Verfassungsschutzbericht 1980 Baden-Württemberg Terrorismus Linksextremismus Rechtsextremismus Ausländerextremismus Spionageabwehr sropp BadenWürttemberg REv i^jfersramH of?^ INNENMINISTERIUM ISSN 0720-3381 Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1980 Mit freundlicher Empfehlung überreicht SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg Stuttgart Haus des Landtags Vorwort Prof. Dr. Roman Herzog MdL Robert Ruder MdL Innenminister Staatssekretär Die vielfältigen Aktivitäten terroristischer und extremistischer Gruppen sind, auch wenn sie teilweise nur auf geringe Resonanz bei den Bürgern stoßen, eine ständige Herausforderung an unseren freiheitlichen Rechtsstaat und seine demokratische Ordnung. Der Rechtsstaat stellt sich dieser Herausforderung mit den vom Grundgesetz vorgesehenen Mitteln der "streitbaren Demokratie", zu denen auch die Aufklärungstätigkeit der Ämter für Verfassungsschutz zählt. Diese ermöglicht es der Regierung, die erforderlichen Maßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit zu treffen und die Bürger über die Gefahren zu informieren, welche der freiheitlichen demokratischen Grundordnung von innen wie von außen drohen. Die Arbeit des Verfassungsschutzes vollzieht sich mit Augenmaß: Seine Bediensteten wissen zu unterscheiden zwischen spontanem Protest gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen und gewalttätigen Aktionen, die extremistische Kadergruppen von langer Hand vorbereiten und bei denen sie den Rechtsbruch mit einkalkulieren. Es wäre für die freiheitliche Demokratie verhängnisvoll, wenn bei einem Teil der jungen Bürger der Eindruck entstehen sollte, die Sicherungseinrichtungen dieses Staates würden sich nur graduell von denen totalitärer Systeme unterscheiden. Diese 3 jungen Leute haben Unfreiheit noch nicht erlebt. Ihnen fehlt die Erfahrung der Väter des Grundgesetzes, daß die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Staates bei uneingeschränkter Toleranz gegenüber verfassungsfeindlichen Gruppierungen nicht aufrechterhalten werden kann. Den Mitarbeitern des Landesannts für Verfassungsschutz, deren Erfolge nur in begrenztem Umfang in der Öffentlichkeit dargestellt werden können, danken wir für die Erfüllung ihrer schwierigen und verantwortungsvollen Aufgaben. Ihre Arbeit verdient besondere Anerkennung. Stuttgart, im Mai 1981 Prof. Dr. Roman Herzog, Robert Ruder, Innenminister Staatssekretär 4 Inhalt Seite A. Rechtliche Grundlagen 9 1. Grundgesetz 9 2. Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden- 9 Württemberg 3. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der 12 Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes B. Verfassungsschutz durch Aufklärung 15 Angebot des Innenministeriums, an Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Themen des Verfassungsschutzes mitzuwirken 15 C. Bericht I. Linksextremistische Bestrebungen 17 1. Allgemeiner Überblick 17 2. Deutscher linksextremistischer Terrorismus 20 2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) und 20 Unterstützerbereich 2.1.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 20 2.1.2 Unterstützerbereich der RAF 22 2.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 31 3. Aktivitäten der undogmatischen "Neuen Linken" 33 4. Organisationen der dogmatischen "Neuen Linken" 38 4.1 "Kommunistischer Bund Westdeutschland" (KBW) 38 4.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 43 4.3 "Komitees für Demokratie und Sozialismus" (KDS) 45 4.4 "Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten46 Leninisten)"-KPD - 4.5 "Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands" 50 (KABD) 4.6 "Kommunistischer Bund" (KB) 52 4.7 Trotzkistische Vereinigungen 53 5. Organisationen der,.Alten Linken" 54 Seite 5.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 54 5.1.1 Ideologisch-politischer Standort 54 5.1.2 Organisation, Mitgliederentwicklung und 55 Finanzierung 5.1.3 Schwerpunkte der Agitation 59 5.1.4 Publikationswesen und Schulung 60 5.1.5 Beteiligung an Wahlen 64 5.2 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 66 5.3 "Junge Pioniere-Sozialistische Kinderorganisation" 69 (JP) 5.4 Von der DKP beeinflußte Organisationen 70 5.4.1 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) 72 5.4.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund 73 der Antifaschisten" (VVN-BdA) 5.4.3 "Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte 73 Kriegsdienstgegner" (DFG-VK) 6. Linksextremistische Bestrebungen an den 74 Hochschulen des Landes 6.1 "Marxistischer Studentenbund Spartakus" (MSB) 74 6.2 "Sozialistischer Hochschulbund" (SHB)75 6.3 "Kommunistische Hochschulgruppe" (KHG) 75 6.4 "Kommunistische Studentengruppen" (KSG) 76 6.5 "Marxistisch-Reichistische Initiative" (MRI) 76 6.6 "Marxistische Gruppen" (MG) 76 II. Rechtsextremistische Bestrebungen 1. Allgemeiner Überblick 78 2. Neonazistische Bestrebungen 79 2.1 Allgemeiner Überblick 79 2.2 Neonazistischer Terrorismus 81 2.3 NS-Gruppen im Bundesgebiet 84 2.4 NS-Gruppen in Baden-Württemberg 86 2.5 Neonazistische Ausschreitungen 2.6 Maßnahmengegen rechtsextreme Aktivisten 90 2.7 Internationale Verflechtungen des 90 Rechtsextremismus 3. Nationaldemokratische Organisationen 93 3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 93 3.2 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 96 3.3 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) 99 4. "National-Freiheitliche Rechte" 5. Sonstige rechtsextremistische Vereinigungen 102 Seite 5.1 "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP) 102 5.2 ,, Bund Heimattreuer Jugend" (BHJ) 103 5.3 Kreisgemeinschaft Ostalb des "Bundesverbandes 103 der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS e. V." (HIAG) 6. Rechtsextremistische Publizistik 105 III. Aktivitäten politisch extremer Ausländer 107 1. Allgemeiner Überblick 107 2. Türken 113 2.1 Orthodox-kommunistische türkische Organisationen 114 2.2 Türkische Organisationen der "Neuen Linken" 115 2.3 Linksextremistische kurdische Gruppierungen 118 2.4 Türkische rechtsextremistische und extrem 118 nationalistische Vereinigungen 2.5 Ausschreitungen unter Beteiligung in Baden120 Württemberg ansässiger türkischer Staatsangehöriger 3. Iraner 122 4. Palästinenser 124 5. Griechen 125 6. Italiener 127 7. Jugoslawen 127 IV. Zur Situation auf dem Gebiet der 129 Spionagebekämpfung 1. Allgemeiner Überblick 129 2. Der Umfang der erkannten Tätigkeit kommunistischer 131 Geheimdienste 2.1 Werbungen und Werbungsversuche 1980 132 2.2 Aufträge 132 2.3 Erkenntnisfälle 1980 132 3. Werbungen von Agenten 132 3.1 Kontaktanlässe 132 3.2 Kontaktaufnahme 133 3.3 Zielpersonen 133 3.4 Werbungsmethoden 133 3.5 Hinweise für das Verhalten 134 3.5.1 vor Antritt einer Reise in den kommunistischen 134 Machtbereich 3.5.2 nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland 134 Seite 4. Die Führung von Agenten 134 5. Einzelfälle 135 5.1 Nachrichtendienste der DDR 135 5.2 Nachrichtendienst der Sozialistischen Republik 136 Rumänien 6. Folgerungen 136 Gruppen-, Organisationsund Publikationsregister 137 A. Rechtliche Grundlagen 1. Grundgesetz Art. 73 Nr. 10 Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über . . . die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder. . . zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) . . . Art. 87 Abs. 1 Satz 2 Durch Bundesgesetz können . . . Zentralstellen . . . zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 2. Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz - LVSG) vom 17. Oktober 1978 (GBl. S. 553) SS1 Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. SS2 Zuständigkeit (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Das Amt hat seinen Sitz in Stuttgart; es untersteht dem Innenministerium und ist ausschließlich für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zuständig. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Die Zuständigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz bleibt unberührt. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeili- 9 chen Dienststelle nicht angegliedert werden. SS3 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Die Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimzuhaltende Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Oberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimzuhaltenden Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. auf Anforderung der Einstellungsbehörde bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie auf Anforderung der Beschäftigungsbehörde bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei denen der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, daß sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. SS4 Befugnisse des Verfassungsschutzes (1) Bestehen Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 3 Abs. 1, ist das Landesamt 10 für Verfassungsschutz innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken berechtigt, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die nachrichtendienstlichen Mittel anzuwenden, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. (2) Dem Landesamt für Verfassungsschutz und seinen Angehörigen stehen polizeiliche Befugnisse nicht zu, SS5 Amtshilfe und Auskunftserteilung (1) Die Behörden und Einrichtungen des Landes, die Gemeinden, die Gemeindeverbände, die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie die Gerichte des Landes und das Landesamt für Verfassungsschutz leisten sich gegenseitig Rechtsund Amtshilfe. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den in Absatz 1 genannten Stellen Auskünfte und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. (3) Die in Absatz 1 genannten Stellen unterrichten von sich aus das Landesamt für Verfassungsschutz über alle Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder dahin gehende Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; die Polizeidienststellen und -behörden übermitteln darüber hinaus auch alle ihnen bekannten Tatsachen und Unterlagen über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des SS 3 Abs. 1 Nr. 1 SS6 Weitergabe von Erkenntnissen an Dritte Das Landesamt für Verfassungsschutz darf seine Erkenntnisse nicht an andere als staatliche Stellen weitergeben, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist. Die Entscheidung über die Weitergabe trifft der Innenminister oder sein ständiger Vertreter. SS7 Parlamentarische Kontrolle (1) Das Innenministerium unterrichtet den Ständigen Ausschuß 11 des Landtags über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes halb- jährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlaß. (2) Art und Umfang der Unterrichtung des Ständigen Ausschusses werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzuganges durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt. (3) Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes im Ständigen Ausschuß bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ständigen Ausschuß oder aus dem Landtag. (4) Die Unterrichtung umfaßt nicht Angelegenheiten, über die das Innenministerium das Gremium nach Artikel 10 Grundgesetz zu unterrichten hat. SS8 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung der vorläufigen Regierung über die Errichtung eines Landesamts für Verfassungsschutz vom 10. November 1952 (GBl. S. 49) außer Kraft. 3. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950 (BGBl. S. 682), geändert durch Gesetz vom 7. August 1972 (BGBl. I S. 1380) SS1 (1) Der Bund und die Länder sind verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. (2) Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung. SS2 (1) Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern errichtet der Bund ein Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde. Es untersteht dem Bundesminister des Innern. (2) Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund bestimmt jedes Land eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 12 SS3 (1) Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Ferner wirken das Bundesamt für Verfassungsschutz und die nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhatten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Kontrollbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Zur Wahrung seiner Aufgaben nach Absatz 1 und Absatz 2 ist es befugt, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Das Amt darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (4) Die Gerichte und Behörden und das Bundesamt für Verfassungsschutz leisten sich gegenseitig Rechtsund Amtshilfe (Artikel 35 GG). SS4 (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die in jedem Lande gemäß SS 2 Abs. 2 bestimmte Behörde über alle Unterlagen, deren Kenntnis für das Land zum Zwecke des 13 Verfassungsschutzes erforderlich ist. (2) Die in den Ländern bestimmten Behörden unterrichten das Bundesamt über alle Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, von denen sie Kenntnis erhalten und die für den Bund, die Länder oder eines von ihnen von Wichtigkeit sind. (3) Ist gemäß SS 2 Abs. 2 eine andere als die Oberste Landesbehörde bestimmt, so ist die Oberste Landesbehörde gleichzeitig zu benachrichtigen. SS5 (1) Die Bundesregierung kann, wenn ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes erfolgt, den Obersten Landesbehörden die für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes erforderlichen Weisungen erteilen. (2) Der Bundesminister des Innern kann im Rahmen des SS 3 den nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden Weisungen für die Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes erteilen. SS 4 Abs. 3 gilt sinngemäß. SS6 Das Gesetz tritt am Tage nach der Verkündigung in Kraft. 