Bericht der Regierung des LANDES BADEN-WÜRTTEMBERG über radikale Bestrebungen Stuttgart, den 9. Juli 1973 Bericht der Regierung des LANDES BADEN-WÜRTTEMBERG über radikale Bestrebungen Inhaltsübersicht Vorwort und Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Rechtsradikale Bestrebungen 1.1. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 1.2. Junge Nationaldemokraten (JN) 1.3. Aktion Neue Rechte (AMR) 2. Linksradikale Bestrebungen 2.1. Aktivitäten der "orthodoxen Linken" 2.2. Aktivitäten der "neuen Linken" 2.2.1. Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 2.2.2. Einigungsbestrebungen innerhalb der "neuen Linken" 2.3. Zur Situation an den Landesuniversitäten 3. Radikale im öffentlichen Dienst 4. Politisch radikale Ausländergruppen 5. Spionageabwehr - 1 - Vorwort und Zusammenfassung der Ergebnisse Die Frage nach der Sicherheit gewinnt in der Öffentlichkeit wachsendes Interesse. Die Landesregierung ist daher bereit, von Zeit zu Zeit den Landtag und die Presse über die Sicherheitslage zu unterrichten. Der vorliegende Bericht befaßt sich mit den radikalen Bestrebungen. Folgendos sind die wichtigsten Ergebnisse : - Die vom Rechtsradikalismus ausgehende Gefährdung ist gegenwärtig geringer als die Gefährdung durch den Linksradikalismus . - Im linksradikalen Lager ist man sich einig, daß der Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung unseres Staates verschärft werden muß; ideologisch und taktisch bedingte Spannungen bestehen zwischen der "orthodoxen" und der "neuen Linken" sowie innerhalb der "neuen Linken". - Die Ziele der DKP - Beseitigung des parlamentarischen Systems und Errichtung der "Diktatur des Proletariats" - sind verfassungswidrig. - Die Zielsetzung der zur "neuen Linken" zu zählenden KPD ist ebenfalls verfassungswidrig: Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung und Ersetzung durch die Diktatur des Proletariats. Zu ihren Methoden gehört Gewaltanwendung (Bonner Rathaussturm am 10. April 1973 - "Realisten sind die..., die wissen, daß der Weg zum Sozialismus auch in der Bundesrepublik nur über die bewaffnete Auseinandersetzung der VolksmassenmitdemkapitalistischenSaatgewährleistet wird." - Die KPD strebt in der Bundesrepublik Deutschland systematisch ihre organisatorische Verbreiterung an; in BadenWürttemberg sind ein Parteibüro in Karlsruhe und ein Regionalbüro in Stuttgart errichtet. - Sowohl bei der DKP wie bei der KPD fällt die ausgesprochen aktive Jugendarbeit auf: die DKP hat, in der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) eine linientreue - 2 - Jugendorganisation. Der Basiserweiterung der KPD dienen die Vorfeldorganisationen "Kommunistischer Studentenverband" (KSV) als Studentengruppe zur Agitation an den Hochschulen, der "Kommunistische Jugendverband" (KJV) zur Erfassung Jugend lieber, der "Kommunistische Oberschülerverband" (KOV) zur Gewinnung von Oberschülern u.a. - Die DKP wie die KPD betreiben eine gezielte Gewerkschaftsund Betriebsarbeit: Viele SDAJ-Betriebsgruppen geben eigene Lehrlingszeitungen heraus, die SDAJ-Landesleitung macht darüber hinaus z.B. für Daimler Benz und Bosch spezielle Be! triebslehrlingszeitungen; die KPD verfolgt systematisch das Ziel, in Betrieben eigene Zellen aufzubauen und durch Agitation eine Oppositiensbewegung in den Gewerkschaften zu schaffen. Dazu dient ihr besonders die "Revolutionäre Gewerkschaftsopposition" ( R G O ) nach Weimarer Vorbild, deren Aktivität in Baden-Württemberg allerdings noch nicht zu spüren war. Bis heute konnten drei KPD-Betriebszeitungen in Baden-Württemberg festgestellt worden: für die Firmen Industriewerke Karlsruhe, Daimler-Benz Untertürkheim und Bosch in Feuerbach. - Mit der Gründung des "Kommunistischen Bundes Westdeutschlands" am 9./12. Juni 1973, der den Zusammenschluß kommunistischer Gruppen überregional vorantreiben soll, zeichnet sich eine bundesweite kommunistische Organisation ab. - An den Landesuniversitäten mehren sich die Anzeichen, daß die militanten Aktionen linksradikaler Hochschulgruppen erstmals auf Widerstand stoßen; damit werden im allgemeinen diejenigen Hochschulgruppen gestärkt, die zwar teilweise ebenfalls radikale Zielsetzungen verfolgen, jedoch in ihren Methoden flexibler taktieren und auf gewaltsame Aktionen verzichten. Bestehen bleibt die Gefahr weiterer Radikalisierung, so daß trotz der positiven Anzeichen insbesondere in Heidelberg, aber auch etwa in Berlin, mit einer deutlichen Beruhigung der Situation an den Hochschulen vorerst nicht gerechnet werden kann. - 3- Auch an den Universitäten zeichnet sich vermehrt eine überregionale Zusammenarbeit linksradikaler Hochschulgruppen ab. Die sich zunehmend festigenden landesweiten "Aktionseinheiten" lassen für die Zukunft eine stärkere Koordination der linksradikalen studentischen Aktivitäten erwarten. - Der von der "orthodoxen" wie der "neuen Linken" eingeschlagene "Marsch durch die Institutionen" ist auch auf den öffentlichen Dienst gerichtet. Die Zahl der Linksradikalen, die sich um eine Aufnahme in den öffentlichen Dienst bewerben, nimmt zu, wobei besonders der Erzichungsund Ausbildungsbereich betreffen ist. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und eine möglichst einheitliche Anwendung der bestellenden, in Bund und Ländern gleichlautenden Bestimmungen der Beamtengesetze und Tarifverträge über die Verfassungstreue im öffentlichen Dienst zu gewährleisten, wurden von den Regierungschefs des Bundes und der Länder am 28. Januar 1972 Grundsätze über die Verfassungstreue im öffentlichen Dienst beschlossen. Zur Durchführung dieses Beschlusses haben einzelne Bundesländer Richtlinien erlassen. Die Landesregierung will über die Einführung solcher im Entwurf bereits vorliegender Richtlinien beschließen, wenn die von der Innenministerkonferenz vorgesehene Beratung auf Grund von Erfahrungsberichten im Laufe dieses Jahres abgeschlossen sein wird. - Eine umfassende, gegen den Westen gerichtete Ausspähungs! tätigkeit kommunistischer Nachrichtendienste bedroht besonders die Bundesrepublik Deutschland. Nahezu 80 % der gesamten gegen die Bundesrepublik gerichteten Spionageaufträge der Warschauer-Pakt-Staaten gehen von den Geheimdiensten der DDR aus. - Es gibt bis jetzt kein Anzeichen dafür, daß die Spionage! tätigkeit der kommunistischen Geheimdienste nachläßt. Nach wie vor wird insbesondere versucht, Bewohner der Bundesrepublik bei Reisen in bzw. durch die DDR nachrichtendienst! lich zu verstricken und neue Agenben zu gewinnen. - 4 - 1.Rechtsradikale Bestrebungen Fortschreitende Zersplitterung und weiterer Rückgang der Mit! gliederzahlen kennzeichnen die derzeitige Situation des organisierten Rechtsradikalismus. Diese nunmehr seit 1969 anhaltende organisatorische Schwächung hat inabesondere nach der deutlichen Niederlage der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD bei der Bundestagswahl 1972 zu einer Zunahme aggressiver und m i - litanter Tendenzen, in rechtsradikalen Lager geführt. Eine zunehmende Neigung zu konspirativen Methoden, die verstärkte Bedeutung nationalsozialistischer Ideen und festere Kontakte zum internationalen Faschismus sind Anzeichen dieser sich abzeichnenden Umorientierung des verbliebenen rechtsradikalen "harten Kerns"; es handelt sich hierbei jedoch um kleinste Gruppen, zum Teil Einzelpersonen. Die starken Divergenzen zwischen den Splittergruppen, die sich wogen programmatisch-ideologischer Meinungsverschiedenheiten, aber auch wegen organisatorischer und teilweise sogar kommerzieller Konkurrenzgründen heftig befehden, lassen die von den rechtsradikalen Organisationen ausgehende Gefährdung der inneren Sicherheit gegenwärtig gering erscheinen. 1.1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Der NPD ist es trotz der Krise, in der sie sich seit der vernichtenden Niederlage bei der Bundestagswahl 1972 befindet, gelungen, zumindest auf der unteren Parteiebene den Eindruck einer wieder in sich geschlossenen Partei zu erwecken. Der Parteivorstand ist bemüht, den Apparat zu festigen und will vor allem die Werbung von Mitgliedern und Interessenten vorstärken. Seit Beginn dieses Jahres führt die NPD auf allen Parteiebenen politische Schulungen durch und versucht, ihre politische Aussage den veränderten politischen Verhältnissen anzupassen. Dabei sieht sich die NPD als Teil einer "Erneuerungsbewegung der Völker gegen die Weltlinke" und proklamiert sich als die nationale, antiimperialistische, demokratische, freiheitliche und soziale Partei der Bundesrepublik. - 5- Trotz dieser offensichtlichen Bemühungen der Führung der NPD um eine Konsolidierung der Partei sind Feststellungen des Parteivorstands über wachsende Mitgliederzahlen und eine verbesserte und stabilisierte Finanzsituation als reiner Zweckoptimismus zu werten. Die finanzielle Situation der Partei ist aufgrund der sich weiter verschlechternden Beitragsmoral, des anhaltenden Spendenrückgangs und der sinkenden Mitgliederzahl prekär. Auf Bundesebene hat die NPD noch etwas über 14 000 Mitglieder (gegenüber 28 000 im Jahre 1969), davor entfallen auf Baden-Württemberg noch etwa 1 6OO eingetragene Mitglieder. Obwohl der NPD-Landesverband Baden-Württemberg an ähnlichen Auszehrungssymptomen leidet wie die Bundespartei, kann der Landesverband noch als vergleichsweise intakt angesehen werden. So nahmen an dem 8. ordentlichen Landesparteitag am 27.Mai 1973 in Stuttgart-Untertürkheim nahezu 400 Personen, davon 74 ordentliche Delegierte, teil. Der Parteitag, in dessen Mittelpunkt Referate des NPD-Parteivorsitzen den Martin MUSSGNUG, des Parteivorstandsmitglieds Emil MAIER-DORN und des Landesvorsitzenden Werner KUHNT standen, verabschiedete u.a. eine Entschließung zum sogenannten "Extremistenerlaß", in der gefordert wird, diesen Erlaß "grundsätzlich nur auf die linksextremistische Unterwanderung" anzuwenden. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Im Gegensatz zur NPD ist seit Ende des vergangenen Jahres bei deren aktivem Jugendvorband, den "Jungen Nationaldemokraten", eine Aufwärtsentwicklung festzustellen. Ihr organisatorischer Aufbau geht voran. In Baden-Württemberg bestehen zur Zeit etwa 10 aktive Gruppen in der Stärke zwischen 5 und 12 Personen. Anfang Juni 1973 fand in Waiblingen ein JN-Landeskongreß statt, an dem ca. 35 Personen teilnahmen. Für Endo September 1973 ist in Nürnberg der III. JN-Bundeskongreß geplant. - 6- 1.3. "Aktion Neue Rechte" (ANR) Nach anfänglichen Erfolgen kommt der Aufbau der "Aktion Neue Rechte" (ANR) nur noch schleppend voran. Selbst in Baden-Württemberg, das neben Bayern zu den wesentlichsten ANR-Stützpunkten zählte, ist die Resonanz der Gruppe nur noch gering. Sie dürfte zur Zeit etwa 80 - 90 Mitglieder zählen, aktive Kreisverbände bestehen lediglich in Stuttgart, Mannheim und Waiblingen. Nur der Stuttgarter Kreisverband entfaltet noch einige Aktivität. Dennoch wurde am 15. April 1973 in Stuttgart ein ANR-Lan! desverband Baden-Württemberg gegründet. Zu seinem Vorsitzenden wurde der zu diesem Zeitpunkt noch stellvertretende Bun! desvorsitzende Peter STÖCKICHT, Stuttgart, gewählt. Die tief greifenden Meinungsverschiedenheiten und persönlichen Rivalitäten innerhalb der ANR wurden auf dieser Gründungsveranstaltung besonders deutlich. Wenige Tage vorher, am 11. April 1973" hatte eine Gruppe von ca. 30 ANR-Mitgliedern aus Baden-Württemberg unter der. Leitung von Peter STÖCKICHT eine Protestaktion in Nürnberg durchgeführt, in deren Verlauf mehrere ANR-Mitglieder festgenommen wurden. Diese Aktion stieß jedoch in ANR-Kreisen überwiegend auf Ablehnung. Der ANR-Bundesvorstand nahm die Aktion zum Anlaß, STÖCKICHT und den mitbeteiligten ANRFunktionär Heinz BERG, Stuttgart, "wegen organisationsschä! digonden Verhaltens" aus der ANR auszuschließen. Linksradikale Bestrebungen Im gesamten linksradikalen Lager ist man sich darüber einig, daß der Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung unseres Staates verschärft werden muß. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören Ausschluß jeglicher Gewalt und Willkür, Volkssouveränität, Achtung vor den Menschenrechten, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung, Mehrparteiensystem und Chancengleichheit der Parteien. Spannungen zwischen der "orthodoxen" und der "neuen Linken" sind ideologischer Art. Sie gehen soweit, daß sie zum Teil unüberbrückbar erscheinen. 2.1. Aktivitäten der "orthodoxen Linker." Die am 26. September 1968 gegründete "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) entwickelte sich zur stärksten linksradikalen Organisation in der Bundesrepublik Deutschland. Die Landesregierung stimmt mit dem Bundesminister des Innern darin überein, daß die Ziele der DKP verfassungswidrig sind. Ihr erklärtes langfristiges Ziel ist die Beseitigung dos parlamentarischen Systems, das ihr lediglich als Basis für die Verbesserung der Vorbedingungen des außerparlamentarischen Kampfes um die "Macht der Arbeiterklasse" dienen soll und der Übergang zum Sozialismus auf dem Wege über die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats. Dementsprechend hat die DKP, die sich selbst als "Revolutionäre Kampfpartei" bezeichnet und Gewaltanwendung anstelle des "friedlichen Weges" zum Sozialismus als Mittel nicht ausschließt, auch zu keinem Zeitpunkt ihres Bestehens ein glaubwürdiges Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik abgelegt. Die Mit gliederzahl der DKP stieg im Jahr 1972 im Vergleich zum Jahre 1971 um 2 500 auf 36 000; davon entfallen ca. 2 000 auf das Land Baden-Württemberg. Die DKP hat, wie sich aus ihrem Rechenschaftsbericht für 1971 ergibt, 6,7 Millionen DM eingenommen, davon 5,1 Millionen - 8 - "Spenden" und 1,05 Millionen Mitgliedsbeiträge. Diese an sich beträchtlichen Mittel dürften allerdings kaum ausreichen, um den kostspieligen Parteiapparat zu unterhalten und die Wahlkampfkosten für die Bundestagswahl vom 19. November 1972 zu bestreiten. Die DIG? scheut trotz mancherlei Rückschlägen keine Mühe, Mandate in Vertretungskörperschaften zu gewinnen. Mit 0,3 % der Zweitstimmen bei der Bundestagswahl im November 1972 erreichte der kommunistische Stimmenanteil seinen niedrigsten Stand seit der Bundestagswahl im Jahre 1949. Im April 1972 mußte sich die DKP bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg mit 0,5 % der Stimmen begnügen. Bemerkenswert ist die aktive Jugendarbeit der DKP. Sie hat in der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) eine linientreue Jugendgruppe. Mit 27 Ortsgruppen und ca. 800 Mitgliedern allein in Baden-Württemberg unterstützt diese Organisation die Bemühungen der DIG? in der Gewerkschaftsund Betriebsarbeit. Viele SDAJ-Be! triebsgruppen geben eigene Lehrlingszeitungen heraus, die SDAJ-Landesleitung macht darüber hinaus z.B. für Daimler-Benz und Bosch spezielle Betriebslehrlingszei! tungen. Außenpolitisch ergänzt die SDAJ DKP-Vorbindungen, indem sie enge Kontakte zu Jugendgruppen ausländischer kommunistischer Parteien knüpft. Die DIG? sieht sich gegenwärtig in ideologische Streitigkeiten mit anderen linksradikalen, meist maoistischen, Gruppen verstrickt. Diese werfen ihr vor, daß sie im Schlepptau der SED und der KPdSU grundlegende marxistisch-leninistische Prinzipien verraten habe und deshalb zu einer "revisionistischen" Gruppe entartet sei. Der Hauptstreit geht um die Anwendung von Gewalt. Getreu der eingeschlagenen Legalitätsstrategie zur Erlangung der Macht beeilte sich die DKP, die Anschläge der Baader-Meinhof-Bande und die Ausschreitungen der KPD als "abenteuerliche Terrorakte" und als "randalierende Tätigkeit" zu verurteilen. _ o Die politische und ideologische Kluft zwischen DKP, der Jugendorganisation SDAJ und ihrer Studentengruppe MSB Spartakus einerseits und den maoistischen Gruppen andererseits ist in den letzten Monaten so tief geworden, daß trotz gemeinsamer Probleme eine einheitliche Abwehrfront in Form von Aktionseinheiten nicht mehr möglich ist. So führte die DKP mit verwandten Gruppen am 14. April 1973 in Dortmund eine eigene überörtliche Demonstration gegen die sogenannten Berufsverbote durch, während am selben Tag meist maoistisch orientierte Gruppen in Stuttgart in gleicher Sache auf die Straße gingen. 2.2. Aktivitäten der "neuen Linken" 2.2.1.' "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Unter den zahlreichen kommunistischen Gruppen der "neuen Linken" ("Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands" -KABD), KPD/ML, "Kommunistische Gruppe (Neues Rotes Forum)" -KG (NEF)-, "Gruppe Internationale Marxisten" -GIMu.a.) ist in den vergangenen Monaten besonders die KPD (früher KPD/Aufbauorganisation -KPD/AO-) hervorgetreten, deren politische Zielsetzung verfassungs! widrig ist und zu deren Methoden die Gewaltanwendung gehört. Die KPD-Mitgliederzahl dürfte auf Bundesebene unter 1 000 liegen. Die Verlegung der KPD-Zentrale im Frühjahr 1972 von Berlin nach Dortmund war als sicheres Zeichen dafür zu werten, daß die KPD in der Bundesrepublik Deutschland systematisch eine organisatorische Verbreiterung durch Schaffung von Ortsgruppen und Stützpunkten suchte. Dies gelang ihr auch in Baden-Württemberg mit der Errichtung eines Parteibüros in Karlsruhe und eines Regionalbüros in Stuttgart. Die politische Führung der KPD in Baden-Württemberg liegt bei der Ständigen Leitung dos KPD-Regionalkomitees für Nordbadon/Nordwürttemberg. Durch die Erfassung von Werktätigen (Proletariat) will die KPD das Gewicht einer Massenpartei gewinnen, deren revolutionär-politische Haltung zudem eine echte Alternative zur sogenannten revisionistischen DKP bieten soll. - 10 - In Wirklichkeit ist die KPD organisatorisch eine typische Funktionärsbzw. Kadergruppe, deren Mitglieder stark angebunden und zu großer Aktivität verpflichtet sind. In Baden-Württemberg ist es ihr zwar anläßlich verschiedener Demonstrationen nicht gelungen, mehr als 45O Anhänger auf einmal hinter ihrer Fahne zu vereinigen. Nicht zu bestreiten ist aber, daß auf Grund von Exekutivmaßnahmen gegen KPD-Mitglieder unter anderen radikalen Gruppen ein Solidarisierungseffekt zugunsten der KPD entstanden ist mit der Folge, daß ca. 5 000 Personen an der Demonstration "Hände weg von der KPD" am 23.6.1973 in Karlsruhe teilgenommen haben. Zur Basiserweiterung dienen der KPD verschiedene Gruppen, die als Vorfeldorganisationen bezeichnet werden können. Dazu gehören der "Kommunistische Studentenverband" (KSV) als Studentengruppe zur Agitation an den Hochschulen, der "Kommunistische Jugendverband" (KJV) zur Erfassung Jugendlicher, der "Kommunistische Oberschülervorband" (KOV) zur Gewinnung von Oberschülern, das "Nationale Vietnam-Komitee" und die "Liga gegen den Imperialismus". Stützpunkte dieser Gruppen sind mittlerweile auch in Baden-Württemberg vorhanden. Der KSV, der an der Universität Tübingen eine beachtliche politische und publizistische Aktivität entfaltet, konnte noch keine Anhängerschaft, die von der Zahl her gesehen besorgniserregend wäre, gewinnen. An KSV-Demonstrationen in Tübingen nahmen in der Regel 50 - 100 Personen teil, an anderen Universitäten (Heidelberg, Karlsruhe) betätigten sich nur kleine KSV-Sympathisanten-Gruppen. Die Tübinger Studentenschaft hat anläßlich der letzten Studentenparlaments! wahl im Mai 1973 lediglich einen KSV-Genossen in das 52köpfige Parlament gewählt. Die genannten Vorfeldorgani! sationen sind der Kontrolle der KPD unterstellt, die Zentrale in Dortmund führt und leitet an. Für die KPD als kommunistische Organisation ist es selbstverständlich, daß sie den Gewerkschaften und der Betriebsarbeit besondere Aufmerksamkeit widmet. Sie vorfolgt dabei - 1 1 - systematisch das Ziel, in Betrieben eigene Zellen aufzubauen und durch Agitation eine Oppositionsbewegung in den Gewerkschaften zu schaffen. Dazu dient ihr besonders die "Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition" (RGO) (nach Weimarer Vorbild), deren Aktivität in Baden-Württemberg allerdings noch nicht zu spüren war. Bis heute konnten drei KPD-Betriebszeitungen in Baden-Württemberg festgestellt worden: Für die Firmen Industriewerke Karlsruhe, Daimler-Benz Untertürkheim und Bosch in Feuerbach. Die KPD hatte bisher in der Arbeiterschaft der Bundesrepublik keine Resonanz. Sie ist primär durch gewalttätige Ausschreitungen und durch lautstarke Bekenntnisse zur revolutionären Theorie des Marxismus-Leninismus und deren "Weiterentwicklung" durch Stalin und Mao Tse-tung aufgefallen. Diese und andere in KPD-Publikationen verbreiteten Äußerungen lassen nicht nur eine eindeutige Gegnerschaft gegen die verfassungsmäßige Ordnung erkennen, sondern die Absicht, diese durch die Diktatur des Proletariats zu ersetzen. Die Propagierung verfassungsfeindlicher Ziele wird ergänzt durch tatsächliche Gewaltanwendung (Bonner Rathaussturm am 10. April 1973). Die KPD schließt damit den friedlichen Übergang zur Diktatur des Proletariats aus: "Realisten sind die..., die wissen, daß der Weg zum Sozialismus auch in der Bundesrepublik nur über die bewaffnete Auseinandersetzung der Volksmassen mit dem kapitalistischen Staat gewährleistet wird". 2.2.2. Einigungsbestrebungen innerhalb der "neuen Linken" Die seit langem geführten Gespräche über einen Zusammenschluß kommunistischer Gruppen der "neuen Linken" haben nunmehr zu einem sichtbaren Erfolg geführt. Nach beträchtlichen Schwierigkeiten programmatischer und organisatorischer Art, wegen denen sich eine Reihe von Organisationen im Verlauf der Vorgespräche abwandte, gründeten auf einer Konferenz vom 9. - 12. Juni 1973 in Bremen die - 12 - "Kommunistische Gruppe (NRF)" Mannheim/Heidelberg, der "Bund Kommunistischer Arbeiter" Freiburg und die "Kommunistischer Bund"-Gruppen Bremen, Göttingen, Osnabrück und Wolfsburg den "Kommunistischen Bund Westdeutschlands" (KBW). Mit der Gründung; dieser überregionalen Organisation, die den Aufbau einer (neuen) "Kommunistischen Partei" vorantreiben soll, haben sich zugleich die regionalen Einzelgruppen aufgelöst und als "Ortsgruppen" des "Kommunistischen Bundes Westdeutschlands" neu konstituiert. Der KBW wird zunächst monatlich, ab Herbst 1973 vierzehntägig, das Zentralorgan "KOMMUNISTISCHE VOLKSZEITUNG" und das theoretische Organ "KOMMUNISMUS UND KLASSENKAMPF" herausgeben. Die bisherigen regionalen Publikationen, wie die "ARBEITER-ZEITUNG" der KG (NRF) Mannheim-Heidelberg, stellen damit zugleich ihr Erscheinen ein. Mit der Verabschiedung von Programm und Statut, der Beschlußfassung über die wichtigsten taktischen Fragen und der Wahl einer zentralen Leitung sieht der "Kommunistische Bund Westdeutschlands" die Voraussetzung für die Erfüllung seiner wichtigsten Aufgabe gegeben, "die klassenbewußten Arbeiter und Revolutionäre aus anderen Teilen des Volkes... zu organisieren... und zum Sieg über die Bourgeoisie und ihren Staat zu führen" (Gründungserklä! rung). Mit dem Beitritt anderer kommunistischer Gruppen der "neuen Linken" ist zu rechnen, so daß sich die Konturen einer weiteren bundesweiten kommunistischen Organisation abzuzeichnen beginnen. Zur Situation an den Landesuniversitäten Wie bereits im Wintersemester 1972/73, so haben linksradi! kale Studenten auch im Sommersemester 1973 den Lehrbetrieb an mehreren Hochschulen des Landes durch massive Störaktionen beeinträchtigt. Es mehren sich jedoch die Anzeichen, daß die radikalen Forderungen und militanten Aktionen links- - 13 - radikaler Hochschulgruppen erstmals auch im studentischen Bereich auf Widerstand stoßen. Am deutlichsten zeichnet sich diese Tendenz an der bislang unruhigsten Universität des Landes, an der Universität Heidelberg, ab, an der die seit mehreren Semestern dominierende "Kommunistische Hochschulgruppe (Neues Rotes Forum)" ( K H G / N R F ) mehrfach empfindliche Niederlagen hinnehmen mußte; Nachdem der von der KHG (NRF) gestellte Allgemeine Studentenausschuß (AStA) in einem "Sonder-INFO" vom 2. Mai alle Studenten aufgefordert hatte, "die Diskussion über die Maßnahmen der Reaktion und die nächsten Schritte des Kampfes der Studenten gerade in die Lehrveranstaltungen derer hineinzutragen, die als ihre entschiedensten Feinde auftreten", kam es seit 3. Mai zu massiven Störaktionen, die zum Abbruch mehrerer Lehrveranstaltungen führten. Auf einer studentischen Vollversammlung beschlossen am 8. Mai etwa 1 500 der insgesamt 15 000 Heidelberger Studenten auf der Grundlage einer Resolution des AStA und der KHG (NRF), vom 9. - 11. Mai einen dreitägigen "Warnstreik" gegen die Hochschulgesetznovelle durchzuführen. Zwar wurden in diesem Zeitraum wiederholt Lehrveranstaltungen gestört, jedoch blieb die angestrebte "Massenbasis" aus. Erstmals in dieser Deutlichkeit kam es zu Protesten lernwilliger Studenten. Der von Mitgliedern der KHG (NRF) gebildete AStA der Universität Heidelberg trat am 21. Mai überraschend zurück. Sein Aufruf zu einem "Generalstreik" gegen die geplante Novellierung des Landeshochschulgesetzes hatte bei einer studentischen Urabstimmung, an der sich 51 Prozent der immatrikulierten Studenten beteiligten, nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Daraufhin beschloß das 38. Studentenparlament der Universität Heidelberg am 28. Mai auf Antrag der KHG (NRF) mit 58 gegen 19 Stimmen seine Auflösung. Die vom 13.