktionen. Ein von Anhängern der Gruppierung Ende Oktober 1987 durchgeführter bundes weiter Sternmarsch nach Bonn gegen behauptete Menschenrechtsverletzun gen in der Türkei bildete den Höhepunkt der Aktivitäten dieses Spektrums. Sympathisanten der Gruppe "DEVRIMCI YOL" sind nach wie vor in Göppingen, Karlsruhe, Lörrach, Mannheim, Mosbach, Nagold, Pforzheim, Sigmaringen, Stuttgart und Ulm aktiv. die ebenfalls von der THKP/C beeinflußte militante Gruppe "DEVRIMCI SOL" befindet sich trotz des Verbots im Jahre 1983 in einer Reorganisationsphase und gewinnt wieder an Bedeutung. So führten Sympathisanten der Vereinigung 1987 eine größere Zahl teils gewalttätiger Aktionen durch, die sich ausschließ lich gegen türkische Einrichtungen im Bundesgebiet richteten. In Baden-Würt temberg wurden Aktivitäten von Anhängern der "DEVRIMCI SOL"/"AVRUPA da DEV GENC" 1987 in Mannheim und Stuttgart festgestellt. 2.2 Orthodox-kommunistische Organisationen Die "Kommunistische Partei der Türkei" (TKP) und die von ihr beeinflußte "Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutsch land e. V." (FIDEF) sind weiterhin die bedeutendsten türkischen orthodox-kom munistischen Organisationen. Die Verbundenheit der FIDEF mit anderen ortho dox-kommunistischen Vereinigungen - insbesondere der deutschen DKP - wurde erneut durch gegenseitige Grußadressen und Teilnahmen anläßlich her ausragender Veranstaltungen und Kongresse belegt. Das verstärkte Bestreben der FIDEF nach Ausweitung der stagnierenden "Mas senbasis" geht inzwischen soweit, daß der I.Vorsitzende der Vereinigung, Hasan ÖZCAN, und ihr Generalsekretär sich Anfang 1987 in Rotterdam/Nieder lande an einer "Konferenz über die Probleme europäischer Muslime" beteiligten. Äußerungen ÖZCANs zufolge stimmt die FIDEF mit den islamischen Fundamen108 talisten in einigen Bereichen politisch überein. Dies gelte etwa für die Ablehnung der Nahost-Politik der USA und der NATO, die die Türkei in einen Krieg treibe. 2.3 Linksextreme kurdische Gruppierungen Die Aktivitäten kurdischer Extremistengruppen nahmen 1987 weiter zu. Vorrangiges politisches Ziel der Vereinigungen bleibt die Errichtung eines autonomen Kurdistans. Die konspirativ arbeitende orthodox-kommunistische und terroristische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ist die mit Abstand aktivste und militanteste Vereinigung von Kurden. Sie verfügt mit der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) über eine Propagandaeinheit und mit der Ende 1986 aus der "Befreiungseinheit Kurdistans" (HRK) hervorgegangenen "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) auch über eine sogenannte Kampforganisation. Der bewaffnete Kampf gegen die gegenwärtige Staatsordnung in der Türkei, so rechtfertigten sich die Vereinigungen 1987 in einer Flugschrift, sei "legitim", weil es für das kurdische Volk nur noch die "Entscheidung zwischen Vernichtung durch die Politik der kolonialen Assimilation und (der) Barbaren oder Freiheit durch bewaffneten Kampf" gebe. Zeitschrift der PKK 109 Die Aktivität der PKK war 1987 von dem Bemühen geprägt, die auf ihrem 3. Parteikongreß Ende 1986 verkündete Forcierung des Kampfes sowie die Forderung nach einer kompromißlosen Durchsetzung des politischen Alleinvertretungsanspruchs der PKK für alle Kurden zu realisieren. Ihre unduldsame Haltung gegenüber konkurrierenden kurdischen Gruppen unterstrich die PKK erneut in zahlreichen Flugschriften. So heißt es beispielsweise in einem Flugblatt: " . . . Das Verräter-, Bandenund Denunziantentum (welche) ein Hindernis vor dem Kampf unseres Volkes darstellen, müssen funktionsunfähig gemacht werden ... Der Verrat am Vaterland ist die größte Schuldtat und wird überall mit dem Tode bestraft ..." Nachdem die Aktivitäten der PKK im Frühjahr 1987 mit der Ermordung von Funktionären konkurrierender kurdischer Organisationen, mit einer Vielzahl von Protestund Besetzungsaktionen sowie mehreren Brandanschlägen einen neuen Höhepunkt erreicht hatten, hielten sich ihre Anhänger vorübergehend etwas zurück. Diese Ruhepause war allerdings nur von kurzer Dauer. Bereits nach der Durchsuchung mehrerer Wohnungen führender Parteiaktivisten am 27. Juli 1987 in Köln im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, bei der die Polizei etwa 700000,-DM Bargeld, Adressenlisten, eine größere Zahl ausländischer Personaldokumente sowie Fälscherutensilien sicherstellte, kam es erneut zu Protestaktionen von PKK-Anhängern. Diese Entwicklung setzte sich nach weiteren Hausdurchsuchungen am 4. August 1987 im Rahmen eines anderen Ermittlungsverfahrens gegen eine terroristische Vereinigung im Umfeld der PKK und ihrer Hilfsund Nebenorganisationen fort, bei denen umfangreiche Unterlagen sichergestellt wurden. Allein zwischen dem 3. und 7. August 1987 reagierten die Sympathisanten der PKK mit 28 Besetzungen und anderen demonstrativen Aktionen im Inund Ausland. Nachdem der Europavertreter der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) am 7. August 1987 anläßlich einer Pressekonferenz in Bonn erklärt hatte, daß "sich das kurdische Volk die von den deutschen Behörden am 27. Juli 1987 in Köln beschlagnahmten 700000,-DM Stück für Stück, nötigenfalls mit Gewalt, zurückholen wolle", kam es bis zum 23. Oktober 1987 zu weiteren 30 Besetzungen und anderen Protestaktionen durch kurdische Volkszugehörige. Zielobjekte waren überwiegend deutsche Vertretungen im Ausland und Lufthansa-Büros sowie im Inland die Büros von Presseorganen, politischen Parteien, Gewerkschaften und kirchlichen Einrichtungen. Themenschwerpunkt war stets die Forderung nach Rückgabe der Gelder und der für die Partei wichtigen internen Unterlagen. In einem anläßlich einer Besetzung am 18. September 1987 in Stuttgart verbreiteten Flugblatt forderten Anhänger der Partei die "sofortige Herausgabe" des Geldes und betonten, daß ihre Geduld nun zu Ende sei. Mitte Oktober 1987 gelangten in mehreren Orten Flugblätter der ERNK zur Verbreitung, in denen die 110 Vereinigung Drohungen gegen die deutsche Bundesregierung ausspricht und deren Außenpolitik in scharfer Form kritisiert. Gleichzeitig traten Übergriffe der PKK-Anhänger im Bundesgebiet mit Zielrichtung "türkische Einrichtungen" und "gegnerische Kurdenorganisationen" vorübergehend in den Hintergrund. Propagandistische Unterstützung erfährt die PKK durch die "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e.V." (FEYKA-Kurdistan). Zu den Aufgaben der Organisation gehört es nach einem Anfang 1987 verbreiteten Positionspapier, sich um die Probleme der werktätigen Kurden zu kümmern. Ferner leiste man Aufklärungsarbeit über den kurdischen "Unabhängigkeitsund Freiheitskampf". Die Unterstützung der "nationalen Befreiungsfront zur Schaffung der Einheit unseres Volkes" sei für FEYKAKurdistan "Grundvoraussetzung" für die eigene Existenz. Der Verband versuche, die "revolutionär-patriotischen Intellektuellen und die Jugend aus der Sicht der nationalen Befreiungsbewegung zu organisieren, auszubilden und in dieser Richtung zu aktivieren". In Baden-Württemberg gehören der PKK-Basisorganisation "FEYKA-Kurdistan" Vereine in Mannheim und Stuttgart an. Aktivitäten der PKK und ihrer Nebenorganisationen wurden jedoch auch in anderen Städten, etwa in Böblingen, Göppingen, Heilbronn, Horb, Karlsruhe, Konstanz, Offenburg, Pforzheim, Tübingen, Tuttlingen und Ulm festgestellt. Auch die Anhänger der orthodox-kommunistischen "Sozialistischen Partei Türkisch-Kurdistan" (TKSP) profitieren vom Aufkeimen der kurdischen Nationalbewegung. Den "Kampf des kurdischen Volkes für das Recht auf Selbstbestimmung" sieht die TKSP als "Teil des Kampfes der Völker für Freiheit überall auf der Erde". Die Arbeit der von der TKSP beeinflußten "Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (KOMKAR) war 1987 geprägt von den Auseinandersetzungen mit der PKK und der von dieser ausgehenden Gefährdung konkurrierender kurdischen Kräfte. Einer der Übergriffe anläßlich von Veranstaltungen der KOMKAR führte am 7. März 1987 in München zum Tod eines der PKK angehörenden Störers. Daraufhin kam es noch im Verlauf desselben Monats bundesweit zu mehreren Brandanschlägen gegen Vereinsheime der KOMKAR sowie am 3. Mai 1987 in Hannover und am 16. Juni 1987 in Paris zur Ermordung zweier Spitzenfunktionäre der Vereinigung. Am 8. April 1987 schlug ein Schußwaffenattentat auf einen führenden KOMKAR-Funktionär in Stuttgart fehl. Diese Vorkommnisse ließen die KOMKAR, die sich selbst als "Organisation der kurdischen Arbeiterimmigration in der Bundesrepublik" sieht, in der Öffentlichkeit zurückhaltender agieren. In Baden-Württemberg sind Anhänger der KOMKAR in Konstanz, Heilbronn, Mannheim, Stuttgart und Ulm aktiv. 2.4 Islamisch-nationalistische Vereinigungen Die bundesweit tätigen islamischen-nationalistischen Vereine haben ihre Bemühungen verstärkt, türkische Landsleute für ihre Vorstellungen eines politischen 111 und antilaizistischen Islam zu gewinnen. Durch die Gründung weiterer Vereine, aber auch wegen der andauernden Spaltungstendenzen hat sich die Zahl der Organisationen in Baden-Württemberg inzwischen auf nahezu 40 erhöht. Auch die Zahl der Mitglieder liegt mit etwa 2800 Personen geringfügig höher als im Jahre 1986 (2600). Das Hauptbetätigungsfeld dieser Gruppe bildet nach wie vor die vereinsinterne politisch-religiöse Betreuung und Schulung der Anhänger. Während immer wieder geschlossene Veranstaltungen durchgeführt werden, sind öffentlichkeitswirksame Aktivitäten relativ selten. Mehrheitlich vertreten diese Organisationen die Ziele von Necmettin ERBAKAN und seiner in der Türkei seit 1980 verbotenen und aufgelösten islamisch-extremistischen "Nationalen Heilspartei" (MSP) bzw. von deren Nachfolgeorganisation, der "Wohlfahrtspartei" (RP). Deren wichtigste, auch in Baden-Württemberg durch Vereine und direkte Mitgliedsverbände repräsentierte Dachorganisationen sind die "Türkische Union Europa e.V.", das "Islamische Zentrum Köln e. V." und die "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT). Ein Verfechter noch radikalerer Anschauungen innerhalb des islamisch-nationalistischen Lagers ist der von dem Geistlichen Cemaleddin KAPLAN geführte "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." mit Sitz in Köln, der auch in Baden-Württemberg über vier Mitgliedsverbände und etwa 14 weitere mit ihm sympathisierende Organisationen verfügt. Sämtlichen Vereinigungen gemeinsam ist das Eintreten für einen kompromißlosen Islam etwa nach iranischem Vorbild. Oberstes Ziel ist die Abschaffung der westlich orientierten, laizistischen Verfassung der Türkei und die Errichtung eines theokratischen, allein auf den islamischen Rechtsquellen fußenden Staates. Während der größte Teil der bundesweit tätigen islamischen extremistischen Organisationen sich überwiegend mit den Verhältnissen im türkischen Heimatland beschäftigt, sind einige Vereinigungen neuerdings zu verbalen Attacken gegen die politische und soziale Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Besonders hervorzuheben ist dabei die Gruppierung des in Köln ansässigen Cemaleddin KAPLAN, der seinen Verband wiederholt in die Schlagzeilen brachte. Wegen seiner Hetze und seiner Aufrufe zur Gewaltanwendung wurde KAPLAN schließlich im Februar 1987 mit Verfügung des Oberstadtdirektors der Stadt Köln das Recht zur politischen Betätigung eingeschränkt. Ihm wurde verboten, öffentlich in Wort oder Schrift zur Anwendung oder Androhung von Gewalt sowie zur Vorbereitung und Unterstützung gewalttätiger Aktionen aufzurufen. Obwohl innerhalb des Verbandes wegen der umstrittenen Führung durch KAPLAN heftige Streitigkeiten ausbrachen, die zu einer Schwächung dieses Flügels der fanatischen türkischen Fundamentalisten führten, ist eine Änderung des scharfen Tones der türkischwie deutschsprachigen Propaganda nicht zu bemerken. Auf mehreren Großveranstaltungen des Verbandes fielen militante, aggressive Äußerungen. So wurden anläßlich einer im Februar 1987 in Bonn durchgeführ112 ten Großdemonstration gegen das in der Türkei bestehende Verbot, an dortigen Hochschulen Kopftücher zu tragen, Transparente gezeigt mit Parolen wie "Wir haben genug vom ketzerischen Kemalismus" und "Es lebe die islamische Bewegung und der heilige islamische Krieg". Die etwa 4000 Demonstrationsteilnehmer, deren größtes Kontingent mit rund 1000 Personen aus Baden-Württemberg kam, führten Flugschriften mit sich, in denen der türkische Staat als "brutales", die Muslime "unterdrückendes Regime" bezeichnet wurde. Ferner wurde verbreitet, daß der Kemalismus "Götzendienst" bedeute und der Islam sich von anderen Religionen schon deshalb unterscheide, "weil er nicht nur eine Religion, sondern auch eine Staatsform" sei. Auch in dem Verbandsorgan "TEBLIG" ("Die Verkündigung") wurde wiederholt offen gegen die Türkei polemisiert und in fanatischer Weise der Sturz des türkischen Staates gefordert. Ein entgegen den gesetzlichen Bestimmungen vom Verband unterhaltenes Internat in Köln wurde auf Anordnung der Behörden mit der Begründung geschlossen, daß das leibliche, geistige und seelische Wohl der Minderjährigen gefährdet sei. Pressemeldungen zufolge waren in dem Heim, in dem wiederholt auch ein islamischer Fundamentalist predigte, mehr als hundert Kinder und Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet untergebracht, die dort religiös unterwiesen und angeblich zu islamischen Vorbetern ausgebildet werden sollten. 