14 B. Verfassungsschutz durch Aufklärung Vorträge und DiskusDer Schutz unserer Verfassungsordnung wird nicht nur dadurch sionen zu Themen des erreicht, daß die Verfassungsschutzbehörden Aktivitäten verfaspolitischen Extremissungsfeindlicher Parteien und Organisationen beobachten, ausmus und des Verfaswerten und Regierung und Parlament davon unterrichten, sonsungsschutzes. dern insbesondere auch dadurch, daß die Bürger selbst über Strategie und Taktiken extremistischer Vereinigungen informiert Kontaktanschrift: werden. Innenministerium Die Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus kann BadenWürttemberg - auf lange Sicht wirkungsvoll nicht nur repressiv vom Staat, sie Referat, Verfassungsmuß auch geistig-politisch von den Bürgern geführt werden. schutz'Postfach 277 Dies setzt qualifizierte Information voraus. 7000 Stuttgart 7 Von dieser Überlegung ausgehend beschloß die InnenministerTel.: 07T1/20723768 konferenz am 9. Dezember 1974 die Konzeption "Verfassungsoder 20723743 schutz durch Aufklärung". Sie umfaßt Information und Aufklärung über - die Verfassung, insbesondere über die Rechte, Pflichten und politische Beteiligungsmöglichkeiten, die sie den Bürgern einräumt, - extremistische Strategien und Aktionen, über verfassungsfeindiiche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Sinne der Verfassungsschutzgesetze und ihre ideologischen Hintergründe, - gesetzliche Grundlagen, Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise und Probleme des Verfassungsschutzes. In Baden-Württemberg werden die Aufgaben des Verfassungsschutzes durch Aufklärung vom Referat "Verfassungsschutz" im Innenministerium wahrgenommen. Im Rahmen der Konzeption bietet das Innenministerium an, einen Referenten zu Vorträgen und Diskussionen über Themen des politischen Extremismus und des Verfassungsschutzes zu entsenden. Die entstehenden Kosten trägt das Innenministerium. Das Angebot richtet sich an alle Träger der politischen Bildungsarbeit, an Lehrer, Studenten und Schüler, an Einrichtungen der Erwachsenenund Jugendbildung, an politische Parteien, Gewerkschaften, Berufsund Wirtschaftsverbände sowie an kirchliche Institutionen. Vorschläge für Vortragsbzw. Diskussionsthemen: * Verfassungsschutz und Grundrechte * Rechtsgrundlagen, Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise der Ämter für Verfassungsschutz * Das Landesverfassungsschutzgesetz vom 17. Oktober 1978 * Befugnisse und parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes 15 * Verfassungsschutz und Datenschutz * Extremistenbeschluß: Rechtslage und Durchführung * Spionageabwehr der Ämter für Verfassungsschutz * Terrorismus * K-Gruppen Strategien * Orthodoxer Kommunismus und ideologische * Alte Rechte Hintergründe * Neonazistische Gruppen * Ausländerextremismus. Interessenten für Vorträge oder Diskussionen können sich an die oben angegebene Kontaktanschrift wenden. 16 C. Der Bericht I. Linksextremistische Bestrebungen 1. Allgemeiner Überblick Die bewaffneten Kader Die stärkste Gefährdung der inneren Sicherheit geht im Bereich der "Roten Armee Frakdes Linksextremismus noch immer von den terroristischen tion" sind logistisch Kommandos der "Roten Armee Fraktion" (RAF) und den und personell nach wie "Revolutionären Zellen" (RZ) aus. Zwar ist es den Sicherheitsvor fähig, neue Gewaltorganen unseres Staates gelungen, seit der von der RAF sotaten durchzuführen. genannten ,.Offensive 7 7 " - gemeint sind die Terroranschläge auf Generalbundesanwalt BUBACK und seine Begleiter am 7. April 1977, auf den Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Jürgen PONTO, am 30. Juli 1977 und auf Dr. Hanns-Martin SCHLEYER und seine Begleitpersonen am 5. September 1977neuerliche Gewaltakte zu verhindern, doch kann an der unveränderten Entschlossenheit der ,,bewaffneten Kader der RAF", Gewaltakte vorzubereiten und durchzuführen, kein Zweifel bestehen. Die angefallenen Erkenntnisse erbrachten neue Beweise und Anhaltspunkte für die logistische Vorbereitung, die personelle Stärke und die operativen Möglichkeiten dieser Terrorgruppe. Die Tatsache, daß Grenzen zwischen dem sogenannten harten Kern, den Unterstützern und den Angehörigen des terroristischen Umfelds aus diesen und anderen Gründen fließend geworden und mitunter nur schwer erkennbar sind, läßt nur die Feststellung zu, daß die Lage auf dem Gebiet des Linksterrorismus sich keinesfalls entspannt hat. "Revolutionäre Zellen' Auch die "Revolutionären Zellen" konnten nach einer zeitweiliKonzept der "Guerilla gen Schwächung durch Aufklärungserfolge der Sicherheitsbeals Massenhörden ihre Aktivitäten wieder steigern. Anschläge "Revolutioperspektive". närer Zellen", die seit Jahren das Konzept der "Stadtguerilla als Massenperspektive" propagieren, haben an Zahl und Wirkung erneut zugenommen. Besondere Beachtung muß dabei dem Umstand geschenkt werden, daß das in seiner Militanz abgestufte taktische Konzept inzwischen von zahlreichen GruppieWachsende Militanz der rungen aus dem undogmatischen Bereich der "Neuen Linundogmatischen ken" übernommen worden ist. Die von den oft nur lockeren "Neuen Linken". Zusammenschlüssen ohne feste Mitgliedschaft und Programm immer häufiger befolgten Aufrufe zu "militantem Widerstandsverhalten" orientieren sich ganz offensichtlich an der seit Mitte der siebziger Jahre erkennbaren Absicht der "Revolutionären Zellen", "bestehende Machtverhältnisse auf allen möglichen Ebenen anzugreifen". Unter Parolen wie "Widerstand ist machbar, Herr Nachbar!" formiert sich eine neue, teilweise