-19. Juni durchgeführte Neuwahl des Studentenparlaments brachte der - 14 - "Organisation, die den Kampf führt", der "Kommunistischen Hochschulgruppe ( N R F ) " , eine deutliche, in diesem Atismaß kaum erwartete Niederlage und damit den Verlust der Institution AStA. Diese sich in Ansätzen abzeichnende Abwendung der politisch aktiven Teile der Studentenschaft von linksextremen, militanten Gruppen ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Stärkung der demokratischen Kräfte an der Universität. Sie stärkt vielmehr im allgemeinen diejenigen Hochschulgruppen, die teilweise ebenfalls linksradikale Zielsetzungen verfolgen, jedoch in ihren Methoden flexibler taktieren und auf gewaltsame Aktionen verzichten: Bei einer überdurchschnittlich hohen Wahlbeteiligung von 40,5 % (gegenüber 34,4% bei der letzten Wahl) verlor die KHG (NRF) ihre bislang dominierende Stellung im Studentenparlament der Universität Heidelberg und erhielt lediglich noch 30 (bisher 38) clor insgesamt 80 Mandate. Doch auch die gemäßigte "Aktion Demokratische Hochschule" (ADH) mußte einen empfindlichen Rückschlag hinnehmen; sie verlor ihre bisher 7 Mandate und kehrte nicht mehr in das Parlament zurück. Eigentlicher Gewinner der Wahl zum 39. Studentenparlament war das unter der Parole "Radikale Demokratisierung der Gesellschaft" angetretene "Hochschulpolitische Kollektiv" (HOPOKO), das 47 (bisher 11) Mandate errang und damit den neuen AStA stellt. Gleichwohl bergen Rückschläge für militante Gruppen auch im Hochschulbereich die Gefahr einer weiteren Radikalisierung dieser Organisationen in sich, so daß trotz der positiven Anzeichen insbesondere in Heidelberg, aber auch etwa in Berlin, mit einer deutlichen Beruhigung der Situation an den Hochschulen vorerst nicht gerechnet werden kann. Vielmehr zeichnet sich in zunehmendem Maß eine überregionale Zusammenarbeit politisch gleichgesinnter linksradikaler Hochschulgruppen ab. Die sich gegenseitig heftig befehdenden - 15 - Gruppierungen nahmen anläßlich der Kampagnen gegen das "Berufsverbot" und gegen die Hochschulgesetznovelle erstmals deutlich Gestalt an. Der von der "Kommunistischen Hochschulgruppe (NRF)"Heidelberg angeführten überregionalen "Aktionseinheit" schlossen sich als wichtigste Gruppen die "Kommunistische Hochschulgruppe" Freiburg, die "Gruppe Hochschulpolitik" Konstanz, die "Initiativgruppe für eine Kommunistische Hochschulgruppe" Holionheim und verschiedene KSV-Sympathi! santengruppen an. Der von der "Kommunistischen Studentengruppe (MarxistenLeninisten)" geführten "Aktionseinheit" gehören u.a. die Allgemeinen Studentenausschüsse der Universitäten Stuttgart und Ulm und einiger Pädagogischer Hochschulen sowie die bedeutende KSG/ML-Gruppe der Universität Tübingen an. Unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten ideologischer Art veranlassen den zur "orthodoxen Linken" zählenden MSB Spartakus in verstärktem Maß, eigene, nicht selten überregional gesteuerte Aktionen durchzuführen. Das trifft insbesondere für die die Allgemeinen Studentenausschüsse der Universitäten Tübingen und Karlsruhe führenden MSB Spartakus-Gruppen zu. Während der zentralen, landesweiten Demonstration gegen die Novellierung des Landeshochschulgesetzes am 7. Juni in Stuttgart wurde das isolierte Vorgehen der MSB Spartakus-Gruppen besonders deutlich: Obwohl die vorgenannten "Aktionseinheiten" zur selben Stunde in Stuttgart demonstrierten, bildeten der MSB Spartakus und die mit ihm sympathisierenden Gruppen einen eigenen Demonstrationszug. Diese sich zunehmend festigenden landesweiten "Aktionseinheiten" lassen für die Zukunft eine stärkere Koordination der linksradikalen studentischen Aktivitäten erwarten. - 16 - 3. Radikale im öffentlichen Dienst Die derzeitige Situation auf dem Gebiet des politischen Radikalismus wirkt sich auch auf den öffentlichen Dienst aus. Die Zahl der Linksradikalen, die sich um eine Aufnahme in den öffentlichen Dienst bewerben, nimmt zu, während die der Rechtsradikalen rückläufig ist. Bemerkenswert an dieser Entwicklung ist jedoch weniger das sich verschiebende Zahlenverhältnis als der Umstand, daß von der Zunahme der Linksradikal en besonders der Erziehungsund Ausbildungsbereich in allen seinen Stufen und Formen betroffen ist. Die von der "neuen Linken" herausgegebene und auch von den orthodoxen Kommunisten stillschweigend befolgte Losung vom "Marsch durch die Institutionen" gewinnt offensichtlich Konturen. Um diese Entwicklung, die sowohl beim Bund als auch bei den Ländern festzustellen ist, entgegenzuwirken und eine möglichst einheitliche Anwendung der bestehenden, in Bund und Ländern gleichlautenden Bestimmungen