2.5 Rechtsextreme Vereinigungen Hauptsächlich wegen der Inaktivität der Führungskader und der organisationsinternen Spaltungserscheinungen mußte die extrem nationalistische "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF) Mitgliederverluste hinnehmen. Landesweit hat sich die Zahl ihrer Anhänger von rund 2200 im Jahre 1986 auf derzeit etwa 1600 Personen verringert. In Baden-Württemberg gehören dem 1978 gegründeten Dachverband noch etwa 20, in unterschiedlichem Umfang aktive Mitgliederverbände an. Die ADÜTDF vertritt die Ziele der in der Türkei seit September 1980 verbotenen rechtsextremen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) bzw. deren Nachfolgeorganisation "Nationalistische Arbeiterpartei" (MCP) unter ihrem Führer Alparslan TÜRKES. Die Aktivitäten dieses von den politischen Gegnern als "Graue Wölfe" bezeichneten Spektrums haben in den letzten Jahren deutlich nachgelassen. Die Tätigkeit der derzeit noch aktiven Gruppen beschränkt sich zumeist auf die Durchführung einiger weniger politisch akzentuierter Kulturund Folkloreveranstaltungen. Im Gegensatz zu früher kam es dabei kaum noch zu verbalen oder gar tätlichen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Linksund Rechtsextremisten. 113 Plakat der PFLP 3. Araber Die wichtigsten, auch mit Aktivisten in Baden-Württemberg vertretenen palästinensischen Widerstandsorganisationen sind die Sozialrevolutionär nationalistische AL FATAH, die orthodox-kommunistische "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) sowie die ebenfalls orthodox-kommunistische "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP). Neben diesen Gruppen betätigte sich hier eine Anzahl von Einzelaktivisten einiger kleinerer, teilweise syrisch orientierter palästinensischer und sonstiger arabischer Splittergruppen. Die in Baden-Württemberg vertretenen Gruppierungen setzten auch 1987 ihre Bemühungen fort, Anhänger und Sympathisanten politisch zu motivieren. Sie traten dabei aber kaum noch öffentlich in Erscheinung. Lediglich durch einige Demonstrationen und Kundgebungen, bei denen sie teilweise von deutschen Gruppierungen unterstützt wurden, machten sie auf die Situation in ihrer Heimat aufmerksam. Daneben besteht allerdings weiterhin die latente Gefahr von gewaltsamen Aktionen arabischer, teilweise als Instrumente des Staatsterrors radikaler nahöstlicher Regime benutzter Kleinstgruppen und Terrorkommandos. Von wach114 sender sicherheitspolitischer Bedeutung sind darüber hinaus die überaus gewalttätig vorgehenden islamisch-nationalistischen Vereinigungen wie die "AMAL-Bewegung", die Organisation "Heiliger Islamischer Krieg" (Dschihad Islami) und die "Partei Gottes" (Hizb Allah). Diese sich besonders fanatisch und militant gebärdenden Formationen verfügen auch in Baden-Württemberg über einige Anhänger. Die Gefährdung durch diese überwiegend im Libanon beheimateten schiitischen Extremistengruppen wurde einer breiteren Öffentlichkeit anläßlich der Beschlagnahme von Flüssigsprengstoff im Zusammenhang mit der Verhaftung der Brüder HAMADI im Januar 1987 und dem Auffinden eines Sprengstoffdepots im Saarland deutlich. Auch die Geiselnahmen von Bundesbürgern im Libanon unterstreicht die akute Gefahr von dieser Seite. 4. Jugoslawen 4.1 Allgemeine Übersicht Die jugoslawische Emigration konnte auch 1987 ihre Zersplitterung nicht überwinden. Dies ist die Hauptursache für ihre weiter rückläufige Aktivität. Dennoch ist zumindest bei Teilen der Emigration die Bereitschaft erkennbar, zur Durchsetzung ihrer Ziele auch Gewalt anzuwenden. Der seit Jahren anhaltende Mitgliederschwund hat sich insgesamt nicht weiter fortgesetzt. Während die "Kroatische Staatsbildende Bewegung" (HDP) erstmals Mitglieder verlor, konnten kosovo-albanische Gruppen ihre Anhängerschaft vergrößern. Aktionsschwerpunkte jugoslawischer Extremisten in BadenWürttemberg blieben die Räume Stuttgart und Karlsruhe sowie der Bodenseeraum. 4.2 "Kroatische Staatsbildende Bewegung" (HDP) Die weltweit operierende linksextreme HDP leitete zu Beginn des Jahres 1987 eine neue propagandistische Offensive ein. Dazu verbreitete sie in Emigrantenkreisen eine Broschüre mit "Politischen Thesen" und eine neu formulierte Satzung. Die "Politischen Thesen sollen bei der "Suche nach politischer Orientierung im Rahmen der täglichen Befreiungstätigkeit" helfen. In ihnen wird der "Freiheitskampf mit allen entsprechenden Mitteln, Waffen nicht ausschließend" bis zur "Zerstörung Jugoslawiens" gefordert. Als organisatorische Maßnahme soll die Umstrukturierung der Europaredaktion des HDP-Organs "Hrvatski Tjednik" (Kroatisches Wochenblatt) -HTmit Sitz in Stuttgart zur Effizienzsteigerung beitragen. Diese Redaktion müsse eine "Speerspitze" bilden und beweisen, daß der "Schwerpunkt des staatsbildenden Befreiungskampfes nach Kroatien zeigen muß". Der Aufbau der HDP lehnt sich der neuen Satzung zufolge an ein hierarchisches Prinzip an, das keine demokratischen Spielregeln kennt. Besonders hervorge115 hoben wird die zentrale Stellung des Vorsitzenden der Organisation, der "weder der Wahl noch der Bestätigung in seiner Funktion unterworfen" ist. Funktionäre und Aktivisten haben sich unter Beachtung der Hierarchie, der Disziplin und des Verantwortungsbewußtseins dem Ziel der HDP bedingungslos unterzuordnen. Dem einfachen Mitglied bleibt die Pflicht der "gewissenhaften Erfüllung von Entscheidungen seiner Vorgesetzten". Querelen unter führenden Funktionären verhindern allerdings bisher den erhofften Aufschwung. Zudem kam es auf dem II. Kongreß der HDP Anfang September 1987 in Schottland zum offenen Zerwürfnis, worauf eine Reihe von Mitgliedern die Organisation verließ. Im Bundesgebiet blieben Baden-Württemberg und hier insbesondere die Landeshauptstadt Stuttgart bevorzugtes Operationsfeld der HDP. FREEDOM FOR CROATIA FREIHEITH FÜR KROATIEN LIBERTE POUR LES CROATES LIBERTA PER CROATIA LIBERTAD PARA CROATAS CBOBOflA fl/lR XOPBATÜ BOJlbHOCTb XOPBATMH SLOBODA HRVATSKOJ U NJENIM POVIJESNIM I ETNICKIM GRANICAMA NA DRINl! Aufkleber der HDP 4.3 "Kroatischer Nationalrat" (HNV) Das Interesse am HNV, dem Dachverband extrem nationalistischer kroatischer Emigrantenvereinigungen mit Sitz in New York, hat 1987 wegen mangelnder Perspektiven weiter nachgelassen. Die Aktivitäten seiner Mitglieder beschränkten sich überwiegend auf Zusammenkünfte aus feierlichen Anlässen sowie auf die Verbreitung antijugoslawischer Publikationen. Allein die Bemühungen um eine verstärkte Jugendarbeit zeigten eine gewisse Resonanz. So wurde am 23. April 1987 die "Kroatische Jugend der Bundesrepublik Deutschland e.V." als Verein angemeldet. Er versteht sich als selbständige Jugendorganisation des HNV. Die Mehrzahl der Mitglieder der Ortsgruppen des HNV im Bundesgebiet, die im "Kroatischen Koordinationsausschuß der Vereinigung der Ortsausschüsse des Kroatischen Nationalrats in der Bundesrepublik Deutschland e.V.", Sitz: Stuttgart, zusammengeschlossen sind, lebt in Baden-Württemberg. 116 4.4 Kosovo-albanische Organisationen Angesichts der angespannten Lage in der jugoslawischen autonomen Provinz Kosovo führten kosovo-albanische Gruppen in unserem Bundesland 1987 wiederholt Flugblattund Sprühaktionen sowie eine Demonstration durch. Die linksextremistische, konspirativ agierende "Volksbewegung für die Republik Kosovo" (LPRK) fordert für die Kosovo-Albaner im Heimatland die Konstituierung einer "Republik Kosovo". An einer Demonstration der LPRK am 12. September 1987 in Stuttgart zum Thema "Forderung einer Republik Kosovo innerhalb der jugoslawischen Föderation" nahmen rund 250 Kosovo-Albaner aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland teil. 117 G. Spionageund Sabotageabwehr 1. Allgemeine Lage In den letzten Jahren ist insgesamt eine Entspannung im Verhältnis der Großmächte zueinander festzustellen, die ihren bisherigen Höhepunkt im Abschluß des amerikanisch-sowjetischen Vertrages über die Vernichtung atomarer Mittelstreckenwaffen gefunden hat. Bei der Entwicklung der innerdeutschen Beziehungen sind positive Tendenzen und Verbesserungen insbesondere dort zu finden, wo es um praktische Fortschritte geht, die den Menschen im geteilten Deutschland zugute kommen und die Lasten der Teilung erträglicher machen. Gleichwohl halten die intensiven Spionagebemühungen der Warschauer-PaktStaaten unvermindert an. Äußerungen verantwortlicher Persönlichkeiten des Ostblocks lassen auch weiterhin eine aggressive Strategie der Ausforschung erkennen. So hat zum Beispiel der Generalsekretär des "Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (ZK der SED) und Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich HONECKER, aus Anlaß des 37. Jahrestages der Bildung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), in einer Grußadresse seine herzlichen Glückwünsche übermittelt und den "Kämpfern an der unsichtbaren Front" (Agenten in der Bundesrepublik Deutschland) für ihre "großen Leistungen" Dank und Anerkennung ausgesprochen. Auch die Einschätzungen anderer westlichen Staaten gehen dahin, weiterhin den verstärkten Spionagebemühungen der Warschauer-Pakt-Staaten begegnen zu müssen. Nach gesicherten Erkenntnissen der amerikanischen Regierung hat die Sowjetunion ein gut organisiertes und breitgefächertes Programm u. a. zur legalen und illegalen Beschaffung westlicher Technologie. Als besondere Zielobjekte gelten in diesem Zusammenhang Unternehmen mit wehrtechnischem Forschungsund Entwicklungsbereich, deren Zulieferer, die wissenschaftlichen Einrichtungen und Datenbanken. Die anhaltende Bedrohung läßt sich vor allem aus den Straftaten enttarnter Agenten und den erkannten nachrichtendienstlichen Werbungen, Werbungsversuchen und Aufträgen ableiten. Dabei rangiert die militärische vor der Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage und der Ausforschung politischer Ziele. 119 Im Berichtsjahr wurden im Bundesgebiet insgesamt 33 Personen wegen des Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit festgenommen; 18 Personen wurden verurteilt. Wie in den Jahren zuvor, gingen auch die 1987 beobachteten Spionageaktivitäten überwiegend von den Nachrichtendiensten der DDR aus. 2. Militärischer Nachrichtendienst der DDR Die DDR verfügt etwa seit 1952 über einen eigenständigen militärischen Nachrichtendienst, die "Verwaltung Aufklärung" (VA) des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MfNV). Die "Verwaltung Aufklärung" hat ihren Sitz in Berlin-Oberschönweide und verfügt über etwa 600 hauptamtliche Mitarbeiter im Offiziersrang. Neben der "Verwaltung Aufklärung des MfNV", deren Tätigkeit vornehmlich auf die Bundesrepublik Deutschland und die angrenzenden westeuropäischen Staaten abzielt, betreiben auch Organisationseinheiten des Ministeriums für Staatssicherheit und der NVA offensive Militärspionage. Die nachrichtendienstlichen Aktivitäten der "Verwaltung Aufklärung" lassen erkennen, daß ihr vor allem die Aufklärung und Erfassung des militärischen Potentials im westlichen Vorfeld der DDR zugewiesen ist. Dazu betreibt sie in erster Linie die Ausforschung der Verteidigungsplanung, Gliederung, Stärke, Ausrüstung und Bewaffnung der Bundeswehr und der im Bundesgebiet einschließlich Westberlin stationierten NATO-Streitkräfte. Ausgespäht werden darüber hinaus insbesondere Maßnahmen und Objekte der Zivilverteidigung sowie verteidigungswichtige Verkehrs-, Versorgungsund Kommunikationseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland, ferner aktuelle wehrtechnische Entwicklungen und Fertigungen. Bei der Durchführung ihres Beschaffungsauftrages bedient sich die "Verwaltung Aufklärung" des MfNV der gesamten Palette operativer Maßnahmen. In neuerer Zeit erfolgt ein Teil der Marschoder Sichtaufklärung durch verbesserten und verstärkten Satelliteneinsatz. Daneben wurden auch die bisher hauptsächlich verwandten Anbahnungsmethoden modifiziert und verfeinert. Eine Anbahnung umfaßt alle Maßnahmen zur mittelbaren und unmittelbaren Kontaktaufnahme mit nachrichtendienstlich geeignet erscheinenden Personen zwecks Vorbereitung einer Anwerbung. Die Anbahnung ist somit ein Teil des Gesamtvorgangs, mit dem ein Nachrichtendienst eine Person zur Mitarbeit gewinnt. Wurde bis Anfang der achtziger Jahre durch Briefund Telefonkontakte unter den Aspekten "Brieffreundschaften", "Preisausschreiben", "Meinungsforschung", "Stellengesuche", "Studienkreise" u.a. versucht, Agenten im Bundesgebiet anzubahnen, so ist neuerdings häufiger das persönliche Gespräch in der DDR erster Anknüpfpunkt. 120 Beispielhaft sei hier der Fall eines Bundesbürgers erwähnt, der anläßlich eines Besuchsaufenthalts in der DDR bei der Anmeldung in der Volkspolizeistation vor Verlassen des Hauses durch eine Frau in Uniform in ein Zimmer gebeten wurde. Dort wartete ein Mann in Zivil, der sich als Journalist vorstellte und nach der Äußerung von Zweifeln einen Presseausweis vorwies. Er gab vor, gelegentlich westdeutsche Besucher auszuwählen, um mit ihnen bestimmte Fragen zu diskutieren. Der in der Verwaltung bei der US-Armee in Baden-Württemberg tätige Bundesbürger wurde gedrängt, allgemeine Aussagen über die Beziehungen der Bevölkerung zu den amerikanischen Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland zu machen und seine Meinung über die Präsenz der US-Armee in Schwäbisch Gmünd zu äußern. Interesse bestehe auch bei einer späteren Reise an einem Gespräch in einem größeren Kreis. Der angebliche Journalist - nach Sachlage vermutlich operativer Mitarbeiter (Anbahner) des militärischen Nachrichtendienstes der DDR - ist der Spionageabwehr bekannt. In einem anderen Fall gab er sich als "Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften" aus, der dort mit der Abfassung von "Gutachten und Studien" über die "Arbeitsmarktlage" befaßt sei. Die Militärspionage stellt eine ernste Bedrohung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der NATO dar, weil durch Ausspähung von Forschungsergebnissen und durch legalen oder illegalen Technologietransfer eine über den engeren militärischen Aspekt hinaus erhebliche Gefährdung unserer Volkswirtschaft entstehen kann. Für die Militärspionage ist die Stationierung der strategischen Waffen der amerikanischen Armee vorrangiges Ausspähungsziel. Wer in der Nähe der Stationierungsorte wohnt oder bei der US-Armee beschäftigt ist, ist bei Reisen in die DDR bevorzugtes Ziel nachrichtendienstlicher Werbungsbemühungen. Die "Verwaltung Aufklärung" nutzt dabei die Antragsunterlagen für Besuchsreisen in die DDR, auf denen Wohnort, Beruf und Beschäftigungsstelle angegeben sein müssen. Anhand dieser Daten werden interessante Zielpersonen herausgefiltert. Die Ansprache erfolgt dann entweder schon bei der polizeilichen Anmeldung oder später bei den Gastgebern. Folgender Fall veranschaulicht dies: Eine Zivilbedienstete der US-Streitkräfte wurde während einer privaten Besuchsreise in die DDR von einem Angehörigen des militärischen Nachrichtendienstes angesprochen und zur Lieferung von Informationen aus ihrer Dienststelle aufgefordert. Nach ihrer Rückkehr offenbarte sie diese Ansprache der zuständigen Abwehrdienststelle. Der gegnerische Führungsoffizier hielt seine Kontakte zu der Angestellten aufrecht. Er teilte ihr eine geheime Telefonnummer in Berlin (Ost) mit. Dort konnte sie ihn anrufen oder Nachrichten hinterlassen. Für schriftliche Mitteilungen stand eine Deckanschrift in Berlin (Ost) zur Verfügung. Anweisungen des Führungsoffiziers wurden durch einen Kurier übermittelt. 121 Dabei handelte es sich um einen geheimen Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendienstes der DDR, der unter der Identität eines Westberliners Bürgers, mit gefälschten Ausweisen in die Bundesrepublik Deutschland einreiste. Von verschiedenen Orten im Bundesgebiet schickte er per Post Briefe an die Angestellte. Auch andere, nicht mit der Post beförderte Schreiben, fand die Empfängerin in ihrem Hausbriefkasten. Im Auftrag seines Führungsoffiziers ließ sich der Kurier jedesmal in einem Telefonanruf den Erhalt der Sendungen bestätigen und nahm etwaige Rückfragen zum Inhalt der Briefe entgegen. Um unerkannt zu bleiben, versuchte er, den unmittelbaren persönlichen Kontakt zu der Angestellten zu vermeiden. Der Führungsoffizier kündigte schließlich ohne genaue Terminangabe für November 1987 den Besuch des Kuriers an. Er sollte umfangreiches Verratsmaterial abholen. Er kam überraschend und erwartete die Angestellte vor ihrer Wohnung, als sie von der Arbeit kam. Der Besuch sollte durch einen zweiten ebenfalls aus der DDR angereisten Mann abgesichert werden. Nach der Übergabe der Unterlagen wurden beide Männer festgenommen. Sie wiesen sich mit gefälschten behelfsmäßigen Westberliner Personalausweisen aus und führten außerdem als Fluchtpapier gefälschte bundesdeutsche Reisepässe mit sich. Zu ihrer Einreise benutzten sie ein mit gefälschten Westberliner Kennzeichen ausgestattetes Auto. Bis zu ihrer Festnahme hielten sie sich bereits fünf Tage im Bundesgebiet auf. 122 H. Geheimschutz - präventive Abwehr 1. Allgemeiner Überblick Als Agenten gegnerischer Nachrichtendienste enttarnte Bundesbürger betonen immer wieder, daß sie sich niemals auf eine Spionagetätigkeit eingelassen oder diese jedenfalls zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt beendet hätten, wenn ihnen nicht in Anbetracht der oftmals oberflächlichen Handhabung geltender Sicherheitsvorschriften das Enttarnungsrisiko als minimal erschienen wäre. Die Auswertung erkannter Verratsfälle bestätigt diese Einschätzung: In der Praxis wird vielfach aus Nachlässigkeit, Bequemlichkeit oder infolge mangelnder Sensibilität gegen elementare Sicherheitsgrundsätze verstoßen und dadurch eine Verratstätigkeit wesentlich erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht. 2. Vorbeugender Geheimschutz Es kommt deshalb maßgeblich darauf an, den Abfluß nachrichtendienstlich interessanter Informationen aus besonders sensiblen Bereichen in Behörden und Unternehmen u.a. dadurch zu verhindern, daß man ungeeigneten oder der Gefahr einer nachrichtendienstlichen Anbahnung in besonderem Maße ausgesetzten Personen den Zugang zu geheimhaltungsbedürftigem Material verwehrt (vorbeugender personeller Geheimschutz). Durch eine sichere Aufbewahrung, Verwaltung, Beförderung und Vernichtung geschützter Unterlagen wird die Verratstätigkeit zusätzlich erschwert. Schließlich wird durch Kontrollmaßnahmen das Enttarnungsrisiko unkalkulierbar (vorbeugender materieller Geheimschutz). Angesichts spektakulärer Spionagefälle wird zwar gelegentlich die Effizienz von Präventivmaßnahmen bestritten. Die Erfahrung zeigt aber, daß gerade der vorbeugende personelle Geheimschutz von den gegnerischen Nachrichtendiensten als wirksam angesehen und deshalb möglichst umgangen wird. Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt sowohl bei Maßnahmen des vorbeugenden personellen (SS 3 Abs. 2 Nr. 2 LVSG) als auch des vorbeugenden materiellen (SS 3 Abs. 2 Nr. 3 LVSG) Geheimschutzes mit. Schon die Tatsache, daß der Gesetzgeber dem Verfassungsschutz auf diesem Gebiet lediglich ein Mitwirkungsrecht zugestanden hat, macht deutlich, daß die Verantwortung für den Geheimschutz primär bei den mit Verschlußsachen befaßten Behörden und Unternehmen selbst liegt. Intern zuständig für die Planung, Durchführung 123 und Überwachung einschlägiger Schutzvorkehrungen ist der im Behördensektor als "Geheimschutzbeauftragter" und im Bereich der Wirtschaft als "Sicherheitsbevollmächtigter" (nicht zu verwechseln mit dem für die betriebliche Unfallverhütung zuständigen Sicherheitsbeauftragten) bezeichnete Sicherheitsverantwortliche. Bei Behörden, die über keinen Geheimschutzbeauftragten verfügen, nimmt der Dienststellenleiter die entsprechenden Aufgaben wahr. 3. Reisen in Länder des kommunistischen Machtbereichs 3.1 Die bereits in früheren Verfassungsschutzberichten getroffene Feststellung, daß die Mehrzahl aller nachrichtendienstlichen Anbahnungsversuche gegenüber Bundesbürgern anläßlich privater oder geschäftlicher Aufenthalte im kommunistischen Machtbereich erfolgt, besitzt nach wie vor Gültigkeit. An dieser Tatsache hat auch der gegenwärtig auf verschiedenen Gebieten zu beobachtende Wandel im Ostblock nichts zu ändern vermocht. Deshalb muß auf das fortbestehende Risiko hingewiesen werden, im Verlauf von Ostreisen Ziel eines nachrichtendienstlichen Anbahnungsversuchs zu werden. 