gewalttätig vorgehende Protestbewegung, die mit dem Thema "Häuser17 kampf" die Massen zu mobilisieren versucht. Die Parteien und Organisationen der dogmatischen "Neuen Organisationen der Linken" sind im Vergleich zur Situation Mitte der siebziger Jahre dogmatischen "Neuen zwar generell in ihrer Schlagkraft geschwächt; sie stellen aber Linken" stagnieren. noch immer ein Potential dar, das Gewalt nicht nur propagiert, sondern auch anwendet. Hieran hat auch die Selbstauflösung der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) mit ihren Hilfsund Nebenorganisationen nichts geändert. Mitgliederentwicklung der wichtigsten Gruppierungen der dogmatischen ,,Neuen Linken"in BadenWürttemberg. Der "Kommunistische Bund Westdeutschlands" (KBW), seit Jahren die mitgliederstärkste und finanzkräftigste linksextremistische Splitterpartei, mußte 1980 durch die Abspaltung etwa eines Viertels seiner insgesamt 2 400 Mitglieder, die im September 1980 den "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) gründeten, einen ernsten Rückschlag hinnehmen. Der KBW blieb jedoch die aktivste aller dogmatischen Kadergruppen der "Neuen Linken". Von der Auflösung der maoistisch ausgerichteten KPD erhoffte sich die "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) - wenn auch vergebens - eine Stärkung ihrer Position. Daß sie sich umgehend in "Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" - KPD - umbenannte, dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit damit im Zusammenhang stehen. Einzig der "Kommunistische Bund" (KB), der 1979 mehr als die Hälfte seiner Mitglieder an die abgespaltene Gruppe "Z" verloren hatte, konnte die Zahl seiner Aktivisten bundesweit wieder leicht steigern. Dagegen gelang es den linksextremisti18 Mitgliederen twicklung der wichtigsten Gruppierungen der dogmatischen ,, Neuen Linken " im Bundesgebiet. sehen "Komitees für Demokratie und Sozialismus" (KDS) sowie mehreren trotzkistischen Gruppierungen nicht, sich weiter zu festigen. Orthodox-kommunistiDer Kommunismus sowjetischer Prägung wird im Bundesgebiet sche DKP mit Abstand nach wie vor von der "Deutschen Kommunistischen Partei" stärkste extremistische (DKP) sowie deren zahlreichen Hilfsund Nebenorganisationen Gruppierung. vertreten. Die Partei hat jedoch ihre Organisation trotz erheblicher Anstrengungen nicht weiter ausbauen können: Die Zahl ihrer Mitglieder beträgt unverändert etwa 40 000 Personen. In "unverbrüchlicher Treue" orientiert sich die DKP seit vielen Jahren an den von den kommunistischen Parteien der Sowjetunion und der DDR, der KPdSU und der SED, verkündeten "ideologischen Leitlinien". Eine auch nur verhaltene Kritik der DKP an Entscheidungen oder Erklärungen der beiden "BruderParteien" war nicht zu verzeichnen. Die DKP setzte ihre Bemühungen fort, aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Probleme in "klassenkämpferischer" Weise aufzugreifen, um damit ihrem eigentlichen Ziel, der "sozialistischen Revolution" näherzukommen. Einige Einzeler19 gebnisse der Kommunalwahlen des Jahres 1980 zeigen, daß es der Partei punktuell auch gelungen ist, aus vorrangig in örtlichen Bereichen auftretenden Mißhelligkeiten oder Schwierigkeiten für sich Nutzen in Gestalt von Stimmengewinnen zu ziehen. Bei den Landtagswahlen und der Bundestagswahl 1980 mußte die DKP allerdings empfindliche Stimmenverluste hinnehmen. 2. Deutscher linksextremistischer Terrorismus Der Verkehrsunfall bei Bietigheim-Bissingen, bei dem am 25. Vorbereitungen terroriJuli 1980 zwei mutmaßliche Terroristen ums Leben kamen, stischer Kader auch in sowie die im Oktober 1980 in Heidelberg entdeckte konspiraBaden-Württemberg. tive Wohnung haben erneut die anhaltende Aktivität terroristischer Kader auch in unserem Land verdeutlicht. Obwohl die "bewaffneten Kommandos" der RAF in den letzten Jahren Rückschläge sowohl im logistischen als auch im personellen Bereich hinnehmen mußten, ist dieser Personenkreis unverändert zu terroristischen Aktionen willens. 2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) und Unterstützerbereich 2.7.7 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Die Fahndungserfolge der letzten Jahre, die auch 1980 durch eine Reihe von Festnahmen mutmaßlicher Terroristen sowie durch das Auffinden mehrerer konspirativer Wohnungen im lnund Ausland zu einer weiteren personellen und logistischen Schwächung der illegalen "Kommandos" der RAF führten, haben den "harten Kern" dieser linksextremistischen Terrorgruppe offensichtlich weiter zusammenschmelzen lassen. Dennoch muß unverändert davon ausgegangen werden, daß dieses Potential, insbesondere auch aufgrund weitreichender internationaler Verbindungen und Unterstützung, ausreicht, um Anschläge durchzuführen. Hinzu kommt die Unterstützung, die Gruppierungen des terroristischen Umfelds, namentlich auch in Baden-Württemberg, den "bewaffneten Kämpfern" angedeihen lassen. Wenn es auch im Vergleich zu früheren Jahren bei der Rekrutierung neuer Mitglieder zu einem zahlenmäßigen Rückgang gekommen ist, so bestätigen doch die in jüngster Zeit gewonnenen Erkenntnisse, daß immer wieder Personen aus der von Angehörigen der RAF sogenannten "legalen Ebene" zu im Untergrund operierenden Kadern vorstoßen: Sowohl der am 25. Juli 1980 zusammen mit Juliane PLAMBECK ums Leben gekommene Wolfgang BEER als auch die am 5. Mai 1980 in einer konspirativen Wohnung in Paris, 4. rue Flatters, zusammen mit Sieglinde HOFMANN und Ingrid BARABASS festgenommenen Personen waren bis dahin nicht dem Kernbereich der "Roten Armee Fraktion" zugerechnet worden. 20 Fahndungsplakat des Bundeskriminalamts - Ausgabe November 1980. Zusammengehen eines Eine Stärkung der RAF ist durch das Zusammengehen mit einem Teiles der "Bewegung Teil der "Bewegung 2. Juni" zustandegekommen. In einem 2. Juni" mit der RAF Flugblatt, das am 2. Juni 1980 in mehreren Städten des führt zu personeller und Bundesgebietes verbreitet worden war, hatte die "Bewegung 2. finanzieller Stärkung im Juni" ihre Auflösung und die gleichzeitige Angliederung an die Kaderbereich. "Rote Armee Fraktion" bekanntgegeben: Wir lösen die Bewegung 2. Juni als Organisation auf und führen in der RAF - als RAF - den antiimperialistischen Kampf weiter". Wenngleich dieser Anschluß nicht von allen Angehörigen der seit Anfang der siebziger Jahre vor allem in Berlin operierenden "Bewegung 2. Juni" mitgetragen wurde, dürfte er doch durch das Einbringen eines Teils der Lösegeldsumme aus der PALMERS-Entführung - für die Freilassung des im November 1977 21 als Geisel genommenen österreichischen Industriellen PAL- MERS war ein Betrag von etwa 4,5 Millionen Mark gezahlt worden - jedenfalls die finanzielle Lage der RAF verbessert haben. Obwohl der politische Anspruch der Ideologen der frühen RAF noch immer als verbindlich gilt, wird aus einer mit "Rote Armee Fraktion" unterzeichneten Erklärung zum Tode von Juliane PLAMBECK und Wolfgang BEER eine gewisse Neuorientierung deutlich: ,,. . . Die Offensive 77 hat die Perspektive für einen neuen Versuch der Illegalen, Abschnitt eröffnet, konkret die Notwendigkeit einer Umstrukdie selbsterkannte "Isoturierung für uns und die nächsten Schritte der Strategie zu lation der Guerilla im entwickeln, die die bewaffnete illegale und die legale Struktur Volk" zu durchbrechen. zur politisch-militärischen Einheit des antiimperialistischen Widerstands werden l ä ß t . . . " In der Praxis bedeutet das - neben der immer offensichtlicheren spezifischen Bedeutung der Unterstützergruppen - den Versuch, die bisher überwiegend internationalistisch ausgerichteten Aktionen der RAF und ihres Umfeldes um die "nationale Komponente" zu erweitern. Die von den Illegalen angekündigte "Offensive auf verschiedenen Ebenen: der militärischen, der politischen und der ökonomischen", soll die "Isolation der Guerilla" durchbrechen und ihr einen breiten Rückhalt in der "linken Szene" verschaffen. Die mit einiger Sicherheit auf Veranlassung der "bewaffneten Kämpfer" erfolgte Beteiligung terroristischer Randgruppen an der sich im Jahr 1980 rasch verbreiternden Kampagne gegen die NATO und die Bundeswehr, die in dem militanten Protest anläßlich der NATOHerbstmanöver einen einstweiligen Höhepunkt erreichte, ist ein bezeichnendes Beispiel für die sich abzeichnende Taktikänderung. 2,1.2 Unterstützerbereich der RAF Der seit Jahren aktive Unterstützerbereich der "Rote Armee U nterstützerbereich Fraktion", dem in Baden-Württemberg ein nicht präzise zu stellt sich immer vorumgrenzender Personenkreis vor allem in den Städten Heidelbehaltloser hinter den berg, Mannheim, Karlsruhe und Stuttgart zuzurechnen ist, hat Kampf der RAF. 1980 seine Agitation weiter verstärkt und geht zusehends zu militanten Aktionen über. Im Gegensatz zu den Vorjahren bekennen sich inzwischen die Angehörigen der verschiedenen Gruppen des terroristischen Umfelds in zahlreichen Flugschriften, Aufklebern und Transparenten nahezu vorbehaltlos zum "Kampf der RAF". So hieß es in einer im August 1980 im Zusammenhang mit dem tödlichen Verkehrsunfall von Juliane PLAMBECK und Wolfgang BEER veröffentlichten Erklärung: ". . , Heute tun sich wieder diejenigen lautstark hervor, die immer da, wo's um Solidarität im Kampf geht, schweigen: Ob der Unfall wirklich ein Unfall war, philosophiert dieser Teil der Linken. Nicht nur, daß damit suggeriert werden soll, die Guerilla lebe hier in einem Meer von Bullen, wird damit genau die Auseinandersetzung umgangen, was Kampf hier eigent22 lieh heißt: Anstrengung, immer weitermachen, bis an die Grenzen der eigenen Möglichkeiten gehen, den Punkt, wo du vor den Schwierigkeiten kapitulieren willst, durchbrechen - das ist auch etwas, wo die Genossen der RAF für uns Orientierung sind." In einer anläßlich der "Antiimperialistischen Aktionswoche" im Juli 1980 in Hamburg verbreiteten Schrift wurde ausgeführt: Orientierung ist für uns aber auch die kompromißlosigkeit, die entschlossenheit der genossen, unter allen bedingungen weiterzukämpfen - die subjektive entscheidung jedes einzelnen: sieg oder tod . . ." In welch starkem Maße sich die auf mehreren Ebenen arbeitenden Unterstützergruppen inzwischen zur RAF bekennen, verdeutlicht die Erklärung der Amerikahaus-Besetzer vom 2. Juni 1980 in Frankfurt/Main: "wir begreifen unseren kämpf gegen den imperialistischen krieg zusammen mit der raf, weil das bloße friedensgeschrei gegen die imperialistischen kriegstreiber nur hilflos ist. wir lassen uns nicht von den bewaffneten gruppen isolieren, weil ne antiimperialistische bewegung nur ne Perspektive hat, wenn teile von ihr in der läge sind, den apparat militärisch zu treffen. SOLIDARITÄT MIT DER RAF" Zahlreiche Erklärungen Die Hauptzielrichtung der aggressiv betriebenen Kampagnen und Aktionen signalisiedes terroristischen Umfelds galt - wie bereits seit Jahren - den ren zunehmende Miliangeblich unerträglichen Haftbedingungen der "Gefangenen aus tanz des terroristischen der RAF". Zugleich wurden die Bemühungen weiter verstärkt, Umfeldes. dem "antiimperialistischen Widerstand" in Gestalt von Aktionen mit begrenzter Militanz Wirkung zu verleihen. So kam es 1980 bundesweit zu Besetzungsaktionen, bei denen Angehörige des terroristischen Unterstützungsbereiches versuchten, mit militanten Forderungen eine breite Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen: - Am 9. April 1980 störten RAF-Sympathisanten die Eröffnungsveranstaltung des 5. Internationalen Kolloquiums über die Europäische Menschenrechtskonvention in der Frankfurter Paulskirche. Die Störergruppe bekannte sich in einem bei dieser Aktion verteilten Flugblatt erneut und unmißverständlich zur "Solidarität mit dem bewaffneten Widerstand in Westeuropa": "Wir sind heute hier, um diese Absicht (Anm.: über Menschenrechte zu diskutieren) zu durchkreuzen und um unsere Solidarität mit den bewaffneten antiimperialistischen Gruppen auszudrücken, die gegen das Europa der Bullen unter der Hegemonie der USA und der BRD kämpfen . . . Die entwickelte Kraft in dem von drinnen und draußen gemeinsam begriffenen Kampf um Zusammenlegung der 23 Gefangenen muß an Kontinuität gewinnen, um zusammen mit den Gefangenen den Druck zu schaffen, der den Staatsschutz dazu zwingt, auch die drei Frauen aus den Trakten von Ossendorf und Preungesheim nach Lübeck zu verlegen. Widerstand zusammen mit den Gefangenen aus der RAF bedeutet den .Staat' angreifen . .. hier im Zentrum des imperialistischen Molochs mit der Guerilla und ihren Gefangenen eine gemeinsame antiimperialistische Front aufbauen!" - Eine mit der Überschrift "Es herrscht immer Krieg in den Städten" versehene Erklärung anläßlich einer Kirchenbesetzung am 879. Mai 1980 in Hamburg besagt: . wir sind hier, daß wir es wieder lernen, anzugreifen und unmittelbarer betroffenheit heraus zu handeln, daß wir zu * ,.jr praxis kommen, die sich im Zusammenhang mit den bewaffnet kämpfenden gruppen, den kommandos der raf begreift, weil die grenzen, die legaler politik durch die machtverhältnisse gesetzt sind, nur durch den angriff der guerilla durchbrochen werden können . . . " - I n Karlsruhe besetzten am 4. März 1980 Sympathisanten terroristischer Gewalttäter das "Haus des Kunstvereins", um ihren Forderungen nach Verbesserung der Haftbedingungen der "Gefangenen aus der RAF" Nachdruck zu verleihen. - Für eine "Zusammenlegung der Gefangenen aus der Guerilla in Gruppen" demonstrierten am 17. Mai 1980 in Stuttgart mehrere Hundert zumeist jugendliche Personen. Demonstration am 77. Mai 1980 in Stuttgart (Pressefoto: Kraufmann) 24 In Aufrufen im ganzen Land war bereits Wochen zuvor zur Teilnahme an dieser Demonstration aufgefordert worden, "um unsere Solidarität mit unseren gefangenen Genossen aus der Guerilla offensiv auf die Straße zu tragen". Aufruf zur Demonstration am 17. Mai 1980 in Stuttgart. Es kann keine Versöhnung mit diesem Staat geben, sondern nur den gemeinsamen Kampf gegen die organisierte Unmenschlichkeit und Vernichtung. DEMONSTRATION am 17.5. in STUTTGART Treffpunkt am Mahnmal, Karlsplatz II.OO Uhr Zusammenlegung der Gefangenen aus der Guerilla in Gruppen Organisieren wir den antiimperialistischen Widerstand! AgitationsschwerBreiten Raum in der Tätigkeit der terroristischen Randszene punkte der "legalen nahm im Jahre 1980 die ,,Prozeßarbeit" ein, das heißt, die Szene": Prozeßarbeit agitatorische und die direkte persönliche und materielle Unterund Haftbedingungen. stützung von Personen, gegen die Strafoder Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in oder der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anhängig waren. Im Mittelpunkt dieser ,,Prozeß-Kampagne" stand dabei das Verfahren gegen fünf Angehörige der Stuttgarter "FANTASIA"Druckerei, die sich wegen Werbens für eine terroristische Vereinigung zu verantworten hatten. Während der gesamten 25 Hauptverhandlung, insbesondere aber in den Wochen vor und nach der Urteilsverkündung (21. März 1980) kam es zu zahlreichen Sprühund Klebeaktionen im Stadtgebiet von Stuttgart. Daneben wurde auf verschiedenen "Solidaritätsveranstaltungen" immer wieder versucht, eine breitere Öffentlichkeit auf das angebliche Ziel des "Verfahrens gegen die fünf Drucker", nämlich die "Kriminalisierung der Schriften politischer Gefangener" und die "Durchsetzung der staatlichen Selbstmordlüge", hinzuweisen. Plakataufruf im März 1980 in Stuttgart. Eine ähnlich starke Resonanz innerhalb des terroristischen Umfelds wie der Prozeß gegen die fünf Angehörigen der "FANTASIA"-Druckerei fand die Hauptverhandlung gegen Knut FOLKERTS, die am 20. Mai 1980 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart begonnen hatte. Bereits während der ersten Verhandlungstage kam es im Verhandlungssaal zu Sympathiekundgebungen für den Angeklagten. In Stuttgart wurden zahlreiche Plakate geklebt und Sprühaktionen durchgeführt, mit denen 26 unter der Parole "Das einzig gerechte Verfahren ist die Revolution" zur Solidarität mit Knut FOLKERTS und zur Organisierung des "antiimperialistischen Widerstandes" aufgerufen wurde. FOLKERTS wurde am 31. Juli 1980 vom 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart wegen Mordes in drei Fällen, des versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist inzwischen vom BGH bestätigt worden. Insbesondere seit dem Verkehrsunfall am 25. Juli 1980 bei Bietigheim-Bissingen, bei dem die mutmaßlichen Terroristen Juliane PLAMBECK und Wolfgang BEER den Tod fanden, haben die Angehörigen der terroristischen Randszene ihre betont aggressive Agitation, die die staatlichen Organe offensichtlich provozieren soll, weiter verstärkt. Die Zahl der Sprühund Klebeaktionen mit terroristischem Hintergrund ist seitdem stark angestiegen. Bereits unmittelbar nach dem Tod der beiden RAFMitglieder wurden in zahlreichen Städten des Landes Flugschriften und Plakate in großer Zahl verbreitet, in denen sich die unbekannt gebliebenen Verfasser klar zur RAF bekannten. Plakat zum Tod von Juliane Plambeck und Wolfgang Beer. 27 Während der Beisetzung von Juliane PLAMBECK in Karlsruhe entfalteten einige der Anwesenden am Grab ein Leintuch mit der Aufschrift: "Wolfgang - RAF - Juliane unsere Trauer wird zu Widerstand". Ein am 29. Juli 1980 bei der "Frankfurter Rundschau" eingegangenes, von Stuttgarter Sympathisanten verfaßtes Schreiben lautete: "Um unserer Trauer, unserer Wut und unserem Schmerz über den Tod von Juliane und Wolfgang einen Ausdruck zu geben, haben wir heute am .Mahnmal gegen den Faschismus' in Stuttgart Kränze und rote Nelken niedergelegt. Die Stelle an der sie starben, ist nach wie vor militärisch abgeriegelt, so daß wir uns selbst kein Bild davon verschaffen können. Für uns ist nicht ausgemacht, ob es sich bei ihrem Tod um einen tragischen Unglücksfall handelt oder um einen verdeckten Mord von BKA und Bundesregierung. Unabhängig davon sagen wir: Der Kampf geht weiter-solidarisch mit der RAF! Sabotiert die Fahndung! Wir waren hier für Viele. 28. 7. 80" Unter diesem Text war ein Foto vom Mahnmal für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Stuttgart angebracht, das von drei großen Granitblöcken gebildet wird. An zwei Blöcken waren helle Stofftransparente befestigt mit der Aufschrift: "Wut, Trauer, Aufbruch" "Juliane, Wolfgang, wir werden nichts vergessen" Am Mahnmal für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Stuttgart befestigte Stofftransparente zum Tod von Juliane Plambeck und Wolfgang Beer. [Aus: ,,Die Tageszeitung' (TAZ) vom 1. 8. 1980] In den folgenden Wochen wurden - neben zahllosen Sprühaktionen im ganzen Land - insbesondere im nordbadischen Raum verschiedene Aufkleber festgestellt, in denen unter dem Symbol 28 der RAF dazu aufgefordert wurde, die "Fahndung (zu)sabotieren": Im nordbadischen Raum festgestellte Aufkleber. SABOTIERT DIE FAHNDUNG setzt dem ziel der herrschenden - die Verfügungsgewalt über den ganzen menschen zu erlangen - eure i/ut und eure kraft für unser ziel - kommunismus- - ende der herrschaff des menschen k über den menschen - enigegen SOL IDA KI TAT mit der gueril (a f"M^ -keine hinweise an die bullen Besonders hinzuweisen ist auf das Bestreben der Urheber, mit Aufrufen ähnlichen Inhalts gezielt Frauen anzusprechen: Weiteres Angriffsziel Angriffe gegen die Bundeswehr und die NATO haben sich im des terroristischen Spätjahr 1980 zu einem neuen Agitationsschwerpunkt auch der Umfeldes: BundesGruppen des terroristischen Umfelds entwickelt. Den einstweiliwehr und NATO. gen Höhepunkt dieser auf Massenbeteiligung zielenden Kampagne bildete eine bundesweit angekündigte "Nationale Demonstration gegen die NATO-Herbstmanöver" am 20. September 1980 in Hildesheim, auf die bereits Wochen zuvor durch zahlreiche Plakataufrufe hingewiesen worden war. Sprühparolen wie "Die NATO zerschlagen - selbstbestimmt leben - die Yankees verjagen - solidarisch mit der RAF" und entsprechende 29 Aussagen auf Plakaten belegen die Mitwirkung von RAF- Sympathisanten an den Vorbereitungen der im wesentlichen von anderen linksextremistischen Gruppen getragenen Aktion. In den Monaten November und Dezember 1980 fand im gesamten Bundesgebiet eine von deutschen terroristischen Randgruppen mitgetragene Veranstaltungsreihe mit Angehörigen der der,,Irischen Republikanischen Armee" (IRA) nahestehenden Organisation ,,Sinn Fein" statt. Anlaß der "Rundreise" war, bei deutschen Gesinnungsgenossen um Unterstützung für die Forderung nach "Anerkennung des politischen Status der Plakataufruf im Dezember 1980in Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg. gefangenen irischen Freiheitskämpfer" zu werben. Im Rahmen dieser Aktion wurden auch in mehreren Städten Baden-Württembergs Solidaritätsveranstaltungen durchgeführt. Dabei versuchten die zumeist in größerer Zahl anwesenden Angehörigen der terroristischen Randszene, auf Parallelen zur Situation der "Gefangenen aus der RAF" hinzuweisen. Ein Flugblatt, das im Dezember 1980 in Heidelberg verbreitet wurde, gibt dieser eigenen Zielrichtung deutlich Ausdruck: 30 "wir wollen auf der Veranstaltung zusammen mit den irischen genossen darüber diskutieren, wie wir ihren kämpf praktisch unterstützen können . . . wir wolle'n auch darüber diskutieren, was der kämpf der gefangenen aus der raf, die die Zusammenlegung in gruppen für sich fordern, für unseren widerstand hier heißt." Auf einem am 16. Dezember 1980 im Stadtgebiet von Stuttgart festgestellten Plakat wurde das Ziel der Kampagne, die Verbindung zwischen der IRA und "unseren Genossen aus der RAF" herzustellen, noch sichtbarer akzentuiert. Insgesamt ist im Jahr 1980 die Bedeutung der dem terroristischen Umfeld zuzurechnenden Gruppierungen als politisches Sprachrohr der "bewaffnet kämpfenden Genossen der RAF" weiter gewachsen. Beträchtlich zugenommen hat nicht nur die Zahl der Aktionen, sondern auch der Grad an Militanz, mit der diese betrieben werden. In seiner Eindeutigkeit neu ist darüber hinaus das klare öffentliche Bekenntnis der "Szene" zur "Solidarität mit der RAF". Die bereits 1979 ausgegebene Parole "Drinnen und draußen - legalund illegal: ein Kampf!" hat damit weiter an realem Gehalt gewonnen. Dem von den Illegalen anvisierten Ziel der Basisverbreiterung durch Einbeziehung von Angehörigen militanter linksextremer Randgruppen sind sie allerdings lediglich in Ansätzen nähergekommen. Zwar gelang mehrfach ein punktuelles Zusammenwirken mit entsprechenden Gruppierungen, unter anderem auch mit ausländischen Extremisten. Bisher sind jedoch keine dauerhaften Kontakte erkennbar geworden. Selbst einige Zirkel der undogmatischen "Neuen Linken", die ihre Publikationsorgane terroristischen Gruppen gelegentlich als Plattform zur Verfügung gestellt haben, finden sich inzwischen seltener bereit, Beiträge des Sympathisantenfeldes zu übernehmen und abzudrucken. So distanzierte sich etwa das Stuttgarter Alternativorgan "s'Blättle - Stadtzeitung für Stuttgart und Umgebung" von einigen Beiträgen aus dem Kreis der Angehörigen der "FANTASIA"-Druckerei und übte mehrfach offene Kritik an deren "elitärer" Einstellung: "Das FANTASIA-Kollektiv macht eine Politik, die wir für elitär halten . . . . . . Es ist einfach diffamierend, alle von RAF-Gefangenen abweichenden Verhaltensweisen als Spaltung zu begreifen und als .Resozialisierung' abzuqualifizieren. Das Politikverständnis von FANTASIA ist unhistorisch und eingleisig, ihr Verständnis von Antiimperialismus an der RAFPolitik orientiert. . ." Konzept der terroristi2.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) schen "Revolutionären Bei den seit den frühen siebziger Jahren neben der "Roten Zellen" zielt auf MasArmee Fraktion" und der inzwischen praktisch aufgelösten senwirksamkeit". "Bewegung 2. Juni" weitgehend eigenständig und unabhängig operierenden "Revolutionären Zellen" (RZ) handelt es sich um 31 eine terroristische Gruppierung, die bei ihren Aktionen zwar nicht in derselben Weise wie die RAF vorgeht, deren auf "Massenwirksamkeit" angelegtes Konzept freilich längerfristig ebenfalls eine ernste Gefahr für unseren freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat bedeuten kann. Daß das in der Intensität des Angriffs abgestufte taktische Vorgehen der "Revolutionären Zellen", das inzwischen in vielfach publizierten "Anleitungen zu militantem Widerstandsverhalten" eine gewisse Verbreiterung im Sinne des propagierten Prinzips der "Guerilla als Massenperspektive" gefunden hat, zeigen zahlreiche weniger folgenschwere Gewaltakte, bei denen die Täter sich an dem Konzept der "Revolutionären Zellen" orientiert haben. Damit beginnt die seit Jahren immer wieder öffentlich artikulierte Aufforderung "Schafft eine, zwei, drei . . . viele Revolutionäre Zellen" allmählich vor allem bei den militanten Zirkeln der undogmatischen "Neuen Linken", insbesondere bei Teilen der Spontiund Alternativbewegung, soweit sie politisch extremen Einflüssen unterliegen, ihre Wirkung zu entfalten. Das taktische Nahziel wurde noch einmal in der im April 1980 konspirativ gedruckten Konspirativ verbreitete Zeitschrift der terroristischen " Revolutionären Zellen", 7. Ausgabe, April 1980. und verbreiteten Zeitschrift der ,,RZ", dem ,,Revolutionären Zorn" Nummer 7, präzisiert: Die tatsächliche Gefährdung besteht für den Staat darin, daß sein Gewaltmonopol nicht mehr heilig ist, daß aus der Handvoll Leute, die gewaltsam subversiv tätig sind, zwei, drei, viele Händevoll werden . . ." 32 Prinzip der "abgestufAnschläge "Revolutionärer Zellen", die vorgeben, an aktuelle ten Militanz" findet gesellschaftspolitische Probleme anzuknüpfen und sich an verNachahmung in den meintlichen Massenbedürfnissen zu orientieren, richteten sich Reihen der undogmati1980 bundesweit vor allem gegen staatliche Institutionen wie schen "Neuen Linken". die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg (6. Januar 1980), das Bundesarbeitsgericht in Kassel (23. März 1980) sowie gegen Kreiswehrersatzämter und andere Dienststellen. In Baden-Württemberg wurden im Jahr 1980 keine Anschläge begangen, die eindeutig ,,Revolutionären Zellen" zuzurechnen sind. Auch in unserem Lande ist unübersehbar, daß zunehmend Randgruppen mit oftmals diffusen politischen Zielvorstellungen, die sich oft mit unpolitischen gewaltbereiten Kräften zusammenfinden, die von den "Revolutionären Zellen" propagierten Widerstandsformen übernehmen. Das Spektrum der undogmatischen "Neuen Linken" könnte damit mehr und mehr die eigentliche Nahtstelle zu den terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) werden. 3. Aktivitäten der undogmatischen "Neuen Linken" Schlüsselwort der unIm Jahre 1980 hat der in seiner programmatischen Vielfalt nur dogmatischen Gruppieschwer überschaubare, auch zahlenmäßig kaum präzise einrungen: Widerstand. grenzbare Bereich der linksextremistischen undogmatischen Bewegung weiter an Bedeutung gewonnen. Ihm sind die zumeist sehr losen Zusammenschlüsse zuzurechnen, die zwar eine grundlegende Veränderung unserer freiheitlichen demokratischen Staatsund Verfassungsordnung anstreben, dabei aber dogmatische marxistisch-leninistische Positionen als Anleitung zum Handeln ablehnen oder sie sich zumindest nur in mehr oder minder stark modifizierter Form zu eigen machen. Stattdessen propagieren sie eine durch Spontaneität, Autonomie und Selbstorganisation geprägte "basisdemokratische" Konzeption mit dem Ziel, staatliche und gesellschaftliche Strukturen revolutionär umzuwälzen. In wachsendem Umfang lassen sich auch anarchistische Einflüsse erkennen. Schmieraktion in Freiburg. 33 Hier hat sich in der jüngsten Zeit aus lockeren Zusammenschlüssen ohne feste Mitgliedschaft und Programm eine politisch extreme Subkultur entwickelt, die insbesondere wegen ihrer deutlich zur Schau getragenen Militanz wachsende Probleme schafft. Sie umgreift derzeit Spontis und Stadtindianer, Mescaleros, Politrocker, Aussteiger und andere, soweit sie linksextremen Einflüssen unterliegen. "Widerstand" ist zum Schlüsselwort dieser sich rasch verbreiternden Bewegung geworden, was 1980 zu einem deutlichen Ansteigen der Zahl militanter Auseinandersetzungen geführt hat. So heißt es in einer Anfang des Jahres 1980 in Berlin verbreiteten Schrift mit dem Titel "Ruhe im Lande?": "Wie kommt es, daß jemand anfängt, sich Gedanken über Bomben, Brandsätze und Sabotage zu machen und wie kommt es, daß er/sie sich davon noch etwas verspricht? . . . Sabotage kann helfen, kann aufmerksam machen, bestrafen, verzögern, verhindern . . . Die Wege sind für uns noch offen, die Möglichkeiten groß .. . Aber - mir macht es auch Spaß, ich sehe gerne etwas Unmenschliches in die Luft fliegen, freue mich über brennende Baufahrzeuge, über Löcher in Mauern, wo sie offiziell nicht hingehören, zerklirrte Fensterscheiben, als auch über zerstörte Bauelemente von AKW's". In der Praxis bedeutet das, daß die Grenzen zwischen dem immer häufiger propagierten passiven und dem aktiven gewaltPublikationen aus dem Bereich der undogmatischen ,,Neuen Linken". 34 tätigen Widerstand inzwischen zunehmend fließend geworden sind. Die von den militanten Teilen der undogmatischen Gruppen verkündete "fröhliche Revolte" hat sich mit der von Fritz TEUFEL, dem ehemaligen Mitglied der terroristischen "Bewegung 2. Juni", propagierten "Spaßguerilla als aktuelle Form des Klassenkampfes" verbunden. An dieser Stelle grenzt die neue Protestbewegung an die taktische Konzeption der "Revolutionären Zellen", die seit Jahren zu "militantem Widerstandsverhalten" auffordern. So erscheint es nur folgerichtig, daß eine Anzahl sogenannter Alternativpublikationen terroristischen Gruppierungen mehrfach als Plattform für die Verbreitung von Sympathieerklärungen oder gar von "Bekennerbriefen" diente. Die bei Teilen der Jugend vorhandene Tendenz zu grundsätzlicher Oppositionshaltung, die sich zunächst nicht selten darauf beschränkt hatte, daß das "Aussehen, der Haarschnitt, die Kleidung und Bemalung von Gesicht und Haaren, Sicherheitsnadeln in Ohr und Backe eine Protesthaltung gegen ALLES in dieser Gesellschaft ausdrückt", (zitiert aus: "Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten" (ID) vom 9. Januar 1981) verdichtet sich neuerdings bei bestimmten Fällen zu konkreten Aktionen unter dem Motto "Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!" und schließlich zu gewalttätigen Ausschreitungen mit dem Ziel "SABOTAGE überall!" Schmieraktion in Tübingen. Die Zahl militanter So waren Angehörige der undogmatischen "Neuen Linken" im Auseinandersetzu ngen vergangenen Jahr immer dann beteiligt, wenn es zu massiven nimmt zu. Auseinandersetzungen mit staatlichen Organen kam: dies trifft für die Störungen öffentlicher Gelöbnisfeiern der Bundeswehr ebenso zu wie für das gewalttätige Vorgehen bei Protestaktionen gegen den Bau von Kernkraftwerken. Zunehmend trat im Jahre 1980 auch das Thema "Häuserkampf" in den Vordergrund. Extreme Randgruppen versuchen damit ein neues Reizklima zur Mobilisierung und Manipulierung von "Massen" zu erzeugen. Obwohl die Mehrzahl der an Hausbesetzungen betei35 ligten Personen keinen politisch extremen Gruppen zuzurechnen ist, hat sich im Laufe des Jahres 1980 an einigen örtlichen Kristallisationspunkten - in Baden-Württemberg vor allem in Freiburg und Tübingen - ein militantes Potential herausgebil det, das von einer großen Zahl von Mitläufern unterstützt und ermutigt wird. So kam es am 10. Juni 1980 in Freiburg, angeblich aus Solidarität mit den Besetzern des Abbruchobjek tes "Dreisameck", zu der seit Jahren größten, nicht angemelde ten Demonstration in Baden-Württemberg. Im Juni 1980 in Freiburg aus Anlaß der Räumung ensteki o/e-rh/itto seh fratcb ei^e-rr des,, Dreisamecks "ver breitetes Flugblatt. am Sonntag mußten wir der staatlichen Obermacht weichen und das Oreisameck verlassen. WELCHE GEWALT IST ES. DIE SICH DAMIT LEGITIMIERT, UNS ZU "GEWALTTÄTER" AB1U - STEMPELN? Gewalt ist es, wenn die schönen alten Viertel der Städte unter Polizeischutz, mit Ramme, Eisenkugeln, Baggern abgerissen werden und öden Bank und Versicherungspalästen weichen müssen. .WIR TRETEN. GEGEN DIESE GEWALT A N ! --Peil m om s i-ra i iOn heute sf?^factl&rj^r. lasst Euch was einfallen! TA(r)tA(r)l/ Tina&r J*'h