der Beamtengesetze und Tarifverträge über die Verfassungstreue im öffentlichen Dienst zu gewährleisten, wurden von den Regierungschefs des Bundes und der Länder am 28. Januar 1972 Grundsätze über die Verfassungstreue, im öffentlichen Dienst beschlossen. Zur Durchführung dieses Beschlusses haben einzelne Bundesländer Richtlinien erlassen. In Baden-Württemberg sind solche Richtlinien zwar noch nicht ergangen; dem Kabinett liegt jedoch der Entwurf des Innenministeriums zu einem "Beschluß der Landesregierung über die Pflicht zur Vorfassungstreue im öffentlichen Dienst" zur Beratung vor. Die Landesregierung will über die Richtlinien jedoch erst beschließen, wenn die von der Innenministerkonferenz vorgesehene Beratung auf Grund von Erfahrungsberichten im Herbst d.J. abgeschlossen sein wird. Gegen den Ministerpräsidentenbeschluß wird besonders seitens der Linksradikalen aller Schattierungen unter der Parole "Kampf dem Berufsverbot für Kommunisten und andere Demokraten" Sturm gelaufen. Nachdem in Baden-Württemberg noch keine Durchführungsricht! linien zum Ministerpräsidentenbeschluß erlassen sind, erfolgt seitens des LfV bisher keine generelle Überprüfung von Bewer- - 17 - bern Tür don öffentlichen Dienst. Erst recht findet keine nachträgliche Überprüfung aller Angehörigen des öffentlichen Dienstes statt, was nach dem Richtlinienentwurf auch nicht vorgesehe ist. Das Landesamt für Verfassungsschutz führt karteimäßige Überprüfungen von Bewerbern oder Angehörigen des öffentlichen Dienstes durch, wenn es in Einzelfällen hierum von den Ein! stellungsbzw. den Beschäftigungsbehörden oder deren übergeordneten Aufsichtsbehörden ersucht wird. Karteimäßige Überprüfung bedeutet, daß das LfV nachprüft, ob Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen des Bewerbers vorliegen. Ergibt die Überprüfung belastende Erkenntnisse, so werden diese mit einer gutachtlichen Stellungnahme der anfragenden Behörde oder, soweit sie gegenüber dem LfV nicht auskunftsbe! rechtigt ist, der vorgesetzten obersten Landesbehörde mitgeteilt. Ebenso wird verfahren, wenn das LfV anderweitig von einer Bewerbung um Übernahme in den öffentlichen Dienst Kenntnis erlangt und ihm einschlägige Erkenntnisse über den Bewerber vorliegen oder wenn beim LfV gravierende Erkenntnisse über einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes eingehen. Die Entscheidung darüber, ob ein Bewerber eingestellt oder in das Beamtenverhältnis übernommen wird oder ob gegen einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes disziplinaroder ar! beitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet werden, obliegt jedoch in allen Fällen dem zuständigen Dienstherrn. Zudem hat der Ministerrat einen Ausschuß von vier Ministerialdirektoren eingesetzt, der die Aufgabe hat, rechtlich und staatspolitisch schwierige Personalfälle vorzuberaten. - 18 - Politisch radikale Ausländergruppen In Baden-Würrttemberg das im Bundesdurchschnitt die größte Ausländerdichte aufweist, stellen die inzwischen über 800 000 Ausländer 9 Prozent der Gesamtbevölkerung und mehr als 16 Prozent der Beschäftigten. Die Mehrheit dieser Personengruppe vorhält sieb/politisch neutral und steht den Aktivitäten der politisch radikalen Aus! ländergruppen ablehnend gegenüber. Dennoch setzen diese Gruppen ihre Bemühungen fort, unter ihren im Bundesgebiet lobenden Landsleuten eine Massenbasis für ihre Aktivitäten im Inund Ausland zu erreichen. Die während der exekutiven Maßnahmen gegen die "Genoralunion Palästinensischer Arbeiter" (GUPA) und die "Generalunion Palästinensischer Studenten" (GUPS) sichergestellten Unterlagen haben bestätigt, daß diese palästinensischen Organisationen in ihrer öffentlichen und konspirativen Tätigkeit insbesondere die Aufgabe zu erfüllen hatten, die revolutionäre Massenbasis der palästinensischen Guerilla-Organisationen durch Erfassung breiter Kreise clor in der Bundesrepublik lobenden palästinensischen Arbeiter und Studenten zu verbreitern. Unter diesem Aspekt bedürfen bei der Beobachtung extremer palästinensischer Organisationen zwei Punkte besonderer Aufmerksamkeit: zum einen die sowohl in Baden-Württemberg als auch in anderen Bundesländern zu beobachtende steigende Einreisequote von Ausländern aus den arabischen Ländern, unter denen sich zunehmend "Illegale" befinden, zum anderen die deutlich werdenden Neubildungsbemühungen der verbotenen Organisationen GUPS und GUPA. Sowohl in Stuttgart als auch im Raum Mannheim wurden Treffen früherer GUPSund GUPA-Mitglie! der festgestellt, die sich insbesondere um eine Wiederaufnahme der seit dem Verbot im Oktober 1972 unterbrochenen Spendentätigkeit für die Guerilla-Organisationen bemühen. Von den zahlenmäßig stark vertretenen Italienern ist nur eine kleine Minderheit in italienischen Gruppen organisiert. Aktivitäten folgender Organisationen sind vor allem in Südbaden festgestellt worden: -19die PCI (Kommunistische Partei Italiens) sowie die kommunistisch ausgerichteten Organisationen ARCS (Associaziond Ricroative Culturale Emigrati -Verein für Kultur und Freizeitgestaltung-) INGA (Istituto Nationale Confederale di Assistenza -Nationales Büro dos sozialen Fürsorgeverbandes-) Im Stadtkreis Stuttgart, in dorn über 20 000 Italiener leben, trat nur der "Verein italienischer Gastarbeiter im Ausland" in Erscheinung. Arn. 10. Juni 1973 nahmen ca. 200 Italiener an einer Verunstaltung dos Vereins teil, wobei rote Fahnen mit Hammer und Sichel mitgeführt wurden. In Baden-Württemberg fanden vor allem gut besuchte Kulturund Sportveranstaltungen kroatischer Gruppen statt. Ausgesprochen politisch motivierte Veranstaltungen sind nicht festgestellt worden. Zu erwähnen sind jedoch verschiedene politische Gewalttaten, u.a. eine vorsuchte Geiselnahme und ein Mordanschlag auf einen jugoslawischen Konsul. Der Hauptträger der politischen Aktivität der in Baden-Württemberg lebenden Spanier ist die "Kommunistische Partei Spaniens" (PCE) mit den von ihr unterwanderten Organisationen. Eine wesentliche Aufgabe kommt dabei den "Solidaritätskommissionen für die Arbeiterkommissionen" (Comisiones obreras) zu, die sich zu Sammelbecken politisch linksstehender Spanier entwickelt haben und enge Verbindungen zur PCE unterhalten. Dennoch ist es der PCS bislang nicht gelungen, sich aus ihrer Isolierung gegenüber den in unserem Land lebenden spanischen Arbeitnehmern zu befreien. Unter den in Baden-Württemberg existierenden türkischen links! radikalen Organisationen gewinnt die maoistische "Türkische Studentenföderation in Deutschland e.V." (ATÖF) zunehmend an Bedeutung. Die Rechtfertigung und Verherrlichung von Gewalt nehmen in den Publikationen der ATÖF, die verstärkt auch unter türkischen Arbeitnehmern verbreitet werden, einen breiten Raum ein. - 20 - 5. Spionageabwehr Die Situation auf dorn Gebiet der Spionageabwehr ist bis heute unverändert. Eine umfassende, gegen den Westen gerichtete Ausspähungstätigkeit der kommunistischen Nachrichtendienste bedroht insbesondere die Bundesrepublik. Nahezu 80 Prozent der gesamten gegen die Bundesrepublik gerichteten Spionageaufträge der Warschauer-Pakt-Staaten gehen von den Geheimdiensten der DDP aus. Im Wissen, daß Volksund Sprachgleichheit unschätzbare Vorteile für eine Spionagetä! tigkeit darstellen, wurde ihnen das Primat bei der Ausspähung Westdeutschlands zugestanden. Sehr zustatten kommen den Ostberliner Diensten dabei die vielfältigen menschlichen Beziehungen zwischen den Bewohnern beider deutscher Staaten und die von der Bundesrepublik praktizierte Reisefreiheit. In die restlichen 20 Prozent der g e g e n die Bundesrepublik gerichteten nachrichtendienstlichen Aktivität teilen sich die übrigen Geheimdienste der Warschauer-Pakt-Staaten. Es gibt keine Einrichtung oder Institution des öffentlichen Lebens in unserem Staat, die für sie uninteressant wäre. Wohl gilt ein wesentlicher Teil der Ost-Spionage wie eh und je der Ausspähung militärischer Objekte. Ein Großteil des Gegnerischen Interesses ist aber auf das politische Leben und Geschehen in der Bundesrepublik und im besonderen auf die von unserer Wirtschaft und Industrie betriebene Forschung und Entwicklung gerichtet. Ein begehrtes Ziel gegnerischer Auskundschaftung stellen die in Baden-Württemberg ansässigen Unternehmen der Elektro-Industrie und Elektronik-Werke mit EDV-Produktion dar. Es gibt bis jetzt kein Anzeichen dafür, daß die Spionagetätigkeit der kommunistischen Geheimdienste nachläßt. Lediglich Arbeitsweise und. Methodik ändern sich. Nach wie vor wird versucht, Bewohner der Bundesrepublik bei Reisen in bzw. durch die DDR nachrichtendienstlich zu verstricken und Agenten zu gewinnen. - 21 - Personen, von denen die Gegenseite nicht sicher weiß, ob sie für einen kommunistischen Geheimdienst zu arbeiten be! reit sind, werden unter "falscher Flagge" angesprochen. Der Werber gibt in diesem Falle einen falschen Auftraggeber an, der entsprechend der Mentalität, der politischen Einstellung oder der religiösen Überzeugung des Reisenden ausgesucht wird. Die in den vergangenen Jahren vorrangig von den DDR-Diensten betriebene Breitenwerbung mittels Preisausschreiben, Mei! nungstests u.a. hatte offensichtlich nicht die gewünschte Wirkung, weshalb individuell abgefaßte Anschreiben zur Zeit clor Vorzug gegeben wird. Studenten und Jungakademiker finden gesteigertes Interesse bei allen Geheimdiensten der kommunistischen Welt. Behutsam, oft unter Verschleierung der wahren Absichten, wird der aufgenommene Kontakt auf "lange Sicht" gepflegt, um nach Erreichen gehobener Staatsoder Wirtschaftspositionen die eigentliche Ausspähungstätigkeit zu versuchen. Bis dahin wird versucht, den Rückweg des Betroffenen durch Druckmittel zu verbauen. Auch unter Aussiedlern und bei Überstellung von Amnestierten wird nach potentiellen Ausspähern gesucht. Verständlicherweise findet sich mancher unter ihnen bereit, das mit der Freiheit verbundene Angebot, wenn auch nur zum Schein, anzunehmen.