3.2 Um Unannehmlichkeiten bei Aufenthalten in kommunistisch regierten Ländern zu vermeiden und um deren Geheimdiensten keine Druckmittel zu verschaffen, sollte sich jeder Bundesbürger vor Reiseantritt mit den im jeweiligen Gastland geltenden Vorschriften vertraut machen. Handlungen, die in der BunPlakat zum Geheimschutz 124 desrepublik Deutschland erlaubt sind und unter Umständen noch nicht einmal moralisch mißbilligt werden, können dort empfindliche Strafen nach sich ziehen. Erfahrungen westdeutscher Reisender aus jüngster Zeit lassen insbesondere die Einhaltung nachfolgender Empfehlungen bzw. Verhaltenshinweise angeraten erscheinen. Mitreisende Personen, deren Handeln man sich möglicherweise zurechnen lassen muß, sollten entsprechend informiert werden. - Alle Einreiseoder sonstige Formulare sollten wahrheitsgemäß und vollständig ausgefüllt werden. - Es ist ratsam, sich anhand aktueller Broschüren und Merkblätter über die von Land zu Land verschiedenen und gelegentlichen Änderungen unterworfenen Einund Ausfuhrverbote zu unterrichten. Gegenstände, die nach unseren Vorstellungen zum täglichen Gebrauch bestimmt sind, wie Zeitungen, Musikkassetten, Bücher etc. dürfen häufig nicht eingeführt werden. Ausfuhrbeschränkungen bestehen u.a. für Kunstgegenstände, Antiquitäten, optische Geräte, Porzellan und Briefmarken in größeren Mengen. - Die meisten Ostblock-Staaten verbieten die Einfuhr der jeweiligen Landeswährung. Bei der Einreise mitgeführte Devisen sollten deshalb korrekt deklariert, beim Umtausch dieser Zahlungsmittel erhaltene Belege bis zur Ausreise aufbewahrt werden. Illegaler Umtausch von Devisen des Gastlandes lohnt sich trotz günstiger Wechselkurse nicht. - Die im Visaantrag festgelegte Reiseroute sollte strikt eingehalten werden, die polizeiliche Anund Abmeldung fristgerecht erfolgen. - Kompromittierende Situationen sollten vermieden werden. Verstöße gegen Straßenverkehrsvorschriften (totales Alkoholverbot, Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit) und das Verbot, bestimmte Objekte - Grenzsicherungsanlagen, militärische und polizeiliche Einrichtungen, Industrieanlagen, Brücken, Bahnanlagen und Verkehrsknotenpunkte - zu fotografieren oder zu filmen, bieten den Nachrichtendiensten ebenso wie persönliche Neigungen oder Schwächen ideale Angriffsflächen. Von Handlungen, die den Vorwurf der Bestechung oder Fluchthilfe begründen könnten, ist abzuraten. - Die Mitnahme von Briefen, Paketen oder sonstigen Gegenständen in den Westen sollte man ablehnen. - Bei "Zufallsbekanntschaften" oder lukrativen Geschäftsofferten ist Zurückhaltung, bei Geschenken und Aufmerksamkeiten, die ohne erkennbaren Grund oder von Unbekannten angeboten werden, ist Mißtrauen angebracht. - Anbahnungsversuche sollten höflich, aber konsequent zurückgewiesen werden. Hinhaltendes Taktieren kann zu einer schwer lösbaren Verstrickung führen. Eine unmißverständliche Ablehnung wird erfahrungsgemäß akzeptiert. Unterschriften unter Verpflichtungs-, Bereitschaftsoder Schweigeerklärungen sollten abgelehnt werden. - Für den Konfliktfall empfiehlt sich die Mitnahme von Anschriften und Telefonnummern der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im jeweiligen Gastland. 125 4. Verhalten bei nachrichtendienstlichen Kontakten Haben sich bei Aufenthalten im kommunistischen Machtbereich ungewöhnliche Vorfälle oder Schwierigkeiten ergeben, dann sollte - vor allem, wenn nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann, daß es sich um einen Sachverhalt mit nachrichtendienstlichem Hintergrund handelt - unmittelbar nach Rückkehr in die Bundesrepublik mit - dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg bzw. - dem zuständigen Geheimschutzbeauftragten oder Sicherheitsbevollmächtigten Kontakt aufgenommen werden, die Informationen sowie Hinweise auf nachrichtendienstlich bedeutsame Sachverhalte vertraulich behandeln und aufgrund ihrer Erfahrung und den ihnen zu Gebote stehenden Möglichkeiten in der Lage sind, wirkungsvolle Unterstützung bei der Bewältigung privater oder beruflicher Konfliktsituationen zu gewähren. Personen, die bereits von einem Nachrichtendienst angesprochen bzw. angeworben sind oder mit einem entsprechenden Auftrag versehen in die Bundesrepublik übersiedeln durften, wird dringend empfohlen, ihre Verstrickung dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Taubenheimstraße 85 A 7000 Stuttgart 50 (Bad Cannstatt) Telefon 0711/566101 offenzulegen. Dies ist in Anbetracht der Rechtslage und vor dem Hintergrund der Erfahrung, daß östliche Nachrichtendienste nach Erreichen ihrer Ziele häufig auf frühere Versprechungen oder elementare Sicherheitsbedürfnisse ihrer Quellen keinerlei Rücksicht mehr nehmen, der mit den geringsten persönlichen oder beruflichen Konsequenzen verbundene Ausweg. Das Landesamt, mit dem zu jeder Tagesoder Nachtstunde Kontakt aufgenommen werden kann, ist nicht der Strafverfolgungspflicht unterworfen und hat die Möglichkeit - eine freiwillige und umfassende Offenbarung vorausgesetzt -, aus übergeordneten Sicherheitsinteressen von der Erstattung einer Strafanzeige abzusehen. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen Bundesbürger mittels Nötigung oder Erpressung zur nachrichtendienstlichen Tätigkeit gezwungen wurden. 126 Anhang Übersicht der Mitgliederentwicklung der wichtigsten extremistischen Gruppierungen Dogmatische "Neue Linke" Mitgliederentwicklung der wichtigsten Gruppierungen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg (Zahl in Klammern: Baden-Württemberg) 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 KPD (früher 500 500 400 400 400 KPD/ML) (80) (80) (60) (50) (50) - - B W K (vom K B W 570 500 450 400 400 400 300 abgespalten) (150) (130) (100) (100) (100) (100) (100) KB 600 500 500 400 400 400 400 (30) (30) (20) (20) (20) (20) (20) M L P D (früher 900 900 1000 1100 1300 1300 1300 KABD) (250) (350) (500) (550) (650) (650) (650) MG 700 1000 1300 1500 1700 1700 1800 (30) (60) (85) (85) (90) GIM 250 200 250 250 250 - - (70) (50) (50) (50) (50) V S P (Vereinigung - - 600 500 von KPD und GIM) - - - (50-60) (50-60) Insgesamt 3520 3600 3900 4050 4450 4400 4300 (580) (640) (760) (830) (955) (905) (910) (915) (920) 127 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Mitgliederentwicklung im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 DKP bundesweit 40000 40000 40000 40000 40000 40000 38000 DKP BadenWürttemberg 2750 2750 2750 2850 2850 2850 2700 Nationaldemokratische Partei (NPD) Zahl der Mitglieder im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 bundesweit 7300 6500 5900 6000 6100 6100 6100 6200 BadenWürttemberg 900 900 950 950 950 1000 1000 1150 , _ _ Junge Nationaldemokraten (JN) Zahl der Mitglieder im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 bundesweit 1000 750 500 500 550 550 600 750 BadenWürttemberg 120 80 80 75 80 80 80 95 Zahl der neonazistischen Einzelaktivisten und organisierten Mitglieder im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 bundesweit 1800 1850 1300 1400 1350 1420 1460 1520 BadenWürttemberg 150 150 170 190 190 200 190 190 128 Gesamtzahl aller rechtsextremistischen (neonazistischen, nationaldemokratischen und national-freiheitlichen) Organisationen und deren Mitglieder im Bundesgebiet 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 Anzahl 75 73 74 68 89 78 73 69 Mitglieder 19800 20300 19000 20300 22100 22100 22100 25200 Ausländische Extremistengruppen Mitgliederstärke in Baden-Württemberg (Zahl in Klammern: 1986) Araber Iraner JugoTürken Sonstige Insgesamt slawen Mitgliederstand 660 390 380 6960 8940 17270 (660) (350) (380) (7440) (9960) (18790) orthodox200 80 1240 6900 8420 kommunistisch (200) (80) - (1370) (7920) (9570) Neue Linke/ 270 200 150 1260 680 2560 Sozialrevolutionär (400) (160) (150) (1270) (710) (2690) rechtsextrem 70 230 1620 1310 3230 - (70) (230) (2200) (1330) (3830) religiös130 40 2840 50 3060 nationalistisch (60) (40) - (2600) (2700) 129 Gruppen-, Organisationsund Publikationsregister Action Directe (AD) 17, 59, 61 Aktion deutsche Einheit (AKON) 98 Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) 97 Aktion Sauberes Deutschland (ASD) 79 Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) 20, 70, 73 ff. ALFATAH 101,114 AMAL-Bewegung 115 Antikommunistisches Aktionsbündnis (Antiko) 75 Antizionistische Aktion (AA) 75 Arbeiterjugendverband/Marxisten-Leninisten (AJV/ML) 47 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 19, 101 f., 109 ff. Autonome 18, 44, 50 ff. AVRUPA'da DEV GENC 107 f. Befreiungseinheit Kurdistans (HRK) 109 BOLSEVIK PARTIZAN (BP) 105, 106 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) 43, 48 f. Bürgerund Bauerninitiative e. V. (BBI) 80 collectiv-Buchhandlungen 31 Das Freie Forum 99 Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) 114 Der Bismarck-Deutsche 98 Der Schulungsbrief 79 Deutsche Aktionsgruppen 80 Deutsche Bürgerinitiative e. V. (DBI) 80 Deutsche Frauenfront (DFF) 79 Deutsche Frauenfront/Mädelbund (DFFG/MB) 79 Deutsche Friedens-Union (DFU) 26, 40, 42 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 19, 21, 24 ff. Deutsche National-Zeitung (DNZ) 71, 86, 95 Deutscher Anzeiger 71, 95 Deutsche Stimme 89 Deutsche Volksunion (DVU) 19, 70, 95, 97 f. Deutsche Volksunion-Liste D (DVU-Liste D) 70, 95 ff. 131 Deutsche Wochen-Zeitung 71, 95 DEVRÄdegMCÄdeg ISCI 108 DEVRÄdegMCÄdeg SOL 108 DEVRÄdegMCÄdeg YOL 108 Die Amazonen 68 Die Bewegung 20, 73, 74 f. Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 98 DKP - das argument 30 DKP - infodienst 30 DKP-Info für Arbeiter und Angestellte 30 DKP-Iandrevue 30 DKP-Pressedienst 30 Ehrenbund RUDEL-Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten (ER) 98 Eidgenoss 87 elan - das Jugendmagazin 31,37 Ernst-THÄLMANN-Buchhandlungen 46 Europäische Neuordnung (ENO) 87 Fanal 57 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) 102 ff. Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (KOMKAR) 111 Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FIDEF) 108 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e. V. (FEYKA-Kurdistan) 111 Föderation der Türkischen Demokratischen Arbeitervereine in Deutschland e.V. (DIDF) 106 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) 103,113 Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) 57 Forum für libertäre Information (FLI) 57 Freie Arbeiter-Union (FAU) 56 Freie Arbeiter Union-Heidelberg (Anarchisten) FAU-HD (A) 56 f. Freie Arbeiter Union-Studenten (FAUST) 57 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 20, 70, 73, 75 ff. Freundeskreis Elsaß-Lothringen - Verein für kulturelle Zusammenarbeit 86 Friedensliste (FL) 26, 31, 32, 40 Front National (FN) 86 132 Germania 88 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 99 Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung - Verlags-Gesellschaft Politische Berichte mbH /GNN) 49 Gewaltfreie Aktionsgruppen 57 GÖCMEN 108 Graswurzelbewegung 57 Graswurzelrevolution 57 Graue Wölfe 103,113 Grüne Aktion Deutschland (GAD) 79 Gruppe Internationale Marxisten (GIM) 47 Heiliger Islamischer Krieg 115 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 79 Hizb Allah 115 Hrvatski Tjednik (HT) 115 Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) 97 Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e. V. 80 Islamisches Zentrum Köln e.V. 112 Jugendpolitische Blätter 31 Junge Nationaldemokraten (JN) 71, 93 f. Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP) 26, 36, 38 f. Karlsruher Front 85 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit 26, 40 Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf HITLERs (KAH) 74 Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) 19, 24 Kommunistische Partei der Türkei (TKP) 108 Kommunistische Partei Deutschlands Marxisten-Leninisten (KPD) 47 Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) 45 Kommunistischer Bund (KB) 43, 48, 49 Kommunistischer Bund Westdeutschlands (KBW) 48 Konföderation türkischer Arbeitervereine in Europa (ATIK) 105 f. Krefelder Initiative 42 Kroatische Jugend der Bundesrepublik Deutschland e.V. 116 133 Kroatischer Koordinationsausschuß der Vereinigung der Ortsausschüsse des Kroatischen Nationalrats in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (HKO) 116 Kroatischer Nationalrat (HNV) 116 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 115 f. Landesberatung baden-württembergischer Friedensinitiativen 33 Lernen und Kämpfen 46 Libertäre Initiative Tübingen 57 Mädelbund (MB) 79 Marxistische Arbeiterbildung (MAB) 30 f. Marxistische Arbeiterzeitung (MAZ) 50 Marxistische Blätter 26, 30, 31 Marxistische Gruppe (MG) 21, 42, 43, 49 f. Marxistischer Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus 26, 36, 39 Marxistische Streitund Zeitschrift (MSZ) 50 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 21, 45 ff. Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) 47 Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) 47 Mücadele 106 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 19, 70, 88 ff. Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 88, 94 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 109 ff. Nationale Heilspartei (MSP) 112 Nationale Initiative Freiheit für Michael KÜHNEN 75 Nationales Zentrum 79 National-Freiheitliche Rechte 95 Nationalistische Arbeiterpartei (MCP) 113 Nationalistische Front (NF) 77 ff. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisationen (NSDAP-AO) 88 Neuer Weg 46 NHB-Report 94 Nouvelle Voix 86 NS-Kampfruf 88 Pahl-Rugenstein-Verlag 31 Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 113 134 Partei Gottes 115 PARTÄdegZAN (P) 105 f. Pionier 31 Plambeck & Co., Druck und Verlag GmbH 31 praxis 30 radikal 53 Rat der Frankreich-Deutschen 86 Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei (TDKP) 105, 106 Revolutionärer Weg 108 Revolutionäre Zellen (RZ) 18, 58, 65 ff. Rote Armee Fraktion (RAF) 18, 58 ff. rote blätter 31 Rote Brigaden (BR) 61, 68 Rote Fahne 46 Rote Zora 18, 58, 65 ff. ROTFÜCHSE 47 Samisdat Verlag 88 Schrittmacher 30 Schutzbund für Leben und Umwelt 98 Schutzbund für Volk und Kultur 98 Schwarze Garde 57 Schwarzer Faden 57 SIEG Aktuell-Jugend-Presse-Dienst 87 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 26, 36 ff. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 19, 24 Sozialistische Partei Türkisch-Kurdistan (TKSP) 111 Sozialistischer Hochschulbund (SHB) 26, 39 Sozialistische Zeitung (SOZ) 48 Stoßtrupp Renchen 85 TEBLIG 113 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 103 ff. Türkische Union Europa e.V. 112 Türkische VolksbefreiungsparteiAFront (THKP/-C) 105, 107 f. Unsere Zeit (UZ) 29 ff. Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. 112 f. 135 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) 47 f. Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) 112 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 26, 40 f. Verein zur Förderung des studentischen Pressewesens e. V. 50 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 109 Volksbewegung für die Republik Kosovo (LPRK) 117 Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) 97 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 114 Volksbewegung gegen Überfremdung (VBÜ) 75 Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) 49 Volkszeitung 41 Werwolf 21 85 Wiking-Jugend (WJ) 98 f. wirtschaftsentwicklung-aktuell 46 Wohlfahrtspartei (RP) 112 Zeitung für Kleinund Mittelbauern 46 136 Abkürzungsverzeichnis AA Antizionistische Aktion AD Action Directe ADÜTDF Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. AJV/ML Arbeiterjugendverband/Marxisten-Leninisten AKON Aktion deutsche Einheit AMGT Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V. ANS/NA Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten Antiko Antikommunistisches Aktionsbündnis ARF Aktion deutsches Radio und Fernsehen ARGK Volksbefreiungsarmee Kurdistans ASD Aktion Sauberes Deutschland ATIF Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. ATIK Konföderation türkischer Arbeitervereine in Europa BBI Bürgerund Bauerninitiative e.V. BP BOLSEVIK PARTIZAN BR Rote Brigaden BWK Bund Westdeutscher Kommunisten DBI Deutsche Bürgerinitiative e. V. DDF Die Deutsche Freiheitsbewegung DFF Deutsche Frauenfront DFF/MB Deutsche Frauenfront/Mädelbund DFLP Demokratische Front für die Befreiung Palästinas DFU Deutsche Friedens-Union DIDF Föderation der Türkischen Demokratischen Arbeitervereine in Deutschland e. V. DKP Deutsche Kommunistische Partei DNZ Deutsche National-Zeitung DVU-Liste D Deutsche Volksunion - Liste D ENO Europäische Neuordnung ER Ehrenbund RUDEL - Gemeinschaft zum Schutz der Front soldaten ERNK Nationale Befreiungsfront Kurdistans FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei 137 FAL) Freie Arbeiter-Union FAU-HD (A) Freie Arbeiter Union - Heidelberg (Anarchisten) FAUST Freie Arbeiter Union - Studenten FEYKA-Kurdistan Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e. V. FEYKA Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. FLI Forum für libertäre Information FL Friedensliste FN Front National FöGA Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen GAD Grüne Aktion Deutschland GFP Gesellschaft für Freie Publizistik e. V. GIM Gruppe Internationale Marxisten GNN Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung - Verlags-Gesellschaft Politische Berichte mbH HDP Kroatische Staatsbildende Bewegung HKO Kroatischer Koordinationsausschuß der Vereinigung der Ortsausschüsse des Kroatischen Nationalrats in der Bundesrepublik Deutschland e.V. HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. HNV Kroatischer Nationalrat HRK Befreiungseinheit Kurdistans HT Hrvatski Tjednik l.f.A. Initiative für Ausländerbegrenzung JN Junge Nationaldemokraten JP Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation KABD Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands KAH Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf HITLERS KB Kommunistischer Bund KBW Kommunistischer Bund Westdeutschlands KFAZ Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit KOMKAR Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. KPD Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion LPRK Volksbewegung für die Republik Kosovo MAB Marxistische Arbeiterbildung MAZ Marxistische Arbeiterzeitung 138 MB Mädelbund MCP Nationalistische Arbeiterpartei MG Marxistische Gruppe MHP Partei der Nationalen Bewegung MLBI Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller MLPD Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands MLSV Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband MSB Marxistischer Studentinnenund Studentenbund (MSB) Spartakus MSP Nationale Heilspartei MSZ Marxistische Streitund Zeitschrift NF Nationalistische Front NHB Nationaldemokratischer Hochschulbund NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSDAP-AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation P PARTÄdegZAN PFLP Volksfront für die Befreiung Palästinas PKK Arbeiterpartei Kurdistans RAF Rote Armee Fraktion RP Wohlfahrtspartei RZ Revolutionäre Zellen SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SHB Sozialistischer Hochschulbund SOZ Sozialistische Zeitung TDKP Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei THJKP/-C Türkische VolksbefreiungsparteiAFront TKP Kommunistische Partei der Türkei TKP/ML Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten TKSP Sozialistische Partei Türkisch-Kurdistan UZ Unsere Zeit VBÜ Volksbewegung gegen Überfremdung VOGA Volksbewegung für Generalamnestie VOLKSFRONT Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg VSP Vereinigte Sozialistische Partei VVN-BdA Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten WJ Wiking-Jugend 139 Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung von Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, daß dies als Parteinahme der Herausgeberin zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist es jedoch den Parteien, die Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden.