Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1985 Terrorismus Linksextremismus Rechtsextremismus Ausländerextremismus Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1985 Herausgeber: Innenministerium Baden-Württemberg, Dorotheenstraße 6, 7000 Stuttgart 1 Gesamtherstellung: Druckhaus Robert Kohlhammer, 7022 Leinfelden-Echterdingen Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers ISSN 0720-3381 2 Vorwort Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten und aufzuklären. Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes sind mithin Vereinigungen und Organisationen, die sich in ihrer Zielsetzung und Tätigkeit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten. Der Verfassungsschutz ist damit ein wichtiges, ja unverzichtbares Instrument unserer wehrhaften Demokratie. Seine Tätigkeit zielt darauf ab, Gefahren, die unserer freiheitlichen Staatsordnung drohen, frühzeitig zu erkennen. Erträgt so entscheidend mit dazu bei, unseren demokratischen Rechtsstaat von innen heraus zu stärken; er leistet einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Rahmenbedingungen, die wir für eine offene, demokratische Gesellschaftsordnung benötigen. Zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes gehört es auch, die Öffentlichkeit über die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen zu unterrichten. Denn es ist für den einzelnen Bürger wichtig zu wissen, von welchen Organisationen Bestrebungen ausgehen, die gegen unsere demokratische Staatsordnung gerichtet sind. Dadurch wird er in die Lage versetzt, sich gegen die verfassungsfeindlichen Organisationen zu entscheiden und so für unsere freiheitliche Demokratie einzutreten. Der vorliegende Verfassungsschutzbericht will dazu einen Beitrag leisten, indem er über die verfassungsfeindlichen Bestrebungen informiert. Der diesjährige Verfassungsschutzbericht verdeutlicht erneut, wie wichtig und notwendig die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden ist. Auch im Jahre 1985 waren wieder in erheblichem Umfang extremistische Bestrebungen rechter und linker Gruppierungen zu verzeichnen, die danach trachten, unsere Verfassungsordnung zu beseitigen. Im Bereich der Spionageabwehr blieb die Bundesrepublik Deutschland auch 1985 vorrangiges Ziel von Nachrichtendiensten der Länder des kommunistischen Machtbereichs. Deshalb ist ein leistungsfähiger Verfassungsschutz unverzichtbar. Den Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz, deren Erfolge nur in begrenztem Umfang in der Öffentlichkeit dargestellt werden können, danke ich für die Erfüllung ihrer schwierigen und verantwortungsvollen Aufgabe. Ihre Arbeit verdient besondere Anerkennung. Dietmar Schlee, MdL Innenminister des Landes Baden-Württemberg 3 Inhaltsübersicht Seite I. Linksextremistische Bestrebungen 17 1. Allgemeiner Überblick 17 2. Linksextremistischer Terrorismus 20 2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 20 2.1.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) - Kommandoebene 20 2.1.2 Unterstützerbereich der RAF 25 2.1.2.1 RAF-Umfeld in Baden-Württemberg 27 2.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 31 3. Organisationen der "Neuen Linken" 32 3.1 Revolutionär-marxistische Organisationen 32 3.1.1 ,,Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 32 3.1.2 "Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" -KPD36 3.1.3 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 37 3.1.4 "Kommunistischer Bund" (KB) 37 3.1.5 "Marxistische Gruppe" (MG) 38 3.2 Trotzkistische Organisationen 40 3.3 Anarchistische Bestrebungen 40 3.3.1 Autonome Gruppen 40 3.3.2 Anarcho-syndikalistische Gruppen 43 3.3.3 Anarchistische "Gewaltfreie Aktionsgruppen" 44 4. Organisationen der "Alten Linken" 46 4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 46 4.1.1 Ideologisch-politischer Standort 46 4.1.2 Organisation, Mitgliederentwicklung und Finanzierung 47 4.1.3 Publikationswesen und Schulung 50 4.1.4 Verlage und Druckereien 54 4.1.5 Beteiligung an Wahlen 54 4.1.6 Schwerpunkte der Agitation 56 4.2 Nebenorganisationen der DKP 60 4.2.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 60 4.2.2 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) 61 4.2.3 "Marxistischer Studentenbund Spartakus" (MSB Spartakus) 62 4.3 Von der DKP beeinflußte Organisationen 62 4.3.1 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) 64 4.3.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) 65 II. Rechtsextremistische Bestrebungen 67 1. Allgemeiner Überblick 67 2. Neonazistische Bestrebungen 68 2.1 Verbotene "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) 68 2.2 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 71 2.3 Neonazistische Bestrebungen in Baden-Württemberg 73 2.4 Einflußnahme auf jugendliche Randgruppen 74 2.5 Sonstige neonazistische Vereinigungen 76 2.5.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 76 2.5.2 NS-Gruppe Curt MÜLLER 76 2.5.3 "Deutsche Bürgerinitiative e.V." (DBI) 76 2.5.4 "Bürgerund Bauerninitiative e.V." (BBI) 77 2.5.5 "Nationalistische Front" (NF) 78 2.6 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund 79 2.7 Maßnahmen gegen rechtsextreme Aktivisten 80 2.8 Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus 82 3. Nationaldemokratische Organisationen 87 3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 87 3.2 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 89 3.3 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) 91 4. "National-Freiheitliche Rechte" 91 5. Sonstige rechtsextreme Vereinigungen 94 5.1 "Die Deutsche Freiheitsbewegung" (DDF) 94 5.2 "Wiking-Jugend" (WJ) 94 5.3 "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) 96 6. Rechtsextreme Publizistik 96 6 IM. Aktivitäten politisch extremer Ausländer 99 1. Allgemeiner Überblick 99 2. Türken 101 2.1 Organisationen der türkischen "Neuen Linken" 102 2.2 Orthodox-kommunistische türkische Organisationen 108 2.3 Linksextreme kurdische Gruppierungen 109 2.4 Türkische islamisch-nationalistische Vereinigungen 111 2.5 Türkische rechtsextreme Vereinigungen 113 3. Araber 114 4. Jugoslawen 116 4.1 "Kroatischer Nationalrat" (HNV) 117 4.2 "Kroatische Staatsbildende Bewegung" (HDP) 119 4.3 Kosovo-albanische Organisationen 120 IV. Zur Situation auf dem Gebiet der Spionagebekämpfung 121 1. Allgemeiner Überblick 121 2. Nachrichtendienstliche Aktivitäten der Ostblockstaaten 123 3. Werbung von Agenten 124 4. Allgemeine Hinweise 126 4.1 Geheimschutz 126 4.2 Empfehlungen zur Verbesserung des Geheimschutzes 127 4.3 Reisen in kommunistische Länder 128 4.4 Verhalten bei nachrichtendienstlichen Kontakten 129 V. Anhang 131 Übersicht der Mitgliederentwicklung der wichtigsten extremistischen Gruppierungen 131 Gruppen-, Organisationsund Publikationsregister 135 7 A. Rechtliche Grundlagen 1. Grundgesetz Art. 73 Nr. 10 Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung ü b e r . . . die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder... zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Qrundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) . .. Art. 87 Abs. 1 Satz 2 Durch Bundesgesetz können . . . Zentralstellen .. . zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 2. Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) vom 17. Oktober 1978 (GBl. S. 553) SS1 Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. SS2 Zuständigkeit (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Das Amt hat seinen Sitz in Stuttgart; es untersteht dem Innenministerium und ist ausschließlich für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zuständig. 9 (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Die Zuständigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz bleibt unberührt. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. SS3 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimzuhaltende Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimzuhaltenden Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. auf Anforderung der Einstellungsbehörde bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie auf Anforderung der Beschäftigungsbehörde bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei denen der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, daß sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. SS4 Befugnisse des Verfassungsschutzes (1) Bestehen Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 3 Abs. 1, ist das Landesamt für Verfassungsschutz in10 nerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken berechtigt, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die nachrichtendienstlichen Mittel anzuwenden, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. (2) Dem Landesamt für Verfassungsschutz und seinen Angehörigen stehen polizeiliche Befugnisse nicht zu. SS5 Amtshilfe und Auskunftserteilung (1) Die Behörden und Einrichtungen des Landes, die Gemeinden, die Gemeindeverbände, die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie die Gerichte des Landes und das Landesamt für Verfassungsschutz leisten sich gegenseitig Rechtsund Amtshilfe. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den in Absatz 1 genannten Stellen Auskünfte und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. (3) Die in Absatz 1 genannten Stellen unterrichten von sich aus das Landesamt für Verfassungsschutz über alle Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder dahin gehende Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; die Polizeidienststellen und -behörden übermitteln darüber hinaus auch alle ihnen bekannten Tatsachen und Unterlagen über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des SS 3 Abs. 1 Nr. 1. SS6 Weitergabe von Erkenntnissen an Dritte Das Landesamt für Verfassungsschutz darf seine Erkenntnisse nicht an andere als staatliche Stellen weitergeben, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist. Die Entscheidung über die Weitergabe trifft der Innenminister oder sein ständiger Vertreter. SS7 Parlamentarische Kontrolle (1) Das Innenministerium unterrichtet den Ständigen Ausschuß des Landtags über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß. (2) Art und Umfang der Unterrichtung des Ständigen Ausschusses werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzuganges durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt. 11 (3) Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes im Ständigen Ausschuß bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ständigen Ausschuß oder aus dem Landtag. (4) Die Unterrichtung umfaßt nicht Angelegenheiten, über die das Innenministerium das Gremium nach Artikel 10 Grundgesetz zu unterrichten hat. SS8 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung der vorläufigen Regierung über die Errichtung eines Landesamts für Verfassungsschutz vom 10. November 1952 (GBl. S. 49) außer Kraft. 3. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950 (BGBl. S. 682), geändert durch Gesetz vom 7. August 1972 (BGBl. S. 1382) SS1 (1) Der Bund und die Länder sind verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. (2) Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung. SS2 (1) Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern errichtet der Bund ein Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde. Es untersteht dem Bundesminister des Innern. (2) Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund bestimmt jedes Land eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. SS3 (1) Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 12 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Ferner wirken das Bundesamt für Verfassungsschutz und die nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände und Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Kontrollbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Absatz 1 und Absatz 2 ist es befugt, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Das Amt darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (4) Die Gerichte und Behörden und das Bundesamt für Verfassungsschutz leisten sich gegenseitig Rechtsund Amtshilfe (Artikel 35 GG). SS4 (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die in jedem Lande gemäß SS 2 Abs. 2 bestimmte Behörde über alle Unterlagen, deren Kenntnis für das Land zum Zwecke des Verfassungsschutzes erforderlich ist. (2) Die in den Ländern bestimmten Behörden unterrichten das Bundesamt über alle Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, von denen sie Kenntnis erhalten und die für den Bund, die Länder oder eines von ihnen von Wichtigkeit sind. (3) Ist gemäß SS 2 Abs. 2 eine andere als die Oberste Landesbehörde bestimmt, so ist die Oberste Landesbehörde gleichzeitig zu benachrichtigen. 13 SS5 (1) Die Bundesregierung kann, wenn ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes erfolgt, den Obersten Landesbehörden die für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes erforderlichen Weisungen erteilen. (2) Der Bundesminister des Innern kann im Rahmen des SS 3 den nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden Weisungen für die Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes erteilen. SS 4 Abs. 3 gilt sinngemäß. SS6 Das Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. 14 B. Verfassungsschutz durch Aufklärung Vorträge und Diskussionen zu Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes Der Schutz unserer Verfassungsordnung wird nicht nur dadurch erreicht, daß die Verfassungsschutzbehörden Aktivitäten verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen beobachten, auswerten und Regierung und Parlament davon unterrichten, sondern insbesondere auch dadurch, daß die Bürger selbst über Strategie und Taktik extremistischer Vereinigungen informiert werden. Die Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus kann auf lange Sicht wirkungsvoll nicht nur repressiv vom Staat, sie muß auch geistig-politisch von den Bürgern geführt werden. Dies setzt qualifizierte Information voraus. Von dieser Überlegung ausgehend beschloß die Innenministerkonferenz am 9. Dezember 1974 die Konzeption "Verfassungsschutz durch Aufklärung". Sie umfaßt. Information und Aufklärung über - die Verfassung, insbesondere über die Rechte, Pflichten und politischen Beteiligungsmöglichkeiten, die sie den Bürgern einräumt, - extremistische Strategien und Aktionen, verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Sinne der Verfassungsschutzgesetze und ihre ideologischen Hintergründe, - gesetzliche Grundlagen, Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise und Probleme des Verfassungsschutzes. In Baden-Württemberg werden die Aufgaben des Verfassungsschutzes durch Aufklärung vom Referat "Verfassungsschutz" im Innenministerium wahrgenommen. Im Rahmen dieser Konzeption bietet das Innenministerium an, einen Referenten zu Vorträgen und Diskussionen über Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes zu entsenden. D)e entstehenden Kosten trägt das Innenministerium. Das Angebot richtet sich an alle Träger der politischen Bildungsarbeit, an Lehrer, Studenten und Schüler, an Einrichtungen der Erwachsenenund Jugendbildung, an politische Par15 teien, Gewerkschaften, Berufsund Wirtschaftsverbände sowie an kirchliche Institutionen. Vorschläge für Vortragsbzw. Diskussionsthemen : * Verfassungsschutz im demokratischen Rechtsstaat * Verfassungsschutz und die Konzeption der wehrhaften Demokratie * Verfassungsschutz und Grundrechte * Rechtsgrundlagen, Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise der Ämter für Verfassungsschutz * Das Landesverfassungsschutzgesetz vom 17. Oktober 1978 * Die Befugnisse der Ämter für Verfassungsschutz und ihre politische, parlamentarische und gerichtliche Kontrolle * Verfassungsschutz und Datenschutz * Verfassungsschutz und Amtshilfe * linksextremer Terrorismus * rechtsextremer Terrorismus Organisation * orthodoxer Kommunismus politische * K-Gruppen Strategien und * undogmatische Neue Linke ideologische * alte Rechte Hintergründe * neonazistische Gruppen * Ausländerextremismus * Bündnispolitik der kommunistischen Parteien und Organisationen * Verhältnis des orthodoxen Kommunismus zum Eurokommunismus * Analyse rechtsextremer Propagandaund Agitationsmuster * Verfassungstreue im öffentlichen Dienst: Rechtslage und Durchführung des Beschlusses der Landesregierung * Spionageabwehr Interessenten für Vorträge oder Diskussionen können sich an die nachstehend angegebene Kontaktanschrift wenden; Innenministerium Baden-Württemberg Referat "Verfassungsschutz" Postfach 2 77, 7000 Stuttgart 1 Tel. 07 11/20 72-37 68 oder 20 72-33 58 16 I. Linksextremistische Bestrebungen 1. Allgemeiner Überblick Die Bedrohung durch den Linksterrorismus hat sich weiter verschärft. Äußeres Anzeichen hierfür ist die noch anhaltende Serie von Anschlägen, die nicht allein schwere Terrorakte der sogenannten Kommandoebene der "Roten Armee Fraktion" (RAF) sowie der "Revolutionären Zellen" (RZ) umfaßt, sondern ergänzt wird durch eine Vielzahl von Sprengstoffund Brandanschlägen gewaltbereiter Unterstützerund Nachahmergruppen. Eine neue Dimension hat die terrorristische Gefahr durch die konkreter werdenden Bemühungen um den Aufbau einer "westeuropäischen Guerilla" erhalten. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ist davon auszugehen, daß teils direkte, teils mittelbare Kontakte deutscher Terroristen zumindest nach Frankreich und Belgien bereits bestehen, was sich allein schon durch den Hinweis auf eine länderübergreifende Logistik belegen läßt. Auch wenn sich zu dem Sprengstoffanschlag auf die US-Air Base in Frankfurt am Main am 8. August 1985 (erstmals) die RAF und die französische "Action Directe" (AD) gemeinsam bekannten, ist den Terroristen dennoch ein entscheidender Durchbruch bei der Schaffung einer einheitlichen "westeuropäischen Front" noch nicht gelungen. Zahlenmäßig ist die RAF nach den Rekrutierungen des Jahres 1984 wieder stärker geworden als in den Jahren zuvor. Sie verfügt über einen Bestand von mehr als fünfzehn Kommando-Mitgliedern sowie über ein größeres, nur schwer eingrenzbares Unterstützerund Sympathisantenpotential. Fünf der mindestens zwölf innerhalb der letzten zwei Jahre in die Illegalität abgetauchten Personen kommen aus Baden-Württemberg. Aus der mit dem letzten Hungerstreik der "Gefangenen aus der RAF" (4. Dezember 1984 bis 2. Februar 1985) begonnenen sogenannten Offensive hat sich eine zweite kämpfende Ebene, die "Illegalen Militanten", gebildet. Diese zumindest zeitweise sich in der Illegalität bewegenden Zirkel beschränken sich nicht mehr ausschließlich auf die Wahrnehmung "klassischer" Aufgaben des terroristischen Umfelds. Ihnen müssen inzwischen zahlreiche schwere Gewaltakte zugerechnet werden. Die wiedererlangte Aktionsfähigkeit der RAF erhält ein zusätzliches Gefahrenmoment durch die deutlich erkennbare Bereitschaft zu einem noch bruta17 Das Bundeskriminalamt bittet um Mithilfe. Terroristen Diele Personen snd der Begehung i d i w e r e r Siroftoren dringond verdächtig und werden m t Haftbefehl an F " * i o h m e gesucht. FOr Knwwse, die zur ErgnsFung der BescruUgtanrQhren, And för jede gemchte Perwn b " zu 50.000 D M o h Belohnung ausgesetzt. Die BeUmungen werden unter AusscHuB des Reditsweget l u e i i o n n t und v e r t a t . Se sind r i d * für Personen besSmmt, n> deren B e n j f i p A d i e n d e Verfolgung s>r ofborer H t r d l u n g a n gehört, federn rfinweegeber steht e i Frei, bei der ObermMung von rtruveöen und beim Erhdl der Belohnung skfi e i * . Person . Verfrouens zu b e * n e n und dorn* den Behörden gegen - über voSg anonym zu bleiben. Bei U n w e s e n an Strofven'olgungsbehäden wird dem hSnweisoeberbiw. der Peison sein" Vertrauern VenYoukhkeil zugesdwH; <&ei y * auch h > Personen c u der ten-orHtisoSen Szene, H n w e n e m i m " jede Potzd- d e n s r i t d e entgegen. Hinweise an jede Polizeidienststelle. B e l o h n u n g bis ; u SO.DOD It M Fahndungsplakät terroristische Gewalttäter 18 leren, ungezielteren Vorgehen. Der dem Anschlag auf die Rhein-Main-Air Base vorangegangene Mord an einem amerikanischen Soldaten ist ein Indiz für den Fortfall einer weiteren Hemmschwelle bei der Tötung von Menschen. Unverändert sind Repräsentanten und Institutionen aus den Bereichen Militär, Justiz/Polizei und Politik mögliche Angriffsziele der RAF. Auch Einrichtungen multinationaler Konzerne sowie der Rüstungsund der Elektronikindustrie sind nach wie vor besonders gefährdet. Die terroristischen Aktivitäten der "Revolutionären Zellen" (RZ) und ihrer Frauengruppe "Rote Zora" haben 1985 wieder zugenommen. Blieb es im Jahre 1984 bei zehn vollendeten oder versuchten Anschlägen, so erhöhte sich diese Zahl 1985 auf 18 eindeutig der RZ zuzurechnende Gewaltakte. Regionale Schwerpunkte waren Nordrhein-Westfalen, das Rhein-Main-Qebiet, Berlin und Hamburg. Für die Existenz "Revolutionärer Zellen" in Baden-Württemberg gibt es - trotz des versuchten Anschlags auf den Neubau des Instituts für medizinische und biologische Forschung der Universität Heidelberg am 16. April 1985 - nach wie vor keine zureichenden Anhaltspunkte. An der Vielfalt der zum Bereich der "Neuen Linken" zählenden Organisationen hat sich wenig geändert. Besondere Beachtung verdienen vor allem die sogenannten autonomen Gruppen, deren Bereitschaft zur Militanz weiter gewachsen ist. Vermehrt kamen aus ihren Reihen, aber auch aus dem Kreis militanter anarchistischer Gruppen, ernstzunehmende Äußerungen, man wolle in der Frage der Gewaltanwendung nicht mehr zwischen Sachen oder Personen differenzieren. Von ihnen begangene Anschläge, gewalttätige Ausschreitungen, Sabotagehandlungen und Schmieraktionen waren auch 1985 wieder im gesamten Bundesgebiet zu beobachten. In Baden-Württemberg sind diesem linksextremen, gewaltbereiten Potential etwa 300 Personen zuzurechnen. Vergleichsweise unauffällig agierten dagegen die überwiegend bereits in den siebziger Jahren entstandenen maoistischen und trotzkistischen Zusammenschlüsse. Eine begrenzte Aufmerksamkeit erzielte die "Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" -KPDwegen der Abspaltung eines Teils ihrer Mitglieder, welche die dogmatische marxistisch-leninistische Ausrichtung der Partei durch eine von der Führung beabsichtigte Programmänderung bedroht sahen. Trotz dieser Schwächung gab die KPD ihre Bemühungen, sich mit der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) zu vereinigen, nicht auf. Der "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) ist ebenfalls kaum mehr fähig, aus eigener Kraft besondere Aktivitäten zu entfalten. Eine nennenswerte Vergrößerung des Mitgliederbestands gelang nur der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) auf nunmehr 1.300 Personen (Baden-Württemberg: 650) sowie der "Marxistischen Gruppe" (MG) auf 1.700 Angehörige (Baden-Württemberg: 85). 19 Die zahlenmäßig stärkste und einflußreichste linksextreme Organisation im Bundesgebiet blieb die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP). Sie repräsentiert zusammen mit zahlreichen von ihr gesteuerten oder beeinflußten Vereinigungen die an der traditionellen ideologischen Linie der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) orientierte sogenannte Alte Linke. Die DKP richtete auch im Jahre 1985 ihre gesamte öffentliche Tätigkeit danach aus, ihren Einfluß systematisch zu verstärken und zu erweitern. Diesem Ziel dienten beispielsweise ihre Beteiligung an Aktivitäten der "Friedensbewegung", die ihr zahlreiche Kontakte auch zu nichtextremistischen Gruppen eröffnete, und das polemische, bisweilen aggressive Anprangern behaupteter Mißstände in der Sozialund der Wirtschaftspolitik. Obwohl sie in ihrem Bemühen, anerkannter Bündnispartner nichtkommunistischer Kräfte im "außerparlamentarischen Kampf" zu werden, in freilich begrenztem Maße weiter vorangekommen ist, gelang der Partei letztlich weder eine Verbesserung ihrer Wahlergebnisse noch eine Erhöhung ihres Mitgliederbestandes. 2. Linksextremistischer Terrorismus 2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 2.1.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) - Kommandoebene Die linksterroristische "Rote Armee Fraktion" hat im Jahre 1985 ihre neuerliche "Offensive", die sie am 18. Dezember 1984 mit dem versuchten Sprengstoffanschlag eines "Kommandos Jan RASPE" auf die Bundeswehrverwaltungsschule IV (NATO-Schule) in Oberammergau begonnen hatte, mit weiteren schweren Gewalttaten fortgesetzt: - Am 1. Februar 1985 wurde der Vorsitzende der Geschäftsführung der Firma Motorenund Turbinen-Union (MTU) und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftfahrt-, Raumfahrtund Ausrüstungsindustrie (BDLI), Dr. Ernst ZIMMERMANN, in seinem Wohnhaus in Gauting bei München ermordet. Zwei unbekannte Täter hatten sich in den Morgenstunden unter einem Vorwand Einlaß verschafft und auf Dr. ZIMMERMANN - nachdem er auf einen Stuhl gefesselt worden war - aus nächster Nähe einen Schuß abgefeuert. Wenige Stunden nach dem Attentat bekannte sich in einem Telefonanruf an die örtliche Presse ein "Kommando Patsy O'HARA" der RAF zu dem Mord. Eine schriftliche Erklärung wurde nach einem telefonischen Hinweis am 3. Februar 1985 in Stuttgart aufgefunden. - Am 8. August 1985 detonierte auf dem militärischen Teil der amerikanischen Rhein-Main-Air Base in Frankfurt am Main ein in einem Personenwagen deponierter Sprengsatz. Dabei kamen zwei amerikanische Staatsbür20 RAF-Anschlag Frankfurt ger ums Leben, zahlreiche weitere Personen wurden schwer verletzt. Unter der Bezeichnung "Kommando George JACKSON" bekannten sich die deutsche RAF und die französische Terrorgruppe "Action Directe" (AD) erstmals gemeinsam zu einem Anschlag. Um den Terrorakt auf die Air Base ausführen zu können, hatten Angehörige der RAF in der Nacht zum 8. August 1985 in Wiesbaden den amerikanischen Soldaten Edward PIMENTAL ermordet, mit dessen Identification Card die Täter auf das Flughafenareal gelangten. In einer Erklärung vom 25. August 1985 wurde versucht, dieses Verbrechen gegenüber der Unterstützer-"Szene" zu rechtfertigen: "Wir haben Edward Pimentai erschossen,. . . weil wir seine ID-Card gebraucht haben, um auf die Air Base zu fahren." Über die lapidare Bekennung zur Ermordung eines einfachen Soldaten hinaus wurde weiter erklärt: "Die Bestimmung der Aktion (Anmerkung: gegen die Air Base) war, eine Schaltstelle der US-Militärmaschine - ZENTRUM DER IMPERIALISTISCHEN KRIEGSFÜHRUNG - aus der Funktion zu bringen. Das heißt: ma21 teriell gegen ihre Kommandozentrale . . . und alle Soldaten, die im HC (Anmerkung: Headquarters) oder sonst irgendwo .ihren Job machen' . . . Nach Vietnam, Libanon, Grenada und der offiziellen Einführung der AirLand-Battle-Doktrin . . . muß jeder Gl begreifen, daß er dafür bezahlt wird, Krieg zu führen, d. h., ALLE MÜSSEN BEGREIFEN; DASS KRIEG IST - UND SICH ENTSCHEIDEN." Die RAF hat mit dieser Tat eine neue Stufe der Gewalt erreicht, die selbst in Kreisen des terroristischen Umfelds teilweise auf Ablehnung stößt. Neben Befürwortern des Mordes - diese zählen zu den bedingungslosen Unterstützern der Terroristen - äußern andere "Szenen"-Angehörige heftige Kritik und kommen - so in dem Sprachrohr antiimperialistischer europäischer Terrorgruppen, der niederländischen Zeitschrift "DE KNISPELKRANT" - zu dem Schluß: Daß die Eskalation der Gewalt nicht durchgehend mitgetragen wird, zeigt auch die Selbstgestellung des mit internationalem Haftbefehl gesuchten ehemaligen RAF-Unterstützers Martin THIEL aus Saarbrücken am 2. Dezember 1985. Neben der sich weiter steigernden Brutalität war die fortschreitende Internationalisierung kennzeichnendes Moment der Entwicklung der linksterroristischen RAF im Jahre 1985. Sie betont bereits seit Jahren die Notwendigkeit der Bildung einer "westeuropäischen Guerilla". In einer im Januar 1985 veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der RAF und der französischen "Action Directe" war der Wille dieser Gruppen zur Zusammenarbeit herausgestellt worden: "wir sagen es ist jetzt notwendig und möglich, eine neue phase für die entwicklung authentischer revolutionärer Strategie in den imperialistischen Zentren zu eröffnen und als eine bedingung für diesen qualitativen sprung die internationale organisation des proletarischen kampfs in den metropolen, ihren politisch-militärischen kern: westeuropäische guerilla zu schaffen." 22 Zusammen Kämpfen Den Widerstand zur Schärfe der wirklichen Situation entwickeln vervielfältigen - weitergeben ! 23 Die Anschläge beider Terrorgruppen im Jahre 1985 zeigen, daß die praktische Umsetzung der Forderung nach länderübergreifenden Aktionen ein beachtliches Stück vorangekommen ist. Es muß inzwischen davon ausgegangen werden, daß zumindest zwischen der RAF und der "Action Directe" in der Tat eine partielle Zusammenarbeit im ideologischen, propagandistischen und logistischen Bereich besteht. Erste wesentliche Indizien für ein solches Zusammenwirken waren die sowohl zeitlich als auch von der Begründung her abgestimmten Mordanschläge der "Action Directe" auf den Direktor der Abteilung für internationale Angelegenheiten im französischen Verteidigungsministerium, General Rene AUDRAN, am 25. Januar 1985 in Paris und der RAF auf Dr. Ernst ZIMMERMANN am 1. Februar 1985 in Gauting bei München. Die Opfer waren als führende Vertreter des sogenannten militärisch-industriellen Komplexes (MIK) bezeichnet worden. Die gemeinsame Tatbekennung von RAF und AD zu dem Sprengstoffanschlag auf die Rhein-Main-Air Base am 8. August 1985 in Frankfurt am Main unterstreicht die fortschreitende Zusammenarbeit. Es ist zu befürchten, daß die RAF ihre neuerliche Anschlagsserie fortsetzen wird. Dafür spricht auch die personelle und logistische Konsolidierung der illegalen Kommandoebene. Die Terrorgruppe hat sich seit 1984 personell wieder so weit gefestigt, daß trotz einer Festnahme und einer Selbstgestellung im Jahre 1985 gegenwärtig von mehr als 15 Illegalen ausgegangen werden muß. Ferner waren mehrere Versuche, den logistischen Bereich noch weiter auszubauen, zu erkennen. Dabei kann nicht übersehen werden, daß der süddeutsche Raum und in besonderem Maße Baden-Württemberg zu einem bevorzugten Aktionsgebiet terroristischer Gewalttäter geworden ist: - Anfang Januar 1985 wurden aus einem Sprengstofflagerraum einer Zementfabrik in Geisingen/Kreis Tuttlingen zahlreiche Sprengzünder und Sprengschnüre entwendet. Es gibt sichere Anhaltspunkte für den Verdacht, daß der Diebstahl von der RAF begangen wurde. - Im Juni 1985 wurde in Offenbach eine auch als Depot genutzte Wohnung entdeckt, in der unter Falschnamen mehrere dem terroristischen Umfeld in Frankfurt am Main zuzurechnende und inzwischen inhaftierte Personen gewohnt hatten. Die Räumlichkeiten sollten offensichtlich für im Untergrund lebende Mitglieder der RAF abgeklärt und diesen dann zur Verfügung gestellt werden. In dem von den Unterstützern genutzten Zimmer wurden fünf großkalibrige Faustfeuerwaffen, Munition sowie mehrere inund ausländische Personaldokumente aufgefunden. - Am 28. Juli 1985 versuchten unbekannte Täter, aus dem Sprengstoffbunker eines Kieswerks in Ottenhöfen/Ortenaukreis größere Mengen von Sprengstoff zu stehlen. Indessen konnte diese terroristische Beschaffungsaktion - das Vorgehen und verschiedene Spuren weisen eindeutig 24 auf einen derartigen Täterkreis hin - durch das besonnene Verhalten eines Werksangehörigen verhindert werden. - Am 11. September 1985 wurde in Tübingen eine zu diesem Zeitpunkt bereits verlassene, von der RAF über ein Jahr lang konspirativ genutzte Wohnung entdeckt. Dort hatten sich seit Sommer 1984 die in die Illegalität abgetauchte ehemalige Stuttgarter RAF-Umfeldangehörige Barbara MEYER sowie - zumindest zeitweise - weitere mit Haftbefehl gesuchte mutmaßliche Terroristen aufgehalten. - Nach Auswertung der in dem RAF-Stützpunkt in Tübingen aufgefundenen Unterlagen steht inzwischen fest, daß der für einen Raubüberfall am 3. Juni 1985 in Kirchentellinsfurt/Kreis Tübingen benutzte Personenkraftwagen von RAF-Kadern beschafft worden war. Die Täter, die mit äußerster Brutalität vorgingen, erbeuteten bei der Aktion gegen einen Supermarkt 157.000-DM. - Am 27. September 1985 wurden vor einer Bank in Ludwigsburg zwei Geldbotinnen überfallen und mit einem in Zeitungspapier eingewickelten Meißel niedergeschlagen. Einer der beiden Täter entkam mit der Beute von 16.000DM, der andere konnte festgenommen werden. Bei ihm handelte es sich um das gesuchte mutmaßliche RAF-Mitglied Karl-Friedrich GROSSER aus Heidelberg. GROSSER war erst im April 1984 aus der Haft - er verbüßte eine Freiheitsstrafe wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung - entlassen worden und im November 1984 abgetaucht. 2.1.2 Unterstützerbereich der RAF Die im Untergrund operierenden Mitglieder der RAF hatten in einem vom April 1984 stammenden Positionspapier die Bedeutung einer "gemeinsamen Front" von Illegalen, Inhaftierten und dem Unterstützerbereich erneut hervorgehoben. Daß sich die Angehörigen des RAF-Umfelds tatsächlich an diesem Konzept orientieren, unterstreicht folgende, in der Februar-Ausgabe 1985 der Stuttgarter Alternativzeitschrift "s'Blättle" veröffentlichte Erklärung: "wir, der widerstand, die gefangenen und die guerilla kämpfen gemeinsam für das gleiche ziel, wir kämpfen dafür auf verschiedenen ebenen (legalität, knast, illegalität)". Jüngstes Beispiel des Zusammenwirkens der verschiedenen Ebenen mit dem Ziel einer "gemeinsamen Offensive" war der am 4. Dezember 1984 begonnene bundesweite Hungerstreik einsitzender bereits verurteilter sowie mutmaßlicher Terroristen, an dem sich zeitweise über 30 "politische Gefangene" beteiligten. Obwohl erneut die Verbesserung der angeblich unmenschlichen Haftbedingungen als Ziel der Aktion bezeichnet wurde, diente der Hungerstreik in Wirklichkeit der Mobilisierung "draußen": 25 "wir wollen die einheit aller politischen gefangenen im kämpf um befrei- u n g . . . und zusammenkommen mit allen, die den bruch mit diesem system gemacht haben, die gegen knast, Staat, Imperialismus und staatsdenken von den revolutionären kämpfen, initiativen und erfahrungen der letzten jähre ausgehen, die konsequenz daraus wollen im gemeinsamen angriff jetzt. . . es geht also nicht um aufklärung über die tatsache der folter, es geht um revolutionäre gegenmacht und aktion . . . " Tatsächlich begann dann Mitte Dezember 1984 eine ganze Serie von Anschlägen zur Unterstützung der Forderungen des Hungerstreiks, die in dem versuchten Sprengstoffanschlag auf die NATO-Schule in Oberammergau (18. Dezember 1984) und der Ermordung von Dr. Ernst ZIMMERMANN am 1. Februar 1985 gipfelte. Unmittelbar danach nahm die Mehrzahl der Inhaftierten wieder Nahrung zu sich. In einem am 3. Februar 1985 in Stuttgart aufgefundenen Aufruf der RAF "AN DIE GEFANGENEN REVOLUTIONÄRE", sofort "den Streik aufzuhören", wurde erklärt, er habe das, "was er an Mobilisierung erreichen konnte", bewirkt. Im Verlauf des Hungerstreiks und der dadurch bundesweit ausgelösten Anschlagswelle wurde deutlich, daß sich inzwischen neben dem in der Illegalität operierenden Kommandobereich eine "zweite kämpfende Ebene" der RAF, die sich als "illegale Militante" bezeichnet, herausgebildet hat. Als beispielhaft für deren Aktionen können die versuchten oder vollendeten Sprengstoffanschläge auf - das Gebäude der technischen Rüstungsmission der französischen Botschaft am 31. Dezember 1984 in Bonn, - zwei Marineplanungsunternehmen am 8. April 1985 in Hamburg, - das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung am 3. Mai 1985 in Koblenz und - die NATO-Pipeline am 4. Mai 1985 in Ehringshausen/Hessen gelten. Bezeichnenderweise bestehen bei all diesen Anschlägen eindeutige Tatmittelzusammenhänge, die Verbindungen auch zur Kommandoebene erkennen lassen. Das kann nur bedeuten, daß die "illegalen Militanten", die sich überwiegend in der "Legalität" bewegen dürften, Beziehungen zu den im Untergrund tätigen Mitgliedern der RAF unterhalten und ihre Anschläge mit diesen abstimmen. Mit ihrer Namensgebung bringen sie zudem zum Ausdruck, daß sie das "klassische" Betätigungsfeld des RAF-Unterstützerbereichs (Zusammenstellung von Informationsmaterial, Aufgreifen von RAFspezifischen Themen in der Öffentlichkeit, Häftlingsbetreuung) zumindest 26 zeitweise verlassen. Durch das Auftreten der "illegalen Militanten" werden die Grenzen zwischen den "militärischen" Aktionen der Kommandos und dem militanten Vorgehen der Unterstützer noch fließender. 2.1.2.1 RAF-Umfeld in Baden-Württemberg Der engere Unterstützerbereich der RAF in Baden-Württemberg, der aus mehreren zahlenmäßig nur schwer einzugrenzenden Aktivistenzirkeln besteht, konzentriert sich personell und räumlich auf die Städte Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim, Stuttgart, Freiburg und Tübingen. Das beherrschende Thema bildete zum Jahresanfang auch für die Unterstützer in unserem Bundesland der Hungerstreik der Inhaftierten. Die Agitation wurde aus diesem Anlaß erheblich verstärkt. Gleichzeitig war zu beobachten, daß Angehörige dieses Personenkreises - auch über den aktuellen Anlaß der Streikaktion hinaus - in zunehmendem Maße zu militanten Aktionen übergingen: - Am 2. Januar 1985 wurde im noch nicht fertiggestellten Neubau des Instituts für medizinische und biologische Forschung der Universität Heidelberg ein Brandsatz entdeckt. Mit einer am Gebäude angebrachten Farbschmiererei wurde die Zusammenlegung der "politischen Gefangenen" gefordert. - Am 3. Januar 1985 wurde auf das Wachhaus des US-Flugplatzes in Heidelberg ein Brandanschlag verübt. Die unbekannt gebliebenen Verfasser eines schriftlichen Tatbekenntnisses gaben vor, die Aktion aus "SOLIDARITÄT MIT UNSEREN KÄMPFENDEN HUNGERSTREIKENDEN GENOSSEN IN DEN VERNICHTUNGSTRAKTEN" durchgeführt zu haben. - Am gleichen Tag kam es an einem Bankgebäude in Pforzheim zu Sachbeschädigungen, am 6. Januar 1985 wurde in einem Kaufhaus ein Brand gelegt. Es entstand Sachschaden von etwa 100.000DM. Unter Hinweis auf den Hungerstreik der Inhaftierten bekannten sich "Aktive Rebellen" zu beiden Aktionen. Die beiden jugendlichen Täter wurden inzwischen wegen Brandstiftung, Sachbeschädigung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung je zu einer dreijährigen Jugendstrafe verurteilt. - Am 19. Januar 1985 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf eine Datenverarbeitungsfirma in Karlsruhe. Der Sachschaden belief sich auf rund 400.000,DM. Im Bekennerschreiben wurde ebenfalls auf den Hungerstreik hingewiesen. - Der schwerste Anschlag ereignete sich am 20. Januar 1985 in StuttgartVaihingen. Vor einem Rechenzentrum explodierte offenbar vorzeitig ein 27 Sprengsatz, wobei der Bombenleger, der seit Jahren im Karlsruher RAFUmfeld aktive Johannes THIMME, ums Leben kam. Seine Begleiterin, die Karlsruherin Claudia WANNERSDORFER, wurde schwer verletzt festgenommen. - Am 9. Februar 1985 ging einer Zeitungsredaktion in Karlsruhe ein Bekennerschreiben zu einem bis dahin nicht entdeckten Brandanschlag auf dem Gelände der amerikanischen Gerzewsky-Kaserne in Karlsruhe-Knielingen zu. Eine Nachschau ergab, daß an sieben nebeneinander abgestellten USLastkraftwagen Brandsätze in die geöffneten Tankeinfüllstutzen eingeführt worden waren. In der Bekennung hieß es: "jede aktion, jede form von widerstand, die sich gegen das imperialistische system richtet, ist ein baustein zur entwicklung der antiimperialistischen front, front definiert sich für uns nicht nur durch angriffe wie gegen buback, ponto, Schleyer, haig, kroesen, oberammergau . . . sondern auch durch aktionen wie unsere, demos, Veranstaltungen und die entwicklung von bewußtsein bei sich und anderen." Damit knüpften die Angehörigen des RAF-Umfelds wieder an die "kämpferischen Aktionen" des Jahres 1984 gegen die "NATO-Militärmaschine" an, mit denen sie die Forderung nach einer Front vermitteln wollen. - Am 8. April 1985 wurde auf einen Schieberschacht der NATO-Pipeline bei Iggingen/Ostalbkreis ein Sprengstoffanschlag verübt, wobei Sachschaden von etwa 70.000,DM entstand. In einem schriftlichen Bekenntnis einer "Kämpfenden Einheit Ulrike Meinhof - REVOLUTIONÄRE ZELLEN" interpretierten die - trotz des in dieser Bezeichnung enthaltenen Hinweises auf "Revolutionäre Zellen" dem RAF-Umfeld zuzurechnenden - Verfasser die Tat "nicht nur als Angriff auf die Kriegsmaschinierie der Nato, sondern als eine Möglichkeit des anti-imperialistischen Kampfes - gegen Nato, Staat und Kapital". - Am 14. Juni 1985 mißlang auf dem Gelände der Kilbourne-Kaserne in Schwetzingen der Versuch, ein Fahrzeug der US-Armee in Brand zu setzen: "Unser anschlag soll den yankees vor äugen führen, daß sie sich in ihrer präsenz hier niemals sicher fühlen können." - In der Nacht zum 9. September 1985 versuchten Unbekannte auf dem Gelände des US-Hospitals in Stuttgart-Bad Cannstatt mehrere Fahrzeuge der amerikanischen Armee "abzufackeln". Die mutmaßlichen Täter kommen in ihrem Bekennerschreiben - neben billigenden Bemerkungen zu der Ermordung eines amerikanischen Soldaten durch die RAF im August 1985 in 28 Wiesbaden - zu dem Schluß, die Organisierung illegaler Handlungsräume sei notwendig, um zur Gegenmacht zu werden. - In der Nacht zum 14. Oktober 1985 explodierte vor dem Ausstellungsraum einer Automobilfirma in Schwäbisch Gmünd ein Sprengsatz. Wenige Minuten später wurde auf einen Mast einer Überlandleitung im Raum Schwäbisch Gmünd ein Sprengstoffanschlag verübt. In der Bekennung, die der Diktion der RAF folgt, werden die "kämpfenden Revolutionäre in den imperialistischen Metropolen" in einen Zusammenhang mit dem "Befreiungskampf der Schwarzen in Südafrika" gebracht. - Ein Brandanschlag auf dem Gelände einer Stuttgarter Baufirma verursachte am Morgen des 13. Dezember 1985 erheblichen Sachschaden. Die mit "Hau weg den Scheiss - Sektion Süd" gezeichnete Bekennung läßt darauf schließen, daß die Täter aus militanten, linksextremistisch orientierten Kreisen stammen, die Bezüge zum RAF-Umfeld haben. Abgehoben wird darin besonders auf die wichtige Rolle der "deutschen Atompolitik im Rahmen der engeren militärischen Zusammenarbeit in Westeuropa mit dem Ziel einer westeuropäischen Verteidigungsgemeinschaft als 2. Säule der NATO". Die gegenüber den Vorjahren erheblich angestiegene Zahl von Anschlägen militanter RAF-Anhänger verdeutlicht die gewachsene Neigung eines Teils des terroristischen Umfelds, die Ziele der RAF auch mit Gewalt zu unterstützen. Parallel hierzu läuft unverändert die sogenannte politische Arbeit, die sich zu Beginn des Jahres 1985 vor allem mit dem Thema "Hungerstreik" beschäftigte. Aus diesem Anlaß wurden auch in Baden-Württemberg eine Vielzahl von Zusammenkünften und mehrere Demonstrationen organisiert. Wegen des vorgeblichen, stark in den Vordergrund gerückten humanitären Aspekts der Kampagne beteiligten sich an solchen Veranstaltungen auch Personen und Gruppierungen, die ansonsten dem terroristischen Umfeld eher ablehnend gegenüberstehen. Die im Zusammenhang damit erwartete Stärkung des Unterstützerpotentials stellte sich indes nicht ein. Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand! 29 Nach dem Abbruch des Hungerstreiks, unmittelbar nach dem Mordanschlag auf Dr. ZIMMERMANN, konzentrierten sich die Aktionen des RAF-Umfelds wieder auf die traditionellen Schwerpunkte. Neben der Betreuung inhaftierter Terroristen und der Agitation gegen deren angeblich unmenschliche Haftbedingungen bildeten vor allem die aktuellen Strafverfahren gegen mutmaßliche terroristische Gewalttäter und deren Unterstützer den Gegenstand massiver Polemik. Welche Bedeutung das RAF-Umfeld diesen Verfahren beimißt, ergibt sich aus einem Flugblatt, in dem zum Besuch der Hauptverhandlung gegen drei mutmaßliche Terroristinnen aufgerufen wurde: "die prozesse sind uns wichtig, weil sie für die genoss-inn-en auch immer 'ne möglichkeit sind, was zur situation, zu ihrem kämpf zu sagen und für uns 'ne möglichkeit, was von ihnen mitzukriegen." Am 2. April 1985 verkündete das Oberlandesgericht Stuttgart das Urteil in der Strafsache gegen Brigitte MOHNHAUPT und Christian KLAR. Das Gericht befand die Angeklagten für schuldig, an den Mordanschlägen des Jahres 1977 auf Generalbundesanwalt BUBACK und seine Begleiter sowie auf den Bankier Jürgen PONTO und ferner an der Entführung und Ermordung von Dr. Hanns-Martin SCHLEYER und der Tötung der seinen Begleitschutz bildenden Beamten beteiligt gewesen zu sein und verhängte je fünfmal eine lebenslange und eine weitere 15jährige Freiheitsstrafe. Seit dem 1. Oktober 1985 wird vor dem Oberlandesgericht Stuttgart in dem Strafverfahren gegen die mutmaßlichen RAF-Mitglieder Manuela HAPPE, Christa ECKES und Ingrid JAKOBSMEIER verhandelt. Manuela HAPPE war am 22. Juni 1984 in der Nähe von Deizlsau/Kreis Esslingen festgenommen worden, nachdem sie bei einer Ausweiskontrolle mit einer großkalibrigen Waffe auf zwei Polizeibeamte geschossen hatte. Christa ECKES und Ingrid JAKOBSMEIER waren am 2. Juli 1984 in einer konspirativen Wohnung der RAF in Frankfurt am Main zusammen mit weiteren mutmaßlichen RAF-Angehörigen gefaßt worden. Am 23. Oktober 1985 begann gleichfalls vor dem Oberlandesgericht Stuttgart die Hauptverhandlung gegen die Karlsruher Unterstützerin Claudia WANNERSDORFER. Sie war am 20. Januar 1985 an dem versuchten Sprengstoffanschlag auf ein Rechenzentrum in Stuttgart-Vaihingen, bei dem der mutmaßliche Bombenleger Johannes THIMME tödlich verletzt wurde, beteiligt. Frau WANNERSDORFER wurde am 6. Dezember 1985 zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. In einem im November 1985 in dem Stuttgarter Alternativorgan "s'Blättle" veröffentlichten Beitrag zum "Prozeß gegen Claudia WANNERSDORFER" wird die gewachsene Militanz der Unterstützerszene besonders deutlich: 30 "In der Aktion, die Jonas (Anmerkung: Johannes THIMME) und Claudia (Anmerkung: Claudia WANNERSDORFER) gemacht hatten, konnte sich jeder wiedererkennen, der selbst egal wo, egal auf welcher Ebene - gegen die NATO-Kriegsstrategie kämpft." 2.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Die Aktivitäten der "Revolutionären Zellen" und ihrer Frauengruppe "Rote Zora" haben wieder zugenommen: bundesweit stieg die Zahl der Anschläge oder Anschlagsversuche auf 18 an (1984: 10). Die terroristischen Kleingruppen der RZ, die überwiegend nicht im Untergrund leben, sondern aus der "Legalität" heraus handeln, scheinen nach einer eher theorieorientierten Phase wieder stärker die Aktion in den Vordergrund stellen zu wollen. Dabei hat sich die Zielrichtung der Anschläge nicht wesentlich geändert: mit dem Aufgreifen umstrittener politischer Themen sollen tatsächliche, häufiger vermeintliche Anliegen und Bedürfnisse vieler Menschen artikuliert werden. Die in durchweg aktuelle Zusammenhänge gestellten Gewalttaten sollen dadurch größeren Bevölkerungsgruppen besser "vermittelt" werden können Regionaler Schwerpunkt des RZ-Terrorismus blieb das Land NordrheinWestfalen, jedoch kam es 1985 auch in Baden-Württemberg zu einem versuchten Sprengstoffanschlag der "Roten Zora": - Am 16. April 1985 wurde im Neubau des Instituts für medizinische und biologische Forschung der Universität Heidelberg ein Sprengsatz aufgefunden, der jedoch, ohne Schaden anzurichten, verpufft war. In einem in Koblenz abgesandten Tatbekenntnis der "Roten Zora" wurde insbesondere die Genforschung heftig angegriffen: "ES RÜHRT SICH WIDERSTAND . .. UNSERE HOFFNUNG AUF BEFREIUNG NÄHRT SICH AUS DEM KAMPF GEGEN DIESES MENSCHENFEINDLICHE SYSTEM UND SEINE TECHNOLOGIE. FRAUEN, STÖRT IHR PROGRAMM, LASST DIE HERREN NICHT IN RUHE FORSCHEN, SCHAFFT FÜR DIESES LAND EIN UNGÜNSTIGES INVESTITIONSKLIMA AUF ALLEN EBENEN: GRUSS UND KUSS ROTE ZORA" Trotz dieses Anschlagsversuchs in Heidelberg gibt es keine Hinweise für die Existenz einer "Revolutionären Zelle" oder einer Gruppe der "Roten Zora" in Baden-Württemberg. Vielmehr ist anzunehmen, daß die Täter sich lediglich zur Durchführung ihrer Aktion für kurze Zeit in Heidelberg aufgehalten haben. 31 Mehrere Gewaltakte in unserem Land, zu denen sich sogenannte Kämpfende Einheiten mit dem Zusatz "Revolutionäre Zellen" bekannten, müssen dem militanten RAF-Umfeld oder zumindest von diesem beeinflußten Gruppierungen zugerechnet werden. 3. Organisationen der "Neuen Linken" 3.1 Revolutionär-marxistische Organisationen 3.1.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 als Nachfolgeorganisation des "Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschlands" (KABD) gegründete "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) bekennt sich unverändert zum Marxismus-Leninismus maoistischer Prägung. Ideologische Basis ihrer Tätigkeit sind das im Juni 1982 auf dem I. Parteitag verabschiedete Grundsatzprogramm und das Statut. Darin sind als die Ziele der MLPD der "Sturz der kapitalistischen Herrschaft" und die "Einführung der sozialistischen Gesellschaftsordnung" in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt worden. Dies hat der Vorsitzende der Partei, Stefan ENGEL, in einem Interview im Zentralorgan "Rote Fahne", Nr. 3 vom 19. Januar 1985, erneut bekräftigt: Die MLPD . . . kämpft für die Befreiung der Arbeiterklasse vom Joch der Ausbeutung und Unterdrückung gemäß den Lehren des wissenschaftlichen Sozialismus." In offenkundiger Überschätzung ihrer Möglichkeiten erklärt die Organisation unaufhörlich, die "Arbeiterklasse" könne dieses "strategische Ziel des Klassenkampfes" allein unter der Führung einer "revolutionären Partei", nämlich der MLPD als der "Arbeiterpartei der Zukunft", erreichen. Immerhin konnte sie im Jahre 1985 - im Gegensatz zu den meisten übrigen Gruppen der "Neuen Linken" - einen weiteren Mitgliederzuwachs verzeichnen: Sie hat gegenwärtig bundesweit nahezu 1.300 Mitglieder (1984: 1.100). Dem entspricht auch die Entwicklung in Baden-Württemberg, wo mit etwa 650 Personen (1984: 550) die Hälfte des gesamten Bestandes organisiert ist. Dazu kommt eine nicht exakt eingrenzbare Zahl von Sympathisanten: so beteiligten sich allein an zwei öffentlichen zentralen Veranstaltungen der MLPD in Köln und Düsseldorf jeweils über 2.000 Anhänger aus dem gesamten Bun32 desgebiet. Dennoch mußte die Führung einräumen, daß man von dem Ziel, die "Partei der Massen" zu werden, noch weit entfernt ist. Nennenswerte Änderungen an der Organisationsstruktur sind 1985 nicht vorgenommen worden, Sitz des Führungsgremiums der Partei, des Zentralkomitees, ist nach wie vor Essen. In Baden-Württemberg gliedert sich die MLPD in die drei Bezirksverbände Baden, Nordwürttemberg und Süd (einschließlich Bayern), denen derzeit 26 Orts-, Stadtteilund Wohngebietsgruppen nachgeordnet sind. Die Finanzierung der vielfältigen öffentlichen Aktivitäten und des im Jahre 1985 weiter ausgebauten Parteiapparats sowie die Entlohnung der hauptamtlich tätigen Funktionäre erfolgt offenbar ausschließlich aus den Beiträgen und Spenden der Mitglieder und Anhänger. Hinweise auf eine Fremdfinanzierung gibt es nicht. Die MLPD konzentrierte auch im Jahre 1985 ihre gesamte Tätigkeit darauf, ihren Bekanntheitsgrad unter den "werktätigen Massen" zu erhöhen. Schon zum Jahresbeginn hatte der Parteivorsitzende gefordert, die MLPD müsse einen "großen Sprung nach vorne" machen. Diesem Ziel diente ihre erstmalige Teilnahme an Parlamentswahlen, nämlich an der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 12. Mai 1985. Bis dahin hatte sie sich lediglich an Kommunalwahlen beteiligt. Trotz einer relativ aufwendigen Wahlpropaganda und des Einsatzes zahlreicher Helfer auch aus BadenWürttemberg vermochte sie indes nur 3.368 Stimmen (weniger als 0,1 %) auf sich zu vereinigen. Vom 22. bis 29. September 1985 wurde in Köln unter konspirativen Umständen der als "organisatorischer Höhepunkt des Jahres 1985" angekündigte II. Parteitag der MLPD abgehalten. Neben der Neuwahl der Leitungsgremien hatten die Delegierten "drei Jahre nach Gründung der MLPD eine Fülle vielfältigster und neuer praktischer Erfahrungen der Parteitätigkeit aufzuarbeiten". Sowohl das Parteitagsmotto "Stärkt die MLPD - die Arbeiterpartei der Zukunft!" als auch die in der "Schlußresolution" gesetzten Akzente lassen darauf schließen, daß die maoistisch orientierte Partei ihre bisherigen Arbeitsschwerpunkte nicht ändern wird. Als eine ihrer Hauptaufgaben betrachtet sie nach wie vor die sich überwiegend verdeckt vollziehende Betriebsund Gewerkschaftsarbeit. Immerhin erscheinen inzwischen fast 80 Betriebszeitungen (davon allein 35 in BadenWürttemberg), deren Zweck es ist, einen betont klassenkämpferisch formulierten "klaren Arbeiterstandpunkt zu den vielfältigsten Fragen" zu vertreten. Überaus empfindlich reagierte die MLPD auf die Entlassung einzelner Mit33 "PS"****. ^"i^ MLPD-Zeitungen 34 glieder durch Firmen sowie auf ihren Ausschluß aus Gewerkschaften. Dies führte auch 1985 wieder zu scharfen Ausfällen gegen Arbeitnehmerorganisationen und deren Funktionäre. Um ihre politischen Auffassungen und Ziele bekannt zu machen, bedient sich die MLPD einer Vielzahl von Zeitschriften, Broschüren und Flugblättern. Druck und Vertrieb dieses Materials erfolgen im wesentlichen über den Verlag "Neuer Weg GmbH" in Stuttgart sowie über die "Ernst-Thälmann-Buchhandlungen" in Stuttgart und Essen. Wichtigstes Sprachrohr der MLPD ist das in einer wöchentlichen Auflage von etwa 10.000 Exemplaren erscheinende Zentralorgan "Rote Fahne". Daneben werden in den Zeitschriften - "Revolutionärer Weg" und - "Lernen und kämpfen" vor allem Fragen der Ideologie und des Parteiaufbaus erörtert. Diese bundesweit vertriebenen Parteipublikationen werden auf örtlicher Ebene ergänzt durch etwa 40 Stadtzeitungen, die zusammen mit einigen sogenannten Branchenzeitungen und den bereits erwähnten Betriebszeitungen in einer Gesamtauflage von über 100.000 Exemplaren verbreitet werden. Für Baden-Württemberg ergab sich 1985 folgender Stand: Zahl der MLPD-Kleinzeitungen in Baden-Württemberg (Zahlen in Klammern: Stand 1984) Betriebszeitungen Branchenzeitungen Stadtzeitungen 35 (32) 2 (1) 12 (6) Zur Unterstützung ihrer politisch extremen Ziele und Aktivitäten bediente sich die MLPD im vergangenen Jahr wiederum ihrer bundesweit tätigen Nebenorganisationen : - "Revolutionärer Jugendverband Deutschlands" (RJVD), - "Marxistisch-leninistischer Schülerund Studentenverband" (MLSV) gnd - "Marxistisch-leninistischer Bund Intellektueller" (MLBI). Die MLPD mußte jedoch einräumen, daß insbesondere die "Jugendarbeit" noch "gravierende Versäumnisse" aufweise. Während es angeblich gelungen sei, den MLBI auf der "ganzen Bandbreite der Parteiaufgaben in die Arbeit" einzubeziehen, hätten sich die Jugendverbände RJVD und MLSV in ihrer Tätigkeit "gefährlich von der Strategie und Taktik der Partei wegentwickelt". Deshalb will die Organisation in Zukunft ihr Augenmerk verstärkt auf substantielle Verbesserungen in diesen Bereichen richten. 35 Kommt zu den Sommerlagern Kinderlager: 13.7.-27.7./27.7.--10.8./10.8.-24.8.85 Jugendlager 13.7.--3.8.85/3.8.-24.8.85 wo? Frankreich, südl.Vogesen, 15 km von Beifort Unkostenbeitrag: 130,--*/200,--**/300,--'**/500,--DM Anmeldung: MLSV Revolutionärer Rellinghauser Straße 334, 4300 Essen Marxistisch-Leninistischer Jugendverband Schülerund Deutschlands Jugendorganisationen der Marxistisch-leninistischen Partei Deutschlands Studentenverband 3.1.2 "Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" -KPDDie seit Ende 1968 unter wechselnden Namen agierende "Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" -KPDkämpft um ihren Fortbestand. Die Existenz der Partei ist durch noch andauernde interne Auseinandersetzungen ernsthaft gefährdet. Ursächlich hierfür war die geplante Reform von Programm und Statut, was in der bundesweit über 400 Mitglieder (in Baden-Württemberg etwa 50) zählenden Organisation auf den energischen Widerstand eines streng dogmatisch ausgerichteten Flügels stieß. Mit der Änderung verfolgte die KPD-Führung das Ziel, von ihrer Auffassung nach nicht mehr zeitgemäßen Aussagen des Marxismus-Leninismus wegzukommen und der Partei dadurch mehr Anziehungskraft zu verschaffen. So enthält der neue Programmentwurf das seit Jahren gültige Bekenntnis zur Politik der Volksrepublik Albanien nicht mehr; auch wird der absolute Führungsanspruch der (Kommunistischen) Partei relativiert. Schließlich sollen sogar abweichende Auffassungen bis zu einem gewissen Grad innerhalb der Partei geduldet werden. Im Verlauf der Auseinandersetzungen bildete sich aus den Kritikern des neuen Kurses eine rund 70 Personen starke Fraktion von "Marxisten-Leninisten in der KPD" heraus, die sich im September 1985 von der Kernorganisation abspaltete. Da diese Spaltergruppe ebenfalls den Namen "Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" -KPD' beansprucht und führt, existieren derzeit zwei Gruppierungen gleichen Namens. 36 Aufgrund der internen Schwierigkeiten blieben die Hilfsund Nebenorganisationen der KPD im vergangenen Jahr nahezu bedeutungslos: - "Kommunistische Jugend Deutschlands" (KJD), - "Kommunistische Studenten" (KS), - "Rote Hilfe Deutschlands" (RHD) und - "Revolutionäre Gewerkschaftsopposition" (RGO). Die Arbeit der 1979 mit Hilfe der KPD gegründeten "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT) stagniert ebenfalls. Der Einfluß der KPD in dieser Organisation ging immer mehr zurück, während Mitglieder des "Bundes Westdeutscher Kommunisten" (BWK) weiter an Boden gewonnen haben. 3.1.3 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Im Gegensatz zur KPD zeigte der "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 1985 ein weitgehend homogenes Erscheinungsbild, das er seinem Restpotential von bundesweit noch rund 400 überzeugten Anhängern (Baden-Württemberg etwa 100) verdankt. Er orientiert sich nach wie vor am Marxismus-Leninismus maoistischer Prägung, erhebt jedoch Bedenken gegen die auf stärkere Eigeninitiative des einzelnen gerichtete Politik der Volksrepublik China. Dem BWK gelang es, programmatische Auseinandersetzungen, die zu neuen Mitgliederaustritten hätten führen können, zu vermeiden. Allerdings vermochte es die Führung des BWK nicht, die seit Jahren zu beobachtende Aktionsmüdigkeit der Mitglieder und Anhänger zu überwinden. Dies führte dazu, daß die Organisation kaum öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entfaltete. Selbst die mit einiger Regelmäßigkeit herausgegebenen Publikationen, darunter das Zentralorgan "Politische Berichte", werden allenfalls noch im Kreis der Mitglieder zur Kenntnis genommen. Auffällig war allerdings das relativ starke Engagement, mit dem der BWK den Hungerstreik inhaftierter terroristischer Gewalttäter zur Jahreswende 1984/85 begleitete. Er unterstützte nahezu ausnahmslos die Forderungen, die in diesem Zusammenhang vom terroristischen Unterstützerbereich erhoben wurden. Insbesondere wurde die von linksextremistischen Kreisen seit Jahren verbreitete Behauptung, der Staat beabsichtige letztlich die "Vernichtung der politischen Gefangenen", kritiklos übernommen. 3.1.4 "Kommunistischer Bund" (KB) Der Ende des Jahre 1971 entstandene "Kommunistische Bund" (KB) konnte seine seit Jahren rückläufige Mitgliederentwicklung stoppen. Bundesweit dürften ihm weiterhin etwa 400 Personen (1984: 400) angehören, die nach wie vor mit Schwerpunkt in Norddeutschland organisiert sind. 37 In Baden-Württemberg liegt die Zahl seiner Anhänger bei etwa 20 Personen, die in den Städten Stuttgart, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe und BadenBaden aktiv sind. Die nur noch sporadische Tätigkeit des KB in unserem Bundesland beschränkte sich im wesentlichen auf die Verbreitung seines Organs "Arbeiterkampf" sowie auf die gelegentliche Beteiligung an Aktionsbündnissen. 3.1.5 "Marxistische Gruppe" (MG) Eine Sonderstellung innerhalb der "Neuen Linken" nimmt die Ende der siebziger Jahre aus den Hochschulgruppen der "Roten Zellen" hervorgegangene "Marxistische Gruppe" (MG) ein. Obwohl sie bis heute wesentliche Positionen des Leninismus ablehnt und auf dessen Thesen nur dann zurückgreift, wenn ihr dies aus taktischen Erwägungen nützlich erscheint, weisen ihr hierarchischer Aufbau, die geforderte straffe Disziplin und die intensive Schulung der Mitglieder sowie die strenge Abschirmung nach außen sie eindeutig als marxistisch-leninistische Kaderorganisation aus. Die MG hat sich in den vergangenen Jahren nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit zur mitgliederstärksten Gruppierung der "Neuen Linken" in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt. Dies ist um so bemerkenswerter, als sie bis heute weder politische Grundsatzdokumente wie Programm und Statut veröffentlicht noch auf andere Weise ihre tatsächlichen Zielvorstellungen zusammenfassend und für Interessierte verständlich dargestellt hat. Dennoch läßt die MG keinen Zweifel daran, daß die Abschaffung des "kapitalistischen Staates" eines ihrer Grundanliegen ist. In ihren Veröffentlichungen diffamiert sie die Demokratie als "Staatsform der bürgerlichen Ausbeutung", die mit Hilfe einer sozialistischen Revolution abgeschafft werden müsse. Voraussetzung dafür sei die "Entwicklung des Klassenkampfs", an den das "Proletariat" durch Aufklärung über seine "Ausbeutung" herangeführt werden soll. Zur Realisierung dieser Absicht schließt die Gruppe - ähnlich wie andere extremistische Vereinigungen - auch die Anwendung von Gewalt nicht aus. Gegenwärtig zielt die "Marxistische Gruppe" vor allem darauf ab, durch verzerrende, oftmals plump-ironische Kommentierung aktueller Ereignisse und Probleme den Staat und seine Organe lächerlich zu machen, um in Teilen der Bevölkerung eine gewisse Verunsicherung hervorzurufen. Dieser Absicht dienten insbesondere die Kampagnen gegen die Bundeswehr, die NATO und die angeblich geplante Weltraumrüstung sowie die Ausfälle gegen die Gewerkschaften, die sich mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen energisch gegen den Beitritt von MG-Angehörigen zur Wehr setzen. 38 Zur Verbreitung ihrer linksextremen Ziele setzt die Vereinigung unverändert eine Reihe von Publikationen ein, die ausschließlich durch sehr hohe Mitgliedsbeiträge finanziert werden. Es sind dies in erster Linie die Monatsschriften "Marxistische Zeitung" (MSZ) und "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ) sowie das theoretische Organ "Resultate". Zusätzlich erscheint eine Vielzahl örtlicher "Hochschulzeitungen" und "Schulzeitungen" sowie Betriebs-, Branchenund Regionalausgaben der MAZ. , .W OLIolxilW D M lso B sots t: MSZ Gegen die Kosten der Freiheit IMiiirtd'flffl Marxistische MAZ --_ (tm)-"^"L(tm)"., Arbeiter Zeitung ^ ^ ^ ^ ^ ^ 4 ii'i^Biii Marxistische MAZ " Arbeiter :-, Zeitung Stuttgarter Hochschulzeitung |ii" , - t * " Seit" 3: Da Tod oei G.S*e lüpiulirbjokreiiv S*ile* - Tübinger Hochschulzeitung Marxistische Hochschulzeitung ÖW MARX S r t S Ö l E N GRUPPE (* Freiburger Hochschulzeitung . " " . : J , * -_ *___ *; Stuttgarter Schulzeitung M ARXJSHSCHE GRUPPE IMG) Tübinger Schulzeitung GRIPPE I MGI MG-Zeitungen Die MG ist nach wie vor intensiv darum bemüht, den Einblick in Interna der Vereinigung zu verhindern. So werden Informationen über örtliche Gliederungen, die gesamte Organisationsstruktur und die Zusammensetzung der Führungsgremien selbst Sympathisanten gegenüber strikt zurückgehalten. Insgesamt hält die für die Gruppe positive Mitgliederentwicklung weiter an: sie konnte bundesweit die Zahl ihrer Angehörigen von 1.500 im Jahre 1984 auf nunmehr etwa 1.700 erhöhen. Darüber hinaus arbeiten in der MG einige 39 tausend in "Sympathisantenplena" fest eingebundene Anhänger. Resonanz findet die Vereinigung, deren Schwerpunkt unverändert in Bayern liegt, vor allem unter linksorientierten Studenten und Intellektuellen. Die MG versucht auch in Baden-Württemberg, den Aufbau ihrer Organisation weiter voranzutreiben. Ihr Mitgliederbestand umfaßt jetzt etwa 85 Personen (1984: 60). Hinzu kommt ein Sympathisantenkreis von annähernd 100 Anhängern. Die zahlenmäßig größten und aktivsten Gruppen bestehen in Tübingen und Stuttgart; in beiden Städten befinden sich MG-Buchläden. Öffentliche Veranstaltungen sowie das Errichten von Büchertischen und Informationsständen wurden in Sindelfingen, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Reutlingen und Ulm beobachtet. 3.2 Trotzkistische Organisationen Für die trotzkistische "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) stand das Jahr 1985 ganz im Zeichen einer Neuorientierung. Die seit einiger Zeit andauernden Gespräche mit der "Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" -KPDüber einen Zusammenschluß der beiden Organisationen sind offenbar trotz unterschiedlicher programmatischer Ausgangspositionen relativ weit gediehen. Die Vereinigung zählt derzeit bundesweit mehr als 250 Personen, in Baden-Württemberg verfügt sie über einen Stamm von rund 50 Anhängern. Der 1984 mit Unterstützung der GIM gegründeten "Revolutionär Sozialistischen Jugendorganisation - Roter Maulwurf" (RSJ - Roter Maulwurf) gehören insgesamt höchstens 150 Mitglieder an. In Baden-Württemberg vermochte sie bisher keine nennenswerten Aktivitäten zu entfalten. Die übrigen, durchweg mitgliederschwachen trotzkistischen Splittergruppen wie die "Trotzkistische Liga Deutschlands" (TLD), der "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA), die "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG), die "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) und die "Sozialistische Liga" traten in Baden-Württemberg auch 1985 nur durch gelegentliches Verteilen von Flugschriften in Erscheinung. 3.3 Anarchistische Bestrebungen 3.3.1 Autonome Gruppen Ihrer ungezügelten Militanz wegen erfordern zahlreiche "autonome" Zirkel und Gruppierungen seit Jahren bundesweit die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden. Auch 1985 gab es wiederum spektakuläre Aktionen dieses zweifelsfrei gewaltbereiten Potentials. Zwar handelt es sich zumeist nur um 40 Zusammenschlüsse auf örtlicher Ebene ohne feste organisatorische Strukturen oder überregionale Verbindungen, doch eint sie eine gemeinsame Grundhaltung: der Wunsch nach Beseitigung, zumindest aber nach Schwächung des "herrschenden Systems" mit dem erklärten Ziel, sich selbst "Freiräume" zu schaffen, die anzutasten dem Staat verwehrt sein soll. In diesem Sinne äußerte sich etwa die Gruppe "AZ im Exil" in Freiburg, die in einem Flugblatt ihre Absicht bekundete, ein Gebäude zur Wiedererrichtung eines "Autonomen Zentrums" (AZ) zu besetzen, nachdem das alte, seit 1981 bestehende AZ im Januar 1985 abgebrannt war: "Nur ein besetzter Raum schließt die äußeren Zwänge aus, die die Entstehung lebendiger, wechselnder Strukturen behindern. Uns geht es nicht um die schlichte Tatsache, mal wieder ein Haus zu besetzen, sondern um das, was darin geschehen soll. Ein durch eine Besetzung geschaffener Freiraum erhält erst dann einen Sinn, wenn er mit Inhalten gefüllt wird, das ist mehr als nur gegen den Staat zu agieren und das System zu bekämpfen." Noch deutlicher bekannte sich eine außerhalb Baden-Württembergs tätige Gruppe zu dem taktischen Ziel der "Autonomen", dem verhaßten "System" unter allen Umständen Veränderungen abzutrotzen: " . . . in der auseinandersetzung und konfrontation mit dem Staat wurden vielfältige aktionsformen entwickelt wie demonstrationen, blockade, sabotage und anschlage . .. wir, die fundamental mit dem Staat gebrochen haben, wissen und fühlen, daß nur in einem entschlossenen und selbstbestimmten widerstand die chance für eine radikale Veränderung liegt, unsere bereitschaft zu weitergehenden aktionsformen hat sich vergrößert ..'.* Daß diese gewaltgeneigte "Szene" nicht bei bloßen Absichtserklärungen stehenblieb, beweisen die zahlreichen Brandund Sprengstoffanschläge, vor allem gegen militärische und industrielle Einrichtungen. Besorgniserregend ist, daß einzelne militante Zirkel - offenbar beeinflußt und ermutigt vom Vorgehen terroristischer Gruppen - inzwischen auch den Angriff gegen Menschen zum Gegenstand ihrer Ankündigungen machen. So bekannte eine Anfang 1985 in Karlsruhe aktiv gewesene Gruppe "Hungerstreikplenum" in einem Leserbrief in der "tageszeitung" vom 13. März 1985: " . . . Die Angriffe bisher und in Zukunft sind gezielt gegen Einrichtungen und Vertreter dieses Schweinesystems gerichtet. Wir greifen nicht die Bevölkerung an, sondern wir kämpfen auf der Seite des Volkes gegen das System." 41 Die Gewaltbereitschaft der "autonomen Szene" wurde nach dem Tod von Günter SARE in Frankfurt am Main, der bei Gewalttätigkeiten nach Beendigung einer Protestkundgebung am 28. September 1985 von einem Wasserwerfer überfahren und tödlich verletzt wurde, besonders deutlich. Unverhohlen wurde dazu aufgerufen, "Polizeirevierwachen, Banken und Kaufhäuser zum direkten und hauptsächlichen Angriffsziel" zu machen und nicht mehr zwischen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen zu unterscheiden. Dieser Unglücksfall wurde für die militanten Autonomen bundesweit zur Initialzündung für zahlreiche Demonstrationen, in deren Verlauf oder nach deren Ende häufig Ausschreitungen provoziert wurden. Allein in Freiburg, seit Jahren Schwerpunkt linksextremer gewalttätiger Aktivitäten, verursachten Demonstranten in der Nacht zum 30. September 1985 an insgesamt 17 Gebäuden einen Sachschaden von rund 150.000,DM. Betroffen waren mehrere Läden und Banken sowie das Landgericht. Seit den Auseinandersetzungen um den ehemals besetzten Gebäudekomplex "Schwarzwaldhof" im Jahre 1981 waren dies die größten im Verlauf einer einzigen Nacht angerichteten Sachschäden. 42 Aber auch andere Reizthemen boten den autonomen Gruppen wieder Anlaß für Ausschreitungen. Sie wandten sich 1985 vor allem gegen die Veranstaltungen zum 30jährigen Bestehen der Bundeswehr sowie gegen die Weltwirtschaftsgipfelkonferenz in Bonn und den sich anschließenden Besuch des US-Präsidenten auf dem Hambacher Schloß Anfang Mai 1985. Dennoch ist es dieser gewaltbereiten "Szene" trotz vielfältiger, oftmals spektakulärer Aktionen offenbar nicht gelungen, über den bisherigen Anhängerkreis hinaus in nennenswertem Umfang neue Sympathisanten für sich zu gewinnen. Neben Freiburg und Stuttgart blieben Tübingen und Karlsruhe Schwerpunkte der Tätigkeit autonomer Gruppen. Insgesamt dürfte das in Baden-Württemberg aktive militante Potential etwa 300 Personen umfassen. 3.3.2 Anarcho-syndikalistische Gruppen Nach wie vor sind im Bundesgebiet auch verschiedene anarcho-syndikalistisch orientierte Gruppen und Zirkel aktiv. Die "Freie Arbeiter-Union" (FAU), die seit Jahren versucht, auf sich aufmerksam zu machen, verfügt bundesweit inzwischen über Gruppen und Kontaktstellen in 22 Orten (darunter Stuttgart und neuerdings auch Heidelberg) und zählt insgesamt etwa 200 Mitglieder. Die FAU lehnt jeglichen "Parlamentarismus" entschieden ab und strebt statt dessen eine "herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft" an. Die "zentralistisch" aufgebauten Parteien und Organisationen will sie durch die "Selbstorganisation der Arbeitenden in autonomen Gruppen" ersetzen, die miteinander auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zusammengeschlossen sein sollen. Diesen Zielen will die Organisation über "direkte Aktionen" näherkommen, wozu Fabrikbesetzungen, Boykotts, Streiks und ähnliche Maßnahmen zählen. Über ihre Planungen und Aktivitäten informiert die Gruppe in der Zeitung "direkte aktion". Ihre Zentrale, das "Nationalkomitee", befindet sich in Köln. Im Gegensatz zu der bundesweit aktiven FAU tritt die bislang nur in Heidelberg tätige, organisatorisch selbständige "Freie Arbeiter Union - Heidelberg" (Anarchisten - FAU-HD [A]) entschieden für den Aufbau einer bundesweit tätigen anarchistischen Partei ein. Nur dadurch könne das Ziel, gesellschaftliche Veränderungen durch "Klassenkampf, harte Konfrontation, Krawalle und Massenstreiks" zu erreichen, gefördert werden. An die Stelle des bürgerlichen Staates, der mit "Waffengewalt" vernichtet werden soll, will sie eine "sozialistische Räterepublik" setzen, die ein Maximum an Freiheit biete. Vierteljährlich gibt die FAU-HD (A) das Organ "Fanal" heraus; eine Publikation mit gleichem Titel, jedoch in kleinerem Format, verbreitet ihre Hochschulorganisation "FAUST" mindestens dreimal im Jahr. Von weiteren in Baden-Württemberg lediglich sporadisch auftretenden anarchistischen Gruppierungen sind nur Kontaktadressen bekannt, etwa von der 43 Zeitungen der Undogmatischen Neuen Linken "Föderation Anarchistischer Initiativen" (FAI) in Stuttgart oder von der Gruppe "Anarchistischer Zirkel Ludwigsburg". Ferner gibt es Anhaltspunkte für die Existenz einer "Anarchogruppe Stuttgart", die im Dezember 1985 an der Durchführung einer "Anarchistischen Woche" beteiligt war. Eine gewisse überregionale Bedeutung kommt zwischenzeitlich der seit einigen Jahren bundesweit vertriebenen Vierteljahreszeitschrift "schwarzer FADEN" zu, die als anarchistisches Sprachrohr einzustufen ist. Sie wird vom "Forum für libertäre Information" (FLI) herausgegeben. Die Redaktion befindet sich in Grafenau/Kreis Böblingen. 3.3.3 Anarchistische "Gewaltfreie Aktionsgruppen" Die bereits im November 1980 durch den Zusammenschluß mehrerer der sogenannten Graswurzelbewegung angehörender Gruppen gebildete, anarchistisch ausgerichtete "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FöGA) ist nach wie vor bundesweit aktiv. In Baden-Württemberg sind ihr indes bisher nur wenige "Gewaltfreie Aktionsgruppen" beigetreten. Sie unterscheidet 44 sich von den anderen anarchistischen Vereinigungen vor allem dadurch, daß sie in einer angeblich gewaltfreien Revolution, eben der "Graswurzelrevolution", die Herrschaft des Staates durch die "Macht von der Basis her" ersetzen und so eine "tiefgreifende gesellschaftliche Umwandlung" erreichen will. So betonte die FöGA in einer Sonderausgabe ihrer regelmäßig erscheinenden Zeitschrift "Graswurzelrevolution": "An erster und zentraler Stelle steht für uns die Forderung nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung . . . früher oder später (wird) die Frage der Enteignung zu stellen sein . . . wer die Entwicklung einer sozialistischen Wirtschaftsweise voranbringen möchte, wird an dem Thema .Revolution' nicht vorbeikommen . . . Es wird notwendig sein, die .politische Macht zu ergreifen'... Die Frage der Macht muß immer den konkreten sozialen Lernund Emanzipationsprozessen untergeordnet sein." Die Organisation propagiert als Mittel zur Gesellschaftsveränderung vor allem den "zivilen Ungehorsam", also das bewußte Überschreiten von Gesetzen, und "direkte gewaltfreie Aktionen" wie Besetzungen und Blockaden. Dabei hat die verbale Festlegung auf Gewaltfreiheit oftmals nur taktische Bedeutung, da beispielsweise auch Sabotage als eine "geeignete Kampfform" angesehen wird. Im Jahre 1985 wandte die FöGA sich vor allem gegen Projekte wie die NATOStabsrahmenübung Wintex/Cimex oder die Weltwirtschaftsgipfelkonferenz in Bonn. Sie unterstützte ferner zahlreiche Kampagnen wie die zur "Verweigerung aller Kriegsdienste und Kriegsvorbereitungen" durch Verteilen der Broschüre "Informationen für unzufriedene Soldaten"; sie versuchte, an den Brennpunkten der Aktivitäten der Anti-AKWund der Ökologiebewegung militante Akzente zu setzen. Dennoch blieb auch sie von der 1985 im Bereich der "Alternativen" eingetretenen "Bewegungsflaute" nicht verschont, was sich im Absinken des Mitgliederstands wie auch in der Auflagenhöhe des Organs "Graswurzelrevolution" bemerkbar machte. 45 4. Organisationen der "Alten Linken" 4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 4.1.1 Ideologisch-politischer Standort Die moskauorientierte "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die seit ihrer Gründung im Jahre 1968 nach eigenem Bekunden die "revolutionären Traditionen" der vom Bundesverfassungsgericht am 17. August 1956 verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) fortsetzt, ist mit ihrem Geflecht von Neben-, Hilfsund Tarnorganisationen nach wie vor die mit Abstand stärkste Kraft im extremistischen Bereich. Als "revolutionärer Teil der westdeutschen Arbeiterbewegung" folgt sie kritiklos den von der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) und der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) vorgegebenen politischen und ideologischen Leitlinien. Diese bislang niemals in Frage gestellte Unterordnung wird in dem derzeit diskutierten Entwurf "Thesen zum 8. Parteitag der DKP", der vom 2. bis 4. Mai 1986 in Hamburg stattfinden soll, einmal mehr bestätigt: Die DKP ist ein untrennbarer Teil der revolutionären Weltbewegung. Sie ist durch den proletarischen Internationalismus mit der sozialistischen Staatengemeinschaft, mit den kommunistischen und Arbeiterparteien aller Kontinente, mit der nationalen Befreiungsbewegung eng verbunden Das im Jahre 1978 in Mannheim beschlossene Parteiprogramm soll auch künftig die "gültige programmatische Grundlage und die strategische Orientierung für die politische Tätigkeit der DKP" bleiben, unbeschadet der Tatsache, daß aufgrund zwischenzeitlich eingetretener "veränderter Kampfbedingungen" - so die Parteiführung - neue fundamentale Positionen herauszuarbeiten sind, die mit der geplanten Verabschiedung des "Thesenpapiers" formelle Gültigkeit erlangen werden. Hauptziele der Partei bleiben die "grundlegende Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse" in unserem Staatswesen und die Errichtung einer kommunistischen Staatsund Gesellschaftsordnung. Da - wie die DKP selbst eingestehen muß - die Voraussetzungen für eine derartige revolutionäre Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland nicht bestehen, konzentriert sie sich verstärkt auf die Unterstützung all jener Tendenzen, die geeignet sind, wenigstens mittelfristig die sogenannte antimonopolistische Umgestaltung als Vorstadium weitergehender Fernziele voranzutreiben. Um über die angestrebte "Massenbasis" zu größerem politischem Einfluß zu gelangen, bemüht sich die DKP immer offenkundiger, auch nichtkommunistische Kräfte für eine Zusammenarbeit zu gewinnen und mit diesen "Bündnis46 se" zustandezubringen. Bei ihrer Bündnispolitik, einem "fundamentalen Bestandteil der Strategie der revolutionären Arbeiterbewegung" ist sie freilich gezwungen, auch auf Vorstellungen ihrer Bündnispartner einzugehen. Die DKP bezieht deshalb, ohne ihre eigenen langfristigen Ziele aus den Augen zu verlieren, immer häufiger Positionen, die auch von Demokraten akzeptiert werden können. Aus eindeutig taktischen Gründen vermieden die orthodoxen Kommunisten auch 1985 wieder konkrete Aussagen über ihre Bereitschaft, Gewalt anzuwenden. Daraus freilich den Schluß zu ziehen, die DKP verzichte prinzipiell auf den Einsatz sogenannter revolutionärer Kampfformen, käme einer völligen Verkennung des Selbstverständnisses einer Kommunistischen Partei gleich. Bezeichnenderweise nennt sich die Partei selbst - häufiger als früher - "revolutionäre Kampfpartei". In besonderer Weise demaskierend ist in diesem Zusammenhang ihre eigene Feststellung, die Wahl der "Kampfform" sei ausschließlich eine Frage der Zweckmäßigkeit: " . . . Unser Eintreten für die größtmögliche Breite demokratischer Bewegungen bestimmt auch unsere Haltung zur Frage der Kampfformen. Wir Kommunisten sind gegen jede Verabsolutierung der einen oder anderen Kampfform. Die Breite der Bewegung, ihre unterschiedlichen Zugänge, der unterschiedliche Bewußtseinsstand ihrer Teilnehmer und Adressaten, die Maßnahmen des Gegners u. a. erfordern eine Vielfalt an Kampfformen und deren schöpferische Entwicklung. Breite und Radikalität sind für uns kein Gegensatz. Demokratischer Widerstand ist legitim: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! Die radikale Form des Widerstands ist jene, welche die Massen ergreift. Darum gilt für uns der Grundsatz, daß diejenigen Kampfformen am zweckmäßigsten sind, die der Verbreiterung demokratischer Bewegungen am meisten dienen, die dazu beitragen, Bewußtsein und Kampfbereitschaft größerer Teile des Volkes, vor allem der Arbeiterklasse, voranzutreiben, Kampfformen, die diese Entwicklung hemmen, schaden dagegen . . ." Angesichts dieser und vergleichbarer Äußerungen müssen die ständig wiederkehrenden Beteuerungen der DKP, sie sei "eine zutiefst demokratische Partei", die "auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland" wirke, unglaubwürdig bleiben. 4.1.2 Organisation, Mitgliederentwicklung und Finanzen Die DKP konnte sich seit ihrer "Neukonstituierung" am 26. September 1968 in Frankfurt am Main bundesweit zur "stärksten linken Kraft" entwickeln, der es an Selbstbewußtsein durchaus nicht mangelt. Im Jahre 1985 sah sich der Parteivorsitzende Herbert MIES denn auch zu folgender Einschätzung veranlaßt: 47 " . . . Jedermann weiß, daß die DKP bereits heute ein politisch unübersehbarer und vor allem im außerparlamentarischen Bereich, in den Großbetrieben wirksamer politischer Faktor i s t . . . " Dieser in der Öffentlichkeit nicht immer in seiner vollen Tragweite erkennbare Zuwachs an Einwirkungsmöglichkeiten deckt sich indes nicht mit der Mitgliederentwicklung der Partei. Seit Jahren stagniert die Zahl der Mitglieder bei etwa 40.000. Weder die wiederholten Wettbewerbe der vergangenen Jahre zur Werbung neuer Anhänger noch der Zugang aus den "Kaderreserven" der DKP (der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" [SDAJ] und dem "Marxistischen Studentenbund Spartakus" [MSB Spartakus]) konnten daran etwas ändern. Vielmehr klagen Funktionäre immer häufiger über Parteiaustritte wegen mangelnder Anleitung und Betreuung vor allem junger Mitglieder. So dürfte auch die als großes Ziel propagierte Steigerung der Mitgliederzahl auf 50.000, die aus Anlaß des 100. Geburtstags des ehemaligen KPD-Vorsitzenden Ernst THÄLMANN am 16. April 1986 erreicht werden soll, wiederum nicht einmal annähernd realisiert werden können. Ungeachtet dieser Situation veröffentlicht die Parteiführung bereits seit geraumer Zeit erheblich überhöhte Erfolgszahlen. Sie macht für die - offiziell eitrittserklärung ii mit beantrag* Ich meint Aufnahm* In dl" Deuucfl* Kommunlatlech" Partei Name; . Da* RaketenVorname: Geburtsname: stotienierem Geburlsdatum: die Geburtsort: Beruf: ROTE KARTE: Anschrift: Kreis: Betrieb: Mitglied der Gewerkschaft: Gewerkschaftliche und letriBbliche Funktionen: Werde Mitglied und Funktionen in anderen Organisationen: Mitglied der *333 DKP-Mitgliederwerbung 48 nicht zugegebene - Stagnation in der Mitgliederentwicklung vorrangig den "Staat" verantwortlich, der angeblich seinen "gewaltigen Apparat" zur Schwächung der Organisation einsetzt. Die DKP, die sich unverändert zu den leninistischen Auffassungen von der Mitgliedschaft und den Organisationsprinzipien der Partei "neuen Typus" (wie demokratischer Zentralismus, Parteidisziplin, Verbot der Fraktionsbildung) bekennt, wird vom Parteivorstand und dessen Präsidium (Sitz: Düsseldorf) politisch angeleitet und straff geführt. Den nach regionalen Gesichtspunkten gegliederten insgesamt 12 Bezirksorganisationen sind zahlreiche Kreisorganisationen und örtliche Parteizellen (sogenannte Grundeinheiten) nachgeordnet. Der für Baden-Württemberg verantwortlichen DKP-Bezirksorganisation mit Sitz in Stuttgart unterstehen 23 Kreisorganisationen, diesen wiederum insgesamt 166 (1984: 164) Grundeinheiten (Wohngebiets-, Betriebsund Hochschulgruppen). Zahl der Grundeinheiten der DKP in Baden-Württemberg (Zahlen in Klammern: Stand 1984) WohngebietsBetriebsHochschulgruppen gruppen gruppen 116 (116) 44 (41) 6 (7) Während die Zahl der Wohngebietsgruppen in Baden-Württemberg seit Jahren konstant blieb, die der Hochschulgruppen weiter rückläufig ist (1983: 11), gelang es der DKP in weiteren Betrieben, welche sie als "Nahtstellen der Systemauseinandersetzung" betrachtet, betriebliche Zellen aufzubauen. InsEntwicklung des Mitgliederbestandes der DKP in Baden-Württemberg (geschätzt) 49 gesamt gehören der DKP in unserem Land unverändert etwa 2.850 Mitglieder an. Der Finanzbedarf der DKP für den gesamten Parteiapparat und die vielfältigen Aktivitäten konnte auch im Jahre 1985 allein aus dem Beitragsund Spendenaufkommen der Mitglieder nicht bestritten werden. Die Partei bleibt deshalb auf beträchtliche geldwerte Zuwendungen aus der DDR angewiesen, deren Umfang inzwischen deutlich über 60 Millionen DM jährlich beträgt. Nur durch diese, ihr auf konspirativen Wegen zufließenden Unterstützungsleistungen ist sie in der Lage, - zahlreiche hauptamtliche Funktionäre und Mitarbeiter zu besolden, - einen aufwendigen und kostspieligen Parteiapparat zu unterhalten, - für den teilweise kostenlosen Vertrieb von Propagandamaterial aufzukommen, - Parteitage, Großveranstaltungen, Volksund Pressefeste durchzuführen sowie - Schulungsstätten zu unterhalten. Neu hinzugekommen ist als Kostenfaktor das am 5. September 1985 vom Parteivorsitzenden MIES eröffnete Büro der DKP in Bonn, das dieser vor "Vertretern aller osteuropäischen und vieler mit der Sowjetunion befreundeten Staaten sowie von Befreiungsbewegungen" als die "Vertretung des DKPParteivorstandes" in der Bundeshauptstadt vorstellte. 4.1.3 Publikationswesen und Schulung Als "Kernstück" der politisch-ideologischen Arbeit betrachtet die DKP seit Jahren ihr umfangreiches und breit gefächertes Presseund Publikationswesen: " . . . Unter dem Gesichtspunkt der politisch-ideologischen und organisatorischen Einheit der revolutionären Partei kommt der kommunistischen Literatur, vor allem Zeitungen und Zeitschriften, ein besonderer Platz zu. Zeitungen und Zeitschriften spielen eine herausragende Rolle bei der Verbreitung der Politik und Ideologie der Partei..." Als nach wie vor wichtigsten Werbeträger setzt die DKP ihr freilich nicht gerade attraktiv gestaltetes Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) ein. Trotz des seit Jahren anhaltenden Auflagenrückgangs und der aus Kostengründen vorgenommenen Einstellung der Montagsausgabe bleibt die "UZ" mit einer Auflage von etwa 25.000 Exemplaren (die Freitags-Ausgabe einschließlich Wo50 DKP-Zeitungen 51 chenendbeilage mit ca. 48.000 Exemplaren) die einzige kommunistische Tageszeitung. Ferner gibt der Parteivorstand - die Zweimonatszeitschrift "Marxistische Blätter", - die Zeitschrift "praxis", - den "DKP-infodienst" und - die "DKP-Iandrevue" heraus. In Baden-Württemberg verbreitet der DKP-Bezirksvorstand - das "DKP-INFO für Arbeiter und Angestellte", - den "DKP-Pressedienst", - die Publikation "DKP - das argument" und - das Wettbewerbs-Info "Schrittmacher". Hinzugezählt werden muß eine große Zahl sogenannter Kleinzeitungen, die teilweise in hoher Auflage, jedoch zumeist unregelmäßig auf Ortsund Kreisebene erscheinen. Im Jahre 1985 hat sich allerdings die Gesamtzahl der angebotenen Zeitungen geringfügig vermindert: Zahl der DKP-Kleinzeitungen in Baden-Württemberg (Zahlen in Klammern: Stand 1984) Ortsund Stadtzeitungen 43 (51) Betriebszeitungen 34 (35) Hochschulzeitungen 4 (6) Die vorrangig nach außen gerichtete Pressearbeit korrespondiert nach innen mit der intensiv betriebenen Schulung der Mitglieder, die von der Partei als "ideologische und weltanschauliche Bildungsund Erziehungsarbeit" bezeichnet wird. Auch in dem bereits erwähnten Entwurf der "Thesen zum 8. Parteitag der DKP" wird die Notwendigkeit der ideologischen Festigung der Mitglieder unterstrichen: " . . . Jedes Parteimitglied muß sich bemühen, die Theorie von MARX, ENGELS und LENIN zu studieren. Es sollte regelmäßig an der Bildungsarbeit seiner Grundorganisation teilnehmen und die ihm gegebenen Möglichkeiten für den Besuch von Parteischulen sowie für das Studium marxistischer Literatur nutzen . . ." 52 Der Mitgliederschulung auf örtlicher Ebene dienen die zweimonatlichen Bildungsabende. Ein weiterer "fester Bestandteil des Bildungssystems" sind die "Marxistischen Betriebsarbeiterschulen", die auf Bezirksebene angesiedelt sind. Darüber hinaus schult die Partei ihre Mitglieder und Funktionäre sowohl in ständig verfügbaren eigenen Institutionen als auch in solchen, die im kommunistischen Machtbereich liegen. Diese Lehrgänge können bis zu einem Jahr dauern. Die wichtigsten Schulungsstätten für DKP-Funktionäre sind: - "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF) in Frankfurt am Main - "Karl-LIEBKNECHT-Schule" der DKP in Leverkusen - "Friedrich-ENGELS-Zentrum" in Wuppertal - SED-Parteischule "Franz MEHRING" in Ost-Berlin - "Institut für Gesellschaftswissenschaften" beim Zentralkomitee der KPdSU in Moskau. Die seit über 16 Jahren überregional tätige "Marxistische Arbeiterbildung" (MAB) will vor allem Nichtmitglieder ansprechen. In den überwiegend öffentlichen Veranstaltungen, die vorzugsweise in "Arbeiterzentren" stattfinden, sollen den Interessenten die Grundlagen der Theorie von MARX, ENGELS und LENIN nahegebracht werden. Dabei wird nicht verheimlicht, daß es der eigentliche Zweck dieser Einrichtung ist, der DKP neue Anhänger zuzuführen. Der langjährige MAB-Vorsitzende und DKP-Funktionär Hans SCHNEIDER erklärte hierzu: " . . . Die Mittel, Formen und Methoden der Verbreitung des Marxismus haben heute größere Bedeutung als zuvor. Der Prüfstein der Methodik sei die Frage: Wie gelingt es am besten, neue Kräfte zu aktivieren für den Kampf um Frieden und Arbeit, um Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt?" Daneben versucht die DKP auf vielfältige Weise, positive Eindrücke vom Leben in den kommunistischen Staaten zu vermitteln. Im Herbst 1985 begingen die Kommunisten mit etwa 100 Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet die "Woche des realen Sozialismus". Als Referenten traten eine Reihe von - teilweise sehr bekannten - Funktionären, Schriftstellern und Wissenschaftlern aus der Sowjetunion auf, die laut Ankündigung eine "geballte Ladung Sozialismusinformation zur Verfügung stellen" wollten. 53 4.1.4 Verlage und Druckereien Die auf Initiative orthodoxer Kommunisten bereits im Jahre 1969 gebildete "Arbeitsgemeinschaft sozialistischer und demokratischer Verleger und Buchhändler", der inzwischen bundesweit etwa ein Dutzend Verlage und verlagsähnliche Einrichtungen sowie 26 "collektiv"-Buchhandlungen angehören, unterstützt und ergänzt mit ihrem umfangreichen Verlagsproramm die aktuelle Politik der DKP sowie deren längerfristige Bemühungen um eine ideologische Beeinflussung der Bevölkerung. Der Vorsitzende der "Arbeitsgemeinschaft" ist Mitglied des Parteivorstands der DKP. Vor allem die DKP-nahen Buchhandlungen versuchen mit kulturpolitischen Aktivitäten, etwa durch Lesungen, Diskussionen und sonstige Veranstaltungen, einen unmittelbaren Kontakt zu interessierten Bürgern herzustellen. Nicht zufällig sind diese Einrichtungen vorrangig in Städten mit Universitäten, Hochund Fachhochschulen aufgebaut worden. Eine umfassende verlegerische Tätigkeit entwickelt seit Jahren die "PLAMBECK & Co. Druck und Verlag GmbH" in Neuss, die als "Hausdruckerei" der DKP gilt. Dort werden neben vielen anderen Publikationen das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) und das von den kommunistisch beeinflußten Organisationen "Deutsche Friedens-Union" (DFU) und "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) seit September 1983 gemeinsam produzierte Sprachrohr "Deutsche Volkszeitung/die tat" (DVZ/die tat) herausgegeben. In die kommunistische Propagandaarbeit sind neben anderen auch der "Verlag Marxistische Blätter" in Frankfurt am Main und der "Pahl-Rugenstein-Verlag" in Köln einbezogen. Alle diese Verlage decken mit ihren periodischen Schriften und sonstiger Literatur alle "Kampffelder" der DKP und ihrer Hilfsund Nebenorganisationen ab. 4.1.5 Beteiligung an Wahlen Die DKP hofft, der angestrebten "grundlegenden Veränderung" unserer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung sowohl durch außerparlamentarischen Kampf als auch durch die "Veränderung des parlamentarischen Kräfteverhältnisses zugunsten der arbeitenden Menschen" näherzukommen. Die Mitarbeit in parlamentarischen Gremien, die freilich die Erlangung von Mandaten voraussetzt, ist für sie damit nur ein Mittel, den Klassenkampf zusätzlich auch auf anderer Ebene zu führen. Obwohl sie bisher bei Wahlen zum Bundestag und zu den Ländervertretungen durchweg vernichtende Ergebnisse hinnehmen mußte, hält sie unbeirrt an weiteren Kandidaturen fest. Enttäuscht mußte sie indes eingestehen, daß ihre langfristig angelegte Politik, die ihr im Rahmen von Aktionsbündnissen immerhin spürbare Fortschritte gebracht hat, bei Wahlen noch keine sichtbaren Erfolge zeitigt: 54 Der Aufschwung demokratischer Bewegungen in den 70er und 80er Jahren hat sich bisher bei Wahlen nicht zugunsten der DKP ausgewirkt . . . Stärke und Einfluß der DKP sind jedoch nicht in erster Linie an ihrem Wahlergebnis zu messen . . . " Deshalb bemüht sich die DKP immer häufiger, getreu der bereits 1981 proklamierten "weiterentwickelten Bündnispolitik", Wahlbündnisse mit anderen "sozialistisch orientierten Kräften" zu schließen. Im Jahre 1985 hat sich die DKP als Partei oder auf gemeinsamen Listen an folgenden Wahlen beteiligt: - Landtagswahl im Saarland Bei der Wahl des saarländischen Landtags am 10. März 1985 mußte die DKP Stimmenverluste hinnehmen; sie erhielt lediglich noch 2.317 Stimmen = 0,3 % (1980: 3.703 Stimmen = 0,5 %). - Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen verzichtete die DKP auf die Teilnahme an' der Landtagswahl am 12. Mai 1985 zugunsten der von ihr mitgetragenen "Friedensliste". Das erklärte Wahlziel dieses Bündnisses, dem mehrheitlich Mitglieder der DKP oder deren Vorfeldorganisationen angehörten, das Ergebnis der Europawahi 1984 (in Nordrhein-Westfalen hatte die Liste 95.405 Stimmen = 1,3 % erzielt) mindestens zu halten, wurde allerdings nicht erreicht: mit 61.818 Stimmen ( = 0,7 % der abgegebenen gültigen Stimmen) blieb das Wahlergebnis deutlich hinter dem der Europawahl zurück. Dennoch vermochte die "Friedensliste" deutlich mehr Stimmen auf sich zu vereinigen als die DKP bei der Landtagswahl im Jahre 1980 (30.441 Stimmen = 0,3 %). Angesichts dieser Situation überrascht es nicht, daß die Partei angekündigt hat, die "Friedensliste" bundesweit auch künftig zu unterstützen. - Kommunalund Kreistagswahlen in Hessen In Hessen mußte sich die DKP bei den Kommunalund Kreistagswahlen am 10. März 1985 mit einem Stimmenanteil von 0,4 % (1981: 0,6 %) begnügen. - Oberbürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg Die DKP nutzte in den letzten Jahren in Baden-Württemberg zunehmend die Chance, auch bei Bürgermeisterwahlen Kandidaten zu nominieren. Zwar bestand in keinem Falle eine reelle Erfolgschance, doch gelang es der Partei gelegentlich, relativ günstige Stimmenergebnisse zu erzielen. So erhielt ihr Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl am 3. März 1985 in Heidenheim/Brenz immerhin 569 Stimmen ( = 4,2 %). 55 In den Gemeindeund Kreisparlamenten in Baden-Württemberg verfügt die DKP über folgende Mandate: Vertreter im Gemeinderat Tübingen 2 Mannheim 1 Heidenheim 1 Waiblingen 1 Mandat im Kreistag Tübingen 1 Sonstige Kommunalvertreter der DKP - Ortsbeiräte Tübingen 4 - Mitglied im Regionalverband "Unterer Neckar" Mannheim 1 4.1.6 Schwerpunkte der Agitation Die DKP erhebt seit ihrer "Neukonstituierung" den Anspruch, ihre gesamte Tätigkeit, gleichgültig, ob sie offen als Partei oder getarnt in Aktionsbündnissen auftritt, an der "konsequenten Vertretung der sozialen, demokratischen und Friedensinteressen der Arbeiterklasse und der übrigen Werktätigen" auszurichten. Wie breit ihr Aktionsrahmen nach eigener Einschätzung in den letzten Jahren geworden ist, schilderte der Parteivorsitzende Herbert MIES auf einem "Kampfmeeting" der DKP im August 1985 in Hamburg: Die DKP ist im Innern der Bundesrepublik wie im Ausland ein Faktor. Sie ist ein Faktor, den Freund und Feind in Rechnung stellen müssen. Vieles, was in der Bundesrepublik in Bewegung gekommen oder gebracht worden ist, wäre ohne den leidenschaftlichen Einsatz von Kommunistinnen und Kommunisten nicht möglich gewesen. Es war und ist unsere Partei, die ihren Beitrag dazu leistete und leistet, daß Umweltschutzbewegung und Friedensbewegung, daß Arbeiterbewegung und Friedensbewegung enger zusammenrücken. Wo immer der Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit, gegen Betriebsstillegungen, für die Verwirklichung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich geführt wird, unterstützen Kommunisten rückhaltlos und konsequent die Arbeiterforderung . . . " Wenn auch die tatsächliche Bedeutung der orthodoxen Kommunisten geringer ist als von ihr behauptet, so ist es der DKP in einigen der angesprochenen Bereiche, etwa bei der Kampagne gegen die NATO-Nachrüstung, gelungen, ihre oft beklagte "politische Isolierung" zu durchbrechen. So führt die Mitarbeit der DKP und ihrer Nebenorganisationen in regionalen und überregionalen Gremien der organisierten "Friedensbewegung" kaum noch zu grundsätzlichen Kontroversen mit Nichtkommunisten. Der Austritt überwiegend nichtextremistischer Gruppen aus der von der DKP stark beeinflußten 56 DKP-Flugblätter "Landesberatung baden-württembergischer Friedensinitiativen" im Jahre 1984 blieb eher ein Einzelfall. Die DKP steuert bei ihrer Bündnispolitik jeweils einen sogenannten Minimalkonsens an: sie zeigt Kompromißbereitschaft, soweit dies nötig ist, um ihr nützlich erscheinende Absprachen mit der "demokratischen Linken", insbesondere aber gemeinsame Vorgehensweisen, zu ermöglichen. Es ist somit keine schlechthin unzutreffende Behauptung, wenn die DKP nach fünfjähriger Mitarbeit in der "Friedensbewegung" resümiert: " . . . Die Bereitschaft, mit uns Kommunisten gemeinsam in die Aktion zu gehen, hat zugenommen. Die Anerkennung der Politik der DKP ist nicht geringer, sondern breiter geworden. Das läßt sich auf vielfältige Weise belegen . . . " Die seit Jahren mit großem finanziellen Aufwand betriebene Kampagne gegen die NATO-Nachrüstung wurde alsbald nach Bekanntwerden der amerikanischen SDI-Pläne ergänzt durch eine massive Polemik gegen die angebliche Militarisierung des Weltraums. Dabei beschränkt die DKP ihre Kritik an der NATO und den USA auf das "Wettrüsten", welches die Gefahr eines Krieges heraufbeschwöre, und stellt dem die "Friedenspolitik der Sowjetunion" 57 gegenüber. Der militärische Beitrag der USA für die Sicherheit Europas und speziell der Bundesrepublik Deutschland wird durchgehend verzerrt dargestellt. Auch der Bezirksvorstand der DKP in Baden-Württemberg machte sich in seiner Broschüre "Friedensbewegung 1985" diese völlig einseitige und tendenziös gefärbte Argumentation zu eigen: Man braucht wahrhaftig kein Kommunist sein, um den fundamentalen Unterschied zwischen der aggressiven Außenpolitik der USA und den konstruktiven Friedensvorschlägen der Sowjetunion zu erkennen .. ." Nach alledem kann nicht überraschen, daß die DKP sich als die "Friedenspartei" schlechthin betrachtet. Ihre Mitarbeit bei vielfältigen Protestaktionen im Jahre 1985 sollte ihr häufig als "spießig bis langweilig" charakterisiertes Erscheinungsbild verbessern. Bereits im März 1985 - noch vor Beginn der jährlichen "Friedenskampagne" - trat sie mit ihren Plänen und Vorhaben an die Öffentlichkeit: " . . . Wir leisten unseren aktiven und einigenden Beitrag zur Entwicklung der Friedensbewegung mit unserem Engagement für die Ostermärsche 1985, für die Kundgebungen und Aktionen gegen den Faschismus und Krieg am 4. Mai, für die Krefelder Initiative zum 40. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, für die Aktionen und Initiativen anläßlich des Antikriegstages am 1. September, für das Internationale Sportund Spielfest am 19. Oktober 1985 in Dortmund, für alle weiteren Aktionen der Friedensbewegung. Unser aktives Engagement für die Friedensaktionen verbinden wir mit unserer konstruktiven Teilnahme an den klärenden Diskussionen im Koordinationsausschuß der Friedensbewegung . . . " Es mehren sich bei der DKP die Anzeichen für eine den eigenen Einfluß nüchterner einschätzende Selbstkritik. So äußerte das Mitglied des Parteivorstands der DKP, Willi GERNS, in einem Beitrag für die Zeitschrift "praxisextra" vom Mai 1985: " . . . Ich will die großen Leistungen unserer Partei in der Friedensbewegung nicht schmälern, möchte aber doch feststellen, daß diese Bewußtseinsveränderungen sich im wesentlichen spontan vollzogen haben, auf dem Hintergrund der Angst vor einem atomaren Inferno. Weitergehende spontane Bewußtseinsveränderungen stoßen meiner Meinung nach jedoch an enger werdende Grenzen. Wir sind an einen Punkt gelangt, wo das bewußte Element, das bewußte Wirken der Kommunisten immer wichtiger wird für die Stabilität und weitere Entwicklung der Friedensbewegung . . . " 58 Diese eigene Einschätzung zeigt auf, daß die orthodoxen Kommunisten trotz engagierter Mitarbeit in zahlreichen Gremien und Initiativen der "Friedensbewegung" auf diese niemals einen wesentlichen Einfluß auszuüben vermocht haben. Immer offenkundiger ist die DKP bemüht, die in der "Friedensbewegung" erreichte Solidarisierung aller "fortschrittlichen Kräfte" auf den "Kampf der Arbeiterklasse" zu übertragen. In einer Broschüre des DKP-Bezirksvorstands Baden-Württemberg wird dieser angestrebten Verknüpfung von "Friedensund Arbeiterbewegung" eine besondere Bedeutung beigemessen: " . . . Der Schlüssel zum Erfolg liegt in dem noch stärkeren Zusammengehen von Friedensund Arbeiterbewegung. Die Arbeiterklasse ist die größte und bedeutsamste Klasse unserer Gesellschaft. Keine Regierung könnte mehr Politik gegen die Friedensbewegung machen, wenn die Arbeiter mehrheitlich als aktive Mitkämpfer der Friedensbewegung gewonnen wären . . . " Allerdings vermochte die DKP mit den von ihr ausgegebenen Losungen "Arbeitsplätze statt Raketen" sowie "Frieden und Arbeit" weder der "Friedensbewegung" neue Impulse zu verleihen noch ihren sonstigen Agitationsfeldern neue Anziehungskraft zu verschaffen. Dessen ungeachtet beteiligte sie sich unaufgefordert an den vom 14. bis 20. Oktober 1985 bundesweit durchgeführten Herbstaktionen der Gewerkschaften. Sie begleitete diese gewerkschaftliche Kampagne mit der Forderung: " . . . Was wir brauchen ist eine andere Politik, eine Politik der Beschäftigungsprogramme auf staatlicher, kommunaler und betrieblicher Ebene. Das ist eine Politik, die Schluß macht mit dem Rüstungswahnsinn, dem Sozialabbau und der Einschränkung demokratischer Rechte . . . " Gegen Ende des Jahres 1985 polemisierte die Partei wieder verstärkt gegen die "Bonner Rechtskoalition". Sie wendet sich gegen "Angriffe auf das Streikrecht, Aushöhlung des Rechts auf die Kriegsdienstverweigerung, Verschärfung des Ausländerund Asylrechts, das geplante Zivilschutzgesetz, den Ausbau des Schnüffelund Kontrollapparats durch Verkabelung, Verdatung und maschinenlesbare Ausweise". So lautet das für den 8. Parteitag der DKP im Mai 1986 gewählte Motto: "Die Rechtsentwicklung stoppen -Abrüstung - Arbeitsplätze, soziale Rechte erkämpfen - Die DKP stärken." 59 4.2 Nebenorganisationen der DKP 4.2.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die SDAJ ist seit Jahren die mitgliederstärkste Nebenorganisation der DKP, aus der diese einen großen Teil ihres Parteinachwuchses gewinnt. Die Mehrzahl der SDAJ-Funktionäre gehört bereits der Partei an, ebenso verhält es sich bei einem ansehnlichen Teil der Mitglieder. Insofern ist es auch einleuchtend, daß die DKP ihren "revolutionären Arbeiterjugendverband" als "Kaderschmiede" bezeichnet. Beide Organisationen stimmen in ihren politischen Zielen völlig überein, was in dem "Aktionsprogramm für die Grundrechte der Jugend" der SDAJ erneut herausgestellt wird: " . . . Unser Ziel ist eine sozialistische Bundesrepublik Deutschland. Wir wollen einen Sozialismus nach der Lehre von MARX, ENGELS und LENIN . . . Wir eignen uns ihre Lehre an und kämpfen für die freie Verbreitung des Marxismus-Leninismus, der Weltanschauung der Revolutionäre. Wir lernen aus der Geschichte, den Erfahrungen der Sozialisten und Kommunisten von früher. Mit ihrem Kampf für die Grundrechte der Jugend und für eine sozialistische Gesellschaftsordnung setzt die SDAJ die revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterjugendbewegung f o r t . . . " Trotz der auch 1985 intensiv betriebenen Werbungsarbeit, die von der DKP massiv unterstützt wurde, vermochte die kommunistische Jugendorganisation ihren personellen Bestand insgesamt nicht zu vergrößern: die Zahl der SDAJ-Mitglieder dürfte sich im Bundesgebiet auf knapp 15.000 belaufen; in Baden-Württemberg gibt es allenfalls noch 1.000 organisierte Anhänger (1984: 1.100). Zwar waren hier der SDAJ in den zurückliegenden Jahren nominell etwa 200 örtliche Gruppen zuzurechnen, doch konnten diese überwiegend nur sporadisch öffentliche Aktivitäten entfalten. Kontinuierliche Arbeit wird gegenwärtig in rund 65 Ortsgruppen geleistet, in denen die Mehrzahl der in unserem Lande ansässigen SDAJ-Mitglieder organisiert ist. Eindeutige Agitationsschwerpunkte bildeten 1985 zielgruppenorientierte Themen wie Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel, Bundeswehr und Wehrdienstverlängerung, SDI-Pläne der USA und NATO-Nachrüstung. Die SDAJ bedient sich dabei des öfteren auch spektakulärer Aktionsformen (Anketten, Blockaden und Besetzungen) und versucht dadurch neue Bündnispartner zu gewinnen. Als überregionales Sprachrohr verbreitet sie das Jugendmagazin "elan", dessen moderne Gestaltung, insbesondere die unverfängliche Aufmachung der Titelseite, möglichst viele Jugendliche zum Kauf bewegen und ansprechen soll. 60 Die beharrlichen Bemühungen der SDAJ, als "demokratischer Jugendverband" in den "Deutschen Bundesjugendring" (DBJR) aufgenommen zu werden, waren wiederum erfolglos. Auf der Vollversammlung des DBJR am 17. Oktober 1985 in Köln wurde ihr Aufnahmeantrag erneut abgelehnt. In BadenWürttemberg bleibt die SDAJ auch weiterhin bestrebt, Eingang in Kreisund Stadtjugendringe zu finden. Dem bundesweit aktiven "Motorradclub Kuhle Wampe" (MC Kuhle Wampe) gehört nach wie vor die Aufmerksamkeit der SDAJ. Ihre Mitglieder setzten in einer Reihe von örtlichen Gruppen des Motorradclubs ihre Mitarbeit fort. 4.2.2 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) Die im Jahre 1985 zu beobachtende auffällige Zunahme der von der DKP und der SDAJ herausgegebenen Flugschriften, die über die Aufgaben der "Jungen Pioniere" und die aus der Mitgliedschaft angeblich erwachsenden Vorteile informieren, lassen auf eine gewisse Unzufriedenheit der Partei mit der Entwicklung ihrer Kinderorganisation schließen. Tatsächlich stagniert die Zahl der Mitglieder seit Jahren bundesweit bei 4.000; in Baden-Württemberg sind unverändert etwa 150 Kinder Angehörige der "Jungen Pioniere". Die Aktivitäten der Organisation, der Jungen und Mädchen im Alter von 6 bis 14 Jahren angehören, dienen vorrangig dem Ziel, Grundlagen des "sozialistischen Bewußtseins" zu vermitteln. Hierauf ist das gesamte Programm zugeschnitten, das von Veranstaltungen mit reinem Freizeitcharakter bis zu solchen reicht, die alle Zeichen einer politischen Beeinflussung tragen. Eine aufwendige Werbekampagne ging wieder der Durchführung der seit Jahren stattfindenden Kinderferienfahrten in die DDR voraus, die Mitgliedern der JP und nichtorganisierten Kindern überaus preisgünstig angeboten wurden. Daß die Fahrten in das Land des "real existierenden Sozialismus" nicht ausschließlich einem Reiseund Ferienerlebnis dienen, bestätigte eindrucksvoll ein DKP-Mitglied in der Zeitschrift "praxis" Nr. 2/85: " . . . Geht es doch nicht allein darum, einigen hundert Kindern zu einem billigen, erholsamen Urlaub zu verhelfen, sondern um die Eltern, um die Arbeiterfamilien, die wir im weiteren Verlauf für die DKP-Wählerinitiati- v e . . . gewinnen wollen. Es geht darum, den Eltern ein positives Verhältnis zur DDR zu vermitteln . . . " In der Tat sollen die JP-Mitglieder, aber ersichtlich auch die nichtorganisierten Eltern, langsam an kommunistisches Gedankengut herangeführt werden. Dafür sorgen erfahrene DKPund SDAJ-Angehörige, die als Pionierleiter in der "Sozialistischen Kinderorganisation" tätig sind und damit unmittelbaren Einfluß ausüben können. 61 4.2.3 "Marxistischer Studentenbund Spartakus" (MSB Spartakus) Träger kommunistischer Studentenarbeit sind seit Jahren der "Marxistische Studentenbund Spartakus" und die zahlreichen DKP-Hochschulgruppen, in denen die an der Hochschule studierenden und beschäftigten DKP-Mitglieder organisiert sind. Der bereits 1971 gegründete orthodoxkommunistische MSB Spartakus ist mit etwa 6.000 Angehörigen (davon rund 200 in BadenWürttemberg) der mitgliederstärkste überregional tätige extremistische Studentenverband. Er wirbt unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden materiellen Möglichkeiten für seine Zielvorstellung, die radikale "Umwälzung" der Gesellschaft, welche die Weiterführung des "revolutionären Prozesses zum Sozialismus" ermöglichen soll. Der MSB Spartakus stützt sich dabei ohne jegliche Einschränkung auf die Argumentation der DKP, was nicht überraschen kann, da die Gruppe seit Jahren personell auf das engste mit dieser Partei verflochten ist. Zur Durchsetzung seiner Ziele strebt der MSB Spartakus vorrangig Bündnisse mit anderen, außerhalb des engeren kommunistischen Bereichs angesiedelten Hochschulgruppen an. Dies gelang ihm vor allem mit dem "Sozialistischen Hochschulbund" (SHB), der sich zwischenzeitlich zu seinem Dauerbündnispartner entwickelt hat. Fast identische Auffassungen in allen wesentlichen Fragen und häufige gemeinsame Kandidaturen bei Wahlen zu Hochschulgremien zeigen auf, welchen Grad die Zusammenarbeit beider Organisationen erreicht hat. 4.3 Von der DKP beeinflußte Organisationen Die DKP setzt bei ihrem Bemühen um Erweiterung ihres Einflußbereichs über den eigenen Anhängerkreis hinaus seit Jahren eine Reihe von Organi62 Nachrichten * * * * * Schriften DKP-beeinflußter Organisationen 63 sationen ein, die in unterschiedlichem Maße von ihr unterstützt und gesteuert werden. Hierzu zählen vor allem - die "Deutsche Friedens-Union" (DFU), - die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA), - die "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner" (DFG-VK) und - das "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ). Diese Vereinigungen, die nach außen weithin unabhängig erscheinen, haben die Aufgabe, bestimmte politische Themenbereiche so engagiert und zugleich ohne erkennbare ideologische Fixierung zu behandeln, daß kommunistischer Beeinflussung nicht unterliegende Gruppen, Komitees und Initiativen für ein gemeinsames Vorgehen gewonnen werden können. Derartige Aktionseinheiten sollen dann - dies ist das eigentliche Ziel - in längerwährende Bündnisse einmünden. Es ist kennzeichnend für das zugrundeliegende taktische Kalkül, daß in dieser Phase nur solche Forderungen erhoben werden, die für sich allein betrachtet durchaus nicht verfassungsfeindlich erscheinen und die deshalb - wenngleich aus anderen Motiven - auch die Zustimmung und Unterstützung nichtkommunistischer Kräfte finden können. 4.3.1 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) Die bereits seit 1960 agierende DFU hat auch im Jahre 1985 ihre langjährige Praxis beibehalten, intensive publizistische Aktivitäten sowohl dort zu entfalten, wo die DKP offen auftritt, als auch in denjenigen Bereichen, in denen orthodoxe Kommunisten ihre Mitwirkung aus taktischen Gründen eher zu verbergen suchen. Damit hat sie sich, obwohl sie zu offensichtliche Sympathiebekundungen zugunsten der DKP vermeidet, erneut als ihr verläßlicher Bündnispartner erwiesen. Im Mittelpunkt der öffentlichen Aktivität der DFU stand 1985 erwartungsgemäß das Thema "Frieden". Ihn sieht sie - auch insoweit in völliger Übereinstimmung mit der Position der DKP - allein durch die "NATO-Nachrüstung" sowie neuerdings durch das SDI-Programm der USA bedroht. Während dem westlichen Verteidigungsbündnis die Verantwortung für das Risiko globaler Vernichtung zugeschoben wird, finden die Rüstungsanstrengungen der Sowjetunion allenfalls dahingehende Erwähnung, es handele sich dabei um eine zwingende Anpassung im Interesse der Erhaltung des militärischen Gleichgewichts. Die teilweise willkürlichen; komplexe Sachverhalte vereinfachenden und zugleich verzerrenden Interpretationen dienen vorrangig dem Zweck, von dem bedrohlichen sowjetischen Machtpotential abzulenken und die Ostblockstaaten als Ziele feindlicher Aggressionen darzustellen. 64 So ist es nicht verwunderlich, daß die DFU seit Jahren eine wichtige Rolle in der "Volksfronf'-Politik der DKP spielt, auch wenn sie bundesweit kaum mehr als 1.000 Mitglieder zählt. Ihren Einfluß auf unterschiedliche "Bewegungen" verdankt sie vorrangig ihrem leistungsfähigen "Apparat", der sich auf die kaum begrenzten logistischen Möglichkeiten der DKP stützen kann. 4.3.2 " Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) Die sich "in der Tradition des Widerstandskampfes gegen das NS-Regime heute der Bedrohung durch Faschismus und Krieg" entgegenstellende "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WNBdA) zählt seit ihrer Gründung im Jahre 1947 zu den größten orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Als "Kampfgemeinschaft Gleichgesinnter" orientieren sich ihre Funktionäre und Mitglieder inzwischen längst an aktuellen Themenbereichen, die auch von der DKP aufgegriffen werden. Wie eng die VVN-BdA mit der DKP verbunden ist, wird auch aus der Zusammensetzung des geschäftsführenden Landesvorstands der Vereinigung in Baden-Württemberg offenkundig, der mehrheitlich von DKP-Mitgliedern beherrscht wird. Offenkundig ist die Organisation nicht ernsthaft daran interessiert, die innenund außenpolitische Entwicklung unseres Landes objektiv zu bewerten. Vielmehr formuliert sie in ihren Erklärungen unentwegt Zweifel an den in Bund und Ländern Regierungsverantwortung tragenden demokratischen Parteien und unterstützt auch insoweit vorbehaltlos die Argumentation der orthodoxen Kommunisten. Bundesweit verfügt die WN-BdA derzeit über 13.500 Anhänger (1984: 13.000). In Baden-Württemberg sind nach wie vor etwa 2.000 Mitglieder organisiert. Nicht ohne Befriedigung verweist die Vereinigung darauf, daß unter den neuen Mitgliedern angeblich zahlreiche'"Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten, Grüne, Parteilose, Vertreter der Jugend, der Kirchen u. a." sind. Dies sei eine Bestätigung für die große Aktualität der Lehren aus dem antifaschistischen Widerstandskampf. 65 II. Rechtsextremistische Bestrebungen 1. Allgemeiner Überblick Rechtsextremistische Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland sind vor allem daran erkennbar, daß ihre Träger wesentliche Grundlagen unserer parlamentarischen Demokratie - zuweilen provokativ und offen, zumeist eher verdeckt - bekämpfen. Ziel ist statt dessen ein nach dem Führerprinzip organisierter totalitärer Staat. Übersteigerter Nationalismus, völkischer Kollektivismus sowie eine aggressive Fremdenfeindlichkeit sind weitere bestimmende Elemente des Rechtsextremismus. Schließlich kennzeichnen auch die unkritische Verherrlichung des Dritten Reiches und die Verharmlosung der von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen häufig den Rechtsextremisten. Allerdings sind diese typischen Merkmale bei den derzeit im Bundesgebiet aktiven rechtsextremen Organisationen in recht unterschiedlicher Ausprägung zu erkennen. Vor allem die militanten neonazistischen Gruppen bekennen sich offen zur Mehrzahl dieser Grundsätze, während sich bei anderen Organisationen und Splittergruppen oft nur Einzelaspekte nachweisen lassen. Diese Unterschiede bestimmen zumeist auch die Intensität und die Mittel ihres Kampfes gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland. In Baden-Württemberg ist es im Laufe des Jahres 1985 durch das konsequente Vorgehen der Sicherheitsund der Strafverfolgungsbehörden gelungen, das provozierende Auftreten neonazistischer Aktivisten einzudämmen. Dennoch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch in unserem Bundesland ein - zahlenmäßig allerdings überschaubares - neonazistisches Potential vorhanden ist. Die anhaltende Gewaltbereitschaft der zumeist sehr jungen Fanatiker und ihre aggressive Ausländerfeindlichkeit, die sich immer häufiger in Tätlichkeiten und rüdem Auftreten zeigt, strahlen zunehmend ab auf die diffuse Szene jugendlicher Randgruppen wie Skinheads und militante Fußballfans. Die tendenziell in der Nachfolge der im Dezember 1983 durch den Bundesminister des Innern verbotenen und aufgelösten "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) agierenden Neonazis haben sich bundesweit in der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) des Martin PAPE, Stuttgart, eine neue politische Heimat geschaffen. Die Versuche, die Partei organisatorisch zu verbreitern, zu festigen und ganz unter neonazi67 stischen Einfluß zu bringen, dauern an. Allerdings ist in Baden-Württemberg derzeit nur noch der FAP-Kreisverband Stuttgart aktiv; die anderen Untergliederungen sind entweder aufgelöst oder seit geraumer Zeit nicht mehr öffentlich aufgetreten. Die Situation der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) war über längere Zeit durch personelle und organisatorische Schwächen und durch geringe Resonanz in der Wählerschaft gekennzeichnet. Inzwischen sieht sich die Partei wieder in einer Phase des Aufschwungs. Tatsächlich übersteigt in Baden-Württemberg die Zahl der neugewonnenen Mitglieder nur geringfügig die der Abgänge, so daß der NPD hier ein nahezu unverändertes Potential von rund 1.000 Personen (1984: 950) zur Verfügung steht. Immerhin ist es der Führung gelungen, die Partei insgesamt wieder zu stabilisieren, in einzelnen Bereichen zu verjüngen und die Arbeit vielerorts neu zu aktivieren. Einer der Agitationsschwerpunkte der Nationaldemokraten ist unverändert das Thema "Ausländerstopp", mit dessen tendenziöser Aufbereitung sie namentlich auf kommunaler Ebene versuchen, Resonanz zu finden. Innerhalb des organisierten Rechtsextremismus stellt die zur "National-Freiheitlichen Rechten" zählende "Deutsche Volksunion" (DVU) mit ihren sechs "Aktionsgemeinschaften" unverändert das zahlenmäßig stärkste Potential. Allerdings gehen von diesem nur sehr lose organisierten Bereich außer einer breiten publizistischen Tätigkeit und der Durchführung gelegentlicher Vortragsveranstaltungen kaum Aktivitäten aus. 2. Neonazistische Bestrebungen Im Jahre 1985 waren im Bundesgebiet insgesamt 29 NS-Gruppen aktiv, von denen allerdings die meisten lediglich regionale Bedeutung erlangten. In ihnen waren rund 1.270 der insgesamt 1.420 (1984 = 1.350) Neonazis organisiert. Etwa 150 NS-Aktivisten sind keiner festgefügten Gruppierung zuzuordnen. 2.1 Verbotene "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) Auch 1985 waren die von ehemaligen Angehörigen der verbotenen und aufgelösten "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/ NA) gegründeten Gruppen der bestimmende Faktor in der Neonazi-Szene. Wenngleich das nachdrückliche Vorgehen der Sicherheitsund der Strafverfolgungsbehörden und insbesondere die Verurteilung des Leiters der frühe68 ren ANS/NA, Michael KÜHNEN, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten im Januar 1985 zu einem Abbröckeln der "Bewegung" führten, so ist es dennoch bisher nicht gelungen, sie gänzlich zu zerschlagen. Der in den Monaten nach dem Verbot vorherrschenden Verunsicherung und Orientierungslosigkeit folgte eine Phase der allmählichen Stabilisierung, in der deutliche Ansätze zur Militanz sowie die Bereitschaft zur Begehung krimineller Handlungen erkennbar wurden. So löste das Urteil gegen Michael KÜHNEN bei seinen Anhängern durchweg Empörung und aggressive Kommentare aus. Ein führender NS-Aktivist hatte bereits vor der Urteilsverkündung in der Schrift "Die Neue Front" (Nr. 20/Januar 1985) die Möglichkeit der Fortführung militanter, neonazistisch motivierter Umtriebe und Gewaltakte im Untergrund angedroht: " . . . Es geht hier nicht um die Wahrung der Rechtsordnung. Es geht um politische Unterdrückung, um die Ausschaltung eines führenden Kopfes und die Einschüchterung der Gefolgschaft... Aber das Schwert politischer (und mithin auch juristischer) Unterdrükkung hat zwei Schneiden, und leicht kehrt es sich gegen den, der es führt. Das meinte Michael Kühnen, als er sagte: .Seien Sie vorsichtig, wenn Sie mich verurteilen!'... Wohl wären sie zunächst einen unliebsamen Regimekritiker für weitere vier Jahre los, aber das Problem als solches hätten sie damit nicht beseitigt. Dann nämlich begänne für viele Kameraden wieder die Arbeit im politisch-propagandistischen Untergrund, und vielleicht würden dann - ähnlich wie die "Szene" auf der linken Seite sich entwickelt hat - auch gezielte Schüsse auf Richter und Staatsanwälte fallen. Ein Michael Kühnen, der sich wie Adolf Hitler an das Legalitätsprinzip hält, ist für diesen Staat berechenbar. Kleine, militante und aggressive Gruppen sind es nicht mehr. .Wenn a l l e s , was wir tun, zu Knast führt, dann können wir gleich die ganz gefährlichen, die verbotenen Dinge tun', meinen viele Kameraden. Und etliche von ihnen werden es tun, wenn der Wunsch des Staatsanwaltes (vier Jahre Haft für Michael Kühnen) Realität wird." Im Flugblatt eines "Freundeskreises Michael KÜHNEN" wurde dessen Verurteilung als "Gesinnungsund Polit-Justiz" bezeichnet und dem Staat vorgeworfen, "Angst vor einem einzigen Mann" zu haben, "der sich als Nationalsozialist bezeichnet und damit eine Sogwirkung ausübt". Wenn das Urteil "typisch für eine Demokratie" sei, dann sei "Widerstand gegen dieses System nicht nur legal, sondern die Pflicht eines jeden anständigen Bürgers!" 69 KÜHNEN selbst versucht seitdem mit "Briefen aus der Haft", die in der NSSchrift "Die Neue Front" veröffentlicht werden, weiterhin Einfluß auf seine Anhänger zu nehmen und den organisatorischen Zusammenhalt der "Bewegung" zu sichern. Diesem Ziel dienen auch überregionale Aktivitäten der Angehörigen der ehemaligen ANS/NA, bei denen es zum Teil zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen NS-Aktivisten und politischen Gegnern kam: - Anhänger der verbotenen ANS/NA beteiligten sich vom 30. Dezember 1984 bis 1. Januar 1985 am Winterlager der rechtsextremistischen "Wiking-Jugend e.V." in der Nähe von Fulda. Wolfgang NAHRATH, der Bundesführer der WJ, hatte sie zum "Schutz" des Lagers vor Gegendemonstranten eingeladen. In einem internen Rundschreiben war ihnen angekündigt worden, daß zu dieser Gelegenheit nicht nur der übliche antifaschistische Pöbel auftreten will, sondern auch die Gangs von Hausbesetzern, Polit-Schlägern und Berufskrawalleros aus Hamburg, Frankfurt und dem Ruhrgebiet mobil gemacht haben." Das Treffen wurde deshalb als "günstige Gelegenheit" betrachtet, den "erbittertsten und militantesten Feinden geschlossen entgegenzutreten und ihnen deutlich zu machen, daß sie sich nicht alles erlauben dürfen!" Am 31. Dezember 1984 zogen die Mitglieder der WJ und zahlreiche Anhänger der ehemaligen ANS/NA durch Fulda, wobei sie Parolen wie "Ausländer raus!" und "Rotfront verrecke!" skandierten. Gewaltsame Auseinandersetzungen mit politisch Andersdenkenden konnten durch den Einsatz starker Polizeikräfte verhindert werden. - Am 23. Februar 1985 kamen ehemalige ANS/NA-Angehörige aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter auch aus Baden-Württemberg, nach Frankfurt am Main, um an einer Veranstaltung der neonazistisch unterwanderten "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) anläßlich der hessischen Kommunalwahlen teilzunehmen. Trotz des Verbots der öffentlichen Kundgebung versammelten sich etwa 40 Neonazis in der Frankfurter Innenstadt, wo es zu Zusammenstößen mit etwa 100 Gegendemonstranten kam, in deren Verlauf mehrere Personen zum Teil erheblich verletzt wurden. - Im Vorfeld einer für den 8. Mai 1985 aus Anlaß des 40. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs geplanten Kundgebung des DGB trafen sich am 4. Mai 1985 in Aachen über 100 Rechtsextremisten, darunter Anhänger der verbotenen ANS/NA, der FAP und der "Wiking-Jugend", aber auch Gesinnungsgenossen aus dem benachbarten Ausland sowie zahlreiche "Skinheads". In der Aachener Innenstadt wurden Flugblätter der FAP verteilt und mehrfach Informationsstände demokratischer Parteien attackiert. 70 Im Laufe des Tages wurden über 50 Rechtsextremisten vorläufig festgenommen. - In Bielefeld fanden sich am 14. September 1985 etwa 50 Angehörige der FAP aus dem gesamten Bundesgebiet zu einem "Aktionstag" zusammen, der unter der Losung "Ausländer raus" stand. Trotz des Einsatzes starker Polizeikräfte kam es zu Auseinandersetzungen mit etwa 100 Gegendemonstranten. Die führenden Funktionäre der ehemaligen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) haben ihre Bemühungen auch 1985 fortgesetzt, unter Mißbrauch des Gefüges der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) ein neues organisatorisches Gerüst für die Anhänger des inhaftierten Michael KÜHNEN aufzubauen. 2.2 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die FAP wurde am 17. März 1979 von ihrem derzeitigen Bundesvorsitzenden Martin PAPE, Stuttgart, gegründet. In den folgenden Jahren erstreckten sich ihre Aktivitäten ausschließlich auf den engeren Stuttgarter Raum. Durch die seit Frühjahr 1984 anhaltende Sammlung von Neonazis in der FAP hat sich inzwischen nicht nur deren Mitgliederzahl vergrößert, sie verfügt auch überteilweise nur formal existente - Untergliederungen in mindestens sieben Bundesländern. Obgleich noch immer Stuttgart Sitz der Partei ist, gibt es in Baden-Württemberg keinen eigenen FAP-Landesverband. Von den Anfang 1985 bestehenden vier Kreisverbänden zeigt lediglich der FAP-Kreisverband Stuttgart noch geringe Aktivitäten. Der FAP-Kreisverband Calw sowie der im Oktober 1984 gegründete Kreisverband Reutlingen der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterjugend" (FAJ) - der Jugendorganisation der FAP - wurden von PAPE zwischenzeitlich aufgelöst. Die Kreisverbände Ulm und Ortenau sind seit längerem inaktiv. Das seit Gründung der FAP gültige "Aktionsprogramm" läßt in seinen Zielvorstellungen nur sehr wenig Übereinstimmung mit denen der verbotenen ANS/NA erkennen. Es blieb dennoch bisher unverändert und ist offiziell für alle Mitglieder der Partei verbindlich. Vor allem im FAP-Landesverband Nordrhein-Westfalen wird deshalb seit einiger Zeit versucht, neue programmatische Aussagen durchzusetzen, die weithin mit denjenigen der ehemaligen ANS/NA übereinstimmen sollen. Ähnliche Absichtserklärungen wurden auch aus anderen Gliederungen der FAP bekannt. Diesen Bestrebungen ehemaliger ANS/NA-Anhänger, die FAP durch gezielte Unterwanderung für ihre neonazistischen Ziele nutzbar zu machen, versucht 71 KampfbUtt Oct Freiheitlichen Deutfchen Arbeiterpartei tDit geben DeutecbUnö nicht kostenlos bec ! DEUTSCHLAND ist seit nunmehr 40 Jahren geteilt und noch inner von den Siegermächten des 2. Weltkrieges besetzt. Es gibt keinen selbstständigen deutschen Staat und keine souveräne deutsche Regierung.Alle drei Teilstaaten auf dem Gebiet des Deutschen Reiches, BRD, DDR und Österreich sind nicht vom deutschen Volke, sondern von den Alliierten und ihren "deutschen" Helfershelfern errichtet worden. Wir jungen Nationalisten der neuen Generation fordern deshalb: 1. Abzug aller ausländischen Truppen 7. Erziehung der deutschen Jugend nach von deutschem Boden. dem Leitbild des Gemeinschaftsge2. Austritt der BRD und der DDR aus dankens. Schließung der GesamtNATO und Warschauer Pakt. Schaffen schulen;Förderung von Eliteschulen! einer blockund atomwaffenfreien Verbot sämtlicher Abtreibungen ! Zone in Europa. 8. Rückführung al1er Fremdarbeiter/ 3. Neugründung eines deutschen Heeres Gastarbeiter/Asylanten in ihre unter deutschem Oberbefehl, das Heimatländer.Deutsche Arbeitsplätze nicht Marionette der Alliierten ist für deutsche Arbeiter. wie Bundeswehr oder NVA. 9. Verbot kommunistischer Parteien 4. Rückgabe besetzter deutscher Geund Organisationen, die zum bewaffbiete in den Grenzen vom 1.9.1939. neten Aufstand aufrufen. Dagegen: 5. Sofortige Freilassung der letzten Freiheit für alle nationalen poliKriegsgefangenen aus Polen, Holland tischen Gefangenen. und Spandau. Freiheit für 10.Abschluß von Friedensverträgen mit RUDOLF HESS. unseren Nachbarstaaten und den Län6. Schluß mit der Kriminalisierung der dern, die uns - wie England und deutschen Vergangenheit und objekFrankreich - den Krieg erklärten. tive Geschichtsschreibung über das Gegenseitiger Verzicht auf WiederIII. Reich und die Ursachen des 2. gutmachungsund ReparationsWeltkrieges. zahlungen. Aus all diesen Gründen sind wir im Rahmen der FAP politisch tätig. Es lebe unser Heiliges Deutschland! Schrift der FAP 72 der Parteivorsitzende PAPE von Stuttgart aus entgegenzuwirken. Er befürchtet offenbar, daß die FAP wegen der wachsenden Zahl von NS-Aktivisten in ihren Reihen und wegen deren teilweise offen neonazistischer Agitation als Nachfolgeorganisation der ANS/NA verboten werden könnte. Um dies zu vermeiden, verlangt er immer drängender von allen FAP-Mitgliedern die Respektierung des Programms der Partei. Seine nicht zuletzt taktisch motivierten Appelle, die er in der von ihm herausgegebenen Monatszeitung "Deutscher Standpunkt" (DS) bisher veröffentlichte, blieben allerdings weitgehend wirkungslos und stießen in den neuen FAP-Untergliederungen durchweg auf Ablehnung. Im Mai 1985 entschloß sich der FAP-Bundesvorsitzende, zumindest nach außen hin, härter gegen ehemalige ANS/NA-Angehörige vorzugehen. Allerdings beschränkten sich die von PAPE ergriffenen konkreten Maßnahmen bislang auf FAP-Mitglieder und -Untergliederungen in Baden-Württemberg. So erklärte PAPE im Mai 1985 - wie schon erwähnt, den Kreisverband Calw der FAP wegen neonazistischer Umtriebe seiner Funktionsträger und Anhänger für aufgelöst. Mit diesen Maßnahmen gelang es PAPE in Baden-Württemberg, den Einfluß von Neonazis auf die FAP zu begrenzen. Gleichzeitig mußte er jedoch in Kauf nehmen, daß die in unserem Lande bestehenden FAP-Kreisverbände ihre Tätigkeit entweder einstellten oder zumindest erheblich einschränkten. Von entscheidender Bedeutung für die weitgehende Inaktivität der FAP in Baden-Württemberg dürften allerdings weniger die vor allem taktisch bedingten Maßnahmen PAPEs als vielmehr das nachdrückliche Vorgehen der Sicherheitsund der Strafverfolgungsbehörden gegen NS-Aktivisten im Raum Nagold, im Kreis Reutlingen sowie im Ortenaukreis gewesen sein. Dieses führte dazu, daß zahlreiche Mitglieder der in diesen Bereichen ehemals aktiven FAP-Kreisverbände, die bis Ende 1983 meist der verbotenen ANS/NA angehört hatten, zu empfindlichen Freiheitsoder Geldstrafen verurteilt wurden. 2.3 Neonazistische Bestrebungen in Baden-Württemberg Schwerpunkte neonazistischer Agitation waren in Baden-Württemberg über längere Zeit der Raum Nagold, der Kreis Reutlingen und der Ortenaukreis. Die Aktivitäten in diesen Bereichen gingen dabei überwiegend von Angehörigen der verbotenen ANS/NA aus, die versuchten, ihre Tätigkeit unter neuer Organisationsbezeichnung fortzusetzen. So benannte sich die ehemalige "Stammkameradschaft 3, Nagold" der ANS/NA Anfang 1984 in "Stoßtrupp Nagold" um, der wiederum Ende Januar 1985 aufgelöst und in den "FAPKreisverband Calw" überführt wurde. Dieser Schritt sollte offensichtlich dazu 73 dienen, strafrechtliche Maßnahmen gegen Angehörige des mit der ehemaligen "Stammkameradschaft 3, Nagold" identischen "Stoßtrupps Nagold" zu unterlaufen. Im Februar 1985 gründeten mehrere NS-Aktivisten aus der Umgebung von Nagold im Anwesen eines Rohrdorfer "Kameraden" eine Wohngemeinschaft. Dies führte in der Gemeinde zu einem sprunghaften Anstieg neonazistisch geprägter Vorkommnisse. Öffentliche Aufmerksamkeit zog dieser Personenkreis auf sich, als anläßlich der 96. Wiederkehr des Geburtstags von Adolf HITLER am 20. April 1985 an dem Gebäude ein Transparent mit entsprechenden Parolen angebracht wurde. Im Juli 1985 wurde das Wohnhaus in Rohrdorf schließlich überraschend veräußert. Der bisherige Eigentümer und die übrigen Mitbewohner setzten sich nahezu fluchtartig ins westliche Ausland ab, offensichtlich um weiteren Maßnahmen der Sicherheitsund der Strafverfolgungsbehörden zu entgehen. Damit kamen die neonazistischen Umtriebe im Bereich Nagold zum Erliegen. Einige Mitglieder dieser vormaligen Wohngemeinschaft sind inzwischen wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt, ohne allerdings erneut aktiv zu werden. Der - erst nach dem ANS/NA-Verbot entstandene - "Stoßtrupp Renchen'VOrtenaukreis firmierte ebenfalls ab Januar 1985 unter neuer Bezeichnung: Er benannte sich in "FAP-Kreisverband Ortenau" um. Seine Aktivitäten beschränkten sich im Gegensatz zur Nagolder Gruppe, zu der Kontakte bestanden, auf das gelegentliche Verbreiten rechtsextremistischer Schriften, darunter auch die NS-Zeitung "Klartext". In der Öffentlichkeit blieb er nahezu unbeachtet. Im Kreis Reutlingen hatte sich 1984 um einen 17jährigen Neonazi, der Kontakte zu der dort zeitweise aktiv gewesenen Ortsgruppe der "NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) unterhielt, ein Zirkel gebildet, aus dem schließlich im Oktober 1984 der Kreisverband Reutlingen der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterjugend" (FAJ) hervorging. Dieser Gruppe, die sich als Jugendorganisation der FAP verstand und die versuchte, Kontakte zur Fußballfanund zur Skinheadszene zu knüpfen, gelang es indes nicht, sich organisatorisch zu festigen. Darauf deutet auch der Umstand hin, daß Flugblätter der FAJ fast ausschließlich von einigen wenigen Personen verteilt wurden. Als Folge der bereits erwähnten formellen Auflösung der FAJ durch den FAP-Vorsitzenden PAPE sowie der Verurteilung ihres Anführers (vgl. Ziff. 2.7) kamen die Aktivitäten der Gruppe im Herbst 1985 praktisch zum Erliegen. 2.4 Einflußnahme auf jugendliche Randgruppen Die Verbindungen zumeist junger Neonazis zu Skinheads und zu militanten Fußballfans beschwören die Gefahr der Politisierung gewaltgeneigter ju74 gendlicher Randgruppen herauf. Seit Jahren können in der Bundesrepublik Deutschland lose Kontakte zwischen rechtsextremen, insbesondere neonazistischen Zirkeln und militanten Teilen von Fangruppen festgestellt werden. Durch ihre aggressive Haltung vornehmlich gegenüber Ausländern sowie durch ihr zum Teil provozierendes Gebaren haben Jugendliche aus diesem Milieu das Interesse von Neonazis geweckt. Insbesondere Skinheads und randalierende Fußballfans fielen in der Vergangenheit immer wieder durch ihre aktive Beteiligung an Krawallen und das Verwenden verbotener nationalsozialistischer Embleme, Parolen und Grußformen auf. Dabei konnte allerdings nur selten eindeutig geklärt werden, ob tatsächlich politische Motive oder nur der Wunsch nach "Randale" Anlaß der Auseinandersetzungen waren. Das Beispiel der Dortmunder "Borussen-Front" - das freilich bundesweit noch immer eine Ausnahme darstellt - macht deutlich, daß es rechtsextremen Organisationen gelingen kann, Fußballfans politisch zu beeinflussen und deren Gewaltpotential im eigenen Sinne zu nutzen: Der "anpolitisierte" Führer der "Borussen-Front", Siegfried BORCHARDT, auch "SS-Siggi" genannt, kandidierte im Mai 1985 bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen für die neonazistisch geprägte "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP). Baden-Württemberg blieb bisher von solch gravierenden Einzelfällen verschont. Es gibt zwar auch in unserem Lande Versuche von Neonazis, sich 75 dieses Potentials zu bedienen, doch liegt der Schwerpunkt der gelegentlich festzustellenden Aktivitäten solcher Kräfte mehr in der gezielten Gewalttätigkeit und weniger in der zumindest in Ansätzen politisch motivierten Handlung. Trotzdem werden alle Anzeichen einer Beeinflussung gewaltorientierter jugendlicher Randgruppen durch Träger rechtsextremen Gedankenguts vom Verfassungsschutz auch künftig sorgfältig beobachtet werden müssen. 2.5 Sonstige neonazistische Vereinigungen 2.5.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Nachdem die bereits 1979 gegründete "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) zeitweise an Bedeutung verloren hatte, gelang es der ehemaligen ANS/NA-Aktivistin und jetzigen 1. Vorsitzenden der HNG, Christa GÖRTH aus Bielefeld, im Jahre 1985 die Organisation wieder zu stabilisieren. Obwohl die HNG ihren Stellenwert als zahlenmäßig stärkste neonazistische Gruppierung eingebüßt hat, zählt sie noch immer zu den einflußreichen rechtsextremen Vereinigungen mit intensiven Kontakten zu ausländischen Gesinnungsgenossen. Ihre Hauptaufgabe sieht die HNG, der zahlreiche Anhänger der verbotenen ANS/NA angehören, in der Hilfe für "politisch Verfolgte". In ihrem monatlich erscheinenden Mitteilungsblatt "Nachrichten der HNG" werden regelmäßig Listen der von ihr betreuten "nationalen politischen Gefangenen" veröffentlicht. Danach unterstützt sie durchschnittlich etwa 25 Personen im Inund Ausland. In einem ihrer neuesten Flugblätter "Die HNG informiert" fordert sie zum wiederholten Male "Freiheit für alle verfolgten Nationalisten". 2.5.2 NS-Gruppe Curt MÜLLER Wie in den vergangenen Jahren war das Anwesen von Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim auch 1985 ein bevorzugter Treffpunkt führender NS-Aktivisten aus dem gesamten Bundesgebiet. Vor allem zu den seit 1974 regelmäßig stattfindenden Sommerund Wintersonnwendfeiern finden sich dort jeweils zahlreiche Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet ein, darunter fast immer auch solche aus Baden-Württemberg. 2.5.3 "Deutsche Bürgerinitiative e.V." (DBI) Die "Deutsche Bürgerinitiative e.V." (DBI) wird seit Dezember 1983 unverändert von Gertraud ROEDER, der Ehefrau des eine 13jährige Freiheitsstrafe 76 J Nr. 7 Hilfswerk Manfred Roeder NOVEMBER 1 9 8 5 ZUSAMMENGESTELLT VON TRAUDEL ROEDER Schrift der Deutschen Bürgerinitiative verbüßenden Initiators der Gruppe, Manfred ROEDER, geleitet. Sie führte auch im Jahre 1985 wieder regelmäßig "Freundestreffen" auf dem sogenannten Reichshof in Schwarzenbom/Hessen durch. Während sie mit Hilfe dieser Zusammenkünfte versucht, den Zusammenhalt der DBI zu wahren, wirkt ihr Ehemann aus der Haft heraus durch die von ihm verfaßten "Briefe" der "Europäischen Freiheitsbewegung" auf seine Anhänger ein. Darin nimmt er aus seiner Sicht zu tagespolitischen Themen Stellung und beklagt im übrigen sein eigenes Schicksal. 2.5.4 "Bürgerund Bauerninitiative e.V." (BBI) Der Vorsitzende der "Bürgerund Bauerninitiative e.V." (BBI), Thies CHRISTOPHERSEN aus Mohrkirch (Schleswig-Holstein), wegen Straftaten mit neonazistischem Hintergrund mehrfach vorbestraft, führte 1985 nach längerer Pause auch in Baden-Württemberg wieder Veranstaltungen seiner überregional tätigen Gruppe durch. Zu den insgesamt drei "Freundestreffen" in Ludwigsburg reisten Teilnehmer auch aus anderen Bundesländern an. Refe77 renten waren unter anderem (der inzwischen verstorbene) Walter DAHL, der über seine "heldenhaften Rammjägereinsätze gegen alliierte Terrorbomber" sprach, sowie der Vorsitzende der rechtsextremen "Deutschen Freiheitsbewegung" (DDF), Otto Ernst REMER. Darüber hinaus verbreitet CHRISTOPHERSEN unverändert die von ihm herausgegebene Vierteljahresschrift "Die Bauernschaft", in der er das während des Dritten Reiches Geschehene verharmlost und die Massenvernichtung jüdischer Menschen in Zweifel zieht: "Briefe auf die keine Antwort kam Sehr geehrter Herr . . . ! Von einigen Lesern unserer Zeitschrift DIE BAUERNSCHAFT erfahre ich, daß Sie einer der wenigen sind, die genau wissen, daß es im Kriege Gaskammern zur Massenvernichtung von Menschen gegeben hat. Ich war im Jahre 1944 von Jan. bis Dez. im KZ Auschwitz. Meine Erinnerungen habe ich in dem Erlebnisbericht DIE AUSCHWITZLÜGE veröffentlicht. Dieser Bericht bekam eine sehr hohe Auflage und wurde in vielen Sprachen übersetzt. Diese Schrift ist heute in der BRD verboten. Vielleicht ist das auch die Ursache für die steigende Nachfrage. Jedenfalls hat diese Schrift einige Historiker veranlaßt, weitere Forschungen anzustellen. Sie kamen alle zu dem gleichen Ergebnis: Es gab keine Gaskammern zur Massenvernichtung von Menschen." 2.5.5 "Nationalistische Front" (NF) Die neonazistische "Nationalistische Front" (NF) wurde im September 1983 in München unter der Bezeichnung "Nationale Front - Bund Sozialrevolutionärer Nationalisten" (NF-BSN) gegründet. Zu den Initiatoren zählten Anhänger der 1982 verbotenen "Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit" (VSBD/PdA) und deren Jugendorganisation "Junge Front" (JF). Die Aktivitäten der Gruppe, die sich ab 1984 "Nationalistische Front" (NF) nannte, beschränkten sich zunächst im wesentlichen auf Bayern. Erst Anfang 1985 trat sie auch überregional in Erscheinung; so tauchten in Freiburg und Heidelberg mehrmals von ihr verbreitete Flugschriften auf. Am 16. November 1985 konstituierte sich die NF auf einem Gründungsparteitag in Steinhagen bei Bielefeld, an dem etwa 50 Personen teilnahmen, als Partei. Ein seit Jahren bekannter Rechtsextremist aus Freiburg wurde zum Vorsitzenden gewählt. In ihrem 10 Punkte umfassenden, von einem aggressiven Nationalismus geprägten "Grundsatzprogramm" fordert die NF die "antiimperialistische nationale Befreiung von fremder Macht und ihren deutschen Handlangern": 78 Daher verlangt der Einsatz für die Bewahrung der Volksidentität, der Lebenswerte und der Wesensart der Deutschen Nation nachdrücklichen Kampf gegen das System der nationalen Selbstauflösung, gegen weitere fremdvölkische Einwanderung und für Heimführung der Ausländer... Wir stehen in der Tradition der durch volksfremde Machteinflüsse über Jahrhunderte hin abgerissenen und verschütteten deutschen Volksfreiheit gegen Herrscherwillkür und Staatstyrannei..." 2.6 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund Die Zahl der Gesetzesverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund stieg auch 1985 weiter an: während 1984 noch 123 Vorkommnisse bekannt wurden, waren es im abgelaufenen Jahr bereits 178. Allerdings handelt es sich dabei überwiegend um Schmierund Klebeaktionen, deren Zahl sich von 78 auf 122 erhöhte. Diese gingen nicht nur von Einzelaktivisten, sondern verstärkt auch von Anhängern rechtsextremistischer Gruppierungen aus. Der Anteil politisch motivierter Aktionen gegen jüdische Mitbürger und Einrichtungen in Baden-Württemberg blieb 1985 mit fünf Einzelfällen (1984: 4) nahezu konstant. 79 Neben rund 50 sonstigen Vorkommnissen - hierzu zählt vor allem der Versand nazistischer Schriften und neonazistischen Propagandamaterials - kam es auch wieder zu Fällen von Gewaltanwendung: - Ein seit mehreren Jahren aktiver Rechtsextremist, der bei der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg am 25. März 1984 für die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) kandidiert hatte, verübte am 24. Januar 1985 in Hungen bei Gießen einen bewaffneten Raubüberfall auf die dortige Bezirkssparkasse und erbeutete über 70.000,DM. Obwohl der Täter bei dem Überfall maskiert war und an dem von ihm benutzten Pkw die Kennzeichen ausgetauscht hatte, konnte er kurze Zeit später festgenommen werden. Das Landgericht Gießen verurteilte ihn am 30. April 1985 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Seine Einlassung, er habe den Banküberfall alleine durchgeführt und keinerlei politische Motivation gehabt, konnte letztlich nicht widerlegt werden. - Am 19. April 1985 übergoß ein 22jähriger Mann in einem Kino in Heilbronn während einer Vorführung den Film mit Brennspiritus und steckte ihn in Brand. Dabei entstand ein Sachschaden in Höhe von fast 30.000DM. Den Filmvorführer, der sich zur Wehr setzte, verletzte der Täter mit einem Schuß aus seiner Gaspistole. Anschließend besprühte er mehrere Schaukästen im Vorraum des Kinos mit Hakenkreuzen. Der den Sicherheitsbehörden bis dahin nicht bekannte Täter machte aus seiner rechtsextremistischen Einstellung keinen Hehl und bezeichnete den Inhalt des Films sowie die Judenverfolgung im Dritten Reich als Lüge. 2.7 Maßnahmen gegen rechtsextreme Aktivisten Der seit Jahren steigenden Zahl von Gesetzesverletzungen aus rechtsextremistischen Beweggründen begegneten die Strafverfolgungsbehörden mit zahlreichen Ermittlungsverfahren, die zum Teil 1985 ihren gerichtlichen Abschluß fanden. Allerdings blieb bei Schmierund Klebeaktionen die Mehrzahl der Täter unerkannt. In der Nacht zum 9. April 1985 wurde in Paris der aus Baden-Württemberg stammende, mußmaßliche rechtsextremistische Gewalttäter Odfried HEPP durch die französischen Sicherheitsbehörden festgenommen. Auf Hinweise zur Ergreifung von HEPP, nach dem seit April 1983 international gefahndet wurde, war zuletzt eine Belohnung von 50.000,DM ausgesetzt. Er gilt als Kopf einer neonazistischen Terrorgruppe, deren Mitglieder 1982/83 fünf Banküberfälle sowie drei Sprengstoffanschläge auf Angehörige der US-Armee verübt hatten. Am 15. März 1985 waren fünf Angehörige dieser Gruppe durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (u. a. wegen gemeinschaftlichen versuchten ao Mordes, gemeinschaftlichen schweren Raubes und versuchter Gründung einer terroristischen Vereinigung) zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und vierzehn Jahren verurteilt worden. Der Hauptangeklagte Walther KEXEI beging am 17. März 1985 in seiner Zelle in der Vollzugsanstalt Frankfurt-Preungesheim Selbstmord. Am 24. Januar 1985 wurden aufgrund richterlicher Beschlüsse bei 17 Mitgliedern der neonazistischen Gruppen "Karlsruher Front", "Stoßtrupp Nagold" und "Stoßtrupp Renchen" Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts der Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) durchgeführt. Neben zahlreichen Druckerzeugnissen rechtsextremen Inhalts wurden Kampfanzüge, Uniformteile, aber auch Schuß-, Schlagund Stichwaffen sowie Munition sichergestellt. Vor dem Landgericht Stuttgart fand in der Zeit vom 17. bis 30. April 1985 die Hauptverhandlung gegen mehrere Anhänger der verbotenen ANS/NA aus dem Raum Nagold und aus Stuttgart statt. Drei führende Mitglieder der ehemaligen "Stammkameradschaft 3, Nagold" wurden zu Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung, die übrigen Angeklagten zu empfindlichen Jugendund Geldstrafen verurteilt. Ihnen waren das Verbreiten neonazistischen Propagandamaterials, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung sowie Verstöße gegen das Versammlungsgesetz zur Last gelegt worden. Die Strafkammer wertete es als straferschwerend, daß mehrere Angeklagte sich durch ihr besonders provozierendes Auftreten in der Hauptverhandlung unverändert als Nationalsozialisten bekannten. Das Amtsgericht Reutlingen verurteilte am 10. September 1985 fünf Skinheads wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, zum Teil in Tateinheit mit Volksverhetzung, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Beleidigung und Nötigung zu Strafen von einer Woche Dauerarrest bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Die zumeist bereits vorbestraften Skinheads hatten am 22. Dezember 1984 nach einem Fußballspiel sichtlich alkoholisiert im Zug von Plochingen nach Reutlingen zwei Fahrgäste zunächst geschlagen und sodann gezwungen, nazistische Parolen wie "Heil Hitler" und "Vergast alle Juden" zu rufen. Am 11. Dezember 1985 verurteilte das Landgericht Stuttgart in einem Verfahren gegen Mitglieder der ehemaligen "Ortsgruppe Reutlingen" der "NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) die beiden Initiatoren zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten bzw. einem Jahr (jeweils mit Bewährung); gegen die weiteren Gruppenmitglieder wurden Geldstrafen oder Arbeitsauflagen ausgesprochen. Ein Angeklagter wurde freigesprochen. Die Gruppenmitglieder, darunter auch der Gründer des 81 Aufkleber der NSDAP-AO Kreisverbands Reutlingen der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterjugend" (FAJ), waren des Einführens, Vorrätighaltens und Verbreitens von neonazistischem Propagandamaterial, ferner des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie eines Verstoßes gegen das Waffengesetz für schuldig befunden worden. Bereits zu Verhandlungsbeginn am 25. November 1985 war es vor dem Gerichtsgebäude zu Protestaktionen gekommen, bei denen Anhänger der Angeklagten das Gericht als "modernen Volksgerichtshof der BRD" beschimpften und die Taten als "Räuberund Gendarmspielen .. . halber Kinder" verharmlosten. 2.8 Internationale Verflechtungen des Rechtsextremismus Seit Jahren sind deutsche Rechtsextremisten bestrebt, ihre Verbindungen zu Gleichgesinnten im Ausland aufrechtzuerhalten und zu vertiefen. Dabei kommt den Kontakten nach Frankreich, aber auch in die Schweiz und nach Österreich besondere Bedeutung zu. Insbesondere Frankreich wurde wiederholt zum - allerdings meist nur vorübergehenden - Zufluchtsland für 82 deutsche Neonazis, welche die Bundesrepublik Deutschland verlassen hatten, um sich dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen. Vereinzelte Beziehungen überwiegend jüngerer NS-Aktivisten zu militanten palästinensischen Kreisen bestehen offenbar fort. Frankreich Die französische rechtsextreme Szene unterhält weitverzweigte Verbindungen zu gleichgesinnten deutschen Aktivisten. So bemüht sich ein Angehöriger der französischen neonazistischen "Faisceaux Nationalistes Europeens" (F.N.F.), die Zielvorstellungen des inhaftierten Führers der verbotenen ANS/NA, Michael KÜHNEN, weiterzuverfolgen. Er versucht, eine Art "Europäische Bewegung" aufzubauen, die auf der 1984 von KÜHNEN während seines Frankreichaufenthalts initiierten, damals jedoch wenig erfolgreichen "ANS-Auslandsorganisation" (ANS-A.O.) fußen soll. Erheblichen propagandistischen Einfluß auf deutsche Neonazis üben die von Frankreich aus ins Bundesgebiet geschleusten Publikationen "Die Neue Front" und das ebenfalls deutschsprachige "Zentralorgan der ANS-Auslandsorganisation" ("Die Neue Zeit") aus. Letzteres berichtet in seiner Ausgabe vom September 1985 unter anderem über den angeblichen Befreiungskampf Nationaler Sozialisten im Libanon. Deren Präsenz im Nahen Osten sei ein Zeichen der festen Freundschaft und der traditionellen Verbundenheit mit den arabischen Völkern im "Kampf gegen Kapitalismus und Zionismus". Dieser Kampf sei erst beendet, "wenn Zionismus, Kapitalismus und Kommunismus vernichtet sind". Schon im Juli 1985 war in der Schrift auf das Bestehen einer angeblichen Sektion der "ANS-Auslandsorganisation" (ANS-A.O.) im Libanon hingewiesen worden. Seit Anfang 1985 wird unter deutschen Rechtsextremisten auch das in Frankreich hergestellte Kampfblatt "Schwarzer Rebell" verbreitet. In dieser Schrift werden nationalrevolutionäre und extrem antiamerikanische Ziele propagiert, die in einigen Bereichen mit linksextremen Positionen übereinstimmen. So wird es in der Ausgabe Nr. 4/1985 als völlig unglaubhaft bezeichnet, daß der "Held des antiimperialistischen Kampfes", Walther KEXEL, aus Schock über die Höhe seiner Freiheitsstrafe Selbstmord begangen habe. Schon die "angeblichen Selbstmorde von Gefangenen aus der RAF 1976/77" hätten gezeigt, daß die "BRD die Todesstrafe auf Polizeistaatsebene" praktiziere. Die "bewaffnete Widerstandsgruppe" um HEPP und KEXEL habe 1982 unter anderem mehrere Kraftfahrzeuge der "US-Besatzer in die Luft gejagt, wobei die darin sitzenden Yanks mit einigen Verletzungen davonkamen". Durch diese Aktion habe sie den "wirklichen Feind unseres Volkes", die "Schuldigen an der Teilung und Entrechtung unseres Landes", die "amerika83 nische Besatzungssoldateska", angegriffen und dadurch den erbitterten Zorn des "Systems" auf sich gezogen. Am 15. Juni 1985 veranstaltete der rechtsextremistische "Rat der FrankreichDeutschen" seine zweite Kundgebung am Denkmal des französischen Marschalls Henry de TURENNE in Sasbach/Ortenaukreis. Führende Funktionäre dieser elsässischen Autonomistenbewegung gingen aus der militanten Untergrundbewegung "Schwarze Wölfe" hervor. Mitglieder dieser Gruppierung waren 1982 wegen ihrer Beteiligung an Sprengstoffanschlägen in Frankreich zu Freiheitsund Geldstrafen verurteilt worden. Der "Rat der FrankreichDeutschen" tritt in seiner Zielsetzung für den Anschluß des Elsaß an ein zu bildendes Deutsches Reich in den bis 1918 gültig gewesenen Grenzen und für eine größere Berücksichtigung der Interessen der deutschsprachigen Bevölkerung in Frankreich ein. Belgien Bei den traditionellen Begegnungen von Rechtsextremisten aus verschiedenen Ländern am Rande des flämischen Volkstumstreffens "Ijzerbedevaart" in Diksmuide/Belgien stellten bei dem Treffen am 29./30. Juni 1985 die Teilnehmer aus der Bundesrepublik Deutschland erneut eine der stärksten Gruppen. Das im Frühjahr 1984 in Belgien gegründete "Hulpkomitee voor nationalistische politieke gevangenen" (HNG-Flandern) setzte seine Zusammenarbeit mit der deutschen "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) und dem französischen neonazistischen - dieselben Ziele verfolgenden - "Comite Objectif entraide et solidarite avec les victimes de la Repression Antinationaliste" (COBRA) auch 1985 fort. Österreich Die gemeinsame Sprache und die vergleichbare geschichtliche Entwicklung haben dazu beigetragen, daß zwischen deutschen und österreichischen Rechtsextremisten überaus enge Verbindungen bestehen. Dies äußert sich in regen persönlichen Kontakten, aber auch im gegenseitigen Besuch von Veranstaltungen und im Austausch von Publikationen. Eine führende Rolle nimmt dabei seit Jahren der österreichische Rechtsextremist Walter OCHENSBERGER ein. Die von ihm herausgegebene Zeitschrift "SIEG Aktuell - Jugend-Presse-Dienst" wird im Bundesgebiet in hoher Auflage verbreitet. Sie polemisiert unbeirrt gegen die sogenannte Auschwitz-Lüge und sieht in der Bundesrepublik Deutschland ein "vom Feind kon84 trolliertes Land", in dem "volkstreue Staatsbürger wegen ihrer Vaterlandsliebe gehetzt und gejagt" werden. Jedes Aufbegehren gegen die "meist längst widerlegten Schauermärchen und Propagandalügen aus der antideutschen Hexenküche" werde "bösartig mit der ,Auschwitzknute' niedergeknüppelt". Auschwitz diene dazu, das "verlogene Geschichtsbild der Sieger zu rechtfertigen" und die "volkszerstörerische Ausverkaufspolitik nach der .Befreiung'" zu begründen. Schweiz Die in Lausanne ansässige rechtsextreme "Europäische Neuordnung" (ENO) des Schweizers Gaston Armand AMAUDRUZ führte im April 1985 in Haguenau/Elsaß ihre "17. Versammlung" durch, an der sich auch deutsche Rechtsextremisten beteiligten. Die ENO versucht seit Jahren - allerdings ohne nennenswerten Erfolg -, rechtsextreme Organisationen und Einzelaktivisten auf europäischer Ebene einander näherzubringen. Die Zeitung "Eidgenoss - Informationsblatt zur eidgenössischen und europäischen Besinnung" des Schweizer Rechtsextremisten Dr. Max WAHL aus Winterthur wurde zeitweise - wie im April 1985 bekannt wurde - in einer Druckerei in Konstanz hergestellt. Die Schrift, die auch unter deutschen Rechtsextremisten zahlreiche Leser findet, wird inzwischen wieder in der Schweiz gedruckt. Vereinigte Staaten von Amerika Der deutschstämmige Amerikaner Gary Rex LAUCK aus Lincoln, Nebraska/ USA versorgt als "Organisationsund Propagandaleiter" der "NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) weiterhin Neonazis im gesamten Bundesgebiet mit Agitationsmaterial. Das Einschleusen von Flugblättern, Plakaten und Aufklebern der NSDAP-AO mit antisemitischen und ausländerfeindlichen Parolen konnte durch exekutive Maßnahmen zwar gebremst, aber nicht gänzlich unterbunden werden. Die deutschen Anhänger der NSDAP-AO machen durch das Verteilen der auch zu Gewalttaten aufrufenden, vierteljährlich erscheinenden "Kampfschrift" der Organisation ("NSKampfruf") sowie durch Schmierund Klebeaktionen auf sich aufmerksam. In einem dieser Zeitung beigelegten Rundschreiben nahm Gary Rex LAUCK die Inhaftierung von Neonazis zum Anlaß, zu einer "Gegenoffensive" aufzurufen: "Wird eine offene Gruppe verboten, müssen neue Untergrundzellen entstehen. Wird eine offene Zeitschrift beschlagnahmt, müssen mehr Haken85 kreuzaufkleberund Plakate auftauchen. Wird der offene Kämpfer eingesperrt, macht der Untergrundkämpfer weiter!" TROTZ VERBOT? NICHT/ TOT! NSDAP-AO Box 6414, Lincoln, NE 68506 USA Das Hakenkreuz soll dabei einheitliches Symbol und zugleich wirksamste Waffe sein. Ein bundesweites Auftauchen von NSDAP-AO-Klebezetteln sei der augenfälligste Beweis für die These "Trotz Verbot nicht tot". Kanada Am 25. März 1985 wurde der aus Wildbad-Calmbach stammende Rechtsextremist Ernst Christof ZÜNDEL in Toronto wegen der Veröffentlichung des Pamphlets "Did Six Millions Really Die?" ("Starben wirklich sechs Millionen?"), das die Judenvernichtung im Dritten Reich leugnet, zu 15 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde ihm auferlegt, jegliche Veröffentlichung zum Thema "Holocaust" zu unterlassen. ZÜNDEL verbreitet seit Jahren rechtsextremistisches Schriftmaterial, das sich insbesondere gegen die "Vergasungsund Kriegsschuldlüge" richtet. Die von ihm periodisch herausgegebenen "Samisdat-Rundbriefe" erreichen vor allem in der Bundesrepublik Deutschland einen größeren Interessentenkreis. 86 3. Nationaldemokratische Organisationen 3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) ist mit ihren 6.100 Mitgliedern nach wie vor die größte rechtsextreme Partei in der Bundesrepublik Deutschland. Nachdem sie im Jahre 1982 mit 5.900 den tiefsten Punkt ihrer Mitgliederentwicklung erreicht hatte, gelang es der NPD-Führung inzwischen, das Anhängerpotential bundesweit bei etwa 6.100 Personen zu stabilisieren. In BadenWürttemberg hatte sie sogar einen leichten Zuwachs zu verzeichnen und zählt nun wieder rund 1.000 Mitglieder (1984: 950). Die Führungskader der Partei versuchten, diese nach ihrer Einschätzung positiven Akzente in neuen Schwung für die NPD umzusetzen. So galt zu Jahresbeginn die ganze Aufmerksamkeit der süddeutschen Landesverbände der für den 10. März 1985 anberaumten Landtagswahl im Saarland. Entsprechend ihrem Grundsatz, sich nur noch an solchen Wahlen zu beteiligen, die für die Partei einen Erfolg erwarten lassen, konzentrierte die NPD alle ihre Kräfte und Möglichkeiten auf den Landtagswahlkampf im Saarland, um dort ein für sie ähnlich gutes Ergebnis wie bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 17. Juni 1984 zu erzielen. Auf dem Wege über sogenannte Patenschaften wurden Funktionäre vor allem aus Baden-Württemberg verpflichtet, zahlreiche Wahlkampfveranstaltungen durchzuführen und bei der Verteilung von Flugschriften mitzuhelfen. Dennoch konnte das Ziel, mindestens 1,5 % der abgegebenen Stimmen zu erhalten, nicht erreicht werden. Mit 4.659 Stimmen ( = 0,7 %) blieb das Ergebnis deutlich unter den hochgesteckten Erwartungen. Wahlkampfaufwendungen in Höhe von mindestens 200.000DM aus der NPD-Parteikasse mußten als Verlust verbucht werden. Den eigentlichen Schwerpunkt der internen Arbeit der NPD bildete 1985 der Versuch, anstelle des noch immer gültigen "Düsseldorfer Programms" aus dem Jahre 1973 ein neues Parteiprogramm zu erarbeiten. Schon 1981 hatte der Parteivorstand namhafte NPD-Funktionäre in eine Kommission berufen und damit beauftragt, für die NPD neue Grundsätze zu erarbeiten, die aber wegen der vorgezogenen Bundestagswahl 1983 nicht mehr zum Tragen kamen. Mitte des Jahres 1985 lag dann der Programmentwurf vor, der den Untergliederungen der Partei erst unmittelbar vor der Sommerpause zur Diskussion zugeleitet wurde. Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit wehrte sich die Basis indes massiv gegen eine Beratung (und Verabschiedung) des neuen Programms auf dem 19. ordentlichen Bundesparteitag am 14./15. September 1985 in Neustadt an der Weinstraße. So sah der Parteivorstand sich gezwungen, die Behandlung des Entwurfs auf eine "erste Lesung" zu beschränken und die Beschlußfassung über das Dokument auf den 20. Bundesparteitag 1986 zu verschieben. 87 Mitgliederstärke der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD) im Bundesgebiet 1965-1985 Statt dessen wurde von den Delegierten eine Reihe von Anträgen angenommen, die die chauvinistische und fremdenfeindliche Grundhaltung der Partei widerspiegeln: - "Die NPD fordert die Bundesregierung auf, die neue Mutterschaftsgeldregelung . . . auf deutsche Familien zu beschränken. Familienförderung nur für deutsche Familien. 88 - Rauschgifthändler sind schonungslos zu bestrafen . . . Ausländer, die mit Rauschgift handeln, müssen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden, um das Strafmaß zu bekommen, das sie für die Vergiftung ihrer Jugend im eigenen Land ebenfalls erhalten würden, - Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands tritt für einen grundsätzlichen Wandel der bisherigen Ausländerpolitik ein. Allein die Zahl von 2,5 Millionen offiziellen Arbeitslosen (tatsächlich mit der sogenannten ,stillen Reserve' 4 - 5 Millionen) verbietet es, in der bisherigen Weise fortzufahren .. . - Die Bundesregierung und die Bonner Parteien haben die deutsche Fischereiindustrie und die deutsche Werftindustrie auf dem Altar der EG geopfert. Die deutsche Stahlindustrie wurde . . . geknebelt. Die deutsche Landwirtschaft wird durch die EG-Politik ruiniert. Jetzt wollen die Brüsseler EGBürokraten durch Streichung der Finanzhilfen für den deutschen Steinkohlenbergbau auch diesen Industriezweig ruinieren . . . - Die Einfuhr ausländischer Weine wird beschränkt..." Der NPD-Landesverband Baden-Württemberg hielt am 14. April 1985 in Biberach an der Riß unter dem Motto "20 Jahre NPD - Die Zukunft ist unser" seinen 20. ordentlichen Landesparteitag ab. Während der Veranstaltung versammelten sich zeitweise bis zu 1.000 Gegendemonstranten vor der Halle, um gegen die Abhaltung des Parteitags zu demonstrieren. Nur durch den Einsatz starker Polizeikräfte konnte eine direkte Konfrontation zwischen Delegierten und Gegendemonstranten verhindert werden. Zum wiederholten Male hatte die NPD bis kurz vor Tagungsbeginn die Örtlichkeit geheimgehalten, um politisch Andersdenkende an der Planung und Durchführung von Gegenaktionen zu hindern. Die Aktivität der NPD in Baden-Württemberg blieb ansonsten weitgehend auf das Verteilen von Info-Material zu Themen wie - Ausländerstopp und Asylantenflut, - Arbeitslosigkeit und Gastarbeiter, - Vertriebene, - existenzgefährdete Kleinbauern beschränkt. Obwohl die NPD damit aktuelle Themen ansprach, blieben sichtbare Erfolge bislang aus. 3.2 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN), bereits 1969 als Jugendorganisation der NPD gegründet, konnten ihr Mitgliederpotential trotz vielfältiger Anstrengungen bundesweit nicht vergrößern: 89 JN-Mitgliederbestand 1980 1981 1982 1983 1984 1985 Bund 1000 750 500 500 550 550 BadenWürttemberg 120 80 80 75 80 80 In Baden-Württemberg ist unverändert die Mehrzahl der Aktivitäten vom Kreisverband Stuttgart ausgegangen. Im Jahre 1985 wurde allerdings ein weiterer JN-Kreisverband im Rhein-Neckar-Kreis gegründet, der - wenn auch ohne nennenswerten Erfolg - versuchte, in der dortigen Region auf sich aufmerksam zu machen. Selbst der 14. ordentliche JN-Landeskongreß (am 16. März 1985 in StuttgartDegerloch) fand praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Die Veranstaltung, die ohne jegliche Höhepunkte ablief, konnte nicht einmal politische Gegner mobilisieren. Fremde Truppen raus aus Deutschland Junfie^^n RoiHHIalQwfl nOKi Gitffl rill Rostfach 800 744 * 5000 Köln 80 Schrift der JN 90 Ihren 14. ordentlichen Bundeskongreß hielten die "Jungen Nationaldemokraten" am 26727. Oktober 1985 in München ab. Auch dieser Kongreß fand an einem bis zuletzt geheimgehaltenen Ort statt. Bei den Vorstandsneuwahlen wurde ein Vertreter des JN-Landesverbands Baden-Württemberg als Beisitzer gewählt. Damit ist seit Jahren erstmals wieder der baden-württembergische Landesverband im Bundesvorstand vertreten. Erwähnenswert erscheint im übrigen der auf dem Bundeskongreß gefaßte Beschluß über die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in den JN mit der gleichzeitigen Zugehörigkeit zur "Wiking-Jugend" (WJ). Es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahme lediglich taktischen Erwägungen entspringt oder ob sie tatsächlich durchgesetzt wird. 3.3 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Die 1967 in Tübingen gegründete Studentenorganisation der NPD, der "Nationaldemokratische Hochschulbund" (NHB), ist zur Bedeutungslosigkeit abgesunken. Er zählt bundesweit noch etwa 30 Mitglieder, die an einigen Universitäten in Bayern konzentriert sind. Auffällig ist allerdings die weitgehend von der NPD finanzierte, sehr aufwendig gestaltete Publikation des Verbandes, der "NHB-Report", der in einer Auflage von etwa 1.500 Exemplaren erscheint und auch in Baden-Württemberg verbreitet wird. 4. "National-Freiheitliche Rechte" Zu der "National-Freiheitlichen Rechten" zählen diejenigen rechtsextremen Organisationen, welche vor allem durch die "Deutsche Volksunion" (DVU) und deren sogenannte Aktionsgemeinschaften verkörpert werden. Die DVU wurde bereits im Jahre 1971 von dem Herausgeber der rechtsextremistischen "Deutschen National-Zeitung" (DNZ), Dr. Gerhard FREY aus München, gegründet und sollte den Leserkreis der DNZ organisieren. Mit ihren nach und nach entstandenen sechs "Aktionsgemeinschaften" stellt sie seit Jahren die mitgliederstärkste Gruppierung im organisierten Rechtsextremismus dar, auch wenn es sich hierbei um überaus lose Zusammenschlüsse handelt. Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich der Mitgliederzuwachs 1985 deutlich verlangsamt. Seit Ende der siebziger Jahre rief Dr. FREY fast zu jeder Jahreswende über Anzeigen in der "Deutschen National-Zeitung" eine neue "Aktionsgemeinschaft" mit aktuellen publikumswirksamen Zielen ins Leben. Mit dieser Me91 thode und einem geringen Mitgliedsbeitrag gelang es Dr. FREY, vor allem ältere und finanziell weniger gut gestellte Bürger anzusprechen und dadurch die Zahl der Anhänger seiner Organisationen zu erhöhen, aber auch den Leserkreis der DNZ und des "Deutschen Anzeigers" (DA), des Organs der DVU, weiter auszubauen. In beiden Wochenzeitungen polemisiert Dr. FREY mit wachsender Schärfe gegen die Juden und den Staat Israel sowie gegen die politischen Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Mit besonderer Häme schürt er außerdem die erkennbare Abneigung seiner Leser gegen die sich im Bundesgebiet aufhaltenden Ausländer. - Als erste der sechs in die DVU integrierten "Aktionsgemeinschaften" entstand 1979 die "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA), die unter anderem eine Amnestie für "jedwedes behauptete oder tatsächliche Unrecht" im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg fordert. In Verfolgung dieses Ziels wurde im Juli 1985 sowohl in der DNZ als auch im "Deutschen Anzeiger" eine Meinungsumfrage der VOGA zu der Frage "Sollen die Deutschen ewig büßen?" veröffentlicht. In vorformulierten, dem Leser suggerierten Antworten wurde dabei unter anderem gefordert: "Nach dem Vorbild der anderen Staaten sollte es auch bei uns eine Generalamnestie für Kriegstaten geben". - Die im November 1980 von Dr. FREY gegründete "Initiative für Ausländerbegrenzung" (l.f.A.) fordert im Zeichen des nach wie vor anhaltenden Zustroms von Asylsuchenden die "Eindämmung des Scheinasylantentums" und die Beschränkung des Ausländeranteils in der Bundesrepublik Deutschland. Mit den häufig durchaus von Teilen der Bevölkerung gestützten pauschalen Forderungen sollen in Wirklichkeit fremdenfeindliche Tendenzen gestärkt werden. - Die seit Dezember 1981 bestehende "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF) wendet sich gegen die angebliche systematische Verteufelung der deutschen Geschichte, die Herabwürdigung des deutschen Soldaten und die Minimalisierung der Verbrechen am deutschen Volk in Rundfunk und Fernsehen. Sie fordert statt dessen eine im Sinne Dr. FREYs "objektive, wahrheitsgemäße und ausgewogene Berichterstattung". - Zum Gedenken an den Ende 1982 verstorbenen ehemaligen Flieger HansUlrich RUDEL gründete Dr. FREY im Januar 1983 den "Ehrenbund RUDEL - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten" (ER). Dieser verwahrt sich "gegen die Diffamierung untadeliger Soldaten" und will "über Taten und Leiden auch der Besiegten der Wahrheit die Ehre geben". Eine als "Meinungsumfrage" getarnte Werbeanzeige richtete der "Ehrenbund RUDEL" im Herbst 1985 an die Leser der "Deutschen National-Zeitung" und des "Deutschen Anzeigers". Auf die polemische Frage "Wie lange noch 92 Schändung der Menschenwürde?" lautete eine der vorgegebenen, nur mit "ja" oder "nein" anzukreuzenden Antworten: "Der Gesetzgeber soll endlich wirksame Maßnahmen gegen die Verunglimpfung des Andenkens unserer Gefallenen ergreifen." - Als bislang letzte "Aktionsgemeinschaft" der DVU gründete Dr. FREY im November 1984 unter Anknüpfung an aktuelle, in breiten Bevölkerungskreisen diskutierte Probleme einen "Schutzbund für Leben und Umwelt". Dieser setzt sich nach seinen eigenen Absichtserklärungen vorrangig für den "Schutz des ungeborenen Lebens", den "Jugendschutz vor Rauschgift" sowie verstärkten Umweltschutz, aber auch für den "Ausbau des Zivilschutzes" und den "Bürgerschutz vor Kriminalität" ein. - Die eine gewisse Sonderstellung einnehmende "Aktion deutsche Einheit" (AKON) ging aus dem bereits 1962 gegründeten "Bund für Deutsche Einheit - Aktion Oder-Neiße e.V." (AKON) hervor. Mit der Ernennung Dr. FREYs zum geschäftsführenden Vorsitzenden der AKON geriet diese in dessen Einflußbereich und gliederte sich 1980 der DVU als "Aktionsgemeinschaft" an. Ein zur Emotionalisierung geeignetes Agitationsfeld eröffnete sich Dr. FREY 1985 mit dem 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. In einer Vortragsreihe vom 1. bis 11. März 1985 sprach der seit einigen Jahren eng mit ihm zusammenarbeitende britische Publizist David IRVING zum Thema "Sollen die Deutschen die Kapitulation feiern?" Der für den 10. März 1985 in Baden-Baden vorgesehene Auftritt IRVINGS konnte wegen massiver Proteste politischer Gegner nicht stattfinden. Parallel zu diesen Veranstaltungen unterbreitete Dr. FREY den Lesern seiner Zeitungen erneut eine seiner der Tendenz nach hinlänglich bekannten "Meinungsumfragen" unter der Überschrift "Sollen wir den 8. Mai feiern?" Eine weitere Vortragsserie folgte im Mai zu dem Thema "8. Mai: Sollen die Deutschen ewig büßen?" Während die Veranstaltung am 11. Mai 1985 in Stuttgart von etwa 100 Personen besucht wurde, mußte der für den 12. Mai 1985 geplante Auftritt David IRVINGS in Pforzheim ausfallen, da der Vermieter des Saales sich weigerte, am Vertrag festzuhalten. Dr. FREY nutzte das schicksalhafte Ereignis der Kapitulation Hitlerdeutschlands schließlich auch zu einer massiven Werbung für seine Druckerzeugnisse und die seinem Einfluß unterliegenden Organisationen. 93 5. Sonstige rechtsextreme Vereinigungen Im Bundesgebiet agieren neben neonazistischen, nationaldemokratischen und national-freiheitlichen Gruppierungen noch weitere Vereinigungen mit rechtsextremer Zielsetzung, die aber häufig nur wenige Anhänger zählen. Der Erwähnung bedürfen in Baden-Württemberg noch folgende Organisationen: 5.1 "Die Deutsche Freiheitsbewegung" (DDF) Die am 1. April 1983 in Eberbach/Neckar auf Initiative ihres derzeitigen Vorsitzenden, Otto Ernst REMER, gegründete Vereinigung mit Sitz in Kaufbeuren strebt ein nationalistisch-neutralistisches "Großdeutschland" und eine "Allianz mit der Sowjetunion" an. In seinem 1981 veröffentlichten Buch "Verschwörung und Verrat um Hitler" sowie in seinen Vorträgen bei Veranstaltungen rechtsextremer Gruppen verherrlicht der ehemalige Kommandeur des Wachbataillons in Berlin den "Führer" Adolf HITLER, diffamiert die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, rechtfertigt pauschal das NS-Regime und leugnet die deutsche Kriegsschuld. Im Jahre 1985 hat "Die Deutsche Freiheitsbewegung" ihre "Politischen Leitlinien" publiziert. In ihnen werden die Anhänger der DDF als politisch denkende und handelnde Menschen beschrieben, für die nationale Souveränität "das oberste Gebot" sei. Im übrigen wird behauptet, die etablierten Parteien, die von einem durch "systematische Umerziehung irregeleiteten und mit Hilfe demagogischer Methoden entmündigten Wahlvolk seit bald vier Jahrzehnten immer wieder zu politischer Verantwortung berufen wurden, . . . (hätten) aufs kläglichste versagt". Die DDF lehnt es ab, "daß die Söhne unseres Volkes für ein derart korruptes, seine nationalen Egoismen auf unsere Kosten auslebendes Europa als NATO-Landsknechte eines Tages ihre Haut zu Markte tragen sollen". Um "unserem Volk den Frieden zu sichern", will die Organisation für eine "bewaffnete Neutralität" eintreten und verkündet als ihre "Leitidee" die "partnerschaftliche Politik" mit der Sowjetunion Insgesamt ist es REMER auch mittels der DDF nicht gelungen, seine politische Isolation zu durchbrechen. 5.2 "Wiking-Jugend" (WJ) Die Führungskader der 1952 durch den Zusammenschluß mehrerer rechtsextremer Jugendorganisationen entstandenen "Wiking-Jugend" (WJ) zeigen eine immer stärkere Annäherung an neonazistisches Gedankengut. 94 In einem Rückblick auf das "Mahnfeuer" zur Jahreswende 1984/1985 an der innerdeutschen Grenze bei Hilders/Rhön, bei dem zum ersten Mal eine größere Zahl von Angehörigen der WJ gemeinsam mit Neonazis aufgetreten war, äußerte sich der Bundesführer der WJ, Wolfgang NAHRATH, im Fahrtenplan 1985 seiner Organisation - Motto: "Nie, Kameraden, werden wir uns beugen!" - betont aggressiv: "Der Fahrtenplan 1985 wird von Euch viel Einsatz fordern - es werden jedoch viele neue Kameraden zu uns stoßen. Bleibt mutig wie am letzten Tag 1984 - Wir greifen an!" Unter dem Eindruck dieses gemeinsamen Auftretens bildete die WJ Anfang 1985 zusammen mit der stark neonazistisch beeinflußten "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) unter der Bezeichnung "Volkstreue außerparlamentarische Opposition" (VAPO) ein "Aktionsbündnis", das aber in Baden-Württemberg noch keine nennenswerten Aktivitäten entfalten konnte. Neben mehreren Wochenendschulungslagern, dem Osterlager und Sonnwendfeiern bildeten die "31 Tage volkstreue Jugend" in Iphofen/Bayern einen Höhepunkt im Aktionskalender der "Wiking-Jugend". An diesem Sommerlager nahmen auch Angehörige der verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) sowie der FAP teil. Auf dem Programm standen sportliche Gruppenwettkämpfe, ein "geistiger Wettbewerb" und der vormilitärisch ausgerichtete "Wiking-Kampf". Am 15. Dezember 1985 fand die Sonnwendfeier des "WJ-Gaues Schwaben" statt, an der etwa 50 Personen teilnahmen. Diese Zahl spiegelt ungefähr den personellen Bestand dieser Untergliederung wider. Für den 31. Dezember 1985 hatte die WJ zusammen mit Angehörigen der FAP an der innerdeutschen Grenze in der Nähe von Fulda erneut Kundgebungen und das Abbrennen von "Mahnfeuern" angekündigt. Das gemeinsame Vorhaben wurde jedoch verboten. Bei dem Versuch, eine Gegendemonstration zu stören, nahm die Polizei sieben Rechtsextremisten wegen des Besitzes von Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen vorläufig fest. Bereits zuvor hatte sie bei Angehörigen der WJ und der FAP Schlagstöcke, Schreckschußwaffen, Schlagringe und Kanthölzer sichergestellt. Unter den etwa 60 Teilnehmern befanden sich auch mehrere Personen aus BadenWürttemberg. Der Ablauf gerade dieser Aktion zum Jahreswechsel verdeutlicht erneut die wachsende Neigung vieler Angehöriger der "Wiking-Jugend" zur Militanz sowie die Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln mit Neonazis. Es muß befürchtet werden, daß die Führung versuchen wird, die Jugendorganisation gänzlich ins neonazistische Lager zu ziehen. 95 5.3 "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) Die seit 1960 bestehende "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) ist trotz unübersehbarer Verfallserscheinungen noch immer die größte rechtsextreme Kultur und Weltanschauungsvereinigung mit bundesweit einigen hundert Mitgliedern. Sie gilt seit Jahren als Hort rechtsextrem orientierter Schriftsteller, Publizisten und Verleger des Inund Auslands. Ihren politischen Standort hat die GFP unverändert in der Nähe der NPD. Vortragsveranstaltungen mit überregional bekannten Rechtsextremisten stehen im Vordergrund der Tätigkeit der Vereinigung. So referierte am 23. Mai 1985 in Stuttgart der ehemalige Bundesvorsitzende der "Deutschen Reichspartei" (DRP) und spätere NPD-Vorsitzende Adolf von THADDEN zum Thema "Wir haben uns genug geschämt!" Insgesamt ging allerdings die Zahl der Veranstaltungen in Baden-Württemberg weiter zurück. Das Organ der GFP, "Das Freie Forum", erscheint vierteljährlich in einer Auflage von 1.500 Exemplaren. 6. Rechtsextreme Publizistik Rechtsextremistischen Parteien oder Vereinigungen nahestehende, aber auch organisationsunabhängige Publikationen dienten auch 1985 in hohem Maße als Vehikel für die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts. "Tod allen Deutschen!" Bonn beweist Ehrenburgs Mordaufrufe / & 3 National" Zeitung IZ'."J"iT' " * " * * j . 10 *<"**-.* * .."m/ii-u. freiheitlich "unabhängig "Überparteilich SZT^-^SZX ^"J" . /D*Lh-A"F.nL9^M!a J! I Deutscher Anzeiger Freiheitliche Wochenzeitung 96 Die in dieser Hinsicht größte Bedeutung kommt der von Dr. Gerhard FREY herausgegebenen "Deutschen National-Zeitung" (DNZ) zu, die zusammen mit dem nahezu inhaltsgleichen Organ der "Deutschen Volksunion" (DVU), dem "Deutschen Anzeiger" (DA), eine durchschnittliche wöchentliche Auflage von rund 120.000 Exemplaren hat. Der "DSZ-Druckschriftenund Zeitungsverlag" Dr. FREYs hat zum Ende des Jahres 1985 mit der Übernahme der bisher von Waldemar SCHÜTZ, Rosenheim, herausgegebenen "Deutschen Wochenzeitung" (DWZ) seinen Einfluß im rechtsextremen Verlagswesen weiter vergrößert. Die wöchentliche Auflage der DWZ beläuft sich derzeit auf etwa 16.000 Exemplare. Von der "Deutschen Stimme" (DS), dem offiziellen Organ der NPD, werden monatlich etwa 100.000 Exemplare vertrieben. Bei aktuellen Anlässen verbreitet die NPD außerdem Sonderdrucke ihrer Parteizeitung. Daneben existiert noch immer eine beachtliche Zahl kleinerer Verlage und Zeitschriften, die insgesamt einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf jene Kräfte ausüben, die zumindest Einzelaspekten rechtsextremen Denkens aufgeschlossen gegenüberstehen. 97 III. Aktivitäten politisch extremer Ausländer 1. Allgemeiner Überblick Die Zahl der in Baden-Württemberg wohnhaften Ausländer hat sich im Jahre 1985 um rund 6.000 auf nunmehr etwa 839.000 (Stand: 30. September 1985) verringert. Bei den Anteilen der verschiedenen Nationalitätsgruppen waren keine bedeutsamen Verschiebungen erkennbar. Mit 18.570 Mitgliedern und Anhängern blieb die Zahl der den Ausländervereinigungen mit extremer oder terroristischer Zielsetzung zuzuordnenden Personen nahezu konstant. Leichte Rückgänge bei den arabischen und türkischen Organisationen wurden durch einen geringen Zuwachs bei Gruppierungen neu ins Land gekommener Ausländer (etwa bei Äthiopiern) wieder ausgeglichen. Auch im Jahre 1985 widerstand die große Mehrzahl der im Bundesgebiet lebenden Ausländer Werbungsversuchen von Extremisten und verhielt sich loyal zum Gastland. Selbst innerhalb der insgesamt gesehen geringen Minderheit der in politisch extremen Ausländervereinen organisierten Personen tragen nicht alle die politische Motivation mit, sondern suchen in den häufig auch als "Betreuungsorganisationen" firmierenden Zusammenschlüssen vorrangig landsmannschaftliche Kontakte oder Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsproblemen. Linksund rechtsextremistische Ausländergruppen beschäftigten sich auch 1985 vorrangig mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen ihrer Heimatländer; zunehmendes Gewicht in der Agitation dieser Gruppen erhält jedoch die Situation der Ausländer im Bundesgebiet. So werden die deutsche Ausländerund Asylpolitik angegriffen, die angeblich wachsende Ausländerfeindlichkeit der Bevölkerung angeprangert und die ausländischen Staaten gewährte Wirtschaftshilfe kritisiert. Dämpfend auf politisch extremes Engagement wirkte allerdings die Befürchtung mancher Ausländer, bei Besuchsreisen oder im Falle endgültiger Rückkehr in den jeweiligen Heimatstaat möglicherweise Repressalien wegen tatsächlicher oder angeblicher extremistischer Betätigung gewärtigen zu müssen. 99 Mitgliederentwicklung bei den ausländischen Extremistengruppen von 1980-1985 100 Folgende sicherheitsrelevante Schwerpunkte sind hervorzuheben: - Die Bestrafungsaktionen der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) gegen Abtrünnige und "Abweichler" sowie Übergriffe gegenüber politisch Andersdenkende forderten 1985 in Westeuropa mehrere Todesopfer und Verletzte. Die militante Gruppierung zeigte sich auch von breiter öffentlicher Ablehnung völlig unbeeindruckt. - Die verstärkten innerarabischen Auseinandersetzungen und die wiederum enttäuschten Hoffnungen der Palästinenser auf eine für sie annehmbare Lösung führten weltweit zu einem erneuten Ansteigen der Gewalttaten. Die Gefährdung durch palästinensische Terrorkommandos hält unvermindert an. - Unter den türkischen Extremisten blieben vor allem Anhänger der "Neuen Unken" gewaltgeneigt gegenüber rechtsextremen Landsleuten. Anlaß zu erhöhter Aufmerksamkeit bietet auch der hetzerische Einfluß extremistischer Muslime, denen die islamische Revolution im Iran als Vorbild dient. - Obwohl 1985 keine spektakulären Aktionen jugoslawischer Extremisten erfaßt wurden, geht von konspirativ arbeitenden Kleingruppen auch weiterhin eine Sicherheitsgefährdung aus. 2, Türken Den politisch extremen türkischen Organisationen ist es 1985 nicht gelungen, ihren Einfluß auf in Baden-Württemberg lebende Landsleute weiter auszubauen. Mehrere Vereinigungen konnten die noch im Jahre 1984 sichtbar gewordenen Mitgliedsverluste auffangen, andererseits kam die Aufwärtsentwicklung vornehmlich bei den islamisch-nationalistischen Gruppierungen zum Stillstand. Die inzwischen eingetretene begrenzte Stabiliserung der inneren Situation in der Türkei und die Maßnahmen türkischer Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des Extremismus im Heimatland wirkten sich auch auf die im Bundesgebiet agierenden Gruppen aus. Die häufigsten Aktivitäten gingen unverändert von türkischen Linksextremisten aus. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stand das Verbreiten zahlloser Flugschriften und Parteizeitungen. Darin wurden in mitunter überaus aggressiver Weise Themen wie Arbeitslosigkeit, "Ausländerfeindlichkeit", ausländerrechtliche Maßnahmen sowie die "militärische und wirtschaftliche Hilfe der Bundesregierung" an den NATO-Partner Türkei aufgegriffen. Daneben begleiteten einige dieser Gruppen mit offener Sympathie den Hungerstreik der Häftlinge aus der RAF und solidarisierten sich mit ihnen. Demgegenüber hielten sich die türkischen Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit sichtbar zurück, ohne deshalb ihre tatsächlichen Ziele aufzugeben. Auch die islamisch-nationalistischen Extremisten traten 1985 nach außen kaum in Erscheinung. 101 Unter den kurdischen extremistischen Vereinigungen hat sich die orthodoxkommunistische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) als in besonderem Maße gewaltorientiert erwiesen. Zahlreiche Disziplinierungsmaßnahmen gegen Kritiker in den eigenen Reihen und ehemalige Parteigenossen, die in der Ermordung mehrerer Personen gipfelten, begründen die ernste Besorgnis, daß die PKK auch künftig mit kompromißloser Brutalität unter Mißachtung der Rechtsordnung der Gastländer gegen "Abtrünnige" vorzugehen gewillt ist. Eine sich im ersten Quartal 1985 zunächst abzeichnende steigende Tendenz zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Extremisten der sich feindlich gegenüberstehenden Lager setzte sich im weiteren Verlauf des Jahres nicht fort. Zwar kam es in den Monaten Oktober und November 1985 erneut zu einzelnen Zusammenstößen, doch waren Anzahl und Intensität der Aktionen insgesamt gesehen rückläufig. Die Mehrzahl der bekanntgewordenen politisch motivierten Auseinandersetzungen ging unverändert von den militanten türkischen Linksextremisten aus. Dabei erwiesen sich einmal mehr die Anhänger türkischer Organisationen der "Neuen Linken", die des öfteren von deutschen Gesinnungsgenossen unterstützt werden, als besonders gewalttätig. Sie hatten seit Anfang 1985 ihre auf ein Verbot extrem nationalistischer türkischer Organisationen durch die deutschen Behörden zielende "Antifaschismus-Kampagne" weiter verstärkt. Dabei versuchten sie mehrfach, die vornehmlich der politischen Indoktrination dienenden Veranstaltungen türkischer Rechtsextremisten zu stören. Charakteristisch für den Ablauf solcher Aktionen sind zunächst überwiegend gewaltfrei ablaufende Proteste im Vorfeld der Versammlungen, die dann kurz vor deren Beginn oder in deren Verlauf eskalieren, wobei es öfters zu Tätlichkeiten kommt. 2.1 Organisationen der türkischen "Neuen Linken" Die Differenzen innerhalb der türkischen "Neuen Linken" halten an. Zwar herrscht hinsichtlich der langfristigen Ziele weitgehend Übereinstimmung, doch entstehen immer wieder heftige Kontroversen über das taktische Vorgehen bei der gewaltsamen Zerschlagung des derzeitigen politischen Systems der Türkei. In Baden-Württemberg sind vor allem diejenigen Gruppierungen besonders aktiv, die von der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML), der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP) und der "Türkischen Volksbefreiungspartei/-Front" (THKP/C) beeinflußt werden. 2.1.1 Die proalbanisch orientierte "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) fordert mit besonderer Schärfe den "Kampf für 102 die demokratische Volksrevolution, für den Sozialismus und den Kommunismus". Die Anhänger der Partei in der Bundesrepublik Deutschland sind in die aus ideologischen Flügelkämpfen innerhalb der TKP/ML hervorgegangenen Fraktionen "PARTIZAN" (P) und "BOLSEVIK PARTIZAN" (BP) - früher auch "PARTIZAN BOLSEVIK" - gespalten. Die Ziele der Gruppe "PARTIZAN" (P) werden im Bundesgebiet hauptsächlich von der "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) vertreten. Sie konnte zwar 1985 weitere Mitgliederverluste verhindern, hat aber ihre einst herausragende Position innerhalb der türkischen "Neuen Linken" nicht wieder erreicht. Schriften der Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland Die äußerst militante und hetzerische Agitation der ATIF läßt sich anhand einer in der Januarausgabe 1985 ihres Organs "MÜCADELE" (Kampf) veröffentlichten Stellungnahme zum Hungerstreik der "Gefangenen aus der RAF" verdeutlichen: unter dem Titel "In den Kerkern des blutsaugerischen westdeutschen Imperialismus wird auf moderne Weise gefoltert" bezeichnet sie deutsche Justizvollzugsanstalten als "psychologische Folterzentren", in denen "Massaker als Selbstmord getarnt" werden, die nichts anderes als "auf 103 Staatsund Regierungsebene organisierter internationaler Terrorismus" seien. In ihre aggressive Polemik bezieht die ATIF auch den politischen Gegner ein. Danach sind etwa die rechtsextremen türkischen Kulturvereine "faschistische Horden von Vampiren, Hunden und Blutsaugern, die schon ungeduldig darauf warteten, mit Genuß das Blut der Revolutionäre zu trinken". Daß die Anhänger der ATIF durch diese Publikationen nicht nur verbal aufgeputscht werden, daß dies vielmehr auch entsprechende Folgen zeitigt, zeigen Vorfälle im Frühjahr 1985 in Stuttgart und im Sommer des Jahres in Basel/Schweiz: - In der Nacht zum 11. Mai 1985 wollten im Rahmen einer offenbar in provozierender Absicht durchgeführten Klebeaktion mehrere Anhänger der ATIF in der Nähe der Räumlichkeiten des Stuttgarter Mitgliedsvereins der extrem nationalistischen ADÜTDF Plakate anbringen. Nachdem einige ADÜTDF-Sympathisanten hinzugetreten waren, entwickelte sich eine Auseinandersetzung, in deren Verlauf aus der Gruppe der Linksextremisten ein Schuß abgegeben wurde, der einen politischen Gegner leicht verletzte. - Am 25. August 1985 kam es in Basel zu einer Massenschlägerei zwischen Anhängern der ATIF und einer verfeindeten orthodox-kommunistischen Gruppe, bei der 14 Personen durch Faustfeuerwaffen und Messer verletzt wurden. Ein Basler Gericht verurteilte inzwischen 11 "PARTIZAN" (P)-Sympathisanten wegen Beteiligung an einem Raufhandel, Gefährdung des Lebens und versuchter schwerer Körperverletzung zu Freiheitsstrafen zwischen eineinhalb und drei Jahren. Örtliche Gruppen der von der "PARTIZAN" (P)-Fraktion beeinflußten ATIF bestehe in Baden-Württemberg in Albstadt-Ebingen, Heidelberg-Walldorf, Heilbronn, Karlsruhe, Lauda, Ludwigsburg, Mannheim, Nürtingen, Schwäbisch Gmünd, Stuttgart und Ulm. Den Angehörigen der TKP/ML-Fraktion "BOLSEVIK PARTIZAN" (BP) gelang es nicht, den Aufbau einer eigenen Parteiorganisation voranzutreiben. Die in sich weiter zerstrittene, zahlenmäßig kleine Anhängerschaft der betont konspirativ arbeitenden Vereinigung bedient sich indes in ihren Publikationen einer ähnlich hetzerischen Sprache wie die ATIF. So solidarisierte sie sich in einem anläßlich der bundesweiten Demonstration zum Hungerstreik der einsitzenden Terroristen der RAF am 26. Januar 1985 in Karlsruhe verbreiteten Flugblatt mit der RAF: "Der Kampf der RAF-Gefangenen . . . ist ein gerechter Kampf... Wir, Kommunisten aus der Türkei, sind mit den Hungerstreikenden der RAFGefangenen solidarisch . . . Der Kampf der revolutionären Gefangenen in der Türkei gegen ihre faschistischen Henkerknechte und der Kampf der RAF-Gefangenen sind Teile ein und desselben Kampfes." 104 Zu welcher Art von Agitation sich die Gruppe hinreißen läßt, zeigt der Inhalt einer aus Anlaß des 40. Jahrestags des 8. Mai 1945 veröffentlichten Propagandaschrift in deutscher Sprache. Darin wird den "Parteien des westdeutschen Imperialismus" vorgeworfen, sie hätten "diesen westdeutschen Staat Hand in Hand gemeinsam mit Nazi-Mördern, Nazi-Richtern, Nazi-Lehrern" aufgebaut, die an die "rassistischen chauvinistischen Rassentheorien der Hitlerfaschisten anknüpften und heute in der einen oder anderen Art den Ausländerhaß, insbesondere den Türkenhaß, schüren". Das deutsche Proletariat werde sich aber unter Führung einer wahrhaft marxistisch-leninistischen Partei organisieren, bewaffnen und durch die bewaffnete sozialistische Revolution seine Macht errichten. An die Öffentlichkeit dringende Aktivitäten der Fraktion "BOLSEVIK PARTIZAN" (BP) konnten in Baden-Württemberg in Albsladt-Ebingen, Böblingen, Horb, Konstanz, Nagold und Stuttgart festgestellt werden. 2.1.2 Das politische Gedankengut der in der Türkei aufgelösten "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP) wird in der Bundesrepublik Deutschland von den Anhängern der Gruppe "HALKIN KURTULUSU" TDKP'nin 5.kurulu$ yildönümünü kutluyoruz. BAGIMSIZLIK.DEMOKRASi VE SOSYAÜZM MÜCADELESlNOE TDKP SAFLARINDA BiRLES! TÜRKJYE DEVRiMCi KOMÜNUST PARTISi (TDKP) Plakat der Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei 105 (Volksbefreiung) und von der "Föderation der Türkischen Demokratischen Arbeitervereine in Deutschland e.V." (DIDF) verbreitet. Die Gruppe "HALKIN KURTULUSU", die 1985 nur noch durch gelegentliches Verbreiten von Propagandamaterial auf sich aufmerksam machte, besitzt keinen eigenen organisatorischen Unterbau. Die Arbeit wird vorwiegend von örtlichen "Sympathisantengruppen" geleistet, deren Angehörige zumeist auch in der DIDF aktiv sind. Die DIDF bemühte sich intensiv - wenngleich ohne sichtbaren Erfolg -, ihre Basis in der Bundesrepublik Deutschland zu verbreitern und die politische Arbeit zu verstärken. Die Schwerpunkte ihrer Agitation waren weiterhin die angeblich rasch zunehmende ausländerfeindliche Einstellung der deutschen Bevölkerung, wofür der Bundesregierung die Verantwortung zugeschoben wird, sowie das Anprangern der politischen Verhältnisse in der Türkei. In Flugschriften, die die Vereinigung anläßlich des Jahrestags der Machtübernahme der Militärs in der Türkei am 12. September 1980 verbreitete, weist sie nachdrücklich auf die "innige wirtschaftliche und militärische Verflechtung beider Länder" hin und beschuldigt die Bundesregierung der Unterstützung der "Angriffe der faschistischen Junta auf die in der BRD lebenden Oppositionellen: Restriktionen im Asylrecht und Auslieferung politischer Flüchtlinge an die Generäle, Duldung der Übergriffe von .Grauen Wölfen' auf hier lebende Antifaschisten und Demokraten, Duldung der Bespitzelung, Bedrohung und Einschüchterung von Oppositionellen durch türkische Konsulate." Die Zusammenarbeit mit der "deutschen, demokratischen, antifaschistischen Bewegung" betrachtet die DIDF als zwingende Notwendigkeit angesichts der "Partnerschaft des blutigen Terrors gegenüber dem Volk der Türkei". In Baden-Württemberg gehören der DIDF Mitgliedsvereine in Göppingen, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Ulm an. Außerdem verfügen DIDF und "HALKIN KURTULUSU" über Anhänger in Esslingen, Geislingen, Heidelberg, Heilbronn, Konstanz, Pforzheim, Ludwigsburg und Villingen-Schwenningen. 2.1.3 Die terroristischen Ziele der "Türkischen Volksbefreiungspartei/ -Front" (THKP/-C) vertreten in der Bundesrepublik Deutschland vornehmlich Anhänger der untereinander rivalisierenden Gruppen "AVRUPA 'da DEV GENC" (Revolutionäre Jugend in Europa), "DEVRIMICI YOL" (Revolutionärer Weg) und der bereits 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen und aufgelösten "DEVRIMCI SOL" (Revolutionäre Linke). Daneben existiert noch eine Vielzahl von Kleinstzirkeln, die in Baden-Württemberg jedoch bis106 Plakat der DEVRIMCI YOL lang bedeutungslos blieben. Die genannten Gruppierungen arbeiten streng konspirativ, gebärden sich überaus militant und gefährden durch ihren politischen Kampfstil mitunter die innere Sicherheit des Landes. Die Organisation "DEVRIMCI YOL", die gelegentlich auch unter der Bezeichnung ihres Organs "DEVRIMCI ISCI" auftritt, ist zwar die zahlenmäßig stärkste unter den THKP/C-beeinflußten Vereinigungen, ihre Arbeit ist aber wegen anhaltender Meinungsverschiedenheiten über taktische Fragen erkennbar eingeschränkt. Angehörige der "DEVRIMCI YOL" sind in Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim, Stuttgart und Ulm aktiv. Anhänger der am 9. Februar 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen und aufgelösten Gruppe "DEVRIMCI SOL" traten 1985 nur noch vereinzelt in Erscheinung. Über die gelegentliche (illegale) Verbreitung von Propagandaschriften hinaus beschränkte sich ihr offenes Auftreten in Baden-Württemberg auf das Mitführen eines Transparents anläßlich einer Solidaritätsdemonstration zum Hungerstreik der Häftlinge aus der RAF am 26. Januar 1985 in Karlsruhe. Die ehemaligen Mitglieder der "DEVRIMCI SOL" waren vorran107 gig darum bemüht, den durch das Verbot bewirkten Resonanzverlust wieder auszugleichen und sich organisatorisch unter der Tarnbezeichnung "AVRUPA 'da DEV GENC" neu zu formieren. Die schwer kontrollierbare Aktivität der in kleine Zellen gegliederten "AVRUPA 'da DEV GENC" beschränkt sich derzeit auf die Städte Horb, Mannheim, Pforzheim und Stuttgart. 2.2 Orthodox-kommunistische türkische Organisationen Der "Föderation der Arbeitsvereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FIDEF), die von der im Heimatland verbotenen moskauorientierten "Kommunistischen Partei der Türkei" (TKP) beeinflußt wird, ist es zwischenzeitlich gelungen, den enormen Anhängerverlust der letzten Jahre zu stoppen. Gleichwohl vermochte sie die durch die Abspaltung mehrerer Fraktionen nachhaltig geschwächte Organisation nicht wieder zu konsolidieren. Als Schwerpunkt der künftigen Aktivität legte die FIDEF bei ihrem 9. Jahreskongreß am 20./21. April 1985 in Essen, an dem auch Vertreter der DKP und der von ihr beeinflußten WN-BdA teilnahmen, unter anderem den "Kampf gegen Weltraumwaffen und Raketenrüstung" sowie gegen die von ihr unverändert als Militärregierung bezeichnete politische Führung der Türkei fest. Ferner will sie zur internationalen Solidarität mit den Gefangenen in der Türkei aufrufen. Im Rahmen ihrer "Solidaritätskampagne für das kurdische Volk" prangert die FIDEF den "türkischen Staatsterror" an, der "offiziell auf Millionen kurdischer Patrioten ausgeübt wird". In Baden-Württemberg sind Unterorganisationen der FIDEF in Freiburg, Göppingen, Karlsruhe, Mannheim, Schwäbisch Gmünd, Stuttgart, Ulm und Weinheim aktiv. Nach einer im Januar 1985 im Bundesgebiet verbreiteten Erklärung in türkischer Sprache schlossen sich bereits im Dezember 1984 sechs orthodoxkommunistische Parteien unter Einschluß der TKP zu einer Aktionseinheit zusammen, die sich "SOL BIRLIK" (Linke Einheit) nennt. Sie will der türkischen "faschistischen Führung ein Ende setzen" und der "aggressiven Politik des Imperialismus Einhalt gebieten". Dazu heißt es in der Erklärung: "Vereinigen wir uns, um den Faschismus zu zerbrechen, unser Land vom wirtschaftlichen Ruin und vom Abenteuertum und unsere Völker vom Leid und Elend zu befreien". Von den Anhängern der im Jahre 1984 in zwei Fraktionen zerfallenen "Leninisten der Kommunistischen Partei der Türkei" (TKP-L) gingen keinerlei öffentlichkeitswirksame Aktivitäten mehr aus. Auch interne gewaltsame Auseinandersetzungen, wie sie in den Vorjahren mehrmals in Baden-Württemberg zu beobachten waren, wurden nicht bekannt. 108 2.3 Linksextreme kurdische Gruppierungen Die Aktivitäten kurdischer Extremistengruppen, vornehmlich die der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), haben 1985 wieder deutlich zugenommen. Unverändertes Ziel dieser Vereinigungen ist die Gründung eines vereinigten, autonomen Kurdistan. Die militanteste und aktivste international operierende Organisation dieses Spektrums blieb die teilweise konspirativ arbeitende orthodox-kommunistische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die ihren "Widerstandskampf" gegen den angeblichen faschistischen türkischen Kolonialismus weiter verstärkte. Nach eigener Aussage gibt es für die Gruppe nur ein einziges erfolgversprechendes Mittel zur Durchsetzung ihres Ziels: eine Revolution unter Anwendung von Waffengewalt. Sie bekennt sich deshalb ausdrücklich bereits in der Gegenwart zum bewaffneten Kampf. Terror gegen Polizei, Militär, Regierung und "Abweichler" wird als revolutionär und deshalb als legitium betrachtet. Dabei bezeichnet die PKK ihre Tätigkeit in Europa als eine "Arbeit hinter der Front". Die "Kader im Ausland sollen ideologisch-politisch und militärisch geschult und auf eine baldige Rückkehr in die Türkei vorbereitet" werden. Linksextreme kurdische Publikation 10O Im Laufe des Jahres 1985 machte die PKK bundesweit durch eine Serie von Besetzungsaktionen, Mordanschlägen und anderen Gewalttaten auf sich aufmerksam. Nachdem sie seit Frühjahr 1985 mehrfach mit brutaler Härte gegen Dissidenten aus den eigenen Reihen vorgegangen war, verstärkte sie auch ihre Agitation gegen andere kurdische Organisationen, die dem von der PKK befürworteten Befreiungskampf in der Türkei ablehnend gegenüberstehen. Bereits Anfang Mai 1985 betonte ein Redner der Gruppierung während eines Seminars, "die hier im Ausland nach der Pfeife der Sozialchauvinisten tanzenden kurdischen Gruppen" seien die eigentlichen Verräter am kurdischen Volk, mit denen "sicherlich abgerechnet werde". Tatsächlich kam es in der Folgezeit mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen PKK-Anhängern und Sympathisanten anderer orthodox-kommunistischer kurdischer Vereinigungen. Unterstützer der Organisation in Baden-Württemberg protestierten mit einer Reihe von Besetzungen, darunter der schwedischen konsularischen Vertretung in Stuttgart am 30. Mai und am 27. September 1985 sowie der badischen Fernsehredaktion des "Süddeutschen Rundfunks" (SDR) am 31. Mai 1985 in Mannheim, gegen die Inhaftierung und die geplante Ausweisung von Landsleuten in Schweden. Im übrigen blieb Baden-Württemberg von Gewaltakten dieser Seite bislang verschont. Nachdem führende Funktionäre der PKK sich seit geraumer Zeit um einen Zusammenschluß der kurdischen Widerstandsgruppen bemühten, wurde am 21. März 1985 die Gründung der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) auf der Basis des in den "letzten zehn Jahren von der PKK heldenhaft geführten Kampfes" bekanntgegeben. Sie versteht sich als "Arm der Hauptkräfte der Revolution in Kurdistan", die ein "untrennbarer Teil der Weltrevolution" sei. Bei zentralen Veranstaltungen gelingt es der ERNK in der Regel, bis zu 4.000 Anhänger zu mobilisieren. In Baden-Württemberg trat sie bisher vorwiegend durch Plakataktionen und die Verbreitung ihrer "Gründungserklärung" in Erscheinung. In unserem Bundesland dürften mit der Befreiungsfront etwa 200 Personen sympathisieren. Personelle und organisatorische Unterstützung sucht die PKK im Bundesgebiet ferner über eine Hilfsorganisation, die "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKAKurdistan). Mitgliedsvereine des im März 1984 in Köln gegründeten Dachverbands agieren in Stuttgart und Mannheim. Plakatanschläge und Flugblattverteilungen wurden jedoch auch in zahlreichen anderen Städten, vor allem in Böblingen, Heidelberg, Karlsruhe und Göppingen, festgestellt. Die "Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (KOMKAR), Nebenorganisation der orthodox-kommunistischen "Sozialistischen Partei Türkisch-Kurdistan" (TKSP), blieb die zweitstärkste Kraft unter den kurdischen linksextremen Vereinigungen. Ihre 110 Aktivitäten beschränkten sich 1985 weitgehend auf die Beteiligung an Demonstrationen und anderen Protestveranstaltungen linksextremer Türken und Kurden sowie auf die Herausgabe des Organs "Denge KOMKAR" (Stimme KOMKAR). In Baden-Württemberg sind Mitgliedsvereine in Konstanz, Mannheim und Stuttgart aktiv. 2.4 Türkische islamisch-nationalistische Vereinigungen In den mehr als dreißig in Baden-Württemberg bestehenden islamisch-nationalistischen Vereinigungen sind etwa 2.700 Türken organisiert. Gemeinsames, fanatisch vertretenes Ziel dieser Gruppierungen ist die Reislamisierung der Türkei und ihre Integration in die orthodox-islamische Staatenwelt. In diesem Zusammenhang fordern sie ein sich streng und ausschließlich am Koran orientierendes Gemeinwesen. Die moderne Türkei mit ihrer laizistischen Ordnung lehnen sie ebenso ab wie den Gedanken der Völkerverständigung. Ihr mit religiösem Eifer geführter Kampf richtet sich deshalb in gleicher Weise gegen westliche Einflüsse wie gegen "Kommunismus und Zionismus". Betreuung und Anleitung erfahren die Anhänger dieser islamisch-nationalistischen Vereinigungen vor allem durch indoktrinierende Vorträge und Predigten eines kleinen Kreises fanatischer Führungsfunktionäre. Bei religiösen Festveranstaltungen und Versammlungen werben diese Kader im Rahmen ihrer Betätigung als Hodschas und Imame offen und mit polemischer Schärfe für ihre Ziele. Die meisten der in Baden-Württemberg tätigen Gruppen haben sich bundesweit operierenden Dachverbänden angeschlossen, einige sind jedoch eigenständig geblieben. Insbesondere der "Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (Sitz: Köln) konnte seinen Einfluß weiter verstärken. In Baden-Württemberg haben sich ihm inzwischen sechzehn Gruppierungen angeschlossen. Er propagiert einen von einer Massenbewegung getragenen Umsturz in der Türkei nach iranischem Muster und stellt Ayatollah CHOMEINI als Vorbild heraus. Dagegen tritt die erst Mitte 1985 als Dachverband der "Islamischen Union Europa" und des "Islamischen Zentrums Köln e.V" (IZ) gegründete "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) für eine Reislamisierung der Türkei mittels politischer Parteien ein. Die AMGT-Gruppierungen vertreten dabei die Ziele der in der Türkei verbotenen islamisch-nationalistischen "Nationalen Heilspartei" (MSP), deren Anhänger sich im Heimatland inzwischen in der "Wohlfahrtspartei" (RP) sammeln. In Baden-Württemberg sind der AMGT und deren Unterorganisationen etwa zwanzig Vereine zuzu111 rechnen. Ein Teil von ihnen ist in einer eigenen regionalen Föderation organisiert, andere sind als sogenannte Zweigstellen direkt dem IZ unterstellt. Aufgrund persönlicher und sachlicher Differenzen entwickeln sich innerhalb des islamisch-fundamentaiistischen Lagers immer wieder Spannungen, die zur Auflösung, Neugründung oder Neuorientierung einzelner Vereine führen. Zwischen den MSP-orientierten und den am iranischen Leitbild sich ausrichtenden Verbänden herrscht deshalb eine ständige Fluktuation. Die in die Öffentlichkeit dringende Aktivität dieser islamisch-nationalistischen Organisationen konzentriert sich vor allem auf die Herausgabe verschiedener Publikationen sowie auf die Verbreitung von Tonbandkassetten und islamischen Kalendern. Besorgniserregend ist dabei der oftmals überaus polemische und aggressive Ton, in dem für antidemokratische, antiisraelische und radikal islamische Thesen geworben wird. So bezeichnet der "Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V." in der Mitte August 1985 erschienenen Erstausgabe seines türkischsprachigen Organs "TEBLIG" (Die Verkündigung), der Nachfolgepublikation von "AVRUPA 'da HICRET", die Europäer als "kolonialistisch, gefühllos, mitleidlos und verschlagen". Die "Anführer der blutspuckenden, Todesmaschinen produzierenden Europäer" seien "moderne Gladiatoren", die die "Grausamkeit der afrikanischen Menschenfresser weit hinter sich lassen, nackte Gewalt hinter angenehm klingenden Begriffen wie Freiheit, Frieden, Brüderlichkeit, Wirtschaftshilfe und Entwickungsfond verbergen . . . Sie setzen ihren Terror, ihre Kolonisation und ihre Massaker auf verschlagene lügnerische Weise in moderner Form fort und verwenden dazu Organisationen wie die OPEC, NATO, EWG, UNO . .. und lauern nur darauf, die Bevölkerung muslimischer Länder zu überfallen." Auch die laizistische Staatsordnung der Türkei wird in diese ebenso militante wie maßlose Agitation einbezogen: "Die Rettung vom Unglaubensregime (kann) nur durch den Umsturz erreicht" werden, denn "der Muslim ist ein Revolutionär, dem die Fähigkeit gegeben ist, die auf dem Unglauben beruhenden Ordnungen mit der Wurzel auszurotten". In einer anderen Ausgabe derselben Publikation heißt es: "Wenn es uns nicht gelingen sollte, die Demokratie, welche die Ideologie des Satans ist, und die westliche Kultur wegzustoßen und auszurufen .Für mich genügt der Weg des Propheten und seine Art zu kämpfen' und wenn wir es nicht vermögen, gemeinsam mit jungen Menschen, die physisch und psychisch in der Lage sind, die uns von den Juden in den Busen gesteckte Natter des Parteiwesens zu töten, unsere erhabene Sache zu vollenden, wird alles, was wir bisher geleistet haben, nutzlos gewesen sein". 112 2.5 Türkische rechtsextreme Vereinigungen Die etwa 25 der extrem nationalistischen "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF) angeschlossenen Vereinigungen in Baden-Württemberg konnten ihren Mitgliederstand 1985 im wesentlichen halten: den unterschiedlich aktiven Mitgliedsverbänden gehören gegenwärtig rund 2.200 Türken an (1984: 2.300). Im Mittelpunkt des Vereinslebens der in der Öffentlichkeit häufig als "Graue Wölfe" bezeichneten Gruppierungen steht seit Jahren die Durchführung politischer Veranstaltungen im Gewände von Kulturund Folkloredarbietungen, an denen durchweg mehrere hundert Personen teilnehmen. Bei solchen Versammlungen bringen die Vereinsmitglieder fast immer ihre Verbundenheit mit dem ehemaligen Vorsitzenden der in der Türkei seit 1980 verbotenen und aufgelösten rechtsextremen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP), Alparslan TÜRKES, zum Ausdruck. So nahmen die etwa 4.000 Teilnehmer des am 18. Mai 1985 in Castrop-Rauxel abgehaltenen 7. ADÜTDV-Jahreskongresses mit Begeisterung ein Telegramm von TÜRKES auf; dieser war wenige Tage zuvor von einem Militärgericht in Ankara mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand aus mehrjähriger Untersuchungshaft entlassen worden. Auch auf Veranstaltungen von ADÜTDV-Mitgliedsvereinen in Baden-Württemberg wurde der ehemalige Parteiführer, dem die Anklage vorwirft, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, um die verfassungsmäßige Ordnung in der Türkei zu stürzen, von seinen Anhängern mit Sprechchören wie "TÜRKES ist der Größte", "TÜRKES bozkurt" (Grauer Wolf TÜRKES) gefeiert. Im Rahmen ihrer Mitgliederbetreuung sowie zu Werbezwecken verbreiten die der Föderation angeschlossenen Vereine seit einiger Zeit türkische Musikund Sprachkassetten. Offenkundiges Ziel dieser Aktion, die bei Anhängern durchaus Resonanz findet, ist die weitere Verbreitung der häufig extrem nationalistischen, streng antikommunistischen und inzwischen auch stark von religiösem Fanatismus durchsetzten Positionen der ADÜTDF. Aufgelokkert durch folkloristische Passagen enthalten derartige Propagandakassetten neben derber Polemik und beleidigenden Angriffen auf politisch Andersdenkende zumeist auch gegen die Völkerverständigung gerichtete Parolen. Mitunter wird in kaum verschleierter Form dem ehemaligen MHP-Führer TÜRKES und dessen politischen Ideen gehuldigt. In der Diktion der Urheber solcher Kassettenproduktionen stehen die "Verräter am türkisch-islamischen Ideal. . . niedriger als Tiere". Deutsche, Engländer, Franzosen, Amerikaner und Russen werden als gefährliche Feinde der türkischen Nation dargestellt. Unter dem Motto "Auch dann, wenn unser Blut vergossen werden soll, gehört der Sieg dem Islam" wird dazu aufgerufen, "sich für die gerechte Sache, für das heilige Ideal, für Allah zu schlagen". 113 Bemerkenswert ist, daß die ADUTDF seit Herbst 1985 - im Gegensatz zu ihrer bisherigen Praxis - die aktive Unterstützung ihres ehemaligen ersten Vorsitzenden S. CELEBI weitgehend eingestellt hat. CELEBI wird in dem seit Mai 1985 in Rom stattfindenden Verfahren im Zusammenhang mit dem Attentat auf Papst Johannes Paul II. (13. Mai 1981) vorgeworfen, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein. Anlaß für bundesweite Protestaktionen der ADÜTDF war 1985 die angebliche zwangsweise Assimilierung türkischer Volkszugehöriger in Bulgarien. Unter dem Motto "Unterdrückung und Vernichtung der Türken in Bulgarien" wurden mehrere zentrale Demonstrationen mit bis zu 12.000 Teilnehmern durchgeführt. In Ulm organisierten ADÜTDF-Anhänger am 4. Mai 1985 zum gleichen Thema eine von etwa 500 Türken besuchte Großkundgebung mit anschließendem "Folklorefest". Politische Gegner nahmen die Veranstaltungen von ADÜTDF-Vereinen häufig zum Anlaß, Protestkundgebungen, Flugblattkampagnen und Demonstrationen gegen die von ihnen so bezeichneten "Grauen Wölfe" durchzuführen. Dabei kam es gelegentlich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen der miteinander verfeindeten politischen Lager. Mehrmals versuchten anonyme Anrufer, mittels Bombendrohungen Treffen der ADÜTDF-Anhänger zu verhindern oder mindestens zu stören. Örtliche Schwerpunkte solcher Vorkommnisse waren in BadenWürttemberg insbesondere die Städte Stuttgart, Nürtingen, Sindelfingen, AlbstadtEbingen, Mannheim, Herrenberg, Mühlacker und Heilbronn. 3. Araber Die seit Jahren von ernsten Krisen geschüttelte "Palästinensische Befreiungsorganisation" (PLO) unter Yassir ARAFATS Führung konnte die tiefgreifenden ideologischen Differenzen der in ihr zusammengeschlossenen Widerstandsgruppen und die gegenseitigen Anfeindungen ihrer Funktionäre bis heute nicht neutralisieren. ARAFATS zwischen Diplomatie und bewaffnetem Kampf lavierende Politik zur Lösung der "palästinensischen Frage" ließ die alten Gegensätze der untereinander zerstrittenen Organisationen ständig neu aufbrechen. Die im März 1985 in Damaskus gegründete "Palästinensische Nationale Rettungsfront" (PNSF), der die orthodox-kommunistische "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP), die "Volksfront für die Befreiung Palästinas-Generalkommando" (PFLP-GC), die "Palästinensische Volkskampf114 front" (PPSF), die AL-SAIQA und die AL-FATAH-Dissidentengruppe unter Leitung ABU MUSAs angehören, tritt inzwischen als Hauptwidersacherin der von der AL FATAH verfolgten Politik auf. Insbesondere die Beschlüsse der 17. Jahrestagung des "Palästinensischen Nationalrats" - des "Exilparlaments" - und das Abkommen zwischen ARAFAT und dem jordanischen König HUSSEIN vom Februar 1985 über eine abgestimmte Vorgehensweise gegenüber Israel werden von diesen Kräften torpediert. Wirkungsvolle Unterstützung erfährt ARAFAT derzeit nur noch von dem ihm ergebenen Teil der die PLO tragenden AL FATAH und Teilen der orthodox-kommunistischen "Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) sowie von einigen kleineren palästinensischen Gruppierungen. Palästinensische Zeitungen Diese Spaltungserscheinungen innerhalb des palästinensischen Lagers und die Schwächung der politischen Position der PLO wirken sich auch auf die im Bundesgebiet operierenden Gruppen aus. Die - früher von der AL FATAH, der PFLP und der DFLP gemeinsam geführten - "Palästinensischen Arbeitervereine" (PAV) und die "Palästinensischen Studentenvereine" (PSV) befinden sich inzwischen aufgrund gewichtiger sachlicher und persönlicher Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppen fast durchweg in einem desolaten Zustand. Den Vereinsfunktionären gelang es nicht mehr, ihre palästinensischen Landsleute im früheren Umfang zu mobilisieren. Auch in Baden-Württemberg nahmen - trotz einiger größerer Veranstaltungen - insgesamt die öffentlichen Aktivitäten der "Palästinensischen Arbeiterbzw. Studentenvereine" ab. Regionale Kristallisationspunkte blieben in begrenztem Maße Stuttgart, Mannheim, Heidelberg und Karlsruhe. Die noch im Jahre 1984 aktiv gewesenen "Palästina-Komitees" haben ihre Arbeit praktisch eingestellt. 115 Auch der am 26727. Oktober 1985 in Frankfurt am Main durchgeführte Bundeskongreß der "Palästinensischen Arbeitervereine" spiegelte indirekt die Uneinigkeit der verschiedenen Organisationen wider: neben einer kleinen Gruppe von Vertretern der DFLP waren ausschließlich Delegierte des ARAFAT-treuen Flügels der AL FATAH anwesend. Angehörige der PFLP und der FATAH-Dissidentengruppe blieben der Veranstaltung demonstrativ fern. Die Mehrheit der etwa einhundert Teilnehmer aus örtlichen "Palästinensischen Arbeitervereinen" bekannte sich denn auch erwartungsgemäß zur Politik des PLO-Chefs im Kampf für einen unabhängigen palästinensischen Staat. Statt der in früheren Jahren üblichen gemeinschaftlichen Betreuung der Landsleute in parteiübergreifend zusammengesetzten Vereinen bemühen sich jetzt die heftig miteinander konkurrierenden Palästinensergruppierungen jeweils getrennt um Anhänger. In Baden-Württemberg gelang es dabei vor allem den orthodox-kommunistischen Organisationen DFLP und der PFLP, ihren Einflußbereich auszuweiten. Während die Anhängerzahl dieser beiden Gruppen anstieg, mußte die AL FATAH leichte Verluste hinnehmen. Die syrisch gesteuerte, von ABU MUSA geleitete AL-FATAH-Dissidentengruppe konnte sich in unserem Bundesland organisatorisch nicht festigen. Nur vereinzelt traten ihre Anhänger durch Verteilen von Publikationen und bei gelegentlichen Zusammenkünften in Erscheinung. Zahlreiche Flugzeugentführungen und Terroranschläge arabischer und palästinensischer Kommandos und Einzeltäter im gesamten europäischen Raum zeugen von der ungebrochenen Bereitschaft nahöstlicher Kräfte, Gewalt als politisches Mittel einzusetzen. Auch die Bundesrepublik Deutschland blieb hiervon im Jahre 1985 nicht verschont, wenngleich sie nicht zu den Schwerpunkten solcher Aktionen zählte. Obwohl Baden-Württemberg im Berichtszeitraum von derartigen Gewalttaten nicht betroffen war, hält dennoch die Bedrohung durch Terrorakte militanter palästinensischer Gruppen und aus arabischen Staaten entsandter Kommandos an. 4. Jugoslawen Die jahrelang zwischen Resignation und aufkeimender Hoffnung schwankenden jugoslawischen Extremistengruppen glauben eine Verbesserung ihrer "Kampfbedingungen" zu erkennen: angeblich sich verstärkende nationalistische Tendenzen in Jugoslawien, begünstigt durch eine allgemeine Rückbesinnung auf nationale Werte insbesondere unter Kroaten und Albanern, aber auch die im Heimatland sich verschärfende Wirtschaftskrise könnten für diese behauptete Veränderung der Situation ursächlich sein. Sie spiegelt sich allerdings noch nicht in veränderten Mitgliederzahlen wider; doch hat sich 116 die in den vergangenen Jahren zu beobachtende Umschichtung zugunsten des militanten linken Flügels innerhalb der Emigration, der vor allem unter jungen Exiljugoslawen Sympathien findet, weiter fortgesetzt. Die dem rechten Flügel zuzurechnenden Altemigranten, die der extrem nationalistischen "Ustascha"-ldeologie anhängen, versuchen zwar, ihrem organisatorischen Niedergang durch eine engere Zusammenarbeit der verschiedenen gleichgesinnten Gruppen zu begegnen. Allerdings verhinderten Egoismus und Halbherzigkeit, finanzielle und personelle Schwierigkeiten sowie das Fehlen attraktiver, gegenwartsbezogener Programme bisher alle Reaktivierungsversuche. Zudem wird mit wachsender Verbitterung darauf hingewiesen, daß Emigranten für Straftaten büßen müßten, die in Wirklichkeit vom jugoslawischen Geheimdienst provoziert worden seien. Unabhängig von der Frage nach dem Wahrheitsgehalt solcher Beschuldigungen geht jedenfalls auch von den konspirativ arbeitenden gewaltorientierten Kleinstgruppen, die sich oft außerhalb oder am Rande der etablierten Exilorganisationen gebildet haben, eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Bei zahlreichen Wohnungsdurchsuchungen konnten bundesweit erneut Schußwaffen, Munition und einschlägiges Schriftmaterial sichergestellt werden. Anläßlich einer Serie von Prozessen gegen kroatische Regimegegner im Frühjahr 1985 in Jugoslawien gaben mehrere Angeklagte zu, vor ihrer Verhaftung Kontakte zu Emigrantenzirkeln (dabei wurde mehrmals der Raum Stuttgart genannt) unterhalten und von diesen den Auftrag und die Anleitung zu Sprengstoffanschlägen und Propagandaaktionen im Heimatland erhalten zu haben. Neben dem Großraum Stuttgart sind Karlsruhe und der Bodenseeraum weitere Aktionsschwerpunkte jugoslawischer Extremisten in Baden-Württemberg. 4.1 "Kroatischer Nationalrat" (HNV) Der extrem nationalistische "Kroatische Nationalrat" (HNV) versteht sich nach wie vor als der Dachverband kroatischer Emigrantenvereinigungen mit internationalem Aktionsrahmen (Sitz: New York). Zwar konnte er den organisatorischen Verfall der vergangenen Jahre weitgehend stoppen, doch gingen von ihm keine neuen Impulse innerhalb der Emigration aus. Für die weltweit durchgeführten Wahlen zum 6. "Sabor" (Parlament) am 16./17. November 1985 kandidierten noch 50 Exilkroaten, darunter vier aus Baden-Württemberg und vier weitere aus dem übrigen Bundesgebiet. Obwohl der HNV seit jeher militante Aktionen gegen jugoslawische Einrichtungen in den jeweiligen Gastländern abgelehnt hat, befürwortet er gleich117 wohl "revolutionäre Gewalt" in Jugoslawien. Er hofft, dadurch seinem Ziel, der Errichtung eines unabhängigen kroatischen Staates, näherzukommen: "Nach unserem Standpunkt entsteht die kroatische nationale und staatliche Freiheit aus den Ruinen Jugoslawiens, nicht also mit der Verteidigung Jugoslawiens, sondern mit dem Kampf gegen Jugoslawien. Ein Kroate erlebt jedes Jugoslawien als einen fremden und feindlichen Staat... Er findet sich nicht mit Jugoslawien ab, sieht den Kampf gegen diesen Staat als natürlich, ethisch und berechtigt an .. ." Zur Förderung seiner "Arbeit im Exil" rief er am 12. Januar 1985 die "Kroatische Nationalanleihe" ins Leben. Mit dem eingezahlten Geld - in den kommenden Jahren werden weltweit mehrere Millionen Dollar erwartet - soll ein professioneller politischer Kader aufgebaut werden, der das kroatische Volk in der Heimat unterstützen soll, wenn es sich "zum aktiven Kampf für die Befreiung" erhebt. Im Frühjahr 1985 eröffnete der HNV in Bonn ein "Kroatisches Informationsbüro". Es soll Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und die Öffentlichkeit des Gastlandes über "die kroatische Frage", das Streben nach nationaler Identität, über die kulturellen Traditionen und den Willen zur Gründung eines "unabhängigen Staates Kroatien" informieren. Kroatische Zeitungen 118 Der HNV verbreitete bundesweit vielfältiges Informationsmaterial mit Hinweisen auf angebliche Menschenrechtsverletzungen in Jugoslawien. Weiter warnte er - wie schon in den vergangenen Jahren - vor Urlaubsreisen dorthin. In den in deutscher Sprache abgefaßten Flugschriften, die zur Verteilung an "potentielle Jugoslawien-Touristen" bestimmt waren, hieß es, daß mit deren Devisen auch die vollen Gefängnisse in diesem Lande finanziert würden. Die im ganzen Bundesgebiet bestehenden HNV-Ortsausschüsse werden vom "Kroatischen Koordinationsausschuß der Vereinigung der Ortsausschüsse des Kroatischen Nationalrats in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (HKO) mit Sitz in Stuttgart gesteuert. 4.2 "Kroatische Staatsbildende Bewegung" (HDP) Die linksnationalistische, weltweit operierende HDP versteht sich als Sammelbecken linksorientierter kroatischer Emigranten, als eine mit dem HNV konkurrierende Dachorganisation. Sie setzt sich zum Großteil aus Anhängern des ehemaligen "Kroatischen Frühlings" zusammen, Oppositionellen, die 1971 aus dem "Bund der Kommunisten Jugoslawiens" (BdKJ) ausgeschlossen worden und dann häufig in westliche Länder emigriert waren. Die HDP will einen selbständigen Staat "Kroatien" - wenn nötig auch mit Waffengewalt - verwirklichen. Ihre militante Haltung verdeutlicht die Organisation unter anderem dadurch, daß sie durch ständige Überzeichnung ihrer angeblichen Erfolge versucht, ihre Entschlossenheit und ihre gewachsene Kampfkraft zu demonstrieren. So gelang es der Vereinigung in Baden-Württemberg, durch eine massive Werbekampagne ihr Anhängerpotential auf Kosten einiger extrem nationalistischer Gruppierungen geringfügig zu vergrößern. Auch eine intensive Werbung unter jugoslawischen Asylbewerbern trug zu dieser Verbreiterung ihrer personellen Basis bei. Die HDP nutzt offensichtlich neue Möglichkeiten, junge Kroaten für den "Befreiungskampf" zu gewinnen. Dennoch machen sich sowohl in der Führungsebene als auch in den übrigen Organisationsbereichen Schwächen bemerkbar, die ihre Ursache nicht zuletzt in der Inhaftierung mehrerer wichtiger Aktivisten in Jugoslawien und im Bundesgebiet haben. Weltweit vertriebenes Publikationsorgan der HDP ist die wöchentlich erscheinende Zeitschrift "HRVATSKI TJEDNIK" (Kroatisches Wochenblatt), das Sympathisanten und Anhängern neben Berichten aus der Heimat und der Emigration die Ziele der Vereinigung vermitteln will. Der Vertrieb der in Australien herausgegebenen Zeitung erfolgt für das Bundesgebiet von Stuttgart aus, wo sich auch der Sitz der Europa-Redaktion befindet. 119 4.3 Kosovo-albanische Organisationen Von der extrem nationalistischen, mit rechtsextremistischen kroatischen Gruppierungen sympathisierenden "Nationaldemokratischen Liga der Albanischen Treue" (N.D.Sh.) gingen im Berichtszeitraum keine nennenswerten öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten mehr aus. Die linksextreme "Bewegung für eine albanische sozialistische Republik in Jugoslawien" (LRSSHJ), die inzwischen in zwei Flügel gespalten ist, machte durch regelmäßiges Verteilen von Flugschriften und ihres Publikationsorgans "Zeri i Kosoves" (Stimme Kosovos) sowie durch Schmieraktionen auf sich aufmerksam. Aus Anlaß des dritten Jahrestags der dem jugoslawischen Geheimdienst angelasteten Ermordung dreier Exiljugoslawen albanischer Volkszugehörigkeit am 17. Januar 1982 in Untergruppenbach/Kreis Heilbronn, organisierten beide Fraktionen im Januar 1985 in Stuttgart zwei Demonstrationen, an denen rund 400 Kosovo-Emigranten - auch aus dem europäischen Ausland - teilnahmen. 120 "Il IV. Zur Situation auf dem Gebiet der Spionagebekämpfung 1. Aligemeiner Überblick 1.1 Die Bundesrepublik Deutschland blieb auch im Jahre 1985 vorrangiges Ziel der Nachrichtendienste kommunistisch regierter Staaten. Wegen der exponierten Lage unseres Landes an der Nahtstelle zum Warschauer Pakt sowie der Mitgliedschaft in der NATO und in der Europäischen Gemeinschaft sind die Ostblockstaaten bestrebt, möglichst frühzeitig Informationen über wichtige Entscheidungen sowohl im politischen wie im wirtschaftlichen Leben der Bundesrepublik Deutschland zu erlangen, damit sie ihr eigenes Handeln darauf einrichten können. Dabei sind sie in besonderem Maße daran interessiert, sich die neuesten Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung und möglichst umfassende Erkenntnisse über moderne Produktionsmethoden zu verschaffen, um auf diese Weise ihrer eigenen Volkswirtschaft rasch und kostengünstig neue Impulse zu geben. Entsprechend diesem Informationsbedarf konzentrieren sich die Ausspähungsbemühungen der gegnerischen Nachrichtendienste vorrangig auf die Bereiche - Politik und Gesellschaft, (Parlament, oberste Bundesund Landesbehörden, Parteien und Gewerkschaften, Verbände, kirchliche Einrichtungen) - Wirtschaft und Wissenschaft (Grundlagenforschung, neue Technologien) - Militär, Zivilund Katastrophenschutz (NATO, Bundeswehr, Behördenbereich). 1.2 Für Baden-Württemberg als ein Bundesland mit hochentwickelten Forschungsund Produktionsstätten bedeutet dies, daß vor allem solche Unternehmen und Einrichtungen, die mit der Weiterentwicklung und der praktischen Umsetzung moderner Technologien befaßt sind, sich vor Spionage schützen müssen. Die vielfältigen Ansatzpunkte der gegnerischen Ausspähung werden durch die intensiven Handelsbeziehungen mit den Ostblockstaaten begünstigt. Bei Verhandlungen, Messen und Industrieausstellungen 121 wird die Grenze zwischen sachlichem Informationsbedürfnis der Interessenten und gezielter Ausforschung mit geheimdienstlichen Methoden immer fließender. Denn bei dem Bestreben, wichtige Informationen zu erhalten, spielt die Auswertung allgemein zugänglicher Quellen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Was aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Fachjournalen, Prospekten, Warenproben und zielgerichteten Gesprächen geschöpft werden kann, muß nicht auf nachrichtendienstlichem Wege beschafft werden. 1.3 Erleichterte Übersiedlungsmodalitäten haben zur Folge, daß seit wenigen Jahren jeweils eine größere Zahl von DDR-Bewohnern in die Bundesrepublik Deutschland gelangt. Diese unter humanitären Gesichtspunkten zu begrüßende Entwicklung macht sich das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zunutze, indem es seine für die Ausreise unerläßliche Zustimmung gelegentlich nur erteilt, wenn der Übersiedlungswillige sich bereiterklärt, für einen Geheimdienst der DDR tätig zu werden. Da das Versprechen zur Mitarbeit sicherlich oft nur deshalb gegeben wird, um die Übersiedlung nicht zu gefährden, ist davon auszugehen, daß nur sehr wenige Übersiedler einer unter solchen Umständen eingegangenen Verpflichtung auch tatsächlich nachkommen. Nicht selten werden ehemalige Zuwanderer bei späteren Reisen in die DDR angesprochen, falls sie inzwischen über einen für den nachrichtendienstlichen Gegner ergiebigen beruflichen oder gesellschaftlichen Zugang verfügen. Dieses Risiko besteht besonders für jene, denen das MfS bei ihrer Übersiedlung scheinbar entgegengekommen ist, um später eine Gegenleistung zu fordern. 1.4 Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR versucht bis in neueste Zeit, sogenannte Inoffizielle Mitarbeiter (IM) entweder mit falscher Identität über Drittländer oder als legale Übersiedler getarnt in die Bundesrepublik Deutschland einzuschleusen. Es handelt sich dabei um besonders "linientreue" Personen, die vor ihrer vorgetäuschten Übersiedlung nachrichtendienstlich intensiv geschult und mit einem ihrer beruflichen Qualifikation entsprechenden Auftrag in das Bundesgebiet entsandt werden. Um solche Agenten zu enttarnen, bedarf es häufig jahrelanger gemeinsamer Bemühungen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Um so mehr ist der Verfassungsschutz darauf angewiesen, daß ihn aus der Bevölkerung, aus Behörden und Betrieben möglichst gezielte Hinweise auf eine vermutete geheimdienstliche Agententätigkeit erreichen, die Ansatzpunkt für erfolgversprechende Ermittlungen und Beobachtungen sein können. 122 2. Nachrichtendienstliche Aktivitäten der Ostblockstaaten 2.1 Bedingt durch gemeinsame Sprache, Geschichte und Kultur sowie die vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen diesseits und jenseits der innerdeutschen Grenze ist es für die Nachrichtendienste der DDR verhältnismäßig einfach, Agenten anzuwerben und sie in die Bundesrepublik Deutschland einsickern zu lassen. Zuständig für die Auslandsspionage ist die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit. Mit der Beschaffung von Informationen aus der Bundesrepublik Deutschland sind insbesondere die Abteilungen I (Staatsapparat der BRD), II (Parteien und Massenorganisation) und IV (Militärspionage) der HVA befaßt. 2.2 Welch immense Bedeutung inzwischen die Wirtschaftsspionage für die DDR gewonnen hat, spiegelt sich darin wider, daß zu diesem Zweck innerhalb der HVA eigens der "Sektor Wissenschaft und Technik" (SWT) geschaffen wurde. Im SWT sind mehrere Abteilungen zusammengefaßt, die Informationen über Grundlagenforschung, Elektronik und Militärtechnik beschaffen und diese auf ihre wirtschaftliche Nutzbarkeit hin überprüfen. Das Zentralkomitee der SED dürfte in erster Linie an diesen Sektor gedacht haben, als es in seinem Glückwunschschreiben zum 35. Gründungstag des MfS am 8. Februar 1985 formulierte: "Hervorragendes leisten die Patrioten und Kundschafter an der unsichtbaren Front für die Stärkung des Sozialismus und die Durchkreuzung der menschenfeindlichen Kriegsund Aggressionspläne des Imperialismus und seiner Helfer". Allein in Baden-Württemberg dürften etwa 100 bis 150 gegnerische Wirtschaftsspione tätig sein. 2.3 Neben dem MfS der DDR operiert auch das sowjetische "Komitee für Staatssicherheit" (KGB) auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland. Der sowjetische Geheimdienst beschränkt sich nicht darauf, Informationen von politischer, militärischer und wirtschaftlicher Bedeutung zu beschaffen - obwohl dies zu seinen Hauptaufgaben gehört - , sondern er versucht auch durch sogenannte aktive Maßnahmen direkt oder indirekt in das politische Geschehen anderer Staaten einzugreifen. Die Entscheidung, ob zur Erreichung eines bestimmten außenpolitischen Ziels mittels sogenannter Einflußagenten solche "aktive Maßnahmen" ergriffen werden sollen, wird von den Führungsgremien der kommunistischen Partei getroffen. Als denkbare Einflußagenten kommen dabei vorrangig Personen in Betracht, die eine wichtige Position in Politik oder Gesellschaft einnehmen, nicht zu123 letzt auch Journalisten und Beamte. Sie sollen Grundanliegen kommunistischer Politik möglichst unauffällig in aktuelle Meinungs und Entscheidungsprozesse einfließen lassen. Die am häufigsten angewandte Methode verdeckter Einflußnahme besteht in der Manipulation der Medien, denen beispielsweise anonyme Schriftstücke, Lichtbilder und Fotomontagen sowie gefälschte Dokumente zugespielt werden. 3. Werbung von Agenten 3.1 Die Ostblock-Nachrichtendienste sind intensiv darum bemüht, ständig neue Agenten zu werben, um das Netz ihrer Spionage zu erweitern und andererseits noch enger zu knüpfen. Diese Notwendigkeit ergibt sich schon daraus, daß Agenten mitunter altersbedingt ihre Zugangsmöglichkeiten verlieren, manche sich von ihrem Auftraggeber abwenden und ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit einstellen oder von der Spionageabwehr, etwa der Bundesrepublik Deutschland, enttarnt werden. 3.2 Eine erfolgversprechende Werbung erfordert zunächst eine Auswahl der in Betracht kommenden Personen unter den Aspekten ihrer aktuellen oder in Zukunft zu erwartenden oder denkbaren "Nachrichtenfähigkeit" und ihrer mutmaßlichen Bereitschaft zur Mitarbeit. Die in den Ländern des kommunistischen Machtbereichs geltenden strengen Einreiseformalitäten sowie die aus der dort praktizierten Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs erlangten Kenntnisse ermöglichen es den Nachrichtendiensten dieser Staaten, ein umfassendes Bild über die jeweilige Zielperson zu gewinnen. Zeigen sich günstige Ansatzpunkte für eine aussichtsreiche Ansprache, so wird ein plausibler Anlaß gesucht, bei dem der potentielle Agent offen oder "unter falscher Flagge" angeworben werden soll. 3.3 Solche Ansatzpunkte können sein - die politische Einstellung des Anzusprechenden, - ein materieller Anreiz (Versprechen einer Wohnung oder einer höheren Bezahlung bei DDR-Bewohnern, Geldzuwendungen, Einladungen zu kostenlosen Aufenthalten in der DDR bei Bundesbürgern), aber auch - eine schwierige, manchmal scheinbar ausweglose persönliche Situation, die bedenkenlos ausgenutzt wird. 124 3.4 Die eigentliche nachrichtendienstliche Ansprache erfolgt im Regelfall im kommunistischen Machtbereich, da die Mitarbeiter des MfS oder anderer östlicher Geheimdienste dort ungefährdet agieren können. Um hochwertige Agenten zu gewinnen, nehmen die gegnerischen Dienste allerdings auch das mit einer Werbung im Bundesgebiet oder im westlichen Ausland verbundene Risiko in Kauf. Der häufigste Anlaß, nachrichtendienstliche Verbindung mit Bundesbürgern aufzunehmen, ist nach wie vor die private oder geschäftliche Reise in Ostblockländer. 3.5 Die folgenden Beispiele zeigen die Vielfalt der Werbungsmöglichkeiten: - Gerhard C. unterhielt während seines Studiums in Berlin (West) Kontakt zur Ostberliner Kulturszene. Dort lernte er einen Dramaturgen kennen, der ihn zwei angeblichen Journalisten zuführte. Diese wollten ihn dazu bewegen, Berichte zu aktuellen politischen Themen zu verfassen. Nach mehreren Treffs erkannte Gerhard C. den wahren Hintergrund des Interesses und unterrichtete die zuständige Verfassungsschutzbehörde. - Ein sogenannter Anbahner des MfS reiste 15 Jahre lang durch das Bundesgebiet, um, als Angehöriger eines Schweizer Wirtschaftsunternehmens getarnt, "Nebenbeschäftigungen" an Studenten zu vergeben. Hierbei legte er jeweils eine Erklärung zur Unterschrift vor, die den betreffenden Studenten zur Mitarbeit und Geheimhaltung verpflichten sollte und oberflächlich betrachtet den Eindruck einer arbeitsvertraglichen Bindung mit der Zusage der Zahlung eines monatlichen Fixums vermittelte. - Auf der Transitstrecke nach Berlin wurde ein mit der Bahn reisender Bundesbürger von Angehörigen des MfS auf seine Tätigkeit als Journalist im allgemeinen und auf Kontakte zu einer politischen Partei im besonderen angesprochen. Vorrangiges Interesse bekundeten sie an Informationen über Führungspersönlichkeiten dieser Partei. - Ein 40jähriger Bundesbürger machte, während er für seine Firma in der DDR tätig war, die Bekanntschaft einer für das MfS tätigen Frau, die ihn mit diesem Dienst in Verbindung brachte. Die Werber versprachen bei entsprechender "Gegenleistung" Unterstützung bei der angeblich gewünschten Ausreise dieser Frau in die Bundesrepublik Deutschland. Gegenstand des Auftrags war die Ausspähung militärischer Einrichtungen. - Eine Studentin wurde anläßlich einer Reise von Ostberlin zunächst eines Devisenvergehens bezichtigt. Anschließend wurde sie gezielt im sexuellen Bereich kompromittiert. Bestimmte Zusicherungen der DDR-Behörden bewirkten ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem MfS. Sie wurde daraufhin beauftragt, intime Beziehungen zu einem politisch engagierten Mann aufzunehmen und ihn umfassend abzuklären. 125 Diese Beispiele lassen erkennen, daß die gegnerischen Nachrichtendienste auf den Transitstrecken, bei Aufenthalten in der DDR sowie bei Ostblockreisen alle sich bietenden Möglichkeiten nutzen, um Bundesbürger zur Mitarbeit zu gewinnen. Bei Reisen in den kommunistischen Machtbereich sollten Bundesbürger deshalb immer mit der Möglichkeit der Überwachung rechnen und sich dementsprechend verhalten. 4. Allgemeine Hinweise 4.1 Geheimschutz Die aufgezeigten intensiven Spionageaktivitäten der kommunistisch regierten Länder verdeutlichen die Notwendigkeit einer nachdrücklich betriebenen Spionageabwehr. Um den Ausspähungsbemühungen zu begegnen, genügt es freilich nicht, lediglich auf erkannte nachrichtendienstliche Angriffe zu reagieren. Vielmehr ist es dringend geboten, diesen durch präventive Maßnahmen bereits im Vorfeld entgegenzuwirken (sogenannter vorbeugender Geheimschutz). Hierzu bedarf es einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aller Sicherheitsbehörden mit den Vertretern möglicher Zielobjekte ebenso wie mit anderen Bürgern unseres Landes. Ein Grundanliegen des vorbeugenden Geheimschutzes ist es, in breiten Kreisen der Bevölkerung Verständnis für Sicherheitsfragen zu wecken. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre beweisen, daß es nicht ausreicht, nur diejenigen Personen zu sensibilisieren, die an sicherheitsempfindlichen Stellen in Staat und Wirtschaft tätig sind. Vielmehr zwingen die Erkenntnisse der Spionageabwehr zu dem Schluß, daß die gegnerischen Nachrichtendienste sich grundsätzlich für Informationen aus nahezu allen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens interessieren. Die vielfach geäußerte Meinung "In unserer Firma wird nicht spioniert, weil es hier auch gar nichts zu spionieren gibt", hat sich schon des öfteren als falsch erwiesen. In der Routine des Alltags wird das im Betrieb vorhandene Know-how häufig unterschätzt; denn nicht nur aus neuen Forschungsergebnissen, sondern auch aus Fertigungsmethoden, Unternehmensstatistiken und Lizenzverträgen können wertvolle Schlüsse gezogen werden. Im übrigen ist die Entscheidung darüber, ob ein Unternehmen zum Zielobjekt gegnerischer Spionage wird, nicht von seiner Größe abhängig. Wesentliche Elemente einer "vorbeugenden Spionageabwehr" sind der personelle und der materielle Geheimschutz. 126 4.1.1 Der personelle Geheimschutz umfaßt sämtliche Sicherheitsmaßnahmen, denen Betriebsund Behördenangehörige unterworfen sind. Einbezogen sind in erster Linie Beschäftigte der gewerblichen Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes, die an ihrem Arbeitsplatz mit sicherheitsempfindlichem Material in Berührung kommen. Maßnahmen des personellen Geheimschutzes sollen vor allem sicherstellen, daß Verschlußsachen lediglich solchen Mitarbeitern zur Kenntnis gelangen, die unbedingt damit befaßt werden müssen (Grundsatz: "Kenntnis nur, wenn nötig"). Hierbei kommt es in besonderem Maße auf charakterliche Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit sowie auf psychische Stabilität an. Eine sorgfältige Auswahl von Bewerbern bei der Besetzung solcher empfindlicher Stellen trägt entscheidend zur Sicherheit bei. 4.1.2 Dem obengenannten Grundsatz wird ferner durch Maßnahmen des materiellen Geheimschutzes Rechnung getragen. Darunter sind sämtliche Sicherheitsvorkehrungen materieller (gegenständlicher) und organisatorischer Art zu verstehen, die gewährleisten sollen, daß nur zum Umgang mit Verschlußsachen ermächtigte Personen Einblick in geheimhaltungsbedürftige Vorgänge erhalten. Ferner geht es um die sichere Aufbewahrung, Verwaltung und Beförderung sowie die ordnungsgemäße Vernichtung geschützter Unterlagen (einschl. Entwürfe, Skizzen, Kohlepapier, Schreibmaschinenfarbbänder u. ä.). 4.2 Empfehlungen zur Verbesserung des Geheimschutzes Zur Verbesserung des Geheimschutzes empfiehlt es sich, insbesondere die nachstehenden Hinweise zu beachten: - Wirtschaftsunternehmen sollten durch eine Schwachstellenanalyse ihre nachrichtendienstlich besonders gefährdeten Organisationseinheiten zu ermitteln versuchen und in diese Analyse auch den sogenannten offenen Firmenbereich einbeziehen. - Der Kreis der Personen mit Zugang zu besonders wichtigen Bereichen wie Forschung und Datenverarbeitung sollte auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt, Mitarbeitern aus anderen Abteilungen der Zutritt grundsätzlich verwehrt werden. - Es ist ratsam, in regelmäßigen zeitlichen Abständen zu überprüfen, ob die intern getroffenen Sicherheitsvorkehrungen ausreichen und alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. 127 Durch die Beachtung dieser Empfehlungen können gewerbliche Unternehmen nicht nur einen Beitrag zur vorbeugenden Spionageabwehr leisten. Auch ihre Firmengeheimnisse lassen sich besser vor Ausspähung durch Konkurrenten schützen. 4.3 Reisen in kommunistische Länder 4.3.1 Die dargestellten Werbungsmethoden gegnerischer Nachrichtendienste legen die Empfehlung nahe, bei privaten und geschäftlichen Aufenthalten in einem Ostblockland die dort geltenden Bestimmungen peinlich genau zu beachten. Scheinbar lukrativen Geschäftsofferten, angenehmen Zufallsbekanntschaften sowie Gesprächen mit Personen, die sich als Journalisten, Meinungsforscher und Berufskollegen ausgeben, sollte mit der gebotenen Zurückhaltung begegnet werden. 4.3.2 Da die Spionageorganisationen der Warschauer-Pakt-Staaten Reisen in ihren Machtbereich häufig für eine Kontaktaufnahme nutzen, sind, folgende Verhaltensregeln zu empfehlen: - Machen Sie sich gründlich mit den jeweils geltenden Einund Ausfuhrbestimmungen vertraut. Einfuhrverbote gelten häufig auch für Gegenstände, die nach unseren Vorstellungen zum täglichen Gebrauch bestimmt sind wie Zeitungen, Musikkassetten und Bücher. Ausfuhrverbote bestehen unter anderem für Kunstgegenstände, Antiquitäten, optische Geräte und Porzellan. - Die meisten kommunistisch regierten Länder verbieten die Einfuhr der jeweiligen Landeswährung. Lassen Sie sich ferner nicht von günstigen Wechselkursen verleiten, Zahlungsmittel des Gastlandes illegal einzutauschen. Bewahren Sie Bankbelege über Ihren Geldumtausch auf. - Verhalten Sie sich vorsichtig beim Filmen oder Fotografieren und vermeiden Sie mißverständliche Situationen. Fertigen Sie insbesondere keine Aufnahmen von militärischen Anlagen und Fahrzeugen, Bahnanlagen und Bahnhöfen, Brücken und Industrieanlagen. - Lassen Sie sich nicht in kompromittierende Situationen bringen. Vor allem persönliche Neigungen und Schwächen des Reisenden bieten den Nachrichtendiensten eine ideale Angriffsfläche. - Weisen Sie einen möglichen Versuch gegnerischer Nachrichtendienste, Sie für eine Mitarbeit zu gewinnen, bestimmt und höflich zurück. Ein deutliches Nein wird erfahrungsgemäß akzeptiert. Hinhaltendes Taktieren kann dagegen zu einer schwer lösbaren Verstrickung führen. - Führen Sie in Ihren Reiseunterlagen auch die Anschrift und die Telefon128 nummer der diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland in Ihrem Gastland mit, damit Sie im Notfall von dort Beratung und Hilfe erbitten können. 4.4 Verhalten bei nachrichtendienstlichen Kontakten 4.4.1 Haben sich bei Kontakten mit Personen oder Behörden des Gastlandes Auffälligkeiten ergeben, dann scheuen Sie sich auch in Zweifelsfällen nicht, nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland mit dem - Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg - Sicherheitsbevollmächtigten Ihres Betriebs - Geheimschutzbeauftragten Ihrer Beschäftigungsbehörde in Verbindung zu treten. Dort kann die Angelegenheit geklärt und Ihnen möglicherweise aus einer schwierigen Situation geholfen werden. 4.4.2 Personen, die bereits von einem Nachrichtendienst angesprochen oder angeworben worden sind oder mit einem entsprechenden Auftrag versehen in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln durften, wird dringend empfohlen, ihre Verstrickung unverzüglich offenzulegen. Die illegale Zusammenarbeit mit einem Geheimdienst führt nahezu zwangsläufig in die Ausweglosigkeit, aus der sich der einzelne ohne sachkundige Hilfe oft nicht mehr befreien kann. Dabei sollte auch in Betracht gezogen werden, daß ein Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern oder von einer Bestrafung absehen kann, wenn der Betroffene die nachrichtendienstliche Tätigkeit freiwillig aufgegeben und sein Wissen unverzüglich offenbart hat. 4.4.3 Mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Taubenheimstraße 85A 7000 Stuttgart-Bad Cannstatt Telefon 0711 / 56 61 01 können Sie jederzeit in Verbindung treten. Ihre Informationen sowie Hinweise auf mögliche nachrichtendienstlich bedeutsame Sachverhalte werden auf Wunsch vertraulich behandelt. 129 V. Anhang Übersicht der Mitgliederentwicklung der wichtigsten extremistischen Gruppierungen Mitgliederentwicklung der wichtigsten Gruppierungen der "Neuen Linken" im Bundesgebiet 1980 1981 1982 1983 1984 1985 KPD (früher KPD/ML) 500 500 500 400 400 400* B W K (vom K B W abgespalten) 600 570 500 450 400 400 KB 750 600 500 500 400 400 MLPD (früher KABD) 700 900 900 1000 1100 1300 MG 500 700 1000 1300 1500 1700 GIM 300 250 200 250 250 250 Insgesamt 3350 3520 3600 3900 4050 4450 * In der Mitgliederzahl der KPD sind rund 70 "Fraktionisten" enthalten Mitgliederentwicklung der wichtigsten Gruppierungen der "Neuen Linken" in Baden-Württemberg 1980 1981 1982 1983 1984 1985 KPD (früher KPD/ML) 80 80 80 60 50 50 BWK (vom KBW abgespalten) 150 150 130 100 100 100 KB 30 30 30 20 20 20 MLPD (früher KABD) 120 250 350 500 550 650 MG - - - 30 60 85 GIM 70 70 50 50 50 50 Insgesamt 450 580 640 760 830 955 Mitgliederentwicklung der KPD im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg 1980 1981 1982 1983 1984 1985 KPD 40000 40000 40000 40000 40000 40000 BadenWürttemberg 2700 2750 2750 2750 2850 2850 132 Gesamtzahlen der rechtsextremistischen Organisationen und ihrer Mitglieder 1981-1985 1981 1982 1983 1984 1985 1. Bundesrepublik Deutschland a) Organisationen 71 74 68 89 78 b) Mitglieder/ Anhänger 20300 19000 20300 22100 22100 2. Baden-Württemberg a) Organisationen 23 24 23 28 26 b) Mitglieder/ Anhänger 2550 2700 2900 3150 3150 Mitgliederstärke ausländischer Extremistengruppen in Baden-Württemberg (Zahl in K l a m m e r n : S t a n d 1984) orthodoxNeue Linke/ islamischMitglieder rechtsextrem kommunistisch Sozialrevolutionär nationalistisch 1985 (1984) Araber 200 (190) 400 (460) 600 (650) Griechen 5200 (5200) 30 (30) 220 (220) 5450 (5450) Iraner 40 (40) 70 (70) 80 (80) 40 (40) 230 (230) Italiener 2200 (2200) 1000 (1000) 3200 (3200) Jugoslawen 130 (100) 270 (300) 400 (400) Pakistaner 480 (480) 480 (480) Portugiesen 150 (150) 150 (150) Spanier 200 (200) 200 (200) Türken 1370 (1350) 1270 (1270) 2200 (2300) 2700 (2700) 7540 (7620) Sonstige 320 (150) Insgesamt 9360 (9330) 2380 (2410) 3770 (3900) 2740 (2740) 18570 (18530) 133 Gruppen-, Organisationsund Publikationsregister Seite Action Directe (AD) 17f.,21 Aktion deutsche Einheit (AKON) 93 Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) 92 Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) 67ff. AL-FATAH 117f. AL-SAIQA 115 Anarchistischer Zirkel Ludwigsburg 44 Anarchogruppe Stuttgart 44 ANS-Auslandsorganisation (ANS-A.O.) 82 Arbeiterkampf 38 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 101,102, 109ff. Autonome Gruppen * 40ff. Autonomes Zentrum (AZ) 41 Avrupa 'da DEV GENC (Revolutionäre Jugend in Europa) 106ff. Avrupa'da HICRET 112 Bewegung für eine albanische sozialistische Republik in Jugoslawien (LRSSHJ) 120 BOLSEVIK PARTIZAN (BP) 103 Borussen-Front 75 Bürgerund Bauerninitiative e.V. (BBI) 77 Bund der Kommunisten Jugoslawiens (BdKJ) 119 Bund für Deutsche Einheit - Aktion Oder-Neiße e.V. (AKON) 93 Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) 40 Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) ' 19,37 collektiv-Buchhandlungen 54 Comite Objectif entraide et solidarite avec les victimes de la Repression Antinationaliste (COBRA) 83 Das Freie Forum 96 De KNISPELKRANT 22 Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) 115f. Denge KOMKAR (Stimme KOMKAR) 111 Deutsche Bürgerinitiative e.V. (DBI) 76 135 Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 77 Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) 64 Deutsche Friedens-Union (DFU) 54, 64 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 20, 46ff. Deutsche National-Zeitung (DNZ) 91, 97 Deutscher Anzeiger (DA) 92, 97 Deutscher Standpunkt (DS) 73 Deutsche Stimme (DS) 97 Deutsche Volksunion (DVU) 68, 91 ff. Deutsche Volkszeitung/die tat (DVZ/die tat) 54 Deutsche Wochenzeitung (DWZ) 97 DEVRIMCI ISCI 107 DEVRIMCI SOL (Revolutionäre Linke) 106f. DEVRIMCI YOL (Revolutionärer Weg) 106f. Die Bauernschaft 77 Die Deutsche Freiheitsbewegung (DDF) 94 Die Neue Front 69 Die Neue Zeit 82 direkte Aktion 43 DKP-das argument 51 DKP-infodienst 50 DKP-INFO für Arbeiter und Angestellte 50 DKP landrevue 50 DKP-Pressedienst 51 DSZ-Druckschriften und Zeitungsverlag 97 Ehrenbund RUDEL - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten (ER) 92f. Eidgenoss - Informationsblatt zur eidgenössischen und europäischen Besinnung 84 elan 60 Ernst-Thälmann-Buchhandlungen 35 Europäische Freiheitsbewegung 77 Europäische Neuordnung (ENO) 84 Faisceaux Nationalistes Europeens (F. N. E.) 82 Fanal 43 FAUST 43 136 Föderation Anarchistischer Initiativen (FAI) 44 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) 103ff. Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (KOMKAR) 110 Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FIDEF) 108 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADÜTDF) 104,113 Föderation der Türkischen Demokratischen Arbeitervereine in Deutschland e.V. (DIDF) 106 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA Kurdistan) 110 Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) 44f. Forum für libertäre Information (FLI) 44 Freie Arbeiter-Union (FAU) 43 Freie Arbeiter Union - Heidelberg (Anarchisten) - FAU-HD (A) 43 Freiheitlich Deutsche Arbeiterjugend (FAJ) 71, 74, 81 Freiheitlich Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 67 f., 71 ff., 94 Friedensliste 55 Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. (GFP) 96 Graswurzelrevolution 45 Gruppe Internationale Marxisten (GIM) 19, 40 HALKIN KURTULUSU (Volksbefreiung) 105f. Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 75f. HRVATSKI TJEDNIK (HT) 119 Hulpkomitee voor nationalistische politike gevangenen (HNG-Flandern) 83 Initiative für Ausländerbegrenzung (I. f. A.) 92 Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation (ISA) 40 Islamische Union Europa 111 f. Islamisches Zentrum Köln e.V. (IZ) 111 Junge Front (JF) 78 Junge Nationaldemokraten (JN) 89ff. Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (JP) 61 137 Karlsruher Front 80 Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ) 64 Kommunistische Jugend Deutschlands (KJD) 37 Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) -KPD19, 36f. Kommunistische Partei der Türkei (TKP) 108 Kommunistische Studenten (KS) 37 Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) 32 Kommunistischer Bund (KB) 37f. Kroatischer Nationalrat (HNV) 117ff. Kroatischer Koordinationsausschuß der Vereinigung der Ortsausschüsse des Kroatischen Nationalrates in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (HKO) 119 Kroatische Staatsbildende Bewegung (HDP) 119 Leninisten der Kommunistischen Partei der Türkei (TKP-L) 108 Lernen und kämpfen 35 Marxistische Arbeiterbildung (MAB) 53 Marxistische Arbeiterzeitung (MAZ) 39 Marxistische Blätter 50 Marxistische Gruppe (MG) 19, 38ff. Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 19, 32ff. Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) 35 Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) 35 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) 62 Marxistische Zeitung (MZ) 39 Motorradclub Kuhle Wampe (MC Kuhle Wampe) 61 MÜCADELE (Kampf) 103 Nachrichten der HNG 75 f. Nationaldemokratische Liga der Albanischen Treue (N. D. Sh) 120 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 68, 87ff. Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) 91 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 110 Nationale Heilspartei (MSP) 111 Nationale Front - Bund Sozialrevolutionärer Nationalisten (NF-BSN) 78 Nationalistische Front (NF) 78f. Neuer Weg GmbH 35 138 NHB-Report 91 NS-Gruppe Curt MÜLLER 76 NS-Kampfruf 84 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 74, 84 Pahl-Rugenstein-Verlag 54 Palästina-Komitees 115 Palästinensische Arbeitervereine (PAV) 115 Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 114 Palästinensische Nationale Rettungsfront (PNSF) 114 Palästinensische Studentenvereine (PSV) 115 Palästinensische Volkskampffront (PPSF) 114f. Partei der Nationalen Bewegung (MHP) 113 PLAMBECK & Co. Druck und Verlag GmbH 54 Politische Berichte 37 praxis 50 Rat der Frankreich-Deutschen 83 Resultate 39 Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) 37 Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei (TDKP) 102, 105f. Revolutionär Sozialistische Jugendorganisation - Roter Maulwurf (RSJ - Roter Maulwurf) 40 Revolutionäre Zellen (RZ) 17ff., 31 f. Revolutionärer Jugendverband Deutschlands (RJVD) 35 Revolutionärer Weg 106f. Rote Armee Fraktion (RAF) 17f., 20ff., 103 Rote Fahne . 35 Rote Hilfe Deutschlands (RHD) 37 Rote Zellen 38 RoteZora 19 s'Blättle 25 Schrittmacher 51 Schutzbund für Leben und Umwelt 93 schwarzer FADEN 44 Schwarze Wölfe 83 Schwarzer Rebell 83 139 SIEG Aktuell - Jugend-Presse-Dienst 84 SOL BIRLIK (Linke Einheit) 108 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 40 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 60f. Sozialistische Liga 40 Sozialistische Partei Türkisch-Kurdistan (TKSP) 110f. Sozialistischer Hochschulbund (SHB) 62 Stoßtrupp Nagold 74, 80 Stoßtrupp Renchen 74,80' TEBLIG (Die Verkündigung) 112 Trotzkistische Liga Deutschlands (TLD) 40 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 102ff. Türkische Volksbefreiungspartei/-Front (THKP/-C) 102,106ff. Unsere Zeit (UZ) 50, 54 Verband der Islamischen Vereine und Gremien e.V. 111 Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) 111 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (WN-BdA) ' 54,64f. Verlag Marxistische Blätter 54 Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) 92 Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 114ff. Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando (PFLP GC) 114 Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) 37 Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) 78 Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO) 95 Wiking-Jugend (WJ) 91, 94f. Wohlfahrtspartei (RP) 111 Zeri i Kosoves (Stimme Kosovos) 120 140 Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung von Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von anderen Kandidaten oder Helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, daß dies als Parteinahme der Herausgeberin zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist es jedoch den Parteien, die Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden.